Schlagwort: Völkerrecht

Das Institut im Kampf gegen Massenvernichtungswaffen

The Institute in the Fight Against Weapons of Mass Destruction

Deutsch

Rechtsberatung in Fragen des Verbotes chemischer und biologischer Waffen in den 1970er Jahren

Abrüstungsfragen stehen im Herzen des modernen Völkerrechts. So befasste sich nicht nur bereits die allererste Resolution der UN-Generalversammlung mit der Notwendigkeit der (nuklearen) Abrüstung, auch das erste der sechs ständigen Komitees der UN-Generalversammlung ist für Abrüstungsfragen zuständig. Und schon vor Gründung der Vereinten Nationen waren Abkommen zur Begrenzung des Einsatzes bestimmter Waffen und Kampfmethoden im Krieg ein zentraler Motor des Völkerrechts.[1]

Ein Jahrzehnt der Abrüstung nach einem Jahrzehnt der regionalen Kriege

Chemische Kriegsführung. Die US Army versprüht das Entlaubungsmittel „Agent Orange“ im Vientamkrieg 1963[2]

Geprägt durch eine Vielzahl regionaler Konflikte wie beispielsweise in Algerien, Vietnam, Korea oder dem Nahen Osten war der im Zeitraum Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre ein entscheidender Moment internationaler Abrüstungsbemühungen. Im Fokus standen damals neben konventionellen Waffen insbesondere Massenvernichtungswaffen (auch ABC-Waffen genannt).

Im Jahre 1968 wurde der Nichtverbreitungsvertrag (NPT) geschlossen, der die nukleare Aufrüstung maßgeblich aufhielt und mit seinem Art. VI eine Verpflichtung aller Staaten enthält, nicht nur Gespräche bezüglicher nuklearer Abrüstung einzugehen, sondern das Ziel eines Vertrages zur allgemeinen und vollständigen Abrüstung sämtlicher Waffen enthält. Auch das bilaterale nukleare Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion wurde durch das SALT I Abkommen sowie den ABM-Vertrag jeweils ab 1972 begrenzt.

Mit dem Durchbruch des NPT im Rücken sowie der breiten Unterstützung der Konferenz des Abrüstungskomitees, eingesetzt durch die UN-Generalversammlung, gab es ein Momentum, das Thema der biologischen B und chemischen C Waffen ebenfalls völkerrechtlich verbindlich anzugehen. Unterstützt wurden diese Bestrebungen durch einen Bericht des UN-Generalsekretärs Sithu U Thant über „Chemische und bakteriologische (biologische) Waffen und die Auswirkungen ihrer Verwendung“[3], der auf mehr als 100 Seiten die weitreichenden Konsequenzen des Einsatzes solcher Waffen darstellt. Zum Kontext der Diskussion gehörten Vorwürfe der Verwendung von bakteriologischen Kampfmitteln gegen Soldaten im Koreakonflikt seitens der Vereinigten Staaten zu Beginn der 1950er Jahre, aber auch die im Vietnamkrieg während der gesamten 1960er Jahre verwendeten, für Mensch und Natur verheerenden Waffen (z.B. Agent Orange). Die Skandalisierung des Vietnamkriegs in der öffentlichen Meinung und ein aufkommendes Umweltbewusstsein taten ihr übriges.

Das MPIL als Rechtsberater für die bundesdeutsche Beobachtermission bei den Vereinten Nationen

Als Reaktion auf U Thants Bericht, flankiert durch den Bericht des Ersten Komitees,[4] trat im Jahr 1970 eine internationale Kommission zusammen, die sich mit zentralen Fragen biologischer und chemischer Waffen beschäftigen sollte. An dieser nahm auch die Bundesrepublik Deutschland teil, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch kein Mitglied der Vereinten Nationen war. Bis zu ihrem UN-Beitritt 1973 war die Bundesrepublik lediglich im Rahmen einer Beobachtermission tätig, wobei wenn dieser Status sie nicht daran hinderte, sehr aktiv aufzutreten. Um an der Abrüstungskommission informiert teilnehmen zu können, bedurfte das Auswärtige Amt völkerrechtliche Expertise. Daher wurde der damalige MPIL-Direktor Hermann Mosler am 2. Februar 1970 vom damaligen Leiter der Abteilung Völkerrecht und späteren Leiter der Rechtsabteilung des Ministeriums – Dedo von Schenck – brieflich um die Erstellung eines Gutachtens gebeten.

Zwei Fragen sollte das Gutachten beantworten: Zum einen sollte geklärt werden, ob der Inhalt des Genfer Gaskriegsprotokolls aus dem Jahre 1925 Bestandteil des allgemeinen Völkerrechts sei. Zum anderen interessierte das Auswärtige Amt, ob bestimmte Mittel (Tränengas, Psycho-Kampfstoffe, Entlaubungsmittel und Napalm[5]) unter ein Verbot aus dem Protokoll fallen würden.

Zunächst fällt bei der Fragestellung auf, dass sie die Formulierung „allgemeines Völkerrecht“ verwendet. Aus heutiger Sicht ist das Gaskriegsprotokoll als völkerrechtlicher Vertrag selbstverständlich Teil des allgemeinen Völkerrechts. Die von Dedo von Schenck verwendete Formulierung erinnert allerdings an Art. 25 GG, welcher von den „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ spricht. Diese grundgesetzliche Formulierung wird – und wurde schon damals – sowohl vom BVerfG[6] als auch nach staatsrechtlicher herrschender Meinung [7] als Synonym für Völkergewohnheitsrecht verstanden.

Michael Bothe und das Rechtsgutachten Nr. 178

Michael Bothe als Referent am Institut in den 1970ern[8]

In diesem Sinne verstand auch Michael Bothe die Frage, welcher sich zu dieser Zeit am Institut habilitierte und von Hermann Mosler beauftragt wurde, das Gutachten zu erstellen. Michael Bothe arbeitete von 1964 bis 1979 als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent am Institut, wo er sich unter anderem mit Fragen des humanitären Völkerrechts und Rüstungskontrollrecht beschäftigte.

Auffällig ist die Logik hinter der Fragestellung des Gutachtens. Zunächst wurde gefragt, ob ein Vertrag selbst Teil des Gewohnheitsrechts sei. Anschließend wurde gefragt, ob bestimmte Mittel unter den Vertrag fallen würden. Die vom Auswärtigen Amt verfolgte Logik lag also darin zu sagen, Stoff X fällt unter das Gaskriegsprotokoll, das Gaskriegsprotokoll ist Gewohnheitsrecht, also ist der Einsatz von Stoff X völkergewohnheitsrechtlich verboten. Diese Logik demontierte Michael Bothe bereits zu Beginn des materiellen Teils seines Gutachtens. Völkergewohnheitsrecht kann sich unabhängig von Vertragsrecht bilden. Auch der Inhalt eines gewohnheitsrechtlichen Verbots, auch wenn sich dieses parallel zu Vertragsrecht entwickelte und durch dieses katalysiert wurde, kann sich von diesem durchaus unterscheiden. Daher nimmt Bothe den dogmatisch sauberen Weg und fragt zunächst, ob der Einsatz eines spezifischen Stoffes gewohnheitsrechtlich verboten sei, um dann im Einzelnen die Tragweite eines solchen Verbots zu analysieren.

Systematisch arbeitet er das Vorliegen der beiden konstitutiven Elemente von Gewohnheitsrecht, der opinio iuris und der consuetudo (Staatenpraxis), heraus. Er kommt zu dem Schluss, dass das Gaskriegsprotokoll Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts ist. Bei den jeweils angefragten Stoffen kommt er zu gemischten Ergebnissen: Napalm als Brandwaffe sei von keinem Verbot erfasst, was sich insbesondere an einer fehlenden Praxis aufgrund des massiven Einsatzes im Zweiten Weltkrieg zeige. Die übrigen Stoffe würden unter das Gaskriegsprotokoll fallen und seien daher vertraglich verboten. Interessanterweise lehnt er aber ein gewohnheitsrechtliches Verbot von Entlaubungsmitteln aufgrund des Widerstandes der Vereinigten Staaten, die dieses massiv in Vietnam einsetzten, ab. Nach heutiger Terminologie würde man diese als persistant objector bezeichnen.

Michael Bothe arbeitete sehr intensiv an dem Gutachten und stellte im September 1970 eine vorläufige Fassung fertig. Während das Gutachten selbst vierzig Seiten umfasste, folgten weitere knapp 200 Seiten Anhang, bestehend aus Analysen zu Einzelfragen und dem Abdruck von Vertragstexten sowie Protokollen – sichtbar ein Ergebnis harter juristischer und dokumentarischer Kärrnerarbeit. Die als Buch publizierte Langfassung wurde als wichtiger Beitrag für eine seit einem halben Jahrhundert bestehenden Diskussion über den Einsatz solcher Waffen gesehen, wobei insbesondere seine differenzierte Analyse des Vertrags- und Gewohnheitsrechts hervorgehoben wurde.[9] Die Übersendung des Gutachtens an das Auswärtige Amt übernahm Rudolf Bernhardt, der im selben Jahr als Direktor neu ans Institut berufen worden war. Nunmehr bestand das Direktorium mit Mosler und Bernhardt aus zwei Personen – eine Neuheit in der zu diesem Zeitpunkt knapp fünfzigjährigen Geschichte des Instituts. In der Korrespondenz zwischen MPIL und Auswärtigen Amt betonte das Auswärtige Amt regelmäßig die guten Beziehungen zwischen dem Völkerrechtsreferat des AA und dem Institut. Diese guten Beziehungen zeigen sich in der Korrespondenz insbesondere auch daran, dass Rudolf Bernhardt, bereits seit 1954 dem Institut verbunden, und der ihm offenbar schon lange bekannte Dedo von Schenck die sehr persönliche Grußformel „sehr verehrter, lieber Herr“ verwendeten. Noch heute werden diese besonderen Verbindungen gepflegt, etwa in den jährlich stattfindenden gemeinsamen Workshops, in denen Mitarbeitende des Auswärtigen Amts ein völkerrechtliches Thema intensiv mit Forschenden aus dem Institut diskutieren, oder der Tatsache, dass die geschäftsführende Direktorin Anne Peters Deutschland im Auftrag des Auswärtigen Amtes vor dem Internationalen Gerichtshof vertrat.

Was danach persönlich geschah

Das Gutachten lag nun in den Händen der Auftraggeber. Doch als Wissenschaftler ließ es sich Michael Bothe nicht nehmen, die umfangreiche Untersuchung, in die er mehr als ein halbes Jahr Arbeit investiert hatte, auch wissenschaftlich zu verwenden. Er arbeitete sein Gutachten, parallel zu seiner nicht weniger umfangreichen Habilitationsschrift, zu einem Buch aus und veröffentlichte dieses 1973 in der institutseigenen Reihe der Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht.[10] Wird diese Schriftenreihe heute aufgrund der Farbe der Einbände häufig einfach als Schwarze Reihe bezeichnet wird, so war Bothes Studie „Das völkerrechtliche Verbot des Einsatzes chemischer und bakteriologischer Waffen“ der letzte Band der Reihe, der noch mit einem grünen Einband erschien. Michael Bothe wurde 1974 an der Universität Heidelberg habilitiert und blieb bis zu seiner Berufung als ordentlicher Professor an die Universität Hannover 1979 am Institut, dem er weiterhin verbunden ist. Von 1983 an war er Professor in Frankfurt am Main, wo er 2003 emeritiert wurde. Weiterhin war er Teil der deutschen Delegation bei den Verhandlungen über die Zusatzprotokolle der Genfer Konventionen.[11] Heute lebt er in Bensheim.

Was danach völkerrechtlich geschah

Fässer mit „Agent Orange“ im US-Kampfstofflager auf dem Johnston Atoll 1976[12]

Die Beratungen und Diskussionen in Völkerrechtswissenschaft und diplomatischer Praxis führten zu einem gewissen Erfolg. 1972 wurde die Konvention über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen (kurz: Biowaffenkonvention) unterschrieben. Zugegebenermaßen aber sah man diese Waffen militärisch als nicht sonderlich bedeutsam an, weswegen eine Einigung relativ leicht möglich war – zumal in der Konvention auch kein Kontrollmechanismus vorgesehen ist. Mittlerweile sind 184 Staaten der Welt (mit Ausnahme beispielsweise Syriens, Ägyptens und Israels)  Vertragsparteien dieser Konvention. Bei den chemischen Waffen dauerte es länger, bis die Weltgemeinschaft zu einem umfassenden völkerrechtlichen Vertrag kam. Sieben Jahre nach Ende des Kalten Krieges trat 1997 schließlich nach sehr komplizierten Verhandlungen das Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (kurz: Chemiewaffenkonvention) in Kraft. Mit Ausnahme Israels, Ägyptens, Südsudans und Nordkoreas sind sämtliche Staaten der Welt Vertragsparteien des Abkommens. Der Grund für die deutlich längere Dauer der Verhandlungen bis zum Vertragsschluss liegt in der militärischen Relevanz – man denke beispielsweise an den Giftgaseinsatz im damals noch Nicht-Mitgliedsstaat Syrien – und in dem umfangreiche Kontrollmechanismus, dessen Einführung begleitet wurde durch die Einrichtung einer neuen Internationalen Organisation, der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW).

Während nun somit B- und C-Waffen heute vollständig verboten sind, ist die Frage der Atomwaffen weiterhin offen. Zwar wollte der Nichtverbreitungsvertrag die weitere Ausbreitung von Atomwaffen verhindern, dennoch haben aber mehrere Staaten solche Staaten entwickelt; es fehlt es an einem globalen Willen, auch Atomwaffen vollständig zu verbieten. Seit 2021 ist der Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW) in Kraft, bislang aber ist kein Nuklearwaffenstaat oder Staat des globalen Nordens diesem Vertrag beigetreten. Dennoch bleibt auch die Frage der nuklearen Abrüstung – insbesondere im Hinblick auf neue nukleare Technologien – nach wie vor ein Thema, zu welchem am Institut intensiv geforscht wird.

***

Der Autor dankt Professor Dr. Michael Bothe für seine anregenden Kommentare.

[1] Man denke nur an die Haager Landkriegsordnung von 1899 und 1907 oder das Genfer Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege von 1925.

[2] Foto: Wikimedia Commons.

[3] UN, Chemical and bacteriological (biological) weapons and the effects of their possible use: report of the Secretary-General, 1969, A/7575/Rev.1.

[4] UN Generalversammlung, Resolutionen 2516 (XXIV), 2574 (XXIV), 2601 (XXIV) – 2606 (XXIV).

[5] Napalm ist eine Brandwaffe, die bestehend aus zwei Säuren eine zähflüssige, klebrige Masse bildet, die sehr gut haftet und sehr leicht entzündlich ist. Eingesetzt wurde es unter anderem in Vietnam, im Nahen Osten und in Algerien.

[6] BVerfGE 23, 288 (Rn. 317); BVerfGE 94, 315 (Rn. 328); BVerfGE 96, 68 (Rn. 86).

[7] Ondolf Rojahn, in: Ingo von Münch/Philip Kunig(Begr.), Grundgesetz-Kommentar, 5. Aufl., München, C.H. Beck 2000; Art. 25, Rn. 6ff.; Christian Koenig in: Hermann v. Mangoldt(Begr.)/ Friedrich Klein(Hrsg.)/ Christian Starck(Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 7. Aufl., München: C.H. Beck 2018, Art.25, Rn. 29; Volker Epping/Christian Hillgruber(Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, 57. Edition, München: C.H. Beck 2024, Art. 25, Rn. 19; Matthias Herdegen, in: Günter Dürig(Begr.)/Rupert Scholz(Hrsg.)/Roman Herzog(Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 95. EL, München: C.H. Beck 2021, Art. 25 GG, Rn. 34.

[8] Foto: MPIL.

[9] Frits Kalshoven, Michael Bothe, Das völkerrechtliche Verbot des Einsatzes chemischer und bakteriologischer Waffen [Book Review], Netherlands International Law Review 22 (1975), 97.

[10] Michael Bothe, Das völkerrechtliche Verbot des Einsatzes chemischer und bakteriologischer Waffen, Köln: Carl Heymanns Verlag 1973.

[11] Das Lebenswerk von Michael Bothe wurde gewürdigt in: Andreas Fischer-Lescano et. al (Hrsg), Frieden in Freiheit – Peace in liberty – Paix en liberté: Festschrift für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden: Nomos 2008.

[12] Foto: Wikimedia Commons.

 

English

Legal Advice on Issues Relating to the Ban on Chemical and Biological Weapons in the 1970s

Disarmament issues are at the heart of modern international law. Not only did the very first resolution of the UN General Assembly deal with the need for (nuclear) disarmament, but the first of the six standing committees of the UN General Assembly is also responsible for disarmament issues. And even before the founding of the United Nations, agreements to limit the use of certain weapons and methods of warfare were a key driver of international law.[1]

A Decade of Disarmament After a Decade of Regional Wars

Chemical warfare. The US Army sprays the defoliant ‘Agent Orange’ during the Vietnam War in 1963[2]

Characterised by a large number of regional conflicts, such as in Algeria, Vietnam, Korea and the Middle East, the period at the end of the 1960s and beginning of the 1970s was a decisive moment in international disarmament efforts. In addition to conventional weapons, the focus at the time was on weapons of mass destruction.

In 1968, the Nuclear Non-Proliferation Treaty (NPT) was concluded, which significantly halted nuclear armament and, with its Art. VI contains a commitment by all states not only to enter into talks on nuclear disarmament, but also to the goal of a treaty on the general and complete disarmament of all weapons. The bilateral nuclear arms race between the USA and the Soviet Union was also limited by the SALT I agreement and the ABM Treaty from 1972 onwards.

With the breakthrough of the NPT behind them and the broad support of the Conference of the Disarmament Committee, set up by the UN General Assembly, there was momentum to also address the issue of biological and chemical weapons in a binding manner under international law. These efforts were supported by a report by UN Secretary‑General Sithu U Thant on “Chemical and bacteriological (biological) weapons and the consequences of their use”[3] , which outlines the far-reaching consequences of the use of such weapons in more than 100 pages. The context of the discussion included accusations of the use of bacteriological weapons against soldiers in the Korean conflict by the United States in the early 1950s, but also the weapons used in the Vietnam War throughout the 1960s, which were devastating for humans and nature (e.g. Agent Orange). The scandalisation of the Vietnam War in public opinion and an emerging environmental awareness did the rest.

The MPIL as Legal Advisor for the German Observer Mission to the United Nations

In response to U Thant’s report, flanked by the report of the First Committee,[4] an international commission was convened in 1970 to deal with key issues relating to biological and chemical weapons. The Federal Republic of Germany also took part in this commission, even though it was not yet a member of the United Nations at the time. Until it joined the UN in 1973, the Federal Republic was only active as an observer mission, although this status did not prevent it from being very active. In order to participate in the Disarmament Commission in an informed manner, the Federal Foreign Office required expertise in international law. For this reason, on 2 February 1970, the then MPIL Director Hermann Mosler was asked by the then Head of the Department of International Law and later Head of the Legal Department of the Ministry – Dedo von Schenck – to prepare an expert opinion.

The expert opinion was to answer two questions: Firstly, it was to clarify whether the content of the Geneva Gas War Protocol of 1925 was part of general international law. Secondly, the Federal Foreign Office was interested in whether certain agents (tear gas, psycho warfare agents, defoliants and napalm[5] ) were covered by a ban under the protocol.

Firstly, it is noticeable that the question uses the phrase “general international law”. From today’s perspective, the Gas War Protocol, as a treaty under international law, is of course part of general international law. However, the term used by Dedo von Schenck is reminiscent of Article 25 of the German Basic Law, which speaks of the “general rules of international law”. This formulation of the Basic Law is – and was even then – understood both by the Federal Constitutional Court[6] and by the prevailing opinion in constitutional law[7] as a synonym for customary international law.

Michael Bothe and the Legal Opinion no. 178

Michael Bothe as research fellow at the Institute in the 1970s[8]

Michael Bothe, who was completing his habilitation at the Institute at this time and was commissioned by Hermann Mosler to prepare the expert report, also understood the question in this sense. Michael Bothe worked at the Institute from 1964 to 1979 as a senior research fellow, where he dealt with issues of international humanitarian law and arms control law, among other things.

The logic behind the question posed in the expert opinion is striking. First, it was asked whether a treaty itself was part of customary law. Then it was asked whether certain means were covered by the treaty. The logic pursued by the Federal Foreign Office was therefore to say that substance X falls under the Gas War Protocol, the Gas War Protocol is customary law, and therefore the use of substance X is prohibited under customary international law. Michael Bothe already dismantled this logic at the beginning of the substantive part of his expert opinion. Customary international law can develop independently of treaty law. The content of a prohibition under customary law, even if it developed in parallel with and was catalysed by treaty law, can also be quite different from the latter. Bothe therefore takes the dogmatically clean path and first asks whether the use of a specific substance is prohibited under customary law in order to then analyse the scope of such a prohibition in detail.

He systematically analyses the existence of the two constitutive elements of customary law, opinio iuris and consuetudo (state practice). He comes to the conclusion that the Gas War Protocol is part of customary international law. He comes to mixed conclusions about the substances in question: Napalm as an incendiary weapon is not covered by any prohibition, as evidenced in particular by a lack of practice due to its massive use in the Second World War. The other substances are covered by the Gas War Protocol and are therefore prohibited by treaty. Interestingly, however, he rejects a customary ban on defoliants due to the resistance of the United States, which used them on a massive scale in Vietnam. In today’s terminology, this would be called a persistent objector.

Michael Bothe worked very intensively on the report and completed a preliminary version in September 1970. While the report itself was forty pages long, it was followed by a further 200 pages of appendices consisting of analyses of individual issues and the reprinting of treaty texts and protocols – clearly the result of hard legal and documentary work. The long version, published as a book, was seen as an important contribution to the half-century-long debate on the use of such weapons, with particular emphasis being placed on its differentiated analysis of treaty and customary law.[9] The report was sent to the Federal Foreign Office by Rudolf Bernhardt, who had been appointed Director of the Institute in the same year. With Mosler and Bernhardt, the Board of Directors now consisted of two people – a novelty in the almost fifty-year history of the Institute at that time. In correspondence between MPIL and the Federal Foreign Office, the Federal Foreign Office regularly emphasised the good relations between the International Law Division of the Federal Foreign Office and the Institute. These good relations are reflected in the correspondence in particular by the fact that Rudolf Bernhardt, who had been associated with the Institute since 1954, and Dedo von Schenck, whom he had obviously known for a long time, used a very personal form of greeting. These special connections are still cultivated today, for example in the annual joint workshops in which employees of the Federal Foreign Office discuss a topic of international law in depth with researchers from the Institute, as well as the fact that the managing director Anne Peters recently defended Germany in front of the International Court of Justice on behalf of the Federal Foreign Office.

What Happened Afterwards, Personally

The expert report was now in the hands of the client. However, as an academic, Michael Bothe did not miss the opportunity to use the extensive study, in which he had invested more than six months of work, for academic purposes. He compiled his expert opinion into a book, parallel to his equally extensive habilitation thesis, and published it in 1973 in the institute’s own series of Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht.[10] Today, this series is often simply referred to as the Black Series due to the colour of the covers, but Bothe’s study “Das völkerrechtliche Verbot des Einsatzes chemischer und bakteriologischer Waffen” was the last volume in the series to be published with a green cover. Michael Bothe habilitated at the University of Heidelberg in 1974 and remained at the institute until his appointment as a full professor at the University of Hanover in 1979, with which he is still associated. From 1983 onwards, he was a professor in Frankfurt am Main, where he retired in 2003. He was also part of the German delegation to the negotiations on the Additional Protocols to the Geneva Conventions.[11] Today he lives in Bensheim.

What Happened Afterwards, Under International Law

Barrels of ‘Agent Orange’ in the US warfare agent depot on Johnston Atoll in 1976[12]

The consultations and discussions in international law and diplomatic practice led to a certain degree of success. In 1972, the Convention on the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and on their Destruction (in short: Biological Weapons Convention) was signed. Admittedly, however, these weapons were not considered to be of particular military significance, which is why it was relatively easy to reach an agreement – especially as the convention does not provide for a control mechanism. There are now 184 states in the world (with the exception of Syria, Egypt and Israel, for example) that are parties to this convention. In the case of chemical weapons, it took longer for the international community to reach a comprehensive treaty under international law. Seven years after the end of the Cold War, the Convention on the Prohibition of the Development, Production, Stockpiling and Use of Chemical Weapons and on their Destruction (in short: Chemical Weapons Convention) finally came into force in 1997 after very complicated negotiations. With the exception of Israel, Egypt, South Sudan and North Korea, all states in the world are parties to the Convention. The reason for the significantly longer duration of the negotiations up to the conclusion of the treaty lies in the military relevance – think, for example, of the use of poison gas in Syria, which was not yet a member state at the time – and in the extensive control mechanism, the introduction of which was accompanied by the establishment of a new international organisation, the Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons (OPCW).

While biological and chemical weapons are now completely banned, the issue of nuclear weapons remains unresolved. Although the Non-Proliferation Treaty aimed to prevent the further proliferation of nuclear weapons, several states have nevertheless developed such weapons; there is a lack of global will to ban nuclear weapons completely. The Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons (TPNW) has been in force since 2021, but so far no nuclear-weapon state or state of the Global North has acceded to this treaty. Nevertheless, the issue of nuclear disarmament – particularly with regard to new nuclear technologies – remains a topic of intensive research at the Institute.

***

The author would like to thank Professor Dr Michael Bothe for his stimulating comments.

[1] Just think of the Hague Land Warfare Convention of 1899 and 1907 or the Geneva Protocol on the Prohibition of the Use in War of Asphyxiating, Poisonous or Other Gases and of Bacteriological Methods of Warfare of 1925.

[2] Photo: Wikimedia Commons.

[3] UN, Chemical and bacteriological (biological) weapons and the effects of their possible use: report of the Secretary-General, 1969, A/7575/Rev.1.

[4] UN General Assembly, Resolutions 2516 (XXIV), 2574 (XXIV), 2601 (XXIV) – 2606 (XXIV).

[5] Napalm is an incendiary weapon consisting of two acids that form a viscous, sticky mass that adheres very well and is highly flammable. It was used in Vietnam, the Middle East and Algeria, among other places.

[6] BVerfGE 23, 288 (Rn. 317); BVerfGE 94, 315 (Rn. 328); BVerfGE 96, 68 (Rn. 86).

[7] Ondolf Rojahn, in: Ingo von Münch/Philip Kunig(founders), Grundgesetz-Kommentar, 5. ed., Munich: C.H. Beck 2000; Art. 25, para. 6 et seq.; Christian Koenig, in: Hermann v. Mangoldt(founder)/ Friedrich Klein(ed.)/ Christian Starck(ed.), Grundgesetz Kommentar, 7. ed., Munich: C.H. Beck 2018, Art.25, para. 29; Volker Epping/Christian Hillgruber(eds.), BeckOK Grundgesetz, 57. ed., München: C.H. Beck 2024, Art. 25, para. 19; Matthias Herdegen, in: Günter Dürig(founder)/Rupert Scholz(ed.)/Roman Herzog(ed.), Grundgesetz-Kommentar, 95. EL, Munich: C.H. Beck 2021, Art. 25 GG, para. 34.

[8] Photo: MPIL.

[9] Frits Kalshoven, Michael Bothe, Das völkerrechtliche Verbot des Einsatzes chemischer und bakteriologischer Waffen [Book Review], Netherlands International Law Review 22 (1975), 97.

[10] Michael Bothe, Das völkerrechtliche Verbot des Einsatzes chemischer und bakteriologischer Waffen, Cologne: Karl Heymanns Verlag 1973.

[11] Michael Bothe’s life‘s work is honored in: Andreas Fischer-Lescano et. al (eds.), Frieden in Freiheit – Peace in liberty – Paix en liberté: Festschrift für Michael Bothe zum 70. Geburtstag, Baden-Baden: Nomos 2008.

[12] Photo: Wikimedia Commons.

Hermann Raschhofer als Vordenker eines völkischen Minderheitenrechts

Hermann Raschhofer as Pioneer of a Völkisch Law of Minorities

Deutsch

Nach Ende des Ersten Weltkriegs war im deutschen Sprachraum begonnen worden, die traditionellen Ansätze des religiösen Minderheitenschutzes und der innerstaatlichen Nationalitätenpolitik Österreich-Ungarns zugunsten einer völkerrechtlichen Minderheitenpolitik aufzugreifen, wobei vor dem Hintergrund der europäischen Neuordnung infolge der Pariser Vorortverträge statt eines – bereits seinerzeit in den wesentlichen Grundzügen entstandenen – individualrechtlichen Antidiskriminierungsschutzes ein System völkisch-kollektiver Sonderrechte etabliert werden sollte. Eine entscheidende Rolle bei der theoretischen Entwicklung des ‚modernen‘ Nationalitäten- und Volksgruppenrechts spielte Hermann Raschhofer (1905–1979), der besonders mit seinen für die völkische Völkerrechtslehre bis heute prägenden Arbeiten über die Hauptprobleme des Nationalitätenrechts (1931) und Nationalität als Wesen und Rechtsbegriff (1936/37) hervortrat.

Herkunft und Ausbildung

Raschhofer wurde am 26. Juli 1905 in Ried im Innkreis (Oberösterreich) geboren. Er studierte in Marburg, Wien und Innsbruck Rechts- und Staatswissenschaften, legte 1925 seine erste und 1928 seine zweite juristische Staatsprüfung ab und promovierte in Innsbruck 1927 zum Dr. rer. pol. und 1928 zum Dr. jur. Von April 1928 bis März 1930 war er Assistent am Institut für Grenz- und Auslandsstudien in Berlin-Steglitz, anschließend Assistent an der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen. Vom Herbst 1931 bis Ende 1933 war Raschhofer Fellow der Rockefeller Foundation in Frankreich (Paris) und Italien (Turin).[1]

Hermann Raschhofer, 1975[2]

Raschhofers wissenschaftliche Interessen, die sich – wie er selbst schrieb – „im Zusammenhang mit praktischer Grenzlandarbeit entwickelten, galten frühzeitig dem Fragenkreis des Nationalitätenrechts.“ [3] Seine wissenschaftspolitische Orientierung wurde dabei nachhaltig durch die Wahl seines Studienortes Marburg und den dort lehrenden Johann Wilhelm Mannhardt geprägt. Mannhardt bekleidete die (eigens für ihn geschaffene) Professur für Grenz- und Auslanddeutschtum am 1919 neu initiierten Institut für Grenz- und Auslanddeutschtum an der Philosophischen Fakultät der Universität Marburg und war zunächst Geschäftsführer, später auch Direktor dieses Instituts.[4] Prägend wurde für Raschhofer überdies die Auseinandersetzung mit der Arbeit von Max Hildebert Boehm, zu dem er während seiner Zeit als wissenschaftlicher Assistent des Instituts für Grenz- und Auslandstudien in Berlin-Steglitz Ende der 1920er Jahre auch persönliche Beziehungen aufbaute.[5] Raschhofer übernahm in seinen wissenschaftlichen Arbeiten zum Nationalitätenrecht die Diktion von Boehm, nach der „eine Nationalität […] überall da entstehen (muss), wo durch den Nichtzusammenfall von Volks- und Staatsgrenzen ethnisch bedingte Teilgebiete erwachen, die durch Berührung mit dem Staat, also im Element der Politik eine Gestaltwerdung irgendwelcher Art gewonnen haben oder sie anstreben.“[6] Er teilte dabei Boehms euphorisches Bekenntnis zur Theorie des „eigenständigen Volks“, die die wichtigste theoretische Grundannahme für die europäische Volksgruppenpolitik der Weimarer Zeit darstellte.[7]

Raschhofer als Nationalitätenrechtler

Deutschsprachige/Deutsche Minderheiten in Österreich-Ungarn (rosa gefärbt), Karte der Nationalitäten in Österreich-Ungarn (1911), The Historical Atlas by William R. Shepherd, 1911.[8]

Raschhofers erste große wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel Hauptprobleme des Nationalitätenrechts,[9] für die er von der Deutschen Akademie (München) 1929 mit dem Ersten Preis eines Preisausschreibens über Minderheitenrecht ausgezeichnet wurde, verfolgte bereits dieses Ziel, wenngleich auch sprachlich in eher noch gemäßigtem Duktus.

Raschhofer analysierte in dieser Studie das positive internationale Minderheitenrecht und kontrastierte dieses mit den „Institutionen des Nationalitätenrechtes“ (5), also denjenigen Rechtsinstrumenten, die die nationalitätenrechtlichen Protagonisten innerstaatlich und völkerrechtlich an die Stelle des liberal-demokratischen Minderheitenrechts setzen wollten. Dabei sollte es stets um die „Rechte der Nationalität als Volkspersönlichkeit“ gehen, mit dem Ziel der Schaffung einer „Verfassung als Körperschaft des öffentlichen Rechts“ (76).

Raschhofer wandte sich damit explizit gegen die – wie er sie nannte – „Großpariser Minderheitenschutzverträge“, die er dahingehend kritisierte, dass „die Nationalitäten unter dem Rechtszustand von atomisiert gedachten nationalen Individuen unter Minderheitenrecht leben müssen“, ohne dabei als „organische Persönlichkeiten“ anerkannt zu werden (76f.) bzw. ohne als „Rechtspersönlichkeit selbst anerkannter Träger von Recht“ zu sein (78):

„Nationalität ist [..] nicht Eigenschaft, die zufällig bei diesen und jenen Staatsbürgern per se auftritt und diese sozusagen erst nachträglich zusammenführt, wie sich etwa die Mitglieder eines Vereins zur Vertretung irgendwelcher Interessen durch Assoziation ursprünglich sich Fremder zusammenfinden; sie ist nicht Summe, sondern Totalität.“ (77)

Von Nationalität ist also in diesem Verständnis nur dann zu sprechen, wenn – wie Raschhofer schrieb – „ihre Mitglieder gruppenhaft-organisch, und zwar als historisch-kulturell positiv qualifizierbare Volksgruppen erscheinen.“ (77)

Das zu erstrebende Nationalitätenrecht schütze „wohlerworbene Berechtigungen“ und verlange unumstößlich den Zusammenhang von „Boden und Geschichte“ (77). Das von Raschhofer postulierte „Wesen der Nationalität“ erfordere dabei die rechtliche Möglichkeit „im eigenen Bereich eigener Herr zu sein, also Autonomie“ (154).

In diesem seinem ersten großen Entwurf zum Thema Nationalitätenrecht entwickelte Raschhofer einen Begriff von Nationalität als „Totalität“ (77) mit „heiligen Rechten“ (156), den er explizit von dem Begriff der Minderheit abgrenzte. Da Raschhofer von einem essentialistischen bzw. primordialen Ethnizitätsbegriff ausging, erschienen für ihn Volk bzw. Volksgruppe und Nationalität stets als nicht weiter zu beweisende, übernatürliche Existenzen, deren attestierbare Unterschiede er nicht als historisch entstanden und somit veränder- und aufhebbar interpretierte, sondern als substanzielle ethnische, kulturelle und auch „rassische“ Differenz. Die damit zur Faktizität erklärte Ethnizität stellte wiederum die Grundlage für Raschhofers nationalitätenrechtliches Modell dar. Hiernach sollte Nationalitätenrecht stets am Kollektiv als Rechtssubjekt orientiert sein und um die Schaffung von exklusiven Sonderrechten für die Nationalitäten gegenüber der Restbevölkerung bemüht. Hier zeigte sich bereits deutlich Raschhofers fundamentale Gegnerschaft zum bürgerlichen Nationalstaat und zur liberalen Minderheitenpolitik des Völkerbundes – denn während der bürgerliche Nationalstaat gerade als Einheit seiner Staatsangehörigen mit gleichen Rechten konzipiert ist, waren die nach Ende des Ersten Weltkriegs geschlossenen Minderheitenschutzverträge mit dem Ziel des individuellen Schutzes vor Diskriminierungen geschaffen worden.

Raschhofer am KWI

Festschrift zum 25-jährigen Bestehen der KWG 1936: Hermann Raschhofer, Asche Graf Mandelsloh, Adolf Schüle und Viktor Bruns vertreten das Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Mit der Schrift Hauptprobleme des Nationalitätenrechts begründete Raschhofer sein wissenschaftliches Profil als Nationalitätenrechtler. Nach seinen Lehr- und Forschungstätigkeiten am Berliner Institut für Grenz- und Auslandsstudien, in Tübingen, Paris und Turin gelangte der junge Doppeldoktor schließlich über Erich Kaufmann an das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (KWI) in Berlin. Raschhofer wurde im Januar 1934 Referent am KWI und blieb dies bis Oktober 1937. Die Zeit am KWI war für ihn sehr wichtig, da er sein Renommee als Experte in Nationalitätenfragen nachhaltig ausbauen konnte. So schrieb er in der Jubiläumsausgabe zum 25-Jährigen Bestehen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 1936 den Institutsbeitrag zum Thema Nationalität als Wesen und Rechtsbegriff, was neben der großen Auszeichnung für ihn eben auch die weitere Popularisierung seiner Thesen bedeutete.[10]

Dieser Aufsatz, der auch separat in Buchform erschien, ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil Raschhofer darin seine Thesen aus Hauptprobleme des Nationalitätenrechts zuspitzt und dabei die völkische Fundierung der Theorie des Nationalitätenrechts deutlich zum Ausdruck bringt. Raschhofer versteht unter Nationalität nun eine „völkische Gruppe, die den Einzelnen als Glied einer Teilgruppe von den übrigen Staatsangehörigen unterscheidet“, ja eine „völkische Wesenheit“.[11] Die Bindungen des einzelnen an dieses Kollektiv sind seiner Auffassung nach als „vorgängig, objektiv und zugleich prägend“ anzusehen (20), wobei der Nationalität ein „naturhafter Zug“ eigen sei, nämlich „das Moment des Dauerns, das Ruhen im Vorgeschichtlichen.“ (21)

Nationalität sei ein zu einer „Artgemeinschaft gehörendes Teilganzes“, ein „Teilstück“ einer „blutmäßig begründeten Artgemeinschaft“ (44), weshalb das Bekenntnis zur Volksgemeinschaft und zur Nationalität auch nichts Neues begründe, sondern lediglich bereits vermeintlich objektiv Vorhandenes „willensmäßig“ (44) unterstreiche:

„Im Bereich des Völkischen gibt es nur ein Ja-Sagen zu seiner eigenen einzigen oder der vorherrschenden Art und das Anormale des theoretisch wie praktisch möglichen Falles eines Nein-Sagens zur eigenen Art, wird von der Sprache hinreichend mit dem verurteilenden Wort Entartung gekennzeichnet.

Es gibt daher wesensmäßig einen objektiv umgrenzten Kreis derer, die sich zu einem Volkstum, zu einer Nationalität als Artgemeinschaft bekennen können. Wenn die Nürnberger Gesetze eine solche Begrenzung getroffen haben, indem sie Artfremde und Artverwandte nunmehr endgültig scheiden, wobei den jüdischen Mischlingen, in denen das Deutschblütige überwiegt, ein Aufgehen im Deutschtum ermöglicht wurde, so kann nur hoffnungslos liberales Besserwissen dies als ein den Interessen der Volksgruppen abträgliches Vorgehen bezeichnen.“ (45)

Die bereits in seiner Arbeit Hauptprobleme des Nationalitätenrechts anklingende Konfrontation mit dem bürgerlichen Nationalstaat wird in Nationalität als Wesen und Rechtsbegriff offen artikuliert. Der bürgerliche Nationalstaat gilt Raschhofer nun als „Zwangsapparat“, wobei er die Staatsbürgerschaft gegenüber der Nationalitätenzugehörigkeit abqualifiziert, da erstere „keine primäre, soziologisch gesehen urständige Größe darzustellen braucht“ (16), wohingegen letztere aufgrund ihrer „Ursprünglichkeit und Selbständigkeit als gesellschaftliches Gebilde, als reale Gruppe“ gekennzeichnet sei und sich damit „wesensmäßig vom abstrakten Staatsvolk“ unterscheide (17) – was Raschhofer auch zur Unterscheidung von staatlicher „Rechtsgemeinschaft“ und „Volksgemeinschaft“ (17) führt.

Während Raschhofer in den Hauptproblemen des Nationalitätenrechts argumentativ noch auf eine annährend gleichrangige Wertigkeit von Staat und Volk orientiert, wobei den Nationalitäten mehr Rechte zuerkannt werden müssten, gerät der nicht-völkische Staat in Nationalität als Wesen und Rechtsbegriff nun vollends in die negative, sich quasi gegenüber den Nationalitäten rechtfertigen müssende Rolle. Denn unabhängig davon, ob eine Rechtsordnung die Existenz von Nationalitäten anerkenne oder verneine, so Raschhofer, könne dies nicht als objektive soziologische Entscheidung gelten, da die juristische Sicht auf den Gegenstand keinen sozialwissenschaftlichen Erkenntniswert intendiere:

‚Die „Definition des Volkes, der Nationalität [aus Perspektive des juristischen Nationalitätsbegriffs]“, kann nie die Frage nach deren Wesen beantworten. Er muß das mehrdimensionale, vielverschlungene, Vorder- und Hintergrundschichten, reflektierende und träumende Dasein umfassen, Blut und Geschichte, von Interessen, Gewohnheit, Begeisterung und Opfern zusammengehaltene Gebilde der konkreten Nationalität auf die Eindimensionalität eines auf individuellen Willensakten beruhenden rechtlichen Verbandes bringen.‘ (43)

Dem bürgerlichen Nationalstaat soll de facto die Möglichkeit zur Nicht-Anerkennung von Nationalitäten im völkisch-kollektiven Sinn entzogen werden, da einer diese angebliche Faktizität des Völkischen nicht-anerkennenden Rechtsordnung die Legitimation für ihr Handeln abgesprochen wird. Die juristische Methode wird damit genau umgekehrt und der rechtspositivistische Ansatz aufgrund des Prinzips, dass das angeblich übernatürliche und konsistente Recht der völkisch verstandenen Volksgruppen das positive Recht breche, durch eine naturrechtliche Perspektive in voraufklärerischer Tradition ersetzt.

Raschhofer schärfte in seiner Zeit beim KWI jedoch nicht nur sein Profil als regimetreuer Nationalitätenrechtler, sondern auch als Vordenker in dieser Frage, da seine Schriften zum Nationalitätenrecht zu den ersten überhaupt zählen, in denen eine (völker)rechtliche Perspektive mit der völkischen – Raschhofer selbst unterstellt diese als „soziologisch“ – mit dem Ziel verschmolzen wird, ein homogenes Modell eines „modernen“ Volksgruppen- bzw. Nationalitätenrechts als verbindlichen Entwurf für die Rechtsordnung Europas zu formulieren.

Zudem fällt seine Zeit am KWI zusammen mit seiner Habilitation im Februar 1937 (und der Ernennung zum Dr. jur. habil. im Juli 1937) an der Universität Berlin bei dem Völkerrechtler Viktor Bruns, dem Direktor des KWI. Raschhofer habilitierte sich mit dem Buch Der politische Volksbegriff im modernen Italien.[12] Sein wissenschaftlicher Werdegang wurde damit erfolgreich fortgesetzt und Raschhofer übernahm unmittelbar nach seiner Habilitation auch gleich eine bis 1939 dauernde Vertretung in Göttingen,[13] wobei ihm auch ein Angebot des Auswärtigen Amtes vorgelegen hatte, als „Presseattaché bei einer der europäischen Botschaften des Reiches einzutreten“.[14]

Raschhofer als nationalsozialistischer Rechtspraktiker und Aktivist

Reinhard Heydrich, stellvertretende Reichsprotektor in Böhmen und Mähren mit Karl Hermann Frank im Prager Schloss 1941[15]

Parallel zu seiner wissenschaftlichen Karriere arbeitete Raschhofer an der praktischen Umsetzung seiner Handlungsmaximen: „In den letzten Jahren trat zu den theoretischen Studien eine praktisch beratende Tätigkeit für deutsche Volksgruppen im Ausland in Fragen des positiven Minderheiten- und Staatenrechts“, resümierte er seine Tätigkeiten Mitte der 1930er Jahre rückblickend.[16] Und in einer Auseinandersetzung mit Boehms Arbeit zum „eigenständigen Volk“ schrieb Raschhofer, dass der Gegenstand „Volk“ sich „zugleich als Objekt wissenschaftlicher, soziologisch-volkstheoretischer Bemühungen, wie als Subjekt und Objekt praktischer Politik“ darstellen würde,[17] was zweifelsfrei auch seine eigenen Integration von völkischer Theoriebildung und volkstumspolitischer Praxis widerspiegelte.

Denn Raschhofer war Mitglied der illegalen NSDAP Österreichs, des VDA, des NS-Juristenbundes und des NS-Dozentenbundes. Anfang der 1930er Jahre hatte seine rechtspolitische Beratungstätigkeit für die illegale NSDAP Österreichs und für die Sudetendeutsche Partei (SdP) begonnen.[18] Insbesondere seine aus engen Kontakten zu Konrad Henlein und Karl Hermann Frank resultierende Nähe zur Politik der Sudetendeutschen legte den Grundstein für seine Berufung nach Prag: Raschhofer übernahm 1940 zunächst eine außerordentliche, später dann eine ordentliche Professur an der Deutschen Universität Prag, wo er das Institut für Völker- und Reichsrecht leitete und hätte 1944 auch Dekan der Juristischen Fakultät werden sollen, lehnte dies aber ab, da er „zuviel andere Aufträge“ gehabt habe.[19]

Raschhofers Berufung an die Deutschen Universität Prag erfolgte auf persönlichen Wunsch von Karl Hermann Frank, dessen juristischer Berater Raschhofer wurde und mit dem er durch persönliche Freundschaft eng verbunden war.[20] Frank hatte sich bereits im April 1939 dafür stark gemacht, Raschhofer nach Prag zu berufen, da dieser sowohl ihm wie auch Konrad Henlein seit 1934 politisch-wissenschaftlich beratend zur Seite gestanden hatte und künftig im Protektorat als Berater in besonderen Rechtsfragen firmieren sollte.[21] Raschhofer habe, so Frank, „wertvolle Beiträge nicht nur zur Auseinandersetzung mit der Feindpropaganda, sondern auch zur Bekämpfung der tschechischen Staats- und Geschichtsauffassung geliefert.“[22]

Überhaupt war Raschhofers Nähe zum NS-Regime unzweifelhaft. Der Reichsdozentenbundsführer bescheinigte ihm 1938, dass er „politisch gesehen“ ein „entschiedener Volksdeutscher“ sei und auch „innenpolitisch die nationalsozialistischen Gedankengänge“ bejahe.[23] Raschhofer hatte 1933 die Machtübernahme der Nationalsozialisten ebenso begrüßt, wie später den Anschluss Österreichs und der Sudetengebiete an das Deutsche Reich.[24]

Raschhofer in den „Beiträgen zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht“

Einen Grundstein für die Destablilisierung der Tschechoslowakei durch die NS-Propaganda hatte Raschhofer 1937 durch die Zusammenstellung einer strategisch wichtigen Dokumentation gelegt: Die tschechoslowakischen Denkschriften für die Friedenskonferenz von Paris 1919/20, ein Band, in dem die elf Denkschriften der tschechoslowakischen Delegation zusammengetragen waren, mit denen diese insbesondere ihre territorialen Forderungen nach Ende des Ersten Weltkriegs formuliert hatte.[25] Auch wenn die Denkschriften, wie Johann Wolfgang Brügel anmerkte, „überhaupt nicht geheim“ waren und kurz nach 1919 „bei Altpapierhändlern erstanden werden“ konnten[26] – und im übrigen von Raschhofer auch auf genau diesem Weg zufällig erworben worden waren – nutze die NS-Propaganda die Denkschriften im Rahmen der Kampagne zur Ausschaltung des „demokratischen Bollwerks“ (Brügel) Tschechoslowakei. Hierbei ging es insbesondere um das Mémoire No. 3, das sich mit der deutschen Minderheit in Böhmen befasste und – obgleich es bereits 1920 in einer deutschsprachigen Zeitschrift in Prag veröffentlicht worden war[27] – zur skandalträchtigen Inszenierung der These diente, die Tschechoslowakei betreibe im Geheimen eine minderheitenfeindliche Politik.

Raschhofers beratende Tätigkeit für das NS-Regime beschränkte sich jedoch nicht nur auf öffentliche Arbeiten, sondern umfasste auch geheimdienstliche Tätigkeiten. Spätestens seit 1941 unternahm Raschhofer regelmäßig Reisen in die Slowakei und verfasste politische Lageberichte und personenbezogene Stellungnahmen für Karl Hermann Frank und den deutschen Gesandten in der Slowakei, Hanns Ludin.[28] Im Herbst 1944 war Raschhofer dann im Auftrag von Frank auch an der Niederschlagung des bewaffneten Nationalaufstandes im NS-Marionettenstaat Slowakei als „politischer Berater“ des Generals der Waffen-SS Obergruppenführer Hermann Höfle beteiligt.[29] Unter der Kommandoführung von SS-Untersturmführer Adolf Leitgeb nahm Raschhofer dabei auch an einem „propagandistischen Einsatz“ der Einsatzgruppe H in der Slowakei teil, die den Aufstand als „sowjetisch bestimmt“ herausstellten[30] und beteiligte sich 1942/43 am Sonderverband Bergmann unter Führung von Theodor Oberländer als dessen persönlicher Berater.[31]

Bemerkenswert ist, dass Raschhofers Treue zum NS-Regime bis zuletzt Bestand hatte: So hatte er noch einen Aufsatz unter dem Titel Europäischer Nationalismus für das zu Ehren von Hitlers Geburtstag im Jahr 1945 geplante März/April-Heft der Zeitschrift Böhmen und Mähren verfasst, in dem er sich auch explizit positiv auf die „Neujahrsbotschaft des Führers“ bezog.[32]

Sein wissenschaftlicher Wiederaufstieg begann im Jahr 1952, als er Professor an der Universität Kiel wurde. Von dort aus ging er Ende 1955 als ordentlicher Professor (die Ernennung erfolgte nach einer kurzen Lehrstuhlvertretung im Januar 1957)[33] an die Universität Würzburg, zunächst für Kirchenrecht, Völkerrecht und Rechtsphilosophie später dann für „Staats- und Völkerrecht, insbesondere Minderheiten- und Nationalitätenrecht, Recht der internationalen Organisationen und Verfassungsgeschichte“.[34] Seine wissenschaftliche und politische Nachkriegskarriere wurde nie durch ein Ermittlungsverfahren gestört, obgleich er während seiner Tätigkeit an der Universität Würzburg von Studierendenseite wegen seiner NS-Aktivitäten öffentlich scharf kritisiert wurde.[35]

***

Bei dem Beitrag handelt es sich um eine stark gekürzte Fassung von Samuel Salzborn: Zwischen Volksgruppentheorie, Völkerrechtslehre und Volkstumskampf. Hermann Raschhofer als Vordenker eines   völkischen Minderheitenrechts, in: Sozial.Geschichte, 21 (2006) 3, S. 29–52. Siehe zur historischen und theoretischen Einordnung insgesamt: Samuel Salzborn, Ethnisierung der Politik. Theorie und Geschichte des Volksgruppenrechts in Europa, Frankfurt a.M./New York 2005.

[1] Zusammengestellt aus: Hermann Raschhofer, Lebenslauf, undatiert; Hermann Raschhofer, Lebenslauf, 18. Juli 1939; „Stammblatt“ der Akte, undatiert (handschriftliche Ergänzungen bis Ende 1940), Bundesarchiv Berlin Dahlwitz-Hoppegarten (im Folgenden: BArchBD-H), ZB/2 1923, Akte 4.

[2]  Foto: Manfred Abelein, Otto Kimminich (Hrsg.), Studien zum Staats- und Völkerrecht. Festschrift für Hermann Raschhofer zum 70. Geburtstag am 26. Juli 1975, Kallmünz: Verlag Michael Laßleben 1977.

[3]   Hermann Raschhofer, Lebenslauf, undatiert (Fn. 1).

[4]   Vgl. Scheuner/Schumann/Schulin, Sachbericht in Sachen des Prof. Dr. J. W. Mannhardt, undatiert (ca. Juni 1955), Hessisches Staatsarchiv Marburg (im Folgenden HSTM), Best. 307d Acc. 1967/11, Nr. 385.

[5]   Vgl. Max Hildebert Boehm, Bestätigung des Instituts für Grenz- und Auslandstudien e.V. in Berlin-Steglitz/Geschäftsstelle Lüneburg, datiert 25. November 1957, Universitätsarchiv Würzburg (im Folgenden: UAW), ARS R 29, Nr. II.

[6]   Vgl. Max Hildebert Boehm, Das eigenständige Volk. Volkstheoretischen Grundlagen der Ethnopolitik und Geisteswissenschaften, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1932, 36-37; Hermann Raschhofer, Nationalität als Wesen und Rechtsbegriff. Sonderdruck aus 25 Jahre Kaiser Wilhelm-Gesellschaft, Berlin: Springer 1937, 1, Fn. 1.

[7]   Vgl. Ulrich Prehn, Max Hildebert Boehm. Radikales Ordnungsdenken vom Ersten Weltkrieg bis in die Bundesrepublik, Göttingen: Wallstein 2013.

[8] Bild: Wikimedia Commons.

[9]   Hermann Raschhofer, Hauptprobleme des Nationalitätenrechts, Stuttgart: Enke 1931; Alle folgenden, im Text lediglich mit Seitenzahlen belegten Zitate beziehen sich auf diese Quelle.

[10]  Vgl. Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (Hrsg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung, Bd. 2, Göttingen: Wallstein 2000, 490-527, 502, 511, 519.

[11]  Hermann Raschhofer, Nationalität als Wesen und Rechtsbegriff (Fn. 6), 16, 20; Alle folgenden, im Text lediglich mit Seitenzahlen belegten Zitate beziehen sich auf diese Quelle.

[12]  Hermann Raschhofer, Der politische Volksbegriff im modernen Italien, Berlin: Volk und Reich 1936..

[13]  Vgl. Hueck (Fn. 10), 518.

[14]  Vgl. Schreiben von Hermann Raschhofer an Karl Herrmann Frank, datiert 21. September 1941, Národní archiv/Státní ústřední archiv Praha [Nationalarchiv/ehem. Staatliches Zentralarchiv] (im Folgenden NA/SÚA), NSM-AMV 110, Nr. 22, Sig. 110-4/155.

[15] Foto: BArch, Bild 146-1972-039-26.

[16]  Hermann Raschhofer, Lebenslauf, undatiert (Fn.1).

[17]  Vgl. Hermann Raschhofer, Zum Gegenstandsbereich der Volkstheorie, Deutsche Arbeit, 32 (1932), 308.

[18]  Vgl. Hermann Raschhofer, Lebenslauf, undatiert; Hermann Raschhofer, Lebenslauf, 18. Juli 1939; „Stammblatt“ der Akte (Fn.1).

[19]  Vgl. Schreiben des Sicherheitsdienstes des Reichsführer-SS/SD-Leitabschnitt Prag an Gies, Deutsches Staatsministerium für Böhmen und Mähren, datiert 21. November 1944, Archiv Ministerstva Vnitra Praha [Archiv des Tschechischen Innenministeriums] (im Folgenden: MVČR), Z-10-P-72.

[20]  Vgl. Peter K. Steck, Zwischen Volk und Staat. Das Völkerrechtssubjekt in der deutschen Völkerrechtslehre (1933–1941), Baden-Baden: Nomos 2003, 123.

[21]  Vgl. Karel Fremund, Z činnosti poradců nacistické okupační moci (Výběr dokumentů), Prag: Archivní správa Ministerstva vnitra Roč 1966, 24-25, 40-41.

[22]  Vgl. Václav Král (Hrsg.), Die Deutschen in der Tschechoslowakei 1933–1947. Dokumentensammlung, Prag: Nak. Československé akademie věd 1964, 454.

[23]  Vgl. Schreiben des NS-Dozentenbund/Der Reichsdozentenbundsführer an Wacker, Reichserziehungsministerium, datiert 21. Juni 1938, BArchBD-H, ZB/2 1923, Akte 4.

[24]  1933 erklärte Raschhofer: „Im Nationalsozialismus gruppiert sich ein politischer Kader, der mit Bewußtsein vom Ganzen der geschichtlich existenten deutschen Nation her denkt und daraus seine Totalitätsansprüche rechtfertigt.“, Zitiert nach: Walter Heynowski/Gerhard Scheumann, Der Mann ohne Vergangenheit, in: Der Präsident im Exil und Der Mann ohne Vergangenheit sowie ein nachdenklicher Bericht über Die Schlacht am Killesberg, Berlin: Verlag der Nation 1969, 124.

[25]  Vgl. Hermann Raschhofer, Die tschechoslowakischen Denkschriften für die Friedenskonferenz von Paris 1919/1920, Berlin: Heymanns 1937, 2. ergänzte Aufl. 1938.

[26]  Vgl. Johann Wolfgang Brügel, Tschechen und Deutsche 1918–1938, München: Nymphenburger Verlagshandlung 1967, 87.

[27]  Vgl. Elizabeth Wiskemann, Czechs & Germans. A study of the struggle in the historic provinces of Bohemia and Moravia, 2. Aufl., London: Macmillan 1967.

[28]  Vgl. die entsprechenden Berichte in: NA/SÚA ÚŘP-AMV 114 Nr. 14 Sig. 114-3/18

[29]  Vgl. Johann Wolfgang Brügel (Fn. 26), 96-97.

[30]  Vgl. Chef der Einsatzgruppe H der Sicherheitspolizei und des SD, Bescheinigung, 23. Oktober  1944; Adolf Leitgeb, Kommandobericht, 29. Oktober 1944, MVČR 302-64-10.

[31]  Vgl. Albert Jeloschek et al., Freiwillige vom Kaukasus. Georgier, Armenier, Aserbaidschaner, Tschetschenen u.a. auf deutscher Seite – Der „Sonderverband Bergmann“ und sein Gründer Theodor Oberländer, Graz: Stocker 2003, 139, 161; Philipp-Christian Wachs, Der Fall Theodor Oberländer (1905–1998). Ein Lehrstück deutscher Geschichte, Frankfurt a.M.: Campus Verlag 2000, 104.

[32]  Vgl. Hermann Raschhofer, Europäischer Nationalismus (Korrekturfahne); Schreiben von Hess, Hauptschriftleiter „Böhmen und Mähren“ an Gies, Deutsches Staatsministerium für Böhmen und Mähren, datiert 16. März 1945, NA/SÚA, NSM-AMV 110, Nr. 106, Sig. 110-12/134.

[33]  Vgl. Ernennungsurkunde des Freistaates Bayern, 24. Januar 1957, UAW, ARS R 29, Nr. II.

[34]  Vgl. Schreiben des Bayerisches Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an das Rektorat der Universität Würzburg, datiert 26. März 1962, UAW, ARS R 29, Nr. II.

[35]  Vgl. Süddeutsche Zeitung, 27. Januar 1970.

English

In the German-speaking world after the First World War, traditional approaches to the protection of religious minorities and the domestic nationality policy of Austria-Hungary increasingly gave way to the development of a minority policy under international law.  Against the backdrop of the European reorganisation based on the Treaties of Paris, individual legal protection against discrimination, the main features of which had already been developed at the time, were replaced by a system of collective privileges based on descend and race, i.e. völkisch in nature. A decisive role in the theoretical development of the ‘modern’ law of nationality and of ethnic groups (Volksgruppenrecht) was played by Hermann Raschhofer (1905-1979), especially with his works on the “Main Problems of Nationality Law “ (Hauptprobleme des Nationalitätenrechts, 1931)[1] and “Nationality as Essence and Legal Concept” (Nationalität als Wesen und Rechtsbegriff, 1936/37), which are still influential in völkisch theories of international law today.

Early Life and Education

Raschhofer was born on 26 July 1905 in Ried im Innkreis (Upper Austria). He studied law and political science in Marburg, Vienna and Innsbruck, passed his first state examination in law in 1925 and his second in 1928. He obtained his doctorate in political science in Innsbruck in 1927 and his doctorate in law in 1928. From April 1928 to March 1930, he was an assistant at the “Institute for the Studies of Borders and Foreign Affairs” (“Grenz- und Auslandsstudien”) in Berlin-Steglitz, then an assistant at the Faculty of Law at the University of Tübingen. From autumn 1931 to the end of 1933, Raschhofer was a fellow of the Rockefeller Foundation in France (Paris) and Italy (Turin).[2]

Hermann Raschhofer, 1975[3]

Raschhofer’s academic interests, which – as he himself wrote – ‘developed in connection with practical work in the borderlands, quickly focussed on questions of nationality law.’[4]   His political outlook on scientific practice was strongly influenced by his choice of the university of Marburg and by Johann Wilhelm Mannhardt, who taught there. Mannhardt held the professorship for “Germanness Across Borders and in the Exterior” (“Grenz- und Auslanddeutschtum”), which had been created especially for him, at the in 1919 newly established “Institute for Germanness Across Borders and in the Exterior” within the Faculty of Philosophy at the University of Marburg and was initially the managing director and later also the scientific director of this institute.[5] Raschhofer was also influenced by his involvement with the work of Max Hildebert Boehm, with whom he also built up a personal relationship during his time as a research assistant at the “Institute for the Studies of Borders and Foreign Affairs” in Berlin-Steglitz at the end of the 1920s.[6]  In his academic work on nationality law, Raschhofer adopted Boehm’s diction, according to which ‘a nationality [… must] arise wherever the non-coincidence of borders between nations and between peoples gives rise to ethnically conditioned sub-regions that have gained or are striving to gain a formation of some kind through contact with the state, i.e. in the element of politics.’[7]  He shared Boehm’s euphoric commitment to the theory of an ‘independent people’, which was the most important theoretical assumption for the European ethnic group policy (“Volksgruppenpolitik”) of the Weimar period.[8]

Raschhofer and Nationality Law

Map pf nationalities in Austria-Hungary (1911), The Historical Atlas by William R. Shepherd, 1911.[9]

Raschhofer’s first major academic work, entitled Hauptprobleme des Nationalitätenrechts,[10] for which he was awarded first prize in a prize competition on minority law by the German Academy (Munich) in 1929, already pursued this goal, albeit in a more moderate linguistic style. In this study, Raschhofer analysed positive international minority law and contrasted it with the ‘institutions of nationality law’ (5), i.e. the legal instruments that the proponents of nationality law wanted to replace liberal-democratic minority law with in domestic and international law. The focus was always to be on the ‘rights of the nationality as personality of the people’, with the aim of creating a ‘constitution as a body of public law’ (76). Raschhofer thereby explicitly opposed what he called the ‘Greater Paris Minority Protection Treaties’, which he criticised to the effect that ‘the nationalities under minority law must live under the legal status of national individuals conceived of as atomised’ without being recognised as ‘organic personalities’ (76f.) and without being ‘entitled to their own rights as legal personalities’ (78):

‘Nationality is […] not a quality that occurs by chance in some citizens per se and brings them together, so to say, subsequently, like, for example, the members of an association for the representation of any interests come together by association of former strangers; it is not sum, but totality.’ (77)

In this understanding, we can only speak of nationality when – as Raschhofer wrote – ‘its members appear group-like and organic, namely as historically-culturally positively qualifiable ethnic groups.’ (77)

The nationality right to be striven for would protect ‘well-acquired rights’ and irrevocably demand the connection between ‘land and history’ (77). The ‘essence of nationality’ postulated by Raschhofer required the legal possibility ‘to be one’s own master in one’s own area, i.e. autonomy’ (154).

In this, his first major draft on the subject of nationality law, Raschhofer developed a concept of nationality as a ‘totality’ (77) with ‘sacred rights’ (156), which he explicitly distinguished from the concept of minority. Since Raschhofer assumed an essentialist or primordial concept of ethnicity, he considered peoples, ethnic groups, and nationalities as supernatural beings whose existence does not require further proof and whose attestable differences he interpreted not as having arisen historically and thus being changeable and abolishable, but as substantial ethnic, cultural, and also ‘racial’ differences. Ethnicity, thus declared a fact, in turn formed the basis for Raschhofer’s model of nationality law. In his view, nationality law should always be oriented towards the collective as its legal subject and endeavour to create exclusive privileges for nationalities vis-à-vis the rest of the population. Here, Raschhofer’s fundamental opposition to both the republican nation state and the liberal minority policy of the League of Nations was already evident – while the republican nation state was conceived precisely as a unity of its citizens with equal rights, the minority protection treaties concluded after the end of the First World War had been created with the aim of individual protection against discrimination.

Raschhoefer at the KWI

Die geisteswissenschaftlichen Festbeiträge: Raschhofer, Graf Mandelsloh und KWI-Direktor Viktor Bruns vertreten das KWI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

With the publication of Hauptprobleme des Nationalitätenrechts Raschhofer had established his academic profile as a scholar of nationality law. After his teaching and research activities at the Berlin “Institute for the Studies of Borders and Foreign Affairs”, in Tübingen, Paris and Turin, the holder of two doctorates finally came to the Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law (KWI) in Berlin via Erich Kaufmann. Raschhofer became a research fellow at the KWI in January 1934 and remained there until October 1937. His time at the KWI was very important for him, as he was able to build up a lasting reputation as an expert on nationality issues. In 1936, for example, he wrote the Institute’s contribution on the topic of “Nationality as Essence and Legal Concept” (Nationalität als Wesen und Rechtsbegriff) in the edition commemorating  the Kaiser Wilhelm Society’s 25th anniversary, which, in addition to a great honour for him, also meant the further popularisation of his theses.[11]

This essay, which was also published separately in book form, is particularly noteworthy because Raschhofer sharpens his theses from Hauptprobleme des Nationalitätenrechts and clearly expresses the völkisch foundation of his theory of nationality law. Raschhofer now understands nationality as a ‘völkisch group that distinguishes the individual as a member of a sub-group from the other nationals’, indeed a ‘völkisch essence’.[12]  In his view, the individual’s ties to this collective are to be regarded as ‘superior, objective and at the same time formative’ (20), while nationality is characterised by a ‘natural character’, namely ‘the element of permanence, the resting in the prehistoric’. (21)

Nationality, according to Raschhofer is a ‘partial whole’ belonging to a community of kind’, ‘part’ of a ‘blood-based community of kind’ (44), which is why the commitment to the Volksgemeinschaft (“community of the people”) and nationality does, in his view, not establish anything new, but merely emphasises ‘in terms of will’ (44) what is already supposedly objectively present:

‘In the realm of the Völkisch, there is only an affirmation of one’s own sole or predominant kind, and the abnormality of the theoretically and practically possible case of rejection of one’s own kind is sufficiently described with the condemning word degeneration [Entartung].

There is therefore by nature an objectively defined circle of those who can profess to belong to a people, to a nationality as a community of kind. If the Nuremberg Laws have set such a limitation by finally definitively separating those who are of a foreign kind and those who are of a related kind, whereby the Jewish half-breeds, in whom the German-blooded predominates, were allowed to merge into Germanness, then only hopelessly liberal know-it-alls can characterise this as a procedure detrimental to the interests of the ethnic groups.’ (45)

The confrontation with the republican nation state, already alluded to in his work Hauptprobleme des Nationalitätenrechts, is openly articulated in Nationalität als Wesen und Rechtsbegriff. The republican nation state is now regarded by Raschhofer as a ‘coercive apparatus’; he devalues citizenship in contrast to membership in nationality, since the former ‘need not represent a primary, sociologically natural entity’ (16), whereas the latter is characterised by its ‘originality and independence as a social entity, as a real group’ and thus differs ‘essentially from the abstract sum of citizens’ (17) – which also leads Raschhofer to differentiate between a state as a  ‘legal community’ and a ‘community of the people [Volksgemeinschaft]’ (17).

While Raschhofer’s arguments in Hauptprobleme des Nationalitätenrechts are still orientated towards an almost equal status of the state and the people, even if the nationalities should be granted more rights, the non-völkisch state in Nationalität als Wesen und Rechtsbegriff completely takes on the negative role of having to justify itself to the nationalities. Regardless of whether a legal system recognises or denies the existence of nationalities, according to Raschhofer, this cannot be regarded as an objective sociological decision, as the legal view of the subject cannot entail any sociological value:

‘The “definition of the people, of nationality [from the perspective of the legal concept of nationality]”, can never answer the question of its essence. It must encompass the multi-dimensional, entangled, foreground and background layers, reflective and dreaming existence, blood and history, the structure of the concrete nationality held together by interests, habit, enthusiasm and sacrifice, and reduce it to the one-dimensionality of a legal association based on individual acts of will.’ (43)

The republican nation state is to be deprived de facto of the possibility of non-recognition of nationalities in the völkisch-collective sense, since a legal system that does not recognise this alleged factuality of the Völkisch is considered illegitimate in its actions. The legal method is thus reversed, and the legal positivist approach is replaced by a natural law perspective in the pre-Enlightenment tradition based on the principle that the supposedly supernatural and consistent law of the völkisch ethnic groups precedes positive law.

During his time at the KWI, Raschhofer not only honed his profile as a nationality law expert loyal to the regime, but also as a pioneer in this issue, as his writings on nationality law are among the first ever to merge a legal perspective (of international law) with a völkisch perspective – Raschhofer himself describes this as ‘sociological’ – with the aim of formulating a homogeneous model of a ‘modern’ law of ethnic groups and nationalities as a binding blueprint for Europe’s legal order. Moreover, his time at the KWI coincided with his habilitation in February 1937 (and his appointment as Dr jur. habil. in July 1937) at the University of Berlin under the international law expert Prof. Dr Viktor Bruns, who was also the director of the KWI. Raschhofer habilitated with the book “Der politische Volksbegriff im modernen Italien” (“The political concept of the people in modern Italy”).[13]  His academic career was thus successfully continued and immediately after his habilitation, Raschhofer also took up a substitute position in Göttingen[14], which lasted until 1939 and also received an offer from the Foreign Office to ‘join one of the Reich’s European embassies as a press attaché’. [15]

Raschhofer as a National Socialist Lawyer and Activist

Reinhard Heydrich, Deputy Reichsprotekor in Bohemia and Moravia with Karl Hermann Frank at Prague Castle in 1941[16]

Parallel to his academic career, Raschhofer worked on the practical implementation of his maxims: ‘In the last few years, theoretical studies were joined by practical advisory work for German ethnic groups abroad in matters of positive minority law and constitutional law,’ he summarised his activities in retrospect in the mid-1930s.[17]  And in a discussion of Boehm’s work on the ‘independent people’, Raschhofer wrote that the subject of the ‘people’ presented itself ‘simultaneously as an object of endeavours of scientific nature and of sociological inquiry based on the theory of the people, as well as a subject and object of practical politics’,[18] which undoubtedly also reflected his own integration of völkisch theory formation and völkisch political practice. Fittingly, Raschhofer was a member of the illegal Austrian NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Österreichs, “National Socialist German Workers’ Party of Austria), the VDA (Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland, “Association for German Cultural Relations Abroad”), the National Socialist Association of Lawyers (“Juristenbund”) and the National Socialist Association of University Teachers (“Dozentenbund”). At the beginning of the 1930s, he began his work as a legal policy advisor for the illegal Austrian NSDAP and for the Sudetendeutsche Partei (“Sudeten German Party”, SdP).[19]  His proximity to the politics of the Sudeten Germans, in particular resulting from his close contact with Konrad Henlein and Karl Hermann Frank, laid the foundation for his appointment to Prague: in 1940, Raschhofer first took on an associate and later a full professorship at the German University of Prague, where he headed the Institut für Völker- und Reichsrecht (“International Law and Law of the Reich”) and was also to become Dean of the Faculty of Law in 1944, but declined because he had ‘too many other assignments’.[20] Raschhofer’s appointment to the German University of Prague was at the personal request of Karl Hermann Frank, whose legal advisor Raschhofer became and with whom he was closely connected through personal friendship.[21]  Frank had already campaigned for Raschhofer’s appointment to Prague in April 1939, as he had been advising both him and Konrad Henlein on political and academic matters since 1934 and was to act as an advisor on special legal issues in the Protectorate in future.[22] According to Frank, Raschhofer had ‘made valuable contributions not only to the treatment of enemy propaganda, but also to the fight against the Czech conception of the state and history.’[23] Generally, Raschhofer’s closeness to the Nazi regime was undoubted. In 1938, the leader of the Reichsdozentenbund certified that ‘politically speaking’ he was a ‘resolute ethnic German [Volksdeutscher]’ and that he was also ‘in favour of National Socialist ideas in domestic politics’.[24] Raschhofer had welcomed the Nazi takeover in 1933 as well as the later annexation of Austria and the Sudeten territories to the German Reich.[25]

Raschhofer in the ‘Contributions on Comparative Public Law and International Law’ (Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht)

Raschhofer had helped lay the foundation for the destabilisation of Czechoslovakia by Nazi propaganda in 1937 by compiling a strategically important documentation: Die tschechoslowakischen Denkschriften für die Friedenskonferenz von Paris 1919/20 (“The Czechoslovak memoranda for the Paris Peace Conference of 1919/20”) , a volume in which the eleven memoranda of the Czechoslovak delegation were compiled, in which they had formulated their territorial demands after the end of the First World War in particular.[26]  Even though the memoranda, as Johann Wolfgang Brügel noted, were ‘not at all secret’ and could be ‘purchased from waste paper dealers’ shortly after 1919[27] – and incidentally had also been acquired by Raschhofer by chance in precisely this way – Nazi propaganda used the memoranda as part of the campaign to eliminate the ‘democratic bulwark’ (Brügel) of Czechoslovakia. The focus laid on Mémoire No. 3, which dealt with the German minority in Bohemia and – although it had already been published in a German-language magazine in Prague in 1920[28] – served to orchestrate a scandal based on the idea that Czechoslovakia was secretly pursuing a policy hostile to minorities.

Raschhofer’s advisory activities for the Nazi regime were however not limited to public work, but also included intelligence activities. From 1941 at the latest, Raschhofer regularly travelled to Slovakia to write reports on the political situation as well as on specific persons for Karl Hermann Frank and the German Ambassador to Slovakia, Hanns Ludin.[29]  In autumn 1944, Raschhofer was also involved on behalf of Frank in the suppression of the armed national uprising in the Nazi puppet state of Slovakia as a ‘political advisor’ to SS general Hermann Höfle.[30]  Under the command of SS commander Adolf Leitgeb, Raschhofer also took part in a ‘propaganda operation’ of Einsatzgruppe H in Slovakia, which exposed the uprising as ‘Soviet-determined’[31] and participated in the Bergmann Battalion under the leadership of Theodor Oberländer as his personal advisor in 1942/43.[32]

It is remarkable that Raschhofer’s loyalty to the Nazi regime lasted until the end: he had written an essay entitled “European Nationalism” (“Europäischer Nationalismus”) for the fourthcoming March/April issue of the journal “Böhmen und Mähren”, planned in honour of Hitler’s birthday in 1945, in which he also explicitly commended the ‘Führer’s New Year’s message’.[33] His academic resurgence began in 1952, when he became a professor at the University of Kiel. From there, he moved to the University of Würzburg at the end of 1955 as a full professor (his appointment followed a brief period as a substitute professor in January 1957),[34] initially for canon law, international law and philosophy of law, and later for ‘constitutional and international law, in particular minority and nationality law, the law of international organisations and constitutional history’.[35]  His post-war academic and political career was never disrupted by any investigation, although, during his time at the University of Würzburg, he was publicly criticised by students for his Nazi activities.[36]

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This contribution is an abridged version of: Samuel Salzborn, Zwischen Volksgruppentheorie, Völkerrechtslehre und Volkstumskampf. Hermann Raschhofer als Vordenker eines völkischen Minderheitenrechts, in: Sozial.Geschichte 21 (2006), 29–52; for an overall historical and theoretical contextualisation, see: Samuel Salzborn, Ethnisierung der Politik. Theorie und Geschichte des Volksgruppenrechts in Europa, Frankfurt a.M.: Campus 2005.

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] This and all following titles of works as well as names of institutions have been translated by the editor, where necessary.

[2] Compiled from: Hermann Raschhofer, Lebenslauf [curriculum vitae], undated; Hermann Raschhofer, Lebenslauf [curriculum vitae], dated 18 July 1939; „master sheet“ of the file, undated (handwritten annotations up to the end of 1940), Bundesarchiv Berlin Dahlwitz-Hoppegarten (in the following: BArchBD-H), ZB/2 1923, file 4.

[3]  Foto: Manfred Abelein, Otto Kimminich (Hrsg.), Studien zum Staats- und Völkerrecht. Festschrift für Hermann Raschhofer zum 70. Geburtstag am 26. Juli 1975, Kallmünz: Verlag Michael Laßleben 1977.

[4] Hermann Raschhofer, Lebenslauf, undated (fn. 2); this and all following quotations have been translated by the editor.

[5] Cf. Scheuner/Schumann/Schulin, Sachbericht in Sachen des Prof. Dr. J. W. Mannhardt, undated (ca. June 1955), Hessisches Staatsarchiv Marburg (in the following: HSTM), Best. 307d Acc. 1967/11, Nr. 385.

[6] Cf. Max Hildebert Boehm, Bestätigung des Instituts für Grenz- und Auslandstudien e.V. in Berlin-Steglitz/Geschäftsstelle Lüneburg, dated 25 November 1957, Universitätsarchiv Würzburg (in the following: UAW), ARS R 29, Nr. II.

[7] Cf.  Cf. Max Hildebert Boehm, Das eigenständige Volk. Volkstheoretischen Grundlagen der Ethnopolitik und Geisteswissenschaften, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1932, 36-37; Hermann Raschhofer, Nationalität als Wesen und Rechtsbegriff. Sonderdruck aus 25 Jahre Kaiser Wilhelm-Gesellschaft, Berlin: Springer 1937, 1, fn. 1.

[8] Cf. Ulrich Prehn, Max Hildebert Boehm. Radikales Ordnungsdenken vom Ersten Weltkrieg bis in die Bundesrepublik, Göttingen: Wallstein 2013.

[9] Bild: Wikimedia Commons.

[10] Hermann Raschhofer, Hauptprobleme des Nationalitätenrechts, Stuttgart: Enke 1931; all following citations referenced only by page numbers in the text are from this source.

[11] Cf. Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (ed.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung, Vol. 2, Göttingen: Wallstein 2000, 490-527, 502, 511, 519.

[12] Hermann Raschhofer, Nationalität als Wesen und Rechtsbegriff (fn. 7), 16, 20; all following citations referenced only by page numbers in the text are from this source.

[13] Hermann Raschhofer, Der politische Volksbegriff im modernen Italien, Berlin: Volk und Reich 1936.

[14] Cf. Hueck (fn. 11), 518.

[15] Cf. Letter from Hermann Raschhofer to Karl Herrmann Frank, dated 21 September 1941, Národní archiv/Státní ústřední archiv Praha [National Archive] (in the following: NA/SÚA), NSM-AMV 110, Nr. 22, Sig. 110-4/155.

[16] Photo: BArch, Bild 146-1972-039-26.

[17] Hermann Raschhofer, Lebenslauf, undated (fn. 2).

[18] Cf. Hermann Raschhofer, Zum Gegenstandsbereich der Volkstheorie, Deutsche Arbeit, 32 (1932), 308.

[19] Cf. Hermann Raschhofer, Lebenslauf, undated; Hermann Raschhofer, Lebenslauf, dated 18 July 1939; “master sheet“ of the file (fn. 2).

[20] Cf. Letter from the Sicherheitsdienst of the SS Leader/ District of Prague [Sicherheitsdienstes des Reichsführer-SS/SD-Leitabschnitt Prag] to Gies, German Ministry for Bohemia and Moravia [Deutsches Staatsministerium für Böhmen und Mähren], dated 21 November 1944, Archiv Ministerstva Vnitra Praha [Archive of the Czech Ministry of the Interior] (in the following: MVČR), Z-10-P-72.

[21] Cf. Peter K. Steck, Zwischen Volk und Staat. Das Völkerrechtssubjekt in der deutschen Völkerrechtslehre (1933–1941), Baden-Baden: Nomos 2003, 123.

[22] Cf. Karel Fremund, Z činnosti poradců nacistické okupační moci (Výběr dokumentů), Prague: Archivní správa Ministerstva vnitra Roč 1966, 24-25, 40-41.

[23] Cf. Václav Král (ed.), Die Deutschen in der Tschechoslowakei 1933–1947. Dokumentensammlung, Prague: Nak. Československé akademie věd 1964, 454.

[24] Cf. Letter from the National Socialist Association of University Teachers/ Führer of the Association [NS-Dozentenbund/Der Reichsdozentenbundsführer] to Wacker, Federal Ministy of Education [Reichserziehungsministerium], dated 21 June 1938, BArchBD-H, ZB/2 1923, file 4.

[25] 1933 Raschhofer declared: “In National Socialism a political cadre is forming, which is conscious of the whole of the historical existence of the German nation and deriving its claim to totality from that”, cited after: Walter Heynowski/Gerhard Scheumann, Der Mann ohne Vergangenheit, in: Der Präsident im Exil und Der Mann ohne Vergangenheit sowie ein nachdenklicher Bericht über Die Schlacht am Killesberg, Berlin: Verlag der Nation 1969, 124.

[26] Cf. Hermann Raschhofer, Die tschechoslowakischen Denkschriften für die Friedenskonferenz von Paris 1919/1920, Berlin: Heymanns 1937, 2nd enlarged ed. 1938.

[27] Cf. Johann Wolfgang Brügel, Tschechen und Deutsche 1918–1938, Munich: Nymphenburger Verlagshandlung 1967, 87.

[28] Cf. Elizabeth Wiskemann, Czechs & Germans. A study of the struggle in the historic provinces of Bohemia and Moravia, 2nd ed., London: Macmillan 1967.

[29] Cf. The corresponding reports in: NA/SÚA ÚŘP-AMV 114 Nr. 14 Sig. 114-3/18.

[30] Johann Wolfgang Brügel (fn. 27), 96-97.

[31] Cf. Leader of the Einsatzgrupe H of the Sicherheitspolizei and the Sicherheitsdienst [Chef der Einsatzgruppe H der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienst], confirmation, 23 October 1944; Adolf Leitgeb, commando report, 29 October 1944, MVČR 302-64-10.

[32] Cf. Albert Jeloschek et al., Freiwillige vom Kaukasus. Georgier, Armenier, Aserbaidschaner, Tschetschenen u.a. auf deutscher Seite – Der „Sonderverband Bergmann“ und sein Gründer Theodor Oberländer, Graz: Stocker 2003, 139, 161; Philipp-Christian Wachs, Der Fall Theodor Oberländer (1905–1998). Ein Lehrstück deutscher Geschichte, Frankfurt a.M.: Campus Verlag 2000, 104.

[33] Cf. Hermann Raschhofer, Europäischer Nationalismus (galley proof); Letter from Hess, Hauptschriftleiter „Böhmen und Mähren“ to Gies, German Ministry for Bohemia and Moravia [Deutsches Staatsministerium für Böhmen und Mähren], dated 16 March 1945, NA/SÚA, NSM-AMV 110, no. 106, sig. 110-12/134.

[34] Cf. Certificate of appointment issued by the state of Bavaria, 24 January 1957, UAW, ARS R 29, Nr. II.

[35] Cf. Letter from the Bavarian Ministry for Education and Culture [Bayerisches Staatsministeriums für Unterricht und Kultus] to the rectorate of Würzburg University, dated 26 March 1962, UAW, ARS R 29, Nr. II.

[36] Cf. Süddeutsche Zeitung, 27 January 1970.

Zeitgenossenschaft, Expertise und das „Völkerrecht als Rechtsordnung“. Das MPIL „um 68“

Dieser Beitrag, zur Diskussion gestellt als Teil eines Roundtable-Gesprächs im Rahmen der Seminarreihe zur Institutsgeschichte, ist Teil einer gemeinsamen Reflexion über die Zeitgenossenschaft des MPIL. Ist es im Verlaufe seiner Nachkriegsentwicklung auf der Höhe seiner Zeit gewesen, und ist die Zeit auf der Höhe der Wissenschaft der MPIL gewesen? Letzteres wäre der Fall, wenn die Wissenschaft des Völkerrechts den realen Verhältnissen der inter­na­tionalen Beziehungen vorausgeeilt oder auf dem Wege wäre, die zukünftigen Etappen der Entwicklung der Völkerrechtswissenschaft mitzugestalten.

I. Woran will ich die Zeit­genossenschaft des MPIL (in dem erwähn­ten doppelten Sinne) festmachen? Unter den verschiedenen methodischen Wegen zur Beant­wortung dieser Frage bot sich die mir persönlich nächstliegende Herangehens­weise an, nämlich die Identifizierung und Bewertung jener Thematik, welche das Institut seinerseits „um 68“ zum Gegenstand seiner Forschung gemacht und damit auf die völkerrechtswissenschaftliche Agen­­da gesetzt hat. Die Deka­de zwischen der Mitte der 1960er und der 1970er Jahre betrachte ich als die Zeitspanne, die man grob vereinfachend als „um 68“ charakterisieren kann. Diese Jahreszahl vermittelt ja nicht lediglich eine chronologische Infor­mation, sondern symbolisiert nachhaltig wirkende gesellschaftliche Ereignisse mit internationaler Ausstrahlung in verschiedene, vor allem westliche Gesell­schaften.

Hermann Mosler 1975 in der Alten Aula anlässlich des 50-jährigen Institutsjubiläums (Foto: MPIL)

Als para­digmatisch betrachte ich das Thema, mit dem Hermann Mosler, der da­malige Direk­tor des MPIL, die Serie der Beiträge eröffnete, die aus An­lass des 1974 gefeierten 50jährigen Bestehens des Instituts in der Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV) veröffentlicht wurden. Es lautete: Völker­recht als Rechts­ord­nung. Natürlich war das keine speziell für das Jahrzehnt zwischen der Mitte der 1960er und 1970er Jahre charakteristische wissenschaftliche Fra­gestellung. Mosler hatte dieses Thema gewählt, weil er damit das Werk des Gründungsdirektors des Kaiser-Wilhelm-Instituts Viktor Bruns ehren wollte, der im Jahr 1929 die ZaöRV gegründet und den ersten Band mit eben dieser Thematik – „Völkerrecht als Rechtsord­nung“ eröffnet hatte.

Man könnte sagen, dass dieses Thema für das MPIL nicht nur aus Anlass seiner Jubiläen bedeutungsvoll und würdiger Gegenstand seiner Forschung ist, son­dern im Grunde die Ratio seiner Existenz ausmacht. Jubiläen wie das fünf- fünfzig- oder hundertjährige Bestehen des MPIL markieren daher lediglich Stationen, wie sich dieses für den wissenschaftlichen Auftrag des MPIL konstitutive Problem im geschichtlichen Prozess der dazu geführten Diskurse entwickelt hat. Aus Anlass des hundertsten Geburtstages des MPIL daran zu erinnern ist der Sinn der folgenden Überlegungen eines Nicht-Völkerrechtlers.

Original Typoskript des Vortrages „Völkerrecht als Rechtsordnung“ von Viktor Bruns, gehalten am 16. Februar 1927 vor der KWG (Foto: MPIL)

II. Zunächst: Was meinten die beiden Autoren Bruns und Mosler mit der Qualifi­zierung des Völkerrechts als Rechtsordnung? Gewiss verstanden sie unter dem Begriff Rechtsordnung nicht le­diglich eine Ordnung allein des recht­lichen Stof­fes, den wir als Völkerrecht klassifizieren, das heißt eine Ta­xonomie des Rechts­stof­fes, der die internationale Dimension des Rechts betrifft. So etwas gehört in den Hörsaal einer Vorlesung über das Völkerrecht und wird in den völker­recht­lichen Reflexionen und Forschungen vorausgesetzt. Wenn das Völkerrecht als Rechtsordnung qualifiziert wird, dann ist damit nicht gemeint, dass dieses Rechtsgebiet eine Ordnung hat und deswegen auch eine Ordnung dieses Rechtsgebietes ist – sinnvollerweise kann damit nur gemeint sein, dass das Völkerrecht eine ordnende Funktion für seinen Gegenstand hat, nämlich die internationale Gemeinschaft.

In modernen Gesellschaften ist die gesellschaftliche Ordnung zugleich eine Rechtsordnung – rechtlich konstituiert und reguliert. Sozial­ord­nung und Rechts­­­­ordnung sind weitgehend identisch – selbst der Bruch des Rechts ist ein rechtliches Ereignis. So ist zum Beispiel Diebstahl ein in die Alltagssprache eingegan­gener Rechtsbegriff für den Vorgang der Wegnahme einer Sache ohne oder gegen den Willen der bestohlenen Per­son. Das ist ge­meint, wenn von der konstitutiven Bedeutung der Norm für die Erkenntnis des rechtlichen Charak­ters sozialer Beziehungen und Verhält­nisse die Rede ist: der von der sinnlich wahr­nehmbaren konkreten Realität eines sozialen Verhältnis­ses abstrahier­ende Rechtsbegriff prägt Sprache und Be­wusst­sein einer durch Recht konsti­tuierten Ordnung. Ohne das Recht gäbe es diese Ordnung nicht; ohne das Recht wären die Men­schen lediglich ein Haufen im Hobbes’schen Naturzu­stand, in dem jeder gegen jeden um sein Überleben kämpft.

III. In der Begeisterung der demokratischen Bewegung der Paulskirchenversammlung 1848 und deren Ver­abschiedung einer Verfassung schrieb der Dichter Fer­di­­nand Frei­li­grath: „Noch gestern, Brüder, wart ihr nur ein Haufen; ein Volk, o Brüder, seid ihr heut“.

Die gegenwärtig gängige Formulierung für etwas Gleichartiges oder Ähnliches in Bezug auf die inter­na­tio­nalen Beziehungen lautet „regelbasierte Weltord­nung“. Das ist das Ideal ins­besondere der liberalen westlichen Demokratien des globalen Nordens. Eine regelbasierte Ordnung müsste auf globaler Ebene das leisten, was innerstaatlich jedenfalls in jenen Staaten gesichert erscheint: Frie­den und Ordnung durch Recht. Wir wissen, dass es das nicht gibt, in dem Zeitalter der Staatlichkeit seit der Mitte des 17. Jahrhunderts auch nicht gegeben hat.

Warum hat es diese Konstellation in den Beziehungen der Staaten nicht gege­ben? Die Antwort ist so schlicht wie folgenreich. Die Staaten bilden eine Plura­lität, sicherlich mehr als einen Haufen oder eine bloße Menge. Andererseits haben sie sich nicht wie der Freiligrath’sche Haufen zu einem kollektiv hand­lungsfähigen Ver­band transformiert – sie befinden sich damit in der paradoxen Situation, dass sie unter diesem Zustand der unorganisierten Vielheit zugleich leiden, wie ihn aber gleichzeitig auch genießen und mit allen Mitteln verteidi­gen. Sie leiden darunter, dass sie mangels ei­ner über ihnen existierenden sanktionsfähigen Autorität eines in­ter­na­tionalen Superstaates in ständiger Sorge um ihre Sicher­heit leben, die potentiell von jedem anderen Staat bedroht ist, und sich daher in ständiger kostenintensiver Wehrbereitschaft befinden müssen. Sie genießen diesen Zustand zugleich aber auch, weil sie dank ihrer Souveränität keiner ihnen überlegenen Ordnungsmacht unterliegen und weitgehend ungestört und selbstbezüglich ihre inneren Angele­gen­heiten regeln können – bis hin zu grausamster Unter­drückung ihrer jeweiligen Völker.

IV. Dieser „Souveränitätspanzer“ verhindert, dass völkerrechtliche Normen einen konstitutiven Status erlangen können. Sie können nicht den soziologischen Roh­­­zustand der internationalen Beziehungen souveräner Staaten in eine Ord­nung umwandeln, die einen verbindlichen kollektiven Mehrheitswillen hervor­bringen könnte, geschweige denn eine überlegene Autorität, die diesen Willen gegen Widerspruch durchsetzen könnte. Schon der Gegenstand des Völ­ker­rechts ist diffus: laut Präambel der UNO-Sat­zung sind es die „Völker der Ver­einten Natio­nen“, später im Text dann auch nur die „Vereinten Natio­nen“, in der Li­tera­tur wird auch von der „inter­na­tionalen Gemeinschaft“, „Staa­ten­ge­mein­schaft“, der „Völkerrechtsgemeinschaft“ oder der „Staaten­gesellschaft“ gesprochen, zuweilen von der Mensch­heit (man­kind). Bei genauer Betrachtung bilden die Staaten keine Gemein­schaft, sondern eine Gesellschaft. In der präzi­sierenden Unterscheidung zwischen Vergemeinschaftung und Vergesell­scha­ftung von Max Weber wird letztere als die Existenz einer sozialen Beziehung gekennzeichnet, „wenn und soweit die Einstellung des sozialen Handelns auf rational (wert- oder zweckra­tional) motiviertem Interes­senaus­gleich oder auf ebenso motivierter Interes­sen­ver­bindung beruht“.[1] In diesem Sinne kennzeich­net Hedley Bull, Be­grün­der der englischen Schule der internationalen Beziehun­gen, das Pluriversum der Staaten als „anar­chi­cal society“. Damit charakterisier­te er eine Konstellation, die durch drei widerspruchsvolle Elemente gekenn­zeich­­­net sei: Kriege zwischen den Staaten und Kämpfe um Macht; transnationa­le Solidarität und Konflikt sowie Kooperation und regulierte Beziehungen zwis­chen Staaten.[2] Auf ein weniger beachtetes Element dieser Beziehung von Krieg und internationalem anarchischem System hat übrigens der britische Militär­historiker Michael Howard in einem klugen Essay unter dem Titel The Invention of Peace  aufmerksam gemacht.[3]

Rudolf Bernhardt, Ernst Friesenhahn und Jochen Frowein auf der Tagung „Völkerrecht als Rechtsordnung“ 1975 (Foto: MPIL)

Die weitgehend anerkannten Eigenheiten der internationalen Ordnung be­ruhen darauf, dass die Staaten nicht rechtlich kon­stituiert sind. Staaten sind keine Geschöpfe des Rechts, sondern natur­wüch­sig aus dem mehr oder weni­ger gewalttätigen Verkehr der Staaten oder sonstiger Herrschafts­verbände hervorgegangene Gebilde (zum Beispielnach dem Zerfall von Imperien), die ausschließ­liche Herrschaft über ein umgrenztes Territorium und dessen Bevöl­kerung aus­üben. Während binnenstaatlich die soziale Ordnung durch die kon­stitutive Wir­kung der Verfassung in eine Rechtsordnung transformiert wird, bleibt die Exi­stenz der Staaten in der zwischenstaatlichen Sphäre ein bloßes Faktum. Kel­sen bezeichnete bekanntlich das Völkerrecht als eine „primitive Rechtsord­nung“. Da­­mit bezog er sich darauf, dass die generellen Normen des Völker­rechts nicht durch ein gesondertes Gesetzgebungsorgan erzeugt werden, son­dern durch die „Glieder der Rechtsgemeinschaft“ selbst, das heißt die Staaten.[4] Sie haben keine In­sti­­tu­tion hervorgebracht, die mit der selbständigen Wahrung der Gesamtinter­es­sen der „Gemeinschaft“ betraut wurde. Dass dies auch unter dem Schirm der UN-Charta gilt, zeigen deren Artikel 24 und 25. Danach handeln die Mit­glie­der des Sicherheitsrates bei der Erfüllung ihrer Hauptverantwortung für die Wahr­ung des Weltfriedens nicht im Namen und im Interesse einer in den Ver­einten Nationen verfassten Gemeinschaft der Staaten und deren Völ­ker, son­dern im Namen der Summe der Mitglieder der Vereinten Na­tionen, also der Staaten. Sie bleiben in ihrer Pluralität und Souveränität die Quel­le der Legitimi­tät der Beschlüsse des Sicherheitsrates. Die Verbindlichkeit der Beschlüsse des Sicherheitsrates ergibt sich folglich nicht aus einer strukturellen Über­legenheit eines Gesamtwillens über die Einzelwillen der Staaten; sie folgt aus der Über­einkunft der einzelnen Mitglieder der Vereinten Nationen, „die Be­schlüs­­se des Sicherheitsrates im Einklang mit dieser Charta anzunehmen und durchzufüh­ren“ (Artikel 25). Quelle der Legitimität der Beschlüsse des Sicher­heitsrates sind die Übereinkünfte der Staaten, die damit auch die Interpretationshoheit über deren jeweiligen Inhalt und damit über das Maß der Verbindlichkeit innehaben.

Zum Mitglied einer „anarchischen Gesellschaft“ nach der erwähnten Konzepti­on von Bull wird ein Staat als Faktum erst durch die Anerkennung als Staat – erst dadurch erwirbt er den Status eines internationalen Rechts­sub­jektes.[5] Bei­des – Anerkennung und Völkerrechtsfähigkeit – sind Begriffe des Völkerrechts. Ihre Geltung und Anwendung schaffen eine eigene soziale Wirklichkeit und er­lösen damit die faktische Wirk­lichkeit eines „naturhaften“ Nebeneinanders von ungleich machtvollen souveränen Herrschafts­gebilden von ihrem Verharren in der rohen Ver­sion eines Hobbes’schen Naturzustan­des.

V. Was durch die Geltung dieser völkerrechtlichen Nor­men, im Verbund mit dem elementaren, in der Re­gel rechtsethisch fundierten Grundsatz pacta sunt servanda[6] bewirkt wird, ist nichts weniger als der erste Schritt hin zu einer Rationalisierung des rohen Zustandes einer Viel­zahl machtoppor­tu­nistisch agierender Souveräne in eine normativ inspirierte Konstellation eines ge­ord­neten Ne­beneinanders. Man kann also den genannten völkerrechtlichen Nor­men einen konstitutiven Char­akter zuspre­chen.

Rechtfertigt das die These vom Völkerrecht als Rechts­ord­nung? Es kommt darauf an, welche Ansprüche wir an den Begriff der völker­recht­li­chen Ordnung stellen. Verstehen wir darunter die oben erwähnte „re­gelbasierte internationa­le Ord­nung“, so wird man die Frage wohl verneinen müssen. Denn beim gegen­wärtigen Stand der ungezügelt ausgetragenen inter­nationalen Konflikte ist von einer ordnenden, geschweige denn steuernden Macht des Völkerrechts wenig zu se­hen. Für uns Heutige muss der Frieden noch erfunden werden. Wir werden uns wohl mit der bescheide­neren Idee einer regelorientierten Ordnung zufriedengeben müssen. Die Kluft zwi­schen regelbasiert und regel­ori­entiert ist das Feld der internationa­len Politik. Sie benötigt dringend die Exper­tise und Kreativität der völkerrechtlichen Pro­fession und ihres deutschen Hor­tes, des Heidelberger MPIL. Dessen Jubiläum zum hundertjährigen Bestehen ermutigt zu kühnen Hoffnungen und Wünschen.

[1] Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der Verstehenden Soziologie, Tübingen: Mohr 1972, 21.

[2] Hedley Bull, The Anarchical Society. A Study of Order in World Politics, London:  Macmillan1977, 41.

[3] Michael Howard, The Invention of Peace. Reflections on War and International Order, London: Yale University Press 2000.

[4] Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. (1960), 5. Neudruck, Wien: Verlag Österreich 2000, 323 ff.

[5] Vgl.  Wilfried Schaumann, Anerkennung, in: Hans-Jürgen Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. I, Berlin: De Gruyter 1960, 47 ff.; Hermann Mosler, Völkerrechtsfähigkeit, in: Hans-Jürgen Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. III, Berlin: De Gruyter 1962, 665 ff.

[6] Hierzu Werner Kägi, Pacta Sunt Servanda, in: Hans-Jürgen Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. II, Berlin: De Gruyter 1961, s711-716.

Nische oder Relais?

Niche or Relay?

Kolorierte Postkarte des Berliner Schlosses 1913 von der Spree gesehen. Auf dieser Seite war ab 1926 das KWI für ausländisches und internationales Privatrecht untergebracht (Foto: gemeinfrei)

Deutsch

Das Schwester-KWI für ausländisches und internationales Privatrecht, 1933 bis 1939, mit Blick auf das KWI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Was verbindet Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Völkerrecht in der NS-Zeit? Als These formuliert, verbindet die beiden juristischen Kaiser-Wilhelm-Institute (KWI) der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), dass sie keine unpolitischen oder bedingt freien Räume in der Diktatur darstellten. Sie waren in erster Linie Relais der NS-Herrschaft, nur in wenigen Hinsichten Nischen.

Dies zu untersuchen, heißt bestimmte Fragen zu stellen: Wie gestaltete sich Handlungsspielraum im Übergang zur NS-Diktatur und bei ihrer Etablierung? Wie liefen Feedback-Prozesse in den Instituten sowie zwischen Instituten, Politik und Rechtsprechung ab? Wo lagen die Grauzonen von Resilienz? Diese Fragen werden im Folgenden in den zeit- und wissenschaftsgeschichtlichen Forschungskontext eingeordnet. Im Mittelpunkt des Interesses steht, welche methodischen Erfahrungen nicht für die weitere Erforschung der Institutsgeschichte des Völkerrechts-KWI geeignet scheinen und warum nicht. Daraus ergeben sich diskussionsorientierte Thesen und Vorschläge für geeignete Aspekte einer Instituts- als exemplarischer Zeit- und Wissenschaftsgeschichte.

Der Forschungsstand, seine Lücken und blinden Flecken

Der Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die Beschäftigung mit dem privatrechtlichen Berliner Schwester-Institut, dem 1926 gegründeten und bis 1937 von dem Romanisten und Rechtsvergleicher Ernst Rabel (1874–1955) geleiteten Berliner KWI für ausländisches und internationales Privatrecht.[1] Sie erfolgte im Rahmen des seinerzeitigen Forschungsverbundes der Präsidentenkommission der Max-Planck-Gesellschaft zur Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft am Frankfurter MPI für europäische Rechtsgeschichte. Die ebenfalls in diesem Zusammenhang geplante Parallelstudie über das Schwester-KWI für Völkerrecht ist bekanntermaßen leider nicht zustande gekommen.[2]

Gründungsdirektor Ernst Rabel (1874-1955) wurde 1937 aus dem Amt gedrängt (Foto: AMPG)

2007 erschienen die letzten beiden institutsgeschichtlichen Bände der MPG-Präsidentenkommission. Zum einhundertjährigen Gründungsjubiläum der KWG/MPG 2011 legten Eckart Hennig und Marion Kazemi eine 2016 Gesamtbilanz in mehreren Teilen vor.[4] Diese macht einerseits den Erkenntnisgewinn seit Beginn der intensiven Forschungsbemühungen um die Geschichte der KWG, insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus, seit den 1990er Jahren unter Rudolf Vierhaus und Bernhard vom Brocke, andererseits die noch offenen Forschungsdesiderate sichtbar. Das Institutionengefüge ist damit gut dokumentiert. Auf dieser Grundlage stellen sich allerdings erst die eigentlichen Fragen.

Die Geschichte der deutschen Großforschungs- und Wissenschaftsförderungslandschaft seit der Weimarer Republik war durch deren Relevanz für die Ermöglichungsgeschichte der NS-Herrschaft, des Zweiten Weltkriegs und Zivilisationsbruchs immer ein besonderer Bereich der Zeit- und Wissenschaftsgeschichte. Bei ihrer Erforschung kamen traditionell quellennahe investigative und stark dokumentarisch ausgerichtete historische Methoden zum Einsatz. Das führte zu einer gewissen Spannung gegenüber der, unter anderem. am Berliner MPI für Wissenschaftsgeschichte vertretenen, Richtung einer eher wissenschaftstheoretischen Wissenschafts- als Wissens- und Kulturgeschichte. Fragen nach Handlungsspielraum, Feedback und Resilienz in einem KWI in der Konsolidierungs- und Kriegsvorbereitungsphase der NS‑Diktatur haben zwar auch etwas mit Kultur und Wissen zu tun, gehen aber nicht darin auf. Das gilt insbesondere für die Rechtsgeschichte. Wenn sie von dem abgetrennt betrachtet wird, was Florian Meinel den „Möglichkeitsraum des Politischen“ genannt hat, geht ihre zeitgeschichtliche Dimension verloren. Privat- und Völkerrecht sind aber genuin politisch, insbesondere dann, wenn sie institutionengeschichtlich in einer totalitären Diktatur betrachtet werden.

Don‘ts: Die Diktatur zur Diskurs- und Wissensgeschichte machen

Diesen Weg sollte die KWI-Geschichte eher nicht gehen: den einer invasiven und theorielastigen Kulturgeschichte in der Form einer Diskurs- oder Wissensgeschichte auf dem Nenner von konstruktivistischer Kommunikation. Ernst Rabel, in seiner Bedeutung als Ausnahmewissenschaftler sicherlich mit Max Weber vergleichbar, hat das rechtsvergleichend strukturierte IPR seiner Zeit verkörpert, nicht erfunden. Seine Fähigkeit zum Überblicken des problembezogenen Lösungsvorrats ganzer Rechtssysteme hat nicht nur einen gelehrten Diskurs, sondern wesentliche Anteile des Welthandelsrechts und der internationalen Rechtsprechungspraxis direkt ermöglicht. An vielen Kodifikationen und Urteilen war Rabel beteiligt. Weder seine Leitung des Privatrechts-KWI bis 1937 noch seine Emigrationsgeschichte in den USA oder sein Remigrantenschicksal nach 1945 sind eine Redeweise. Ähnliches lässt sich über die vergleichbare Verfolgungsbiographie von Erich Kaufmann sagen. Rabel war trotz seiner Illusionen über seine Unabhängigkeit und Nützlichkeit nach 1933 ein prominentes Opfer des universalrassistischen NS-Staats. Um Ambivalenz dieser Art und Größenordnung darzustellen, braucht die KWI-Geschichte keine Reformulierung gemäß der als Zitierstandard allgegenwärtigen Akteur-Netzwerk-Theorie und auch keine Wissensgeschichte des Internationalen Privatrecht oder des Völkerrechts, sondern eine Menge an einfühlender Verständnisbereitschaft. Das ist etwas anderes als Diskurstheorie oder Apologetik.

Do‘s: Umgang mit harten Akten und weichen Selbstverständnissen: Wonach sollte man suchen?

Aktenfunde aus dem Institutskeller[5]

Für eine Geschichte des Völkerrechts-KWI von der Weimarer Republik bis in die Zeit der jungen Bundesrepublik sind investigative Studien,  unter anderem ausgehend vom KWG‑/MPG-Aktenbestand, zur personellen Verflechtung von juristischen Fakultäten, KWG sowie nationaler und internationaler Politik von Interesse: Wen zieht das KWI an und wo bleibt das KWI-Personal? Insbesondere für die Fragen der rechtsförmigen internationalen Politik bietet sich das bewährte methodische Instrumentarium der politischen Zeitgeschichte an, wenn es auf die Kontextualisierungsschärfe von case studies zu Personen oder Problemen staatlichen und multilateralen Handelns ankommt. Die Politikwissenschaft hat ihre Stärke im Sichtbarmachen von Strukturen von Staatlichkeit und Multilateralität, was im Unterschied zur historistischen Perspektive durch die Bereitstellung idealtypischer Verläufe und Prozesse den Vergleich ermöglicht. Mikro‑Analysen zur Publizistik, Regierungsberatung und Schiedsgerichtspraxis sollten die Relevanz- und Selbstbildkonstruktionen sowohl der Völkerrechtswissenschaft wie der Regierungspraxis berücksichtigen und mit Blick auf die zeitgeschichtliche Bedeutung der KWI-Geschichte auch für den nicht-fachjuristischen Verständnishorizont verständlich machen.

Es ist auch sinnvoll, die besondere Rolle eines KWI-Direktors am Beispiel von Viktor Bruns und seines Amtsverständnisses für das von ihm vertretene Fach darzustellen und dies in Verhältnis zum Gruppen- und Verlaufsbild der hauptamtlichen Referenten und der Entwicklung ihrer Arbeitsgebiete in Demokratie und Diktatur zu setzen. So trivial es erscheint, so hilfreich kann es dabei sein, typische Arbeitsprozesse, Ressort-Zuständigkeiten und Routinen zu rekonstruieren, um das KWI als interagierendes, reagierendes System zu verstehen, das einerseits auf bestehende wissenschaftliche, administrative und politische Strukturen gestützt ist, andererseits durch seine Tätigkeit zugleich als besonders ausgestattete und prestigereiche, international sichtbare Großforschung Einfluss auf diese nimmt. Es gab einige Mitarbeiter, die in beiden KWIs tätig waren, was die damals noch nicht ganz etablierten Fachgrenzen spiegelte: Alexander N. Makarov war ab 1928 an beiden KWIs tätig, von 1945 bis 1956 am Tübinger MPI; der überzeugte Nationalsozialist Friedrich Korkisch ab 1949 am Privatrechtsinstitut; Wilhelm Wengler ab 1935 am Privatrechts- und ab 1938 zusätzlich am Völkerrechts-KWI; Marguerite Wolff, Ehefrau von Martin Wolff, von 1924 bis 1933 als Referentin am Völkerrechtsinstitut. Die Familien Wolff und Bruns waren eng befreundet. Zudem scheint man einen gemeinsamen Mittagstisch beider Institute gehabt zu haben. Auch die Bibliothek wurde wohl geteilt.[6]

Ein Indikator für letzteres ist jedenfalls beim Privatrechts-KWI das latente Faszinations- und Spannungsverhältnis zur deutschen universitären Rechtsvergleichung und international privatrechtlichen Wissenschaft, die in Rabels Institut immer auch eine politisch stark bevorzugte, hervorragend ausgestattete Konkurrenz sah.

Wie ermöglichten Internationales Privat- und Völkerrecht Diktatur und Krieg?

Der politikgeschichtliche Leitbegriff des Handlungsspielraums zielt unter anderem seit Ludolf Herbst in der Analyse der NS-Gesellschaft darauf ab, Interaktion und Interdependenz zu rekonstruieren. Wie werden bestimmte soziale Rollen wahrgenommen? Wie verändern sie sich als professionelle Leitbilder und Tätigkeitsprofile im Übergang von der Weimarer Republik zur NS-Diktatur hinsichtlich der Selbst- und Fremddefinition? Welche Strategien der Autonomiewahrung gab es und wovon hingen sie ab? Waren sie erfolgreich und wie lange? Welches Image hatten und gestalteten sie? Wozu wurde die Autonomie genutzt oder nicht genutzt?

Eine solche Herangehensweise vermeidet eine Schwarz-Weiß-Gegenüberstellung des ideologischen NS-Herrschaftsanspruchs und der mehr oder weniger gleichgeschalteten professioneller KWI-Alltagsrealität in einem sehr spezifischen gesellschaftlichen Subsystem. Sie ermöglicht die Darstellung von Ambivalenz und Graustufigkeit, zum Beispiel im Bereich der taktischen Anpassung und bedingten Konformität. 

Widerstandsgeschichte: Weniger Schwarz-Weiß, mehr Grau

Berthold von Stauffenberg (rechts) mit Frau Schmitz, Ehefrau des stellvertretenden Institutsleiters Ernst Martin Schmitz (links) auf der Betriebsfeier 1939[7]

Graustufensensibilität ist in allen NS-geschichtlichen Fragen der Gegensatz zur ahistorischen polaren Gegenüberstellung von Konformität versus Nonkonformität. Die deutsche, legitimitätsressourcenspendende Widerstandsgeschichte, vor allem verkörpert in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand Berlin, petrifiziert ein gleichsetzendes, moralisierendes Heldenpantheon aller Formen des deutschen Widerstands, von dem sich die Fragstellungen der kritischen Zeitgeschichte seit Jahrzehnten nicht nur entfernt, sondern distanziert haben. Da die Geschichte des Völkerrechts-KWI mit der professionellen Biographie von Berthold Graf Schenck von Stauffenberg (1905–1944) verbunden ist, stellt sich die Frage nach dem Umgang mit der Widerstandsproblematik mit besonderer Dringlichkeit. Zielführend für eine kritische Einordnung von Resilienz und Nonkonformität in bestimmten sozialen Rollen scheint eine genaue Rekonstruktion des persönlichen, professionellen und institutionellen Kontexts und der Verzicht auf jede Form der moralische Überhöhung.

Widerständig Handelnde in der NS-Diktatur entschieden sich nicht einmal und für den Widerstand, sie mussten das immer wieder und gegen wachsenden Verfolgungsdruck und um den Preis wachsender existenzieller Isolierung tun. Im Umfeld eines Widerständigen gab es Mitwissen und wegsehende Duldung, die sehr schwer quellengestützt zu fassen, aber gleichwohl Teil des Phänomens sind. Trotzdem oder gerade deshalb bleibt die Geschichte des Widerstands eine Geschichte von Einzelnen und ihren Entscheidungen, die sich nicht bequem verallgemeinern lässt. Jede übergriffige Moralisierung sagt mehr über diejenigen aus, die sie betreiben, als über die zu untersuchende Zeit. Das wird dem Ernst der Sache nicht gerecht.

Nischen und Anpassung: die Illusion der Immunität und die Realität der Diktatur

Bis heute Bestandteil der institutsinternen Erinnerungskultur: 1935 von Frank Mehnert gefertigte Büste Berthold von Stauffenbergs im Foyer des MPIL[8]

Handlungsspielraum in institutionellen Gefügen hat immer etwas mit Bedarf und Nützlichkeit zu tun. Das sind keine festen, sondern, auch in einer totalitären Diktatur, aushandlungsabhängige Größen. Hierarchien, gedachte Ordnungen und Charisma haben darauf einen Einfluss. Dass die KWG-Verwaltung den KWI-Direktor Ernst Rabel bis 1937 im Amt gehalten hat, obwohl das in Anwendung der Nürnberger ,Rasse‘-Gesetze ausgeschlossen war, ist ein Beispiel. Rabels Bleiben hing an der Protektion durch den ebenfalls 1937 von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängten deutschnationalen KWG-Generaldirektor Friedrich Glum, in der sich Loyalität und Funktionalität vermischten. Rabel war aufgrund seines hohen internationalen Ansehens für Glum, aber auch für Teile der NS-Regierung, attraktiv. Vorschnelle Intentionalisierung von Handlungsspielräumen kann zu prekären Verzeichnungen einer grauen und verstrickungsreichen Wirklichkeit führen.

An den Jahrgängen 1933 bis 1937 der Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, der KWI-Institutszeitschrift, lässt sich die Verschiebung des Veröffentlichungsklimas thematisch und stilistisch gut dokumentieren. Zwar boten die verschiedenen Textgenres von thematischen Hauptartikeln, Rechtsprechungsberichten, Literaturüberblicken und Rezensionen noch ein gewisses Meinungsspektrum. Allerdings nimmt der nationalsozialistische Tenor eindeutig nicht nur zu, sondern wird bildbestimmend. Aufgrund der großen internationalen Wahrnehmung der KWI-Zeitschrift fällt es auf, wenn im Jahrgang 1935 unter anderem die „Idee des Führertums“ ein verbindendes Leitmotiv für komplexe Beiträge der Kartellrechtsregulierung abgeben soll. Rollenverteilung innerhalb der Ressorts des KWI, aber auch persönliche Präferenzen ergeben so Bild einer schiefen Ebene, an deren Ende der Versuch eines Nützlichkeitserweises für die NS-Kriegs- und Großraumwirtschaft in dem von der Wehrmacht besetzten, ausgeplünderten und terrorisierten Europa steht. „Insofern bleibt von der Vorstellung nichts übrig, das Institut habe fern der Politik ,nur‘ Fragen des Privatrechts erforscht.“[9]

[1] Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 1926 –1945, Göttingen: Wallstein 2004.

[2] Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (Hrsg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandaufnahme und Perspektiven der Forschung, Göttingen 2000, Bd. 2, 490-528.

[3] Foto: AMPG.

[4] Teil I: Eckart Henning/Marion Kazemi, Chronik der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911-2011 – Daten und Quellen, Berlin: Duncker & Humblot 2011; Teil II: Eckart Henning/Marion Kazemi, Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911– 2011 – Daten und Quellen, 2 Teilbände, Berlin: Duncker & Humblot 2016.

[5] Foto: MPIL.

[6] Für diese Hinweise danke ich Philipp Glahé.

[7] VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/37.

[8] Foto: MPIL.

[9] Michael Stolleis, Vorwort, in: Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 1926 –1945, Göttingen: Wallstein 2004, 9-10, 10.

Zitierte Literatur:

Rüdiger Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, 2 Bände, Göttingen: Wallstein 2007.

Helmut Maier, Forschung als Waffe. Rüstungsforschung in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung, 2 Bände, Göttingen: Wallstein 2007.

Rolf-Ulrich Kunze, Die Studienstiftung des deutschen Volkes seit 1925. Zur Geschichte der Hochbegabtenförderung in Deutschland, Berlin: Akademie Verlag 2001.

Florian Meinel, Vertrauensfrage. Zur Krise des heutigen Parlamentarismus, München: C.H. Beck 2019.

Ludolf Herbst, Deutschland 1933–1945. Die Entfesselung der Gewalt: Rassismus und Krieg, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996.

English

The “Sister” KWI for Comparative and International Private Law, 1933 to 1939, with a View to the KWI for Comparative Public Law and International Law

What is the connecting element of comparative law, private international law and international law in the Nazi era? Laid out as a thesis, the two juridical Kaiser Wilhelm Institutes (Kaiser-Wilhelm-Institute, KWI) of the Kaiser Wilhelm Society (Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, KWG) are comparable insofar that they did not represent apolitical or conditionally free spaces in the National Socialist dictatorship. They were primarily relays of Nazi rule, niches only in a few respects.

Investigating this means asking certain questions: What room for manoeuvre existed during the transition to the Nazi dictatorship and during its establishment? How did feedback processes take place within the institutes and between them, polity, and jurisdiction? Where lay the grey areas of resilience? In the following, these questions are embedded within the research context of contemporary history and history of science. The focus of interest is on which methodological experiences do not seem suitable for further research into the history of the International Law KWI and why not. From that, discussion-orientated theses and suggestions for apt aspects of an institute history as an exemplary contemporary and academic history are derived.

The State of Research, its Gaps and Blind Spots

The starting point for these considerations is the study of the Berlin “sister” institute, the KWI for Comparative and International Private Law[1], which was founded in 1926 and, until 1937, led by the romanicist and comparative law scholar Ernst Rabel (1874-1955). It was carried out in the context of the research network of the Max Planck Society’s Presidential Commission on the History of the Kaiser Wilhelm Society at the Frankfurt MPI for Legal History. A complimentary study on the “sister” institute for international law, which was also planned in this context, was unfortunately never conducted.[2]

Founding director Ernst Rabel (1874-1955) was forced out of office in 1937 (Photo: AMPG)

The last two of the MPG Presidential Commission volumes on the history of the institute were published in 2007. Commemorating the centenary of the founding of the KWG/MPG in 2011, Eckart Hennig and Marion Kazemi presented an overall assessment in several parts in 2016.[4] On the one hand, this highlights the knowledge gained since the beginning of the intensive research endeavour into the history of the KWG, particularly during the National Socialist era, since the 1990s under Rudolf Vierhaus and Bernhard vom Brocke, yet also the remaining research desiderata. The institutional structure is already well documented. However, it is only on this basis that the real questions arise.

The history of the German large-scale research and science funding landscape since the Weimar Republic has, due to its relevance for the historical pathway towards National Socialism, the Second World War and the Shoah, always been a peculiar area of contemporary history and the history of science. Traditionally, in researching it, investigative source-based and historical methods with a strong documentary focus were used. This led to a certain amount of tension with a more epistemological approach of a history of science as a history of knowledge and culture, as represented, among others, at the Berlin MPI for the History of Science. Questions about room for manoeuvre, feedback and resilience in a KWI in the consolidation and war preparation phase of the National Socialist dictatorship are linked to culture and knowledge but there are additional aspects to be covered. This applies in particular to legal history. If it is considered separately from what Florian Meinel has called the “realm of possibility of the political”, its historical dimension is lost. Private and international law, however, are genuinely political, especially when they are viewed from the perspective of institutional history in a totalitarian dictatorship.

Don’ts: Turning Dictatorship into a History of Discourse and Knowledge

This is the path KWI history should avoid: an invasive and mostly theoretical cultural history in the form of a history of discourse or knowledge based on the denominator of constructivist communication. Ernst Rabel, in his significance as an exceptional scholar certainly comparable to Max Weber, embodied, but did not invent, the comparative legal structuring of IPR of his time. His ability to survey the problem-related reservoir of solutions offered by entire legal systems not only facilitated a scholarly discourse, but also directly facilitated significant parts of world trade law and international legal practice. Rabel was involved in many codifications and judgements. Neither his leadership of the Private Law Institute until 1937 nor his history of emigration to the USA and his fate as a re-migrant after 1945 are a mere talking point. The same can be said about Erich Kaufmann’s comparable biography of persecution. Despite his illusions about his independence and usefulness after 1933, Rabel was a prominent victim of the universally racist National Socialist state. In order to portray ambivalence of this kind and magnitude, KWI history does not need a reformulation according to the actor-network theory ubiquitous as a citation standard, nor a history of knowledge of private international law or international law, but rather a great deal of empathetic understanding. This is different from discourse theory or apologetics.

Do’s: Dealing with Hard Files and Soft Self-Image: What Should You Look for?

Files found in the institute’s basement[5]

For a history of the International Law KWI from the Weimar Republic to the age of the young Federal Republic of Germany, investigative studies on the personal entanglements between law faculties, the KWG and national and international politics, based, among others things, on the KWG/MPG files are of interest: Who does the KWI attract and where does the KWI staff end up? Especially for questions of law-based international politics, the tried-and-tested methodological instruments of contemporary political history are useful, when the sharp contextualization offered by case studies on individuals or problems of state and multilateral action is needed. Political science has its strength in making structures of statehood and multilateralism visible, which, in contrast to the historicist perspective, enables comparison by pointing out archetypical trajectories and processes. Micro analyses of publications, political advisory, and the practice of Arbitral Tribunals should take into account the constructions of relevance and self-image of both international law scholarship and government practice and, with a view to the historical significance of KWI history, also make them comprehensible for lawyers outside of the field.

Furthermore, it is advantageous to illustrate the special role of a KWI director using the example of Viktor Bruns and his understanding of his role for the field he represented, and to relate this to the collective self-image and development of full-time research fellows and the development of their fields of work in democracy and dictatorship. As trivial as it may seem, it can be helpful to reconstruct typical work processes, departmental responsibilities and routines in order to understand the KWI as an interacting, reacting system, which on the one hand is based on existing scientific, administrative and political structures and at the same time influences them through its activities as a specially equipped and prestigious, internationally visible large-scale research organisation. Some persons worked at both KWIs, reflecting the disciplinary boundaries not yet being fully established at the time: Alexander N. Makarov worked at both KWIs from 1928 and from 1945 to 1956 at the Tübingen MPI; the staunch National Socialist Friedrich Korkisch was employed at the Private Law Institute from 1949; Wilhelm Wengler, from 1935 at the Private Law Institute and from 1938 additionally at the International Law Institute; Marguerite Wolff, wife of Martin Wolff, was a research fellow at the International Law Institute from 1924 to 1933. The Wolff and Bruns families were close friends. The staff of the two institutes also seem to have had lunch together. Likely, the library was also shared.[6]

One indicator of the latter is, at least for the Private Law Institute, the relationship of latent fascination and tension with comparative law research conducted at German universities and international private law scholarship, which always saw Rabel’s institute as a politically favoured, excellently equipped competitor.

How Did International Private Law and International Law Enable Dictatorship and War?

The political-history category of room for manoeuvre in the analysis of society under National Socialism, aims, since Ludolf Herbst, among other things, at guiding the analysis of interactions and interdependences. How are certain social roles perceived? How do they change as professional ideals and profiles in the transition from the Weimar Republic to the Nazi dictatorship in terms of self-definition and perception? What strategies existed for maintaining autonomy and what did they depend on? Were they successful and for how long? What image did they have and what image did they create? Where did actors make use of their autonomy and where did they fail to do so?

Such an approach avoids a black-and-white juxtaposition of the ideological claim to power of National Socialism and the more or less intense effect of Gleichschaltung on the professional everyday reality at the KWI in a very specific social subsystem. It enables the depiction of ambivalence and shades of grey, e.g. in the area of strategic and conditional conformity.

History of Resistance: Less Black and White, More Grey

Berthold von Stauffenberg (right) with Ms Schmitz, wife of the institute’s deputy director Martin Schmitz, (left) at the office party in 1939[7]

Sensitivity towards the existence of shades of grey is, in all questions concerning the history of National Socialism, the antithesis to the ahistorical idea of a polar opposition of conformity and non-conformity. The history of German resistance, providing resources for legitimacy and embodied above all in the German Resistance Memorial Centre in Berlin, petrifies an equating, moralising pantheon of heroes of all forms of German resistance. The research questions of critical contemporary history have not only departed but distanced themselves from this perspective in the last decades. As the history of the International Law Institute is linked to the professional biography of Berthold Graf Schenck von Stauffenberg (1905-1944), the question of how to deal with the issue of resistance is particularly urgent. For a critical assessment of resilience and non-conformity in certain social roles, a precise reconstruction of the personal, professional and institutional contexts and the renunciation of any form of moral exaggeration seems to be expedient.

Members of the resistance against the National Socialist dictatorship did not make a one-time decision; they took a stance repeatedly, despite a growing danger of persecution and at the cost of increasing existential isolation. In their environment, complicity and intentional ignorance existed, both of which are very difficult to grasp on the basis of source material but are nevertheless part of the phenomenon. Despite or precisely because of this, the history of resistance remains a history of individuals and their decisions, which cannot be conveniently generalised. Any encroaching attempt at moralisation says more about those who engage in it than about the subject of historical investigation. It does not do justice to the seriousness of the matter.

Niches and Adaptation: The Illusion of Immunity and the Reality of Dictatorship

Part of the institute’s internal culture of remembrance to this day: Bust of Berthold von Stauffenberg made by Frank Mehnert in 1935 in the foyer of the MPIL[8]

Room for manoeuvre in institutional structures is generally interrelated with demand and usefulness. These attributes are not static, but based on negotiation, even in a totalitarian dictatorship. This process is influenced by hierarchies, perceived orders, and charisma. The fact that the KWG administration kept KWI director Ernst Rabel in office until 1937, despite this being non-compliant with the Nuremberg Laws, is one example. Rabel’s retention depended on the protection, resulting from a combination of loyalty and pragmatism, of the KWG Director General Friedrich Glum, a nationalist who, too, was forced out of office by the National Socialists in 1937. Rabel’s outstanding international reputation made him attractive to Glum, but also to parts of the National Socialist government. The premature construction of intentionality regarding the exertion of room for manoeuvre can lead to precarious distortions of a multifaceted and entangled reality.

The 1933 to 1937 issues of the Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Today: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht / The Rabel Journal of Comparative and International Private Law), the KWI’s institute journal, lend themselves to the documentation of the shift in publishing climate, both thematically and stylistically. The thematic main articles, across various text genres like case law reports, literature overviews and reviews did still offer a certain spectrum of opinions; however, the National Socialist tenor was clearly not only increasing but becoming dominant. Due to the high international profile of the KWI journal, it is striking that in 1935, among other things, the “idea of Führertum” is presented as a unifying theme for complex articles on the legal regulation of cartels. The distribution of roles within the departments of the KWI, but also personal preferences, thus paint a picture of a diverted playing-field, escalating to an attempt to demonstrate usefulness for the National Socialist economy oriented towards war and Großraum in a Europe, plundered and terrorised by the occupying Wehrmacht. “Insofar, nothing remains of the idea that the institute, far removed from politics, ‘only’ researched questions of private law.”[9]

 

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 1926 –1945, Göttingen: Wallstein 2004.

[2] Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (ed.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandaufnahme und Perspektiven der Forschung, Göttingen: Wallstein 2000, vol. 2, 490-528.

[3] Photo: AMPG.

[4] Part I: Eckart Henning/Marion Kazemi, Chronik der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911-2011 – Daten und Quellen, Berlin: Duncker & Humblot 2011; Part II: Eckart Henning/Marion Kazemi, Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911– 2011 – Daten und Quellen, 2 Volumes, Berlin: Duncker & Humblot 2016.

[5] Photo: MPIL.

[6] I would like to thank Philipp Glahé for this information.

[7] Photo: VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/37.

[8] Photo: MPIL.

[9] Michael Stolleis, Vorwort [Preface], in: Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 1926 –1945, Göttingen: Wallstein 2004, 9-10, 10.

Literature cited:

Rüdiger Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, 2 Volumes, Göttingen: Wallstein 2007.

Helmut Maier, Forschung als Waffe. Rüstungsforschung in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung, 2 Volumes, Göttingen: Wallstein 2007.

Rolf-Ulrich Kunze, Die Studienstiftung des deutschen Volkes seit 1925. Zur Geschichte der Hochbegabtenförderung in Deutschland, Berlin: Akademie Verlag 2001.

Florian Meinel, Vertrauensfrage. Zur Krise des heutigen Parlamentarismus, München: C.H. Beck 2019.

Ludolf Herbst, Deutschland 1933–1945. Die Entfesselung der Gewalt: Rassismus und Krieg, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996.

Polykratie der Völkerrechtler

Polycratic International Law Scholarship

Berlin under National Socialism, 1937 (Picture: Creative Commons)

Deutsch

Carl Schmitt, Viktor Bruns und das KWI für Völkerrecht

Am 2. November 1933 schreibt der Vorsitzende des Kuratoriums „an die Herren Mitglieder des Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht e. V.“:

„Der Direktor des Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht e. V., Herr Geheimer Justizrat Professor Dr. Bruns hat beantragt, den zum ordentlichen Professor an der Juristischen Fakultät der Universität Berlin ernannten Herrn Staatsrat Professor Dr. Carl Schmitt zum wissenschaftlichen Berater des Instituts zu wählen. Der Herr Institutsdirektor hat zur Begründung seines Antrages noch folgendes angeführt:

‚Die Stellung, die Herr Professor Dr. Carl Schmitt in der Wissenschaft seines Faches einnimmt, macht eine Begründung dieses Antrags überflüssig. Ich möchte lediglich darauf hinweisen, welche große Bedeutung der Gewinn dieses Gelehrten für die Arbeit des Instituts zukommt [sic!], der in hervorragendem Maße an der Vorbereitung neuer Gesetze[1] beteiligt ist. Es ist zu erwarten, daß durch seine Person die Arbeit des Instituts auf staatsrechtlichem Gebiet in den unmittelbaren Dienst praktischer Staatsaufgaben gestellt werden wird. Es entspricht dies den Zielen und Aufgaben, die sich das Institut von seiner Gründung an gesetzt hat, und die es seither besonders auf dem Gebiete des Völkerrechts zu verwirklichen berufen war.‘

Ich stelle diesen Antrag gemäß § 5 der Satzungen des Instituts zur Abstimmung.

Sollte ich bis zum 15. d. Mts. mit einer Antwort nicht beehrt sein, so nehme ich an, daß die Herren Kuratoriumsmitglieder mit dem Vorschlag einverstanden sind.“

Carl Schmitt hatte am 8. September seine Annahme des Rufes nach Berlin erklärt und Viktor Bruns wenige Tage später, am 18. September, „sehr freundlich“[2] im Hotelzimmer getroffen. Vielleicht besprachen sie damals seine Anbindung als „Berater“ am Institut. Am 5. November, also wenige Tage nach dem Schreiben des Kuratoriumsvorsitzenden, notiert Schmitt nach einer „Sitzung der Akademie für Deutsches Recht“ dann ein Treffen mit Bruns und Richard Bilfinger im Fürstenhof. Auf der Sitzung hielt Bruns einen Vortrag über „Deutschlands Gleichberechtigung als Rechtsproblem“.[3] In seiner völkerrechtlichen Programmschrift „Nationalsozialismus und Völkerrecht“ schreibt Schmitt zum Vortrag: „Unser Anspruch auf Gleichberechtigung ist kürzlich noch von Viktor Bruns in einer geradezu klassischen Weise nach seinen verschiedenen juristischen Stellen hin dargelegt worden.“[4] Nur sehr selten zitierte er Publikationen von Bruns. Die positive Erwähnung einer ausgewogenen juristischen Analyse ist auch etwas vergiftet; in anderen Zusammenhängen hätte Schmitt vielleicht abschätziger von liberalem, diplomatisch zurückhaltendem Positivismus gesprochen. Ende 1933, als Schmitt gerade in Berlin in seiner neuen Rolle als „Kronjurist“ ankommt, scheint der Kontakt mit Bruns jedenfalls besonders intensiv und positiv zu sein. Kehren wir hier zum Schreiben des Kuratoriumsvorsitzenden zurück, so verwundert es im November 1933 geradezu, dass noch satzungsgemäß gewählt wurde, wurde die Universitätsverfassung doch gerade auf das „Führerprinzip“ umgestellt. Die Wahl ist auch förmlich fragwürdig, da nur eine Frist zum Einspruch gestellt ist, für einen Antrag, der seine Begründung für „überflüssig“ erklärt und selbstverständlich von Zustimmung ausgeht. Waren alle Mitglieder des Instituts wahlberechtigt oder nur die Kuratoriumsmitglieder, wie es anklingt? Wurde ein Abstimmungsergebnis festgestellt? Was versprach sich Bruns damals eigentlich von der Ersetzung Erich Kaufmanns durch Schmitt? Erwartete er eine Intensivierung des rechtspolitischen Einflusses auf das „staatsrechtliche Gebiet“? Ging es um eine Loyalitätsgeste oder suchte er das Institut darüber hinaus auch durch den „Staatsrat“ abzusichern und vor Übergriffen zu schützen?

Der „Kronjurist“ am KWI. Eine strategische Wahl?

In den Archiven des MPI finden sich nur wenige Quellen zu Schmitts Beraterfunktion. Schmitt war im Herbst 1933 mit dezidiert „staatspolitischem“ Auftrag aus Köln an die Berliner Universität gewechselt und stand im Zenit seiner nationalsozialistischen Karriere. Er war von Hermann Göring zum Preußischen Staatsrat ernannt worden und kooperierte sein einigen Monaten eng mit dem „Reichskommissar“ und „Reichsrechtführer“ Hans Frank. Auf dem von Adolf Hitler höchstpersönlich eröffneten Deutschen Juristentag, eigentlich der 4. Reichstagung des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ), hatte er gerade am 3. Oktober eine programmatische Rede zum „Neubau des Staats- und Verwaltungsrechts“[5] gehalten, die „Führertum und Artgleichheit als Grundbegriffe des nationalsozialistischen Rechts“ exponierte und die Institution des neuen Staatsrats als „erste anschauliche und vorbildliche Gestalt“ zur „Errichtung eines Führerrats“ empfahl, auf den der Ehrgeiz des „Kronjuristen“ damals wohl aspirierte.[6]

Schmitt setzte auf einen durchgreifenden Umbau des „totalen Staates“ zum personalistisch integrierten, mehr oder weniger „charismatischen“ „Führerstaat“. Es entspricht seinen Überlegungen, wenn Bruns in seinem leicht verblümten Oktroy schreibt, dass durch dessen „Person die Arbeit des Instituts auf staatsrechtlichem Gebiet in den unmittelbaren Dienst praktischer Staatsaufgaben gestellt“ werde. Wenn Bruns mit spitzer Feder sorgfältig formulierte, klingt eine Unterscheidung zwischen dem wissenschaftlichen Institut und politischen Anwendern an, die als Personen selbstständig agieren und nur als „Berater“ angebunden sind. Was Schmitt für sein Honorar genauer tat, ist noch nicht erforscht und teils wohl auch nicht schriftlich fixiert. Seine institutionelle Einbindung blieb aber auch in den nächsten Jahren relativ schwach. Zwar hatte er Erich Kaufmann, mit dem er seit gemeinsamen Bonner Tagen herzlich verfeindet war, mit schärfster antisemitischer Denunziation aus der Universität vertrieben und dessen Rolle im KWI-Institut übernommen – er wurde auch Mitherausgeber der institutseigenen Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV) -, gehörte aber wohl niemals zum engsten und innersten Kreis der Berater und Mitarbeiter von Bruns. Zwar arbeitete er in den nächsten Jahren ab und an in der Institutsbibliothek, die im Stadtschloss, der Universität benachbart, prächtig residierte, und suchte dort wohl auch das gelegentliche Gespräch, insbesondere mit Heinrich Triepel, zu dessen Hegemonie Schmitt sich in einer eingehenden Besprechung kritisch positionierte;[7] das KWI wurde aber wohl niemals zur bevorzugten Bühne seiner nationalsozialistischen Gleichschaltungsaktivitäten.

So extensiv und intensiv die internationale Schmitt-Forschung auch ist, fehlen ihr gerade für die Zeit nach dem 30. Juni 1934 doch die Quellen zur genauen Beschreibung von Schmitts vielfältigem rechtspolitischen Wirken. Als einfacher Zugang muss hier deshalb die Selbstbeschreibung in Nürnberger Untersuchungshaft von 1947 genügen, auch wenn sie offenbar apologetisch geschönt ist.[8] Der Ankläger Robert Kempner wünschte eine schriftliche Stellungnahme zur Frage, ob Schmitt die „theoretische Untermauerung der Hitlerschen Grossraumpolitik gefördert“ habe. Schmitt verneinte dies ausführlich. Hierbei kam er auch auf seine Rolle am KWI und sein Verhältnis zu Viktor Bruns zu sprechen:

„Ich bin seit 1936 von Niemand, weder von einer Stelle noch von einer Person, weder amtlich noch privat um ein Gutachten[9] gebeten worden und habe auch kein solches Gutachten gemacht, weder für das Auswärtige Amt noch für eine Partei-Stelle noch für die Wehrmacht, die Wirtschaft oder die Industrie. Ich habe auch keinen Rat erteilt, der irgendwie auch nur entfernt mit Hitlers Eroberungs- oder Besatzungspolitik in Zusammenhang stände. […] Ich habe, wie viele andere Rechtslehrer, an mehreren Sitzungen des von Prof. Bruns geleiteten Ausschusses für Völkerrecht der Akademie für Deutsches Recht teilgenommen,[10] habe mich aber dort, auch in Diskussionen, ganz zurückgehalten und nicht den geringsten Einfluss gehabt und gesucht. […] Ich habe während des Krieges kein Amt und keine Stellung übernommen, weder als Kriegsgerichtsrat, noch als Kriegsverwaltungsrat im besetzten Gebiet, noch als Mitglied eines Prisenhofes oder irgend etwas Ähnliches. Es ist mir auch keine solche Stellung angeboten worden, noch habe ich mich darum bemüht. Ich bin nicht einmal Nachfolger von Prof. Bruns in der Leitung des Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft) geworden, als Prof. Bruns im September 1943 gestorben war. […] Ich habe kein Institut gehabt, bin niemals Rektor oder Dekan geworden.“

Bei den zahlreichen Fehlanzeigen, die er strategisch verzeichnet, verwundert die ihrerseits fast verwunderte Formulierung, er sei „nicht einmal“ Nachfolger von Bruns geworden. War das Amt so unbedeutend? Konnte Schmitt Ende 1943 noch Ansprüche machen, wenn er „seit 1936“ wirklich so ohnmächtig war, wie er glauben machen möchte?

Schmitt und sein Verhältnis zu Viktor Bruns und Carl Bilfinger

Im Mai 1941 äußerte Schmitt sich Rudolf Smend gegenüber über eine der Völkerrechts-Ausschusssitzungen; er nannte diesen „Auftrieb“ eine der „Erniedrigungen der reinen Wissenschaft“ und führte aus:

„Zu sehen, wie Professoren sich hochgeehrt fühlen, wenn sie jüngeren Referenten oder auch alten aus dem Ministerium lauschen dürfen, ist sehr traurig. Wenn dann noch eine von Bruns geleitete ‚Diskussion‘ eintritt, in der Herr Thoma, Herr Bilfinger und ein ebenso alter Herr von Düngern [sic!] bahnbrechende Konstruktionen – unter Dankesbezeugungen, daß ihnen eine so auszeichnende Erlaubnis zuteil wurde – an die Adresse seiner hohen Behörden vortragen, dann sehnt man sich nach der Mansarde.“[11]

Dass Schmitt sich 1941 so despektierlich über Richard Thoma, Bruns und Bilfinger äußerte, ist einigermaßen überraschend. Schmitt bezieht sich auf eine Sitzung vom 2. Mai 1941 zum Tagungspunkt „Landkriegsordnung“. Conrad Roediger trug über das „kodifizierte Landrecht im gegenwärtigen Krieg“ vor. Richard Thoma sprach dazu in einem längeren Statement über die Geltung des Völkerrechts im Generalgouvernement, also im Machtbereich Hans Franks. Thoma fragte danach, wie man „eine Übereinstimmung des Vorgehens der deutschen Regierung in diesem völlig überwundenen Gebiet mit dem Völkerrecht durchführen kann“.[12] Er meinte, es ließe ich nicht mit der occupatio bellica argumentieren, sondern nur mit der offenen Erklärung, dass die „Besetzung mit der intentio der völligen Zerstörung des besiegten Feindes“ erfolgt. Thoma mahnte also das Völkerrecht und eine offene Erklärung des nationalsozialistischen Extremismus an. Otto von Dungern widersprach umgehend im nationalsozialistischen Sinn, Bruns beendete als Vorsitzender dann sofort die Diskussion. Eine Stellungnahme Schmitts, des Autors der „Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff“, ist nicht verzeichnet. Sein Brief an Smend setzt Thoma also herab, indem er ihn mit von Dungern assoziiert, obgleich, oder eben weil, Thoma die konträre Position vertrat und an das Völkerrecht im Generalgouvernement erinnerte. Schmitts Polemik lässt zweifeln, dass er einen „klassischen“ Kriegsbegriff vertrat. Er tabuisierte die offene Rede über die Kriegsverbrechen in Franks Generalgouvernement. Dass er Smend gegenüber brieflich gegen Thoma polemisierte, verwundert bei seiner politischen Differenz zu Smend nicht. Eher überraschen die negativen Bemerkungen zu Bilfinger und Bruns.

Zuvor hatte er mit allen Dreien vergleichsweise freundliche Beziehungen gepflegt. Bilfinger muss sogar als einer seiner engsten Weggefährten und Mitstreiter bezeichnet werden, politisch deutlich näherstehend als Smend, der, ebenso wie Triepel, schon 1930 zur Apologie des Präsidialsystems auf Abstand gegangen war und mit dem Schmitt seitdem in alter Verbundenheit mehr diplomatische Beziehungen unterhielt. Mit Bilfinger pflegte Schmitt seit 1924 freundschaftliche und auch familiäre Beziehungen. Schon vor ihrer engen Zusammenarbeit als Prozessvertreter in der Rechtssache Preußen contra Reich vor dem Leipziger Staatsgerichtshof übernachteten beide in Halle und Berlin häufig wechselseitig im Hause. Da Bilfinger mit Bruns verwandt und befreundet war, erstreckte sich der Umgang vor 1933 auch auf Bruns. Man begegnete sich bei diversen Gelegenheiten und unternahm auch kleinere Touren zusammen in Bruns Horch-Limousine in die Umgebung. Auch wenn nur wenige Briefe von Bruns im Nachlass Schmitts erhalten sind, belegen die erhaltenen Tagebücher doch eindeutig, dass beide sich näher kannten. Bruns war kein NSDAP-Mitglied und dachte politisch wohl deutlich gemäßigter als sein Vetter Bilfinger. Schmitts Tagebuch verzeichnet gerade für die Jahre 1933/34 zahlreiche Begegnungen und positive Erwähnungen in fachlichen Zusammenhängen, an die sich private Geselligkeit anschloss. So hörte Bruns am 24. Januar 1934 Schmitts Vortrag über „Heerwesen und staatliche Gesamtstruktur“, die Exposition der verfassungsgeschichtlichen Programmschrift „Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches“; Schmitt hörte am 4. Juli 1934 im Gegenzug Bruns‘ Vortrag über „Völkerrecht und Politik“.[13]

Mit Bilfinger stand Schmitt nach 1933 weiter in enger Beziehung. Dieser optierte nicht weniger entschlossen als Schmitt für den Nationalsozialismus. Auch wenn sich ab etwa 1934 eine gewisse Ermüdung in der Beziehung beobachten oder vermuten lässt, blieb sie doch nach 1933 – und auch nach 1945 noch – relativ eng und freundschaftlich. So übernahm Bilfinger Schmitts alten Bonner Schüler Karl Lohmann als Mitarbeiter und ermöglichte ihm in Heidelberg die Habilitation. Für die Entwicklung der Beziehung zu Bruns nach 1934 fehlen aussagekräftige Quellen. Zwar ist nicht von engen freundschaftlichen Kontakten auszugehen, doch gibt es keine Anzeichen für ein Zerwürfnis. So verwundern die negativen Äußerungen von 1941 wie 1947; Loyalität war aber gewiss nicht Schmitts Stärke.

Das KWI aus Schmitts Sicht

In seiner Stellungnahme gegenüber Kempner 1947 geht Schmitt auch auf die Arbeit des KWI im Dritten Reich, insbesondere auf die ZaöRV ein, deren Mitherausgeber er war. In seinen weiteren Ausführungen ging er seine Zeitschriftenbeiträge einzeln durch und betonte jeweils die „wissenschaftliche“ Zielführung und Selbständigkeit seiner Äußerungen. Zum KWI meinte er hier:

„Die bedeutendste rechtswissenschaftliche Zeitschrift, die in diesen Jahren (1939-1945) völkerrechtliche Fragen vom deutschen Standpunkt aus behandelte, war die ‚Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht‘, herausgegeben von Prof. Viktor Bruns, dem Direktor des ‚Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht‘ der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Bruns, der auch den Völkerrechts-Ausschuss der Akademie für Deutsches Recht leitete, war ein Völkerrechtler von internationalem Ansehen und grosser persönlicher Vornehmheit. Als er im Herbst 1943 starb, hat ihm das ‚American Journal of International Law‘ einen respektvollen Nachruf gewidmet. Einer der Mitherausgeber der Zeitschrift war Graf Stauffenberg, ein Bruder, Mitarbeiter und Schicksalsgenosse des Grafen Stauffenberg, der das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 unternommen hat. Mein Name stand neben dem Namen von Heinrich Triepel auf der Zeitschrift als „unter Mitwirkung von“ Triepel und mir herausgegeben. Ich habe jedoch seit 1936 keinen Einfluss mehr auf die Zeitschrift genommen und auch keinen Aufsatz mehr veröffentlicht. Die Zeitschrift hat im übrigen wertvolle Aufsätze gebracht und gutes Material veröffentlicht, das sie von amtlichen deutschen Stellen erhielt. Wie sich ihre Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt und anderen Behörden abspielte, weiss ich nicht. Ich habe mich nicht darum gekümmert und Prof. Bruns hätte mich in dieses, von ihm streng gehütete Arcanum seiner Zeitschrift wohl auch keinen Einblick tun lassen.“[14]

Die Ausführungen sind voller Ambivalenzen. Einerseits lobt Schmitt und andererseits setzt er doch leise herab. So zitiert er den Stauffenberg-Mythos herbei und betont andererseits doch die „advokatorische“ Rolle des Instituts. In der Zeitschrift des Instituts publizierte er damals immerhin eine Selbstanzeige[15] seiner Besprechungsabhandlung „Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff“. Dass er keinen großen Aufsatz veröffentlichte, sondern andere NS-Organe präferierte, widerspricht eigentlich dem Zweck seiner Ausführungen. In seiner Stellungnahme von 1947 nennt Schmitt diverse Akteure, Wirkungskreise und Konkurrenzen.

[pdf-embedder url=”https://mpil100.de/wp-content/uploads/2024/03/Picture1.pdf”]Das Titelblatt der ZaöRV-Ausgaben Bd. III (1933) bis V (1934). Carl Schmitt erscheint als Mitherausgeber, Rudolf Smend und Erich Kaufmann wurden entfernt.

Wo Schmitt genau in den diversen Fragen zwischen Göring, Frank und Joseph Goebbels, Otto Koellreutter, Reinhard Höhn und Werner Best, Triepel, Bruns und Bilfinger stand, ist bei dem wendigen und enigmatischen Autoren schwer zu sagen. Gerade im Völkerrecht suchte er als Anwalt der „legalen Revolution“ und „Bewegung“ institutionelle Alternativen zum Staat des 19. Jahrhunderts. Schon in der Auseinandersetzung mit Triepel kritisierte er die „dualistische Theorie“ strikter Unterscheidung von Völkerrecht und Landesrecht mit ihrer völkerrechtlichen Orientierung am Staatsbegriff. „Völkerrechtliche Großraumordnung“ propagierte dann den „Reichsbegriff“ als Grundbegriff eines hegemonialistischen Völkerrechtsdenkens, das Macht und Recht eng miteinander verknüpfte und Macht ins Recht setzte, wenn und sobald sie als „konkretes Ordnungsdenken“ politische Souveränität und Ordnung formierte.

Schmitts Suche nach institutionellen Alternativen zum „bürgerlichen Rechtsstaat“ und einer neuen Verfassung – nach dem Oxymoron eines nationalsozialistischen „Normalzustands“ – implizierte auch Alternativen zum überlieferten Wissenschaftssystem und Juristentypus.[16] Schmitt bejahte Franks Gründung einer Akademie für Deutsches Recht als eine solche institutionelle Alternative. Auch als Autor und Herausgeber suchte er neue publizistische Formen akademischer Auseinandersetzung. So begründete er die Reihe Der deutsche Staat der Gegenwart, in der programmatische Kampfschriften zur Gleichschaltung und Neuausrichtung der Rechtswissenschaft erschienen. Zweifellos betrachtete er das KWI und dessen Zeitschrift nicht als Musterfall und Inbegriff einer nationalsozialistischen Institution. Ob er deren Form und Wirksamkeit strategisch mit Blick auf die internationale Außenwirkung schätzte, ist schwer zu sagen. Als ein Nachfolger von Bruns hätte er manches gewiss verändert. In sein Tagebuch notierte er am 25. Oktober 1943 Ärger über Bilfingers Ernennung zum Direktor des Instituts: „Bilfinger soll Nachfolger von Bruns werden. Schadenfroh darüber, welch lächerliche Vetternwirtschaft, Schieberei über den Tod hinaus.“[17] Als Bilfinger 1949 dann überraschend erneut Direktor des Instituts wurde,[18] brach er den über 25 Jahre doch recht intensiven Kontakt brüsk ab. Hatte er 1943, nach dem Tod von Bruns, wirklich erwartet, Institutsdirektor zu werden? Eine realistische Aussicht war das wohl nicht. Wie Professoren aber so sind, wollte er damals vielleicht wenigstens gefragt werden. Eigentlich passte das Amt, wie er wohl wusste, aber nicht zu seiner Person und Rolle. Er gehörte eher zu den nationalsozialistischen Scharfmachern und verstand sich weniger auf überzeugende Diplomatie. Auch deshalb war er bald isoliert.

***

Andere Fassung des Blog-Beitrags in: Reinhard Mehring, “Dass die Luft die Erde frisst…” Neue Studien zu Carl Schmitt, Baden-Baden 2024, S. 91-107.

Zudem sei verwiesen auf die im Frühjahr erscheinende Edition zum Briefwechsel zwischen Carl Schmitt und Carl Bilfinger: Philipp Glahé / Reinhard Mehring / Rolf Rieß (Hrsg.), Der Staats- und Völkerrechtler Carl Bilfinger (1879-1958). Dokumentation seiner politischen Biographie. Korrespondenz mit Carl Schmitt, Texte und Kontroversen, Baden-Baden 2024.

[1] Vor allem: Carl Schmitt, Das Reichsstatthaltergesetz, Berlin: Carl Heymanns Verlag 1934.

[2] Wolfgang Schuller (Hrsg.), Carl Schmitt Tagebücher 1930 bis 1934, Berlin: Akademie Verlag 2010, 303.

[3] Viktor Bruns, Deutschlands Gleichberechtigung als Rechtsproblem, Berlin: Carl Heymanns Verlag 1933.

[4] Carl Schmitt, Nationalsozialismus und Völkerrecht, in: Günter Maschke (Hrsg.), Carl Schmitt Frieden oder Pazifismus? Arbeiten zum Völkerrecht und zur internationalen Politik 1924-1978, Berlin: Duncker & Humblot 2005, 391-423, 393.

[5] Carl Schmitt, Der Neubau des Staats- und Verwaltungsrechts, in: Carl Schmitt, Gesammelte Schriften 1933-1936, Berlin: Duncker & Humblot 2021, 57-69.

[6] Carl Schmitt, Staat, Bewegung, Volk. Die Dreigliederung der politischen Einheit, in: Schmitt (Fn. 6), 76- 115, 105-106.

[7] Dazu: Carl Schmitt, Führung und Hegemonie, in: Günter Maschke (Hrsg.): Carl Schmitt Staat, Großraum, Nomos. Arbeiten aus den Jahren 1916-1969, Berlin: Duncker & Humblot 1995, 225-231.

[8] Carl Schmitt, Stellungnahme I: Untermauerung der Hitlerschen Großraumpolitik; Stellungnahme II: Teilnehmer des Delikts „Angriffskrieg“? in: Helmut Quaritsch (Hrsg.), Carl Schmitt Antworten in Nürnberg, Berlin: Duncker & Humblot 2000, 68-90.

[9] 1936 war Schmitt gescheitert mit: Carl Schmitt, Stellungnahme der Wissenschaftlichen Abteilung des National-Sozialistischen Rechtswahrerbundes zu dem von der amtlichen Strafprozesskommission des Reichsjustizministeriums aufgestellten Entwurf einer Strafverfahrensordnung, in: Schmitt (Fn. 6), 431-481.

[10] So hielt er am 30. März 1935 ein Referat über das „Problem der gegenseitigen Hilfeleistung der Staaten“ in der 3. Vollsitzung des Ausschusses für Völkerrecht. Am 6. Mai 1938 stellte er in der 2. Sitzung der Völkerrechtlichen Gruppe seinen Bericht über „Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff“ vor. Die Protokolle der Akademie verzeichnen noch die Teilnahme und einen Redebeitrag zu Vorträgen von Arnold Toynbee (28. Februar 1936 und Sommer 1937).

[11] Reinhard Mehring (Hrsg.), „Auf der gefahrenvollen Straße des öffentlichen Rechts“ Briefwechsel Carl Schmitt ­ – Rudolf Smend 1921-1961, 2. überarb. Aufl., Berlin: Duncker & Humblot 2012, 103f.

[12] Werner Schubert (Hrsg.), Akademie für Deutsches Recht. Ausschüsse für Völkerrecht und für Nationalitätenrecht (1934-1943), Frankfurt: Peter Lang Verlag 2002, 164.

[13] Schmitt (Fn. 5), 392; dazu: Schuller (Fn.3), 349; vgl. dazu: Viktor Bruns, Völkerrecht und Politik, Berlin: Junker und Dünnhaupt 1934.

[14] Schmitt (Fn. 9), 73f.

[15] Carl Schmitt, Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff (Selbstanzeige), ZaöRV 8 (1938), 588-590.

[16] Dazu etwa: Carl Schmitt, Bericht über die Fachgruppe Hochschullehrer im BNSDJ, in: Schmitt (Fn. 6), 116-118; Carl Schmitt, Aufgabe und Notwendigkeit des deutschen Rechtsstandes, in: Schmitt (Fn. 6), 350-361; Carl Schmitt, Geleitwort: Der Weg des deutschen Juristen, in: Schmitt (Fn. 6), 165-173.

[17] Diese Information danke ich Dr. Gerd Giesler.

[18] Dazu eingehend: Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg. Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg, ZaöRV 74 (2014), 697-731.

Suggested Citation:

Reinhard Mehring, Polykratie der Völkerrechtler. Carl Schmitt, Viktor Bruns und das KWI für Völkerrecht, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240327-103002-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

English

Carl Schmitt, Viktor Bruns and the KWI for International Law

On 2 November 1933, the Chairman of the Board of Trustees wrote “to the members of the Institute for Comparative Public Law and International Law”:

“The Director of the Institute for Comparative Public Law and International Law, Privy Councillor of Justice Professor Dr Bruns, has requested that the State Councillor Professor Dr Carl Schmitt, who has been appointed ordinary professor at the Faculty of Law of the University of Berlin, be elected scientific advisor to the Institute. The Director of the Institute has added the following in support of his application:

‘The position that Professor Dr Carl Schmitt occupies in the science of his subject makes a justification of this motion superfluous. I would merely like to point out the great importance for the work of the institute corresponding to the appointment of this scholar, who is involved to an outstanding degree in the preparation of new laws[1] . It is to be expected that through his person, the work of the institute in the field of constitutional law will be placed in the direct service of practical government responsibilities. This corresponds to the goals and tasks which the institute has set itself since its founding and which it has since been called upon to realise especially in the field of international law.’

I put this motion to the vote in accordance with § 5 of the Institute’s Statutes.

If I am not honoured with a reply by the 15th of this month, I assume that the members of the Board of Trustees are in agreement with the proposal.”

Carl Schmitt had declared his acceptance of the call to Berlin on 8 September and had a “very friendly”[2] meeting with Viktor Bruns in a hotel room a few days later, on 18 September. Perhaps they discussed his employment as an “advisor” at the Institute on that occasion. On 5 November, i.e. a few days after the letter from the Chairman of the Board of Trustees, Schmitt notes a meeting with Bruns and Richard Bilfinger “at the Fürstenhof ” after a “meeting of the Academy for German Law [Akademie für Deutsches Recht]”. At that meeting, Bruns gave a lecture on “Germany’s equality as a legal problem.[3] In his treatise on international law “Nationalsozialismus und Völkerrecht” (“National Socialism and International Law”), Schmitt wrote about the lecture: “Our claim to equal rights has only recently been set out by Viktor Bruns in an almost classical manner towards his various legal functions.”[4] Only very rarely did he cite publications by Bruns. The positive mention of balanced legal analysis is also somewhat poisoned; in other contexts, Schmitt might have spoken more disparagingly of liberal, diplomatically restrained positivism. In any case, at the end of 1933, when Schmitt is just arriving in Berlin in his new role as “crown jurist”, his contact with Bruns seems particularly intense and positive. If we return here to the letter from the Chairman of the Board of Trustees, it is almost surprising that in November 1933 elections were still held in accordance with the statutes, since the university constitution had just been changed to fit the “Führer principle”. The election is also questionable from a formal point of view, since objections are only accepted up to a deadline, for a motion that declares its justification “superfluous” and naturally assumes approval. Were all members of the Institute eligible to vote or only the trustees, as is implied? Was a vote taken? What were Bruns intentions behind replacing Erich Kaufmann with Schmitt? Did he expect an intensification of legal-political influence in the “constitutional law field”? Was it a gesture of loyalty or did he also seek to secure the institute through the “Councillor of State” and protect it from encroachment?

The “crown lawyer” at KWI. A strategic choice?

Only few sources on Schmitt’s advisory function can be found in the MPI archives. Schmitt had transitioned from Cologne to Berlin University in autumn 1933 with a decidedly “state-political (staatspolitisch)” mandate and was at the zenith of his Nazi career. He had been appointed Prussian State Councillor by Hermann Göring and had been cooperating closely with the “Reich Commissar (Reichskommissar)” and “Reich Law Leader (Reichsrechtsführer)” Hans Frank for several months. At the German Lawyers’ Congress (Deutscher Juristentag), actually the 4th Conference of the Federation of National Socialist German Lawyers (Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen, BNSDJ), which was opened by Adolf Hitler himself, he had just, on 3 October, given a programmatic speech on the “Reconstruction of Constitutional- and Administrative Law[5], which emphasised  “Führertum and ethnic identity [Artgleichheit] as fundamental concepts of National Socialist law” and recommended the institution of the new State Council as the “first illustrative and exemplary figure” for the “establishment of a Führer Council”, to which the ambition of the “crown jurist” probably aspired at the time. [6]

Schmitt relied on a thorough transformation of the “total state” into a personalistically integrated, more or less “charismatic” “Führer state”. It is in line with this thinking when Bruns writes in his slightly oblique octroy that through his “person, the work of the institute in the field of constitutional law will be placed in the direct service of practical government responsibilities”. In Bruns’ careful wording, a distinction between the scientific institute and political practitioners, who act independently and are only employed as “advisors” is alluded to. What Schmitt actually did for his pay has not yet been researched and is in part probably not even fixated in writing. However, his institutional involvement remained relatively weak in the following years. Although he had driven Erich Kaufmann, with whom he had been cordial enemies since their days together in Bonn, out of the university by intense anti-Semitic denunciation and had taken over his role at the KWI and he also became co-editor of the institute’s Journal Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV; today: Heidelberg Journal of International Law, HJIL), he most-likely never belonged to Bruns’ closest and innermost circle of advisors and contributors. During the next few years, he occasionally worked in the institute’s library, which was splendidly housed in the city palace next to the university, and probably also sought occasional discussions there, especially with Heinrich Triepel, on whose concept of hegemony Schmitt took a critical position in an in-depth review;[7] however, the KWI probably never became the preferred stage for his National Socialist Gleichschaltung activities.

As extensive and intensive as international research on Schmitt is, it lacks sources for a precise description of Schmitt’s multifaceted legal-political work, especially for the period after 30 June 1934. The self-description during his pretrial detention in Nuremberg in 1947 must therefore suffice as a basic access point here, even if it is obviously apologetically embellished.[8] Prosecutor Robert Kempner wanted a written statement on the question of whether Schmitt had “promoted the theoretical underpinning of Hitler’s Großraum policy”. Schmitt denied this at length. On that occasion he also mentioned his role at the KWI and his relationship with Viktor Bruns:

“Since 1936, I have not been asked by anyone, neither by an office nor by a person, neither officially nor privately, for an expert opinion[9] and I have not given such an opinion, neither for the Foreign Office nor for a party [NSDAP] office nor for the Wehrmacht, the economy or the industrial sector. Nor have I given any advice that was in any way even remotely connected with Hitler’s policy of conquest or occupation. […] Like many other law professors, I took part in several meetings of the Committee for International Law of the Academy for German Law, which was chaired by Prof. Bruns,[10] but I kept completely to myself there, even in discussions, and did not have or seek the slightest influence. […] I did not take on any office or position during the war, neither as a court martial councillor, nor as a war administrative councillor in occupied territory, nor as a member of an admiralty court or anything similar. Neither was I offered any such position, nor did I seek it. I did not even succeed Prof. Bruns as director of the Institute for Comparative Public Law and International Law (Kaiser Wilhelm Society) when Prof. Bruns died in September 1943. […] I did not have an institute, never became rector or dean.”

In view of the numerous misrepresentations he makes strategically, the almost astonished formulation that he “did not even” succeed Bruns is astonishing. Was the office so insignificant? Could Schmitt still make claims at the end of 1943 if he had really been as powerless “since 1936” as he would have us believe?

Schmitt and his relationship to Viktor Bruns and Carl Bilfinger

In May 1941, Schmitt commented to Rudolf Smend about one of the meetings of the International Law Committee; he called this “rout” one of the “humiliations of pure science” and elaborated:

“To see how professors feel highly honoured when they are allowed to listen to younger speakers or even old ones from the ministry is very sad. When then a ‘discussion’ led by Bruns occurs, in which Mr Thoma, Mr Bilfinger Mr von Düngern [sic!], who is just as old, present pioneering concepts – with expressions of gratitude that they have been granted such distinguishing permission – to the address of his high authorities, one longs for the garret.” [11]

That Schmitt made such disparaging remarks about Richard Thoma, Bruns and Bilfinger in 1941 is somewhat surprising. Schmitt refers to a meeting on 2 May 1941 on the agenda item “Land War Convention [Landkriegsordnung]”. Conrad Roediger spoke about the “codified law of the land [Landrecht] in the present war”. Richard Thoma spoke in a longer statement about the “validity of international law in the General Government”, i.e. in Hans Frank’s sphere of power. Thoma asked how one could “achieve a conformity of the German government’s actions in this completely overcome area with international law”.[12] He argued that occupatio bellica could not be used as legal grounds, but instead an open declaration that the “occupation is carried out with the intentio of the complete destruction of the defeated enemy”. Thoma thus dunned international law and an open declaration of National Socialist extremism. Otto von Dungern immediately objected in National Socialist spirit, Bruns as chairman then promptly ended the discussion. A statement by Schmitt, who authored „Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff“ (“The Turn to the Discriminating Concept of War”), is not recorded. His letter to Smend thus belittles Thoma by associating him with von Dungern, although, or precisely because, Thoma took the contrary position and called to mind international law in the General Government. Schmitt’s polemics make one doubt that he represented a “classical” concept of war. He considered open mentioning of the war crimes in Frank’s General Government taboo. The fact that he polemicized against Thoma in letters to Smend is not surprising given his political differences with Smend. More surprising are the negative remarks about Bilfinger and Bruns.

Previously, he had maintained comparatively friendly relations with all three. Bilfinger must even be described as one of his closest companions; clearly closer to Schmitt in political terms than Smend, who, like Triepel, had already distanced himself from the apologia of the presidential system in 1930 and with whom Schmitt had since maintained rather diplomatic relations based on old ties. Schmitt had however maintained friendly and also familiar relations with Bilfinger since 1924. Even before their close collaboration as councils in the Prussia versus Reich case before the Leipzig State Court, the two frequently stayed overnight in each other’s homes in Halle and Berlin. Since Bilfinger was a relative and friend of Bruns, their interactions before 1933 also extended to Bruns. They met on various occasions and also went on short trips together in Bruns’ Horch limousine to the surrounding area. Even though only a few letters from Bruns have been preserved in Schmitt’s estate, the surviving diaries clearly prove that the two knew each other quite well. Bruns was not a member of the NSDAP and was probably much more politically moderate than his cousin Bilfinger. Schmitt’s diary records numerous meetings and positive mentions in professional contexts, followed by private socialising, especially for the years 1933/34. On 24 January 1934, for example, Bruns heard Schmitt’s lecture on the “army and the overall structure of the state”, the exposition of the constitutional-historical treatise “Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches” (“State-composition and collapse of the Second Reich [German Empire]”); in return, Schmitt heard Bruns’ lecture on “international law and politics” on 4 July 1934.[13]

Schmitt remained in close contact with Bilfinger after 1933. The latter opted for National Socialism no less resolutely than Schmitt. Even if a certain cooling of the relationship can be observed or assumed from around 1934, it remained relatively close and friendly after 1933 – and even after 1945. Bilfinger took on Schmitt’s former student from Bonn Karl Lohmann as an employee and enabled him to complete his habilitation treatise in Heidelberg. There are no meaningful sources for the development of his relationship with Bruns after 1934. Although close friendly contacts cannot be assumed, there are no signs of a rift. The negative statements of 1941 and 1947 are therefore surprising; loyalty was however certainly not Schmitt’s strong suit.

The KWI from Schmitt’s point of view

In his statement to Kempner in 1947, Schmitt also addresses the work of the KWI in the Third Reich, in particular the ZaöRV, of which he was co-editor. In his further remarks, he went through his journal contributions one by one, emphasising in each case the “scientific” aim and independence of his statements. Regarding the KWI, he said here:

“The most important jurisprudential journal that dealt with questions of international law from the German point of view during these years (1939-1945) was the ‘Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht’, edited by Prof. Viktor Bruns, the director of the ‘Institute for Comparative Public Law and International Law’ of the Kaiser Wilhelm Society. Bruns, who also headed the International Law Committee of the Academy of German Law, was an international law scholar of international renown and great personal distinction. When he died in autumn 1943, the ‘American Journal of International Law’ dedicated a respectful obituary to him. One of the co-editors of the journal was Graf Stauffenberg, a brother, associate and companion in fate of the Graf Stauffenberg, who made the assassination attempt on Hitler on 20 July 1944. My name was next to Heinrich Triepel’s on the journal as “published with the cooperation of” Triepel and myself. However, I have had no influence on the journal since 1936 and have not published any essays. Incidentally, the journal produced valuable essays and published good material that it received from official German agencies. How its cooperation with the Foreign Office and other authorities played out, I do not know. I did not bother and Prof. Bruns would probably not have let me gain insightinto this arcanum of his journal, which he guarded closely. [14]

The remarks are full of ambivalences. On the one hand, Schmitt praises and yet on the other hand he quietly disparages. Thus, he cites the Stauffenberg mythos and yet on the other hand emphasises the “advocatory” role of the Institute. It remains that he did publish a self-disclosure[15] of his review essay “Die Wendung zum discriminierenden Kriegsbegriff” (“The Turn to the Discriminating Concept of War”), in the institute’s journal at the time. The fact that he did not publish a major essay, but preferred other Nazi organs, actually contradicts the purpose of his remarks. In his 1947 statement, Schmitt names various actors, spheres of activity and competitors.

[pdf-embedder url=”https://mpil100.de/wp-content/uploads/2024/03/Picture1.pdf”]The title page of the ZaöRV editions Vol. III (1933) to V (1934). Carl Schmitt appears as co-editor, Rudolf Smend and Erich Kaufmann have been removed.

Where exactly Schmitt stood between Göring, Frank and Joseph Goebbels, Otto Koellreutter, Reinhard Höhn and Werner Best, Triepel, Bruns and Bilfinger on various issues is difficult to say with the agile and enigmatic author. Particularly in international law, he sought institutional alternatives to the state of the 19th century as an advocate of the “legal revolution” and “movement”. In debate with Triepel, he had already criticised the “dualistic theory” of strict distinction between international law and national law with its orientation on the concept of the state stemming from international law. His work “Völkerrechtliche Großraumordnung” (“The Großraum Order of International Law”) then propagated the “concept of empire” as the central concept of hegemonialist thinking on international law, which closely linked power and law and equated power to law if and when it formed political sovereignty and order as “konkretes Ordnungsdenken” (roughly: theory of factual order).

Schmitt’s search for institutional alternatives to the “civic constitutional state” and a new constitution – after the oxymoron of a National Socialist “Normalzustand” (“normal state”, as opposed to the state of exception) – also implied alternatives to the traditional academic system and type of jurist.[16] Schmitt affirmed Frank’s founding of an Academy for German Law as such an institutional alternative. As an author and editor, he also sought new journalistic forms of academic debate. Thus, he founded the series “Der deutsche Staat der Gegenwart (“The German State of the Present”), in which programmatic pamphlets on the Gleichschaltung and reorientation of jurisprudence were published. There is no doubt that he did not regard the KWI and its journal as a model and epitome of a National Socialist institution. It is difficult to say whether he appreciated its form and effectiveness from a strategic point of view due to its international impact. As a successor to Bruns, he would have certainly made some changes. On 25 October 1943, he noted his annoyance at Bilfinger’s appointment as director of the institute in his diary: “Bilfinger is to be Bruns’ successor. Gloating about it, what ridiculous nepotism, racketeering even beyond death.”[17] When Bilfinger surprisingly became director of the Institute again in 1949,[18] he brusquely broke off the contact, which had been quite intensive for 25 years. Did he really expect to become director of the Institute in 1943, after Bruns’ death? That was probably not a realistic prospect. But perhaps, in typical professorial fashion, he at least wanted to be asked. Yet, as he well knew, the office did not fit his person and role. He was more of a National Socialist agitator and less adept at convincing diplomacy. This was one of the reasons he was soon isolated.

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Above all: Carl Schmitt, Das Reichsstatthaltergesetz, Berlin: Carl Heymanns Verlag 1934.

[2] Wolfgang Schuller (ed.), Carl Schmitt Tagebücher 1930 bis 1934, Berlin: Akademie Verlag 2010, 303.

[3] Viktor Bruns, Deutschlands Gleichberechtigung als Rechtsproblem, Berlin: Carl Heymanns Verlag 1933.

[4] Carl Schmitt, Nationalsozialismus und Völkerrecht, in: Günter Maschke (ed.), Carl Schmitt Frieden oder Pazifismus? Arbeiten zum Völkerrecht und zur internationalen Politik 1924-1978, Berlin: Duncker & Humblot 2005, 391-423, 393.

[5] Carl Schmitt, Der Neubau des Staats- und Verwaltungsrechts, in: Carl Schmitt, Gesammelte Schriften 1933-1936, Berlin: Duncker & Humblot 2021, 57-69.

[6] Carl Schmitt, Staat, Bewegung, Volk. Die Dreigliederung der politischen Einheit, in: Schmitt (fn. 6), 76- 115, 105-106.

[7] On this: Carl Schmitt, Führung und Hegemonie, in: Günter Maschke (ed.): Carl Schmitt Staat, Großraum, Nomos. Arbeiten aus den Jahren 1916-1969, Berlin: Duncker & Humblot 1995, 225-231.

[8] Carl Schmitt, Stellungnahme I: Untermauerung der Hitlerschen Großraumpolitik; Stellungnahme II: Teilnehmer des Delikts „Angriffskrieg“? in: Helmut Quaritsch (ed.), Carl Schmitt Antworten in Nürnberg, Berlin: Duncker & Humblot 2000, 68-90.

[9] In 1936, Schmitt had failed with: Carl Schmitt, Stellungnahme der Wissenschaftlichen Abteilung des National-Sozialistischen Rechtswahrerbundes zu dem von der amtlichen Strafprozesskommission des Reichsjustizministeriums aufgestellten Entwurf einer Strafverfahrensordnung (Statement of the Scientific Department of the National Socialist Federation of Lawkeepers [National-Sozialistischer Rechtswahrerbund] on the Draft of a Law of Criminal Proceedings as Presented by the Official Commission on Criminal Proceedings of the Reich Ministry of Justice), in: Schmitt (Fn. 6), 431-481.

[10] Thus, on 30 March 1935, he gave a presentation on the “Problem of Mutual Assistance Between States” at the 3rd plenary session of the Committee on International Law. On 6 May 1938, he presented his report on “The Turn to the Discriminating Concept of War” at the 2nd session of the International Law Group. The Academy minutes also record the participation in and a verbal contribution to presentations by Arnold Toynbee (28 February 1936 and summer 1937).

[11] Reinhard Mehring (ed.), “Auf der Gefahrenvollen Straße des öffentlichen Rechts” Briefwechsel Carl Schmitt – Rudolf Smend 1921-1961, 2nd revised edition, Berlin: Duncker & Humblot 2012, 103f.

[12] Werner Schubert (ed.), Academy for German Law. Committees for International Law and for Nationality Law (1934-1943), Frankfurt: Peter Lang Verlag 2002, 164.

[13] Schmitt (fn. 5), 392; see on this Schuller (fn. 3), 349; cf: Viktor Bruns, Völkerrecht und Politik, Berlin: Junker und Dünnhaupt 1934.

[14] Schmitt (fn. 9), 73f.

[15] Carl Schmitt, Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff (Selbstanzeige), HJIL 8 (1938), 588-590.

[16] On this, for example: Carl Schmitt, Bericht über die Fachgruppe Hochschullehrer im BNSDJ, in: Schmitt (fn. 6), 116-118; Carl Schmitt, Aufgabe und Notwendigkeit des deutschen Rechtsstandes, in: Schmitt (fn. 6), 350-361; Carl Schmitt, Geleitwort: Der Weg des deutschen Juristen, in: Schmitt (fn. 6), 165-173.

[17] I would like to thank Dr Gerd Giesler for this information.

[18] In detail: Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg. Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg, HJIL 74 (2014), 697-731.

Suggested Citation:

Reinhard Mehring, Polycratic International Law Scholarship. Carl Schmitt, Viktor Bruns and the KWI for International Law, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240327-103053-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

Die Weimarer Jahre des Instituts und die Lücke zwischen ausländischem öffentlichem Recht und Völkerrecht

The Institute’s Weimar Years and the Gap between Comparative Public Law and International Law

Deutsch

„Unsere Strassen stürmen die Autos […]. Im Luftraum gleiten Flugzeuge […]; sie missachten die Landesgrenzen und verringern den Abstand von Volk zu Volk. […] Die Gleichzeitigkeit der Ereignisse erweitert maßlos unsern Begriff von „Zeit und Raum“, sie bereichert unser Leben. […] Wir werden Weltbürger. […] Gewerkschaft, Genossenschaft, A. G., G. m. b. H., Kartell, Trust und Völkerbund sind die Ausdrucksformen heutiger gesellschaftlicher Ballungen […]. Kooperation beherrscht alle Welt. […] Jedes Zeitalter verlangt seine eigene Form. […] Internationalität ist ein Vorzug unsrer Epoche.“[1]

Dieses Zitat stammt nicht aus der Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV), sondern aus dem 1926 veröffentlichten Aufsatz „Die Neue Welt“ des Architekten und Urbanisten Hannes Meyer. Meyer war von 1926 bis 1930 am Bauhaus tätig, zuletzt als Direktor. 2023/24 erleben wir nicht nur 100 Jahre Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, sondern auch 100 Jahre Bauhausausstellung Weimar. Im Bauhaus war die Ausrichtung zwischen Wissenschaft und Praxis ein Grundsatzkonflikt. Das 1924 gegründete Kaiser‑Wilhelm‑Institut (KWI) für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht sollte sich mit den Rechtsfragen seines Zuständigkeitsbereichs aus einer praxisorientierten und dogmatischen Perspektive zu befassen. Diese Ausrichtung ist entscheidend für das Verständnis der Weimarer Jahre des Instituts unter dem Direktorat Viktor Bruns’. Zum einen sollte damit das Völkerrecht als Rechtssystem gefördert und der Standard der Völkerrechtswissenschaft in Deutschland gehoben werden. Zum anderen aber wurde die am KWI versammelte Rechtsexpertise als wichtiger Faktor für die Positionierung Deutschlands gegenüber dem Versailler Vertrag angesehen.[2] Insofern also bewegte sich auch das KWI zwischen Wissenschaft und Praxis oder „zwischen Wissenschaft und Politikberatung“.[3]

Abgesehen von diesen Parallelen ist Meyers Text aus einem weiteren Grund für das Verständnis des KWI der Weimarer Jahre von Interesse: Der Text zeugt von einer gefühlten Internationalität in der Mitte der 1920er Jahre, die zwar nicht repräsentativ gewesen sein wird, aber dennoch prägend. Die Internationalität in Kunst und Kultur, aber auch der Wirtschaft war schon vor dem Ersten Weltkrieg sehr weit fortgeschritten; der Krieg zerstörte viele dieser Verbindungen.[4] Internationalität war jedoch für die Einzelnen auch im Alltag der Weimarer Jahre vielfältig wahrnehmbar und erfahrbar. Die Agenda des KWI blieb dagegen im Wesentlichen auf die Außenbeziehungen im klassisch zwischenstaatlichen Sinn ausgerichtet. Das entsprach der auch von den Zeitgenossen „scharf“ gezogenen „Grenze“ zwischen Völkerrecht und Staatsrecht.[5] Dabei sollte sich das Institut nicht allein mit dem Völkerrecht befassen, denn die mögliche Anwendung des Völkerrechts in der Praxis hing weitgehend von den verfassungsrechtlichen Zwängen der Staaten ab. Deshalb erschien es notwendig, auch das ausländische öffentliche Recht in die Forschung einzubeziehen.[6] Dementsprechend sind „ausländisches öffentliches Recht“ und „Völkerrecht“ Namensbestandteile nicht nur des KWI, sondern auch der 1927 begründeten Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht und der seit 1929 erscheinenden ZaöRV.

Nicht im Fokus stand konsequenterweise das inländische Außenverfassungsrecht der auch insoweit innovativen Weimarer Reichsverfassung (WRV) von 1919. Das „Außenverfassungsrecht“ war in den 1920er Jahren noch nicht als Forschungsfeld etabliert. Als Lehrfach („Staatsrecht III“) und Gegenstand von Veröffentlichungen entstand das Außenverfassungsrecht erst sehr viel später, in der Bundesrepublik Mitte der 1970er Jahre.[7] Jedoch hatte sich der Rechtsbegriff der „auswärtigen Gewalt“ bereits mit dem 1892 veröffentlichten Lehrbuch von Albert Hänel durchgesetzt[8] und es war den Zeitgenossen bewusst, dass die Frage nach dem Verhältnis von Völkerrecht und innerstaatlichem Recht angesichts sich vervielfachender internationaler Berührungspunkte ständig an Bedeutung gewann.[9] Offensichtlich wurde 1924 kein Institut für „Völkerrecht und Landesrecht“ gegründet. Dennoch ist die Beobachtung nicht trivial: Mit der Ausrichtung des Instituts ging auch eine Perspektive auf das „Völkerrecht“ selbst „als Rechtsordnung“[10] verloren. Sie betrifft seine – potentielle – Bedeutung für die Einzelnen, seine Auswirkungen auf die innerstaatliche Rechts- und Sozialordnung unter der neuen Verfassung sowie seinen Zusammenhang mit dem demokratischen Prozess und seine Bedeutung für die gerichtliche Praxis. Es entstand eine programmatische Lücke zwischen „ausländischem öffentlichen Recht“ und „Völkerrecht“. Zugleich wurde der Blick auf die Bedeutung des Völkerrechts jenseits der klassischen Außenbeziehungen verstellt.

Innovatives Weimarer „Außenverfassungsrecht“

Verfassungsfeier 11. August 1929. Der Bundesvorstand des Reichsbanners vor dem Berliner Schloss.[11]

In der WRV war ein Hineinwirken des Völkerrechts in das innerstaatliche Recht angelegt, wie auch ein innerer Zusammenhang von demokratischem Rechtsstaat und internationaler Ordnung. Nach Art. 4 WRV sollten die „allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts“ „als bindende Bestandteile des deutschen Reichsrechts“ gelten. Dieser neue Artikel an prominenter Stelle zu Beginn des Verfassungstextes hat zunächst eine symbolische Funktion. Er verkündet den Wiedereintritt Deutschlands in die Völkergemeinschaft und markiert einen Bruch mit der Vergangenheit. Hugo Preuß formulierte in der Nationalversammlung:

Einen geeinten, freien nationalen Staat wollen wir organisieren, aber nicht in nationalistischer Abschließung. Wie einst die jungen Vereinigten Staaten von Nordamerika in den Kreis der alten Staatenwelt eintraten mit dem Bekenntnis zur bindenden Kraft des internationalen Rechts, so bekennt sich die junge deutsche Republik […] zur Geltung des Völkerrechts.“[12]

Das war natürlich umstritten, auch in der Nationalversammlung und im Verfassungsausschuss.[13] Die Idee der „Einfügung des Reichs als demokratischer Rechtsstaat in die Völkerrechtsgemeinschaft“[14] brachte noch § 2 der Entwurfsfassungen von Preuß zum Ausdruck, der demokratisches Prinzip und verfassungsrechtlich sanktionierte Völkerrechtsbindung in ein und derselben Verfassungsbestimmung zusammenfasst.[15] In der Sache erlangte der Einzelne, dessen Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft bislang absolut mediatisiert waren, durch Art. 4 WRV nunmehr unmittelbaren Kontakt mit dem Völkerrecht.[16] Allerdings wurde die in Art. 4 WRV angelegte „Völkerrechtsfreundlichkeit“ (Gerhard Anschütz)[17] im Schrifttum und in der gerichtlichen Spruchpraxis nach 1919 vielfach dadurch unterlaufen, dass die Wendung von den „allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts“ als Erfordernis der spezifischen Zustimmung des Reiches zu dem betreffenden Völkerrechtssatz interpretiert wurde.[18] Der Kommentar von Anschütz spiegelt insofern die gängige Lehrmeinung wider: Um als bindender Bestandteil des deutschen Reichsrechts zu gelten, müsse ein Völkerrechtssatz vom Deutschen Reiche „anerkannt“ sein; diese Anerkennung sei auch „frei widerruflich“.[19]

Völkerrecht jenseits der klassischen Außenbeziehungen

Bereits vor 1914 kam dem Völkerrecht im innerstaatlichen Bereich eine stetig wachsende Bedeutung zu.[20] 1891 betonte der spätere „Vater der Weimarer Verfassung“ Preuß den „innige[n] Zusammenhang“ des Völkerrechts „mit dem Wirthschaftsleben“: „Das Völkerrecht […] existirt in lebendigster Wirklichkeit; in tausend Verhältnissen des täglichen Lebens macht es seine Existenz segensreich fühlbar“.[21] Auch wenn der Erste Weltkrieg eine Zäsur bedeutete, gewannen völkerrechtliche Verträge und die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen danach wieder an Bedeutung. Trotz allgemeiner Ablehnung des Versailler Vertrags und in der öffentlichen Meinung vorherrschenden Nationalismus war Weimar-Deutschland international eingebunden und engagiert. Insbesondere in den 1920er Jahren schloss Deutschland eine Reihe von internationalen Verträgen ab.[22] Viele von ihnen beziehen sich auf Fragen von Frieden und Sicherheit. Diesen „politischen Verträgen“ widmete das KWI eine eigene Dokumentensammlung.[23] In der Weimarer Republik wurden die Außenbeziehungen insgesamt zu einem gewissen Grad als politisch-militärische Angelegenheit verstanden.[24] Jedoch ist die Zahl der Verträge, die sich auf das tägliche Leben der Menschen und die Wirtschafts- und Sozialordnung bezogen, sogar noch größer.

So trat Deutschland 1922 etwa dem Madrider System für die internationale Registrierung von Marken bei.[25] Zu den relevanten Verträgen gehören auch das Übereinkommen und Statut über die internationale Rechtsordnung der Seehäfen von 1923,[26] der deutsch-amerikanische Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag von 1923[27] und das Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle von 1925.[28] Mit dem Beitritt zum Übereinkommen und Statut von Barcelona über die Freiheit des Durchgangsverkehrs von 1921[29] entsprach Deutschland der Verpflichtung aus Art. 379 des Vertrags von Versailles, „jedem allgemeinen Übereinkommen über die zwischenstaatliche Regelung des Durchgangsverkehrs, der Schiffahrtswege, Häfen und Eisenbahnen beizutreten, das zwischen den alliierten und assoziierten Mächten mit Zustimmung des Völkerbunds binnen fünf Jahren […] geschlossen wird.“[30]

Besonders bedeutsam dürften in diesem Bereich jedoch die Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization, ILO) sein, deren Mitglied Deutschland seit 1919 war. Von insgesamt 63 bis einschließlich 1933 von der Internationalen Arbeitskonferenz verabschiedeten Übereinkommen ratifizierte Deutschland zwischen 1925 und 1933 immerhin 19.[31] Das internationale Arbeitsrecht hat in Deutschland allerdings stets eine relativ marginale Rolle gespielt.[32] Die Gründe dafür finden sich zum einen in den historisch älteren Wurzeln des nationalen Arbeits- und Sozialrechts, zum anderen in der Haltung gegenüber dem Versailler Vertrag, der die ILO‑Verfassung als Teil XIII enthielt. Im Rückblick erscheint diese deutsche Distanz zur ILO freilich im Spannungsverhältnis zur sozialen Programmatik[33] der Weimarer Reichsverfassung.

1926 wurde Deutschland Mitglied des Völkerbundes, was durchaus auch jenseits von Fragen von Frieden und Sicherheit sowie der Abrüstung von Bedeutung war.[34] Die 1919 eingesetzte „Kommission für neue Staaten“ erarbeitete Verträge zum Schutz von Minderheiten in den Staaten Osteuropas, die unter der Garantie des Völkerbundes standen,[35] darunter den Polnischen Minderheitenvertrag,[36] der der deutschen Minderheit in Polen zugutekam. Die Struktur des Völkerbundes umfasste die Wirtschafts- und Finanzorganisation,[37] die Gesundheitsorganisation, die Organisation für Kommunikation und Transit, das Internationale Komitee für geistige Zusammenarbeit, den Ständigen Zentralen Opiumausschuss, den Beratenden Ausschuss für Frauen- und Kinderhandel, die Flüchtlingskommission und den Ausschuss für die Untersuchung der Rechtsstellung der Frau. Freilich ist das spätere System der UN‑Charta für die internationale Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet in dieser Form ohne Vorbild im Völkerbund und gilt auch als eine der Lehren, die aus dem wirtschaftlichen Chaos und den sozialen Missständen der Zwischenkriegszeit als Friedensbedrohung gezogen wurden.[38]

Die Einleitung zur Neuauflage des Völkerrechtslehrbuchs von Franz von Liszt von 1925 gab einen Überblick über die durch die „geänderten Verhältnisse“ bedingten neuen Themen des Völkerrechts, unter anderem Mandatssystem, Binnenschifffahrt, internationaler Arbeitsschutz, Völkerbund, Kriegsverhütung einschließlich Abrüstung sowie Ständiger Internationaler Gerichtshof (StIGH).[39] Eine Durchsicht der Bände 1‑3 (1929‑1933, insgesamt mehr als 2.300 Druckseiten) der ZaöRV bestätigt diesen Befund dagegen nur teilweise;[40] insbesondere ist er in der systematischen Untergliederung der „Ersten Abteilung: Völkerrecht“ nicht abgebildet.

Deutschland war auch maßgeblich an der internationalen Streitbeilegung beteiligt. In den 1920er Jahren war Deutschland im Allgemeinen vor dem StIGH erfolgreich, insbesondere im Hinblick auf die deutschen Interessen und Minderheitenrechte in Polen.[41] Mit dem Völkerbund und dem StIGH verband sich die Hoffnung, dass die im Lichte der Erfahrungen des Ersten Weltkriegs geschaffene internationale Rechtsordnung zur Schaffung einer universellen Rechtsgemeinschaft führen würde. Diese Hoffnung beruhte – gerade für den Kriegsverlierer Deutschland – vor allem auf der legalistischen Vision einer Ordnung, in der alle Staaten der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit durch einen internationalen Gerichtshof zustimmen würden.

Völkerrecht als „Rechtsordnung für die Gemeinschaft der Staaten“

Viktor Bruns 1937 bei einem Vortrag.[42]

Hier setzt Bruns in seiner innovativen und als programmatische Grundlegung zu verstehenden Schrift in der ersten Ausgabe der ZaöRV von 1929 an. Zwischen 1927 und 1932 war er selbst als Richter ad hoc am StIGH und als nationaler Richter am deutsch‑polnischen Gemischten Schiedsgericht und am deutsch‑tschechoslowakischen Gemischten Schiedsgericht tätig und vertrat die deutsche Regierung in verschiedenen Fällen vor dem StIGH.[43] Nun arbeitet er den Charakter des Völkerrechts als autonome Rechtsordnung heraus, die nicht auf der Souveränität, sondern auf der „Rechtsgemeinschaft“ der Staaten beruht: „Das Völkerrecht ist eine Rechtsordnung für die Gemeinschaft der Staaten, ein System von Rechtsgrundsätzen, Rechtsinstituten und Rechtssätzen, die untereinander in einem Ordnungszusammenhang stehen.“ Dies lässt sich als Weiterentwicklung der Lehre Heinrich Triepels vom Gemeinwillen verstehen.[44] In bemerkenswerter Weise überträgt Bruns dazu die Vorstellung von Carl Schmitt zum Verhältnis von „geschriebene[r] Verfassung“ und „deutsche[r] Rechtsgemeinschaft“ auf die Völkerrechtsordnung. „Ganz ebenso“ könne die Rechtsnatur der Verträge in der Staatengemeinschaft nicht aus dem Selbstverpflichtungswillen der Staaten im Einzelfall, sondern nur aus der Rechtsordnung der zu einer Rechtsgemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten gefolgert werden: „Recht einer Rechtsgemeinschaft sind alle sich aus der konkreten Ordnung dieser Gemeinschaft ergebenden rechtlichen Folgerungen und Voraussetzungen.“[45] Die Bedeutung dieser Rechtsordnung für die Einzelnen greift Bruns indes nicht auf. Er thematisiert weder die Innovationen der Reichsverfassung mit Bezug zum Völkerrecht noch die Bedeutung des zeitgenössischen Völkerrechts jenseits der klassischen Außenbeziehungen.

Dass dadurch eine durchaus signifikante Lücke zwischen „ausländischem öffentlichen Recht“ und „Völkerrecht“ klaffte, wird – zugegebenermaßen retrospektiv, with the benefit of hindsight, zumal aus der Warte der offenen Staatlichkeit des Grundgesetzes – besonders deutlich. Sicherlich aber hätte ein Forschungsinstitut mit mehr Distanz zum politischen Betrieb auch ein anderes Forschungsprogramm entwickelt. Zugleich muss man sich vergegenwärtigen, wie kurz die Weimarer Jahre des Instituts waren, wie kurz auch die deutsche Mitgliedschaft im Völkerbund war – und wie dominant der „Kampf gegen Versailles“ für die deutsche Völkerrechtswissenschaft. Es war nicht der Moment für die praktische „Vollendung der Genossenschaftsidee im Völkerrecht“,[46] wie sie Preuß angedacht hatte. Dabei bot sich der Genossenschaftsgedanke, wie zuletzt im Nachgang zum Jubiläum der Verfassung von 1919 erinnert wurde, theoretisch auch für eine völkerrechtliche Gemeinschaftsordnung an: So wie die demokratische Verfassung die Anerkennung von Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit im Inneren erforderte, so verlangte sie auch ein neues Verständnis des Staates als einen unter vielen, der zu kooperieren habe. Die theoretische wie praktische Kontinuität von inneren und äußeren Verhältnissen reflektiert zwar nicht die völkerrechtliche Schrift des KWI-Direktors, wohl aber das Eingangszitat des späteren Bauhausdirektors: „Gewerkschaft, Genossenschaft, A. G., G. m. b. H., Kartell, Trust und Völkerbund sind die Ausdrucksformen heutiger gesellschaftlicher Ballungen, […]. Kooperation beherrscht alle Welt.“

[1] Hannes Meyer, Die Neue Welt, Das Werk 13 (1926), 205-224 (205, 221, 222), Herv. i.O.

[2] Felix Lange, Between Systematization and Expertise for Foreign Policy, EJIL 28 (2017), 535-558 (537, 543); Ingo Hueck, in: Doris Kaufmann (Hrsg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung, Göttingen: Wallstein 2000, 490-491; Rüdiger Hachtmann, Das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 1924 bis 1945, MPIL100.

[3]„Völkerrecht als Rechtsordnung? Das KWI zwischen Wissenschaft und Politikberatung“ – So der Titel eines Panels am 15.6.2023 im Rahmen der interdisziplinären Seminarreihe „100 Jahre öffentliches Recht“ zur Geschichte des MPIL.

[4] Für die Kultur: Peter Gay, Die Republik der Außenseiter: Geist und Kultur in der Weimarer Zeit 1918-1933, Berlin: Fischer 1989, 25.

[5] Siehe: Dieter Grimm, 100 Jahre Öffentliches Recht, MPIL100.

[6] Carlo Schmid, Erinnerungen, Stuttgart: S. Hirzel 2008, 120.

[7] Frank Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen, München: C.H. Beck 2017, § 10 Rn. 87.

[8] Albert Hänel, Deutsches Staatsrecht, Bd.1, Leipzig: Duncker & Humblot 1892, 531–562; vgl. Schorkopf (Fn. 7), § 10 Rn. 14.

[9] Ruth D. Masters, The Relation of International Law to the Law of Germany, Political Science Quaterly 45 (1930), 359-394 (359).

[10] Viktor Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung I, ZaöRV 1 (1929), 1-56.

[11] BArch, Bild 102-08214 / CC-BY-SA 3.0.

[12] Verhandlungen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Bd. 326, Stenographische Berichte 1920, 286A (Protokoll der 14. Sitzung, 24.2.1919).

[13] Laila Schestag, Weimar International, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 2022, 373-413 (393–396), m.N.

[14] Hugo Preuß, Reich und Länder. Bruchstücke eines Kommentars zur Verfassung des Deutschen Reiches, Köln: C.Heymann 1928, 82.

[15] Vorentwurf (Entwurf I) datiert 3.1.1919; Entwurf des allgemeinen Teils der künftigen Reichsverfassung (Entwurf II), datiert 20.1.1919; s. dazu Schestag (Fn. 12), 400–402, m.w.N.

[16] Preuß (Fn. 13), 86-87; s. auch Alfred Verdross, Reichsrecht und internationales Recht. Eine Lanze fur Art. 3 des Regierungsenwurfes der deutschen Verfassung, Deutsche Juristen-Zeitung 24 (1919), 291-293 (292–293); Gerhard Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs. Ein Kommentar für Wissenschaft und Praxis, Berlin: Georg Stilke 1933, Art. 4, 62-63.

[17] Anschütz (Fn. 15), 68.

[18] Thilo Rensmann, Die Genese des “offenen Verfassungsstaats” 1948/49 in: Thomas Giegerich (Hrsg.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, Berlin: Duncker & Humblot 2010, 37-58 (44-46); Rechtsprechungsnachweise bei: Lawrence Preuss, International Law in the Constitutions of the Länder in the American Zone in Germany, AJIL 41 (1947), 888-899 (893–895).

[19] Anschütz (Fn. 15), 65, 68.

[20] Peter Caldwell, Sovereignty, Constitutionalism, and the Myth of the State: Article Four of the Weimar Constitution, in: Leonard V. Kaplan/Rudy Koshar (Hrsg.), The Weimar Moment. Liberalism, Political Theology, and Law, Lanham: Lexington Books 2012, 345-370 (350).

[21] Hugo Preuß, Das Völkerrecht im Dienste des Wirthschaftslebens, Berlin: L. Simion 1891, 4-5.

[22] Wikipedia: Treaties of the Weimar Republic.

[23] Viktor Bruns (Hrsg.), Politische Verträge: Eine Sammlung von Urkunden, 3 Bde, Berlin: Carl Heymann 1936–1942.

[24] Gaines Post, The Civil-Military Fabric of Weimar Foreign Policy, Princeton: Princeton University Press 2015.

[25] Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken, 14.4.1891, RGBl. 1922 II S. 669.

[26] Übereinkommen und Statut über die internationale Rechtsordnung der Seehäfen, 9.12.1923, RGBl. 1928 II S. 23.

[27] Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag, 8.12.1923, RGBl. 1925 II S. 795.

[28] Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle, 6.11.1925, RGBl. 1928 II S. 175, 203.

[29] Übereinkommen und Statut über die Freiheit des Durchgangsverkehrs, 14.4.1921, RGBl. 1924 II S. 387.

[30] Friedensschluß zwischen Deutschland und den alliierten und assoziierten Mächten (Versailler Vertrag), 28.6.1919, RGBl. 1919 S. 687.

[31] International Labour Organization, Ratifications for Germany, m.N.

[32] Sandrine Kott, Dynamiques de l’internationalisation: l’Allemagne et l’Organisation internationale du travail (1919-1940), Critique Internationale 52 (2011), 69-84 (71).

[33] Michael Stolleis, Die soziale Programmatik der Weimarer Reichsverfassung, in: Horst Dreier/Christian Waldhoff (Hrsg.), Das Wagnis der Demokratie: Eine Anatomie der Weimarer Reichsverfassung, München: C.H. Beck 2018, 195-218.

[34] League of Nations, The Development of International Co-operation in Economic and Social Affairs: Report of the Special Committee (Bruce Report) 1939, L.o.N. A.23.1939; vgl. Patricia Clavin, Securing the World Economy: The Reinvention of the League of Nations, 1920-1946, Oxford: Oxford University Press 2013.

[35] Carl Georg Bruns, Die Garantie des Völkerbundes über die Minderheitenverträge, ZaöRV 2 (1931), 3-16.

[36] Minderheitenschutzvertrag zwischen den Alliierten und Assoziierten Hauptmächten und Polen, 28.6.1919, CTS 225, 412.

[37] S. dazu: Patricia Clavin/Jens-Wilhelm Wessels, Transnationalism and the League of Nations, Contemporary European History 14 (2005), 465-492; Yann Decorzant, La Société des Nations et l’apparition d’un nouveau réseau d’expertise économique et financière (1914–1923), Critique International 3 (2011), 35-50.

[38] Mohammed Bedjaoui, Article 1 (commentaire général), in: Jean-Pierre Cot/Alain Pellet, La Charte des Nations Unies. Commentaire article par article, Paris: Economica 2005, 318.

[39] Franz von Liszt (Hrsg.), Das Völkerrecht: systematisch dargestellt, Berlin: Verlag Julius Springer 1925, IV-V.

[40] S. insb. André N. Mandelstam, Der internationale Schutz der Menschenrechte und die New-Yorker Erklärung des Instituts für Völkerrecht, ZaöRV 2 (1931), 335-377.

[41] Ole Spiermann, International Legal Argument in the Permanent Court of International Justice, Cambridge: Cambridge University Press 2005, 292.

[42] AMPG, Bruns Viktor II 3.

[43] Lange (Fn. 2), 540.

[44] Heinrich Triepel, Völkerrecht und Landesrecht, Leipzig: C.L. Hirschfeld 1899, 32-33, 88 (diese Anbindung macht Bruns, langjähriger Berliner Fakultätskollege von Triepel, allerdings in seinem Aufsatz nicht explizit).

[45] Bruns (Fn. 10), 10–12, 1, 13.

[46] Schestag (Fn. 12), 399–403.

Suggested Citation:

Thomas Kleinlein, Die Weimarer Jahre des Instituts und die Lücke zwischen ausländischem öffentlichem Recht und Völkerrecht, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240304-170437-0

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English

“Motor cars dash along our streets. […] Aircraft slip through the air […]; they disregard national frontiers and bring nation closer to nation. […] The simultaneity of events enormously extends our concept of “space and time,” it enriches our life. […] We become cosmopolitan. […] Trade union, co-operative, Lt., Inc., cartel, trust, and the League of Nations are the forms in which today’s social conglomerations find expression […]. Co-operation rules the world. […] Each age demands its own form. […] Internationalism is the prerogative of our time.”[1]

This quote is not from the Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV, English title: Heidelberg Journal of International Law), but from the 1926 essay “The New World” (“Die Neue Welt”) by the architect and urbanist Hannes Meyer. Meyer worked at the Bauhaus from 1926 to 1930, ultimately as director. In 2023/24, we are not only celebrating the 100th anniversary of the Institute for Comparative Public Law and International Law, but also the 100th anniversary of the Bauhaus exhibition in Weimar. At the Bauhaus, the positioning between theory and practice was a fundamental conflict. Founded in 1924, the Kaiser Wilhelm Institute (KWI) for Comparative Public Law and International Law, founded in 1924, was to deal with the legal issues in its field of activity from a practice‑orientated and dogmatic perspective. This positioning is crucial for understanding the Weimar years of the Institute under the directorship of Viktor Bruns. On the one hand, the aim was to promote international law as a legal system and to raise the standard of international law scholarship in Germany. On the other hand, the legal expertise gathered at the KWI was seen as an important factor in Germany’s positioning vis-à-vis the Treaty of Versailles.[2] In this respect, the KWI was also situated between theory and practice or “between scholarship and political advicesory”.[3]

Apart from these parallels, Meyer’s text is of interest for understanding the KWI in the Weimar years for another reason: The text bears witness to a perceived internationalism in the mid-1920s, which will not have been representative, but nonetheless formative. Internationality in art and culture, but also in the economy, was already very advanced before the First World War; the war destroyed many of these connections.[4] However, internationality could be perceived and experienced in many ways by individuals in everyday life during the Weimar years. In contrast, the KWI’s agenda remained essentially focussed on foreign relations in the classic intergovernmental sense. This corresponded to the “boundary” “sharply drawn” also by contemporaries between international law and constitutional law.[5] The Institute was not intended to deal solely with international law, as the possible application of international law in practice largely depended on the constitutional constraints of the states. It therefore seemed necessary to include foreign public law in the research.[6] Accordingly, “comparative public law” and “international law” are not only part of the name of the KWI, but also of Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht (“Contributions on Comparative Public Law and International Law”), which was founded in 1927, and ZaöRV, which has been published since 1929.

Consequently, the focus was not on the domestic constitutional law of foreign relations of the 1919 Weimar Constitution, which was innovative also in this respect. In the 1920s, “constitutional law of foreign relations” (“Außenverfassungsrecht”) was not yet established as a field of research. As a university subject (“Staatsrecht III”) and subject of publications, constitutional law of foreign relations only emerged much later, in the Federal Republic of Germany in the mid-1970s.[7] However, the legal concept of “foreign affairs” (“auswärtige Gewalt”) had already become established with Albert Hänel’s textbook published in 1892[8] and contemporaries were aware that the question of the relationship between international law and domestic law was becoming increasingly important in view of the multiplication of international points of contact.[9] Obviously, no institute for “international law and national law” was founded in 1924. Nevertheless, the observation is not trivial: with the orientation of the institute, a perspective on “international law as a legal system” in itself[10] was lost. This concerns its – potential – significance for individuals, its impact on the domestic legal and social order under the new constitution, as well as its connection with the democratic process and its significance for judicial practice. A programmatic gap emerged between “comparative public law” and “international law”. At the same time, the significance of international law beyond traditional foreign relations was obscured.

Innovative Weimar “Constitutional Law of Foreign Relations”

Verfassungsfeier (“Constitution Day”) on 11 August 1929. The Federal Board of the Reichsbanner (“Banner of the Reich”, an anti-fascist political organization) in front of the Berlin Palace.[11]

The Weimar Constitution embraced an influence of international law on domestic law, as well as an inherent connection between the democratic constitutional state and the international order. According to Article 4, the “rules of international law, universally recognized” were “deemed to form part of German federal law and, as such, have obligatory force”.[12] This new article in a prominent position at the beginning of the constitutional text initially had a symbolic function. It proclaims Germany’s re-entry into the community of nations and marks a break with the past. Hugo Preuß formulated in the National Assembly:

We want to organise a united, free, and national state, but not in nationalist isolation. Like once the young United States of North America entered the circle of the old world of states with a commitment to the binding force of international law, the young German Republic commits […] to the validity of international law.”[13]

This was of course controversial, also in the National Assembly (Nationalversammlung) and the Constitutional Committee (Verfassungsausschuss).[14] The idea of the “integration of the Reich as a democratic constitutional state into the community of international law”[15] was still expressed in Section 2 of the draft versions by Preuß, which summarised the democratic principle and constitutionally sanctioned commitment to international law in one and the same constitutional provision.[16] Materially, the individual, whose relations with the international community had hitherto been completely mediatised, was, by Article 4 of the new constitution, brought into direct contact with international law.[17] However, this “Völkerrechtsfreundlichkeit” (a term coined by Gerhard Anschütz, that can loosely be translated to “openness towards international law”)[18] laid down in Art. 4 WRV was often undermined in the legal literature and in court practice after 1919 by the interpretation of “rules of international law, universally recognized” as requiring the specific consent of the Reich to the relevant rule of international law.[19] In this respect, Anschütz’s commentary reflects the prevailing doctrine: In order to be considered a binding component of German federal law, a rule of international law must be “recognised” by the German Empire and this recognition is “freely revocable”.[20]

International Law Beyond Traditional Foreign Relations

Even before 1914, international law was becoming increasingly important in the domestic sphere.[21] In 1891, Hugo Preuß, who was later to become a “father of the Weimar Constitution” emphasised the “intimate connection” of international law “with economic life”: “International law […] exists in the most vivid reality; in a thousand circumstances of daily life, it makes its existence gloriously perceivable”.[22] Even though the First World War marked a turning point, international treaties and membership in international organisations regained importance afterwards. Despite the general rejection of the Treaty of Versailles and the nationalism prevailing in public opinion, Weimar Germany was internationally integrated and engaged. In the 1920s in particular, Germany concluded a number of international treaties,[23] many of them related to issues of peace and security. The KWI dedicated a separate collection of documents to these “political treaties”.[24] In the Weimar Republic, foreign relations as a whole were understood to a certain extent as a political-military matter.[25] However, the number of treaties relating to people’s daily lives and the economic and social order was even greater.

For example, Germany joined the Madrid System for the international registration of trademarks in 1922.[26] The relevant treaties also include the Convention and Statute on the International Régime of Maritime Ports of 1923,[27] the German-American Treaty of Friendship, Commerce and Consular Relations of 1923,[28] and the Hague Agreement Concerning the International Deposit of Industrial Designs of 1925.[29] By acceding to the Barcelona Convention and Statute on Freedom of Transit of 1921[30], Germany fulfilled its obligation under Art. 379 of the Treaty of Versailles “to adhere to any General Conventions regarding the international regime of transit, waterways, ports or railways which may be concluded by the Allied and Associated Powers, with the approval of the League of Nations, within five years […].”[31]

Particularly significant in this area are the conventions of the International Labour Organization (ILO), of which Germany had been a member since 1919. Of a total of 63 conventions adopted by the International Labour Conference up to and including 1933, Germany ratified as many as 19 between 1925 and 1933.[32] However, international labour law has always played a relatively marginal role in Germany.[33] The reasons for this can be found, on the one hand, in the historically older roots of national labour and social law and, on the other hand, in the attitude towards the Treaty of Versailles, which contained the ILO‑Constitution as part XIII. In retrospect, however, this German distance from the ILO appears to be in tension with the social programme[34] of the Weimar Constitution.

In 1926, Germany became a member of the League of Nations, which was also significant beyond questions of peace, security and disarmament.[35] The “Commission on New States” established in 1919 drew up treaties for the protection of minorities in the Eastern European states under the guarantee of the League of Nations,[36] including the Polish Minorities Treaty,[37] which benefited the German minority in Poland. The structure of the League of Nations included the Economic and Financial Organisation,[38] the Health Organisation, the Communications and Transit Organisation, the International Committee on Intellectual Cooperation, the Permanent Central Opium Board, the Advisory Committee on Traffic in Women and Children, the High Commission (and later International Office) for Refugees and the Committee for the Study of the Status of Women. Admittedly, the later system of international co-operation in economic and social matters as established by the UN‑Charter is unprecedented in the League of Nations and is also regarded as one of the lessons learnt from the economic chaos and social ills of the interwar period as a threat to peace.[39]

The introduction to the new edition of Franz von Liszt’s 1925 textbook on international law provided an overview of the new topics of international law resulting from the “changed circumstances”, including the mandate system, inland waterway transport, international labour standards, the League of Nations, war prevention including disarmament and the Permanent International Court of Justice.[40] A review of volumes 1‑3 (1929‑1933, totalling more than 2,300 pages) of the ZaöRV only partially confirms this finding however;[41] in particular, it is not reflected in the systematic subdivision of the “First Division: International Law”.

Germany was also significantly involved in international dispute settlement. In the 1920s, Germany was generally successful before the Permanent International Court of Justice, particularly with regard to German interests and minority rights in Poland.[42] The League of Nations and the Permanent Court of International Justice were associated with the hope that the international legal order created in the light of the experiences of the First World War would lead to the creation of a universal legal community. This hope was based – especially for Germany as the loser of the war – above all on the legalistic vision of an order in which all states would agree to compulsory arbitration by an international court.

International Law as a “Legal Order for the Community of States”

Viktor Bruns during a presentation in 1937.[43]

This is where Bruns comes in with his innovative article in the first issue of the ZaöRV of 1929, which is to be understood as a programmatic foundation. Between 1927 and 1932, he himself served as an ad hoc judge at the Permanent International Court of Justice and as a national judge at the German-Polish and the German‑Czechoslovakian Arbitral Tribunals and represented the German government in various cases before the Permanent International Court of Justice.[44] He now elaborates on the character of international law as an autonomous legal order that is not based on sovereignty, but on the “legal community” of states: “International law is a legal order for the community of states, a system of legal principles, legal institutions and legal rules that are interrelated in an organized system.”[45] This can be understood as a further development of Heinrich Triepel’s doctrine of the common will (Gemeinwillen).[46] In a remarkable way, transfers Carl Schmitt’s idea of the relationship between the “written constitution” and the “German legal community” to the international legal order. “In the same way”, the legal nature of treaties in the community of states cannot be inferred from the will of states to fulfil their obligations in individual cases, but only from the legal order of the states that have joined together to form a legal community: “The law of a legal community is all legal consequences and prerequisites resulting from the concrete order of this community.”[47] However, Bruns does not take into account the significance of this legal order for the individual. He neither addresses the innovations of the Weimar Constitution in relation to international law nor the significance of contemporary international law beyond classical foreign relations.

The fact that there was a significant gap between “comparative public law” and “international law” becomes – admittedly retrospectively, with the benefit of hindsight – particularly obvious from the perspective of the openness to international law of the Grundgesetz (Basic Law). However, a research institute with more distance from politics would certainly have developed a different research programme. At the same time, one must bear in mind how short the Weimar years of the Institute were, how short Germany’s membership of the League of Nations was – and how dominant the “struggle against Versailles” was for German international law scholarship. It was not the moment for the practical “completion of the Genossenschaftsidee [loosely: associational idea] in international law”,[48] as envisaged by Preuß. Even though, as was recently recalled in the wake of the anniversary of the 1919 constitution, this idea would have theoretically lent itself also to a community order under international law: Just as the democratic constitution required the recognition of pluralism and the rule of law at home, it also demanded a new understanding of the state as one among many that had to co-operate. The theoretical and practical continuity of internal and external relationships is not reflected in the KWI director’s essay on international law, but in the opening quote by the later Bauhaus director: “Trade union, co-operative, Lt., Inc., cartel, trust, and the League of Nations are the forms in which today’s social conglomerations find expression […]. Co-operation rules the world.”

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Hannes Meyer, Die Neue Welt, Das Werk 13 (1926), 205 (205, 221, 222), translation following: The Charnel House.

[2] Felix Lange, Between Systematization and Expertise for Foreign Policy, EJIL 28 (2017), 535-558 (537, 543); Ingo Hueck, in: Doris Kaufmann (ed.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandsaufnahme und Perspektiven der Forschung, Göttingen: Wallstein 2000, 490-491; Rüdiger Hachtmann, The Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law 1924 to 1945, MPIL100.

[3] “International law as a legal order? The KWI between scholarship and political advisory” (“Völkerrecht als Rechtsordnung? Das KWI zwischen Wissenschaft und Politikberatung”, translated by the editor) was the title of a panel held on 15 June 2023 in the context of the interdisciplinary seminar series “100 Years of Public Law” on the history of the MPIL.

[4] On culture: Peter Gay, Die Republik der Außenseiter: Geist und Kultur in der Weimarer Zeit 1918-1933, Berlin: Fischer 1989, 25.

[5] See: Dieter Grimm, 100 Years of Public Law, MPIL100.

[6] Carlo Schmid, Erinnerungen, Stuttgart: S. Hirzel 2008, 120.

[7] Frank Schorkopf, Staatsrecht der internationalen Beziehungen , Munich: C.H. Beck 2017, § 10 para. 87.

[8] Albert Hänel, Deutsches Staatsrecht, vol.1, Leipzig: Duncker & Humblot 1892, 531-562; cf. Schorkopf (fn 7), § 10 para. 14.

[9] Ruth D. Masters, The Relation of International Law to the Law of Germany, Political Science Quaterly 45 (1930), 359-394 (359).

[10] Viktor Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung I, HJIL 1 (1929), 1-56.

[11] BArch, Bild 102-08214 / CC-BY-SA 3.0.

[12] Translation following: Heinrich Oppenheimer, The Constitution of the German Republic, London: Stevens and Sons 1923, Appendix: The constitution of the German Federation of August 11, 1919, 219-260.

[13] Verhandlungen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, vol. 326, Stenographische Berichte 1920, 286A (Minutes of the 14th session, 24 February 1919), translated by the editor.

[14] Laila Schestag, Weimar International, Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart 2022, 373-413 (393-396), with references.

[15] Hugo Preuß, Reich und Länder. Bruchstücke eines Kommentars zur Verfassung des Deutschen Reiches, Köln: C.Heymann 1928, 82, translated by the editor.

[16] Vorentwurf (draft I) dated 3 January 1919; Entwurf des allgemeinen Teils der künftigen Reichsverfassung (draft II), dated 20 January 1919; see Schestag (fn 12), 400-402, with further references.

[17] Preuß (fn 13), 86-87; see also Alfred Verdross, Reichsrecht und internationales Recht. Eine Lanze für Art. 3 des Regierungsenwurfes der deutschen Verfassung, Deutsche Juristen-Zeitung 24 (1919), 291-293 (292–293); Gerhard Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs. Ein Kommentar für Wissenschaft und Praxis, Berlin: Georg Stilke 1933, Art. 4, 62-63.

[18] Anschütz (fn 15), 68.

[19] Thilo Rensmann, Die Genese des „offenen Verfassungsstaats“ 1948/49 in: Thomas Giegerich (ed.), Der „offene Verfassungsstaat“ des Grundgesetzes nach 60 Jahren, Berlin: Duncker & Humblot 2010, 37-58 (44-46); references to legal cases: Lawrence Preuss, International Law in the Constitutions of the Länder in the American Zone in Germany, AJIL 41 (1947), 888-899 (893-895).

[20] Anschütz (fn 15), 65, 68, translated by the editor.

[21] Peter Caldwell, Sovereignty, Constitutionalism, and the Myth of the State: Article Four of the Weimar Constitution, in: Leonard V. Kaplan/Rudy Koshar (eds.), The Weimar Moment. Liberalism, Political Theology, and Law, Lanham: Lexington Books 2012, 345-370 (350).

[22] Hugo Preuß, Das Völkerrecht im Dienste des Wirthschaftslebens, Berlin: L. Simion 1891, 4-5, translated by the editor.

[23] Wikipedia: Treaties of the Weimar Republic.

[24] Viktor Bruns (ed.), Politische Verträge: Eine Sammlung von Urkunden, 3 vols, Berlin: Carl Heymann 1936-1942.

[25] Gaines Post, The Civil-Military Fabric of Weimar Foreign Policy, Princeton: Princeton University Press 2015.

[26] Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken, 14.4.1891, RGBl. 1922 II S. 669.

[27] Übereinkommen und Statut über die internationale Rechtsordnung der Seehäfen, 9.12.1923, RGBl. 1928 II S. 23.

[28] Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag, 8.12.1923, RGBl. 1925 II S. 795.

[29] Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle, 6.11.1925, RGBl. 1928 II S. 175, 203.

[30] Übereinkommen und Statut über die Freiheit des Durchgangsverkehrs, 14.4.1921, RGBl. 1924 II S. 387.

[31] Friedensschluß zwischen Deutschland und den alliierten und assoziierten Mächten (Versailler Vertrag), 28.6.1919, RGBl. 1919 S. 687, translation following: Wikisource.

[32] International Labour Organization, Ratifications for Germany, with references.

[33] Sandrine Kott, Dynamiques de linternationalisation: l’Allemagne et l’Organisation internationale du travail (1919-1940), Critique Internationale 52 (2011), 69-84 (71).

[34] Michael Stolleis, Die soziale Programmatik der Weimarer Reichsverfassung, in: Horst Dreier/Christian Waldhoff (eds), Das Wagnis der Demokratie: Eine Anatomie der Weimarer Reichsverfassung, Munich: C.H. Beck 2018, 195-218.

[35] League of Nations, The Development of International Co-operation in Economic and Social Affairs: Report of the Special Committee (Bruce Report) 1939, L.o.N. A.23.1939; cf. Patricia Clavin, Securing the World Economy: The Reinvention of the League of Nations, 1920-1946, Oxford: Oxford University Press 2013.

[36] Carl Georg Bruns, Die Garantie des Völkerbundes über die Minderheitenverträge, HJIL 2 (1931), 3-16.

[37] Minorities Treaty between the Principal Allied and Associated Powers and Poland, signed 28 June 1919.

[38] Cf: Patricia Clavin/Jens-Wilhelm Wessels, Transnationalism and the League of Nations, Contemporary European History 14 (2005), 465-492; Yann Decorzant, La Société des Nations et l’apparition d’un nouveau réseau d’expertise économique et financière (1914-1923), Critique International 3 (2011), 35-50.

[39] Mohammed Bedjaoui, Article 1 (commentaire général), in: Jean -Pierre Cot/ Alain Pellet, La Charte des Nations Unies. Commentaire article par article, Paris: Economica 2005, 318.

[40] Franz von Liszt (ed.) , Das Völkerrecht: systematisch dargestellt, Berlin: Verlag Julius Springer 1925, IV-V .

[41] S. esp. André N. Mandelstam, Der internationale Schutz der Menschenrechte und die New-Yorker Erklärung des Instituts für Völkerrecht, HJIL 2 (1931), 335-377.

[42] Ole Spiermann, International Legal Argument in the Permanent Court of International Justice, Cambridge: Cambridge University Press 2005, 292.

[43] AMPG, Bruns Viktor II 3.

[44] Lange (fn 2), 540.

[45] Translated by the editor.

[46] Heinrich Triepel, Völkerrecht und Landesrecht, Leipzig: C.L. Hirschfeld 1899, 32-33, 88 (this connection however, is not made explicit in his essay by Bruns, a long-time Berlin faculty colleague of Triepel)

[47] Bruns (n 10), 10-12, 1, 13, translated by the editor.

[48] Schestag (fn 12), 399-403.

Suggested Citation:

Thomas Kleinlein, The Institute’s Weimar Years and the Gap between Comparative Public Law and International Law, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240304-170612-0

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Hermann Mosler und das „Ius Cogens im Völkerrecht“

Hermann Mosler and "Ius Cogens in International Law"

Deutsch

„Mir scheint, daß alle philosophischen und auch alle emotionalen Höhepunkte der Diskussion über Ius Cogens schon erreicht sind.“ – Mit dieser Einschätzung aus dem Jahre 1969 sollte Hermann Mosler sich gründlich geirrt haben. So haben zahlreiche Staaten die Arbeiten der UN‑Völkerrechtskommission von 2014 bis 2022 zum Ius Cogens ausführlich kommentiert und kritisiert. In der Völkerrechtskommission selbst wurde das Ius Cogens ebenso kontrovers verhandelt. In der Frage etwa, welche Wirkungen das Ius Cogens auf Resolutionen des UN-Sicherheitsrates zeitigt, warnte ein Kommissionsmitglied gar vor der Zerstörung des kollektiven Sicherheitssystems der UN und vor der Gefahr eines dritten Weltkriegs. Emotionaler kann eine Diskussion in der Völkerrechtskommission kaum ablaufen. Auch die Frage nach der philosophischen Grundlage des Ius Cogens ist mitnichten geklärt. Das „Ius Cogens im Völkerrecht“ bleibt damit entgegen Moslers Einschätzung auch über 50 Jahre später äußerst umstritten. Moslers Aufsatz, erschienen im 25. Schweizerischen Jahrbuch für internationales Recht (S. 9‑40), kann aber dennoch nicht ohne Weiteres als überholt und veraltet abgetan werden. Neu gelesen wirft er ein Schlaglicht auf die weiterhin bestehenden konzeptionellen Unklarheiten des Ius Cogens. Zugleich zeigt Moslers Aufsatz, wie anders als heute die deutsche Völkerrechtswissenschaft sich damals einem universellen Phänomen genähert hat: unverhohlen von einem deutschen (und europäischen) Vorverständnis ausgehend.

[pdf-embedder url=”https://mpil100.de/wp-content/uploads/2024/02/Hermann-Mosler-Ius-cogens-im-Voelkerrecht.pdf” title=”Hermann Mosler Ius cogens im Völkerrecht”]

1. Was ist, und warum beschäftigte sich Mosler mit Ius Cogens im Völkerrecht?

Ius Cogens meint im Völkerrecht universell geltende Normen, die mit besonderen Wirkungen ausgestattet sind. Zu diesen Wirkungen zählt insbesondere, dass vom Ius Cogens abweichende Verträge unwirksam sind. Einzelne Staaten können daher keinen Vertrag schließen, der vom Ius Cogens abweicht. Zu den Völkerrechtsnormen mit Ius‑Cogens-Charakter werden gemeinhin so wichtige Regeln wie das Verbot des Angriffskrieges, das Völkermordverbot und das Sklavereiverbot gezählt. Bei einigen Normen ist aber umstritten, ob und inwieweit sie zum Ius Cogens gehören, da noch nicht in allen Einzelheiten geklärt ist, wie eine Norm den Ius‑Cogens‑Charakter erlangt. Auch bleibt umstritten, welche weiteren besonderen Wirkungen Ius Cogens (etwa auf Resolutionen des UN-Sicherheitsrates) zeitigt. Weithin anerkannte Wirkung des Ius Cogens ist jedenfalls die Unwirksamkeit abweichender Verträge. Daher werden die Ius‑Cogens‑Normen auch als zwingende Normen bezeichnet, als Gegenstück zu dispositiven oder abdingbaren Normen. Diese Unabdingbarkeit widerspricht auf den ersten Blick der traditionellen Grundannahme des Völkerrechts, dass Staaten die Normen des Völkerrechts schaffen und daher auch mehr oder minder frei abschaffen oder ändern können. Wie schon Mosler resümierte: „Das Ius Cogens-Problem rührt also an die Grundlagen des Völkerrechts“ (10).

Zwei Umstände dürften Mosler zur Hinwendung zum Ius Cogens veranlasst haben. Den äußeren Anlass bildet die zeitgleich verhandelte und verabschiedete Wiener Vertragsrechtskonvention. In Artikel 53 dieses Vertrags heißt es: „Ein Vertrag ist nichtig, wenn er […] im Widerspruch zu einer zwingenden Norm des allgemeinen Völkerrechts steht. […] Eine zwingende Norm des allgemeinen Völkerrechts [ist] eine Norm, die von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit angenommen und anerkannt wird als eine Norm, von der nicht abgewichen werden darf und die nur durch eine spätere Norm des allgemeinen Völkerrechts derselben Rechtsnatur geändert werden kann.“ In dieser Formulierung deutet sich auch an, aus welchem inneren Anlass das Ius Cogens Moslers Interesse geweckt haben dürfte: Der Bezug zur internationalen Staatengemeinschaft, ein Motiv, das auch in weiteren seiner Publikationen zentral sein sollte (siehe insbesondere der Beitrag „The international society as a legal community“, Moslers 1974 gehaltener General Course an der Haager Akademie).

2. Moslers unklare Begriffsklärung – ein Schlaglicht auf die Unklarheit des Ius Cogens selbst

Was trägt Moslers Aufsatz nun in der Rückschau zum Verständnis des Ius Cogens bei? Mosler identifiziert zwei Wurzeln des Ius Cogens: Einerseits gebe es einen „traditionellen Begriff des Ius Cogens im innerstaatlichen Recht“ (9), mit dem eine Beschränkung der freien Gestaltung von Vertragsverhältnissen gemeint sei, andererseits werde Ius Cogens mit der „ordre public“ gleichgestellt. Diese Unterscheidung Moslers gilt es zu nachzuzeichnen und zu bewerten.

Ius Cogens als Gegenbegriff zum Ius Dispositivum

Das traditionelle Ius Cogens im innerstaatlichen Sinne charakterisiert Mosler als diejenigen Normen, von denen der Gesetzgeber im Interesse der Gesamtheit oder besonders Schutzbedürftiger bestimmt, dass die Rechtsunterworfenen nicht durch Vertrag über sie verfügen dürfen. Damit stehe das Ius Cogens dem Ius Dispositivum gegenüber, also denjenigen Normen, von denen Private durch Vertrag abweichen dürften. Diese Unterscheidung setze ein hierarchisches Verhältnis zwischen dem Gesetzgeber und den Rechtsunterworfenen voraus (15). Die Ius‑Cogens‑Normen müssten aber den anderen Normen nicht hierarchisch übergeordnet sein; dieselbe Rechtsquelle könne zwingende wie nachgiebige Normen enthalten. Dieses Konzept sei trotz aller strukturellen Unterschiede zum innerstaatlichen Recht auch in das Völkerrecht übertragbar (16‑22), denn das Völkerrecht sei mehr als ein Bündel bi‑ und multilateraler Beziehungen. Die Staatengesellschaft habe stets ein Mindestmaß an Homogenität und Gemeinschaftscharakter aufgewiesen (16‑17).

Was die an dieser Stelle in Bezug genommene Völkerrechtsgemeinschaft nun für Moslers Verständnis des völkerrechtlichen Ius Cogens bedeutet, bleibt in seinen weiteren Ausführungen aber unklar. Zunächst betont Mosler, dass die Staaten, wenn man sie als Gesetzgeber des Völkerrechts verstehen will, in dieser Rolle folgerichtig festlegen könnten, welche Normen sie mit welcher Wirkung ausstatten, eben manche Normen als zwingend, andere als abdingbar ausgestalten. Mit diesem Verständnis kann es erstens auch regionales Ius Cogens geben: Eine Gruppe von Staaten kann durch Vertrag oder regionales Gewohnheitsrecht eine regionale Norm setzen und dieser in ihren Beziehungen Ius Cogens-Wirkungen verleihen. Das stellt Mosler so ausdrücklich nicht fest, setzt es aber voraus, wenn er Beschränkungen der Vertragsfreiheit der Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaften als Beispiel des Ius Cogens anführt (20‑21). In einem späteren Abschnitt über die Entstehung von Ius Cogens (37‑39) hingegen nimmt Mosler allein auf Normen des allgemeinen (also für alle Staaten geltenden) Völkerrechts Bezug, wie auch der zitierte Artikel 53 der Wiener Vertragsrechtskonvention es tut. Dies schlösse regionales Ius Cogens aus. Moslers Sicht auf die Universalität des Ius Cogens bleibt letztlich ungeklärt. Zweitens kann es mit diesem Verständnis auch völlig triviales Ius Cogens geben. Wenn es im Belieben der Staaten steht, einer von ihnen geschaffenen Norm Ius‑Cogens‑Status zu verleihen, ist das Ius Cogens inhaltlich offen. Es bleibt aber unklar, wie dieses Verständnis in Einklang zu bringen ist mit dem Zusammenhang des Ius Cogens zum Gemeinschaftscharakter der Völkerrechtsordnung, den Mosler zunächst betont hat.

Schließlich gebe es aber auch noch „aus rational erkennbaren Notwendigkeiten des Zusammenlebens“ (18) entstehendes Ius Cogens. Demnach könnten manche Ius‑Cogens‑Normen von den Staaten geschaffen werden, andere wäre den Staaten vorausgesetzt. Aus heutiger Sicht erstaunt Moslers Offenheit für verschiedene Arten des Ius Cogens und regt zugleich zum Nachdenken an. Das gegenwärtige Schrifttum streitet nach wie vor darüber, ob Normen ihren Ius‑Cogens‑Charakter durch staatliche Setzung erlangen oder aus einer der Rechtsetzung der Staaten entzogenen Quelle fließen, die als Natur- oder Vernunftrecht beschrieben werden kann. Diese beiden Begründungsansätze der Entstehung von Ius Cogens betrachtet die heutige Völkerrechtswissenschaft dabei als einander ausschließend – ganz im Gegensatz zu Mosler, der offenbar verschiedene Entstehungsgründe für verschiedene Ius‑Cogens‑Normen akzeptiert. Insgesamt jedenfalls befürwortet Mosler, das völkerrechtliche Ius Cogens in Entsprechung des innerstaatlichen Ius Cogens als Gegenstück zum Ius Dispositivum zu verstehen.

Ius Cogens als ordre public des Völkerrechts

Eindrücke aus dem Institutsleben: Teilnehmende des Kolloquiums Staatshaftung 1964 (Foto: MPIL)

Der zweiten von ihm identifizierten konzeptionellen Wurzel des Ius Cogens begegnet Mosler hingegen mit Skepsis, dem Ius Cogens konzipiert als völkerrechtlicher ordre public. Unter ordre public versteht Mosler „Normen, deren Respektierung zur Erhaltung der Völkerrechtsgemeinschaft notwendig ist“ (24). Sie schützen „Rechtswerte, die dem Zweck der Rechtsgemeinschaft dienen“. Damit sei ein Ius Cogens im Sinne eines ordre public wesentlich weiter als im vorher beschriebenen Sinne. Über eine Beschränkung der Vertragsfreiheit hinaus würde das Ius Cogens dann nämlich auch rein tatsächliche Handlungen der Staaten verbieten (25‑26). Mosler zieht das Beispiel des Gewaltverbots als Ius‑Cogens‑Norm heran um dies zu illustrieren: Neben die Unwirksamkeit von Verträgen, die von dem Gewaltverbot abweichen, trete dann ein Verbot der einzelnen Gewalthandlungen. Diese Ausweitung des Ius Cogens lehnt Mosler schließlich mit dem Argument ab, es bestehe kein Anlass, dem innerstaatlich klaren Begriff des Ius Cogens im Völkerrecht einen anderen Inhalt zu geben.

Sodann argumentiert Mosler aber doch für eine Ausweitung des völkerrechtlichen Ius Cogens über das Konzept des innerstaatlichen Ius Cogens hinaus. Ius Cogens könne auch Staaten binden, die „Außenseiter der Rechtserzeugung“ (26) sind, sich also an der Entstehung der betreffenden Norm nicht beteiligt haben oder diese gar ablehnen. Dies spielt beim innerstaatlichen Ius Cogens keine Rolle, da die Rechtsunterworfenen ohnehin alle an das Recht gebunden sind, unabhängig von ihrem Willen oder ihrer Beteiligung an der Rechtserzeugung. Diese Auffassung Moslers hat sich durchgesetzt: Auch ein ständig dagegen protestierender Staat (sogenannter persistent objector) ist ungeachtet seines Protests an die völkerrechtlichen Ius‑Cogens‑Normen gebunden.

Nicht überzeugen hingegen kann dabei Moslers Begründung dieser Wirkung des Ius Cogens mit dem Nordseefestlandsockelfall des Internationalen Gerichtshofs (IGH). Der IGH habe angenommen, Deutschland könne unter Umständen gegen seinen Willen an eine Völkerrechtsnorm gebunden sein, auf die Dänemark und die Niederlande sich beriefen. Diese Annahme, so Mosler, sei nur sinnvoll, wenn man von einem Ius Cogens ausgeht, dass eine solche Bindung gegen den Willen des betreffenden Staates bewirken könnte (28). Moslers Begründung ist allerdings nicht zuzustimmen, da die Annahme des IGH auch ohne Rückgriff auf Ius Cogens sinnvoll ist und auf den Regeln über Entstehung und Wirkung des Völkergewohnheitsrecht beruht. Ein entgegenstehender Wille allein verhindert die Bindung an Völkergewohnheitsrecht nämlich gerade nicht, vielmehr muss nach der Persistent‑objector‑Regel dieser Wille auch rechtzeitig, deutlich und beharrlich geäußert werden. Nur wenn der IGH festgestellt hätte, dass erstens die streitige Norm gewohnheitsrechtlich entstanden war, und dass zweitens Deutschland die Voraussetzungen des persistent objector erfüllte, wäre es auf die Frage angekommen, ob Deutschland trotz Protests kraft Ius Cogens an die streitige Norm gebunden wäre. Der Nordseefestlandsockelfall spielt denn auch in späteren Debatten zum Ius Cogens keine Rolle. Vielleicht rührte Moslers Bezugnahme auf den Fall schlicht daher, dass er das Urteil des IGH als Ad‑hoc‑Richter mitverhandelt hatte. Mosler gelingt es in seinem Aufsatz insgesamt nicht, eine stringente Konzeption des völkerrechtlichen Ius Cogens vorzulegen.

3. Moslers Methode: Beispiele aus Deutschland und Europa

Neben diese inhaltlichen treten auch methodische Schwächen. Die zweischrittige Argumentation Moslers beim Ius Cogens als Gegenbegriff zum Ius Dispositivum (erstens: Ius Cogens als Prinzip im innerstaatlichen Recht; zweitens: Übertragung des Prinzips ins Völkerrecht) erinnert an eine anerkannte Methode zur Ermittlung allgemeiner Rechtsgrundsätze des Völkerrechts. Dabei erstaunt, wie freimütig Mosler sich im Abschnitt zum Ius Cogens im innerstaatlichen Recht (14‑16) damit begnügt, einen Blick allein in die deutsche Rechtsordnung zu werfen, um die so ermittelte Bedeutung des Ius Cogens dann seiner weiteren Abhandlung zugrunde zu legen. Nach schon damals einhelligem Verständnis des Artikel 38 des IGH‑Statuts kommt es nämlich für die allgemeinen Rechtsgrundsätze darauf an, dass diese in den nationalen Rechtsordnungen vieler und verschiedenster Staaten anerkannt sind. Mosler zitiert das deutsche BGB (15) und wendet seinen Blick keiner anderen nationalen Rechtsordnung zu. Auch in anderen Abschnitten dominieren Beispiele aus dem deutschen Recht, sei es der Grundsatz der Bundestreue aus dem Grundgesetz (31), die Figur des Ermessensspielraums aus dem Verwaltungsrecht (32), oder die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verfassungswidrigem Verfassungsrecht (38).

Immerhin ist aber auch der europäische Geist Moslers (der ab 1959 als Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte diente) erkennbar. So nimmt Mosler Bezug auf die Rechtsprechung dieses Gerichts (32) und führt, wie schon erwähnt, die Europäischen Gemeinschaften als Organisationen an, deren Mitgliedsstaaten in eine Beschränkung ihrer Vertragsfreiheit eingewilligt haben (20‑21). Dennoch: nationale oder regionale Beispiele jenseits des deutschen oder europäischen Rechtskreises fehlen. Das erstaunt umso mehr, wenn man bedenkt, dass Mosler zur selben Zeit Direktor eines Instituts war, zu dessen Aufgaben es zählte, Rechtsvergleichung auch mit Rechtsordnungen außerhalb der Grenzen Europas zu betreiben. Auch der Umstand, dass Mosler seinen (später überarbeiteten) Aufsatz zunächst als Vortrag vor der Schweizerischen Vereinigung für Internationales Recht hielt, kann hier kaum als Erklärung dienen, da Mosler auf das Schweizer Recht ebenfalls in keiner Weise eingeht.

Es drängt sich daher der Eindruck auf, dass Mosler Denken über das Ius Cogens im Völkerrecht auf ein deutsches und europäisches Vorverständnis beschränkt blieb. Die heutige Völkerrechtswissenschaft würde es zutreffend als Eurozentrismus und epistemischen Nationalismus kritisieren, universelles Völkerrecht durch eine solche Brille zu lesen. Ein Merkmal des epistemischen Nationalismus ist nach dem von Anne Peters geprägten Begriff, dass Zugänge zum Völkerrecht von Vorverständnissen aus dem nationalen Recht verfärbt sind und dadurch ihren universellen Anspruch nicht erfüllen können. Genau dieser Gefahr setzt Mosler sich mit seiner Beschränkung auf überwiegend deutsche Beispiele aus.

4.  Ausblick ins Ungewisse

Trotz dieser methodischen Schwäche und trotz der Unklarheiten, die Moslers Ausführungen zum Konzept des Ius Cogens nicht beseitigen konnten, ist seine Unterscheidung der zwei konzeptionellen Wurzeln des Ius Cogens im Völkerrecht erhellend. Sie mag nämlich eine Erklärung bieten für die bleibende konzeptionelle Unschärfe des Ius Cogens im Völkerrecht. Einerseits wird das Ius Cogens auch heute noch als Grenze der Rechtsetzungsmacht der Staaten gesehen, ähnlich einem Ius Cogens als Gegenbegriff zum Ius Dispositivum. Dann handelt es sich um eine bloße Regelungstechnik, die für beliebige Inhalte und regionales Ius Cogens offen wäre. Andererseits wird das Ius Cogens heute ganz überwiegend mit den grundlegenden Werten der Völkerrechtsgemeinschaft verknüpft, wie es der Ordre‑public‑Konzeption innewohnt und wie zuletzt in den Schlussfolgerungen der Völkerrechtskommission betont. Das konzeptionelle Spannungsverhältnis zwischen diesen beiden Wurzeln des Ius Cogens vermag die bleibende Unschärfe des Ius Cogens im Völkerrecht zu erklären. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Ius Cogens im Völkerrecht und in der Völkerrechtswissenschaft weiterentwickeln wird. Entgegen Moslers eingangs zitierter Einschätzung von 1969 scheint mir heute, dass eine abschließende Beurteilung der philosophischen und auch emotionalen Höhepunkte der Diskussion über Ius Cogens ebenso unangemessen wäre wie die damit verbundene Prognose weiterer Völkerrechtsentwicklungen.

Suggested Citation:

Felix Herbert, Hermann Mosler und das „Ius Cogens im Völkerrecht“, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240327-100215-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

English

“It seems to me that all the philosophical and emotional highlights of the discussion on ius cogens have already been reached.” – With this assessment from 1969, Hermann Mosler should turn out to be thoroughly mistaken. Numerous states have extensively commented on and criticised the work of the UN International Law Commission (ILC) on ius cogens from 2014 to 2022. Within the ILC itself, the discussion on ius cogens was equally controversial. On the question of the effects of ius cogens on UN Security Council resolutions, for example, a Commission member even warned of the destruction of the UN collective security system and the danger of a third World War. A discussion in the ILC could hardly be more emotional. The philosophical basis of ius cogens is far from settled as well. Contrary to Moslers assessment, “Ius cogens in international law” thus remains extremely controversial even over 50 years later. However, Mosler’s article, published in the 25th edition of the Swiss Yearbook of International Law (pp. 9‑40), cannot simply be dismissed as outdated or obsolete. When revisited, it sheds light on the continuing conceptual ambiguities of ius cogens (2.). At the same time, Mosler’s article illustrates how differently than today German scholars on international law approached a universal phenomenon: unashamedly based on German (and European) preconceptions (3.).

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1. What is, and why did Mosler Engage with Ius Cogens in International Law?

In international law, ius cogens refers to universally applicable norms that are endowed with special effects. These effects include, among others, the invalidity of legal acts derogating from ius cogens norms. Individual states, for example, cannot conclude a treaty that sets ius cogens aside. Ius cogens in international law is generally said to include such important rules as the prohibition of aggressive war, the prohibition of genocide, and the prohibition of slavery. However, it is disputed whether and to what extent some norms belong to the body of ius cogens, as the details of how a norm acquires ius cogens character are not fully clarified. Various effects of ius cogens also remain contentious, such as their effect on UN Security Council resolutions. In any case, a widely recognised effect of ius cogens is the invalidity of derogating treaties. Ius cogens norms are therefore also referred to as peremptory norms, contrasting with dispositive or derogable norms. At first glance, this non-derogable nature of ius cogens norms conflicts with the classical principle of international law that states make international law, and are therefore free to abolish or amend its rules. As Mosler summarised: “the ius cogens problem thus touches the foundations of international law” (10; quotes translated by the author).

Two circumstances may have prompted Mosler to engage with ius cogens. The extrinsic reason was the negotiation and adoption of the Vienna Convention on the Law of Treaties (VCLT) at the time. Article 53 of this treaty states: “A treaty is void if, at the time of its conclusion, it conflicts with a peremptory norm of general international law. […] a peremptory norm of general international law is a norm accepted and recognized by the international community of States as a whole as a norm from which no derogation is permitted and which can be modified only by a subsequent norm of general international law having the same character.” This formulation also indicates the intrinsic reason that may have sparked Mosler’s interest in ius cogens: The reference to the international community of states, a motif that would remain central in his further work (notably in his 1974 General Course at the Hague Academy, “The international society as a legal community”).

2. Mosler’s Unclear ‘Clarifications’ – Shedding Light on the Ambiguity of Ius Cogens Itself

In retrospect, what does Mosler’s article contribute to the understanding of ius cogens? Mosler identifies two conceptual roots of ius cogens. According to him, the first root of ius cogens is the “traditional concept of ius cogens in domestic law” (9), which refers to a restriction of the freedom of contract. The second root, Mosler argues (14‑28), equates ius cogens with “ordre public”. The following sections shall examine and evaluate Mosler’s distinction.

Ius Cogens as an Antonym to Ius Dispositivum

Mosler characterises traditional ius cogens in a domestic law sense as those norms the legislator determines to be norms from which individuals may not derogate through contract, be it in the interest of the community, or to protect particularly vulnerable individuals. Ius cogens is thus contrasted with ius dispositivum, i.e. those norms individuals are free to derogate from by contract. This distinction presupposes a hierarchical relationship between the legislator and the contracting individuals (15). Ius cogens norms, however, need not be hierarchically superior to other norms; the same source of law can contain both non-derogable and derogable norms. Despite all structural differences to domestic law, Mosler holds that this concept is also transposable to international law (16‑22), because international law is more than a bundle of bilateral and multilateral relations. The international community of states had always exhibited a minimum level of homogeneity and community character (16‑17).

However, Mosler’s subsequent reasoning does not clarify what this reference to the international community means for his understanding of ius cogens in international law. First of all, Mosler emphasises that conceiving states as the legislators of international law would entail that they could also determine which norms to endow with what status or effects – conferring ius cogens status on some, and ius dispositivum status on other norms. With this understanding, regional ius cogens norms are well conceivable: A group of states can create a regional norm by treaty or regional customary law and confer, within their relations, ius cogens status on it. Mosler does not explicate this possibility, but implies it when he cites restrictions on the freedom of contract of the member states of the European Communities as an example of ius cogens (20‑21). In a later section on the emergence of ius cogens (37‑39), however, Mosler refers exclusively to norms of general international law (i.e. applicable to all states), as does the Vienna Convention cited above. This would exclude the possibility of regional ius cogens. In the end, Mosler’s view on the universality of ius cogens remains unclear. Secondly, with this understanding, the content of ius cogens norms could be completely trivial. If states are free to confer ius cogens status on any norm they create, ius cogens norms may have any content. It is unclear how this characteristic can be reconciled with the connection of ius cogens to the community character of the international legal order, which Mosler initially emphasised.

Finally, however, Mosler claims that certain ius cogens norms also arise “from rationally recognisable necessities of coexistence” (18). Thus, some ius cogens norms could be made by states, others would be removed from states’ law-making powers. From today’s perspective, Mosler’s openness to different types of ius cogens norms is astonishing and thought-provoking. Current scholarship still disagrees whether ius cogens norms acquire their status by states conferring it, or from a source beyond states’ control, which can be described as natural or rational law. These two potential sources of ius cogens status are widely regarded as mutually exclusive – in stark contrast to Mosler, who apparently accepts different sources for different ius cogens norms. Overall, Mosler is in favour of understanding ius cogens in international law as an antonym to ius dispositivum, in keeping with domestic ius cogens.

Ius Cogens as the Ordre Public of International Law

In contrast, Mosler is sceptical about the second conceptual root of ius cogens he identified, ius cogens understood as an international ordre public. According to Mosler, ordre public refers to “norms whose respect is necessary for the preservation of the international legal community” (24). These norms protect “legal values that serve the purpose of the legal community”. Ius cogens in the sense of ordre public would be significantly broader than in the domestic sense described above. Beyond restricting freedom of contract, ius cogens so understood would prohibit factual conduct of states (25‑26). Mosler uses the example of the prohibition of the use of force as a norm of ius cogens to illustrate this difference: in addition to the invalidity of a treaty derogating from the prohibition of the use of force, there would then be a prohibition of the individual act of aggression. Mosler ultimately rejects this expansion of ius cogens, arguing that there was no reason to give the clear domestic concept of ius cogens a different content in international law.

However, Mosler then proceeds to argue for a certain expansion of international ius cogens beyond the domestic concept. In international law, ius cogens could also bind states that are “outsiders to law‑making” (26), i.e. those that have not participated in or even reject the creation of the norm in question. Such an effect is irrelevant for domestic ius cogens, since all individuals are bound by the law regardless of their will or their participation in law‑making. This aspect of Mosler’s article has prevailed: Even a state that constantly protests against them (the so‑called persistent objector) is bound by ius cogens norms regardless of its protest.

However, Mosler’s invocation of the North Sea Continental Shelf case of the International Court of Justice (ICJ) to justify this feature of ius cogens is not convincing. The ICJ had assumed that Germany could, under certain circumstances, be bound against its will by a norm of international law invoked by Denmark and the Netherlands. According to Mosler, this assumption only makes sense if one accepts that ius cogens could create such a binding obligation against the will of the state in question (28). Mosler’s reasoning is not cogent though, because the ICJ’s assumption makes sense even without recourse to ius cogens; it may be justified by the rules regarding the creation and effect of customary international law. A contrary intention alone does not prevent a state from being bound by a rule of customary international law; rather, according to the persistent objector rule, this intention must also be clearly expressed in due time, and persistently upheld. Only if the ICJ had established, firstly, that the disputed norm had attained customary international law status and, secondly, that Germany fulfilled the requirements of the persistent objector, would the question have arisen as to whether Germany was still bound by the norm by virtue of its ius cogens character. Accordingly, the North Sea continental shelf case did not play a role in later debates on ius cogens. Perhaps Mosler’s reference to the case simply stemmed from the fact that he had been involved in the ICJ case as an ad hoc judge. Overall, Mosler’s article does not present a stringent account of ius cogens.

3. Mosler’s method: Using Exclusively German and European Examples

In addition to these weaknesses in terms of content, Mosler’s article also suffers from methodological flaws. Mosler’s two‑step argumentation on ius cogens as an antonym to ius dispositivum (first: ius cogens as a principle in domestic law; second: transfer of the principle to international law) is reminiscent of a recognised method for determining general principles of international law. It is surprising how frankly Mosler contended himself in the section on ius cogens in domestic law (14‑16) with looking only at the German legal system to establish ‘the’ domestic meaning of ius cogens that he then used for his further argument. According to the uncontended understanding of Article 38 of the ICJ Statute, also at the time, general principles of law are only such that are recognised in the national legal systems of many different states. Mosler cites the German Civil Code (15) but does not turn his attention to any other national legal system. Other sections of his article are also dominated by examples from the German legal system, be it the principle of federal loyalty enshrined in the Basic Law (31), the concept of the margin of discretion in administrative law (32), or the jurisprudence of the Federal Constitutional Court on unconstitutional constitutional law (38).

At least Mosler’s European spirit (serving as a judge at the European Court of Human Rights since 1959) is recognisable. Mosler refers to the jurisprudence of this court (32) and, as already mentioned, cites the European Communities as organisations whose member states have consented to a restriction of their freedom of contract (20‑21). Nevertheless, examples beyond the German or European legal sphere are completely absent. This is particularly surprising given that Mosler was, at the same time, director of an institute whose expertise includes comparative legal research outside the borders of Europe. The fact that Mosler initially presented his (later revised) article as a lecture to the Swiss Association for International Law can hardly serve as an explanation either, as Mosler makes no reference whatsoever to Swiss law.

The impression therefore arises that Mosler’s reflections on ius cogens in international law were restricted by German and European preconceptions. Today’s international legal scholarship would rightly criticise reading universal international law through such a lens as Eurocentrism and epistemic nationalism. According to Anne Peters, who coined the term, one characteristic of epistemic nationalism is that approaches to international law are coloured by preconceptions from national law and therefore cannot deliver on their universal claim. It is precisely this danger that permeates Mosler’s article by limiting itself to predominantly German examples.

4. Uncertain Prospects

Despite its methodological and conceptual weaknesses of Mosler’s article, his distinction between two conceptual roots underlying ius cogens in international law is enlightening. On the one hand, ius cogens is still seen today primarily as restricting the treaty-making power of states, similar to ius cogens as an antonym to ius dispositivum. In this context, ius cogens serves as a regulatory technique open to any content, and to regional ius cogens norms. On the other hand, ius cogens today is widely linked to fundamental values of the international community, as emphasized by the ordre‑public‑conception and recently reflected in the conclusions of the ILC on ius cogens. The unresolved tension between these two conceptual roots of ius cogens explains the persisting ambiguity of ius cogens in international law. It remains to be seen how ius cogens will evolve in international law and international legal scholarship. Contrary to Mosler’s assessment from 1969 quoted at the beginning, it seems to me today that it would be inappropriate to claim an ultimate assessment of the philosophical and emotional highlights of the discussion on ius cogens, as would be a prediction of future developments of public international law entailed thereby.

Suggested Citation:

Felix Herbert, Hermann Mosler and „Ius Cogens in International Law“, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240327-100310-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

“An epoch-making event”? The Foundation of the Kaiser-Wilhelm-Institute and the Anglo-American Research Community, 1912-1933

In 1926, a short note in the renowned American Journal of International Law announced the foundation of the Kaiser-Wilhelm-Institute for Foreign Public Law and International Law (KWI). The note announced Viktor Bruns as director of the KWI, who together with two colleagues from the Law Faculty at the University of Berlin, Rudolf Smend and Heinrich Triepel would lead the KWI. It outlined that the KWI would research public law and international law for “scientific and practical governmental purposes”, and that publications would follow and hopefully make “valuable contributions” to international law in the future.[1] This rather general note about the KWI was the only one in any Anglo-American law journal at the time. This article examines the KWI’s perception in the Anglo-American legal community in the interwar period but also looks at the broader trend of the foundation of national and regional law institutions in the period of the First World War.

The Invisible KWI

It was not until 1929, three years after the initial note, that the KWI began to reach a broader audience in the Anglo-American legal community, particularly in the United States, with the journals Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (“Journal for Foreign Public Law and International Law”, today: Heidelberg Journal of International Law) from 1929 and the Fontes Juris Gentium from 1931. The first editions of the KWI’s publications won acclaim in the review sections of Anglo-American law journals. Eminent American jurists, such as Manley O. Hudson, Law Professor at Harvard University, and Philipp C. Jessup, Law Professor at Columbia University, reviewed these German publications in the most important law journals in the United States. Both lawyers were not only known in academic circles but also regularly advised the US government in legal matters. Manley O. Hudson wrote in the American Journal of International Law that the Fontes Juris Gentium were a “monumental undertaking” which gave “new significance to the reality of international law”.[2] Philipp C. Jessup welcomed the Fontes Juris Gentium in the Political Science Quarterly, stating the publication provided a “survey of international practice”, which would be greeted with a “warm and grateful applause”.[3] Another colleague, Charles  G. Fentwick of Bryn Mawr College hoped that not only students but also governments would make use of the Fontes Juris Gentium.[4] However, while the KWI’s publications were read with great interest in the United States, the Fontes Juris Gentium received rather mixed reviews in British law journals. In the British Year Book of 1932 British jurist, James L. Brierly, Chichele Professor of International Law and Diplomacy at the University of Oxford, felt it was “not easy to express an opinion” on the Fontes Juris Gentium because of the enormous scope of the project, which included translations, extracts, and digests of national and international judgements.[5]

Edwin Borchard before the Senate Judiciary Committee 1937[6]

The reviews also mentioned the KWI as the publications’ editor, although the Kaiser-Wilhelm-Society was not mentioned. Abraham Howard Feller of Harvard University, who had also worked at the KWI and was part of the editorial team of the Fontes Juris Gentium, expressed his hope that the KWI would play an “increasingly large part in international legal life”.[7] Edwin Borchard, a Law Professor at Yale University, wrote the most enthusiastic and extensive review about the KWI and its publications in the American Journal of International Law. Therein, Borchard praised the foundation of the KWI as “an epoch-making event”, and portrayed the KWI as an example for other future research institutes and imagined a cooperation amongst them.[8] His praise may not have been without self-interest, though. Borchard himself contributed to the first edition of the Journal with an article entitled “The Kellogg Treaties Sanction War”.[9] As one of the first American law professors, Borchard lectured at Berlin University in 1925 and he was a close friend of Viktor Bruns. Borchard also belonged to a group of American intellectuals who favoured American non-intervention in the First and Second World Wars.[10]

Traditions of Legal Institutions

The foundation of the KWI also has to be seen in the broader context of the foundation of other national and regional institutions of international law prior to and during the First World War. All institutions served the scientific community as well as governments in building understanding of the role of international law in international politics and ways in which states could use international law as an instrument to serve national interests while simultaneously fitting into an increasingly internationalised world. For instance, the American Institute of International Law, founded in 1912, aimed to understand the role of international law in the formation of an international society in the Americas. The hemispheric approach aimed to develop international law, which more specifically served the needs of the Americas.[11] In fact, the Institute particularly served US imperial policy in Latin and South America.[12]

The First World War led to a temporary suspension of the work of international law organisations, such as the Institut de Droit International (IDI) and the International Law Association, whose aim was to advance the codification of international law by collecting and analysing various national laws and practices, and to find a common ground for international norms.[13] But with the suspension of these organisations, the closely-knit networks of international lawyers saw the creation of new national organisations. In 1915, the Grotius Society was founded in Great Britain with the aim of studying the developments of international law during the war. In its wartime publication Problems of the War, academics and law practitioners discussed pressing themes, which emerged from the war, such as neutrality, blockade, reprisals, prisoners of war, and enemy merchantmen. Membership was confined to British citizens (although some exceptions could be made) and the majority of articles reflected allied perspectives.[14] The Society’s Vice-President, Henry Goudy, who held one of the most prestigious academic positions as Regius Professor of Civil Law at the University of Oxford, wrote that it was a “purely British Society”.[15] Goudy eagerly emphasised that the Society’s goal was to “treat all international questions in an absolutely independent spirit”, yet followed this claim by a long list of Germany’s violations of international law.[16]

Politics and International Law

The example of the Grotius Society signalled the broader question that concerned the international law community in both war and peace time: the relationship between politics and international law. In 1873, the founding members of the IDI intensely debated how they should position themselves as an academic society between politics and international law. The IDI’s statutes initially stated that active members were not allowed to execute political mandates.[17] Yet, this clause was soon dropped when the members of the IDI realised that international norms could only be developed with the involvement of national parliaments and governments.[18] It showed, crucially, that national and international legal norms were constituted at the same time.

Viktor Bruns, 1937[19]

The end of the First World War, too, demonstrated that politics and international law were closely intertwined.[20] The Versailles Treaty system created an international post-war order with the League of Nations and the Permanent Court of International Justice (PCIJ) at its heart.[21] The foundation of the KWI reflected the need of the German government to develop expertise and knowledge in the field of international law which would enable it to effectively defend Germany’s interests in the Versailles Treaty system. Thus, it is not surprising that the KWI primarily focused on reparations and occupation.[22] In fact, with Germany’s admission to the League of Nations in 1926, active participation in the new international order was desirable for Germany. And yet, German politicians and the German public were sceptical of the League’s ability to respond to German interests, as were many lawyers.[23] Despite that, the director of the KWI, Viktor Bruns, earned his reputation as a German representative at the PCIJ and as a judge in several mixed arbitration commissions during the interwar period.[24]

The KWI as an “epoch-making event”?

The KWI was part of a broader trend, which was happening at the same time in the Anglo-American research community, regarding the foundation of international law institutions to understand the international order by examining international law from national and regional perspectives. The institutions pursued similar aims, scope, and methods to examine and comment on an increasingly internationalised world, which strengthened, but also limited, the sovereignty of states.[25] The oscillation between the international and national sphere characterised the interwar period and, more often than not, the two complemented rather than opposed each other.[26] Lively discussions took place in the international law community on wartime developments of international law, the post-war order, the Versailles Treaty, the relationship of states and the League of Nations as well as the PCIJ.[27] The foundation of the KWI was not only an epoch-making event, it was also a response to the challenges of the interwar period, which redefined the relationship between states and the international sphere, and, moreover, the role of international law in politics.

[1] Institut für Ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht, AJIL20 (1926), 357.

[2] Manley O. Hudson, Review: Fontes Juris Gentium by Viktor Bruns, Ernst Schmitz, A.H. Feller and B. Schenk Graf von Stauffenberg, AJIL 25 (1931), 795-796.

[3] Philip C. Jessup, Review: Fontes Juris Gentium. Series A. Sectio 1. Tomus 1 and 2. Sectio 2, Tomus 1, edited by Viktor Bruns, Political Science Quarterly 47 (1932), 296-299 (97, 99).

[4] Charles G. Fentwick, Review: Fontes Juris Gentium, ed. by Viktor Bruns, The University of Pennsylvania Law Review 81 (1932), 238-239.

[5] James L. Brierly, Review: Fontes Juris Gentium, ed. by Viktor Bruns, British Year Book of International Law 13 (1932), 199-201 (200); For a more sympathetic review, see: Wyndham A. Bewes, Review: Fontes Juris Gentium, ed. by Viktor Bruns, International Affairs 12 (1933), 397.

[6] Public Domain.

[7] Abraham H. Feller, Review: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, edited by Viktor Bruns and others, Harvard Law Review 43 (1930), 851.

[8] Edwin M. Borchard, Institut für Ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht, AJIL 24 (1930), 587-591.

[9] Edwin M. Borchard, “The Kellogg Treaties Sanction War,” HJIL 1 (1929), 126-131.

[10] Hatsue Shinohara, US International Lawyers in the Interwar Years. A Forgotten Crusade, Cambridge: Cambridge University Press 2012, 17-24, 124-131.

[11] Constitution of the American Institute of International Law, in: James Brown Scott (ed.): American Institute of International Law: Its Declaration of the Rights and Duties of Nations, Washington, D.C.: The American Institute of International Law 1916, 107-116, Article II: 107-108.

[12]Juan Pablo Scarfi, The Hidden History of International Law in the Americas. Empire and Legal Networks, Oxford: Oxford University Press 2017, 33, 37-38.

[13] Gabriela A. Frei, The Institut de Droit International and the Making of Law for Peace, 1899-1917, in: Remi Fabre (ed.), Les défenseurs de la paix (1899-1917), Rennes: Presses Universitaires de Rennes 2018, 133.

[14] The Grotius Society. Founded 1915. Rules, Problems of the War 1 (1915), vii-ix.

[15] Henry Goudy, Introduction, Problems of the War 1 (1915), 1-7 (1).

[16] Goudy (fn. 15), 2.

[17] Statuts votés par la Conférence Juridique internationale de Gand, le 10 Septembre 1873, Annuaire de l’institut de droit international 1 (1877), 1-4.

[18] Revision des statuts – Règlements nouveaux, Annuaire de l’institut de droit international 9 (1887-88), 357.

[19] AMPG, Berlin.

[20] Marcus M. Payk, Frieden durch Recht? Der Aufstieg des modernen Völkerrechts und der Friedensschluss nach dem Ersten Weltkrieg, Oldenbourg: De Gruyter 2018, 495-653.

[21] Dan Gorman, Cooperation, Conflict, and International Order: Lessons from the Post-WW1 Settlement, in: Seth Center/Emma Bates, After Disruption: Historical Perspectives on the Future of International Order, Washington D.C.: Center for Strategic and International Studies 2020, 24-59 (25-27).

[22] Felix Lange, Between Systematization and Expertise for Foreign Policy: The Practice-Oriented Approach in Germany’s International Legal Scholarship (1920-1980), EJIL 28 (2017), 538-540 (543-544).

[23] Christoph M. Kimmich, Germany and the League of Nations, Chicago: University of Chicago Press 1976, 94-105; Martti Koskenniemi, The Gentle Civilizer of Nations. The Rise and Fall of International Law 1870-1960, Cambridge: Cambridge University Press 2001, 236-238.

[24] Viktor Bruns, La Cour Permanente de Justice Internationale. Son Organisation et sa Compétence, in: Hague Academy of International Law (ed.), Recueil des cours – Collected Courses of the Hague Academy of International Law, vol. 62, Leiden: Brill 1937, 549-670; Heinrich Triepel, Nachruf Viktor Bruns, HJIL 11 (1942/43): 324a-324d.

[25] Leonard V. Smith, Sovereignty at the Paris Peace Conference of 1919, Oxford: Oxford University Press 2018, 260-262.

[26] Glenda Sluga, Internationalism in the Age of Nationalism, Philadelphia: University of Pennsylvania Press 2013; Glenda Sluga/Patricia Clavin, Rethinking the History of Internationalism, in: Glenda Sluga/Patricia Clavin,  Internationalisms. A Twentieth-Century History, Cambridge: Cambridge University Press 2017, 3-13.

[27] Geoffrey Butler, Sovereignty and the League of Nations, British Year Book of International Law 1 (1920/21), 35-44; Arthur Baumgarten, Souveränität und Völkerrecht, HJIL 2 (1929), 305-334; Jesse S. Reeves, International Society and International Law, AJIL 15 (1921), 361-374.

Suggested Citation:

Gabriela Frei, “An epoch-making event”? The Foundation of the Kaiser-Wilhelm-Institute and the Anglo-American Research Community, 1912-1933, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240403-174131-0.

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

Fontes Juris Gentium. Ein völkerrechtliches Editionsprojekt

Fontes Iuris Gentium. An editorial project on international law

Deutsch

Einleitung. Zur Schaffung eines „Sinnsystems“

Vor etwa 100 Jahren war es wohl allenfalls Utopisten vorstellbar, dass riesige Quellen- und Textsammlungen digital verfügbar sein könnten. Zu jener Zeit waren Textsammlungen dessen, was man als Völkerrecht kannte, äußerst rar und ihre Anpassung an Rechtsentwicklungen allein schon aus technischen Gründen zeit- und natürlich auch kostenaufwendig. Die bedeutendste Sammlung völkerrechtlicher Quellen war seinerzeit der von Martens herausgegebene Recueil völkerrechtlicher Verträge, dessen erster Band bereits 1791 erschien.[1] Diese Publikation wird zurecht als die bedeutendste Grundlage des Völkerrechts und Martens daher als „Vater des positiven Völkerrechts“ angesehen.  Vor diesem Hintergrund war die Idee, weitere völkerrechtliche Quellen zu sammeln und zu publizieren, folgerichtig und es war naheliegend, dass dabei der Blick auf die völkerrechtliche Praxis gelenkt wurde. Die verlässlichste Aussagekraft über diese bot die internationale Gerichtsbarkeit, was zu dem Projekt führte, den völkerrechtlichen Gehalt aus Entscheidungen internationaler Rechtsprechungsorgane kontinuierlich zusammenzustellen und zu veröffentlichen. Der Urheber des Projekts, Viktor Bruns, Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (später Max-Planck-Institut, MPIL), umschrieb die Grundidee folgendermaßen:

„Es ist … Aufgabe der Wissenschaft, die Grundlagen und Grundprinzipien des Völkerrechts als einer Rechtsordnung zu ermitteln und ein System aufzustellen, das aus der Beobachtung der internationalen Praxis gewonnen ist und das ein Sinnsystem ist, das dem Charakter einer Rechtsordnung und im speziellen dem einer Ordnung für das Zusammenleben und den Verkehr der Staaten entspricht. So muß die Theorie des Völkerrechts aus der Erfahrung in der Praxis gewonnen, und so muß die Praxis an den so gewonnenen Erkenntnissen geprüft werden. Das ist nur möglich auf Grund eines umfassenden Überblicks über die internationale Praxis. Diesen Überblick zu verschaffen, ist Zweck der Herausgabe der Fontes Juris Gentium.“[2]

Da bekanntlich Völkerrecht nicht nur Grundlage der Entscheidungen vor internationalen Gerichten ist, sondern auch nationale Gerichte bei ihrer Rechtsfindung Völkerrecht anzuwenden haben, war das Projekt Fontes Iuris Gentium nicht nur darauf angelegt, die Rechtsprechung internationaler Gerichte zu bearbeiten, sondern auch die Positionen nationaler Gerichte zu völkerrechtlichen Fragen aufzuarbeiten. Entsprechend wurden in der Serie der Fontes zur   Gerichtsbarkeit (Series A) zwei Abteilungen vorgesehen: die erste Abteilung (Fontes Iuris Gentium, Series A, Sectio 1) war der internationalen Gerichtsbarkeit gewidmet, das heißt dem Ständigen Schiedshof und dem Ständigen Internationalen Gerichtshof (StIGH) und dessen Nachfolger, dem Internationalen Gerichtshof (IGH). Die zweite Abteilung dieser ersten Serie (Fontes Iuris Gentium, Series A, Sectio 2) galt der Erörterung völkerrechtlicher Fragen in den Entscheidungen der obersten Gerichte der wichtigsten Staaten. Zusätzlich zur Serie über die internationale Gerichtsbarkeit wurde eine zweite Serie angelegt, die die politischen und rechtlichen Grundsätze aus dem Notenwechsel der wichtigsten Staaten enthalten sollte (Series B). Geplant, aber niemals ausgeführt wurden zudem eine dritte Serie zu Gutachten und Entscheidungen internationaler Organe, die nicht den Charakter internationaler Gerichte haben (Series C), und schließlich eine vierte Serie (Series D), in der die Vertragsklauseln der wichtigsten, seit Beginn des 19. Jahrhunderts abgeschlossenen Verträge enthalten sein sollten.[3] Dass dieses höchst ehrgeizige Vorhaben nur in langfristiger Zusammenarbeit mehrerer Wissenschaftler durchgeführt werden konnte, war offensichtlich. Daher war es ohne Frage bei einer Forschungseinrichtung wie dem MPILin den richtigen Händen und wohl auch nur hier zu bewältigen.

System und Aufbau der Fontes  

Meine persönliche Erfahrung mit der Arbeit an den Fontes betrifft nur die Serie A, Sectio 1, also die Bearbeitung der Entscheidungen des IGH, beginnend mit der Publikation von Band 6, der die Entscheidungen von 1959-1975 enthält, bis zur Beendigung des Projekts im Jahr 2005.

Als ich 1970 als wissenschaftliche Referentin am MPIL angestellt wurde, war dies in zweierlei Hinsicht etwas Besonderes, was mir allerdings erst später bewusst wurde. Zum einen war damals schon die Tatsache, dass Frauen im wissenschaftlichen Bereich eingestellt wurden, außergewöhnlich und kann als „Pilotprojekt“ für die dann später zunehmende Einstellung von Kolleginnen angesehen werden. Zum anderen, und wesentlich bedeutender, war die Tatsache, dass meine vita nicht den Lebensläufen bisheriger Mitarbeiter entsprach. Ich hatte nämlich in einem ersten Studium den Weg als Diplomdolmetscherin eingeschlagen und dann bei der EWG mit seinerzeit noch nur sechs Mitgliedstaaten als Simultandolmetscherin gearbeitet. Aber diese wenig kreative Tätigkeit erschien mir auf Dauer nicht befriedigend und so studierte ich dann Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg. Die Kombination aus Sprachkompetenz und erfolgreichem Jurastudium war dann offensichtlich ausschlaggebend für meine Einstellung –insbesondere mit Blick auf das Projekt Fontes, das aufgrund der zunehmenden Zahl von Fällen, die vor den IGH gebracht wurden, intensiveren Einsatz forderte. Erfreulicherweise blieb jedoch trotzdem noch Raum für die Fertigstellung einer Dissertation.[4] Neben den üblichen Aufgaben als wissenschaftlicher Referent am Institut blieb ich bis zur Einstellung 2005 „die Konstante“ des Fontes‑Teams, dessen Leitung ich 1985 übernommen hatte, mit Beginn der Fortführung des  Projekts in der von Professor Rudolf Bernhardt initiierten Form des World Court Digest. Die weiteren drei bis vier Mitglieder der Arbeitsgruppe waren jeweils nur vorübergehend eingebunden.

Wie schon erwähnt, begann meine Tätigkeit an den Fontes mit den beiden Teilbänden von Band 6 der Fontes Series A, Sectio 1. Diese waren (zusammen mit Band 7, der die Dekade von 1976 bis 1985 abdeckt) die letzten Bände, die noch unter dem ursprünglichen Titel und in der ursprünglichen Form der Fontes Iuris Gentium erschienen. Die Dokumentation der späteren Rechtsprechung des IGH wurde dann unter dem Titel World Court Digest fortgeführt, allerdings mit einigen wesentlichen Änderungen.

Aber zunächst einmal zum grundlegenden System der Fontes-Serie. Wie der Titel bereits sagt, handelt es sich um ein Quellenwerk. Das heißt, dass nur Exzerpte aus den Originaltexten der Entscheidungen des Gerichts wiedergegeben wurden. Das schließt natürlich auch Gutachten ein. Da die Entscheidungen jeweils in Englisch und Französisch abgefasst sind, wurden jeweils beide Sprachfassungen aufgenommen, auf der linken Buchseite die französische Fassung, auf der rechten die englische. Exzerpte des authentischen Texts der Entscheidung wurden mit einem Stern (*) gekennzeichnet. Auch Erklärungen und Sondervoten, die den Entscheidungen angefügt sind, wurden ausgewertet und zunächst in kleinerem Druck einbezogen, auch hier wurde jeweils die authentische Sprache kenntlich gemacht. Später, bei der Umstellung auf den World Court Digest, wurde allerdings die Einbeziehung der Sondervoten und Erklärungen zunächst grundsätzlich in Frage gestellt. Die Aufnahme dieser Texte wurde aber dann – glücklicherweise – doch beibehalten, da sie zum Diskussionsstand im Gericht und insbesondere auch zur Entwicklung der Rechtsauffassung des Gerichts außerordentlich informativ sind.

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Die Systematik aller Bände folgt einem einheitlichen Aufbau: Der erste Teil der jeweiligen Bände gilt dem materiellen Recht, das in gleichbleibender Struktur von den Grundlagen und Grundfragen des Völkerrechts über spezielle Rechtsgebiete wie Vertragsrecht, Staatshaftungsrecht, und internationale Organe bis hin zu Krieg und Neutralität reicht. Gerade in diesem Teil hat sich natürlich die Bandbreite der Sachgebiete über die Jahre ganz wesentlich erweitert, da das Völkerrecht immer mehr Bereiche abdeckt, wie zum Beispiel Seerecht, Luft- und Weltraumrecht, Menschenrechte, internationales Wirtschaftsrecht, internationales Umweltrecht, internationales Strafrecht, um nur einige der neueren Aspekte zu nennen. Der zweite Teil eines Bandes gilt jeweils der Struktur der internationalen Gerichtsbarkeit, also dem StIGH und dem KaIGH und hat sich sachlich nicht erweitert. Er behandelt neben den Grundlagen der internationalen Gerichtsbarkeit die Bereiche Zuständigkeit, Verfahren, Urteile und Gutachten.

Wie bereits betont, trug die Publikation ursprünglich den Titel Fontes Iuris Gentium und den Untertitel Handbuch der Entscheidungen des (Ständigen) Internationalen Gerichtshofs. Dieser präzisierende Zusatz war durchaus sinnvoll, denn die Entscheidungen internationaler Gerichte sind als solche nicht „Quellen“ des Völkerrechts, da Gerichte bekanntlich nicht Recht setzen, sondern Recht sprechen. Allerdings sind die Grenzen hier oft fließend, und gerade im Völkerrecht gab es vor 100 Jahren nicht nur „weniger Recht“, sondern vor allem: weniger geschriebenes, kodifiziertes Recht. Aufgabe und Wert der Fontes lag insbesondere darin, genau herauszuarbeiten und zu dokumentieren, was das internationale Gericht als Teil des positiven Völkerrechts festgestellt hatte. Diese Zielsetzung musste bei der konkreten Arbeit immer wieder in Erinnerung gerufen werden, denn bisweilen war es schon sehr verlockend, ein Exzerpt kurz zu halten und damit die Aussage des Gerichts konkreter und definitiver zu fassen, als sie tatsächlich sein sollte. Doch der wissenschaftliche Geist und die Verantwortung des Teams und seines langjährigen Leiters Rudolf Bernhardt führten – wie wir fanden – immer dazu, die „Quelle“ nicht anzutasten und Aussagen so umfänglich wie erforderlich zu reproduzieren, um ihren tatsächlichen Gehalt getreu widerzuspiegeln. Dieses Bestreben führte auch dazu, dass beim Übergang zum World Court Digest längere Exzerpte aufgenommen wurden, um Ausgangspunkt, Parteivorbringen und Bewertung des Gerichts genauer abzubilden. Angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Fälle und der Umfang der Entscheidungen im Laufe der Zeit stark zugenommen hatten – was eine erfreuliche Akzeptanz der internationalen Gerichtsbarkeit dokumentiert – wurden damit jedoch auch Einschnitte an anderer Stelle erforderlich. Konkret hatte dies zur Folge, dass die Zweisprachigkeit aufgegeben wurde und nur noch die englischen Texte der Entscheidungen ausgewertet und wiedergegeben wurden – unabhängig davon, ob sie die authentische Textfassung waren.  Neu eingeführt wurde eine Zusammenfassung der Fälle in englischer Sprache, was bei den oft recht komplizierten Grundlagen der Streitigkeiten und auch Gutachtenfragen sehr hilfreich war. Zudem wurde auch eine Liste der Richter und ad hoc Richter des behandelten Zeitraums erstellt, so dass die bearbeitete Periode im Gesamtüberblick leicht zu überschauen war.

Editorische Arbeit im vordigitalen Zeitalter: Mit Schere, Papier und Klebstoff

Wie Viktor Bruns schon im Vorwort zum 1. Band der Serie A, Sectio 1, erwähnt hatte, konnte nur ein Team von Wissenschaftlern, in der Regel vier bis fünf Kollegen, die Arbeit an den Fontes leisten. Das erforderte zunächst einmal vor allem die intensive Lektüre der Entscheidungen und dann, in nicht minder intensiven Diskussionen, die Entscheidung darüber, welche Passagen an welcher Stelle der Systematik wiedergegeben werden sollten. Hierbei war eine gewisse Kontinuität zumindest eines Teils des Teams hilfreich, so dass Erfahrung mit der Kultur der Fontes und neuer Input durch neue Mitarbeiter gleichermaßen permanent gesichert waren. Für neue Teamkollegen, vor allem jüngere Mitarbeiter, bot dies Gelegenheit, sich intensiv mit den Entscheidungen des „Weltgerichtshofs“ zu befassen, die bis heute ein wesentlicher Spiegel des Standes des Völkerrechts und seiner Entwicklung sind. Kritische Auseinandersetzung mit dem Völkerrecht konnte auf diese Weise hervorragend vermittelt und eingeübt werden.

Dorothee Bender (1970er) (Foto MPIL)

Neben dem „wissenschaftlichen Team“, dem die Auswahl der Exzerpte und ihrer Position in der Systematik oblag, hing die Herstellung der einzelnen Bände natürlich ganz wesentlich von dem „technischen Team“ ab, das in der Regel aus nur zwei oder drei Personen bestand. Die Herstellung des Manuskripts im „vordigitalen Zeitalter“ mag heute geradezu abenteuerlich erscheinen. Sie verdient an dieser Stelle ausdrückliche Würdigung, denn ohne die akribische Mitarbeit der Sekretariate wäre wohl kaum je ein Band erschienen. Natürlich können hier nicht alle einzelnen Mitarbeiterinnen genannt werden, die sich da höchst verdienstvoll betätigt haben, aber stellvertretend soll zumindest Dorothee Bender namentlich erwähnt werden, die über Jahrzehnte der nicht-digitalen Welt diese Arbeit in der ihr eigenen Perfektion hauptverantwortlich bewältigt hat. Und das lief folgendermaßen ab: Wenn das Team sich auf ein Exzerpt und dessen Einordnung in die Systematik geeinigt hatte, wurde dies im Text der Entscheidung kenntlich gemacht und seine Zuordnung vermerkt. Händisch musste dann dieses Exzerpt mit einer Schere aus dem Text ausgeschnitten und auf ein Blatt Papier geklebt werden; die entsprechende Rubrik des Exzerpts sowie die Angabe der Seiten im Urtext waren dann manuell und gut leserlich einzufügen. War ein Exzerpt für mehrere Rubriken vorgesehen, so musste es mehrfach abgetippt werden und den gleichen Weg gehen. Die Entscheidungen des Gerichts sahen nach diesem Prozedere sehr löchrig aus.  Und das Endmanuskript der Fontes bestand schließlich aus den gesammelten Seiten mit den aufgeklebten Exzerpten. Für die beiden Teile von Band 6 zum Beispiel – insgesamt über 830 Seiten – war das ein eindrucksvolles Konvolut, das natürlich noch ungebunden war und daher sorgfältig gehütet werden musste, damit kein einziges Blatt verloren ging oder falsch einsortiert wurde. Dieser zugegeben aufwendigen, aber verlässlichen Art der Manuskriptherstellung haben wir schmerzlich nachgetrauert, als das erste im Institut am Computer verfasste Manuskript, der World Court Digest 1986-1990, plötzlich auf mysteriöse Weise „verschwunden“ war, kurz bevor es zum Verlag gehen sollte –  und auch nur teilweise wieder hergestellt werden konnte. Allerdings blieb dieses Missgeschick einmalig – und die Herstellungsweise konnte insgesamt den technischen Fortschritten angepasst werden, die es bald auch ermöglichten, eine digitale Online-Version zur Verfügung zu stellen.[5]

Schlussbemerkung

Der durch die digitale Entwicklung erleichterte Zugriff auf die Originaltexte der Entscheidungen des IGH ist fraglos sehr zu begrüßen, kann meines Erachtens aber die Fontes Iuris Gentium bzw. den World Court Digest nicht völlig ersetzen. Denn diese Publikationen machten es möglich, die Entwicklungen des Völkerrechts zu bestimmten Sachbereichen, so wie sie in den Entscheidungen des IGH zum Ausdruck kamen, kontinuierlich über Jahrzehnte zu verfolgen. Gerade in den neueren Bereichen des Völkerrechts ist ein solcher „historischer“ Überblick außerordentlich lohnend und hilfreich. Und nebenbei sei bemerkt, dass die Bearbeiter dabei vielfach feststellen konnten, dass ihre Versuchung, Exzerpte kürzer zu fassen, und damit die völkerrechtliche Aussage kategorischer erscheinen zu lassen, als sie seinerzeit wirklich war, der tatsächlichen Entwicklung des Rechts oft nur vorgegriffen hätte. Die mit den Fontes eröffnete Möglichkeit, die Entwicklung des Völkerrechts in einzelnen Bereichen minutiös nachzuverfolgen, reicht nur bis 2005. Danach wurde das gesamte Projekt eingestellt, was, wie alle derartigen Entscheidungen, zwar nachvollziehbar ist, aber eben auch bedauerliche Nebenwirkungen hat.

[1] Georg Friedrich von Martens, Recueil des principaux traités d’alliance, de paix, de trêve, de neutralité, de commerce, de limites, d’échange etc. conclus par les puissances de l’Europe tant d’entre elles qu’avec du monde depuis 1761 jusqu’à présent, Bd. 1, Göttingen: Jean Chretien Dieterich 1791; Ab1819 wurde das Werk von unterschiedlichen Herausgebern bis 1944 fortgeführt unter dem Titel „Recueil Martens“.

[2] Viktor Bruns, Vorwort zu Band 1, Series A, Sectio 1, S. XI.

[3] Erschienen sind in Serie A, Sectio 1 Band 1 (1931), 3 (1935) und 4 (1964) zum Ständigen Internationalen Gerichtshof; Band 2 (1931) zum Ständigen Schiedshof und zum Internationalen Gerichtshof; die Bände 5 (1961), 6 (1978) und 7 (1990) in der „alten“ Fassung unter dem Titel Fontes Iuris Gentium und beginnend mit der Rechtsprechung ab 1986 unter dem Titel World Court Digest die Bände 1-4, die die Rechtsprechung bis einschließlich 2005 umfassen. In der Serie A, Sectio 2, sind in Band 1 (1931) die Entscheidungen des Deutschen Reichsgerichts von 1879 – 1929 bearbeitet worden; in Band 2 (1960) die Entscheidungen  des Reichsgerichts unter Einbeziehung der Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich, 1929-1945; Band 3 bis Band 9 betreffen dann die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung in völkerrechtlichen Fragen bis einschließlich 1985. Die Serie B Sectio 1 umfasst in Band 1 die diplomatische Korrespondenz von 1856 ‑1878 und in Band 2 die diplomatische Korrespondenz von 1871‑1878.

[4] Karin Oellers-Frahm, Die einstweilige Anordnung in der internationalen Gerichtsbarkeit, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 66, Berlin: Springer 1975.

[5] Diese ist zu finden auf: <www.mpil.de/de/pub/publikationen/archiv/world-court-digest.cfm>.

English

Introduction. On the establishment of a “material system”

Some 100 years ago, only utopians could have imagined that huge collections of legal sources and texts would become available digitally. At that time, collections of texts on what was known as international law were extremely rare and their adaptation to legal developments was – for technical reasons, to begin with – time-consuming and, of course, costly. The most important collection of international law sources at the time was the Recueil of international treaties edited by von Martens, the first volume of which was published as early as 1791.[1]  This publication is rightly regarded as the most important basis of international law and Martens is therefore considered the “father of positive international law”. Against this background, the idea of collecting and publishing further sources of international law was logical, and it was only natural that the focus was to be put on the practice of international law. Here, international jurisdiction offered the most reliable information, which led to the project of continuously compiling and publishing excerpts relevant to the determination of international law from the decisions of international judicial bodies. The initiator of the project, Viktor Bruns, Director of the Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law (later to become the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law, MPIL), described the main concept as follows:

“It is […] the task of science to ascertain the bases and basic principles of international law as a legal order and to draw up a system, informed by the observation of international practice and which is a material system, corresponding to the character of a legal order, specifically an order for the coexistence and interaction of states. Thus, the theory of international law must be extracted from experience in its practice and thus practice must be evaluated on the basis of the findings made in this manner. This is only possible based on a comprehensive overview of international practice. To create this overview is the purpose of the publication of the Fontes Juris Gentium.[2]

As international law is not only the legal basis of decisions of international courts, but national courts also have to apply international law, the Fontes Iuris Gentium project was designed not only to analyse the case law of international courts, but also to examine the positions taken by national courts on questions concerning international law. Accordingly, the Fontes series on jurisdiction (Series A) was divided into two sections: the first section (Fontes Iuris Gentium, Series A, Sectio 1) was devoted to international jurisdiction, i.e. the Permanent Court of Arbitration (PCA) and the Permanent Court of International Justice (PCIJ) as well as its successor, the International Court of Justice (ICJ). The second section of this first series (Fontes Iuris Gentium, Series A, Sectio 2) dealt with questions of international law in decisions of the highest courts of the most important states. In addition to the series on international jurisdiction, a second series was created, containing the political and legal principles derived from the exchange of diplomatic notes between the most important states (Series B). Planned, but never realised, were a third series on opinions and decisions of international bodies that do not have the character of international courts (Series C), and a fourth series (Series D), which was to contain the treaty clauses of the most important treaties concluded since the beginning of the 19th century.[3]  That this highly ambitious project could only be realised through the long‑term collaboration of several scholars was obvious. It was therefore evidently in the right hands at a research institution such as the MPIL and could arguably only be accomplished here.

System and structure of the Fontes 

My personal experience with the work on the Fontes only relates to Series A, Sectio 1, i.e. the processing of the decisions of the ICJ, starting with the publication of Volume 6, which contains the decisions from 1959-1975, until the termination of the project in 2005.

When I came to the MPIL as a research fellow in 1970, it was a special situation in two regards, although I only realised that later. Firstly, the employment of women in the scientific field as such was unusual at the time and can be seen as a “pilot project” for the later increase in the recruitment of female colleagues. Secondly, and much more importantly, my curriculum vitae differed from that of other research fellows. After my first degree I had initially chosen the career of a certified interpreter and had worked as a simultaneous translator at the EEC, which at the time had only six member states. This rather uncreative occupation did not strike me as satisfying in the long term, however, and so I went on to study law at the University of Heidelberg. The combination of language skills and a law degree was obviously the decisive factor in my recruitment – especially with regard to the Fontes project, which, due to the increasing number of cases brought before the ICJ, required more intensive work. Fortunately, however, there was still time to complete a doctoral thesis.[4]  In addition to my regular duties as a research fellow at the Institute, I remained “the constant” of the Fontes team, the leadership of which I took over in 1985, when, on initiative of Rudolf Bernhardt, the project was continued in the form of the World Court Digest. The other three to four members of the working group were each only involved on a temporary basis.

As already mentioned, my work on the Fontes began with the two parts of volume 6 of the Fontes Series A, Sectio 1, which (together with Volume 7, covering the ten-year period from 1976 to 1985) were the last volumes to appear under the original title and in the original form of the Fontes Iuris Gentium. The documentation of the ICJ’s later case law was then continued under the title World Court Digest, albeit with some substantial changes.

But, first of all, to the general structure of the Fontes series: As the title suggests, it is a collection of sources. This means that only excerpts from the original texts of the court’s decisions have been reproduced. This of course also includes advisory opinions. As the decisions are each formulated in English and French, both language versions were included, the French version on the left side of the book and the English version on the right side. Excerpts from the authentic text of the decisions were marked with an asterisk (*). Declarations as well as separate and dissenting opinions attached to the decisions were also analysed and initially included in smaller print; here, too, the authentic language was indicated. Later, during the transition to the World Court Digest, the inclusion of the separate opinions and declarations was called into question fundamentally. Fortunately, however, it was decided to continue with this practice after all, as these texts are extremely informative with regard to the state of the legal debate within the Court and, in particular, the development of the Court’s legal opinion.

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The composition of all volumes follows a standardised structure: The first part of each volume is devoted to substantive law, with a uniform structure ranging from the foundations and basic questions of international law to specific areas such as treaty law, the law of state responsibility, international organs and war and neutrality. In this part in particular, the range of subject matters has significantly increased over the years, as international law now covers more and more areas, such as the law of the sea, aviation law, space law, human rights law, international commercial law, international environmental law, and international criminal law, to name just a few of the more recent aspects. The second part of each volume is devoted to the structure of international jurisdiction, i.e. the PCIJ and the ICJ, and has not been expanded in terms of subject matter. It covers the foundations of international jurisdiction as well as the areas of jurisdiction, proceedings, judgements, and advisory opinions.

As previously highlighted, the publication was originally entitled Fontes Iuris Gentium and subtitled Handbuch der Entscheidungen des (Ständigen) Internationalen Gerichtshofs (“Digest of the Decisions of the (Permanent) International Court of Justice”. This clarifying addition was needed, as decisions of international courts are not as such “sources” of international law, since courts do not make, but apply law. However, the boundaries are often blurred, and in international law in particular there was not only “less law” 100 years ago, but above all, there was less positive/written, law. The significance and value of the Fontes lay in particular in precisely identifying and documenting what an international court had found to constitute part of positive international law. This objective had to be kept in mind in the course of the work, as it was sometimes very tempting to keep an excerpt short and thus make the Court’s statement appear more concrete and definitive than it actually was. However, the scientific spirit and responsibility demonstrated by the team and its long-standing head Rudolf Bernhardt always ensured – we believed – the safeguarding of the “sources’” integrity and the reproduction of statements as comprehensively as necessary in order to accurately reflect their true content. This ambition also led to the inclusion of longer excerpts after the transition to the World Court Digest with the aim to reflect the question at stake, the point of view of the parties and the assessment of the Court in more detail.  However, in view of the fact that the number of cases and the volume of decisions had increased significantly over time – which documents a commendable acceptance of international jurisdiction – this made it necessary to make cuts elsewhere in the new edition. Specifically, bilingualism was abandoned and only the English texts of the decisions were now analyzed and reproduced – regardless of whether they were the authentic text version.  A summary of the cases in English was newly introduced, which was very helpful in view of the often quite complicated origins of the contentious cases and advisory opinions. In addition, a list of the judges and ad hoc judges of the period covered was compiled, so that the period dealt with could be easily overseen at a glance.

Editorial work in the pre-digital age: with scissors, paper, and glue

As Viktor Bruns had mentioned in the preface to the first volume of Series A, Sectio 1, only a team of scholars, usually four to five colleagues, could accomplish the work on the Fontes. It required, first of all, an intensive reading of the decisions and then, in no less intense discussions, the making of decisions as to which passages should be reproduced and at which point in the systematic overview. A certain continuity of at least part of the team was helpful here, so that experience with the culture of the Fontes as well as new input from new team members were ensured on a permanent basis. For colleagues, especially younger employees, this provided an opportunity to familiarise themselves intensively with the decisions of the “World Court”, which to this day are an essential reflection of the state of international law and its development. In this way, critical analysis of international law was excellently conveyed and practised.

Dorothee Bender (1970s, photo: MPIL)

In addition to the “scientific team”, which was responsible for the decisions on the selection of excerpts and their position, the production of the individual volumes was of course largely dependent on the “technical team”, which usually consisted of just two or three members. The production of the manuscript in the “pre-digital age” may, from today’s perspective, seem quite adventurous. It deserves to be explicitly recognised here, as without the meticulous cooperation of the secretary’s offices, any volume would hardly ever have been published. Of course, it is not possible to name all the individual members of staff who deserve high appreciation for their efforts, but pars pro toto Dorothee Bender should be mentioned by name here, as she was primarily responsible for this work over decades in the non-digital age and managed it with immanent perfectionism. The process was as follows: Once the team had agreed on an excerpt and its categorisation in the system, this was indicated in the text of the decision and its categorisation was noted. This excerpt then had to be cut out of the text by hand with scissors and glued onto a sheet of paper; the corresponding heading of the excerpt and the page number in the original text then had to be inserted manually and in a clearly legible manner. If an excerpt was intended for several headings, it had to be typed out several times and then followed the same process. The decisions of the court looked very holey after this procedure.  The final manuscript of the Fontes ultimately consisted of the collected pages with the glued‑on excerpts. For the two parts of volume 6, for instance – which totalled over 830 pages ‑ this was an impressive compilation, which was of course still unbound and therefore had to be carefully guarded so that not a single page was lost or misplaced. We mourned the loss of this admittedly time-consuming but reliable way of producing manuscripts when the first manuscript written on a computer at the Institute, the World Court Digest 1986-1990, suddenly and mysteriously “disappeared” shortly before it was due to go to the publisher – and could only be partially restored. However, this mishap remained a one-off – and the overall production method could be modified in line with technological advances, which soon made it possible to provide a digital online version.[5]

Concluding remarks

The facilitation of access to the original texts of the decisions of the ICJ by digital innovations is undoubtedly to be commended, though in my opinion it cannot completely replace the Fontes Iuris Gentium or the World Court Digest. After all, these publications have made it possible to follow developments in international law in certain subject areas, as expressed in the decisions of the ICJ, continuously over decades. Especially in the more novel areas of international law, such a “historical” overview is extremely worthwhile and helpful. And, it may be noted in this context, that the editors have often realised that their temptation to shorten excerpts, and thus to make the statements on international law appear more categorical than they really were at the time, would often have anticipated the actual development of the law in many cases. The opportunity to trace the development of international law in individual areas in minute detail offered by Fontes only lasted until 2005; then, the entire project was discontinued, which, like all such decisions, is understandable but also has some regrettable consequences.

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Georg Friedrich von Martens, Recueil des principaux traités d’alliance, de paix, de trêve, de neutralité, de commerce, de limites, d’échange etc. conclus par les puissances de l’Europe tant d’entre elles qu’avec du monde depuis 1761 jusqu’à présent, vol. 1, Göttingen: Jean Chretien Dieterich 1791; From 1819 to 1944 the edition was published by various editors under the title “Recueil Martens”.

[2] Viktor Bruns, Preface of vol. 1, Series A, Sectio 1, S. XI.

[3] Published in Series A, Sectio 1 are volumes 1 (1931), 3 (1935) and 4 (1964) on the Permanent Court of International Justice; volume 2 (1931) on the Permanent Court of Arbitration and the International Court of Justice; volumes 5 (1961), 6 (1978) and 7 (1990) in the “old” version under the title Fontes Iuris Gentium and, starting with the case law from 1986, volumes 1-4 under the title World Court Digest, which cover the case law up to and including 2005. In Series A, Sectio 2, Volume 1 (1931) contains the decisions of the German Reichsgericht (supreme criminal and civil court in the German Empire and Weimar Republic) from 1879 to 1929; Volume 2 (1960) contains the decisions of the Reichsgericht under consideration of the Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich (constitutional court of the Weimar Republic), 1929-1945; Volumes 3 to 9 then cover case law of the highest German courts concerning international law up to and including 1985. Series B Sectio 1 comprises the diplomatic correspondence from 1856 to 1878 in Volume 1 and the diplomatic correspondence from 1871 to 1878 in Volume 2.

[4] Karin Oellers-Frahm, Die einstweilige Anordnung in der internationalen Gerichtsbarkeit, Contributions on Comparative Public Law and International Law vol. 66, Berlin: Springer 1975.

[5] This can be found at: <www.mpil.de/de/pub/publikationen/archiv/world-court-digest.cfm>.

 

Das Interventionsverbot in autoritären Kontexten. Hermann Moslers Intervention im Völkerrecht

Für autoritäre Regierungen kann das Interventionsverbot Fluch und Segen zugleich sein. Einerseits schirmt es die inneren Angelegenheiten eines Staates vor ausländischer Einflussnahme ab. Ein Staat ist daher dazu berechtigt, grundsätzlich frei darüber zu entscheiden, wie er seine politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systeme gestaltet. Dies kann vorteilhaft für eine autoritäre Regierung sein, da sie hierdurch den Anspruch erheben kann, unabhängig von äußeren Einflüssen ein autoritäres System aufzubauen und zu verfestigen. Die damit einhergehenden Rechtsverletzungen von Minderheiten und politischen Gegner*innen können als innere Angelegenheit eingestuft werden. Andererseits beschränkt es aber auch den Handlungsspielraum nach außen. Autoritäre Regierungen führen innerstaatliche Probleme häufig auf externe Staaten zurück. In ihrer legitimatorischen Rhetorik bedarf es eines Sündenbocks im Ausland, damit die fortlaufenden Probleme adäquat erklärt werden können und keine Kritik an der Regierungsführung aufkommt. Aufgrund dieser Ausrichtung treten autoritäre Regierungen in ihrer Außenpolitik häufig aggressiver auf und sind im Vergleich zu nicht-autoritäre Regierungen geneigter dazu, Konflikte zu eskalieren. In dieser Hinsicht beschränkt das Interventionsverbot: Es verbietet diesen Staaten eine aggressive und expansive Außenpolitik, welche sich aus ihrer rhetorischen und ideologischen Grundlage ergibt.

Aufgrund dieser Interessenlage kann zumindest in der Gegenwart regelmäßig ein Doppelstandard bei der Berufung auf das Interventionsverbot beobachtet werden. Beispielsweise betont die Volksrepublik China fortlaufend, dass alle Sanktionen, die sich gegen China richten, verbotene Interventionen seien.[1] Dabei hat China selbst Sanktionen gegen US-amerikanische Organisationen und Politiker*innen verhängt, die es für die Proteste in Hong Kong von 2019/20 verantwortlich machte.[2] Die grundsätzliche Position und die konkreten Handlungen Chinas sind nicht miteinander vereinbar und von einem Doppelstandard geprägt.

Ein ähnlich divergentes Spannungsfeld zeigt sich nicht nur in der Außenpolitik autoritärer Staaten, sondern auch in der jeweiligen völkerrechtlichen Forschung. Da völkerrechtliche Forschung von autoritären Regierungen regelmäßig mobilisiert wird, um eigene außenpolitische Positionen zu untermauern, stehen Forschende in ihrer Themenwahl, Quellenwahl und Schwerpunktsetzung teils vor schwierigen Entscheidungen. Selbst wenn sie unter Verwendung völkerrechtswissenschaftlicher Methodik eine objektive rechtliche Bewertung anstreben, kann hierdurch eine Ausrichtung innerhalb des autoritären Forschungskontexts erfolgen und eine Mobilisierung ermöglicht werden. Mit Blick auf das Interventionsverbot können hierbei die drei oben skizzierten Ausrichtungen beobachtet werden. Völkerrechtliche Forschung kann sich gegen jegliche Einmischung in den inneren Angelegenheiten eines Staates richten; dies kann zur Abwehr von ausländischen Einflussnahmen mobilisiert werden. Alternativ kann Forschung die durch das Interventionsverbot gezogenen außenpolitischen Grenzen betonen, welches der Verhinderung autoritärer Exzesse dienen kann. Drittens kann Forschung interventionsrechtliche Doppelstandards ausarbeiten, die als Grundlage einer widersprüchlichen Außenpolitik verwendet werden können.

Die Dissertation von Hermann Mosler aus dem Jahr 1937 mit dem Titel „Die Intervention im Völkerrecht“ enthält Elemente aller drei Ausrichtungen.[3] Die Arbeit entstand in den Jahren 1935 und 1936, als sich die nationalsozialistische Diktatur bereits fest im Deutschen Reich etabliert und Einfluss auf die Wissenschaftslandschaft genommen hatte. 40% aller Völkerrechtler*innen verloren zwischen 1933 und 1939 aufgrund ihrer jüdischen Herkunft oder ihrer politischen Gesinnung ihre Stellung.[4] Die Dissertation entstand daher nicht in einem Kontext, in dem freie Forschung möglich war.

In der bisherigen Rezeption wurde Moslers Konzeption des Interventionsverbots eher der zweiten hier skizzierten Ausrichtung zugeordnet. Mosler habe die NS-Diktatur an das Völkerrecht binden wollen und zudem eine Intervention aus Humanitätsgründen anerkannt.[5] Hierfür finden sich einige Anhaltspunkte, auf die sogleich eingegangen wird (III.). Allerdings betont Mosler auch den umfassenden Charakter des Interventionsverbots, welcher ausländischen Einflussnahmen auf bedeutende Projekte des Nationalsozialismus verbietet (I.). Gleichzeitig legt Mosler seiner Analyse vielfach einen Doppelstandard zugunsten des Deutschen Reichs zugrunde (II.). Die Dissertation von Hermann Mosler kann daher weder als Apologetik des Nationalsozialismus noch als standhafte Abwehr gegenüber dem Nationalsozialismus gewertet werden. Sie ist vielmehr als Produkt einer Zeit zu verstehen, in der Forschung nicht frei war und gewisse revisionistische Positionen in der deutschen Völkerrechtswissenschaft umfassend getragen wurden.

Hermann Mosler (zweiter von rechts) als junger Referent auf dem Dach des KWI (Dach des Berliner Schlosses). Mit Joachim-Dieter Bloch, Ursula Grunow und Alexander N. Makarov (v.l.n.r.)[6]

I. Interventionsschutz für nationalsozialistische Projekte

Nach der Konzeptualisierung im zweiten Teil der Dissertation von Hermann Mosler (S. 38 ff.) schützt das Interventionsverbot bedeutende nationalsozialistische Projekte vor ausländischen Einflussnahmen. Dies soll hier an mehreren Beispielen verdeutlicht werden.

Mosler setzt sich unter anderem mit Einflussnahmen zugunsten nationaler Minderheiten auseinander (S. 56). Nationale Minderheiten erhielten durch völkerrechtliche Verträge der Nachkriegsordnung und Abkommen des Völkerbundes gewissen Schutz. Diese völkerrechtliche Regulierung führte jedoch nach Auffassung Moslers nicht dazu, dass eine Intervention von ausländischen Staaten zum Erhalt der Minderheitenrechte möglich gewesen wäre. Schließlich habe sich hierdurch nichts daran verändert, dass die Staaten die prinzipiellen Rechtssubjekte des Völkerrechts seien und daher exklusiv selbst zur Lösung ihrer jeweiligen Minderheitenfragen berufen waren. Im Anschluss an diese Ausführung erweitert Mosler diese Logik auf Fragen der „Rassengesetzgebung“ (S. 58). Diese müsse erst recht der Intervention anderer Staaten verschlossen sein:

„Lebt aber die rassische Minderheit verstreut im Staatsvolk, so ist ihre rechtliche Stellung der völkerrechtlichen Sphäre noch weiter entzogen und kann n i c h t Gegenstand des Eingriffs auswärtiger Mächte sein.“ (S. 58, Hervorhebung im Original)

Als die Dissertation 1937 veröffentlich wurde, war die systematische Verfolgung von Jüdinnen und Juden durch die „Rassengesetzgebung“ bereits in vollem Gang.[7] Nach Moslers Auffassung handelte es sich hierbei um einen Sachverhalt, der keine ausländische Einflussnahme duldete.

Weiterhin darf nach Auffassung Moslers keine Intervention in der „Wehr- oder Rüstungsgesetzgebung eines Landes“ erfolgen (S. 58). Diese seien „nach Völkerrecht nie als internationale Angelegenheiten betrachtet worden“ (ebda.). Am österreichischen Beispiel der Einführung der Wehrpflicht von 1936 erörtert Mosler, dass ein Staat in dieser Frage völlig frei und diesbezüglich keine Intervention erlaubt sei. Dabei erwähnt Mosler den Versailler Vertrag nicht, obwohl dieser grundsätzliche Aspekte des deutschen Wehr- und Rüstungsrechts regulierte. Insbesondere begrenzte Art. 160 des Versailler Vertrags die Anzahl der deutschen Truppe auf 100.000 Soldaten. Die Lektüre dieses kurzen Absatzes erweckt den Eindruck, dass für Mosler jegliche ausländische Beschränkung dieses Bereichs unzulässig sei. Damit ist auch das nationalsozialistische Aufrüstungsprojekt, das 1937 bereits signifikante Fortschritte machte[8] und völkerrechtswidrig war[9], vom Interventionsschutz gedeckt.

Das „Versailler Diktat“ (S. 78) wird an anderer Stelle abgelehnt und als Negation von Deutschlands Stellung als gleichberechtigtem Staat eingeordnet. Dies entspricht auch der generellen Haltung Moslers[10] sowie dem Zeitgeist in der deutschen Völkerrechtswissenschaft des „Dritten Reiches“[11].

Darüber hinaus widmet sich Mosler nicht dem System der kollektiven Sicherheit des Völkerbundes. Er sieht grundsätzlich keinen rechtlichen Unterschied zwischen Einzelinterventionen durch einen Staat und Kollektivinterventionen mehrerer Staaten (S. 68-69). Das kollektive Element wird als lediglich „politisch und moralisch“ (S. 68) abgetan. Dabei waren Kollektivinterventionen des Völkerbundes zum Zeitpunkt des Verfassens eine zentrale und neue Frage.[12] Die völkerrechtliche Grundlage derartiger Interventionen und ihre möglicherweise gesteigerte Legitimität wären daher von herausgehobenen Interesse gewesen, insbesondere aufgrund der 1935 beschlossenen kollektiven Sicherheitsmaßnahmen gegen Italien im Zuge des sog. „Abessinienkriegs“.[13] In der Systematisierung von Mosler kommen Kollektivinterventionen durch den Völkerbund mithin keine Bedeutung zu.

Hermann Mosler in den 1980ern (Foto: MPIL)

In Moslers Konzeption erstreckt sich daher der Schutz des Interventionsverbots auf bedeutende nationalsozialistische Projekte, insbesondere auf die Verfolgung von Jüdinnen und Juden und die Aufrüstung. Zudem lehnt er die Beschränkungen des Versailler Vertrags ab oder lässt sie an entscheidender Stelle unerwähnt. Dementsprechend wird auch der Völkerbund nicht erwähnt und kollektive Interventionsrechte werden am Rande als unbedeutend abgetan. Diese Konzeption entspricht der ersten hier aufgezeigten Kategorie: Das Interventionsverbot wird von einem autoritären Staat zur Abwehr ausländischer Einflussnahme auf innere Angelegenheiten verwendet, selbst wenn dieser Staat durch Handlungen in seinen inneren Angelegenheiten das Völkerrecht verletzt.

II. Doppelstandards

Weiterhin legt Mosler seinen Bewertungen mehrfach Doppelstandards zugunsten des Deutschen Reichs zugrunde, die von einer selektiven Materialverwendung und fehlender argumentativer Klarheit begleitet werden. Dies verstärkt apologetische Passagen zugunsten des Nationalsozialismus.

Mosler ordnet im Verlauf des Buches immer wieder die Handlungen der Sowjetunion als völkerrechtswidrige Intervention ein. Diese vertrete zwar anlässlich des spanischen Bürgerkriegs (1936-39) den Grundsatz der Nichtintervention, handele diesem aber zuwider, indem sie die Madrider Regierungstruppen unterstütze (S. 73). Gleichzeitig würde die Sowjetunion durch die Komintern und die von ihr verbreitete Propaganda völkerrechtswidrig in anderen Staaten intervenieren (S. 52). Unerwähnt bleibt bei Mosler allerdings, dass das Deutsche Reich dieselben Handlungen vornahm. Im spanischen Bürgerkrieg unterstützte es die Truppen von Francisco Franco und entsandte ab 1936 die Legion Condor, die an mehreren Gräueltaten beteiligt war. Gleichzeitig entwickelte das NS-Regime eine beachtliche Auslandspropaganda, die zum Beispiel im Vorfeld der Annexion des sog. „Sudetenlandes“ den „Anschluss“ vorbereitete[14] und die Saarabstimmung von 1935 intensiv begleitete. Es wäre zu erwarten gewesen, dass auch hierauf hingewiesen würde, zumal Mosler behauptete, dass sich das Deutsche Reich an das Interventionsverbot im Kontext des spanischen Bürgerkriegs halte (S. 54-55).

Weiterhin ist auffällig, dass Mosler überwiegend deutsche und österreichische Staatenpraxis zitiert. Beispielsweise erwähnt er zur Begründung des Propagandaverbots das deutsch-japanische Abkommen von 1936 gegen die Kommunistische Internationale (S. 52, Fn. 49).[15] Die bedeutendere multilaterale Konvention über den Gebrauch des Rundfunks im Interesse des Friedens vom 23. September 1936 bleibt unerwähnt.[16] Diese richtete sich nicht nur gegen sowjetische, sondern auch gegen NS-Propaganda und wurde daher vom Deutschen Reich nicht ratifiziert.[17] Auch die Quellenwahl spiegelt so die Auffassung, dass Interventionen immer nur das sind, was andere Staaten tun.

Dieses Bild wird entschieden dadurch verstärkt, dass sich Mosler auf einer abstrakten Ebene nicht mit dem Interventionsbegriff auseinandersetzt. Er legt weder dar, was unter dem Einsatz von „Macht“ zu verstehen ist, noch was als innere Angelegenheit gilt. Dabei hatte sich der Ständige Internationale Gerichtshof in einem Gutachten von 1923 intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, welche Angelegenheiten als innere Angelegenheit zu verstehen sind.[18] Eine Auseinandersetzung mit diesem Gutachten wäre zu erwarten gewesen. Gleichzeitig kommen bei Interventionen verschiedene Intensitäten von „Macht“ in Betracht. Die Verwendung militärischer Gewalt fällt in Moslers Konzeption jedenfalls darunter. Die Verbreitung von Propaganda aber auch. Warum dieses deutlich schwächere Medium den Anforderungen der „Machtschwelle“ genügt, wird nicht erörtert. Da insgesamt dogmatische Auseinandersetzungen mit den Tatbestandsvoraussetzungen des Interventionsverbots ausbleiben, bietet die Dissertation allein kurze Ausführungen zu den jeweiligen Interventionskonstellationen zur Bestimmung des Interventionsverbots. Wie gerade dargelegt, bleibt die Interventionspraxis des Deutschen Reichs hierbei unerwähnt.

Diese Bewertung mit zweierlei Maß verstärkt apologetische Passagen in Moslers Dissertation, die die Kompatibilität des Nationalsozialismus mit dem Völkerrecht hervorheben. In diesem Zusammenhang sind zunächst die sechs Hitler-Referenzen zu erwähnen.[19] Eine Hitler-Rede wird gleich in der ersten Fußnote herangezogen, um die damalige Krise des Völkerrechts zu illustrieren (S. 7, Fn. 1). Darüber hinaus wird Hitler an entscheidenden Stellen zitiert, nicht nur um tatsächliche Gegebenheiten nachzuweisen oder die Position Deutschlands zu erläutern, sondern auch um völkerrechtliche Argumente zu formulieren und untermauern (S. 79, Fn. 55). Diese Zitate wurden bereits von einem Zeitgenossen Moslers kritisch bewertet.[20] Weiterhin widmet sich der dritte Teil der Dissertation (S. 71 ff.) der Kompatibilität des Faschismus und des Nationalsozialismus mit dem Völkerrechtssystem.[21] Die völkische Ausrichtung des Nationalsozialismus wird nicht als Verletzung des Völkerrechts eingeordnet.[22] Schließlich wäre der völkische Ordnungsgedanke im Idealzustand des Gleichlaufs von Volk und Staatsgrenze auch mit dem staatlich geprägten Völkerrecht kompatibel (S. 79). Darüber hinaus verharmlost Mosler die Konsequenzen faschistischen und völkischen Denkens. Eine Rede Mussolinis, in der dieser ankündigt, dass „Innerhalb eines Dezenniums (…) Europa faschistisch oder faschisiert sein [wird]!“ (S. 75), tut Mosler allein als Prognose und nicht als Absichtserklärung ab. Die Ankündigung sieht er nicht als Handlungsplan der faschistischen italienischen Regierung und geht daher auch nicht davon aus, dass diese hieraus ein Interventionsrecht ableitet.

Die Konstruktion des Interventionsschutzes, die mit vielfachen Doppelstandards zugunsten des nationalsozialistischen Deutschlands und der damit verbundenen Apologetik gepaart ist, lässt sich der dritten eingangs beschriebenen Kategorie zuordnen: Das Interventionsverbot wird einerseits als Grenze für ausländische Einmischungen mobilisiert, andererseits sollen die eigenen Handlungen diesem Verbot nicht unterfallen.

III. Intervention als Beschränkung von Exzessen

Neben dem Interventionsschutz für nationalsozialistische Projekte und den Doppelstandards zugunsten des Deutschen Reichs bietet die Dissertation von Hermann Mosler jedoch auch Anhaltspunkte für ein beschränkendes Verständnis des Interventionsverbots. Gerade vor dem Hintergrund des nationalsozialistischen Expansionsprogramm sind diese Aspekte beachtlich.

So spricht sich Mosler entschieden gegen die zwanghafte Änderung von Grenzläufen aus (S. 80), welches dem Kellog-Briand Pakt von 1928 entspricht. Darüber hinaus verbietet seine Konzeption des Interventionsverbots Eingriffe in Minderheitenangelegenheiten. Gerade mit Blick auf die ethnisch-deutsche Bevölkerung im sog. „Sudetenland“ stand dieser Grundsatz der NS-Expansionspolitik diametral entgegen. Diese Elemente können daher als Versuch Moslers interpretiert werden, die NS-Regierung an das Völkerrecht und das Interventionsverbot zu binden. Von den sechs Hitler-Zitaten beziehen sich vier auf die sogenannten „Friedensreden“ von 1935, in denen sich Hitler zumindest verbal zu der Friedensordnung bekennt, aggressive Tendenzen seiner Regierung verneint und die Rechte anderer Völker anerkennt. Diese verbalen Bekenntnisse wurden zwar ab 1937/38 von der Realität überholt. Christian Tomuschat hat jedoch festgehalten, dass bei Erscheinung der Dissertation im Jahr 1937 die Verwendung dieser Reden durch Mosler noch zulässig war und der Bindung des NS-Regimes an das geltende Völkerrecht dienen sollte.[23]

Rudolf Bernhardt und sein Lehrer Hermann Mosler 1961 auf dem Kolloquium „Verfassungsgerichtsbarkeit in der Gegenwart“ (Foto: MPIL)

Darüber hinaus wird in der zeitgenössischen[24] wie neueren[25] Rezeption des Werks hervorgehoben, dass Mosler sich für eine „Intervention aus Gründen der Menschlichkeit“ (S. 61 f.) ausspricht, sofern es zu Verstößen „gegen die elementaren Gesetze der Menschlichkeit“ (S. 63) in einem Staat kommt, kein milderes Mittel besteht und die Intervention nicht zu einer „wesentlich empfindlichere[n] Störung der Rechtsordnung“ (S. 65) führt. In einer kurzen Rezension von 1939 hebt der US-amerikanische Interventionsexperte Ellery Stowell folgendes hervor:

„It is interesting to note in this German text, published before the recent anti-Semitic severities in the Third Reich, the statement that intervention on the ground of humanity is today recognized when occurrences within another state are in blatant opposition to the generally recognized principles of humanity.”[26]

Rudolf Bernhardt sieht in den diesbezüglichen Erörterungen den Schwerpunkt der Arbeit.[27] Durch das Bekenntnis zur Humanitätsintervention hätte sich Mosler zu einer möglichen ausländischen Intervention gegen das Deutsche Reich bekannt, sofern es in der Zukunft zu schwereren Verletzungen der Menschlichkeit kommen würde. In Moslers Sinne könne das Interventionsverbot nicht gegen exzessive Verletzungen der Menschlichkeit bestehen.

Zwar ist zweifelhaft, inwiefern 1937 eine derartige Position noch vertretbar war. Schließlich sah Mosler die Kriterien für eine Humanitätsintervention noch nicht gegeben, obwohl die Nürnberger Rassengesetze von 1935 und die damit verbundene Jüd*innenverfolgung, die entschiedene Aufrüstung und Einführung der Wehrpflicht ab 1935, die revisionistischen Tendenzen bezüglich der deutschen Grenzen und des Versailler Vertrags (unter anderem durch die Besetzung des Rheinlands 1936) und die aggressive außenpolitische Haltung[28] bereits zu diesem Zeitpunkt auftraten. Dennoch kann Mosler zugutegehalten werden, dass er das Interventionsverbot nicht verabsolutiert und damit auch die völkerrechtliche Möglichkeit einer Intervention gegen das Deutsche Reich offenhält, sofern dieses elementare Grundsätze der Menschlichkeit verletzt.

Die Dissertation von Mosler enthält somit auch Aspekte, die sich der zweiten eingangs skizzierten Ausrichtung zuordnen lassen: Das Interventionsverbot wird vor die Expansionspolitik des Deutschen Reichs gestellt, eine gewaltsam Grenzverschiebung abgelehnt. Gleichzeitig wird der Interventionsschutz nicht als vollumfänglich dargelegt und die Möglichkeit zur Humanitätsintervention eröffnet.[29]

IV. Fazit

Gerade in der Anfangszeit des NS-Regimes wurden völkerrechtliche Forschungsergebnisse in der NS-Außenpolitik dazu verwendet, das Deutsche Reich als weiterhin berechenbaren Staat und verlässlichen internationalen Akteur darzustellen.[30] Die bereits genannten revisionistischen Maßnahmen wurden auf Grundlage wissenschaftlich erarbeiteter Argumentation nach außen hin „plausibel“ begründet und konnten so zunächst den Schein erwecken, dass das nationalsozialistische Deutschland die Völkerrechtsordnung zumindest grundsätzlich achten würde. Diese dienende Funktion völkerrechtlicher Forschung ist typisch für autoritäre Staaten. Forschende in diesen Kontexten können daher, selbst wenn sie eine objektive rechtliche Bewertung anstreben, durch Schwerpunktsetzung, Themen- und Quellenwahl einer bestimmten Mobilisierung ihrer Forschungsergebnisse Vorschub leisten.

Daher sind Ausrichtung und Konzeptualisierung von Hermann Moslers Dissertation kritikwürdig. In seiner Konzeption werden bedeutende Projekte des NS-Regimes durch das Interventionsverbot vor äußeren Einflüssen abgeschirmt. Das Deutsche Reich konnte sich auf seine völkerrechtliche Stimme beziehen, wenn sie ausländische Kritik an der Jüd*innenverfolgung oder der Aufrüstung als Intervention zurückwies. Auf Basis von Moslers völkerrechtlicher Positionierung konnte das Regime ohne Rücksicht auf ausländische Bedenken den Angriffskrieg gegen mehrere europäische Staaten und den systematischen Massenmord an Jüdinnen und Juden vorbereiten. Selbst wenn diese Folgen 1937 noch nicht gänzlich absehbar waren, ist eine hierzu dienende und ermöglichende Konzeptualisierung des Interventionsverbots nur schwer zu rechtfertigen.

Allerdings kann auch nicht darüber hinweggesehen werden, dass Moslers Position dem völkerrechtswissenschaftlichen Zeitgeist der Mitte der 1930er Jahre entsprach. Die Ablehnung des Versailler Vertrags und eine gewisse Affinität zur NS-Außenpolitik, die eine Revision von Versailles anstrebte, waren unter deutschen Völkerrechtler*innen der 1930er weit verbreitet.[31] Zudem bestand, zumindest vor 1938, eine große Bereitschaft über kritische Aspekte des NS-Projekts hinwegzuschauen.[32] Dass sich diese Elemente auch in der Dissertation von Mosler wiederfinden, verwundert daher nicht, zumal eine risikolose Abweichung von diesem Forschungskonsens im damaligen autoritären Forschungskontext[33] einem aufstrebenden Nachwuchswissenschaftler in der Position Moslers nur schwer möglich war.

Aufschlussreich ist daher der genaue Blick auch auf die anderen Aspekte der Arbeit. Mosler versuchte die NS-Regierung an einen Interventionsbegriff zu binden, der außenpolitische Exzesse verhindern würde. Insbesondere das Bekenntnis gegen die gewaltvolle Verschiebung von Grenzen stand der NS-Expansionspolitik entgegen. Hierdurch setzte sich Mosler auch von anderen Zeitgenossen ab, die sich klar zugunsten des NS und seiner Expansionspolitik aussprachen. Mosler bekannte sich zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich zum NS und wurde nicht NSDAP-Mitglied. Zudem stellt allein die von ihm eingeräumte Möglichkeit zur Humanitätsintervention eine Beschränkung des sonst sehr umfassenden Interventionsschirms dar.

Die Dissertation von Hermann Mosler lässt sich im Ergebnis keiner der drei oben skizzierten Ausrichtungen zweifelsfrei zuordnen. Für alle drei bestehen Anhaltspunkte. Gerade vor dem Hintergrund aktueller interventionsrechtlicher Debatten zeigt seine Arbeit jedoch, wie bestimmte wissenschaftliche Schwerpunktsetzungen einer politischen Mobilisierung dienen können, selbst wenn der Autor eine objektive Bewertung der Völkerrechtslage anstrebt.

 

[1] The Commissioner’s Office of China’s Foreign Ministry in the Hong Kong S.A.R, Say No to Unilateral Sanctions and Jointly Uphold the International Rule of Law, Keynote Speech by H.E. Mr. Xie Feng Commissioner of the Ministry of Foreign Affairs of China in the Hong Kong Special Administrative Region at the Opening Ceremony of 2020 Colloquium on International Law, 04.12.2020, online: <www.mfa.gov.cn/ce/cohk/eng/zydt/t1838003.htm>, zuletzt abgerufen am 23.02.2022.

[2] China sanctions four with U.S. democracy promotion ties over Hong Kong, Reuters, 30.11.2020, online: <www.reuters.com/article/us-usa-china-hongkong-sanctions-idUSKBN28A0RH>, zuletzt abgerufen am 24.02.2022.

[3] Hermann Mosler, Die Intervention im Völkerrecht – Die Frage des Verhältnisses von Souveränität und Völkergemeinschaft, Berlin: Juncker und Dünnhaupt 1937; Die Dissertation entstand 1935 und 1936 bei Richard Thoma an der Universität Bonn.

[4] Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (Hrsg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandaufnahme und Perspektiven der Forschung Bd.2, Göttingen: Wallstein 2000, 490-528, 492.

[5] Christian Tomuschat, Rede zum 50. Doktorjubiläum von Hermann Mosler, gehalten am 12. November 1987, in: Bonner akademische Reden, Bd. 69, Bonn: Bouvier 1989, 10 ff.; Rudolf Bernhardt, Die Rückkehr Deutschlands in die Internationale Gemeinschaft, Der Staat 42 (2003), 583-599, 585; Christian Tomuschat, Hermann Mosler (1912-2001), in: Peter Häberle/Michael Kilian, Heinrich Amadeus Wolff (Hrsg.), Staatsrechtslehrer des 20. Jahrhunderts, Berlin: De Gruyter 2014, 959; Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption – Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 262, Heidelberg: Springer 2017, 64; 105-106.

[6] VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/51.

[7] Einzelne Aspekte hiervon wurden in der Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht immer wieder verteidigt, siehe: Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, Die Entziehung der Staatsangehörigkeit und das Völkerrecht, ZaöRV 4 (1934), 261-277.

[8] Auch die deutsche Aufrüstung unter Verletzung des Versailler Vertrags wurde in der ZaöRV gerechtfertigt, siehe: Viktor Bruns, Der Beschluß des Völkerbundsrats vom 17. April 1935, ZaöRV 5 (1935), 310-316.

[9] Hueck (Fn. 4), 516.

[10] Lange (Fn. 5), 105.

[11] Detlev F. Vagts, International Law in the Third Reich, AJIL 84 (1990), 661-704, 670.

[12] Hans Wehberg, Die Reform des Völkerbundes, Die Friedens-Warte 36 (1936), 204-206; Edgar Tatarin-Tarnheyden, Völkerrecht und organische Staatsauffassung, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 29 (1936), 295-319.

[13] Zur Diskussion hierum siehe: Wehnberg (Fn. 12) und weiter: Quincy Wright, The Test of Aggression in the Italo-Ethiopian War, AJIL 30 (1936), 45-56.

[14] Hueck (Fn. 4), 497-98; Peter Longerich: Propagandisten im Krieg. Die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes unter Ribbentrop, Studien zur Zeitgeschichte Bd. 33, Berlin: De Gruyter 1987, 46 ff; Beispielsweise im Vorfeld der Annexion des „Sudetenlands“, siehe: Schreiben des tschecho-slowakischen Gesandten in London an den britischen Außenminister, datiert 25. September 1938, abgedruckt in: Friedrich Korkisch, Dokumente zur Lösung der Sudetendeutschen Frage, ZaöRV 8 (1938), 759-788, 776.

[15] Abkommen gegen die Kommunistische Internationale v. 25. 11. 1936, RGBl. II 1937, 28.

[16] International Convention Concerning the Use of Broadcasting in the Cause of Peace v. 23. 9. 1936, UNTS 186, 301; siehe ausführlich zu diesem Abkommen: Björnstjern Baade, Fake News and International Law, EJIL 29 (2019), 1357-1476, 1365; Henning Lahmann, Information Operations and the Question of Illegitimate Interference under International Law, Israel Law Review 53 (2020), 1-36, 7.

[17] Baade (Fn. 16), 1366.

[18] StIGH, Nationality Decrees Issued in Tunis and Morocco, Advisory Opinion v. 7. 2. 1923, Series B, No. 23-24.

[19] Insgesamt sechs Zitate auf S. 6, 77, 78, 79.

[20] Kritik von Wilhelm Wengler wiedergegeben bei Lange (Fn. 5), 105.

[21] Eine andere Interpretation dieses Teils vertritt Lange (Fn. 6), 106-7. Er sieht hierin einen Versuch Moslers den Nationalsozialismus an das Völkerrecht zu binden, indem er darlegt, weshalb die nationalsozialistische Position weitestgehend dem Völkerrecht entspricht.

[22] Dabei beruhte die völkische Ausrichtung des Nationalsozialismus auf einer Über- und Unterordnung verschiedener „Rassen“. Eine Gleichberechtigung verschiedener in Staaten konstituierter Völker ist unter dieser Prämisse nicht möglich und damit eine Negation des souveränitätsbasierten Völkerrechts.

[23] Bernhardt (Fn. 5), 585; Tomuschat, Mosler (Fn. 5), 959.

[24] Ellery C. Stowell, Humanitarian Intervention, AJIL 33 (1939), 241.

[25] Tomuschat, Mosler (Fn. 5), 959; Bernhardt (Fn. 5), 584; Lange (Fn. 5), 64; 105-106.

[26] Stowell (Fn. 24), 241.

[27] Bernhardt (Fn. 5), 584 f.

[28] Lange (Fn. 5), 37; Tomuschat, Rede (Fn. 5), 10.

[29] Ob eine Humanitätsintervention gegen das Deutsche Reich nach 1937 zulässig gewesen wäre, hat Mosler nie beantwortet. Nach der Dissertation hat er – ausweislich seines Schriftenverzeichnisses – nicht wieder zum Interventionsverbot publiziert, siehe: Roger Bernard et al. (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung, Internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte: Festschrift für Hermann Mosler, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 81, Heidelberg: Springer 1983, 1049-1057.

[30] Vgl. Rüdiger Hachtmann, Das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 1924 bis 1945, MPIL100, online: <mpil100.de/2023/12/das-kaiser-wilhelm-institut-fuer-auslaendisches-oeffentliches-recht-und-voelkerrecht-1924-bis-1945/>, zuletzt abgerufen am: 21.12.2023; Lange (Fn. 5), 37: „Indem die Völkerrechtswissenschaft sich grundsätzlich für die Einhaltung völkerrechtlicher Bindungen stark machte, stärkte sie das Bild eines berechenbaren und kontrollierbaren Regimes gegenüber dem Ausland.“; Hueck (Fn. 4), 514.

[31] Hueck (Fn. 4), 525.

[32] Hueck (Fn. 4), 525.

[33] Hueck (Fn. 4), 492.

Suggested Citation:

Florian Kriener, Das Interventionsverbot in autoritären Kontexten. Hermann Moslers Intervention im Völkerrecht, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240404-212545-0

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