Reinhard Mehring ist seit 2007 Professor für Politikwissenschaft und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Zuletzt von ihm erschienen: Reinhard Mehring, "Dass die Luft die Erde frisst..." Neue Studien zu Carl Schmitt, Baden-Baden 2024 .

Alle Artikel von Reinhard Mehring

Der „Geist des wichtigtuerischen Mitdabeiseinwollens“. Ergänzungsstücke zur Bilfinger-Dokumentation

1. Der „falsche“ Bilfinger: Lion Feuchtwangers Lapsus

Lion Feuchtwanger publizierte 1933 im Exilverlag Querido, Amsterdam, den Roman Die Geschwister Oppenheim, eine hellsichtige Geschichte der „legalen Revolution“ und Nazifizierung Deutschlands,[1] die sich wie die realgeschichtliche Weiterführung von Carl Schmitts Schrift Legalität und Legitimität aus dem Sommer 1932 liest, die Schmitt gegenüber seinem Verleger Ludwig Feuchtwanger, dem jüngeren Bruder Lions, als Prognose des Übergangs „von der Legalität zur Legitimität“[2] bezeichnet hatte. Ludwig Feuchtwanger meinte damals, trotz seines Unbehagens gegen Schmitts Radikalisierung, so blauäugig wie eine Figur des Oppenheim-Romans: „Man wird in 10 Jahren die Unwichtigkeit der Verfassungsentwicklung des Jahres 1932 deutlich erkennen und welcher Theaterdonner heute gespielt wird.“[3] Lion Feuchtwangers Roman zeigt die Enteignung und Vertreibung der Berliner Familie Oppenheim seit dem November 1932 insbesondere am Schicksal des Lessing-Forschers Dr. Gustav Oppenheim, der nach dem Judenboykott vom 1. April 1933 und der Verhaftung seines Bruders Martin auf dringenden Rat in die Schweiz flieht. Dort begegnet er unter anderem zwei Vertretern des kommunistischen Widerstands und kehrt nach Deutschland zurück, um gegen die Nazis zu kämpfen. Er wird umgehend verhaftet, in ein Konzentrationslager gebracht und stirbt bald nach seiner Entlassung an den Misshandlungen und an Herzschwäche. Im Nachwort zur Erstauflage von 1933 schreibt Lion Feuchtwanger:

„Kein einziger von den Menschen dieses Buches existierte aktenmäßig innerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs in den Jahren 1932/33, wohl aber ihre Gesamtheit. Um die bildnishafte Wahrheit des Typus zu erreichen, mußte der Autor die fotographische Realität des Einzelgesichts tilgen. Der Roman ‚Die Geschwister Oppenheim‘ gibt nicht wirkliche, sondern historische Menschen.“[4]

Aufgrund einer Klage musste Feuchtwanger für die erste Auflage damals den Titel und Familienamen ändern. Heute ist er unter dem ursprünglich geplanten Namen Die Geschwister Oppermann bekannt. Die „bildnishafte Wahrheit des Typus“ lebt vom historischen Wissen und der Abstraktionskraft des Lesers, vom Realitätscheck, neudeutsch zu sagen. Der Leser assoziiert die fiktiven Personen mit realen Vorbildern und realistischen Anspielungen. So wird mancher die Oppermanns mit den Feuchtwangers vergleichen und auch andere Parallelen suchen. Bei einem der „Widerständler“, denen Gustav Oppenheim in der Schweiz begegnet, hat Lion Feuchtwanger sich aber leider sehr vergriffen und falsche Assoziationen geweckt: Er heißt im Roman nämlich Dr. Bilfinger und ist ein Jurist aus Schwaben.

Auf über zehn Seiten erzählt Feuchtwanger ausführlich von ihm, um dem Berliner Schauplatz einen süddeutschen Parallelschauplatz zur Seite zu stellen. Dr. Bilfinger erzählt Oppenheim davon, dass er Zeuge war, wie in Künzlingen die Synagoge verwüstet und Juden misshandelt wurden. Bilfinger sei daraufhin beim „stellvertretenden Polizeiminister“[5] in Stuttgart vorstellig geworden. Der Minister schickte die „Mordkommission nach Künzlingen“, doch die Strafverfolgung blieb aus. „Er sei Jurist, fuhr Bilfinger fort, gelernter, passionierter Jurist, und ihn habe es gekratzt, daß Handlungen, die so offensichtlich gegen klare Paragraphen des Strafgesetzbuches verstoßen, nicht bestraft werden sollten.“[6] Er habe dann weitere Ausschreitungen in Württemberg ermittelt und sei mit seinem Onkel, einem „Senatspräsidenten“, nach Berlin gefahren, „um bei den Maßgebenden des neuen Reiches zu protestieren“.[7] Dabei erfuhr er von der Geheimpolizei von Schutzhaft und Konzentrationslagern. „Das erzählte Doktor Bilfinger, auf einer rasigen Erhöhung am Ufer des Luganersees sitzend. Er berichtete in trockenen beamtenhaften Wendungen, umständlich, er war kein guter Erzähler.“[8] Er sei zwar Mitglied des Stahlhelms, schäme sich aber als Deutscher über das Unrecht, meinte Bilfinger. „Deutschland habe aufgehört, ein Rechtsstaat zu sein.“[9] Bilfinger gibt damals seine Erfahrungen als Zeuge „einem Züricher Notar zu Protokoll“,[10] kündigt „seine aussichtsreiche Stellung in Deutschland“[11] und motiviert Gustav Oppenheim zum Widerstand. Immer wieder denkt Gustav Oppenheim fortan an „Bilfingers Dokumente“.[12]

Lion Feuchtwanger 1933 (Bild: gemeinfrei)

Lion Feuchtwanger zeichnete laut Nachwort „nicht wirkliche, sondern historische Menschen“. Eine mögliche Verwechselung des Widerstandskämpfers mit dem „wirklichen“ Staatsrechtsprofessor Carl Bilfinger (1879-1958), Ordinarius in Halle, hätte er aber unbedingt vermeiden sollen. Zwar arbeitete der im März 1933 noch an einem „Manuskript über den Rechtsstaat“, das „den Gedanken der Gerechtigkeit“[13] nicht aufgeben wollte, wie Bilfinger dem verehrten „Bahnbrecher der Diktatur“,[14] Carl Schmitt, schrieb; an der Seite Schmitts hatte er sich aber im Leipziger Staatsgerichtshofprozess gerade, im Oktober 1932, noch als Anwalt des „Reiches“ wie des Präsidialsystems exponiert und sich auch nach dem 24. März 1933 weiter an der Seite Schmitts für den Nationalsozialismus engagiert. Lion Feuchtwanger muss das gewusst haben, auch von Seiten seines Bruders, der als Lektor Schmitts mit Bilfinger in Korrespondenz stand. Der Leipziger Staatsgerichtshofprozess war ein tagespolitisches Presseereignis ersten Ranges. Die verfassungspolitischen Kontroversen um den „Preußenschlag“, den Diktaturparagraphen Art 48 WRV, die „Reichsreform“, Reichstagsbrand und Ermächtigungsgesetz gehörten damals zu den zentralen Voraussetzungen und verfassungspolitischen Hintergründen von Lions Romans. Die Beschreibung Bilfingers, im schwäbischen Netzwerk, entspricht auch durchaus dessen Habitus. Es ist aber gänzlich abwegig, hier eine intentionale positive Identifikation des „historischen“ mit dem „wirklichen“ Bilfinger anzunehmen, um Feuchtwangers Unterscheidung zu adaptieren. Wer den „wirklichen Legationsrat“ – so Bilfingers Titel als württembergischer Beamter – und Staatsrechtslehrer aus den Quellen studiert und die Dokumentation seiner politischen Biographie zur Kenntnis nimmt, der wird Lion Feuchtwangers Namenswahl als argen Missgriff und echte Fehlleistung betrachten müssen. Der „wirkliche“ Dr. Bilfinger war das glatte Gegenteil eines Gegners des Nationalsozialismus und Widerstandskämpfers; er war ein mediokrer Opportunist und Karrierist im Fahrwasser Carl Schmitts.

2. Der „wirkliche“ Bilfinger

Carl Bilfinger nach seiner Berufung als KWI-Direktor 1944 (Foto: Bundesarchiv)

Das Glück und Leid historischer Quellenforschung ist unabwägbar. Überall ließe sich etwas finden und selten ist es gewiss, dass die Quellen vollständig beisammen sind und die rekonstruktiven Geschichten stimmen. Jeder Quellenfund wirft weitere Fragen auf und jede Veröffentlichung zieht wie ein Stein im Wasser weitere Kreise. So gibt es zur Dokumentation der politischen Biographie Carl Bilfingers (1879-1958), des Nachfolgers von Viktor Bruns in der Institutsleitung, jetzt auch erste Ergänzungsfunde.

Die im Frühjahr 2024 im Vorfeld des Institutsjubiläums erschienene Edition[15] stellte die Herausgeber vor besondere Schwierigkeiten, war Bilfinger als Institutsdirektor wie Völkerrechtler doch weitgehend vergessen. 1943 wurde er als Kompromisskandidat Nachfolger von Viktor Bruns, der seinen Freund und Vetter empfohlen hatte. Erstaunlicher noch war seine Wiederernennung zum ersten Nachkriegsdirektor der Jahre 1949 bis 1954. Als Völkerrechtler war und blieb er wenig profiliert. Lediglich als Sekundant Carl Schmitts bei der extensiven Auslegung des Art. 48 WRV und Anwalt des Reiches im Prozess „Preußen contra Reich“ 1932 vor dem Leipziger Staatsgerichtshof wurde er am Rande rezipiert. Die Dokumentation seiner politischen Biographie wählte deshalb den vierfachen Weg der Edition der erhaltenen Korrespondenz Bilfingers mit Schmitt, des Wiederabdrucks signifikanter Texte und ergänzender Quellen zum Wirken im Institut sowie erster Studien zur Eröffnung einer Bilfinger-Forschung.

“Sehr verehrter, lieber Herr Schmitt!” Autograph Bilfinger an Schmitt 1925 (Landesarchiv NRW, RW_0265_29516_0031)

Die Quellenlage war schwierig, von den Herausforderungen der Handschrift ganz abgesehen. Neben den Universitätsarchiven in Tübingen, Berlin und Heidelberg war zwar der Duisburger Nachlass Schmitts mit den Briefen Bilfingers ergiebig, ferner Archive der MPG in Heidelberg und Berlin; ein persönlicher Nachlass fehlt aber, vermutlich intentional, da Bilfinger selbst ihn in Heidelberg hätte übergeben können. Seine beiden Söhne hatten keine Kinder, enge Verwandte wurden nicht ermittelt. So fehlen auch die weit über 50 Gegenbriefe Schmitts, was durch dessen edierte Tagebücher allerdings etwas kompensiert wird. Einige Quellenfunde waren überraschend: so 1) die Dokumentation des Tübinger Schnellverfahrens zur Promotion und Habilitation 1922 innerhalb weniger Wochen mit einer einzigen Arbeit von mittlerem Umfang,[16] die Bilfingers einzige erwähnenswürdige Monographie blieb; 2) der Nachweis des engen und kontinuierlichen Schulterschlusses von Bilfinger mit Schmitt seit 1924 bis 1934; 3) Bilfingers starke Rolle als „Prorektor“ an der Universität Heidelberg in den frühen Kriegsjahren sowie 4) der Blick in die Netzwerke, Seilschaften, Kontroversen und vergangenheitspolitischen Strategien im Umgang mit Bilfingers Rolle und Wirken als Institutsdirektor von 1943 bis 1945 und 1949 bis 1954. Bilfinger wurde vom Fach nicht einfach vergessen, sondern bewusst marginalisiert und mit seiner NS-Belastung verdrängt.

So ergiebig die Universitätsarchive auch waren, hatten sich doch nur wenige Briefe Schmitts an Bilfinger gefunden. Ein Kollege aus Japan, Takeshi Gonza (Sapporo), wies jetzt ergänzend auf vier Briefe an Bilfinger aus den Jahren 1930/32 hin, die er vor Jahren von Wolfram Pyta (Stuttgart) in Kopie erhalten hatte. Das Schicksal der Originalbriefe ist unbekannt. Pyta schickte die Kopien und Gonza korrigierte und verbesserte die Transkription in wichtigen Aspekten. Drei der vier Briefe stammen aus den Wochen nach der achten und vorerst letzten Tagung der Staatsrechtslehrervereinigung in Halle, Ende Oktober 1931,[17] in deren Ablauf Bilfinger als dortiger Ordinarius besonders involviert war. Sie bestätigen die bekannten Linien und Fronten, Polemik und Ressentiment, Schmitts responsives Bemühen um freundliche Referenzen und fachliche Anerkennung Bilfingers, ergänzen Details zur Tagung und zu Schmitts Streit mit dem Allgemeinen Beamtenbund, und anderes mehr. Sie betreffen das Vorfeld des gemeinsamen Wirkens 1932/33 bei der Verteidigung und Deutung des „Preußenschlages“ im Übergang zum Nationalsozialismus. Leider fehlen die einschlägigen späteren Briefe Schmitts. Die Dokumentation hatte jedoch gezeigt, dass Bilfinger auch nach dem Leipziger Prozess bis zum Sommer 1934 noch mit Schmitt im engen Kontakt stand und nationalsozialistisch kooperierte. Zwar brach die Korrespondenz dann für einige Jahre ab und wurde trotz gelegentlicher Kontakte vor und nach 1945 nicht wieder vertraut; Bilfingers fortdauerndes nationalsozialistisches Engagement als „Prorektor“ in Heidelberg und KWG-Institutsdirektor ist aus den Quellen aber eindeutig belegt.

Etwas rätselhaft blieb der Kontaktabbruch im Sommer 1934, den Bilfinger später als Distanzierung vom Nationalsozialismus kommunizierte oder zu „verkaufen“ suchte und der überdies durch die fortdauernde Förderung enger Bonner Schüler gleichsam dementiert wurde: Bilfinger wollte Ernst Rudolf Huber 1936 nach Heidelberg holen und übernahm später Schmitts langjährigen Mitarbeiter Karl Lohmann[18], den er 1943 zur Habilitation führte. Auch die Berufung von Ernst Forsthoff nach Heidelberg dürfte ohne Zustimmung oder Mitwirkung Bilfingers kaum möglich gewesen sein. Die spärlichen Quellen zur Entwicklung der Beziehung 1933/34 und Haltung Bilfingers zum Nationalsozialismus sind nicht definitiv belastbar. Ganz eng und freundschaftlich war die Beziehung aber nie gewesen. Schmitt hat Bilfinger als Mitstreiter im Ordinarienrang geschätzt und gebraucht, ohne das mediokre Ressentiment und die spätwilhelminischen Prägungen und Vorurteile zu übersehen. Nie sah er ihn auf Augenhöhe in einer Liga mit Triepel, Smend oder Thoma, mit denen er sich aber spätestens seit 1930 und seiner Apologie des Präsidialsystems politisch überworfen hatte. Nach dem 24. März 1933 und Aufstieg zum „Kronjuristen“ des Nationalsozialismus erschlossen sich ihm dann ganz neue Kontakte, Netzwerke und Einflussmöglichkeiten, die auch zu einem veränderten Habitus, Stil- und Rollenwechsel führten. Schmitt warf sich nun in den Umgang mit seinen nationalsozialistischen Mentoren Hermann Göring und Hans Frank und verstand sich als rechtspolitischer Akteur bei der Umstellung auf „Führerstaat“ und nationalsozialistischen „Geist“.

Feierliche Eröffnung der Jahrestagung der Akademie für Deutsches Recht1940 in München. Hans Frank siebter von links (Bild: Bundesarchiv)

Schon seit dem Sommer 1933 scheint sich deshalb ein Tonwechsel in der Beziehung anzudeuten. Mit der Rückkehr aus Köln und dem Wechsel an die Berliner Universität zum Wintersemester 1933/34 ist die Rollenasymmetrie dann ganz offenbar. Fast devot dankt Bilfinger Schmitt am 24. September für die „Auszeichnung“[19] der Berufung in die Akademie für Deutsches Recht, die durch Hans Frank förmlich ausgesprochen wurde, und verbindet seinen Dank mit der Bitte um einen Vortrag in Halle. Schmitt wiederholt in Halle, im Rahmen der dortigen, von Bilfinger geleiteten, Verwaltungsakademie, dann am 13. Februar tatsächlich seinen Berliner Vortrag über Heerwesen und staatliche Gesamtstruktur, den er am 24. Januar 1934 auf Einladung Alfred Baeumlers im Rahmen einer „Wehrgeistigen Arbeitsgemeinschaft“ an der Universität gehalten hatte. Der Vortrag hatte den Verfassungshistoriker Fritz Hartung damals als „Spiel mit Begriffen“[20] geradezu entsetzt. Bilfinger dankt am 14. Februar umgehend begeistert „für den ergreifenden und überaus wirkungsvollen Vortrag“.[21] Ins Tagebuch notiert Schmitt: „Großer Erfolg, über die geistige Unterwerfung“[22]; eine Vorfassung publiziert er damals unter dem Titel Die Logik der geistigen Unterwerfung.[23]

In den vorläufig letzten erhaltenen Briefen vom 31. Mai und 2. Juni 1934 äußert Bilfinger sich eingehend zu Schmitts Ausarbeitung des Vortrags zur Broschüre Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches. Der Sieg des Bürgers über den Soldaten. Seine assoziativen Bemerkungen bekommen die abgründige Schrift aber kaum zu fassen,[24] die im Frühjahr 1934 nicht auf den Triumpf Hitlers oder der Wehrmacht (gegen die „zweite Revolution“ der SA) gestimmt ist, sondern mit dem „Sieg des Bürgers“ schon dessen kommende Niederlage intoniert.[25] Schmitt erörtert die Machtfragen als abschüssige Bahn und „Logik“ des Konstitutionalismus und beschwört selbst Bismarck nicht als großen „Aufhalter“ der Bewegung. Er positioniert sich damals in der verfassungspolitischen Frage einer Normalisierung des Ausnahmezustandes und Übergangs von der „Bewegung“ zum „Staat“ gegen die SA-Forderungen nach einer „zweiten Revolution“. Nach dem 30. Juni 1934 gab er seine anfänglichen Hoffnungen auf die Verfassungsfähigkeit des Nationalsozialismus und den Übergang zu einem neuen Normalzustand (jenseits liberaler Demokratie) auf und markierte die „unmittelbare“ Gerechtigkeit des Nationalsozialismus als Ausnahmezustand und Herrschaft des „Leviathan“. Heute ist die Schrift erneut aktuell, im Kontext von Ukrainekrieg und Israelfrage, da die „militante“ oder „wehrhafte“ Demokratie nicht mehr nur von „inneren Feinden“ spricht, wie Antisemitismus und AfD, die es durch justiziellen Verfassungsschutz zu bekämpfen gälte, sondern auch von einem zweiten „Kalten Krieg“ und außenpolitischen Herausforderungen, die Aufrüstung und militärische Handlungsbereitschaft erforderten. Heute wird erneut gefragt, ob Staat und Gesellschaft, Deutschland und „der Westen“, „kriegstüchtig“ (Boris Pistorius) sind und die militärische Kommandogewalt politisch geführt und effizient organisiert ist.

Bilfinger sieht sich insbesondere durch Schmitts Bismarck-Deutung angesprochen und erinnert an sein organisatorisches „Ideal“ vom „hegemonischen Bund“,[26] dankt für die Widmung der Broschüre und versichert sein Kommen zu einer Gaufachberatung am 10. Juni, für die er zuvor die persönliche Einladung angemahnt (und also erhalten) hatte. Am 14. Juni 1934 notiert Schmitt dann ins Tagebuch: „Reichsfachgruppenleitertagung: Lohmann Frank vorgestellt. Abends im Fürstenhof Bruns und Bilfinger.“[27] Karl Lohmann wird damals ein enger Mitarbeiter und „Schriftleiter“ Hans Franks, Bilfinger übernimmt ihn später nach Heidelberg. Am 18. Juli hält Schmitt in der Akademie für Deutsches Recht dann seinen programmatischen Vortrag Nationalsozialismus und Völkerrecht, bei dem Bilfinger, als Mitglied der Akademie, sehr wahrscheinlich anwesend war, zumal Schmitt ihm am 7. November 1934 noch ein Exemplar der Broschüre „in alter Verehrung und Freundschaft“[28] widmete. Schmitt münzte die „alte“ Verehrung auch auf die „Freundschaft“, die damals endete, finden sich für die nächsten Jahre bis 1942 doch keine weiteren persönlichen Quellen und Briefe.

Es liegt nahe, diesen Bruch oder Abbruch der Beziehung mit den Ereignissen vom 30. Juni 1934 und den Artikel Der Führer schützt das Recht zu verbinden, den Schmitt laut Tagebuch insbesondere am 21./22. Juli schrieb – also wenige Tage nach seinem Vortrag über Nationalsozialismus und Völkerrecht. Vieles deutet aber darauf hin, dass Bilfinger damals seinen Bruch mit Schmitt auch deshalb vollzog, weil er sich auf der Karriereleiter zurückgesetzt und abgehängt fühlte. Dazu fand sich jüngst eine weitere Quelle: Die – vom NSD-Studentenbund herausgegebenen – Hallischen Hochschul-Blätter widmeten Schmitts Staatsgefüge und Zusammenbruch-Broschüre am 9. Juli 1934, zwei Tage vor Schmitts 46. Geburtstag, eine Doppelbesprechung beziehungsweise -kommentierung, zu der Bilfinger einen Artikel Das Heer und der bürgerliche Rechtsstaat beisteuerte. Früher hatte er häufiger Schmitts Schriften rezensiert; am 2. Juni hatte er aber brieflich angekündigt, dass er auf „ein eigenes Elaborat“[29] zur Broschüre verzichten wolle. Der Artikel ist gewiss auch als Geburtstagsgabe gedacht.

In diesen Wochen war Bilfinger Schmitt in Berlin, wie erwähnt, mehrfach begegnet. Mit seinem Artikel beansprucht er nun erneut eigene Bismarck-Kenntnisse und differenziert oder korrigiert Schmitts Blick auf Bismarcks „Kompromiss mit dem Parlament“. Bilfinger meint, dass selbst Bismarck damals dem „Glauben an den liberalen Konstitutionalismus“ ein Stück weit verfallen gewesen sei und erst später seinen „Fehler“ bereute. Sein Artikel ist dann am Ende erneut ein glühender Treueschwur auf Hitler, der das Budgetrecht „begraben“ habe; der „Geist der überwundenen Epoche“ des Konstitutionalismus sei „aus den anderen und aus sich selbst zu verbannen“. Bilfinger verspricht Besserung, gelobt exorzistische Arbeit an den spätwilhelminischen Vorurteilen, beschwört seinen Willen zur Selbstgleichschaltung. Sein Kotau, seine Bitte um „Indemnität“, endet mit den Worten: „Die Verfassungsverhandlungen von 1867 lassen weithin jenen pharisäischen Geist des wichtigtuerischen Mitdabeiseinwollens und, bei nicht genügender Honorierung, die Bereitschaft zur Opposition erkennen. Es wird noch lange nötig sein, gegen diesen Geist zu kämpfen.“ Besser hätte Bilfinger sein eigenes Verhältnis zu Schmitt eigentlich kaum charakterisieren können: Wenn etwas seinen Schulterschluss bezeichnet, war es der „Geist des wichtigtuerischen Mitdabeiseinwollens“. Bilfingers Artikel ist im Tagebuch nicht erwähnt. Für den 11. Juli notiert Schmitt nur: „Krank und verzweifelt, scheußlicher Zustand, Geburtstag.“[30] Vom „Geist des wichtigtuerischen Mitdabeiseinwollens“ wechselte Bilfinger damals in die „Opposition“ zu Schmitt über und verlegte seinen Ehrgeiz bald nach Heidelberg.

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[1] Die Rede von einem „falschen“ Bilfinger nimmt Feuchtwangers Unterscheidung zwischen „wirklichen“ und „historischen“ Menschen, aktenmäßiger Existenz und „bildnishafter Wahrheit“ eines Typus auf und spielt auf die Hitler-Kritik von Lion Feuchtwanger in ‚Der falsche Nero.‘ (Amsterdam: Querido 1936) an.

[2] Brief von Carl Schmitt an Ludwig Feuchtwanger, datiert 10. Juni 1932, zitiert nach: Rolf Rieß (Hrsg.)‚Carl Schmitt / Ludwig Feuchtwanger. Briefwechsel 1918-1935‘ (Duncker & Humbold 2007), 376.

[3] Ludwig Feuchtwanger am 20. Juli 1932 an Carl Schmitt, in: Rieß (Fn. 2), 384.

[4] Lion Feuchtwanger, Die Geschwister Oppenheim, (Amsterdam: Querido 1933), 434.

[5] Feuchtwanger (Fn. 4), 307.

[6] Feuchtwanger (Fn. 4), 308.

[7] Feuchtwanger (Fn. 4), 310.

[8] Feuchtwanger (Fn. 4), 311.

[9] Feuchtwanger (Fn. 4), 312.

[10] Feuchtwanger (Fn. 4), 314.

[11] Feuchtwanger (Fn. 4), 314.

[12] Feuchtwanger (Fn. 4), 406.

[13] Brief von Carl Bilfinger an Carl Schmitt, datiert 21. März 1933, zitiert nach: Philipp Glahé, Reinhard Mehring und Rolf Rieß (Hrsg.), Der Staats- und Völkerrechtler Carl Bilfinger (1879-1958). Dokumentation seiner politischen Biographie. Korrespondenz mit Carl Schmitt, Texte und Kontroversen, (Nomos 2024), 169f.

[14] Carl Bilfinger, Widmung seines Artikels „Notrecht“, vom November 1931, in: Glahé/Mehring/Rieß (Fn. 13), 113, 377

[15] Glahé/Mehring/Rieß (Fn. 13).

[16] Carl Bilfinger, Der Einfluss der Einzelstaaten auf die Bildung des Reichswillens, univ. Diss., (Druck von: H. Laupp jr., Tübingen: 1923).

[17] Erörtert wurden Reformen des Beamtenrechts und des Wahlrechts; dazu vgl.: Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. III, (München: C.H. Beck 1999), 195-199.

[18] Dazu: Reinhard Mehring, Schüler im Schatten. Der „treue“ Karl Lohmann (1901-1996), in: Reinhard Mehring (Hrsg.),„Dass die Luft die Erde frisst…“ Neue Studien zu Carl Schmitt (Baden-Baden: Nomos 2024), 63-91.

[19] Brief von Carl Bilfinger an Carl Schmitt, datiert 24. September 1933, zitiert nach: Glahé/Mehring/Rieß (Fn. 13), 179.

[20] Brief von Fritz Hartung an Gustav Aubin, datiert 29. Januar 1934, zitiert nach: Hans-Christof Kraus (Hrsg.), Fritz Hartung. Korrespondenz eines Historikers zwischen Kaiserreich und zweiter Nachkriegszeit (Duncker & Humblot 2019), 263.

[21] Brief von Carl Bilfinger an Carl Schmitt, datiert 14. Februar 1934, zitiert nach: Glahé/Mehring/Rieß (Fn. 13), 181.

[22] Wolfgang Schuller (Hrsg.), Carl Schmitt. Tagebücher 1930 bis 1934 (Akademie Verlag 2010), 330.

[23] Carl Schmitt, Die Logik der geistigen Unterwerfung, Deutsches Volkstum 16 (1934), 177-182.

[24] Schmitts Handexemplar ist im Duisburger Nachlass (RW 265-29071) erhalten. Schmitt hat es in den 1960er und 1970er Jahren intensiv um Literaturangaben ergänzt und glossiert. Den Untertitel „Der Sieg des Bürgers über den Soldaten“ ergänzte er um die Variationen: „Der Sieg der Ware über die Waffe oder: Bismarcks Erbe in der Reichsverf[assung]!“. In den Einband klebte er eine Rezension: Neue Legalität. Bemerkungen zu einem Buch von Professor Carl Schmitt, Berliner Tageblatt Nr. 264, 7. 6. 1934, deren Deutung er zustimmte, wobei ihm vor allem die Datierung vor den 30. Juni 1934 wichtig war. Günter Maschkes Edition der Schrift (2011) berücksichtigt Schmitts Selbstglossierung und -interpretation nicht angemessen.

[25] Dazu dann Carl Schmitt, Der Mut des Geistes, in: FAZ,30. 12. 1950, 6; Wiederabdruck in: Reinhard Mehring (Hrsg.), „Auf der gefahrenvollen Straße des öffentlichen Rechts“. Briefwechsel Carl Schmitt / Rudolf Smend 1921-1961 (2. Aufl., Duncker & Humblot 2012) 177-178; vgl. auch: Schmitts Spiegelung des „Zusammenbruchs“ von 1945 durch Heinrich von Kleist in: Carl Schmitt, Ex Captivitate Salus. Erfahrungen der Zeit 1945/47, (Greven-Verlag 1950), 34-45.

[26] Glahé/Mehring/Rieß (Fn. 13), 186.

[27] Wolfgang Schuller (Hrsg.), Carl Schmitt. Tagebücher (Fn. 22), 347.

[28] Glahé/Mehring/Rieß (Fn. 13), 188.

[29] Glahé/Mehring/Rieß (Fn. 13), 186.

[30] Wolfgang Schuller (Hrsg.), Carl Schmitt. Tagebücher (Fn. 22), 350.

Polykratie der Völkerrechtler

Polycratic International Law Scholarship

Berlin under National Socialism, 1937 (Picture: Creative Commons)

Deutsch

Carl Schmitt, Viktor Bruns und das KWI für Völkerrecht

Am 2. November 1933 schreibt der Vorsitzende des Kuratoriums „an die Herren Mitglieder des Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht e. V.“:

„Der Direktor des Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht e. V., Herr Geheimer Justizrat Professor Dr. Bruns hat beantragt, den zum ordentlichen Professor an der Juristischen Fakultät der Universität Berlin ernannten Herrn Staatsrat Professor Dr. Carl Schmitt zum wissenschaftlichen Berater des Instituts zu wählen. Der Herr Institutsdirektor hat zur Begründung seines Antrages noch folgendes angeführt:

‚Die Stellung, die Herr Professor Dr. Carl Schmitt in der Wissenschaft seines Faches einnimmt, macht eine Begründung dieses Antrags überflüssig. Ich möchte lediglich darauf hinweisen, welche große Bedeutung der Gewinn dieses Gelehrten für die Arbeit des Instituts zukommt [sic!], der in hervorragendem Maße an der Vorbereitung neuer Gesetze[1] beteiligt ist. Es ist zu erwarten, daß durch seine Person die Arbeit des Instituts auf staatsrechtlichem Gebiet in den unmittelbaren Dienst praktischer Staatsaufgaben gestellt werden wird. Es entspricht dies den Zielen und Aufgaben, die sich das Institut von seiner Gründung an gesetzt hat, und die es seither besonders auf dem Gebiete des Völkerrechts zu verwirklichen berufen war.‘

Ich stelle diesen Antrag gemäß § 5 der Satzungen des Instituts zur Abstimmung.

Sollte ich bis zum 15. d. Mts. mit einer Antwort nicht beehrt sein, so nehme ich an, daß die Herren Kuratoriumsmitglieder mit dem Vorschlag einverstanden sind.“

Carl Schmitt hatte am 8. September seine Annahme des Rufes nach Berlin erklärt und Viktor Bruns wenige Tage später, am 18. September, „sehr freundlich“[2] im Hotelzimmer getroffen. Vielleicht besprachen sie damals seine Anbindung als „Berater“ am Institut. Am 5. November, also wenige Tage nach dem Schreiben des Kuratoriumsvorsitzenden, notiert Schmitt nach einer „Sitzung der Akademie für Deutsches Recht“ dann ein Treffen mit Bruns und Richard Bilfinger im Fürstenhof. Auf der Sitzung hielt Bruns einen Vortrag über „Deutschlands Gleichberechtigung als Rechtsproblem“.[3] In seiner völkerrechtlichen Programmschrift „Nationalsozialismus und Völkerrecht“ schreibt Schmitt zum Vortrag: „Unser Anspruch auf Gleichberechtigung ist kürzlich noch von Viktor Bruns in einer geradezu klassischen Weise nach seinen verschiedenen juristischen Stellen hin dargelegt worden.“[4] Nur sehr selten zitierte er Publikationen von Bruns. Die positive Erwähnung einer ausgewogenen juristischen Analyse ist auch etwas vergiftet; in anderen Zusammenhängen hätte Schmitt vielleicht abschätziger von liberalem, diplomatisch zurückhaltendem Positivismus gesprochen. Ende 1933, als Schmitt gerade in Berlin in seiner neuen Rolle als „Kronjurist“ ankommt, scheint der Kontakt mit Bruns jedenfalls besonders intensiv und positiv zu sein. Kehren wir hier zum Schreiben des Kuratoriumsvorsitzenden zurück, so verwundert es im November 1933 geradezu, dass noch satzungsgemäß gewählt wurde, wurde die Universitätsverfassung doch gerade auf das „Führerprinzip“ umgestellt. Die Wahl ist auch förmlich fragwürdig, da nur eine Frist zum Einspruch gestellt ist, für einen Antrag, der seine Begründung für „überflüssig“ erklärt und selbstverständlich von Zustimmung ausgeht. Waren alle Mitglieder des Instituts wahlberechtigt oder nur die Kuratoriumsmitglieder, wie es anklingt? Wurde ein Abstimmungsergebnis festgestellt? Was versprach sich Bruns damals eigentlich von der Ersetzung Erich Kaufmanns durch Schmitt? Erwartete er eine Intensivierung des rechtspolitischen Einflusses auf das „staatsrechtliche Gebiet“? Ging es um eine Loyalitätsgeste oder suchte er das Institut darüber hinaus auch durch den „Staatsrat“ abzusichern und vor Übergriffen zu schützen?

Der „Kronjurist“ am KWI. Eine strategische Wahl?

In den Archiven des MPI finden sich nur wenige Quellen zu Schmitts Beraterfunktion. Schmitt war im Herbst 1933 mit dezidiert „staatspolitischem“ Auftrag aus Köln an die Berliner Universität gewechselt und stand im Zenit seiner nationalsozialistischen Karriere. Er war von Hermann Göring zum Preußischen Staatsrat ernannt worden und kooperierte sein einigen Monaten eng mit dem „Reichskommissar“ und „Reichsrechtführer“ Hans Frank. Auf dem von Adolf Hitler höchstpersönlich eröffneten Deutschen Juristentag, eigentlich der 4. Reichstagung des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ), hatte er gerade am 3. Oktober eine programmatische Rede zum „Neubau des Staats- und Verwaltungsrechts“[5] gehalten, die „Führertum und Artgleichheit als Grundbegriffe des nationalsozialistischen Rechts“ exponierte und die Institution des neuen Staatsrats als „erste anschauliche und vorbildliche Gestalt“ zur „Errichtung eines Führerrats“ empfahl, auf den der Ehrgeiz des „Kronjuristen“ damals wohl aspirierte.[6]

Schmitt setzte auf einen durchgreifenden Umbau des „totalen Staates“ zum personalistisch integrierten, mehr oder weniger „charismatischen“ „Führerstaat“. Es entspricht seinen Überlegungen, wenn Bruns in seinem leicht verblümten Oktroy schreibt, dass durch dessen „Person die Arbeit des Instituts auf staatsrechtlichem Gebiet in den unmittelbaren Dienst praktischer Staatsaufgaben gestellt“ werde. Wenn Bruns mit spitzer Feder sorgfältig formulierte, klingt eine Unterscheidung zwischen dem wissenschaftlichen Institut und politischen Anwendern an, die als Personen selbstständig agieren und nur als „Berater“ angebunden sind. Was Schmitt für sein Honorar genauer tat, ist noch nicht erforscht und teils wohl auch nicht schriftlich fixiert. Seine institutionelle Einbindung blieb aber auch in den nächsten Jahren relativ schwach. Zwar hatte er Erich Kaufmann, mit dem er seit gemeinsamen Bonner Tagen herzlich verfeindet war, mit schärfster antisemitischer Denunziation aus der Universität vertrieben und dessen Rolle im KWI-Institut übernommen – er wurde auch Mitherausgeber der institutseigenen Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV) -, gehörte aber wohl niemals zum engsten und innersten Kreis der Berater und Mitarbeiter von Bruns. Zwar arbeitete er in den nächsten Jahren ab und an in der Institutsbibliothek, die im Stadtschloss, der Universität benachbart, prächtig residierte, und suchte dort wohl auch das gelegentliche Gespräch, insbesondere mit Heinrich Triepel, zu dessen Hegemonie Schmitt sich in einer eingehenden Besprechung kritisch positionierte;[7] das KWI wurde aber wohl niemals zur bevorzugten Bühne seiner nationalsozialistischen Gleichschaltungsaktivitäten.

So extensiv und intensiv die internationale Schmitt-Forschung auch ist, fehlen ihr gerade für die Zeit nach dem 30. Juni 1934 doch die Quellen zur genauen Beschreibung von Schmitts vielfältigem rechtspolitischen Wirken. Als einfacher Zugang muss hier deshalb die Selbstbeschreibung in Nürnberger Untersuchungshaft von 1947 genügen, auch wenn sie offenbar apologetisch geschönt ist.[8] Der Ankläger Robert Kempner wünschte eine schriftliche Stellungnahme zur Frage, ob Schmitt die „theoretische Untermauerung der Hitlerschen Grossraumpolitik gefördert“ habe. Schmitt verneinte dies ausführlich. Hierbei kam er auch auf seine Rolle am KWI und sein Verhältnis zu Viktor Bruns zu sprechen:

„Ich bin seit 1936 von Niemand, weder von einer Stelle noch von einer Person, weder amtlich noch privat um ein Gutachten[9] gebeten worden und habe auch kein solches Gutachten gemacht, weder für das Auswärtige Amt noch für eine Partei-Stelle noch für die Wehrmacht, die Wirtschaft oder die Industrie. Ich habe auch keinen Rat erteilt, der irgendwie auch nur entfernt mit Hitlers Eroberungs- oder Besatzungspolitik in Zusammenhang stände. […] Ich habe, wie viele andere Rechtslehrer, an mehreren Sitzungen des von Prof. Bruns geleiteten Ausschusses für Völkerrecht der Akademie für Deutsches Recht teilgenommen,[10] habe mich aber dort, auch in Diskussionen, ganz zurückgehalten und nicht den geringsten Einfluss gehabt und gesucht. […] Ich habe während des Krieges kein Amt und keine Stellung übernommen, weder als Kriegsgerichtsrat, noch als Kriegsverwaltungsrat im besetzten Gebiet, noch als Mitglied eines Prisenhofes oder irgend etwas Ähnliches. Es ist mir auch keine solche Stellung angeboten worden, noch habe ich mich darum bemüht. Ich bin nicht einmal Nachfolger von Prof. Bruns in der Leitung des Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft) geworden, als Prof. Bruns im September 1943 gestorben war. […] Ich habe kein Institut gehabt, bin niemals Rektor oder Dekan geworden.“

Bei den zahlreichen Fehlanzeigen, die er strategisch verzeichnet, verwundert die ihrerseits fast verwunderte Formulierung, er sei „nicht einmal“ Nachfolger von Bruns geworden. War das Amt so unbedeutend? Konnte Schmitt Ende 1943 noch Ansprüche machen, wenn er „seit 1936“ wirklich so ohnmächtig war, wie er glauben machen möchte?

Schmitt und sein Verhältnis zu Viktor Bruns und Carl Bilfinger

Im Mai 1941 äußerte Schmitt sich Rudolf Smend gegenüber über eine der Völkerrechts-Ausschusssitzungen; er nannte diesen „Auftrieb“ eine der „Erniedrigungen der reinen Wissenschaft“ und führte aus:

„Zu sehen, wie Professoren sich hochgeehrt fühlen, wenn sie jüngeren Referenten oder auch alten aus dem Ministerium lauschen dürfen, ist sehr traurig. Wenn dann noch eine von Bruns geleitete ‚Diskussion‘ eintritt, in der Herr Thoma, Herr Bilfinger und ein ebenso alter Herr von Düngern [sic!] bahnbrechende Konstruktionen – unter Dankesbezeugungen, daß ihnen eine so auszeichnende Erlaubnis zuteil wurde – an die Adresse seiner hohen Behörden vortragen, dann sehnt man sich nach der Mansarde.“[11]

Dass Schmitt sich 1941 so despektierlich über Richard Thoma, Bruns und Bilfinger äußerte, ist einigermaßen überraschend. Schmitt bezieht sich auf eine Sitzung vom 2. Mai 1941 zum Tagungspunkt „Landkriegsordnung“. Conrad Roediger trug über das „kodifizierte Landrecht im gegenwärtigen Krieg“ vor. Richard Thoma sprach dazu in einem längeren Statement über die Geltung des Völkerrechts im Generalgouvernement, also im Machtbereich Hans Franks. Thoma fragte danach, wie man „eine Übereinstimmung des Vorgehens der deutschen Regierung in diesem völlig überwundenen Gebiet mit dem Völkerrecht durchführen kann“.[12] Er meinte, es ließe ich nicht mit der occupatio bellica argumentieren, sondern nur mit der offenen Erklärung, dass die „Besetzung mit der intentio der völligen Zerstörung des besiegten Feindes“ erfolgt. Thoma mahnte also das Völkerrecht und eine offene Erklärung des nationalsozialistischen Extremismus an. Otto von Dungern widersprach umgehend im nationalsozialistischen Sinn, Bruns beendete als Vorsitzender dann sofort die Diskussion. Eine Stellungnahme Schmitts, des Autors der „Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff“, ist nicht verzeichnet. Sein Brief an Smend setzt Thoma also herab, indem er ihn mit von Dungern assoziiert, obgleich, oder eben weil, Thoma die konträre Position vertrat und an das Völkerrecht im Generalgouvernement erinnerte. Schmitts Polemik lässt zweifeln, dass er einen „klassischen“ Kriegsbegriff vertrat. Er tabuisierte die offene Rede über die Kriegsverbrechen in Franks Generalgouvernement. Dass er Smend gegenüber brieflich gegen Thoma polemisierte, verwundert bei seiner politischen Differenz zu Smend nicht. Eher überraschen die negativen Bemerkungen zu Bilfinger und Bruns.

Zuvor hatte er mit allen Dreien vergleichsweise freundliche Beziehungen gepflegt. Bilfinger muss sogar als einer seiner engsten Weggefährten und Mitstreiter bezeichnet werden, politisch deutlich näherstehend als Smend, der, ebenso wie Triepel, schon 1930 zur Apologie des Präsidialsystems auf Abstand gegangen war und mit dem Schmitt seitdem in alter Verbundenheit mehr diplomatische Beziehungen unterhielt. Mit Bilfinger pflegte Schmitt seit 1924 freundschaftliche und auch familiäre Beziehungen. Schon vor ihrer engen Zusammenarbeit als Prozessvertreter in der Rechtssache Preußen contra Reich vor dem Leipziger Staatsgerichtshof übernachteten beide in Halle und Berlin häufig wechselseitig im Hause. Da Bilfinger mit Bruns verwandt und befreundet war, erstreckte sich der Umgang vor 1933 auch auf Bruns. Man begegnete sich bei diversen Gelegenheiten und unternahm auch kleinere Touren zusammen in Bruns Horch-Limousine in die Umgebung. Auch wenn nur wenige Briefe von Bruns im Nachlass Schmitts erhalten sind, belegen die erhaltenen Tagebücher doch eindeutig, dass beide sich näher kannten. Bruns war kein NSDAP-Mitglied und dachte politisch wohl deutlich gemäßigter als sein Vetter Bilfinger. Schmitts Tagebuch verzeichnet gerade für die Jahre 1933/34 zahlreiche Begegnungen und positive Erwähnungen in fachlichen Zusammenhängen, an die sich private Geselligkeit anschloss. So hörte Bruns am 24. Januar 1934 Schmitts Vortrag über „Heerwesen und staatliche Gesamtstruktur“, die Exposition der verfassungsgeschichtlichen Programmschrift „Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches“; Schmitt hörte am 4. Juli 1934 im Gegenzug Bruns‘ Vortrag über „Völkerrecht und Politik“.[13]

Mit Bilfinger stand Schmitt nach 1933 weiter in enger Beziehung. Dieser optierte nicht weniger entschlossen als Schmitt für den Nationalsozialismus. Auch wenn sich ab etwa 1934 eine gewisse Ermüdung in der Beziehung beobachten oder vermuten lässt, blieb sie doch nach 1933 – und auch nach 1945 noch – relativ eng und freundschaftlich. So übernahm Bilfinger Schmitts alten Bonner Schüler Karl Lohmann als Mitarbeiter und ermöglichte ihm in Heidelberg die Habilitation. Für die Entwicklung der Beziehung zu Bruns nach 1934 fehlen aussagekräftige Quellen. Zwar ist nicht von engen freundschaftlichen Kontakten auszugehen, doch gibt es keine Anzeichen für ein Zerwürfnis. So verwundern die negativen Äußerungen von 1941 wie 1947; Loyalität war aber gewiss nicht Schmitts Stärke.

Das KWI aus Schmitts Sicht

In seiner Stellungnahme gegenüber Kempner 1947 geht Schmitt auch auf die Arbeit des KWI im Dritten Reich, insbesondere auf die ZaöRV ein, deren Mitherausgeber er war. In seinen weiteren Ausführungen ging er seine Zeitschriftenbeiträge einzeln durch und betonte jeweils die „wissenschaftliche“ Zielführung und Selbständigkeit seiner Äußerungen. Zum KWI meinte er hier:

„Die bedeutendste rechtswissenschaftliche Zeitschrift, die in diesen Jahren (1939-1945) völkerrechtliche Fragen vom deutschen Standpunkt aus behandelte, war die ‚Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht‘, herausgegeben von Prof. Viktor Bruns, dem Direktor des ‚Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht‘ der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Bruns, der auch den Völkerrechts-Ausschuss der Akademie für Deutsches Recht leitete, war ein Völkerrechtler von internationalem Ansehen und grosser persönlicher Vornehmheit. Als er im Herbst 1943 starb, hat ihm das ‚American Journal of International Law‘ einen respektvollen Nachruf gewidmet. Einer der Mitherausgeber der Zeitschrift war Graf Stauffenberg, ein Bruder, Mitarbeiter und Schicksalsgenosse des Grafen Stauffenberg, der das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 unternommen hat. Mein Name stand neben dem Namen von Heinrich Triepel auf der Zeitschrift als „unter Mitwirkung von“ Triepel und mir herausgegeben. Ich habe jedoch seit 1936 keinen Einfluss mehr auf die Zeitschrift genommen und auch keinen Aufsatz mehr veröffentlicht. Die Zeitschrift hat im übrigen wertvolle Aufsätze gebracht und gutes Material veröffentlicht, das sie von amtlichen deutschen Stellen erhielt. Wie sich ihre Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt und anderen Behörden abspielte, weiss ich nicht. Ich habe mich nicht darum gekümmert und Prof. Bruns hätte mich in dieses, von ihm streng gehütete Arcanum seiner Zeitschrift wohl auch keinen Einblick tun lassen.“[14]

Die Ausführungen sind voller Ambivalenzen. Einerseits lobt Schmitt und andererseits setzt er doch leise herab. So zitiert er den Stauffenberg-Mythos herbei und betont andererseits doch die „advokatorische“ Rolle des Instituts. In der Zeitschrift des Instituts publizierte er damals immerhin eine Selbstanzeige[15] seiner Besprechungsabhandlung „Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff“. Dass er keinen großen Aufsatz veröffentlichte, sondern andere NS-Organe präferierte, widerspricht eigentlich dem Zweck seiner Ausführungen. In seiner Stellungnahme von 1947 nennt Schmitt diverse Akteure, Wirkungskreise und Konkurrenzen.

[pdf-embedder url=”https://mpil100.de/wp-content/uploads/2024/03/Picture1.pdf”]Das Titelblatt der ZaöRV-Ausgaben Bd. III (1933) bis V (1934). Carl Schmitt erscheint als Mitherausgeber, Rudolf Smend und Erich Kaufmann wurden entfernt.

Wo Schmitt genau in den diversen Fragen zwischen Göring, Frank und Joseph Goebbels, Otto Koellreutter, Reinhard Höhn und Werner Best, Triepel, Bruns und Bilfinger stand, ist bei dem wendigen und enigmatischen Autoren schwer zu sagen. Gerade im Völkerrecht suchte er als Anwalt der „legalen Revolution“ und „Bewegung“ institutionelle Alternativen zum Staat des 19. Jahrhunderts. Schon in der Auseinandersetzung mit Triepel kritisierte er die „dualistische Theorie“ strikter Unterscheidung von Völkerrecht und Landesrecht mit ihrer völkerrechtlichen Orientierung am Staatsbegriff. „Völkerrechtliche Großraumordnung“ propagierte dann den „Reichsbegriff“ als Grundbegriff eines hegemonialistischen Völkerrechtsdenkens, das Macht und Recht eng miteinander verknüpfte und Macht ins Recht setzte, wenn und sobald sie als „konkretes Ordnungsdenken“ politische Souveränität und Ordnung formierte.

Schmitts Suche nach institutionellen Alternativen zum „bürgerlichen Rechtsstaat“ und einer neuen Verfassung – nach dem Oxymoron eines nationalsozialistischen „Normalzustands“ – implizierte auch Alternativen zum überlieferten Wissenschaftssystem und Juristentypus.[16] Schmitt bejahte Franks Gründung einer Akademie für Deutsches Recht als eine solche institutionelle Alternative. Auch als Autor und Herausgeber suchte er neue publizistische Formen akademischer Auseinandersetzung. So begründete er die Reihe Der deutsche Staat der Gegenwart, in der programmatische Kampfschriften zur Gleichschaltung und Neuausrichtung der Rechtswissenschaft erschienen. Zweifellos betrachtete er das KWI und dessen Zeitschrift nicht als Musterfall und Inbegriff einer nationalsozialistischen Institution. Ob er deren Form und Wirksamkeit strategisch mit Blick auf die internationale Außenwirkung schätzte, ist schwer zu sagen. Als ein Nachfolger von Bruns hätte er manches gewiss verändert. In sein Tagebuch notierte er am 25. Oktober 1943 Ärger über Bilfingers Ernennung zum Direktor des Instituts: „Bilfinger soll Nachfolger von Bruns werden. Schadenfroh darüber, welch lächerliche Vetternwirtschaft, Schieberei über den Tod hinaus.“[17] Als Bilfinger 1949 dann überraschend erneut Direktor des Instituts wurde,[18] brach er den über 25 Jahre doch recht intensiven Kontakt brüsk ab. Hatte er 1943, nach dem Tod von Bruns, wirklich erwartet, Institutsdirektor zu werden? Eine realistische Aussicht war das wohl nicht. Wie Professoren aber so sind, wollte er damals vielleicht wenigstens gefragt werden. Eigentlich passte das Amt, wie er wohl wusste, aber nicht zu seiner Person und Rolle. Er gehörte eher zu den nationalsozialistischen Scharfmachern und verstand sich weniger auf überzeugende Diplomatie. Auch deshalb war er bald isoliert.

***

Andere Fassung des Blog-Beitrags in: Reinhard Mehring, “Dass die Luft die Erde frisst…” Neue Studien zu Carl Schmitt, Baden-Baden 2024, S. 91-107.

Zudem sei verwiesen auf die im Frühjahr erscheinende Edition zum Briefwechsel zwischen Carl Schmitt und Carl Bilfinger: Philipp Glahé / Reinhard Mehring / Rolf Rieß (Hrsg.), Der Staats- und Völkerrechtler Carl Bilfinger (1879-1958). Dokumentation seiner politischen Biographie. Korrespondenz mit Carl Schmitt, Texte und Kontroversen, Baden-Baden 2024.

[1] Vor allem: Carl Schmitt, Das Reichsstatthaltergesetz, Berlin: Carl Heymanns Verlag 1934.

[2] Wolfgang Schuller (Hrsg.), Carl Schmitt Tagebücher 1930 bis 1934, Berlin: Akademie Verlag 2010, 303.

[3] Viktor Bruns, Deutschlands Gleichberechtigung als Rechtsproblem, Berlin: Carl Heymanns Verlag 1933.

[4] Carl Schmitt, Nationalsozialismus und Völkerrecht, in: Günter Maschke (Hrsg.), Carl Schmitt Frieden oder Pazifismus? Arbeiten zum Völkerrecht und zur internationalen Politik 1924-1978, Berlin: Duncker & Humblot 2005, 391-423, 393.

[5] Carl Schmitt, Der Neubau des Staats- und Verwaltungsrechts, in: Carl Schmitt, Gesammelte Schriften 1933-1936, Berlin: Duncker & Humblot 2021, 57-69.

[6] Carl Schmitt, Staat, Bewegung, Volk. Die Dreigliederung der politischen Einheit, in: Schmitt (Fn. 6), 76- 115, 105-106.

[7] Dazu: Carl Schmitt, Führung und Hegemonie, in: Günter Maschke (Hrsg.): Carl Schmitt Staat, Großraum, Nomos. Arbeiten aus den Jahren 1916-1969, Berlin: Duncker & Humblot 1995, 225-231.

[8] Carl Schmitt, Stellungnahme I: Untermauerung der Hitlerschen Großraumpolitik; Stellungnahme II: Teilnehmer des Delikts „Angriffskrieg“? in: Helmut Quaritsch (Hrsg.), Carl Schmitt Antworten in Nürnberg, Berlin: Duncker & Humblot 2000, 68-90.

[9] 1936 war Schmitt gescheitert mit: Carl Schmitt, Stellungnahme der Wissenschaftlichen Abteilung des National-Sozialistischen Rechtswahrerbundes zu dem von der amtlichen Strafprozesskommission des Reichsjustizministeriums aufgestellten Entwurf einer Strafverfahrensordnung, in: Schmitt (Fn. 6), 431-481.

[10] So hielt er am 30. März 1935 ein Referat über das „Problem der gegenseitigen Hilfeleistung der Staaten“ in der 3. Vollsitzung des Ausschusses für Völkerrecht. Am 6. Mai 1938 stellte er in der 2. Sitzung der Völkerrechtlichen Gruppe seinen Bericht über „Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff“ vor. Die Protokolle der Akademie verzeichnen noch die Teilnahme und einen Redebeitrag zu Vorträgen von Arnold Toynbee (28. Februar 1936 und Sommer 1937).

[11] Reinhard Mehring (Hrsg.), „Auf der gefahrenvollen Straße des öffentlichen Rechts“ Briefwechsel Carl Schmitt ­ – Rudolf Smend 1921-1961, 2. überarb. Aufl., Berlin: Duncker & Humblot 2012, 103f.

[12] Werner Schubert (Hrsg.), Akademie für Deutsches Recht. Ausschüsse für Völkerrecht und für Nationalitätenrecht (1934-1943), Frankfurt: Peter Lang Verlag 2002, 164.

[13] Schmitt (Fn. 5), 392; dazu: Schuller (Fn.3), 349; vgl. dazu: Viktor Bruns, Völkerrecht und Politik, Berlin: Junker und Dünnhaupt 1934.

[14] Schmitt (Fn. 9), 73f.

[15] Carl Schmitt, Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff (Selbstanzeige), ZaöRV 8 (1938), 588-590.

[16] Dazu etwa: Carl Schmitt, Bericht über die Fachgruppe Hochschullehrer im BNSDJ, in: Schmitt (Fn. 6), 116-118; Carl Schmitt, Aufgabe und Notwendigkeit des deutschen Rechtsstandes, in: Schmitt (Fn. 6), 350-361; Carl Schmitt, Geleitwort: Der Weg des deutschen Juristen, in: Schmitt (Fn. 6), 165-173.

[17] Diese Information danke ich Dr. Gerd Giesler.

[18] Dazu eingehend: Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg. Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg, ZaöRV 74 (2014), 697-731.

Suggested Citation:

Reinhard Mehring, Polykratie der Völkerrechtler. Carl Schmitt, Viktor Bruns und das KWI für Völkerrecht, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240327-103002-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

English

Carl Schmitt, Viktor Bruns and the KWI for International Law

On 2 November 1933, the Chairman of the Board of Trustees wrote “to the members of the Institute for Comparative Public Law and International Law”:

“The Director of the Institute for Comparative Public Law and International Law, Privy Councillor of Justice Professor Dr Bruns, has requested that the State Councillor Professor Dr Carl Schmitt, who has been appointed ordinary professor at the Faculty of Law of the University of Berlin, be elected scientific advisor to the Institute. The Director of the Institute has added the following in support of his application:

‘The position that Professor Dr Carl Schmitt occupies in the science of his subject makes a justification of this motion superfluous. I would merely like to point out the great importance for the work of the institute corresponding to the appointment of this scholar, who is involved to an outstanding degree in the preparation of new laws[1] . It is to be expected that through his person, the work of the institute in the field of constitutional law will be placed in the direct service of practical government responsibilities. This corresponds to the goals and tasks which the institute has set itself since its founding and which it has since been called upon to realise especially in the field of international law.’

I put this motion to the vote in accordance with § 5 of the Institute’s Statutes.

If I am not honoured with a reply by the 15th of this month, I assume that the members of the Board of Trustees are in agreement with the proposal.”

Carl Schmitt had declared his acceptance of the call to Berlin on 8 September and had a “very friendly”[2] meeting with Viktor Bruns in a hotel room a few days later, on 18 September. Perhaps they discussed his employment as an “advisor” at the Institute on that occasion. On 5 November, i.e. a few days after the letter from the Chairman of the Board of Trustees, Schmitt notes a meeting with Bruns and Richard Bilfinger “at the Fürstenhof ” after a “meeting of the Academy for German Law [Akademie für Deutsches Recht]”. At that meeting, Bruns gave a lecture on “Germany’s equality as a legal problem.[3] In his treatise on international law “Nationalsozialismus und Völkerrecht” (“National Socialism and International Law”), Schmitt wrote about the lecture: “Our claim to equal rights has only recently been set out by Viktor Bruns in an almost classical manner towards his various legal functions.”[4] Only very rarely did he cite publications by Bruns. The positive mention of balanced legal analysis is also somewhat poisoned; in other contexts, Schmitt might have spoken more disparagingly of liberal, diplomatically restrained positivism. In any case, at the end of 1933, when Schmitt is just arriving in Berlin in his new role as “crown jurist”, his contact with Bruns seems particularly intense and positive. If we return here to the letter from the Chairman of the Board of Trustees, it is almost surprising that in November 1933 elections were still held in accordance with the statutes, since the university constitution had just been changed to fit the “Führer principle”. The election is also questionable from a formal point of view, since objections are only accepted up to a deadline, for a motion that declares its justification “superfluous” and naturally assumes approval. Were all members of the Institute eligible to vote or only the trustees, as is implied? Was a vote taken? What were Bruns intentions behind replacing Erich Kaufmann with Schmitt? Did he expect an intensification of legal-political influence in the “constitutional law field”? Was it a gesture of loyalty or did he also seek to secure the institute through the “Councillor of State” and protect it from encroachment?

The “crown lawyer” at KWI. A strategic choice?

Only few sources on Schmitt’s advisory function can be found in the MPI archives. Schmitt had transitioned from Cologne to Berlin University in autumn 1933 with a decidedly “state-political (staatspolitisch)” mandate and was at the zenith of his Nazi career. He had been appointed Prussian State Councillor by Hermann Göring and had been cooperating closely with the “Reich Commissar (Reichskommissar)” and “Reich Law Leader (Reichsrechtsführer)” Hans Frank for several months. At the German Lawyers’ Congress (Deutscher Juristentag), actually the 4th Conference of the Federation of National Socialist German Lawyers (Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen, BNSDJ), which was opened by Adolf Hitler himself, he had just, on 3 October, given a programmatic speech on the “Reconstruction of Constitutional- and Administrative Law[5], which emphasised  “Führertum and ethnic identity [Artgleichheit] as fundamental concepts of National Socialist law” and recommended the institution of the new State Council as the “first illustrative and exemplary figure” for the “establishment of a Führer Council”, to which the ambition of the “crown jurist” probably aspired at the time. [6]

Schmitt relied on a thorough transformation of the “total state” into a personalistically integrated, more or less “charismatic” “Führer state”. It is in line with this thinking when Bruns writes in his slightly oblique octroy that through his “person, the work of the institute in the field of constitutional law will be placed in the direct service of practical government responsibilities”. In Bruns’ careful wording, a distinction between the scientific institute and political practitioners, who act independently and are only employed as “advisors” is alluded to. What Schmitt actually did for his pay has not yet been researched and is in part probably not even fixated in writing. However, his institutional involvement remained relatively weak in the following years. Although he had driven Erich Kaufmann, with whom he had been cordial enemies since their days together in Bonn, out of the university by intense anti-Semitic denunciation and had taken over his role at the KWI and he also became co-editor of the institute’s Journal Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV; today: Heidelberg Journal of International Law, HJIL), he most-likely never belonged to Bruns’ closest and innermost circle of advisors and contributors. During the next few years, he occasionally worked in the institute’s library, which was splendidly housed in the city palace next to the university, and probably also sought occasional discussions there, especially with Heinrich Triepel, on whose concept of hegemony Schmitt took a critical position in an in-depth review;[7] however, the KWI probably never became the preferred stage for his National Socialist Gleichschaltung activities.

As extensive and intensive as international research on Schmitt is, it lacks sources for a precise description of Schmitt’s multifaceted legal-political work, especially for the period after 30 June 1934. The self-description during his pretrial detention in Nuremberg in 1947 must therefore suffice as a basic access point here, even if it is obviously apologetically embellished.[8] Prosecutor Robert Kempner wanted a written statement on the question of whether Schmitt had “promoted the theoretical underpinning of Hitler’s Großraum policy”. Schmitt denied this at length. On that occasion he also mentioned his role at the KWI and his relationship with Viktor Bruns:

“Since 1936, I have not been asked by anyone, neither by an office nor by a person, neither officially nor privately, for an expert opinion[9] and I have not given such an opinion, neither for the Foreign Office nor for a party [NSDAP] office nor for the Wehrmacht, the economy or the industrial sector. Nor have I given any advice that was in any way even remotely connected with Hitler’s policy of conquest or occupation. […] Like many other law professors, I took part in several meetings of the Committee for International Law of the Academy for German Law, which was chaired by Prof. Bruns,[10] but I kept completely to myself there, even in discussions, and did not have or seek the slightest influence. […] I did not take on any office or position during the war, neither as a court martial councillor, nor as a war administrative councillor in occupied territory, nor as a member of an admiralty court or anything similar. Neither was I offered any such position, nor did I seek it. I did not even succeed Prof. Bruns as director of the Institute for Comparative Public Law and International Law (Kaiser Wilhelm Society) when Prof. Bruns died in September 1943. […] I did not have an institute, never became rector or dean.”

In view of the numerous misrepresentations he makes strategically, the almost astonished formulation that he “did not even” succeed Bruns is astonishing. Was the office so insignificant? Could Schmitt still make claims at the end of 1943 if he had really been as powerless “since 1936” as he would have us believe?

Schmitt and his relationship to Viktor Bruns and Carl Bilfinger

In May 1941, Schmitt commented to Rudolf Smend about one of the meetings of the International Law Committee; he called this “rout” one of the “humiliations of pure science” and elaborated:

“To see how professors feel highly honoured when they are allowed to listen to younger speakers or even old ones from the ministry is very sad. When then a ‘discussion’ led by Bruns occurs, in which Mr Thoma, Mr Bilfinger Mr von Düngern [sic!], who is just as old, present pioneering concepts – with expressions of gratitude that they have been granted such distinguishing permission – to the address of his high authorities, one longs for the garret.” [11]

That Schmitt made such disparaging remarks about Richard Thoma, Bruns and Bilfinger in 1941 is somewhat surprising. Schmitt refers to a meeting on 2 May 1941 on the agenda item “Land War Convention [Landkriegsordnung]”. Conrad Roediger spoke about the “codified law of the land [Landrecht] in the present war”. Richard Thoma spoke in a longer statement about the “validity of international law in the General Government”, i.e. in Hans Frank’s sphere of power. Thoma asked how one could “achieve a conformity of the German government’s actions in this completely overcome area with international law”.[12] He argued that occupatio bellica could not be used as legal grounds, but instead an open declaration that the “occupation is carried out with the intentio of the complete destruction of the defeated enemy”. Thoma thus dunned international law and an open declaration of National Socialist extremism. Otto von Dungern immediately objected in National Socialist spirit, Bruns as chairman then promptly ended the discussion. A statement by Schmitt, who authored „Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff“ (“The Turn to the Discriminating Concept of War”), is not recorded. His letter to Smend thus belittles Thoma by associating him with von Dungern, although, or precisely because, Thoma took the contrary position and called to mind international law in the General Government. Schmitt’s polemics make one doubt that he represented a “classical” concept of war. He considered open mentioning of the war crimes in Frank’s General Government taboo. The fact that he polemicized against Thoma in letters to Smend is not surprising given his political differences with Smend. More surprising are the negative remarks about Bilfinger and Bruns.

Previously, he had maintained comparatively friendly relations with all three. Bilfinger must even be described as one of his closest companions; clearly closer to Schmitt in political terms than Smend, who, like Triepel, had already distanced himself from the apologia of the presidential system in 1930 and with whom Schmitt had since maintained rather diplomatic relations based on old ties. Schmitt had however maintained friendly and also familiar relations with Bilfinger since 1924. Even before their close collaboration as councils in the Prussia versus Reich case before the Leipzig State Court, the two frequently stayed overnight in each other’s homes in Halle and Berlin. Since Bilfinger was a relative and friend of Bruns, their interactions before 1933 also extended to Bruns. They met on various occasions and also went on short trips together in Bruns’ Horch limousine to the surrounding area. Even though only a few letters from Bruns have been preserved in Schmitt’s estate, the surviving diaries clearly prove that the two knew each other quite well. Bruns was not a member of the NSDAP and was probably much more politically moderate than his cousin Bilfinger. Schmitt’s diary records numerous meetings and positive mentions in professional contexts, followed by private socialising, especially for the years 1933/34. On 24 January 1934, for example, Bruns heard Schmitt’s lecture on the “army and the overall structure of the state”, the exposition of the constitutional-historical treatise “Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches” (“State-composition and collapse of the Second Reich [German Empire]”); in return, Schmitt heard Bruns’ lecture on “international law and politics” on 4 July 1934.[13]

Schmitt remained in close contact with Bilfinger after 1933. The latter opted for National Socialism no less resolutely than Schmitt. Even if a certain cooling of the relationship can be observed or assumed from around 1934, it remained relatively close and friendly after 1933 – and even after 1945. Bilfinger took on Schmitt’s former student from Bonn Karl Lohmann as an employee and enabled him to complete his habilitation treatise in Heidelberg. There are no meaningful sources for the development of his relationship with Bruns after 1934. Although close friendly contacts cannot be assumed, there are no signs of a rift. The negative statements of 1941 and 1947 are therefore surprising; loyalty was however certainly not Schmitt’s strong suit.

The KWI from Schmitt’s point of view

In his statement to Kempner in 1947, Schmitt also addresses the work of the KWI in the Third Reich, in particular the ZaöRV, of which he was co-editor. In his further remarks, he went through his journal contributions one by one, emphasising in each case the “scientific” aim and independence of his statements. Regarding the KWI, he said here:

“The most important jurisprudential journal that dealt with questions of international law from the German point of view during these years (1939-1945) was the ‘Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht’, edited by Prof. Viktor Bruns, the director of the ‘Institute for Comparative Public Law and International Law’ of the Kaiser Wilhelm Society. Bruns, who also headed the International Law Committee of the Academy of German Law, was an international law scholar of international renown and great personal distinction. When he died in autumn 1943, the ‘American Journal of International Law’ dedicated a respectful obituary to him. One of the co-editors of the journal was Graf Stauffenberg, a brother, associate and companion in fate of the Graf Stauffenberg, who made the assassination attempt on Hitler on 20 July 1944. My name was next to Heinrich Triepel’s on the journal as “published with the cooperation of” Triepel and myself. However, I have had no influence on the journal since 1936 and have not published any essays. Incidentally, the journal produced valuable essays and published good material that it received from official German agencies. How its cooperation with the Foreign Office and other authorities played out, I do not know. I did not bother and Prof. Bruns would probably not have let me gain insightinto this arcanum of his journal, which he guarded closely. [14]

The remarks are full of ambivalences. On the one hand, Schmitt praises and yet on the other hand he quietly disparages. Thus, he cites the Stauffenberg mythos and yet on the other hand emphasises the “advocatory” role of the Institute. It remains that he did publish a self-disclosure[15] of his review essay “Die Wendung zum discriminierenden Kriegsbegriff” (“The Turn to the Discriminating Concept of War”), in the institute’s journal at the time. The fact that he did not publish a major essay, but preferred other Nazi organs, actually contradicts the purpose of his remarks. In his 1947 statement, Schmitt names various actors, spheres of activity and competitors.

[pdf-embedder url=”https://mpil100.de/wp-content/uploads/2024/03/Picture1.pdf”]The title page of the ZaöRV editions Vol. III (1933) to V (1934). Carl Schmitt appears as co-editor, Rudolf Smend and Erich Kaufmann have been removed.

Where exactly Schmitt stood between Göring, Frank and Joseph Goebbels, Otto Koellreutter, Reinhard Höhn and Werner Best, Triepel, Bruns and Bilfinger on various issues is difficult to say with the agile and enigmatic author. Particularly in international law, he sought institutional alternatives to the state of the 19th century as an advocate of the “legal revolution” and “movement”. In debate with Triepel, he had already criticised the “dualistic theory” of strict distinction between international law and national law with its orientation on the concept of the state stemming from international law. His work “Völkerrechtliche Großraumordnung” (“The Großraum Order of International Law”) then propagated the “concept of empire” as the central concept of hegemonialist thinking on international law, which closely linked power and law and equated power to law if and when it formed political sovereignty and order as “konkretes Ordnungsdenken” (roughly: theory of factual order).

Schmitt’s search for institutional alternatives to the “civic constitutional state” and a new constitution – after the oxymoron of a National Socialist “Normalzustand” (“normal state”, as opposed to the state of exception) – also implied alternatives to the traditional academic system and type of jurist.[16] Schmitt affirmed Frank’s founding of an Academy for German Law as such an institutional alternative. As an author and editor, he also sought new journalistic forms of academic debate. Thus, he founded the series “Der deutsche Staat der Gegenwart (“The German State of the Present”), in which programmatic pamphlets on the Gleichschaltung and reorientation of jurisprudence were published. There is no doubt that he did not regard the KWI and its journal as a model and epitome of a National Socialist institution. It is difficult to say whether he appreciated its form and effectiveness from a strategic point of view due to its international impact. As a successor to Bruns, he would have certainly made some changes. On 25 October 1943, he noted his annoyance at Bilfinger’s appointment as director of the institute in his diary: “Bilfinger is to be Bruns’ successor. Gloating about it, what ridiculous nepotism, racketeering even beyond death.”[17] When Bilfinger surprisingly became director of the Institute again in 1949,[18] he brusquely broke off the contact, which had been quite intensive for 25 years. Did he really expect to become director of the Institute in 1943, after Bruns’ death? That was probably not a realistic prospect. But perhaps, in typical professorial fashion, he at least wanted to be asked. Yet, as he well knew, the office did not fit his person and role. He was more of a National Socialist agitator and less adept at convincing diplomacy. This was one of the reasons he was soon isolated.

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Above all: Carl Schmitt, Das Reichsstatthaltergesetz, Berlin: Carl Heymanns Verlag 1934.

[2] Wolfgang Schuller (ed.), Carl Schmitt Tagebücher 1930 bis 1934, Berlin: Akademie Verlag 2010, 303.

[3] Viktor Bruns, Deutschlands Gleichberechtigung als Rechtsproblem, Berlin: Carl Heymanns Verlag 1933.

[4] Carl Schmitt, Nationalsozialismus und Völkerrecht, in: Günter Maschke (ed.), Carl Schmitt Frieden oder Pazifismus? Arbeiten zum Völkerrecht und zur internationalen Politik 1924-1978, Berlin: Duncker & Humblot 2005, 391-423, 393.

[5] Carl Schmitt, Der Neubau des Staats- und Verwaltungsrechts, in: Carl Schmitt, Gesammelte Schriften 1933-1936, Berlin: Duncker & Humblot 2021, 57-69.

[6] Carl Schmitt, Staat, Bewegung, Volk. Die Dreigliederung der politischen Einheit, in: Schmitt (fn. 6), 76- 115, 105-106.

[7] On this: Carl Schmitt, Führung und Hegemonie, in: Günter Maschke (ed.): Carl Schmitt Staat, Großraum, Nomos. Arbeiten aus den Jahren 1916-1969, Berlin: Duncker & Humblot 1995, 225-231.

[8] Carl Schmitt, Stellungnahme I: Untermauerung der Hitlerschen Großraumpolitik; Stellungnahme II: Teilnehmer des Delikts „Angriffskrieg“? in: Helmut Quaritsch (ed.), Carl Schmitt Antworten in Nürnberg, Berlin: Duncker & Humblot 2000, 68-90.

[9] In 1936, Schmitt had failed with: Carl Schmitt, Stellungnahme der Wissenschaftlichen Abteilung des National-Sozialistischen Rechtswahrerbundes zu dem von der amtlichen Strafprozesskommission des Reichsjustizministeriums aufgestellten Entwurf einer Strafverfahrensordnung (Statement of the Scientific Department of the National Socialist Federation of Lawkeepers [National-Sozialistischer Rechtswahrerbund] on the Draft of a Law of Criminal Proceedings as Presented by the Official Commission on Criminal Proceedings of the Reich Ministry of Justice), in: Schmitt (Fn. 6), 431-481.

[10] Thus, on 30 March 1935, he gave a presentation on the “Problem of Mutual Assistance Between States” at the 3rd plenary session of the Committee on International Law. On 6 May 1938, he presented his report on “The Turn to the Discriminating Concept of War” at the 2nd session of the International Law Group. The Academy minutes also record the participation in and a verbal contribution to presentations by Arnold Toynbee (28 February 1936 and summer 1937).

[11] Reinhard Mehring (ed.), “Auf der Gefahrenvollen Straße des öffentlichen Rechts” Briefwechsel Carl Schmitt – Rudolf Smend 1921-1961, 2nd revised edition, Berlin: Duncker & Humblot 2012, 103f.

[12] Werner Schubert (ed.), Academy for German Law. Committees for International Law and for Nationality Law (1934-1943), Frankfurt: Peter Lang Verlag 2002, 164.

[13] Schmitt (fn. 5), 392; see on this Schuller (fn. 3), 349; cf: Viktor Bruns, Völkerrecht und Politik, Berlin: Junker und Dünnhaupt 1934.

[14] Schmitt (fn. 9), 73f.

[15] Carl Schmitt, Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff (Selbstanzeige), HJIL 8 (1938), 588-590.

[16] On this, for example: Carl Schmitt, Bericht über die Fachgruppe Hochschullehrer im BNSDJ, in: Schmitt (fn. 6), 116-118; Carl Schmitt, Aufgabe und Notwendigkeit des deutschen Rechtsstandes, in: Schmitt (fn. 6), 350-361; Carl Schmitt, Geleitwort: Der Weg des deutschen Juristen, in: Schmitt (fn. 6), 165-173.

[17] I would like to thank Dr Gerd Giesler for this information.

[18] In detail: Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg. Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg, HJIL 74 (2014), 697-731.

Suggested Citation:

Reinhard Mehring, Polycratic International Law Scholarship. Carl Schmitt, Viktor Bruns and the KWI for International Law, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240327-103053-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

Vom Berliner Schloss zur Heidelberger „Zweigstelle“. Carl Bilfingers politische Biographie und seine strategischen Entscheidungen von 1944

In den umfangreichen Personalunterlagen zu Carl Bilfinger (1879‑1958), dem Nachfolger von Viktor Bruns in der Institutsdirektion, findet sich im Heidelberger Universitätsarchiv auch ein Ausschnitt aus der Volksgemeinschaft, dem ‘Heidelberger Beobachter‘ und erklärten ‚Kampfblatt des Nationalsozialismus‘, vom 20. Januar 1944:

„Prof. Dr. Bilfinger 65 Jahre alt

Professor Dr. Carl Bilfinger, Ordinarius des Öffentlichen Rechts an der Universität Heidelberg, feiert am morgigen Freitag seinen 65. Geburtstag. Geboren in Ulm, trat er nach kurzem Justizdienst in die württembergische Verwaltung ein und wurde hier zum Legationsrat ernannt. 1922 wandte er sich der Wissenschaft zu, habilitierte sich in Tübingen, wurde bald darauf Ordinarius in Halle, von wo er 1935 nach Heidelberg kam. Er ist Mitglied der Akademie für Deutsches Recht. Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft hat ihm jüngst die Leitung ihres großen Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Berlin anvertraut.

Die wissenschaftliche Arbeit Prof. Bilfingers kreiste zunächst um staatsrechtliche Probleme. Später wandte sie sich in steigendem Maße völkerrechtlichen Fragen zu. Die Aufdeckung der Zusammenhänge von Völkerrecht und Politik war ein besonderes Anliegen. Für die geistige Auseinandersetzung, die den gegenwärtigen militärischen Kampf begleitet, wurde hier durch Bloßlegung einseitig angelsächsischer Interessen in der Begriffsbildung des Völkerrechts manche wertvolle Waffe geschmiedet. Einem großen Kreis von Schülern ist das ausgebreitete juristische und historische Wissen Prof. Bilfingers Mittelpunkt geworden. Darüber hinaus erfreuen sich Fakultät und Universität jederzeit seines aus langer Verwaltungserfahrung geschöpften klugen Rates und gedenken dankbar der im Rahmen seines Prorektorats geleisteten vielfältigen Arbeit. Schwäbischer Humor, menschliche Güte und künstlerisches Empfinden runden das Bild der Persönlichkeit ab, der in Arbeit oder Gespräch zu begegnen Anregung und Gewinn ist.“[1] 

Der älteste Schmittianer. Carl Bilfinger und Carl Schmitt

Der Artikel ist erfreulich zurückhaltend formuliert und dürfte weitgehend zustimmungsfähig sein. Freilich verknappt er den Werdegang selektiv. So wird die Herkunft aus einem Pfarrhaus, als Sohn eines „Hofpredigers“, nicht erwähnt und auch die vielfältigen Verflechtungen mit württemberger Familiendynastien und Amtsadel bleiben unerwähnt. Nachdem das Auswärtige Amt des Königtums Württemberg geschlossen wurde, stieg Bilfinger vom diplomatischen Dienst in die Wissenschaft um und wurde unter der Regie von Carl Sartorius in Tübingen 1922 binnen weniger Monate mit einer einzigen Arbeit, die in zwei Teilen eingereicht wurde, promoviert und habilitiert. Die Arbeit mittleren Umfangs erschien unter dem Titel Der Einfluss der Einzelstaaten auf die Bildung des Reichswillens 1923 bei Mohr und blieb die einzige größere Monographie, die Bilfinger publizierte. In den damaligen Föderalismusdebatten vertrat sie eine vermittelnde Position, die weder die preußische noch die bayerische Sicht teilte und sich in der Gewichtung von Preußen und Deutschland zu einem „hegemonialen Föderalismus“ und Unitarismus bekannte. Auf der ersten Tagung der Staatsrechtslehrervereinigung in Jena 1924 referierte Bilfinger darüber neben Gerhard Anschütz. Dort begegnete er auch erstmals wohl Carl Schmitt, der über „Die Diktatur des Reichspräsidenten“ sprach. Umgehend im Sommersemester 1924 als Lehrstuhlvertreter für Erich Kaufmann in Bonn engagiert, verfiel er sogleich dem Charisma und der Verfassungslehre Schmitts, die er Mitte der 1920er Jahre in einigen Rezensionen rezipierte und verfassungstheoretisch wie verfassungspolitisch fortan vertrat.

Bilfinger lässt sich als der erste und älteste „Schmittianer“ bezeichnen. Niemand stand Schmitt als Kollege näher: weder Heinrich Triepel noch Rudolf Smend oder Otto Koellreutter, um von Gerhard Anschütz, Hermann Heller oder Hans Kelsen zu schweigen. Nur mit Bilfinger gab es zwischen 1924 und 1950 deshalb auch eine umfangreiche Korrespondenz über alle Systemumbrüche hinweg. Mit Bilfinger zusammen verfolgte Schmitt sein Projekt gegenrevolutionärer Diktatur und „Gleichschaltung“ der Länder. Bis in den Sommer 1934 hinein versteht Bilfinger sich als Sekundant und schickt seine Aufsätze über das politische Recht und Notrecht „dem Bahnbrecher der Diktatur / von einem Kärrner gewidmet“ an Schmitt.[2] Seinen Vortrag Verfassungsfrage und Staatsgerichtshof widmet er dem „Magister Constitutionis Germanorum“.[3] Beide sehen sich ständig, insbesondere in den Jahren 1928 bis 1933, und übernachten häufig auch wechselseitig privat in Bonn, Berlin oder Halle. Schmitt akquiriert den Vertreter eines „hegemonialen Föderalismus“ zur Apologie des „Preußenschlages“ im Prozess Preußen contra Reich vor dem Leipziger Staatsgerichtshof. Beide kooperieren dann auch nach dem 30. Januar 1933 noch bei der publizistischen Ausdeutung und nationalsozialistischen Liquidierung des „Urteils von Leipzig“, das beide als eine Zerstörung der Reichseinheit durch einen destruktiven „Parteienbundesstaat“ betrachteten, der sich der Länder als strategischer Plattformen zur Zerstörung des „Reiches“ bediene. Noch zehn Jahre steht Bilfinger eng an der Seite Schmitts. Die Korrespondenz zwischen beiden muss wenigstens 150 Briefe umfasst haben und ist leider, bis auf einige Ausnahmen, nur einseitig im Nachlass Schmitts erhalten, da ein Nachlass Bilfingers fehlt. Anders als Schmitt pflegte der fast zehn Jahre ältere, noch ganz im Wilhelminismus sozialisierte Bilfinger zwar einen deutschnationalen, strikt antiliberalen Bismarck‑Kult, stand Schmitt aber in der Völkerbundkritik, im Anti‑Amerikanismus und auch im Antisemitismus wenig bis gar nichts nach.

Der Artikel in der Volkgemeinschaft bezeichnet die seit den 1930er Jahren sich verstärkt dem Völkerrecht widmenden Schriften zutreffend als polemische „Waffe“. Bilfinger war seinem Cousin Viktor Bruns verwandtschaft‑ wie freundschaftlich eng verbunden. Nach 1933 wandte er sich verstärkt dem Völkerecht zu. Der Einfluss von Schmitts Völkerbund‑ und Völkerrechtskritik blieb aber wirksam. Bilfingers Kriegsschriften überbieten in den 1940er Jahren Schmitt sogar an Polemik.[4] 1943 publiziert er in der nationalsozialistischen Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht (ZAkDR) einen Hymnus „Zum zehnten Jahrestag der Machtübernahme“.[5] Das hat Schmitt 1943 nicht mehr getan.

Von Heidelberg nach Berlin. Carl Bilfinger als Nachfolger Bruns‘

1924 nach Halle berufen, wechselte Bilfinger zum Wintersemester 1935/36 nach Heidelberg. Dort trat er unter dem nationalsozialistischen Rektor und Staatsminister Paul Schmitthenner 1939 in den Senat ein und übernahm zum Sommersemester 1942 sogar das Amt des Prorektors, das doppelt wog, da Schmitthenner als Staatsminister oft nicht vor Ort war und die Amtsgeschäfte verstärkt auf dem Prorektor lasteten. Der Artikel der Volksgemeinschaft spricht hier nur andeutend von „Verwaltungserfahrung“. Zweifellos war Bilfinger aber positionell wie funktional ein scharfer Nationalsozialist.

„Testament“ Viktor Bruns, AMPG, PA Viktor Bruns, II. Abt., Rep. 0001A, Pag. 40.

Schmitthenner entband ihn am 22. Oktober 1943, gut einen Monat nach Bruns‘ Tod und wohl schon im Wissen um die kommende Berufung, von seiner „aufopfernden Tätigkeit während der ganzen Dauer des Krieges“ als Prorektor.[6] Am 2. Mai 1942 hatte der herzkranke Bruns  bereits testamentarisch verfügt, dass im Falle seines Ablebens als „Nachfolger in der Leitung des Instituts nur Professor Bilfinger, Graf [Berthold von] Stauffenberg oder Professor [Ulrich] Scheuner in Frage“ kämen. Die nationalsozialistischen Scharfmacher G. A. Walz, Paul Ritterbusch und auch „Staatsrat Schmitt“ schloss Bruns ausdrücklich aus. Bruns erwähnte weiter, dass er mit Ernst Telschow (1889‑1988), dem damaligen Generaldirektor und Vizepräsidenten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), der ab 1948 erneut als Generaldirektor der neugegründeten Max-Planck-Gesellschaft (MPG) wirkte, einige „Vorbesprechungen“ zur Sicherung von Mitarbeitern geführt habe. Sie waren vermutlich auch für die Wiederberufung Bilfingers wichtig. Die nähere Erwähnung Berthold von Stauffenbergs erklärt sich schon aus dessen Stellung als Mitarbeiter im Institut, während Bilfinger, als Verwandter von Bruns, nicht formal eingebunden war. Mit der Unterscheidung zwischen einer „Nachfolge in der Leitung“ und der „Erledigung der praktischen Aufgaben“ legte Bruns 1942 die Lösung einer Art Doppelspitze nahe, die für Bilfinger im Falle seiner Berufung auch einen Spagat zwischen Heidelberg und Berlin ermöglichte. Am 15. November 1943 teilte Bilfinger der Fakultät dann mit,[7] dass er zum „Nachfolger in der Direktion des Bruns’schen Instituts“ berufen sei und ein Ordinariat an der Universität erhalten solle. Seit dem 1. März 1944 ist er dann im Berliner Institut als Nachfolger von Bruns tätig und wird zum 1. April 1944 auch an die Universität berufen. Die Ernennung zieht sich allerdings hin. Ein formaler Grund ist der 65. Geburtstag: Das badische Ministerium musste zunächst feststellen, dass Bilfinger nicht zum 1. Februar 1944 entpflichtet wird.[8] Bilfinger scheint damals, vermutlich in Absprache mit Schmitthenner, aber auf Zeit zu spielen und bringt Heidelberg schon am 17. Februar als „Ausweichstelle der Direktion“[9] in Vorschlag. Die Annahme des Berliner Rufes schiebt er dilatorisch auf. Das badische Ministerium lässt sich mit der Übersendung der Personalunterlagen dann auch einige Zeit: Erst vom 24. Juli datiert die Vereidigung, erst Ende August folgt eine Gehaltsberechnung und erst am 3. Oktober 1944 schickt der Heidelberger Rektor die Empfangsbestätigung der Ernennungsurkunde ans badische Ministerium nach Straßburg, wo am 13. Oktober aber gerade die alliierten Truppen einmarschieren.

Einen guten Zwischeneindruck vermittelt ein Auszug aus einem Brief Bilfingers an den Heidelberger Dekan Hermann Krause, vom 9. März 1944,[10] mit Briefkopf des “Direktors des Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht / Berlin C 2, Schloß“:

„Ich bin nun seit dem 1. März hier und habe schon vieles in dem Brunsschen Institut besprochen und vorbereitet und eben dieses Amt übernommen. Mit [Wilhelm] Groh[11] und [Wolfgang] Siebert habe ich mich ebenfalls in Verbindung gesetzt und habe hier wie auch in meinem Institut den Eindruck gewonnen, dass eine Verlegung nach Heidelberg nicht durchführbar ist und dass ich auch die Abzweigung einer Ausweichstelle nach Heidelberg jedenfalls derzeit nicht in Aussicht nehmen kann. Dadurch dass die wichtigsten Bestände der völkerrechtlichen Bibliothek in die Mark Brandenburg hinaus evakuiert sind, was sich nicht rückgängig machen lässt, ferner aber auch nach den persönlichen Verhältnissen der hiesigen Referenten und sonstigen Gefolgschaftsmitgliedern kommt ganz abgesehen von technischen Schwierigkeiten (Beschaffung von Wohnungen, Transport etc.) mein anfänglicher Gedanke eines Versuchs in der Art des Heymann-Planes[12] bis auf weiteres nicht in Frage. Andererseits sind die Verhältnisse im Institut selber und hinsichtlich seiner Arbeit nach aussen hin so, dass ich nach den Osterferien schon mit Rücksicht auf das Institut mich ständig, natürlich mit gewissen Unterbrechungen, hier aufhalten müsste. Sollte sich die Kriegslage resp. die Bombenangriffe noch ganz wesentlich verschärfen, so kann das natürlich eine neue Situation herbeiführen.

In parallelem Sinne habe ich nun auch mit [Wolfgang] Siebert gesprochen, d.h. mich ausgesprochen, nachdem er den Wunsch der Fakultät dargelegt hatte. Die Berliner Universität will – und das ist zugleich ein von oben urgierter Wunsch – möglichst lange hier aushalten. / Unter diesen Umständen habe ich mich grundsätzlich zu einem Ja herbeigelassen, mit dem Vorbehalt, dass ich die Verwurzelung mit Heidelberg auch beruflich nicht aufgebe. Siebert hat mir zugesagt, dass letzteres in Form eines Lehrauftrages für mich in Heidelberg geschehen soll, ausserdem sollen wir irgend eine Art „Vormerkung“ organisieren, und zwar mit dem Ziel, dass ich, falls hier nichts mehr zu machen ist, wieder in Heidelberg arbeiten darf. Bei dem grossen Entgegenkommen, das ich bei der Fakultät und bei Ihnen persönlich mit meinen Sorgen bisher habe finden dürfen, erlaube ich mir die Bitte, mir auf diesem Wege, den ich mit Siebert vorgesehen habe, auch von dort aus entgegenkommen zu wollen; das Nähere können wir dann mündlich in Heidelberg besprechen. Jedenfalls aber wird man schon jetzt mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass ich die normalen Vorlesungen in diesem Sommer nicht halten kann, sodass Herr Forsthof [sic!][13] die Vorlesungen über Verwaltungsgeschichte der neuen Zeit (bisher mit drei Stunden angesetzt) in diesem Fall wird übernehmen müssen.“[14]

 

„Falls hier nichts mehr zu machen ist…“ – Auch aus weiteren Quellen gewinnt man den Eindruck, dass Bilfinger schon früh auf Zeit spielte und ihm mehr an der Institutsdirektion und Transposition oder Rettung des Instituts nach Heidelberg gelegen war, als an einer Berliner Wirksamkeit. Lehrveranstaltungen hat er im Sommersemester 1944 in Berlin wohl nicht mehr regelmäßig abgehalten; zum Wintersemester 1944/45 ließ er sich nach Heidelberg beurlauben, wo er ersatzweise einen unbezahlten Lehrauftrag für Völkerrecht sowie ein Seminar übernahm, während Ernst Rudolf Huber, aus Straßburg geflohen, parallel das öffentliche Recht vertrat.[15] Der Heidelberger Rektor, Schmitthenner, bestätigte noch am 27. November, dass eine „Ausweichstelle des von Professor Dr. Bilfinger geleiteten Kaiser‑Wilhelm‑Institutes“[16] in den Räumen des Juristischen Seminars eröffnet sei, was für die spätere Translozierung Präjudizien schuf. Dazu findet sich in den Heidelberger Personalakten ein weiteres längeres Schreiben vom 8. November 1944 aus Heidelberg, das vermutlich an Schmitthenner gerichtet ist:

„Sehr verehrter Herr Kollege!

Wie ich Ihnen mündlich mitgeteilt habe, bin ich auf meine Bitte hin von meinen Verpflichtungen an der Universität Berlin mit Rücksicht auf meinen Gesundheitszustand, der mir die Berufsarbeit unter den dortigen Verhältnissen vorläufig nicht gestattet, für das Wintersemester 1944/45 beurlaubt worden. Entsprechend einer Anregung, die Sie mir namens der Fakultät geäußert haben, habe ich mich Ihnen gegenüber bereit erklärt, die zweistündige Vorlesung für Völkerrecht nebst einem vierzehntägig abzuhaltenden Seminar zur Ausfüllung der bestehenden Lücke für dieses Semester hier zu übernehmen, und ich darf anheimstellen, für mich insoweit die Erteilung eines unentgeltlichen Lehrauftrags zu erwirken.

Des weiteren stelle ich unter Bezugnahme auf unsere Besprechungen die Bitte, mir für meine vorläufig hier fortgeführte Arbeit als Leiter des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht im Einvernehmen mit dem Direktor des Juristischen Seminars geeignete Räume zur Verfügung zu stellen und mir, sowie meinen ein bis zwei Hilfskräften die Benützung der Bücherei des Seminars zu erlauben. Ich darf dazu noch bemerken, daß ich die Generaldirektion der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft davon in Kenntnis gesetzt habe, daß ich mit Rücksicht auf die in Berlin durch Fliegerschäden und Verlagerungen entstandenen Schwierigkeiten die Einrichtung einer Ausweichstelle beziehungsweise provisorischen Zweigstelle des Instituts hier in Heidelberg in Angriff genommen habe.

Mit freundlichen Grüßen und mit

Heil Hitler!

Ihr sehr ergebener

Bilfinger“ [17]

 

Ein Neubeginn? Bilfinger und die Gründung das MPIL in Heidelberg

Da ein Nachlass fehlt und zahlreiche Quellen verbrannt und vernichtet sind, sind die Motive und strategischen Überlegungen Bilfingers schwerlich genau zu rekonstruieren. Man muss ihm wohl einigen Mut oder Hazard unterstellen, dass er sich politisch mit seiner Kriegspublizistik, der Übernahme des Prorektorats und dann auch der Übernahme der Institutsleitung so exponierte. Die Verwandtschaft und Freundschaft mit Bruns erklärt allenfalls diese Übernahme der Institutsdirektion. Dass Bilfinger aber Prorektor wurde, verweist über Universitäts‑ und Beamtenethos hinaus doch wohl auf einigen Fanatismus, der auch aus den aggressiven Kriegspublikationen spricht. Man muss die strategischen Entscheidungen ein Stück weit von persönlichen Karriere‑ und Zukunftsfragen trennen: Bilfinger rechnete nach 1945 nicht mehr mit einer beruflichen Zukunft, war ja auch bereits über 65 Jahre alt. Das belegt auch die Korrespondenz mit Schmitt, die Bilfinger 1947 wieder aufnimmt und bis 1949 erneut freundschaftlich und vertrotzt führt. Es ist deshalb zu erwägen, und näher zu recherchieren, ob Bilfinger nicht in Absprachen mit den Entscheidern am Kaiser-Wilhelm-Institut oder dem Heidelberger Rektor sehr gezielt vor allem um die Rettung des Instituts bemüht war und die Annahme des Berliner Rufes mehr eine Nebenfolge oder ein Kollateralschaden des eigentlichen Anliegens war, die Bilfinger in Abstimmung mit Schmitthenner geschickt ausmanövrierte.

Carl Bilfinger bei der Grundsteinlegung des MPIL‑Neubaus, 1953[18]

Der Geburtstagsartikel der Volksgemeinschaft vermutlich von einem Insider beziehungsweise Heidelberger Kollegen verfasst, attestiert der „Persönlichkeit“ „menschliche Güte“. Loyalität und mentorschaftliche Fürsorge zeigte Bilfinger auch nach der vorübergehenden Funkstille mit Schmitt, seit 1934, in Heidelberg etwa für dessen Bonner Schüler Ernst Rudolf Huber und Karl Lohmann. Gerade nach Heidelberg berufen, bemühte er sich 1936 umgehend um eine Berufung Hubers. Als Herbert Krüger dann kam, ab 1941 aber vertreten werden musste, übernahm er Schmitts langjährigen Mitarbeiter Karl Lohmann, den Schriftleiter der ZAkDR, einen Vater dreier Kinder, auch um ihn vor dem Kriegsdienst zu bewahren und zur Habilitation zu führen, die im März 1943 erfolgte. Ein freundlicher Umgangston wurde Bilfinger als Institutsdirektor auch nach 1949 immer wieder von Mitarbeitern bescheinigt. Mit einigem strategischen Geschick hat er wohl schon vor 1945 bewusst einige Weichen und Pfade gestellt, die die Heidelberger Wiederbegründung als Max‑Planck‑Institut erleichterten und ermöglichten.

Otto Hahn und Carl Bilfinger bei der Einweihung des MPIL-Neubaus, 1954[19]

An eine bundesdeutsche Zukunft als Institutsdirektor hat er dabei weniger gedacht. Wie Felix Lange akribisch ermittelte, wurde sie erst durch mancherlei Umstände und eine geradezu unwahrscheinliche, aus heutiger Sicht gewiss falsche Einstufung als „Mitläufer“ ermöglicht. An diesen Entscheidungen waren Akteure mitbeteiligt, die Bilfinger als Kollegen, Prorektor oder Institutsdirektor kannten. Mancher hatte ein eigenes Interesse an einer Entlastung Bilfingers und dessen Wiederberufung in die Institutsleitung im März 1949. Damals war Bilfinger bereits 70 Jahre alt und gesundheitlich angeschlagen. Niemand rechnete damit, dass ihm noch starke Wirkung in Heidelberg gegeben sei. Er kam als Übergangskandidat, von dem keine neuen Impulse in der Grundlagenforschung oder Neuausrichtung auf bundesdeutsche Demokratie zu erwarten waren. Seine sichtbarste Nachkriegsleistung war der Neubau eines großen Institutsgebäudes in kurzer Zeit. Gewiss hatte seine Wiederberufung aber auch erhebliche Konsequenzen in der Personalpolitik.

Sie sorgte für fragwürdige Kontinuitäten über den Systemumbruch hinweg, die bald zu einigen Kontroversen führten. Das Institut entfaltete seit 1949, schon für Bilfingers 70. Geburtstag, deshalb auch einen anhaltenden Jubel‑ und Festbetrieb, der manche NS‑Hypotheken übertönen sollte. 1954 wurde er mit großem Pomp verabschiedet. Die dicke Festschrift, die 1954 ohne besondere Thematisierung von Bilfingers Werk erschien, wurde als vergangenheitspolitische Geste der Verleugnung des nationalsozialistischen Engagements kritisiert.

Ehrenteller der MPG für Carl Bilfinger zum Geburtstag. Unterschrieben u.a. von Otto Hahn, Max von Laue und Ernst Telschow[20]

Als Bilfinger 1958 dann verstarb, übernahm Rudolf Smend den heiklen Auftrag eines diplomatischen Nachrufes. Hermann Mosler scheute sich nicht, mit redaktionellen Bitten und Empfehlungen einzugreifen. Carl Schmitt stand hier erneut auf der anderen Seite: Er brach den Kontakt mehr oder weniger offen ab, nachdem Bilfinger als „Mitläufer“ entlastet und als Institutsdirektor bestätigt war. Von seiner alten Freundschaft und Kampfgemeinschaft mit Bilfinger sprach er nicht mehr und mied dessen Namen in allen Korrespondenzen und Gesprächen. Er betrachtete ihn vermutlich nun definitiv als bourgeoisen Spätwilhelminiker und Wendehals. Das war freilich ungerecht. Ohne Bilfingers strategische Weichenstellungen wäre das Institut wohl nicht in Heidelberg gelandet.

***

Andere Fassung des Blog-Beitrags in: Reinhard Mehring, “Dass die Luft die Erde frisst…” Neue Studien zu Carl Schmitt, Baden-Baden: Nomos 2024, S. 54-63.

Zudem sei verwiesen auf die Edition zum Briefwechsel zwischen Carl Schmitt und Carl Bilfinger: Philipp Glahé / Reinhard Mehring / Rolf Rieß (Hrsg.), Carl Bilfinger (1879-1958). Korrespondenz mit Carl Schmitt, Texte und Kontroversen, Nomos: Baden-Baden 2024.

[1] Prof. Dr. Bilfinger 65 Jahre Alt, in: Volksgemeinschaft, 20.1. 1944, UAH PA 3303, Bl. 19.

[2] Carl Bilfinger, Notrecht, DJZ 36 (1931), Sp. 1421-1426.

[3] Carl Bilfinger, Verfassungsfrage und Staatsgerichtshof, Zeitschrift für Politik 20 (1930), 81-99.

[4] Dazu etwa: Carl Bilfinger, Völkerbundsrecht gegen Völkerrecht, Berlin 1938; Der Völkerbund als Instrument britischer Machtpolitik, München: Duncker & Humblot 1940; Carl Bilfinger, Das wahre Gesicht des Kelloggpaktes: Angelsächsischer Imperialismus im Gewande des Rechts, Essen: Essener Verlang-Anstalt 1942; Carl Bilfinger, Die Stimson-Doktrin, Essen: Essener Verlag-Anstalt 1943.

[5] Carl Bilfinger, Zum zehnten Jahrestag der Machtübernahme, ZAkDR 10 (1943), 17-18.

[6] Brief des Rektors Paul Schmitthenner an die Mitglieder des Senats, datiert 22. Oktober 1943, UAH PA 3303, Bl. 14.

[7] Brief von Carl Bilfinger an den Dekan Hermann Krause, datiert 15. November 1943, UAH PA 738, Bl. 12.

[8] Schreiben des Badischen Kultusministeriums an Carl Bilfinger, datiert 19. Januar 1944, UAH PA 3303, Bl. 17.

[9] Brief von Carl Bilfinger an den Berliner Universitätsrektor, datiert 17. Februar 1944, UAH PA 3303, Bl. 20.

[10] Hermann Krause (1902-1991), Rechthistoriker, seit 1936 Professor in Heidelberg.

[11] Wilhelm Groh (1890-1964), Rechtswissenschaftler, seit 1927 Professor in Heidelberg, dort 1933 bis 1937 Rektor, 1939 Wechsel an die Berliner Universität.

[12] Ernst Heymann (1870-1946), Rechtswissenschaftler, seit 1937 Direktor des KWI für ausländisches und internationales Privatrecht, verlagerte das Institut 1944 von Berlin nach Tübingen.

[13] Der Schmitt-Schüler Ernst Forsthoff (1902-1974) war 1943 nach Heidelberg berufen worden und ist im Sommersemester 1944 im Vorlesungsverzeichnis dreistündig mit „Verwaltung“ angekündigt. Auch Bilfinger ist dort noch mit „Verfassungsgeschichte der Neuzeit“ sowie einem „völkerrechtlichen Seminar“ aufgeführt.

[14] Brief von Carl Bilfinger an den Dekan Hermann Krause, datiert 9. März 1944, UAH PA 738, Bl.16/17.

[15] Brief des Rektors Paul Schmitthenner an den Dekan der Juristischen Fakultät, datiert 10. November 1944, UAH PA 738, Bl. 23.

[16] Brief des Rektors Paul Schmitthenner an den Dekan der Juristischen Fakultät, datiert 27. November 1944, UAH PA 738, Bl. 24.

[17] Brief von Carl Bilfinger vermutlich an den damaligen Heidelberger Rektor Paul Schmitthenner, mit dem Bilfinger seinen faktischen Verbleib in Heidelberg arrangierte, datiert 8. November 1944, UAH PA 738, Bl. 21.

[18] Foto: MPIL.

[19] Foto: MPIL.

[20] AMPG, Bilfinger, Carl, 5.

Suggested Citation:

Reinhard Mehring, Vom Berliner Schloss zur Heidelberger „Zweigstelle“. Carl Bilfingers politische Biographie und seine strategischen Entscheidungen von 1944, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240327-104222-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED