Schlagwort: 1920s

„Aus dem sozialistischen Paradies verstoßen“. Das Institut und die Sowjetunion

"Cast out of Socialist Paradise". The Institute and the Soviet Union

Deutsch

Das Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht und die Sowjetunion waren praktisch Zeitgenossen. Die Sowjetunion wurde am 30. Dezember 1922 gegründet, das Kaiser‑Wilhelm‑Institut (KWI) nur zwei Jahre später. Da Deutschland zwischen Westeuropa und Russland liegt, war man in Berlin immer auch interessiert daran, wie im Osten Völkerrecht praktiziert und gedacht wurde. Das russische Kaiserreich und später die Sowjetunion haben das weltpolitische Schicksal Deutschlands mehrmals mitbestimmt. Das akademische Interesse am sowjetischen Völkerrecht war somit ernsthaft und keineswegs nur theoretisch: die praktische Relevanz des Forschungsgegenstandes war evident.

In den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern und Entwicklungsphasen des Instituts haben die sowjetische Praxis und Theorie des Völkerrechts die Berliner und später Heidelberger Völkerrechtler oft beschäftigt. In den 1920er-1940er Jahren gehörten zum Institut gleich mehrere Wissenschaftler aus dem ehemaligen Zarenreich: Alexander Makarov (1888-1973), Georg von Gretschaninow (1892-1973), aber auch der Sohn des berühmten russischen Völkerrechtlers Friedrich Martens, Nikolai von Martens (1880-1947). Makarov beispielsweise hat mehrmals in der Haager Akademie Vorlesungen gehalten – vor allem zum internationalen Privatrecht, auch zu dem der UdSSR, die viele alte („bürgerliche“) Rechtsgrundsätze, vor allem bezüglich des Privateigentums, abgelehnt und abgeschafft hatte. Auch in den deutschen Völkerrechtszeitschriften kommentierte Makarov mehrmals die Völkerrechtsentwicklungen in und bezüglich der Sowjetunion – unter anderem, als die Sowjetunion die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen im August 1940 völkerrechtswidrig eingliederte. Die Geheimprotokolle des Hitler-Stalin-Paktes vom 23. August 1939 waren damals noch nicht öffentlich bekannt.

Alexander N. Makarov 1985[1]

In den 1920er und 1930er Jahren entwickelte sich ein Sondergebiet der Rechtswissenschaft in Deutschland – das Ostrecht.  Dieses Forschungsgebiet wurde vom KWI in Berlin kaum als besonders ausgewiesener Forschungsschwerpunkt bearbeitet, hier war das Osteuropa-Institut in Breslau (heute Wroclaw in Polen) führend im deutschsprachigen Raum. Es waren auch meistens Juristen, die im ehemaligen Zarenreich geboren waren, die in den deutschen Forschungsinstituten im Ostrecht führend waren. Zum Beispiel kamen sowohl Axel Freytagh‑Loringhoven (der Leiter des Breslauer Instituts) als auch Boris Meissner (in der Nachkriegszeit Leiter des Kölner Instituts für Ostrecht) aus Estland, dem kleinen Nachfolgestaat des Zarenimperiums an der Ostsee. Meistens hatten diese Professoren wenig Illusionen über das Wesen und die juristische Praxis der Sowjetunion, aber sorgfältig erforscht wurde das juristische Geschehen dennoch. Das KWI hat aber auch bis 1933 mit Jacob Robinson (1889-1977), einem jüdischen Rechtswissenschaftler aus Litauen, der durch seine Forschung des Minderheitenproblems bekannt wurde, zusammengearbeitet.

‘Ostrechtsforschung‘ am MPIL: Theodor Schweisfurth und die sowjetmarxistische Theorie vom Völkerrecht ‚neuen Typs‘

Theodor Schweisfurth in seinem Büro, 1985 [2]

Eines der besten deutschsprachigen wissenschaftlichen Werke zur Theorie des Völkerrechts in der Sowjetunion entstand jedoch am Heidelberger MPIL. Im Jahre 1979 erschien in der Schwarzen Reihe Theodor Schweisfurths Monografie Sozialistisches Völkerrecht? Darstellung – Analyse – Wertung der sowjetmarxistischen Theorie vom Völkerrecht ’neuen Typs’.[3] Das Manuskript wurde als Habilitationsschrift an der Universität Köln verteidigt und vom bereits erwähnten Boris Meissner akademisch betreut. Schweisfurth war aber auch von 1973 bis 1993 am Heidelberger MPIL tätig. Die Hauptfrage, die er in seinem Buch stellt, ist, ob die sowjetische Doktrin des besonderen sozialistischen Völkerrechts ernst zu nehmen sei und welche Bedeutung sie habe. Schweisfurth hatte hierzu in Moskau in sowjetischen wissenschaftlichen Bibliotheken arbeiten können und war insofern fachlich sehr gut vorbereitet. Schweisfurth zeigt in seinem Buch überzeugend, wie die sowjetische Völkerrechtsdoktrin im Grunde immer die Bedürfnisse der sowjetischen Außenpolitik gestützt hat. Als sich die territorialen und machtpolitischen Bedürfnisse Moskaus mit der Zeit änderten, habe meistens auch die völkerrechtliche Doktrin reagiert und sich dementsprechend geändert. Schweisfurth ist sehr gut gelungen, das Wesen der Theorie des ’sozialistischen Völkerrechts’ mit der Hegemoniebildung der Sowjetunion in Ost- und Mitteleuropa zu verknüpfen. Der realpolitische Kern des ’sozialistischen Völkerrechts’ bestand darin, dass die völkerrechtliche Theorie der Sowjetunion es ermöglichte, deren militärische Interventionen in Ungarn (1956) und in der Tschechoslowakei (1968) irgendwie zu rechtfertigen.  Für die sozialistischen Staaten galt ein besonderes Völkerrecht – das sozialistische Völkerrecht – das (aus sowjetischer Sicht) nicht nur Vorrang hatte gegenüber den Normen des universellen Völkerrechts, sondern auch Pflichten beinhaltete. Insbesondere galt die gemeinsame Verpflichtung, zu vermeiden, dass ein sozialistischer Staat in den Kapitalismus ‚zurückfallen‘ könnte. Mit den Normen des universellen Völkerrechts (UN-Charta) waren diese sowjetische Praxis und die damit verbundenen Hegemonieansprüche aber kaum vereinbar, was auch die Konkurrenten der UdSSR, damals sehr deutlich die Volksrepublik China, immer betont haben.

Deutsch-sowjetische Forschungskooperation: die Völkerrechtskolloquien der 1980er Jahre

Ein besonderes Kapitel in der Geschichte des MPIL sind die sowjetisch-deutschen völkerrechtlichen Kolloquien. Die erste dieser Veranstaltungen fand vom 5. bis 10. Juli 1982 in Heidelberg statt; danach wurden sie etwa alle zwei Jahre abwechselnd in der UdSSR (meistens in Moskau) und in Deutschland abgehalten. Mein späterer Doktorvater an der Humboldt‑Universität zu Berlin, damals noch Professor in Bonn, Christian Tomuschat, konnte am ersten Kolloquium nicht teilnehmen. Er drückte in einem persönlichen Brief gegenüber dem Institutsdirektor Rudolf Bernhardt die Hoffnung aus, dass beim Kolloquium ein erfreuliches Arbeitsklima geherrscht habe:

„Auch Sowjetmenschen sind ja letzten Endes von innerer Freude durchdrungen, wenn sie für eine kleine Weile aus dem sozialistischen Paradies verstoßen werden und die Erniedrigung des Menschen im kapitalistischen System auf sich nehmen müssen.“[4]

Das zweite gemeinsame Völkerrechtskolloquium fand schon vom 16. bis 22. Oktober 1984 in Moskau und Leningrad (heute: Sankt Petersburg) statt. Es waren nicht nur führende sowjetrussische Völkerrechtler wie Grigori Tunkin dabei, sondern auch Völkerrechtler, die symbolisch die sonstigen Sowjetrepubliken vertreten sollten – Levan Aleksidze (Georgien), Igor Lukashuk (Ukraine) und Rein Müllerson (Estland). Wilhelm Karl Geck, ein deutscher Teilnehmer schrieb nach dem Kolloquium dem MPIL-Direktor Rudolf Bernhardt in einem persönlichen Brief vom 26. September 1984 anerkennend:

 „Für Sie war die Sache ja auch deshalb besonders anstrengend, weil Sie auf die verschiedenen Reden der sowjetischen Herren reagieren mussten, was bei den obwaltenden Umständen nicht ganz einfach war. Auch im Rückblick glaube ich, dass sich die deutsche Seite gut gehalten hat: Ohne dezidiertes Eingehen auf Details bei sowjetischen Angriffen kam der grundsätzlich andere Standpunkt in wesentlichen Facetten zum Ausdruck.“

Wenn man die sowjetischen Jahrbücher für Völkerrecht der frühen 1980er Jahre (Herausgeber: Grigori Tunkin) durchblättert, sieht man, dass der Kalte Krieg in vollem Gange und die ideologische Gegnerschaft, auch auf dem Gebiet der Völkerrechtstheorie, erbittert war. In seinem 2012 publizierten Tagebuch zählt Tunkin auf, wer von den deutschen Völkerrechtlern dabei war als er das MPIL in Heidelberg besuchte und dort eine Vorlesung hielt; insbesondere erwähnt er auch seine „reaktionären“ Gegner – vor allem Boris Meissner.[5]

Das dritte Kolloquium fand vom 4. bis 8. Mai 1987 in Kiel statt. Bei den ersten beiden Kolloquien war es um diverse Themen des Völkerrechts gegangen, aber jetzt war es wohl der Einfluss des späteren MPIL-Direktors Rüdiger Wolfrum, der dafür sorgte, dass man sich für ein genauer umrissenes Generalthema entschied: Völkerrecht und Landesrecht. Aus dem Kolloquium ist auch ein Sammelband entstanden.[6]

Man kann sich fragen, was die DDR-Völkerrechtler(innen) von den deutsch‑sowjetischen Kolloquien gedacht haben mögen und ob sie so etwas wie eine gewisse politisch‑wissenschaftliche Eifersucht empfunden haben. Führende DDR-Völkerrechtler, wie zum Beispiel Bernhard Graefrath und Peter Alfons Steiniger, hatten wohl keinen Grund, in einer möglichen Annäherung der sowjetischen und westlichen Positionen etwas eindeutig Positives für die DDR zu sehen. Sicherlich hat auch nicht jeder Völkerrechtler in der Sowjetunion mit Freude auf die Kolloquien geblickt – so erschien beispielsweise 1986 in Moskau das kritische Buch des sowjetischen Völkerrechtlers Vladimir Pustogarov mit dem Titel Der westdeutsche Revanchismus und das Völkerrecht.[7]

Die deutsch-sowjetischen Völkerrechtskolloquien gaben den deutschen Teilnehmern die Gelegenheit, von der ersten Reihe aus mitzusehen, wie sich die sowjetische Gesellschaft im Rahmen der Perestroika veränderte. Manche Teilnehmer (Rainer Hofmann)[8] erinnern, wie sich die Machtdynamik und Kraftverhältnisse innerhalb der sowjetischen Delegationen mit der Zeit wandelten und dass die jüngeren sowjetischen Völkerrechtler später den älteren manchmal auch widersprachen, was zuvor wohl unerhört gewesen wäre, zumindest vor den westlichen Kollegen.

Vom 29. Mai bis 4. Juni 1989 traf man sich für ein Kolloquium abermals in Moskau– wobei die Deutschen im „Hotel Ukraina“ unterkamen und ihr Mittagessen im „Restaurant Praha“ einnahmen (Moskau war noch immer die Hauptstadt eines Imperiums!). Knapp ein Jahr später kam die Wiedervereinigung Deutschlands im Oktober 1990.

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Kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion traf man sich ein letztes Mal in Heidelberg. Vom 17. Bis 18. Oktober 1991 setzte man sich mit dem Thema Föderalismus-Verfassungsgerichtsbarkeit auseinander. In ihrer hochinteressanten Monografie Die Konzepte ’staatliche Einheit’ und ’einheitliche Macht’ in der russischen Theorie von Staat und Recht zeigt Caroline von Gall, dass manche russische juristische Autoren den Deutschen später vorwarfen, die Ideologie des Föderalismus, die damals propagiert wurde, habe den machtpolitischen Interessen Russlands geschadet[9]. Mit dem Scheitern eines echten Föderalismus war aber auch die Entscheidung getroffen, dass die russländische Föderation auch nach der Sowjetunion weiterhin ein Quasi-Imperium bleiben sollte, mit allem Negativen, was daraus resultiert, sowohl für die Nachbarstaaten als auch für politisch andersdenkende Russen.

Das Interesse an Russland und dem dortigen Völkerrecht lebt auch heute fort am MPIL – vor allem in der wissenschaftlichen Arbeit von Matthias Hartwig[10], der inzwischen in den Ruhestand eingetreten ist, aber weiter am Institut forscht. Auch jüngere Völkerrechtler am MPIL haben zu diesem Thema interessante Forschung beigetragen.[11] Im Vergleich zu den früheren Jahrzehnten scheint aber die Erforschung der völkerrechtlichen Theorie und Praxis im Osten heutzutage keine strategische Priorität zu sein – was vielleicht, wenn man unter anderem den jetzigen Krieg Russlands gegen Ukraine betrachtet, ein Versäumnis sein könnte.

Das MPIL hat die Sowjetunion überlebt. Ob es aber die besseren völkerrechtlichen Argumente der Deutschen waren, die am Ende auch die sowjetischen Völkerrechtler überzeugten, oder die besseren Konsumgüter im Westen (oder im Kapitalismus), darüber kann man streiten.

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Der Autor dankt Philipp Glahé und Alexandra Kemmerer für den Zugang zu den Archiven im MPIL, betreffend die Planung und Durchführung der sowjetisch-deutschen Kolloquien.

[1] Foto: MPIL.

[2] Foto: MPIL.

[3] Theodor Schweisfurth, Sozialistisches Völkerrecht? Darstellung – Analyse – Wertung der sowjetmarxistischen Theorie vom Völkerrecht ‚neuen Typs‘, Berlin: Springer 1979.

[4] Schreiben von Christian Tomuschat an Rudolf Bernhardt, datiert 12. Juli 1982, Ordner “Deutsch-Sowjetisches Kolloquium”, MPIL Archiv.

[5] William Elliott Butler (Hrsg.) The Tunkin Lectures: The Diary and Collected Lectures of G. I. Tunkin at the Hague Academy of International Law, Den Haag: Eleven International Publishing 2012.

[6] J. Enno Harders/Grigory I. Tunkin/Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), International Law and Municipal Law. Proceedings of the German-Soviet Colloqui on International Law at the Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel, 4 to 8 May 1987, Berlin: Duncker und Humblot 1988.

[7] Vladimir V. Pustogarov, Zapadno-germanskii revanshizm i mezhdunarodnoe pravo, Moskau: Nauka, 1986.

[8] Persönliches Gespräch bei der Jahrestagung von American Society of International Law, am 6. April 2024.

[9] Caroline von Gall, Die Konzepte ’staatliche Einheit’ und ’einheitliche Macht’ in der russischen Theorie von Staat und Recht. Der Einfluss des Gemeinschaftsideals auf die russische Verfassungsentwicklung, Berlin: Duncker und Humblot 2010.

[10] Siehe z.B.: Matthias Hartwig, Vom Dialog zum Disput? Verfassungsrecht vs Europäische Menschenrechtskonvention. – Der Fall der Russländischen Föderation, Europäische Grundrechtezeitschrift 44 (2017), 1-23.

[11] Siehe z.B.: Christian Marxsen, The Crimea Crisis. An International Law Perspective, ZaÖRV 74 (2014), 377-391.

English

The Institute for Comparative Public Law and International Law and the Soviet Union were practically contemporaries. The Soviet Union was founded on 30 December 1922, the Kaiser Wilhelm Institute (KWI) only two years later. As Germany is located between Western Europe and Russia, in Berlin, one was always interested in how international law was practiced and thought about in the East. After all, the Russian Empire and later the Soviet Union helped determine Germany’s global political fate on several occasions. Academic interest in Soviet international law was therefore serious and by no means merely theoretical: the practical relevance of the subject was evident.

In the various fields of activity and phases of development of the Institute, Soviet practice and theory of international law often occupied the international law scholars in Berlin and later Heidelberg. In the 1920s-1940s, the Institute housed several academics from the former Tsarist Empire: Alexander Makarov (1888‑1973), Georg von Gretschaninow (1892‑1973), but also the son of the famous Russian international law expert Friedrich Martens, Nikolai von Martens (1880‑1947). Makarov, for example, gave several lectures at the Hague Academy – above all on private international law, including that of the USSR, which had rejected and abolished many old (“bourgeois”) legal principles, especially with regard to private property. Makarov also commented several times in German international law journals on developments in international law in and concerning the Soviet Union – including when the Soviet Union annexed the three Baltic states of Estonia, Latvia, and Lithuania in August 1940 in violation of international law. The secret protocols of the Hitler-Stalin Pact of 23 August 1939 were not yet known to the public at the time.

Alexander N. Makarov 1985[1]

In the 1920s and 1930s, a novel field of legal research developed in Germany – ‘East European Law’ (Ostrecht). The Kaiser Wilhelm Institute in Berlin hardly focused on this field as a special research area. Here, the Osteuropa-Institut in Breslau (now Wroclaw in Poland) was the leading‑edge in the German‑speaking world. It was also mostly lawyers who were born in the former Tsarist Empire who premiered in the German research institutes in East European law. For example, both Axel Freytagh‑Loringhoven (director of the Breslau Institute) and Boris Meissner (director of the Cologne Institute for East European Law in the post-war period) came from Estonia, the small successor state to the Tsarist Empire on the Baltic Sea. For the most part, these professors had few illusions about the nature and legal practice of the Soviet Union, but the legal developments were nevertheless researched carefully. Until 1933, the KWI also collaborated with Jacob Robinson (1889-1977), a Jewish legal scholar from Lithuania who became famous for his research into minority issues.

‘East European Law Research’ at the MPIL: Theodor Schweisfurth and the Soviet-Marxist Theory of a ‘New Type’ of International Law

Theodor Schweisfurth in his office, 1985[2]

However, one of the best German-language academic works on the theory of international law in the Soviet Union was written at the Heidelberg MPIL. In 1979, Theodor Schweisfurth’s monograph Sozialistisches Völkerrecht? Darstellung – Analyse – Wertung der sowjetmarxistischen Theorie vom Völkerrecht ’neuen Typs’ („Socialist International Law? Description – Analysis – Evaluation of the Soviet‑Marxist Theory of ‘New Type’ International Law”)[3] was published. The manuscript was defended as a habilitation thesis at the University of Cologne and academically supervised by the aforementioned Boris Meissner. Schweisfurth worked at the Heidelberg MPIL from 1973 to 1993. The main question that he poses in his book is whether the Soviet doctrine of a novel socialist international law should be taken seriously and what significance it has. Schweisfurth had been able to work on this in Soviet academic libraries in Moscow and was therefore very well informed in this respect. In his book, Schweisfurth convincingly shows how the Soviet doctrine of international law has essentially always supported the needs of Soviet foreign policy. When Moscow’s territorial and power-political needs changed over time, the doctrine of international law usually reacted and changed accordingly. Schweisfurth succeeded in linking the essence of the theory of ‘socialist international law’ with the formation of Soviet hegemony in Eastern and Central Europe. In terms of Realpolitik, ‘socialist international law’ allowed the Soviet Union to somehow justify its military interventions in Hungary (1956) and Czechoslovakia (1968).  According to Soviet doctrine, the socialist states were subject to a novel international law – socialist international law – which (from the Soviet perspective) not only took precedence over the norms of universal international law but also contained obligations: in particular, the common obligation to prevent a socialist state from ‘falling back’ into capitalism. However, this Soviet practice and the associated claims to hegemony were hardly compatible with the norms of universal international law (UN Charter), which the USSR’s competitors – very noticeably at that time, the People’s Republic of China – continually emphasised.

German-Soviet Research Co-operation: the International Law Colloquia of the 1980s

A significant chapter in the history of the MPIL are the Soviet-German Colloquia on International Law, the first of which took place in Heidelberg from 5 to 10 July 1982. Afterwards, they were held alternately in the USSR (usually in Moscow) and in Germany approximately every two years. Christian Tomuschat, who would later be my doctoral supervisor at the Humboldt University in Berlin, then still a professor in Bonn, was unable to attend the colloquium. In a personal letter to the director of the MPIL, Rudolf Bernhardt, he expressed the hope that a pleasant working atmosphere had prevailed at the colloquium:

“Even Soviet people are ultimately imbued with inner joy when they are cast out of socialist paradise for a little while and have to accept the abasement of human beings in the capitalist system.” [4]

The second joint colloquium on international law took place from 16 to 22 October 1984 in Moscow and Leningrad (today: Saint Petersburg). It was attended not only by leading Soviet‑Russian international law experts such as Grigori Tunkin, but also by international law experts who were to symbolically represent the other Soviet republics – Levan Aleksidze (Georgia), Igor Lukashuk (Ukraine) and Rein Müllerson (Estonia). Wilhelm Karl Geck, a German participant, expressed his approval to MPIL director Rudolf Bernhardt after the colloquium, in a personal letter from 26 September 1984:

“For you, the matter was surely particularly strenuous because you had to react to the various speeches by the Soviet gentlemen, which was not easy in the prevailing circumstances. Even in retrospect, I believe that the German side held up well: Without detailed rebuttal of Soviet attacks, the fundamentally different point of view was expressed in its essential facets.”

Leafing through the Soviet Yearbooks of International Law from the early 1980s (edited by Grigori Tunkin), it is obvious that the Cold War was in full swing and ideological conflict was fierce, also in the field of international law theory. In his diary, published in 2012, Tunkin lists which German international lawyers were present when he visited the MPIL in Heidelberg and gave a lecture there; in particular, he mentions his ‘reactionary’ opponents – above all Boris Meissner. [5]

The third colloquium took place in Kiel from 4 to 8 May 1987. The first two colloquia had dealt with various topics of international law, but now it was probably the influence of the later MPIL director Rüdiger Wolfrums that led to the decision in favour of a more precisely defined overarching topic: International Law and Municipal Law. The colloquium also resulted in an anthology.[6]

One might ask oneself what the international law experts of the GDR may have thought of the German-Soviet Colloquia and whether they felt something like a political or scientific jealousy. Leading GDR international law experts, e.g. Bernhard Graefrath and Peter Alfons Steiniger, likely had no reason to see a possible convergence of Soviet and Western positions as something clearly positive for the GDR. Likewise, certainly not every international law expert in the Soviet Union looked forward to the colloquia – for example, Soviet international law expert Vladimir Pustogarov published a critical book entitled ‘West German Revanchism and International Law’ in 1986.[7]

The German-Soviet Colloquia on International Law gave the German participants the opportunity to observe from the front row how Soviet society changed in the context of perestroika. Some participants (Rainer Hofmann)[8] recall how the power dynamics and relations within the Soviet delegations changed over time and that the younger Soviet international law experts would in later years sometimes contradict their older counterparts, which would probably have been unheard of in the past, at least in front of Western colleagues.

From 29 May to 4 June 1989, another colloquium was held in Moscow – where the Germans stayed in the “Hotel Ukraina” and had lunch in the “Restaurant Praha” (Moscow was still the capital of an empire!). Less than a year later came the reunification of Germany in October 1990.

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The last colloquium, shortly before the collapse of the Soviet Union took place from 17 to 18 October 1991in Heidelberg. Here, one discussed the topic of Federalism – Constitutional Jurisdiction. In her highly interesting monograph Die Konzepte ’staatliche Einheit’ und ’einheitliche Macht’ in der russischen Theorie von Staat und Recht (“The concepts of ‘state unity’ and ‘unitary power’ in the Russian theory of state and law”), Caroline von Gall shows that some Russian legal scholars later denounced the Germans because the ideology of federalism, propagated at the time, had supposedly harmed Russia’s power-political interests[9] . With the failure of genuine federalism, however, the decision was also made that the Russian Federation, even after the Soviet Union, would remain a quasi-empire with all the negative consequence this entails, both for the neighbouring states and for Russians with differing political views.

The interest in Russia and its international law lives on at the MPIL even today – especially in the academic work of Matthias Hartwig[10] , who has recently retired but continues to conduct research at the institute. Younger international law scholars at the MPIL have also contributed interesting research on this topic.[11] Compared to earlier decades, however, research into the theory and practice of international law in the East does not seem to be a strategic priority these days – which may be an omission, considering Russia’s current war against Ukraine, among other things.

The MPIL survived the Soviet Union. But whether it was the Germans’ better international law arguments that ultimately convinced the Soviet international law experts or rather better consumer goods in the West (or in capitalism) is debatable.

***

The author would like to thank Philipp Glahé and Alexandra Kemmerer for their kind support in accessing the archives at the MPIL with regard to the planning and organisation of the Soviet‑German Colloquia.

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Photo: MPIL.

[2] Photo: MPIL.

[3] Theodor Schweisfurth, Sozialistisches Völkerrecht? Darstellung – Analyse – Wertung der sowjetmarxistischen Theorie vom Völkerrecht ‚neuen Typs‘, Berlin: Springer 1979.

[4] Letter by Christian Tomuschat to Rudolf Bernhardt, dated 12 July 1982, Folder “Deutsch-Sowjetisches Kolloquium”, MPIL Archive, translated by the editor.

[5] William Elliott Butler (ed.) The Tunkin Lectures: The Diary and Collected Lectures of G. I. Tunkin at the Hague Academy of International Law, The Hague: Eleven International Publishing 2012.

[6] J. Enno Harders/Grigory I. Tunkin/Rüdiger Wolfrum (eds), International Law and Municipal Law. Proceedings of the German-Soviet Colloqui on International Law at the Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel, 4 to 8 May 1987, Berlin: Duncker und Humblot 1988.

[7] Vladimir V. Pustogarov, Zapadno-germanskii revanshizm i mezhdunarodnoe pravo, Moscow: Nauka, 1986.

[8] Personal conversation at the Annual Meeting of the American Society of International Law, 6 April 2024.

[9] Caroline von Gall, Die Konzepte ’staatliche Einheit’ und ’einheitliche Macht’ in der russischen Theorie von Staat und Recht. Der Einfluss des Gemeinschaftsideals auf die russische Verfassungsentwicklung, Berlin: Duncker und Humblot 2010.

[10] See e.g.: Matthias Hartwig, Vom Dialog zum Disput? Verfassungsrecht vs Europäische Menschenrechtskonvention. – Der Fall der Russländischen Föderation, Europäische Grundrechtezeitschrift 44 (2017), 1-23.

[11] See e.g.: Christian Marxsen, The Crimea Crisis. An International Law Perspective, HJIL 74 (2014), 377-391.

Nische oder Relais?

Niche or Relay?

Kolorierte Postkarte des Berliner Schlosses 1913 von der Spree gesehen. Auf dieser Seite war ab 1926 das KWI für ausländisches und internationales Privatrecht untergebracht (Foto: gemeinfrei)

Deutsch

Das Schwester-KWI für ausländisches und internationales Privatrecht, 1933 bis 1939, mit Blick auf das KWI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Was verbindet Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Völkerrecht in der NS-Zeit? Als These formuliert, verbindet die beiden juristischen Kaiser-Wilhelm-Institute (KWI) der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), dass sie keine unpolitischen oder bedingt freien Räume in der Diktatur darstellten. Sie waren in erster Linie Relais der NS-Herrschaft, nur in wenigen Hinsichten Nischen.

Dies zu untersuchen, heißt bestimmte Fragen zu stellen: Wie gestaltete sich Handlungsspielraum im Übergang zur NS-Diktatur und bei ihrer Etablierung? Wie liefen Feedback-Prozesse in den Instituten sowie zwischen Instituten, Politik und Rechtsprechung ab? Wo lagen die Grauzonen von Resilienz? Diese Fragen werden im Folgenden in den zeit- und wissenschaftsgeschichtlichen Forschungskontext eingeordnet. Im Mittelpunkt des Interesses steht, welche methodischen Erfahrungen nicht für die weitere Erforschung der Institutsgeschichte des Völkerrechts-KWI geeignet scheinen und warum nicht. Daraus ergeben sich diskussionsorientierte Thesen und Vorschläge für geeignete Aspekte einer Instituts- als exemplarischer Zeit- und Wissenschaftsgeschichte.

Der Forschungsstand, seine Lücken und blinden Flecken

Der Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die Beschäftigung mit dem privatrechtlichen Berliner Schwester-Institut, dem 1926 gegründeten und bis 1937 von dem Romanisten und Rechtsvergleicher Ernst Rabel (1874–1955) geleiteten Berliner KWI für ausländisches und internationales Privatrecht.[1] Sie erfolgte im Rahmen des seinerzeitigen Forschungsverbundes der Präsidentenkommission der Max-Planck-Gesellschaft zur Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft am Frankfurter MPI für europäische Rechtsgeschichte. Die ebenfalls in diesem Zusammenhang geplante Parallelstudie über das Schwester-KWI für Völkerrecht ist bekanntermaßen leider nicht zustande gekommen.[2]

Gründungsdirektor Ernst Rabel (1874-1955) wurde 1937 aus dem Amt gedrängt (Foto: AMPG)

2007 erschienen die letzten beiden institutsgeschichtlichen Bände der MPG-Präsidentenkommission. Zum einhundertjährigen Gründungsjubiläum der KWG/MPG 2011 legten Eckart Hennig und Marion Kazemi eine 2016 Gesamtbilanz in mehreren Teilen vor.[4] Diese macht einerseits den Erkenntnisgewinn seit Beginn der intensiven Forschungsbemühungen um die Geschichte der KWG, insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus, seit den 1990er Jahren unter Rudolf Vierhaus und Bernhard vom Brocke, andererseits die noch offenen Forschungsdesiderate sichtbar. Das Institutionengefüge ist damit gut dokumentiert. Auf dieser Grundlage stellen sich allerdings erst die eigentlichen Fragen.

Die Geschichte der deutschen Großforschungs- und Wissenschaftsförderungslandschaft seit der Weimarer Republik war durch deren Relevanz für die Ermöglichungsgeschichte der NS-Herrschaft, des Zweiten Weltkriegs und Zivilisationsbruchs immer ein besonderer Bereich der Zeit- und Wissenschaftsgeschichte. Bei ihrer Erforschung kamen traditionell quellennahe investigative und stark dokumentarisch ausgerichtete historische Methoden zum Einsatz. Das führte zu einer gewissen Spannung gegenüber der, unter anderem. am Berliner MPI für Wissenschaftsgeschichte vertretenen, Richtung einer eher wissenschaftstheoretischen Wissenschafts- als Wissens- und Kulturgeschichte. Fragen nach Handlungsspielraum, Feedback und Resilienz in einem KWI in der Konsolidierungs- und Kriegsvorbereitungsphase der NS‑Diktatur haben zwar auch etwas mit Kultur und Wissen zu tun, gehen aber nicht darin auf. Das gilt insbesondere für die Rechtsgeschichte. Wenn sie von dem abgetrennt betrachtet wird, was Florian Meinel den „Möglichkeitsraum des Politischen“ genannt hat, geht ihre zeitgeschichtliche Dimension verloren. Privat- und Völkerrecht sind aber genuin politisch, insbesondere dann, wenn sie institutionengeschichtlich in einer totalitären Diktatur betrachtet werden.

Don‘ts: Die Diktatur zur Diskurs- und Wissensgeschichte machen

Diesen Weg sollte die KWI-Geschichte eher nicht gehen: den einer invasiven und theorielastigen Kulturgeschichte in der Form einer Diskurs- oder Wissensgeschichte auf dem Nenner von konstruktivistischer Kommunikation. Ernst Rabel, in seiner Bedeutung als Ausnahmewissenschaftler sicherlich mit Max Weber vergleichbar, hat das rechtsvergleichend strukturierte IPR seiner Zeit verkörpert, nicht erfunden. Seine Fähigkeit zum Überblicken des problembezogenen Lösungsvorrats ganzer Rechtssysteme hat nicht nur einen gelehrten Diskurs, sondern wesentliche Anteile des Welthandelsrechts und der internationalen Rechtsprechungspraxis direkt ermöglicht. An vielen Kodifikationen und Urteilen war Rabel beteiligt. Weder seine Leitung des Privatrechts-KWI bis 1937 noch seine Emigrationsgeschichte in den USA oder sein Remigrantenschicksal nach 1945 sind eine Redeweise. Ähnliches lässt sich über die vergleichbare Verfolgungsbiographie von Erich Kaufmann sagen. Rabel war trotz seiner Illusionen über seine Unabhängigkeit und Nützlichkeit nach 1933 ein prominentes Opfer des universalrassistischen NS-Staats. Um Ambivalenz dieser Art und Größenordnung darzustellen, braucht die KWI-Geschichte keine Reformulierung gemäß der als Zitierstandard allgegenwärtigen Akteur-Netzwerk-Theorie und auch keine Wissensgeschichte des Internationalen Privatrecht oder des Völkerrechts, sondern eine Menge an einfühlender Verständnisbereitschaft. Das ist etwas anderes als Diskurstheorie oder Apologetik.

Do‘s: Umgang mit harten Akten und weichen Selbstverständnissen: Wonach sollte man suchen?

Aktenfunde aus dem Institutskeller[5]

Für eine Geschichte des Völkerrechts-KWI von der Weimarer Republik bis in die Zeit der jungen Bundesrepublik sind investigative Studien,  unter anderem ausgehend vom KWG‑/MPG-Aktenbestand, zur personellen Verflechtung von juristischen Fakultäten, KWG sowie nationaler und internationaler Politik von Interesse: Wen zieht das KWI an und wo bleibt das KWI-Personal? Insbesondere für die Fragen der rechtsförmigen internationalen Politik bietet sich das bewährte methodische Instrumentarium der politischen Zeitgeschichte an, wenn es auf die Kontextualisierungsschärfe von case studies zu Personen oder Problemen staatlichen und multilateralen Handelns ankommt. Die Politikwissenschaft hat ihre Stärke im Sichtbarmachen von Strukturen von Staatlichkeit und Multilateralität, was im Unterschied zur historistischen Perspektive durch die Bereitstellung idealtypischer Verläufe und Prozesse den Vergleich ermöglicht. Mikro‑Analysen zur Publizistik, Regierungsberatung und Schiedsgerichtspraxis sollten die Relevanz- und Selbstbildkonstruktionen sowohl der Völkerrechtswissenschaft wie der Regierungspraxis berücksichtigen und mit Blick auf die zeitgeschichtliche Bedeutung der KWI-Geschichte auch für den nicht-fachjuristischen Verständnishorizont verständlich machen.

Es ist auch sinnvoll, die besondere Rolle eines KWI-Direktors am Beispiel von Viktor Bruns und seines Amtsverständnisses für das von ihm vertretene Fach darzustellen und dies in Verhältnis zum Gruppen- und Verlaufsbild der hauptamtlichen Referenten und der Entwicklung ihrer Arbeitsgebiete in Demokratie und Diktatur zu setzen. So trivial es erscheint, so hilfreich kann es dabei sein, typische Arbeitsprozesse, Ressort-Zuständigkeiten und Routinen zu rekonstruieren, um das KWI als interagierendes, reagierendes System zu verstehen, das einerseits auf bestehende wissenschaftliche, administrative und politische Strukturen gestützt ist, andererseits durch seine Tätigkeit zugleich als besonders ausgestattete und prestigereiche, international sichtbare Großforschung Einfluss auf diese nimmt. Es gab einige Mitarbeiter, die in beiden KWIs tätig waren, was die damals noch nicht ganz etablierten Fachgrenzen spiegelte: Alexander N. Makarov war ab 1928 an beiden KWIs tätig, von 1945 bis 1956 am Tübinger MPI; der überzeugte Nationalsozialist Friedrich Korkisch ab 1949 am Privatrechtsinstitut; Wilhelm Wengler ab 1935 am Privatrechts- und ab 1938 zusätzlich am Völkerrechts-KWI; Marguerite Wolff, Ehefrau von Martin Wolff, von 1924 bis 1933 als Referentin am Völkerrechtsinstitut. Die Familien Wolff und Bruns waren eng befreundet. Zudem scheint man einen gemeinsamen Mittagstisch beider Institute gehabt zu haben. Auch die Bibliothek wurde wohl geteilt.[6]

Ein Indikator für letzteres ist jedenfalls beim Privatrechts-KWI das latente Faszinations- und Spannungsverhältnis zur deutschen universitären Rechtsvergleichung und international privatrechtlichen Wissenschaft, die in Rabels Institut immer auch eine politisch stark bevorzugte, hervorragend ausgestattete Konkurrenz sah.

Wie ermöglichten Internationales Privat- und Völkerrecht Diktatur und Krieg?

Der politikgeschichtliche Leitbegriff des Handlungsspielraums zielt unter anderem seit Ludolf Herbst in der Analyse der NS-Gesellschaft darauf ab, Interaktion und Interdependenz zu rekonstruieren. Wie werden bestimmte soziale Rollen wahrgenommen? Wie verändern sie sich als professionelle Leitbilder und Tätigkeitsprofile im Übergang von der Weimarer Republik zur NS-Diktatur hinsichtlich der Selbst- und Fremddefinition? Welche Strategien der Autonomiewahrung gab es und wovon hingen sie ab? Waren sie erfolgreich und wie lange? Welches Image hatten und gestalteten sie? Wozu wurde die Autonomie genutzt oder nicht genutzt?

Eine solche Herangehensweise vermeidet eine Schwarz-Weiß-Gegenüberstellung des ideologischen NS-Herrschaftsanspruchs und der mehr oder weniger gleichgeschalteten professioneller KWI-Alltagsrealität in einem sehr spezifischen gesellschaftlichen Subsystem. Sie ermöglicht die Darstellung von Ambivalenz und Graustufigkeit, zum Beispiel im Bereich der taktischen Anpassung und bedingten Konformität. 

Widerstandsgeschichte: Weniger Schwarz-Weiß, mehr Grau

Berthold von Stauffenberg (rechts) mit Frau Schmitz, Ehefrau des stellvertretenden Institutsleiters Ernst Martin Schmitz (links) auf der Betriebsfeier 1939[7]

Graustufensensibilität ist in allen NS-geschichtlichen Fragen der Gegensatz zur ahistorischen polaren Gegenüberstellung von Konformität versus Nonkonformität. Die deutsche, legitimitätsressourcenspendende Widerstandsgeschichte, vor allem verkörpert in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand Berlin, petrifiziert ein gleichsetzendes, moralisierendes Heldenpantheon aller Formen des deutschen Widerstands, von dem sich die Fragstellungen der kritischen Zeitgeschichte seit Jahrzehnten nicht nur entfernt, sondern distanziert haben. Da die Geschichte des Völkerrechts-KWI mit der professionellen Biographie von Berthold Graf Schenck von Stauffenberg (1905–1944) verbunden ist, stellt sich die Frage nach dem Umgang mit der Widerstandsproblematik mit besonderer Dringlichkeit. Zielführend für eine kritische Einordnung von Resilienz und Nonkonformität in bestimmten sozialen Rollen scheint eine genaue Rekonstruktion des persönlichen, professionellen und institutionellen Kontexts und der Verzicht auf jede Form der moralische Überhöhung.

Widerständig Handelnde in der NS-Diktatur entschieden sich nicht einmal und für den Widerstand, sie mussten das immer wieder und gegen wachsenden Verfolgungsdruck und um den Preis wachsender existenzieller Isolierung tun. Im Umfeld eines Widerständigen gab es Mitwissen und wegsehende Duldung, die sehr schwer quellengestützt zu fassen, aber gleichwohl Teil des Phänomens sind. Trotzdem oder gerade deshalb bleibt die Geschichte des Widerstands eine Geschichte von Einzelnen und ihren Entscheidungen, die sich nicht bequem verallgemeinern lässt. Jede übergriffige Moralisierung sagt mehr über diejenigen aus, die sie betreiben, als über die zu untersuchende Zeit. Das wird dem Ernst der Sache nicht gerecht.

Nischen und Anpassung: die Illusion der Immunität und die Realität der Diktatur

Bis heute Bestandteil der institutsinternen Erinnerungskultur: 1935 von Frank Mehnert gefertigte Büste Berthold von Stauffenbergs im Foyer des MPIL[8]

Handlungsspielraum in institutionellen Gefügen hat immer etwas mit Bedarf und Nützlichkeit zu tun. Das sind keine festen, sondern, auch in einer totalitären Diktatur, aushandlungsabhängige Größen. Hierarchien, gedachte Ordnungen und Charisma haben darauf einen Einfluss. Dass die KWG-Verwaltung den KWI-Direktor Ernst Rabel bis 1937 im Amt gehalten hat, obwohl das in Anwendung der Nürnberger ,Rasse‘-Gesetze ausgeschlossen war, ist ein Beispiel. Rabels Bleiben hing an der Protektion durch den ebenfalls 1937 von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängten deutschnationalen KWG-Generaldirektor Friedrich Glum, in der sich Loyalität und Funktionalität vermischten. Rabel war aufgrund seines hohen internationalen Ansehens für Glum, aber auch für Teile der NS-Regierung, attraktiv. Vorschnelle Intentionalisierung von Handlungsspielräumen kann zu prekären Verzeichnungen einer grauen und verstrickungsreichen Wirklichkeit führen.

An den Jahrgängen 1933 bis 1937 der Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, der KWI-Institutszeitschrift, lässt sich die Verschiebung des Veröffentlichungsklimas thematisch und stilistisch gut dokumentieren. Zwar boten die verschiedenen Textgenres von thematischen Hauptartikeln, Rechtsprechungsberichten, Literaturüberblicken und Rezensionen noch ein gewisses Meinungsspektrum. Allerdings nimmt der nationalsozialistische Tenor eindeutig nicht nur zu, sondern wird bildbestimmend. Aufgrund der großen internationalen Wahrnehmung der KWI-Zeitschrift fällt es auf, wenn im Jahrgang 1935 unter anderem die „Idee des Führertums“ ein verbindendes Leitmotiv für komplexe Beiträge der Kartellrechtsregulierung abgeben soll. Rollenverteilung innerhalb der Ressorts des KWI, aber auch persönliche Präferenzen ergeben so Bild einer schiefen Ebene, an deren Ende der Versuch eines Nützlichkeitserweises für die NS-Kriegs- und Großraumwirtschaft in dem von der Wehrmacht besetzten, ausgeplünderten und terrorisierten Europa steht. „Insofern bleibt von der Vorstellung nichts übrig, das Institut habe fern der Politik ,nur‘ Fragen des Privatrechts erforscht.“[9]

[1] Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 1926 –1945, Göttingen: Wallstein 2004.

[2] Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (Hrsg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandaufnahme und Perspektiven der Forschung, Göttingen 2000, Bd. 2, 490-528.

[3] Foto: AMPG.

[4] Teil I: Eckart Henning/Marion Kazemi, Chronik der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911-2011 – Daten und Quellen, Berlin: Duncker & Humblot 2011; Teil II: Eckart Henning/Marion Kazemi, Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911– 2011 – Daten und Quellen, 2 Teilbände, Berlin: Duncker & Humblot 2016.

[5] Foto: MPIL.

[6] Für diese Hinweise danke ich Philipp Glahé.

[7] VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/37.

[8] Foto: MPIL.

[9] Michael Stolleis, Vorwort, in: Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 1926 –1945, Göttingen: Wallstein 2004, 9-10, 10.

Zitierte Literatur:

Rüdiger Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, 2 Bände, Göttingen: Wallstein 2007.

Helmut Maier, Forschung als Waffe. Rüstungsforschung in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung, 2 Bände, Göttingen: Wallstein 2007.

Rolf-Ulrich Kunze, Die Studienstiftung des deutschen Volkes seit 1925. Zur Geschichte der Hochbegabtenförderung in Deutschland, Berlin: Akademie Verlag 2001.

Florian Meinel, Vertrauensfrage. Zur Krise des heutigen Parlamentarismus, München: C.H. Beck 2019.

Ludolf Herbst, Deutschland 1933–1945. Die Entfesselung der Gewalt: Rassismus und Krieg, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996.

English

The “Sister” KWI for Comparative and International Private Law, 1933 to 1939, with a View to the KWI for Comparative Public Law and International Law

What is the connecting element of comparative law, private international law and international law in the Nazi era? Laid out as a thesis, the two juridical Kaiser Wilhelm Institutes (Kaiser-Wilhelm-Institute, KWI) of the Kaiser Wilhelm Society (Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, KWG) are comparable insofar that they did not represent apolitical or conditionally free spaces in the National Socialist dictatorship. They were primarily relays of Nazi rule, niches only in a few respects.

Investigating this means asking certain questions: What room for manoeuvre existed during the transition to the Nazi dictatorship and during its establishment? How did feedback processes take place within the institutes and between them, polity, and jurisdiction? Where lay the grey areas of resilience? In the following, these questions are embedded within the research context of contemporary history and history of science. The focus of interest is on which methodological experiences do not seem suitable for further research into the history of the International Law KWI and why not. From that, discussion-orientated theses and suggestions for apt aspects of an institute history as an exemplary contemporary and academic history are derived.

The State of Research, its Gaps and Blind Spots

The starting point for these considerations is the study of the Berlin “sister” institute, the KWI for Comparative and International Private Law[1], which was founded in 1926 and, until 1937, led by the romanicist and comparative law scholar Ernst Rabel (1874-1955). It was carried out in the context of the research network of the Max Planck Society’s Presidential Commission on the History of the Kaiser Wilhelm Society at the Frankfurt MPI for Legal History. A complimentary study on the “sister” institute for international law, which was also planned in this context, was unfortunately never conducted.[2]

Founding director Ernst Rabel (1874-1955) was forced out of office in 1937 (Photo: AMPG)

The last two of the MPG Presidential Commission volumes on the history of the institute were published in 2007. Commemorating the centenary of the founding of the KWG/MPG in 2011, Eckart Hennig and Marion Kazemi presented an overall assessment in several parts in 2016.[4] On the one hand, this highlights the knowledge gained since the beginning of the intensive research endeavour into the history of the KWG, particularly during the National Socialist era, since the 1990s under Rudolf Vierhaus and Bernhard vom Brocke, yet also the remaining research desiderata. The institutional structure is already well documented. However, it is only on this basis that the real questions arise.

The history of the German large-scale research and science funding landscape since the Weimar Republic has, due to its relevance for the historical pathway towards National Socialism, the Second World War and the Shoah, always been a peculiar area of contemporary history and the history of science. Traditionally, in researching it, investigative source-based and historical methods with a strong documentary focus were used. This led to a certain amount of tension with a more epistemological approach of a history of science as a history of knowledge and culture, as represented, among others, at the Berlin MPI for the History of Science. Questions about room for manoeuvre, feedback and resilience in a KWI in the consolidation and war preparation phase of the National Socialist dictatorship are linked to culture and knowledge but there are additional aspects to be covered. This applies in particular to legal history. If it is considered separately from what Florian Meinel has called the “realm of possibility of the political”, its historical dimension is lost. Private and international law, however, are genuinely political, especially when they are viewed from the perspective of institutional history in a totalitarian dictatorship.

Don’ts: Turning Dictatorship into a History of Discourse and Knowledge

This is the path KWI history should avoid: an invasive and mostly theoretical cultural history in the form of a history of discourse or knowledge based on the denominator of constructivist communication. Ernst Rabel, in his significance as an exceptional scholar certainly comparable to Max Weber, embodied, but did not invent, the comparative legal structuring of IPR of his time. His ability to survey the problem-related reservoir of solutions offered by entire legal systems not only facilitated a scholarly discourse, but also directly facilitated significant parts of world trade law and international legal practice. Rabel was involved in many codifications and judgements. Neither his leadership of the Private Law Institute until 1937 nor his history of emigration to the USA and his fate as a re-migrant after 1945 are a mere talking point. The same can be said about Erich Kaufmann’s comparable biography of persecution. Despite his illusions about his independence and usefulness after 1933, Rabel was a prominent victim of the universally racist National Socialist state. In order to portray ambivalence of this kind and magnitude, KWI history does not need a reformulation according to the actor-network theory ubiquitous as a citation standard, nor a history of knowledge of private international law or international law, but rather a great deal of empathetic understanding. This is different from discourse theory or apologetics.

Do’s: Dealing with Hard Files and Soft Self-Image: What Should You Look for?

Files found in the institute’s basement[5]

For a history of the International Law KWI from the Weimar Republic to the age of the young Federal Republic of Germany, investigative studies on the personal entanglements between law faculties, the KWG and national and international politics, based, among others things, on the KWG/MPG files are of interest: Who does the KWI attract and where does the KWI staff end up? Especially for questions of law-based international politics, the tried-and-tested methodological instruments of contemporary political history are useful, when the sharp contextualization offered by case studies on individuals or problems of state and multilateral action is needed. Political science has its strength in making structures of statehood and multilateralism visible, which, in contrast to the historicist perspective, enables comparison by pointing out archetypical trajectories and processes. Micro analyses of publications, political advisory, and the practice of Arbitral Tribunals should take into account the constructions of relevance and self-image of both international law scholarship and government practice and, with a view to the historical significance of KWI history, also make them comprehensible for lawyers outside of the field.

Furthermore, it is advantageous to illustrate the special role of a KWI director using the example of Viktor Bruns and his understanding of his role for the field he represented, and to relate this to the collective self-image and development of full-time research fellows and the development of their fields of work in democracy and dictatorship. As trivial as it may seem, it can be helpful to reconstruct typical work processes, departmental responsibilities and routines in order to understand the KWI as an interacting, reacting system, which on the one hand is based on existing scientific, administrative and political structures and at the same time influences them through its activities as a specially equipped and prestigious, internationally visible large-scale research organisation. Some persons worked at both KWIs, reflecting the disciplinary boundaries not yet being fully established at the time: Alexander N. Makarov worked at both KWIs from 1928 and from 1945 to 1956 at the Tübingen MPI; the staunch National Socialist Friedrich Korkisch was employed at the Private Law Institute from 1949; Wilhelm Wengler, from 1935 at the Private Law Institute and from 1938 additionally at the International Law Institute; Marguerite Wolff, wife of Martin Wolff, was a research fellow at the International Law Institute from 1924 to 1933. The Wolff and Bruns families were close friends. The staff of the two institutes also seem to have had lunch together. Likely, the library was also shared.[6]

One indicator of the latter is, at least for the Private Law Institute, the relationship of latent fascination and tension with comparative law research conducted at German universities and international private law scholarship, which always saw Rabel’s institute as a politically favoured, excellently equipped competitor.

How Did International Private Law and International Law Enable Dictatorship and War?

The political-history category of room for manoeuvre in the analysis of society under National Socialism, aims, since Ludolf Herbst, among other things, at guiding the analysis of interactions and interdependences. How are certain social roles perceived? How do they change as professional ideals and profiles in the transition from the Weimar Republic to the Nazi dictatorship in terms of self-definition and perception? What strategies existed for maintaining autonomy and what did they depend on? Were they successful and for how long? What image did they have and what image did they create? Where did actors make use of their autonomy and where did they fail to do so?

Such an approach avoids a black-and-white juxtaposition of the ideological claim to power of National Socialism and the more or less intense effect of Gleichschaltung on the professional everyday reality at the KWI in a very specific social subsystem. It enables the depiction of ambivalence and shades of grey, e.g. in the area of strategic and conditional conformity.

History of Resistance: Less Black and White, More Grey

Berthold von Stauffenberg (right) with Ms Schmitz, wife of the institute’s deputy director Martin Schmitz, (left) at the office party in 1939[7]

Sensitivity towards the existence of shades of grey is, in all questions concerning the history of National Socialism, the antithesis to the ahistorical idea of a polar opposition of conformity and non-conformity. The history of German resistance, providing resources for legitimacy and embodied above all in the German Resistance Memorial Centre in Berlin, petrifies an equating, moralising pantheon of heroes of all forms of German resistance. The research questions of critical contemporary history have not only departed but distanced themselves from this perspective in the last decades. As the history of the International Law Institute is linked to the professional biography of Berthold Graf Schenck von Stauffenberg (1905-1944), the question of how to deal with the issue of resistance is particularly urgent. For a critical assessment of resilience and non-conformity in certain social roles, a precise reconstruction of the personal, professional and institutional contexts and the renunciation of any form of moral exaggeration seems to be expedient.

Members of the resistance against the National Socialist dictatorship did not make a one-time decision; they took a stance repeatedly, despite a growing danger of persecution and at the cost of increasing existential isolation. In their environment, complicity and intentional ignorance existed, both of which are very difficult to grasp on the basis of source material but are nevertheless part of the phenomenon. Despite or precisely because of this, the history of resistance remains a history of individuals and their decisions, which cannot be conveniently generalised. Any encroaching attempt at moralisation says more about those who engage in it than about the subject of historical investigation. It does not do justice to the seriousness of the matter.

Niches and Adaptation: The Illusion of Immunity and the Reality of Dictatorship

Part of the institute’s internal culture of remembrance to this day: Bust of Berthold von Stauffenberg made by Frank Mehnert in 1935 in the foyer of the MPIL[8]

Room for manoeuvre in institutional structures is generally interrelated with demand and usefulness. These attributes are not static, but based on negotiation, even in a totalitarian dictatorship. This process is influenced by hierarchies, perceived orders, and charisma. The fact that the KWG administration kept KWI director Ernst Rabel in office until 1937, despite this being non-compliant with the Nuremberg Laws, is one example. Rabel’s retention depended on the protection, resulting from a combination of loyalty and pragmatism, of the KWG Director General Friedrich Glum, a nationalist who, too, was forced out of office by the National Socialists in 1937. Rabel’s outstanding international reputation made him attractive to Glum, but also to parts of the National Socialist government. The premature construction of intentionality regarding the exertion of room for manoeuvre can lead to precarious distortions of a multifaceted and entangled reality.

The 1933 to 1937 issues of the Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Today: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht / The Rabel Journal of Comparative and International Private Law), the KWI’s institute journal, lend themselves to the documentation of the shift in publishing climate, both thematically and stylistically. The thematic main articles, across various text genres like case law reports, literature overviews and reviews did still offer a certain spectrum of opinions; however, the National Socialist tenor was clearly not only increasing but becoming dominant. Due to the high international profile of the KWI journal, it is striking that in 1935, among other things, the “idea of Führertum” is presented as a unifying theme for complex articles on the legal regulation of cartels. The distribution of roles within the departments of the KWI, but also personal preferences, thus paint a picture of a diverted playing-field, escalating to an attempt to demonstrate usefulness for the National Socialist economy oriented towards war and Großraum in a Europe, plundered and terrorised by the occupying Wehrmacht. “Insofar, nothing remains of the idea that the institute, far removed from politics, ‘only’ researched questions of private law.”[9]

 

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 1926 –1945, Göttingen: Wallstein 2004.

[2] Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (ed.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandaufnahme und Perspektiven der Forschung, Göttingen: Wallstein 2000, vol. 2, 490-528.

[3] Photo: AMPG.

[4] Part I: Eckart Henning/Marion Kazemi, Chronik der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911-2011 – Daten und Quellen, Berlin: Duncker & Humblot 2011; Part II: Eckart Henning/Marion Kazemi, Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911– 2011 – Daten und Quellen, 2 Volumes, Berlin: Duncker & Humblot 2016.

[5] Photo: MPIL.

[6] I would like to thank Philipp Glahé for this information.

[7] Photo: VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/37.

[8] Photo: MPIL.

[9] Michael Stolleis, Vorwort [Preface], in: Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 1926 –1945, Göttingen: Wallstein 2004, 9-10, 10.

Literature cited:

Rüdiger Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, 2 Volumes, Göttingen: Wallstein 2007.

Helmut Maier, Forschung als Waffe. Rüstungsforschung in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung, 2 Volumes, Göttingen: Wallstein 2007.

Rolf-Ulrich Kunze, Die Studienstiftung des deutschen Volkes seit 1925. Zur Geschichte der Hochbegabtenförderung in Deutschland, Berlin: Akademie Verlag 2001.

Florian Meinel, Vertrauensfrage. Zur Krise des heutigen Parlamentarismus, München: C.H. Beck 2019.

Ludolf Herbst, Deutschland 1933–1945. Die Entfesselung der Gewalt: Rassismus und Krieg, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996.

Bibliothekar der ersten Stunde: Curt Blass

Die Institutsbibliothek im Berliner Schloss 1931 (Bild: Ullstein Foto)

Es ist recht außergewöhnlich, dass das Andenken eines Mannes, der im Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht während fast zwei Jahrzehnten als Bibliothekar, als Leiter der inneren Verwaltung und als langfristiger Vertreter des Institutsdirektors tätig war und der erst vor rund 50 Jahren gestorben ist, sich im heutigen Max‑Planck‑Institut (MPIL) derart verdunkelt hat, dass ihn nur wenige Personen kennen und Berichte über ihn nur schwer zu finden sind.

Herkunft und Ausbildung

Curt Blass (undatiert)[1]

Robert Curt Blass (1881‑1972) wurde in Leipzig als Sohn des späteren Geheimen Sanitätsrats Wilhelm Conrad Blass geboren. Da Wilhelm Conrad Blass Sohn eines gebürtigen Schweizers war, verfügte Curt Blass neben der deutschen auch über die Schweizer Staatsbürgerschaft. In Leipzig besuchte er die Bürgerschule und die Thomasschule. Nach dem Abitur diente er sein Militärjahr 1902/1903 in Dresden ab und wurde nach den erforderlichen Übungen zum Leutnant der Reserve befördert. Danach studierte er Rechtswissenschaft, zunächst ein Semester in Genf, anschließend in München und Leipzig. Im Jahre 1906 legte er das Referendarexamen ab und ein Jahr später erlangte er die Doktorwürde der Juristischen Fakultät der Universität Leipzig mit einer Dissertation über ,,Die Begründung des Verlagsrechts“. Von 1906 bis zum Sommer 1909 folgte die Referendarzeit im juristischen Vorbereitungsdienst. Die bibliothekarische Bahn betrat Curt Blass Ende des Jahres 1912 als Volontär bei der Universitätsbibliothek Leipzig. Am 1. Mai 1914 übernahm er eine neu eingerichtete Bibliothekarsstelle an der Ratsbibliothek in Dresden. Der Weltkrieg unterbrach seinen bürgerlichen Berufsweg. Im August 1914 rückte er als Leutnant eines Zuges aus – nach dem Waffenstillstand führte er, ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse und anderen militärischen Orden, als Kommandeur ein Regiment von der Westfront zurück. Bereits im September 1917 für das Ende seiner Soldatenzeit als Hilfsbeamter in der Bibliothek des Reichsgerichts bestimmt, konnte er die Stelle im Dezember 1918 in Leipzig antreten. Als zuletzt Eingetretenen entließ man ihn dort im Jahre 1926 wegen Sparmaßnahmen. Den Wechsel auf eine Stelle beim Reichspatentamt lehnte er ab. Stattdessen nahm er die Einladung seines Studienfreundes Viktor Bruns an, die Bibliothek des von Bruns geführten, kürzlich gegründeten Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht aufzubauen und zu leiten. Blass und Bruns hatten sich wohl 1906 kennen gelernt, als Bruns zwei Semester in Leipzig studierte. Am 1. Oktober 1926 begann Blass seine Arbeit im Berliner Schloss.

Mit Hilfe seines Schwiegervaters, des wohlhabenden Schweizer Papierfabrikanten Oscar Miller (1862-1934), kaufte Blass ein Anwesen in schönster Lage in Berlin‑Schlachtensee, Am Schlachtensee 136, wo er bis 1945 wohnte. Das Haus von Viktor Bruns in Berlin‑Zehlendorf‑West, Sven‑Hedin‑Straße 19, lag eine S‑Bahn‑Station und zwei lange Fußwege entfernt. Am 10. April 1945 verließ Curt Blass Berlin und zog in die Schweiz, wo auch seine Frau familiäre Wurzeln hatte. In Zürich‑Witikon, Lehfrauenweg 1, gründete er einen bescheidenen neuen Hausstand und fand anfangs noch kurze bibliothekarische Beschäftigungen. Er starb im Jahre 1972 im Alter von 90 Jahren.

Künstlerische Neigungen. Blass als Schriftsteller und Kunstliebhaber

Der erste Präsident der Kaiser‑Wilhelm‑Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Adolf von Harnack, hob im Jahre 1928, damals noch im Amt, den Begriff der ,,Wissenschaft“ hervor, dem die Gesellschaft zu seiner Zeit folgte. Er lautet ,,scientia pura cum arte vitaque conjugenda“ – reine Wissenschaft sei mit Kunst und Leben zu verbinden. Diesem Anspruch genügte Curt Blass bei seinem Eintritt in das Völkerrechtsinstitut in beispielhafter Weise. Wenn die ,,Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften“ durch die Aufnahme juristischer Institute die iurisprudentia als ,,scientia pura“ einordnete, verband er Wissenschaft eng mit der Kunst und seinem Leben. Das erste Studiensemester in Genf hatte dem jungen Mann aus Sachsen die Beziehungen zu den Verwandten in der Schweiz erneuert und ihm die Freundschaft mit dem Maler Cuno Amiet (1868‑1961)  gebracht, die für seine Entwicklung bedeutsam war und noch im Jahre 1955 bestand, als Curt Blass seine Autobiographie niederschrieb. Der Schweizer Amiet hatte im Jahre 1905 in der Galerie Richter in Dresden ausgestellt und war 1906 der Dresdner expressionistischen Künstlergruppe ,,Die Brücke“ beigetreten. Curt Blass war, ebenso wie sein Schwiegervater Oscar Miller, unter den ersten Passivmitgliedern der Gruppe. Die Mitgliedskarte von Curt Blass, eine kleine Radierung von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Jahr 1908, ist veröffentlicht.[2] Amiet hat Blass auch porträtiert.[3] Die ,,Oschwander Erinnerungen“ von Curt Blass, mit denen er Amiet im Jahre 1928 aus Berlin zu dessen 60. Geburtstag gratulierte, beginnen unter der Überschrift ,,Erste Begegnung“ mit der Schilderung wie ,,an einem heißen Septembertag des Jahres 1903“ ein junger Mann (d.i. Curt Blass) mit dem Fahrrad von Zürich her nach Oschwang, dem Wohnort Amiets, fuhr.

Cuno Amiet, Curt Blass (1905), Holzschnitt[4]

Curt Blass war besonders der Dichtkunst zugetan. Nach der Referendarzeit nahm er im Sommer 1909 Urlaub von Gerichtsdienst, um sich ganz der Schriftstellerei zu widmen. Seine erste Reise führte ihn für den Winter nach Rom. In dieser Zeit entstanden, wie er berichtet, eine Reihe von Novellen und Gedichten, von denen einzelne in Zeitschriften und bibliophilen Drucken erschienen. Er beendete seine literarische Erprobung am Ende des Jahres 1912 mit dem Eintritt in die Universitätsbibliothek Leipzig. Nach 1924 begann er erneut literarisch zu schreiben. Der umfangreiche Roman ,,Die Schwestern“ blieb unveröffentlicht, ebenso spätere Erzählungen und Gedichte. Im Jahre 1944 gab seine Frau in Zürich eine kleine Auswahl seiner Gedichte heraus.[5]

Vom Reichsgericht ans KWI. Blass als Bibliothekar

Von Ende 1918 bis September 1926 arbeitete Curt Blass in der Bibliothek des Reichsgerichts in Leipzig. Sie war damals die größte und beste eigenständige juristische Bibliothek Deutschlands. Der wissenschaftliche Bibliothekar Karl Schulz (1844‑1929) hatte ihren Katalog in den Jahren 1882 und 1890 drucken lassen, nachdem er die Bibliothekssystematik erneuert hatte. Den Gruppen zum römischen und deutschen Recht ließ er eine Gruppe „M.“ zum Völkerrecht und die Gruppen „N.“ bis „Ü.“ zu dem Recht eines Staates oder den Rechten mehrerer Staaten folgen. Den zweiten Teil der Systematik begann er mit der Gruppe zu Staatswissenschaften. In der heutigen Systematik der Bibliothek des MPIL kann man eine, vielleicht durch Curt Blass vermittelte, Ähnlichkeit mit der Gliederung der Reichsgerichtsbibliothek erkennen.

Dem Bibliothekar Blass mag der hohe Anspruch der Bibliothek des Reichsgerichts, welche für qualifizierte Leser arbeitete, ihre praxisorientierte Anwendung bibliothekarischer Regeln und die wissenschaftliche Weite ihrer Erwerbungen aus- und inländischer Literatur bei seiner späteren Tätigkeit im Institut für Völkerrecht ein Maßstab, die Souveränität ihrer Bibliothekare ein Vorbild gewesen sein.

Zum 1. Oktober 1926 berief Viktor Bruns den drei Jahre älteren Curt Blass als Leiter der Bibliothek des Instituts für Völkerrecht. Wenige Wochen später übertrug er ihm auch die innere Verwaltung des Instituts, das zeitweilig mehr als 50 Mitarbeiter zählte. Bruns zeigte durch die Schaffung der Position eines Bibliotheksdirektors und ihre Besetzung mit einem berufserfahrenen Juristen und Bibliothekar, welch große Bedeutung er der Institutsbibliothek für seine wissenschaftliche Tätigkeit beimaß. Er unterschied sich hierin von Ernst Rabel, dem Leiter des fast gleichzeitig gegründeten Bruderinstituts für Privatrecht, das ebenfalls im Berliner Stadtschloss – in dem Völkerrechtsinstitut nahen Räumen – untergebracht war. Rabel hielt eine nur nebenamtliche Verwaltung seiner Bibliothek durch einen wissenschaftlichen Referenten für ausreichend und begnügte sich mit halb so vielen Bänden wie in der Bibliothek zum öffentlichen Recht standen.

Die Bibliothek des KWI als Herz des Instituts

Die Buchbinder Triemer und Nischwitz, Aufnahme um 1935[6]

Entsprechend der Konzeption von Viktor Bruns, aufgrund amtlicher Quellen die Staatenpraxis im völkerrechtlichen Bereich zu beobachten, musste es das erste Ziel des Instituts sein, das weitschichtige gedruckte Material zu sammeln und zu ordnen, das in den „zivilisierten“ Ländern in Gesetzen, Parlamentspapieren, Gerichtsentscheidungen und anderen offiziellen Publikationen, ferner in Lehrbüchern, Monographien und Zeitschriften die Summe der neuzeitlichen Entwicklung ihres nationalen öffentlichen Rechts enthält. Und ebenso musste es unternommen werden, die Quellen und Bearbeitungen des Völkerrechts möglichst umfassend bereitzustellen. Die 1920 gegründete ,,Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“ hielt die Institutsbibliothek für förderungswürdig und ließ ihr kräftige Hilfe zuteilwerden, vor allem durch Belieferung mit der sonst schwer zugänglichen ausländischen Literatur.

Dokumente aus der Bibliothek waren eine Voraussetzung für die Veröffentlichung der laufenden dokumentarischen Reihen des Instituts. Der jährlich von Heinrich Triepel herausgegebene ,,Nouveau Recueil des Traités“ erschien seit 1925 als ,,Publication de l‘Institut de Droit Public Comparé et de Droit des Gens“. Im ersten Band der ,,Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht“ (1929) übertrifft Teil 2 mit Urkunden den Umfang des Teiles 1 mit Abhandlungen. Das ,,Handbuch der diplomatischen Korrespondenz der europäischen Staaten“ das als zweite Serie der ,,Fontes Juris Gentium“ des Instituts erschien, füllt im ersten Band (1932) 24 Seiten mit den Titeln der berücksichtigten Quellen. Seit 1936 erschienen ,,Politische Verträge“ der Nachkriegszeit, bearbeitet von Georg von Gretschaninow.

Wenn das Forschungsgebiet des Instituts die Systematik der Bibliothek bestimmt hatte, so hat umgekehrt die den Wissenschaftlern zugängliche Präsenzbibliothek die dokumentarischen Veröffentlichungen des Instituts ermöglicht, die Eigenart seiner Forschungen mitbestimmt und wohl die juristische Denkweise manches Mitarbeiters geformt. Der Leiter der Bibliothek war Curt Blass. Ebenso wie in den dreißiger Jahren keine der Institutsbibliothek in Ziel und Größe vergleichbare selbständige Bibliothek existierte, gab es auch keinen Bibliotheksleiter, dem Aufgaben mit gleicher Reichweite gestellt waren und der sie so wirksam erfüllte wie Blass. Als Blass sich 1931 auf die Stelle des Direktors der Zentralbibliothek in Zürich bewarb, rief Bruns seinen Freund und Mitarbeiter eigens zu sich nach Den Haag, wo er sich als internationaler Richter aufhielt, um ihn persönlich darum zu bitten, seine Bewerbung zurückzuziehen, da das KWI ohne Blass nicht auskäme. Blass blieb am KWI.

Im Jahre 1936 besaß die Bibliothek mehr als 90.000 Bände, ganz überwiegend ausländischer Literatur, womit wohl nur die Monographien, nicht die Zeitschriftenbände gezählt wurden. Blass selbst vermutete rückblickend, dass er einen Bücherbestand aufbauen konnte, der bald eine Viertelmillion Bände umfasste. Als Angestellte in der Bibliothek sind außer dem Leiter in den Jahren 1928 und 1936 drei Bibliothekssekretärinnen und ein Leiter der Buchbinderei genannt, im Jahre 1936 zusätzlich Cornelia Bruns als Bibliothekarin.

Bibliotheksmitarbeiterin Gertrud Heldendrung am Zettelkasten (um 1935)[7]

Der Wille von Viktor Bruns und Curt Blass zu umfassender Dokumentation des Inhalts völkerrechtlicher Veröffentlichungen aus der möglichst vollständigen Bibliothek zeigt sich auch in der Führung einer Aufsatzkartei, in welcher Aufsätze aus den von der Institutsbibliothek abonnierten Zeitschriften unter Schlagworten verzeichnet wurden, und einer Vertragskartei, die Fundstellen, Vorbehalte, Ratifikationen, Beitritte und Kündigungen von Verträgen aller Staaten aus Materialien der Bibliothek nachwies. Außerdem erleichterte ein systematisch geordnetes Zeitungsarchiv mit Ausschnitten aus Tageszeitungen den Überblick der Bibliotheksbenutzer über diplomatische Ereignisse und Behandlungen völkerrechtlicher Themen in der Öffentlichkeit.

Kriegswirren. Curt Blass als Vertreter des Institutsdirektors

Gegen Ende des Krieges fiel Curt Blass die längerfristige Vertretung des Institutsdirektors zu. Der stellvertretende Institutsdirektor Ernst Schmitz war am 25. Januar 1943, der Institutsdirektor Bruns am 18. September 1943 gestorben. Für den herzkranken Direktor hatte Blass schon zu dessen Lebzeiten zeitweise die Institutsgeschäfte geführt. Blass sprach bei der Trauerfeier für Bruns die Abschiedsworte für die Mitarbeiter des Instituts sowie für die Kaiser‑Wilhelm‑Gesellschaft und staatliche Stellen. Der neue Institutsdirektor Carl Bilfinger (1879‑1958) trat sein Amt am 1. November 1943 an. Er wohnte in Heidelberg und war nur gelegentlich in Berlin anwesend. Bilfinger hat 1946 berichtet, dass er sich zwischen April und Ende Juli 1944 in Berlin aufgehalten habe. ,,Nach den Sommerferien“ sei er wegen der anhaltenden Luftangriffe sowie seiner gesundheitlichen Verfassung dazu übergangen von Heidelberg aus zu arbeiten. Von dort hielt er die Verbindung zu Blass auch über den schon 1942 kriegsversehrten Referendar Heinz Rowedder (1919‑2006) – später Rechtsanwalt in Mannheim – aufrecht, der als Bote zwischen Neckar und Spree verkehrte. In Berlin blieb Blass der Vertreter auch des Institutsdirektors Bilfinger. Als solcher führte er mühevolle Verhandlungen, um die Bücher und einzelne Abteilungen des Instituts aus Berlin zu verlagern. Im Januar 1944 wurden die Bände der Bibliothek nach Kleisthöhe bei Strasburg, Züsedom, Schlepkow und Neuensund in der Uckermark sowie in das Schloß Blücherhof bei Waren in Mecklenburg gebracht. Den Wert der Bücher in Kleisthöhe bezifferte Blass mit 445.000 RM, in Züsedom mit 220.000 RM.

Diese Sicherheitsmaßnahme erfüllte ihren Zweck. Bei einem Bombenangriff am 4. Februar 1945 wurden der teilweise schon zerstörte Institutsbereich in den oberen Räumen des nach der Stechbahn und dem damaligen Schlossplatz hin liegenden Schlossflügels sowie die benachbarten Bibliotheksräume vernichtet. Eine Bombe traf das Zimmer von Curt Blass. Die meisten der rechtzeitig in die Provinz geretteten Bände sind bis heute erhalten geblieben. Blass verlegte die Reste des Instituts in das leerstehende Haus von Bruns, das er vorsorglich sichergestellt hatte.

Am 10. April 1945 schloss sich Curt Blass dem letzten der von der schweizerischen Botschaft organisierten Transporte an und verließ Berlin mit der Eisenbahn. Damit beendete er seine Zugehörigkeit zum Kaiser‑Wilhelm‑Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, dessen Bibliothek er über 18 Jahre geleitet und dessen Tätigkeit er mitgelenkt hatte.

Als Rentner in Zürich

Blass war im Alter von 63 Jahren aus Berlin nach Zürich gekommen. In den ersten Jahren nach seiner Ankunft erleichterten ihm kleine bibliothekarische Arbeiten dort und in Bern das Auskommen. So ordnete er in dieser Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Zentralbibliothek Zürich die von Staatsrat Paulus Usteri (1768‑1831) gesammelten Druckschriften aus der Zeit der Französischen Revolution neu. Mit den Bibliotheks- und Institutsangehörigen in Berlin und später in Heidelberg war Blass nach Kriegsende wohl wenig in Verbindung. Hauptsächlich ist ein höflicher Briefwechsel mit dem Institutsdirektor Bilfinger und anderen Institutsmitarbeitern zwischen Ende 1949 und 1951 bekannt, der im Wesentlichen die Pensionierung von Blass betrifft. In diese Zeit fällt auch eine Buchbesprechung von Blass in der Institutszeitschrift. Der im Archiv des MPIL erhaltene maschinenschriftliche Glückwunsch des Institutsdirektors Mosler zum 75. Geburtstag von Curt Blass im Jahre 1956, vielleicht der Entwurf eines Telegrammes, bleibt förmlich und beschränkt sich auf zweieinhalb Zeilen. Auf ihm ist handschriftlich und fälschlich der 70. Geburtstag als Grund der Gratulation genannt.

[1] VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/43.

[2] Eberhard W. Kornfeld, Ernst Ludwig Kirchner: Nachzeichnung seines Lebens; Katalog der Sammlung von Werken von Ernst Ludwig Kirchner im Kirchner-Haus Davos; erschienen anlässlich der Ausstellung Ernst Ludwig Kirchner im Kunstmuseum von Basel vom 18. November 1979 bis 27. Januar, 1980, Bern: Kornfeld, 1979, 385 (Katalognummer 232); 22 (Abbildung der Mitgliedskarte für Passivmitglieder der ,,KG Brücke´´ für 1908, Radierung von Ernst Ludwig Kirchner 1908. Mit handschriftlichem Eintrag: C. Blass).

[3] Cuno Amiet, Dr. Curt Blass, lesend, 1905, Holzschnitt, Werkverzeichnis von Mandach 20, Probedruck in Schwarz. Provenienz Sammlung Dr. Curt Blass; Zürich; durch Erbschaft an Privatsammlung Schweiz, Ausstellung, Bern 1968, Kunstmuseum, Jubiläumsausstellung, Cuno Amiet 1868-1961, Giovanni Giacometti 1968-1933, Werke bis 1920, Kat. Nr. 129; Cuno Amiet, Kopf  Dr. Curt Blass, 1908 Farbiger Holzschnitt, 24,7×14 cm, Druckstock; 26,6×16,8 cm, Blattgröße. Werkverzeichnis von Mandach 23.

[4] National Gallery of Art, Washington.

[5] Einige literarische Veröffentlichungen von Curt Blass: Curt Blass, Gedichte, Leipzig: Privatdruck 1907; Curt Blass, Das Märchen von Käthen im Winde, Die Rheinlande 18 (1909), 414-420; Curt Blass, Kriegslese aus den Gedichten der Jahre 1914-1919, Leipzig: Selbstverlag 1919-1920; Curt Blass, Der Grund: eine Novelle, Leipzig: H. Haessel 1924; Curt Blass, Schatten hoher Wolken: Gedichte, Leipzig: Privatdruck 1925; Curt Blass, Bianca: zur Jubelfeier des Leipziger Bibliophilen-Abends am 3. Mai 1929 gestiftet, Leipzig: Poeschel und Trepte 1929; Curt Blass, Innere Melodie: Gedichte, Zürich: Schulthess 1944.

[6] VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/36.

[7] VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/28.

Suggested Citation:

Joachim Schwietzke, Bibliothekar der ersten Stunde. Curt Blass, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240305-123334-0

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Die Gemischten Schiedsgerichte der Zwischenkriegszeit

The Mixed Arbitral Tribunals of the Interwar Period

Un grand procès international: The inaugural hearing of the deportees’ case before the German‑Belgian Mixed Arbitral Tribunal on 7 January 1924 at the Hôtel de Matignon in Paris. In the background, from left to right: Alfred Lenhard, Richard Hoene, Paul Moriaud, Albéric Rolin and the Belgian State Agents Henri Gevers and Georges Sartini van den Kerckhove. In the foreground: the German Secretary Walther Uppenkamp (left) and his Belgian colleague Jean Stevens (right) [Meurisse news agency, gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France]

Deutsch

Wie ein internationales Medienphänomen zum „Nicht-Erinnerungsort“ der Völkerrechtswissenschaft verkam – und seine Wiederentdeckung heute unser Verständnis von transnationalen Mobilisierungen verändern könnte

Am Morgen des 7. Januar 1924 begab sich ein Fotograf der Presseagentur Meurisse ins Pariser Hôtel de Matignon. Nicht etwa, um dort einer offiziellen Erklärung des Premierministers beizuwohnen – erst 1935 wurde das Stadtpalais zur offiziellen Residenz der französischen Regierungschefs. Der Pressefotograf sollte vielmehr ein damals neuartiges Spektakel ablichten, das die Brüsseler Tageszeitung Le Soir ihren Lesern als „grand procès international“ – als „großen internationalen Prozess“ – angekündigt hatte.[1]

Letzterer sollte vor dem auf Grund des Versailler Vertrages geschaffenen Deutsch‑Belgischen Gemischten Schiedsgericht stattfinden, dessen ständige Mitglieder der Genfer Rechtsgelehrte Paul Moriaud, sein namhafter belgischer Kollege Albéric Rolin und Senatspräsident Richard Hoene aus Frankfurt waren. Kläger waren zehn Belgier, die im Laufe des Krieges von Deutschland als Zwangsarbeiter deportiert worden waren und nun vom Reich eine Entschädigung verlangten. Einer der Kläger, der noch immer von seiner Gefangenschaft gezeichnete 38‑jährige Jules Loriaux, hatte den Weg nach Paris angetreten. Vertreten wurden er und seine Leidensgenossen durch den 33‑jährigen Brüsseler Anwalt Jacques Pirenne und dessen Mentor, den ehemaligen belgischen Außenminister Paul Hymans. Das Deutsche Reich hatte seinerseits nicht nur auf seinen Staatsvertreter, Senatspräsident Alfred Lenhard, sondern, wie üblich bei besonders wichtigen Fällen, zusätzlich auf einen Rechtsanwalt zurückgegriffen – in diesem Falle auf den später durch die NS-Rassenpolitik ins Exil getriebenen Max Illch aus Berlin, dessen akzentfreies Französisch von der Presse besonders hervorgehoben wurde.

Der Pariser Deportiertenprozess entsprach dem, was Karen J. Alter und Mikael Rask Madsen heute als „the international adjudication of mega-politics“ bezeichnen.[2] Hätte das Deutsche Reich damals diesen Prozess verloren, hätten ihm zehntausende solcher Klagen und Entschädigungsforderungen in Höhe von rund fünf Millionen Francs gedroht, das heißt das Zehnfache der Belgien für seine zivilen Kriegsopfer bereits versprochenen Summe.[3]

Das Deutsch-Belgische Gemischte Schiedsgericht war nur eines von siebzehn solcher Schiedsgerichte, die damals im Hôtel de Matignon einquartiert waren. Diese stellten damals ein Novum dar. Sieht man von dem schmalbrüstigen Zentralamerikanischen Gerichtshof ab, der zwischen 1907 und 1918 gerade einmal zehn Fälle behandelte, waren sie die ersten tatsächlich funktionierenden internationalen Gerichte vor denen Individuen gegen einen ausländischen – und teils sogar gegen den eigenen – Staat klagen konnten. Im Gegensatz zu ihrem zentralamerikanischen Vorgänger waren sie ein Massenphänomen: insgesamt gab es 39 Gemischte Schiedsgerichte, die grob geschätzt zwischen 90.000 und 100.000 Fälle behandelten – einige davon noch nach Kriegsausbruch 1939. Dieser Masse an, insbesondere für Deutschland, oft hochbrisanten Streitfällen verdankten auch das (Kaiser-Wilhelm-) Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (1924) und jenes für ausländisches und internationales Privatrecht (1926) zumindest teilweise ihre Existenz und fortwährende staatliche Unterstützung.[4] Angesichts dieser Fakten scheint es umso verwunderlicher, dass die Gemischten Schiedsgerichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fast gänzlich aus dem kollektiven Gedächtnis der Völkerrechtler verschwanden.

Die Gründe hierfür mögen vielfältiger Natur sein. Der Verruf, in den die für gescheitert erklärten internationalen Gebilde der Pariser Friedensordnung geraten waren, dürfte ebenso dazu gehören wie der üble Nachgeschmack, den insbesondere die Gemischten Schiedsgerichte bei den vor ihnen teils diskriminierten ehemaligen Mittelmächten, aber auch bei verschiedenen Alliierten – besonders in Mittel- und Südosteuropa – hinterlassen hatten. Auch dem Willen, den europäischen Wiederaufbau- und Einigungsprozess unter das Zeichen eines Neuanfangs zu stellen, wäre mit längeren Verweisen auf die in puncto Völkerversöhnung doch recht durchwachsene Bilanz der „Tribunaux arbitraux mixtes“ wohl kaum gedient gewesen. Auf Historiker dürfte nicht nur die Masse, sondern auch die technische Komplexität des lange noch reichlich vorhandenen Archivmaterials eine abschreckende Wirkung gehabt haben.

Fakt ist, dass, nach einer wahren Publikationsflut in der Zwischenkriegszeit, zwischen 1947[5] und den späten 2010er Jahren fast nichts zu diesem Thema erschienen ist. Im Gegensatz zu den, mit ihnen oft verglichenen, Gemischten Kommissionen, die sich insbesondere bei Anhängern der internationalen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit stets großer Beliebtheit erfreut haben, entsprachen die Gemischten Schiedsgerichte damit durchaus dem vom französischen Sozio‑Historiker Gérard Noiriel geprägten Begriff eines „Nicht Erinnerungsorts“, eines „non‑lieu de mémoire[6] – in anderen Worten, einem kollektiven Gedächtnisschwund der Völkerrechtsgemeinschaft. Wie real dieser Gedächtnisschwund war, verdeutlicht sich, wenn man bedenkt, dass das aus 40 größeren Kisten bestehende und mehrere Tonnen wiegende Archiv der Pariser und mehrerer anderer Gemischter Schiedsgerichte, dass den Weltkrieg nahezu intakt überstanden hatte, irgendwann Ende der 1970er oder Anfang der 1980er Jahre von der Bibliothek im Haager Friedenspalast ausgesondert wurde.[7]

Auch wenn große Teile der Hinterlassenschaft der Gemischten Schiedsgerichte damit für immer verloren sein dürften, so gibt es heute zumindest wieder Interesse an einer tiefgehenden Wiederaufarbeitung dieser Institutionen. Bahnbrechend sind hier vor allem Jakob Zollmanns Forschungen gewesen.[8] Darüber hinaus haben einige Publikationen anlässlich des 100. Jahrestages der Pariser Verträge, unter anderem von Marta Requejo Isidro und Burkhard Hess[9] sowie von August Reinisch,[10] es den Gemischten Schiedsgerichten zumindest ansatzweise erlaubt, den Rückweg in das Bewusstsein des völkerrechtlichen Mainstreams anzutreten. Diese Tendenz weiter zu verstärken und auszuweiten war auch das Vorhaben des Sammelbandes, den ich im April 2023 zusammen mit Hélène Ruiz Fabri herausgegeben habe und der das erste Buch zu diesem Thema seit 1947 darstellt.[11]

Die bereits in dieser Publikation vertretenen Ansätze können durchaus noch ausgebaut werden. Fünf Themenkomplexe erscheinen mir in dieser Hinsicht besonders vielversprechend – unter anderem deshalb, weil sie auch neueren methodologischen Ausrichtungen ein weites Betätigungsfeld bieten können, vor allem im Bereich der Sozio-Rechtsgeschichte. Hier denke ich insbesondere an die von Natasha Wheatley[12] und Jessica Marglin[13] veröffentlichten Arbeiten über die Mobilisierung des Völkerrechts und internationaler Institutionen sowohl durch Eliten als durch Graswurzelbewegungen. Aber auch klassischere rechtsgeschichtliche und biographische Herangehensweisen unter Herbeiziehung von Archivmaterial wären hier möglich.

1. Die Bedeutung der Gemischten Schiedsgerichte für das Auswärtige Amt und das KWI

Aus der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amts ausgeschieden: Briefkopf des auch als „Schiedsgerichtsabteilung“ bekannten Kommissariats Otto Göpperts (1931) [14]

Dieser Themenkomplex ist natürlich von besonderer Relevanz für die Aufarbeitung der Geschichte des  Kaiser Wilhelm Instituts (KWI) für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, welches seine Existenz zu einem guten Teil dem Bedürfnis der Weimarer Republik nach einer sowohl personell als argumentativ angemessenen Vertretung vor den Gemischten Schiedsgerichten verdankt. Einige KWI-Mitglieder wirkten sogar direkt an Gemischten Schiedsgerichten mit. So war der KWI-Direktor Viktor Bruns Schiedsrichter von 1927 bis 1931 am Deutsch‑Polnischen und auch am Deutsch‑Tschechoslowakischen Gemischten Schiedsgericht. Sein Kollege Erich Kaufmann war um die gleiche Zeit deutscher Staatsvertreter unter anderem vor dem Deutsch‑Polnischen Gemischten Schiedsgericht. Beiden Professoren assistierte hierbei Carlo Schmid, der von 1927 bis 1929 Referent am KWI war.[15] Das Ergebnis dieser beratenden Tätigkeit war zum Teil widersprüchlich. Wie bereits durch Jakob Zollmann aufgezeigt, trug das KWI zwar durch seine Publikationen und Gutachten wesentlich dazu bei, die Qualität der durch die deutschen Staatsvertreter vorgebrachten völkerrechtlichen Argumente zu verbessern, verfestigte aber auch innerhalb Deutschlands das Verständnis der Versailler Friedensordnung als eines grundlegend ungerechten „Diktats“. Um diese Dynamik eingehender zu beleuchten, wäre es sicher auch angebracht, eine Studie über das 1923 innerhalb des Auswärtigen Amtes geschaffene „Kommissariat für die Gemischten Schiedsgerichtshöfe und die Staatsvertretungen“ anzustrengen, das unter der Leitung von Dr. Otto Göppert stand und zeitweise über 300 Mitarbeiter beschäftigte, darunter über 70 Juristen.[16] Die Arbeit dieses Kommissariats und seiner Mitarbeiter näher zu erforschen dürfte nicht nur für das Verständnis der deutschen Völkerrechtsdiplomatie in der Zwischenkriegszeit interessant sein, sondern es auch erlauben, Kontinuitäten und Diskontinuitäten mit der Nachkriegszeit aufzuzeigen, insbesondere im Hinblick auf den europäischen Einigungsprozess.

2. Die Gemischten Schiedsgerichte und das internationale Privatrecht

Ernst Rabel (1874‑1955) war nicht nur von 1926 bis 1937 Leiter des KWI für ausländisches und internationales Privatrecht, sondern auch von 1921 bis 1930 Mitglied des Deutsch‑Italienischen Gemischten Schiedsgerichts mit Sitz in Rom.[17]

Da die Zuständigkeit der Gemischten Schiedsgerichte sich auch auf Fragen des internationalen Privatrechts erstreckte, hegten manche zeitgenössischen Juristen wie zum Beispiel. Jean‑Paulin Niboyet den Wunsch, dass die von ihnen entwickelte Rechtsprechung zu einer Harmonisierung der in den verschiedenen europäischen Staaten geltenden Regeln führen würde.[18] Obwohl diese Vorstellung sich nicht verwirklichen sollte, könnten die damaligen Diskussionen trotzdem für heutige Spezialisten des internationalen Privatrechts interessant sein. Darüber hinaus wurde das KWI für ausländisches und internationales Privatrecht 1926 ebenfalls mit Hinblick auf die sich vor den Gemischten Schiedsgerichten stellenden Rechtsfragen gegründet und hatte mit Ernst Rabel – ähnlich wie sein völkerrechtliches Pendant mit Viktor Bruns – einen Direktor, der als Schiedsrichter an einem solchen Gericht fungierte. Die Erforschung dieser Zusammenarbeit dürfte sicher weitere interessante Erkenntnisse über das Verhältnis zwischen Rechtswissenschaft und Politik im Deutschland der Zwischenkriegszeit liefern.

3. Die Gemischten Schiedsgerichte und die Entstehung einer transnationalen juristischen Öffentlichkeit

Ein internationales Medienereignis: Kläger und Publikum zum Auftakt des Pariser Deportiertenprozesses am 7. Januar 1924. Im Vordergrund die Anwälte Jacques Pirenne (links) und Paul Hymans (rechts). Im Hintergrund der Hauptkläger Jules Loriaux (zweiter v.  r., mit Gehstock) [19]

Angesichts der Anzahl der vor ihnen verhandelten Fälle und der teils beträchtlichen damit verbundenen finanziellen und politischen Konsequenzen, schufen die Gemischten Schiedsgerichte ein neues transnationales Betätigungsfeld, das sowohl von Angehörigen von Rechtsberufen wie von Teilen der Zivilgesellschaft wahrgenommen wurde. Da die Verhandlungen vor den Gemischten Schiedsgerichten öffentlich waren, auch von der Presse kommentiert wurden und sogar Schaulustige anzogen, kann man hier durchaus von einer transnationalen juristischen Öffentlichkeit sprechen. Dieser Faktor erlaubte es unter anderem, dass eher unprivilegierte Akteure, wie zum Beispiel Kriegsgeschädigte, die Gemischten Schiedsgerichte dafür benutzten, ihre Interessen gegen ehemalige Feindstaaten – oder gar gegen ihren eigenen Staat – durchzusetzen oder zumindest zur Sprache zu bringen. Einige dieser Verfahren, wie etwa der anfangs erwähnte Deportiertenprozess vor dem Deutsch‑Belgischen Gemischten Schiedsgericht, wurden auch medial transnational rezipiert.

Aber auch Teilen der Eliten boten die Gemischten Schiedsgerichte neue Möglichkeiten. Insbesondere Paris entwickelte sich zum Mittelpunkt einer transnationalen Juristen‑Gemeinschaft. International bestens vernetzte Anwälte entwickelten sich hier zu Spezialisten in deutsch‑französischen und anderen transnationalen Streitfällen. Gemeinsam mit Mitgliedern der Gemischten Schiedsgerichte und der Internationalen Handelskammer versuchten sie sogar, das System dieser Gerichte zu reformieren und dauerhaft zu etablieren. Die Motivationen, Argumente und Aktionen all dieser Akteure zu erforschen, würde sicherlich einen Beitrag zur Entwicklung der Sozio‑Rechtsgeschichte leisten.

4. Die Gemischten Schiedsgerichte und die Neuordnung der Besitzverhältnisse in Mittel‑ und Südosteuropa

Sitzung des Deutsch‑Polnischen Gemischten Schiedsgerichts im Pariser Hôtel de Matignon im Februar 1925. Im Hintergrund v. l. n. r.: Alfred Lenhard, Franz Scholz, Robert Guex, Jan Namitkiewicz, Tadeusz Sobolewski. Im Vordergrund die beiden Sekretäre, deren Identität nicht genauer bestimmt werden konnte [20]

Anders als die westlichen Alliierten genossen Polen und die Mitglieder der „Kleinen Entente“ vor den mit ihnen eingerichteten Gemischten Schiedsgerichten keine weitgehende Immunität gegenüber Klagen von Angehörigen ehemaliger Mittelmächte. Ganz im Gegenteil: die Pariser Friedensverträge sahen sogar ausdrücklich deren Entschädigung für etwaige Eigentumsliquidationen vor, was die Neuordnung der Besitzverhältnisse in diesen, teils gerade unabhängig gewordenen, Staaten zu behindern drohte. Besonders die Streitfälle zwischen deutschen Klägern und der Polnischen Republik sowie der rumänisch‑ungarische Optantenstreit sorgten hierbei für internationale Schlagzeilen. Hier wäre es interessant, den Einfluss dieser Prozeduren auf das Souveränitätsverständnis der beteiligten Staaten sowie die Mobilisierung der beteiligten Akteure, sowohl in der Region als auch in Westeuropa, zu untersuchen.

5. Die Gemischten Schiedsgerichte jenseits von Europa

Dieser Themenkomplex entspringt der Erkenntnis, dass die Gemischten Schiedsgerichte trotz ihres Ursprungs in den Pariser Friedensverträgen nicht als ein rein europäisches Phänomen verstanden werden dürfen, sondern in dreierlei Hinsicht darüber hinausgingen. Erstens fällt beim Betrachten der Liste der 39 Gemischten Schiedsgerichte[21] auf, dass nicht nur europäische, sondern auch zwei außereuropäische Alliierte an diesen Gerichten beteiligt waren, nämlich Japan und Siam. Noch harren die Archive dieser Staaten zu ihrer Beteiligung an den Gemischten Schiedsgerichten – die zumindest im Falle Japans noch immer bestehen – einer wissenschaftlichen Aufarbeitung. Diese wäre umso interessanter, als sie die Wahrnehmung der Versailler Friedensordnung und der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit durch diese Staaten weiter beleuchten könnte. Zweitens gilt es, auf den besonderen Wert der nach dem Lausanner Friedensvertrag von 1923 mit der Türkei in Istanbul aufgestellten Gemischten Schiedsgerichte hinzuweisen: zum einen, weil sie die an ihnen beteiligten Staaten und deren Staatsangehörige gleich behandelten und damit als zukunftsfähiges Modell dargestellt werden konnten; zum anderen, weil sie trotz dieses Unterschiedes von der Türkei als eine Neuauflage der für semi‑koloniale Rechtsordnungen typischen „gemischten Gerichtshöfe“ wahrgenommen wurden und damit auch die Frage der Kontinuitäten und Diskontinuitäten zwischen Kolonialismus und Internationalismus stellen. Drittens dürfte es insbesondere aus sozio‑rechtsgeschichtlicher Perspektive interessant sein, Fälle mit außereuropäischen Klägern (zum Beispiel alliierten Kolonialuntertanen) oder einem außereuropäischen Bezug zu analysieren.

[1] „Un grand procès international: Les déportés belges contre le Reich“, in: Le Soir,  9. Januar 1924.

[2] Karen J. Alter/Mikael Rask Madsen, The International Adjudication of Mega-Politics, Law and Contemporary Problems 84 (2021), 1.

[3] Siehe hierzu: Michel Erpelding, An Example of International Legal Mobilisation: The German–Belgian Mixed Arbitral Tribunal and the Case of the Belgian Deportees, in: Hélène Ruiz Fabri/Michel Erpelding (Hrsg.), The Mixed Arbitral Tribunals, 1919–1939: An Experiment in the International Adjudication of Private Rights, Baden-Baden: Nomos 2023, 309-362.

[4] Jakob Zollmann, Mixed Arbitral Tribunals: Post-First World War Peace Treaties, in: Hélène Ruiz Fabri (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of International Procedural Law, Oxford: Oxford University Press 2022, § 32.

[5] Charles Carabiber, Les juridictions internationales de droit privé, Neuchâtel: La Baconnière 1947 (mit einem Vorwort von Georges Scelle).

[6] Gérard Noiriel, Le creuset français: histoire de l’immigration, XIXe-XXe siècle, Paris: Seuil 1988, 19.

[7] Email-Austausch zwischen dem Autor und der Bibliothek im Friedenspalais, August-September 2020.

[8] Siehe u. a.: Jakob Zollmann, Reparations, Claims for Damages, and the Delivery of Justice: Germany and the Mixed Arbitral Tribunals (1919-1933), in: David Deroussin (Hrsg.), La Grande Guerre et son droit, Paris: LGDJ 2018, 379-394; Jakob Zollmann, Un juge berlinois à Paris entre droit public international et arbitrage commercial. Robert Marx, les tribunaux arbitraux mixtes et la Chambre de commerce internationale, in: Philipp Müller/Hervé Joly (Hrsg.), Les espaces d’interaction des élites françaises et allemandes. 1920-1950, Rennes: Presses Universitaires de Rennes 2021, 63-77.

[9] Marta Requejo Isidro/Burkhard Hess, International Adjudication of Private Rights: The Mixed Arbitral Tribunals in the Peace Treaties of 1919-1922, in: Michel Erpelding/Burkhard Hess/Hélène Ruiz Fabri (Hrsg.), Peace Through Law: The Versailles Peace Treaty and Dispute Settlement After World War I, Baden-Baden: Nomos 2019, 239-276.

[10] August Reinisch, The Establishment of Mixed Arbitral Tribunals, in: Société française pour le droit international (Hrsg.), Le Traité de Versailles: Regards franco-allemands en droit international à l’occasion du centenaire / The Versailles Treaty: French and German Perspectives in International Law on the Occasion of the Centenary, Paris: Pedone 2020, 267-288.

[11] Hélène Ruiz Fabri/Michel Erpelding (Hrsg.), The Mixed Arbitral Tribunals, 1919–1939: An Experiment in the International Adjudication of Private Rights, Baden-Baden: Nomos 2023.

[12] Natasha Wheatley, Mandatory Interpretation: Legal Hermeneutics and the New International Order in Arab and Jewish Petitions to the League of Nations, Past and Present 227 (2015), 205-248.

[13] Jessica M. Marglin, Notes towards a socio-legal history of international law, Legal History 29 (2021), 277-278; Jessica M. Marglin, The Shamama Case: Contesting Citizenship across the Modern Mediterranean, Princeton: Princeton University Press 2022.

[14] PA AA, RZ 403 53267.

[15] Carlo Schmid, Erinnerungen, Bern: Scherz 1979, 123-128.

[16] Otto Göppert, Zur Geschichte der auf Grund des Vetrags von Versailles eingesetzten Gemischten Schiedsgerichte und Schiedsinstanzen für Neutralitätsansprüche, unveröffentlichtes Typoskript, Berlin, März 1931, 34.

[17] Eckart Henning/Marion Kazemi: Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm- /Max-Planck-Gesellschaft 1911-2011, Teil II/1, Berlin: Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft 2016, 881.

[18] Jean-Paulin Niboyet, Les Tribunaux arbitraux mixtes organisés en exécution des traités de paix, Bulletin de l’Institut intermédiaire international 7 (1922), 215-241.

[19] Presseagentur Meurisse, gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France.

[20]  Narodowe Archiwum Cyfrowe.

[21] Appendix: Alphabetical List of the Mixed Arbitral Tribunals and their Members, in: Ruiz Fabri/Michel Erpelding (Hrsg.), The Mixed Arbitral Tribunals, 1919–1939: An Experiment in the International Adjudication of Private Rights, Baden-Baden: Nomos 2023, 547-581.

Suggested Citation:

Michel Erpelding, Die Gemischten Schiedsgerichte der Zwischenkriegszeit, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240327-093718-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

English

How a former international media phenomenon became one of international laws ”spaces of collective amnesia“ – and how its recent rediscovery could change our understanding of transnational mobilisation

On the morning of 7 January 1924, a photographer from the Meurisse news agency went to the Hôtel de Matignon in Paris. Not to attend an official declaration by the Prime Minister – the townhouse only became the official residence of the French head of government in 1935. Rather, the press photographer was to photograph a spectacle that was novel at the time andwhich the Brussels daily newspaper Le Soir had announced to its readers as ”un grand procès international“ – a ”great international trial“.[1]

The proceedings were to take place before the German‑Belgian Mixed Arbitral Tribunal established pursuant to the Treaty of Versailles and whose permanent members were the Geneva legal scholar Paul Moriaud, his renowned Belgian colleague Albéric Rolin, and Richard Hoene, a senior judge (”Senatspräsident“) from Germany. The plaintiffs were ten Belgians who had been deported by Germany as forced labourers during the war and were now demanding compensation from the Reich. One of the claimants, 38‑year‑old Jules Loriaux, who was still scarred by his imprisonment, had travelled to Paris. He and his fellow deportees were represented by the 33‑year‑old Brussels lawyer Jacques Pirenne and his mentor, the former Belgian Foreign Minister Paul Hymans. For its part, the German  Reich not only had recourse to its state representative, Senatspräsident Alfred Lenhard, but, as usual in particularly important cases, also to a lawyer – in this case Max Illch from Berlin, who would later be driven into exile by Nazi racial policy and whose accent-free French earned him some recognition from the press.

The Belgian deportees’ case was what Karen J. Alter and Mikael Rask Madsen today refer to as ”the international adjudication of mega-politics”.[2] If Germany had lost this case at the time, it would have faced tens of thousands of such lawsuits and claims for compensation adding up to around five million francs, i.e. ten times the sum it had already agreed to pay to Belgium for its civilian war victims.[3]

The German‑Belgian Mixed Arbitral Tribunal was just one of seventeen Mixed Arbitral Tribunals (MATs) that were housed in the Hôtel de Matignon. They were an altogether new kind of international court. With the exception of the short-lived and little-used Central American Court of Justice, which dealt with just ten cases between 1907 and 1918, they were the first actually functioning international tribunals before which individuals could sue a foreign – and sometimes even their own – state. In contrast to their Central American predecessor, the MATs were a mass phenomenon: all in all, there were 39 of them, which would deal with roughly between 90,000 and 100,000 cases – some of them even after the outbreak of war in 1939. The (Kaiser Wilhelm) Institute for Comparative Public Law and International Law (1924), just as the one for Comparative and International Private Law (1926), owed at least part of its existence and continued state support to this mass of often highly sensitive disputes, particularly for Germany.[4] In view of these facts, it seems all the more surprising that the MATs disappeared almost completely from the collective memory of international law scholars in the second half of the 20th century.

The reasons for this are likely manifold. The discredit to which the international structures of the Paris peace order, which had been declared a failure, had fallen, was probably one of them, as was the bad aftertaste that the MATs in particular had left behind not only among the former Central Powers, some of whom had been discriminated against before them, but also among various Allies – particularly in Central and South-Eastern Europe. The desire to place the European reconstruction and unification process after the Second World War under the sign of a new beginning and to focus on international reconciliation would also hardly have been served by lengthy references to the rather mixed record of the MATs. Moreover, historians are likely to have been deterred not only by the sheer volume but also by the technical complexity of the (then) still abundant archive material.

The fact is that after a veritable flood of publications in the interwar period almost nothing was published on this topic between 1947[5] and the late 2010s. In this regard, their fate contrasts with that of the Mixed Commissions created during the 19th century and the first half of the 20th century, with which the MATs have often been compared. Whereas the Mixed Commissions have always enjoyed great popularity, especially among supporters of international investment arbitration, the MATs turned into an example of what the French socio-historian Gérard Noiriel described as a ”non-lieu de mémoire”,[6] a ”space of collective amnesia” – in this case, of the international legal community. Just how real this loss of memory was, becomes clear when one considers that the archives of the Paris and several other MATs, consisting of 40 large boxes and weighing several tonnes, which had survived the Second World War almost intact, were discarded by the Peace Palace Library sometime in the late 1970s or early 1980s.[7]

Even if large parts of the legacy of the MATs are thus probably lost forever, there is at least renewed interest today in an in‑depth reappraisal of these institutions. Jakob Zollmann’s research has been particularly ground‑breaking in this regard.[8] In addition, several publications on the occasion of the 100th anniversary of the Paris Treaties, notably those by Marta Requejo Isidro and Burkhard Hess[9] as well as August Reinisch,[10] have at least to some extent allowed the MATs to make their way back into the consciousness of the international law mainstream. Further strengthening and expanding this trend was also the aim of the anthology that I edited together with Hélène Ruiz Fabri in April 2023 and which is the first book on this topic since 1947.[11]

The approaches already represented in this publication can certainly be expanded on. Five general themes seem particularly promising to me in this respect – partly because they can also offer a broad field of activity for newer methodological orientations, especially in the area of socio‑legal history. Here I am thinking in particular of the work published by Natasha Wheatley[12] and Jessica Marglin[13] on the mobilisation of international law and international institutions by both elites and grassroots movements. But more classical legal‑historical and biographical approaches, drawing on archival material, would also be possible here.

1. The Significance of the Mixed Arbitral Tribunals for the German Foreign Office and the Kaiser Wilhelm Institute

Distinct from the German Foreign Office’s Legal Department: Letterhead of Otto Göppert’s ”Commissariat“, also known as the ”Department of Arbitral Tribunals“ (1931) [14]

This general theme is, of course, of particular relevance for the history of the Kaiser Wilhelm Institute (KWI) for Comparative Public Law and International Law, which owes its existence in large part to the need of the Weimar Republic for adequate representation before the MATs, both in terms of personnel and arguments. Some KWI members even participated directly. KWI Director Viktor Bruns, for example, was an arbitrator on the German‑Polish and German‑Czechoslovakian Mixed Arbitral Tribunals from 1927 to 1931. Around the same time, his colleague Erich Kaufmann was a German state agent before the German‑Polish Arbitral Tribunal, among others. Both professors were assisted by Carlo Schmid , who was a research fellow at the KWI from 1927 to 1929.[15] The result of this advisory activity was in part contradictory. As Jakob Zollmann has already pointed out, although the KWI’s publications and expert opinions contributed significantly to improving the quality of the arguments on international law put forward by German state representatives, they also reinforced the understanding of the Versailles peace order within Germany as a fundamentally unjust ”dictate”. In order to shed more light on this dynamic, it would certainly also be appropriate to undertake a study of the ”Commissariat for the Mixed Arbitral Tribunals and the State Agencies” (”Kommissariat für die Gemischten Schiedsgerichtshöfe und die Staatsvertretungen“), which was created within the Foreign Office in 1923, headed by Dr Otto Göppert, and at times employed over 300 staff members, including over 70 lawyers.[16] Researching the work of this commissariat and its staff in more detail should not only be interesting for understanding German diplomacy in international law in the interwar period, but also allow for continuities and discontinuities with the post-war period to be identified, particularly with regard to the European unification process.

2. The Mixed Arbitral Tribunals and Private International Law

Ernst Rabel (1874–1955) did not only hold the position of Director of the KWI for Comparative and International Private Law between 1926 and 1936, but also sat on the German‑Italian Arbitral Tribunal based in Rome between 1921 and 1930.[17]

As the jurisdiction of the MATs also extended to questions of private international law, some contemporary jurists, such as Jean‑Paulin Niboyet, hoped that the case law they developed would lead to a harmonisation of the rules applicable in the various European states.[18] Although this idea was not to be realised, the discussions at the time could still be of interest to today’s specialists in private international law. Furthermore, the KWI for Foreign and International Private Law was also founded in 1926 with a view to the legal issues arising before the MATs and with Ernst Rabel – similar to his international law counterpart, with Viktor Bruns – had a director who sat as a MAT member. Research into this co‑operation should certainly provide further interesting insights into the relationship between jurisprudence and politics in interwar Germany.

3. The Mixed Arbitral Tribunals and the Emergence of a Transnational Legal Public Sphere

An international media event: Plaintiffs and public at the inaugural hearing of the deportees’ case in Paris on 7 January 1924. In the foreground: lawyers Jacques Pirenne (left) and Paul Hymans (right). In the background: main plaintiff Jules Loriaux (2nd from the right, with cane)[19]

Given the number of cases heard before them and the sometimes considerable financial and political consequences associated with them, the MATs created a new transnational field of activity that was recognised by both members of the legal profession and parts of civil society. Since the hearings before the MATs were public and were also commented on by the press and even attracted onlookers, one can certainly speak of a transnational legal public sphere. This factor made it possible, among other things, for rather unprivileged actors, such as war victims, to use the MATs to assert their interests against former enemy states – or even against their own state – or at least to raise them. Some of these proceedings, such as the deportees’ case before the German‑Belgian MAT mentioned above, also received transnational media coverage.

However, the MATs also offered new opportunities to parts of the elite. Paris in particular developed into the centre of a transnational legal community. Lawyers with excellent international networks developed into specialists in Franco German and other transnational disputes. Together with members of the MATs and the International Chamber of Commerce, they even attempted to reform the system of these courts and establish it on a permanent basis. Researching the motivations, arguments and actions of all these actors would certainly contribute to the development of socio‑legal history.

4. The Mixed Arbitral Tribunals and the Reorganisation of Property Relations in Central and Southeastern Europe

Session of the German–Polish Mixed Arbitral Tribunal at the Hôtel de Matignon in Paris in February 1925. In the background, from left to right: Alfred Lenhard, Franz Scholz, Robert Guex, Jan Namitkiewicz, Tadeusz Sobolewski. In the foreground are the Tribunal’s two secretaries, whose precise identity could not be determined.[20]

Unlike the Western Allies, Poland and the members of the ”Little Entente” did not enjoy extensive immunity from lawsuits brought by members of the former Central Powers before the MATs established with them. On the contrary: the Paris Peace Treaties even expressly provided for their compensation for any liquidation of property, which threatened to hinder the reorganisation of property relations in these states, some of which had just become independent. The disputes between German claimants and the Polish Republic as well as the Romanian‑Hungarian optant dispute in particular made international headlines. It would be interesting to examine the influence of these proceedings on the understanding of sovereignty of the states involved and the mobilisation of the actors involved, both in the region and in Western Europe.

5. The Mixed Arbitral Tribunals Beyond Europe

This general theme  arises from the realisation that, despite their origins in the Paris Peace Treaties,  MATs should not be understood as a purely European phenomenon. They went beyond Europe in three respects. Firstly, when looking at the list of the 39 MATs,[21] it is striking that not only European but also two non‑European allies were involved in these tribunals, namely Japan and Siam. The archives of these states on their participation in the MATs – which have been preserved, at least in the case of Japan – are still awaiting academic analysis. This would be all the more interesting as it could shed further light on the perception of the Versailles peace order and international arbitration by these states. Secondly, the special value of the MATs established in Istanbul after the Lausanne Peace Treaty of 1923 with Turkey should be emphasised for two reasons. On the one hand, because they treated the participating states and their nationals equally and could thus be presented as a credible model for future courts. On the other hand, despite this difference, they were perceived by Turkey as a new edition of the ”mixed courts” typical of (semi-)colonial legal systems and thus also raise the question of continuities and discontinuities between colonialism and internationalism. Thirdly, it should be particularly interesting from a socio‑legal‑historical perspective to analyse cases with non‑European plaintiffs (e.g.allied colonial subjects) or concerning events or subject‑matters situated outside Europe.

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Un grand procès international: Les déportés belges contre le Reich, in: Le Soir, 9 January 1924.

[2] Karen J. Alter/Mikael Rask Madsen, The International Adjudication of Mega-Politics, Law and Contemporary Problems 84 (2021), 1.

[3] See, on this subject: Michel Erpelding, An Example of International Legal Mobilisation: The German–Belgian Mixed Arbitral Tribunal and the Case of the Belgian Deportees, in: Hélène Ruiz Fabri/Michel Erpelding (eds.), The Mixed Arbitral Tribunals, 1919–1939: An Experiment in the International Adjudication of Private Rights, Baden-Baden: Nomos 2023, 309-362.

[4]Jakob Zollmann, Mixed Arbitral Tribunals: Post-First World War Peace Treaties, in: Hélène Ruiz Fabri (ed.), Max Planck Encyclopedia of International Procedural Law, Oxford: Oxford University Press 2022, para 32.

[5] Charles Carabiber, Les juridictions internationales de droit privé, Neuchâtel: La Baconnière 1947 (with a preface by Georges Scelle).

[6]Gérard Noiriel, Le creuset français: histoire de l’immigration, XIXe-XXe siècle, Paris: Seuil 1988, 19.

[7] Email exchange between the author and the Peace Palace Library, August–September 2020.

[8] See notably: Jakob Zollmann, Reparations, Claims for Damages, and the Delivery of Justice: Germany and the Mixed Arbitral Tribunals (1919-1933), in: David Deroussin (ed.), La Grande Guerre et son droit, Paris: LGDJ 2018, 379-394; Jakob Zollmann, Un juge berlinois à Paris entre droit public international et arbitrage commercial. Robert Marx, les tribunaux arbitraux mixtes et la Chambre de commerce internationale, in: Philipp Müller/Hervé Joly (eds.), Les espaces d’interaction des élites françaises et allemandes. 1920-1950, Rennes: Presses Universitaires de Rennes 2021, 63-77.

[9] Marta Requejo Isidro/Burkhard Hess, International Adjudication of Private Rights: The Mixed Arbitral Tribunals in the Peace Treaties of 1919-1922, in: Michel Erpelding/Burkhard Hess/Hélène Ruiz Fabri (eds.), Peace Through Law: The Versailles Peace Treaty and Dispute Settlement After World War I, Baden-Baden: Nomos 2019, 239-276.

[10] August Reinisch, The Establishment of Mixed Arbitral Tribunals, in: Société française pour le droit international (ed.), Le Traité de Versailles: Regards franco-allemands en droit international à l’occasion du centenaire / The Versailles Treaty: French and German Perspectives in International Law on the Occasion of the Centenary, Paris: Pedone 2020, 267-288.

[11] Hélène Ruiz Fabri/Michel Erpelding (eds.), The Mixed Arbitral Tribunals, 1919–1939: An Experiment in the International Adjudication of Private Rights, Baden-Baden: Nomos 2023.

[12] Natasha Wheatley, Mandatory Interpretation: Legal Hermeneutics and the New International Order in Arab and Jewish Petitions to the League of Nations, Past and Present 227 (2015), 205-248.

[13] Jessica M. Marglin, Notes towards a socio-legal history of international law, Legal History 29 (2021), 277-278; Jessica M. Marglin, The Shamama Case: Contesting Citizenship across the Modern Mediterranean, Princeton: Princeton University Press 2022.

[14] PA AA, RZ 403 53267.

[15] Carlo Schmid, Erinnerungen, Bern: Scherz 1979, 123-128.

[16] Otto Göppert, Zur Geschichte der auf Grund des Vetrags von Versailles eingesetzten Gemischten Schiedsgerichte und Schiedsinstanzen für Neutralitätsansprüche, unpublished typoskript, Berlin, March 1931, 34.

[17] Eckart Henning/Marion Kazemi: Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm- /Max-Planck-Gesellschaft 1911-2011, vol. II/1, Berlin: Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft 2016, 881.

[18] Jean-Paulin Niboyet, Les Tribunaux arbitraux mixtes organisés en exécution des traités de paix, Bulletin de l’Institut intermédiaire international 7 (1922), 215-241.

[19] Meurisse news agency, gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France.

[20] Narodowe Archiwum Cyfrowe.

[21] Appendix: Alphabetical List of the Mixed Arbitral Tribunals and their Members, in: Ruiz Fabri/Michel Erpelding (eds.), The Mixed Arbitral Tribunals, 1919–1939: An Experiment in the International Adjudication of Private Rights, Baden-Baden: Nomos 2023, 547-581.

Suggested Citation:

Michel Erpelding,The Mixed Arbitral Tribunals of the Interwar Period, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240327-093809-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

Das Berliner Jahr. Carlo Schmid als Referent am Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 1927/28

One Year in Berlin. Carlo Schmid as Research Fellow at the Institute for Comparative Public Law and International Law 1927/28

Session of the Permanent Court of International Justice in The Hague (ca. 1928). Viktor Bruns second from the right at the bench (AdsD, 6/FOTA003421)

Deutsch

Am Ende dauerte das Intermezzo kaum ein Jahr. Im September 1927 war der junge Amtsrichter Karl Schmid (1898-1979) vom beschaulichen Tübingen in die ruhelose Reichshauptstadt gewechselt und hatte eine Referentenstelle am Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht übernommen; im Spätsommer 1928 kehrte er zurück und nahm eine universitäre Karriere auf. Für die spätere Bekanntheit des sich nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch Carlo Schmid nennenden Politikers war diese Episode sicherlich nicht entscheidend. Schmid sollte nicht als Jurist der Weimarer Republik reüssieren, sondern als Staatsmann, Gründervater der Bundesrepublik und unbequemer Vordenker der SPD, in die er nach 1945 eingetreten war.[1] Selbst innerhalb der Max‑Planck‑Gesellschaft, der Schmid seit 1951 als Senator angehörte, war diese Vorgeschichte um 1970 längst in Vergessenheit geraten.[2] Insofern stellt sich die Frage: Lassen sich überhaupt Spuren seines Wirkens am heutigen Max-Planck-Institut entdecken? Und welcher Stellenwert kommt den Erfahrungen am Berliner Institut, über die Schmid in seinen 1979 veröffentlichten Erinnerungen[3] in einer gleichermaßen distanzierten wie eigentümlich geglätteten Weise berichtete, für seinen weiteren Werdegang zu?

Ein „französischer Schwabe“. Herkunft und Ausbildung

Carlo Schmid nach seiner Promotion 1923[4]

Zur Herkunft müssen einige biographische Stichworte genügen: Carlo Schmid wurde am 3. Dezember 1898 in ein deutsch‑französisches Elternhaus geboren. Kurz nach seiner Geburt siedelte die Familie von Südfrankreich wieder in die württembergische Heimat des Vaters zurück, wo er ein humanistisches Gymnasium durchlief und im Juni 1914 in Stuttgart das Abitur ablegte. Von der Jugendbewegung und dem Wandervogel geprägt und patriotisch wohl ausgesprochen begeistert, meldete er sich zu Beginn des Weltkriegs unverzüglich zum Kriegsdienst. Als Soldat diente Schmid vier Jahre dem Kaiserreich als seinem wortwörtlichen Vaterland, teilweise im Osten, zum Leidwesen seiner französischen Mutter aber vorrangig an der Westfront.[5] Erst nach dem Waffenstillstand von November 1918 schied er, inzwischen mehrfach ausgezeichnet, aus dem Militär aus und nahm ein Studium der Rechts‑ und Staatswissenschaften in Tübingen auf. Nach Abschluss (1921/1924), Promotion (1923) und einer kurzen Etappe als Rechtsanwalt trat Schmid in den württembergischen Justizdienst ein und wurde Anfang 1927 als Richter am Amtsgericht Tübingen eingesetzt.

Beschaulich. Schmids Wirkungsstätte, Tübingen in den 1920ern[6]

Folgt man den Darstellungen seiner Autobiographie, so fand Schmid weder im Richteramt noch in der Tübinger Honoratiorengesellschaft intellektuelle Befriedigung. Während seine von Hugo Sinzheimer betreute Dissertation über die „Rechtsnatur der Betriebsvertretungen nach dem Betriebsrätegesetz“ sich noch ganz dem aufblühenden Weimarer Arbeitsrecht verschrieben hatte, wandte er sich ab Mitte der 1920er Jahre im Selbststudium völkerrechtlichen Klassikern wie Hugo Grotius und Immanuel Kant zu.[7] Nahezu zeitgleich zu seinem Antritt als Amtsrichter, im Januar 1927, bot ihm Heinrich Pohl, der Direktor des völkerrechtlichen Seminars der Universität Tübingen, eine Stelle als Hilfsassistent an, sodass Schmid seine wissenschaftliche Interessen neben dem Justizdienst in einem akademisch formalisierten Rahmen verfolgen konnte. Pohl, ein Schüler von Philipp Zorn, zählte in der Zwischenkriegszeit nicht nur zu den anerkanntesten Verfassungs- und Völkerrechtlern Deutschlands, sondern war mehrfach als entschiedener Kritiker des Versailler Vertrags hervorgetreten.[8] Mit dem Auswärtigen Amt (AA) stand Pohl seit längerer Zeit im Austausch, auch wenn seine im Auftrag der Reichsregierung erstellten Gutachten, etwa zu amerikanischen Schadenersatzforderungen aus dem U-Boot-Krieg, aufgrund von handwerklichen Mängeln und eines „reichlich temperamentvollen Ton[s]“[9] nicht selten ungenutzt in den Schubladen der Wilhelmstrasse verschwanden. Ebenso blieb ein über mehrere Jahre vom AA großzügig gefördertes Forschungsvorhaben von Pohl, welches die Rechtslage in den nach dem Versailler Vertrag besetzten Reichsgebieten untersuchen sollte, unvollendet.[10]

Im Kampf gegen Versailles. Schmid kommt an das Institut

Gleichwohl war es diese Verbindung von Völkerrechtswissenschaft und Außenpolitik, welche den weiteren Werdegang von Carlo Schmid bestimmen sollte. Heinrich Pohl bahnte ihm nicht nur den Weg zu einer akademischen Karriere in Tübingen, sondern vermittelte augenscheinlich auch den Kontakt zum Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht nach Berlin. Diese mit Mitteln der Reichsregierung ab 1924/25 eingerichtete Forschungseinrichtung in Trägerschaft der Kaiser‑Wilhelm‑Gesellschaft diente vorrangig dazu, die Völkerrechtswissenschaft in Deutschland zu stärken, international konkurrenzfähig zu machen und systematisch zur strategischen Unterstützung der deutschen Diplomatie heranzuziehen, allzumal in den Konflikten um die Auslegung und Umsetzung des Versailler Vertrags.[11] In seinen Erinnerungen vermied Schmid zwar jegliche Erwähnung des nationalkonservativen Pohl und erklärte seinen Wechsel nach Berlin nur vage damit, dass Viktor Bruns, der Gründungsdirektor des Instituts, junge Mitarbeiter bevorzugt unter den Examensbesten Württembergs rekrutiert habe.[12] Es ist jedoch kaum vorstellbar, dass Bruns ohne Empfehlung oder Hinweis von Pohl auf den jungen Tübinger Richter zugegangen wäre. Die Vorstellung, dass der „Kampf gegen Versailles“ auch und gerade mit den Mitteln des Völkerrechts auszufechten sei, teilten Bruns und Pohl jedenfalls unbestritten, und auch Schmid machte sich dieses Anliegen mit großer Leidenschaft zu eigen.[13]

Eine Arbeitsfrucht am Institut: die Anzilotti-Übersetzung

Nähere Hinweise auf Carlo Schmids Tätigkeiten am Institut, das in den Räumlichkeiten des alten Berliner Schlosses an der Spreeinsel untergebracht war, finden sich nur wenige. Unterlagen oder Schriftwechsel von seiner Hand sind in den Archivbeständen der Max‑Planck‑Gesellschaft nicht überliefert.[14] Soweit sich rekonstruieren lässt, befasste sich Schmid nach seiner Ankunft im September 1927 vornehmlich mit Reparations- und Restitutionsfragen aus dem Versailler Vertrag, wobei sich diese spröde Materie immerhin in zwei einschlägigen Fachaufsätzen niederschlug.[15] Mit Cornelia Bruns, der Bibliothekarin des Instituts, übersetzte er daneben das bekannte Lehrbuch von Dionisio Anzilotti aus dem Italienischen.[16] Größere Bedeutung kam seiner Beteiligung an den deutsch‑polnischen und deutsch‑tschechoslowakischen Schiedsverhandlungen zu, an denen er als Assistent von Erich Kaufmann beziehungsweise Viktor Bruns teilnahm.[17] Diese, nach den Grundsätzen des Versailler Vertrages eingerichteten, gemischten Schiedsgerichte verhandelten vorrangig eigentumsrechtliche, als unpolitisch geltende Streitfragen, die sich zwischen den beteiligten Nationen durch die Umsetzung des Friedensschlusses von 1919 ergaben.[18]

Schmid muss diese Tätigkeit, für die er bereits durch seine französischen Sprachkenntnisse prädestiniert war, ernüchtert haben. Zwar erlebte er die Reisen zu den Sitzungsorten der Schiedsgerichte nach Paris, Genf und Venedig oder zum Ständigen Internationalen Gerichtshof in Den Haag als Erweiterung seines Horizonts und, mit Blick auf zahlreiche Museumsbesuche, als großen kulturellen Gewinn.[19] Wenig erquicklich erschienen ihm jedoch die eigentlichen Verhandlungen mit ihrem Tauziehen zwischen den Streitparteien, bei denen die „juristische[n] Argumente, die man seinen politischen Erklärungen beifügte, nicht viel mehr waren als der Faltenwurf, mit dem sich handfeste Interessen drapierten (…).“[20] Freilich: Diese Kritik an einer politischen Instrumentalisierung des Rechts war nicht weit entfernt von der Skepsis, mit der viele deutsche Staats- und Völkerrechtler in den 1920er Jahren auf den vorgeblich lebensfernen Dogmatismus formaler, rein positivistischer Vertrags- und Rechtsregeln blickten.[21] Im Kreis der Mitbegründer und Führungsköpfe des Instituts waren „antipositivistische“ Denker stark vertreten: sowohl bei Heinrich Triepel wie bei Rudolf Smend, bei Hermann Heller wie bei Erich Kaufmann handelte es sich, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen, um teils entschiedene Kritiker eines politisch abstinenten, formalistischen Rechtsdenkens. Ebenso wäre an Carl Schmitt zu denken, der zwar erst nach 1933 eine engere Bindung an das Institut einging, aber schon in seinen Weimarer Schriften ausgiebig über eine Verschleierung politischer Machtfragen durch juristische Formeln nachgedacht hatte und von dem Carlo Schmid seinerzeit wohl mehr fasziniert war, als er es später eingestehen mochte.[22]

Rückkehr nach Tübingen, Habilitation und nationale Polemik

Ohnehin scheint Carlo Schmid in dieser Zeit geschwankt zu haben, ob er die juristische Kärrnerarbeit am Institut zugunsten eines Engagements in der Politik oder einer akademischen Karriere aufgeben solle; ausschlaggebend für letzteres waren vermutlich die Belastungen durch die Pendeltätigkeit zwischen Berlin und Tübingen sowie der familiäre Unwille – und vielleicht auch das eigene Unbehagen – sich dauerhaft in der Reichshauptstadt niederzulassen.[23] Im August 1928 meldete sich Schmid beim Amtsgericht Tübingen zurück, ab Herbst nahm er seine Lehrtätigkeit an der Universität bei Heinrich Pohl wieder auf, der im Übrigen wenig später einen seiner Doktoranden, Berthold Schenk von Stauffenberg, als neuen Referenten an das Institut vermittelte.[24] Trotzdem hatte Carlo Schmid nicht sämtliche Verbindungen zum Institut gekappt. Nicht nur unterstütze er im Nebenamt weiterhin Erich Kaufmann als Sekretär am deutsch‑polnischen Schiedsgericht, sondern er konzipierte auch seine Habilitationsschrift auf dem Feld der internationalen Gerichtsbarkeit mit einem expliziten Blick auf den praktischen Nutzwert für Diplomatie und Außenpolitik. Gleichsam als Quintessenz seiner praktischen Erfahrungen am Völkerrechts-Institut entstand so ein Manuskript, welches die bisherige Spruchpraxis des Ständigen Internationalen Gerichtshofs in Den Haag systematisch analysierte und aus den Entscheidungen allgemeine Rechtssätze zu abstrahieren versuchte, welche als Argumentationshilfe in internationalen Verhandlungen dienen konnten.[25] Die bereits im Frühjahr 1929 vorgelegte, knapp 300‑seitige Fleißarbeit wurde von der Rechts‑ und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen als Habilitationsschrift angenommen und positiv begutachtet; abgeschlossen wurde das Verfahren im November mit einer Antrittsvorlesung Schmids über völkerrechtliche Haftungsfragen gegenüber fremden Staatsangehörigen.[26]

Warum Carlo Schmid in dem auf Herbst 1931 datierten Vorwort zur Druckfassung der Habilitation auf jeden Hinweis auf Heinrich Pohl – der immerhin ein überschwängliches Erstgutachten zur Arbeit verfasst hatte[27] – verzichtete, sich jedoch ausdrücklich bei Viktor Bruns bedankte, lässt sich vorderhand kaum eindeutig klären. Während das Verhältnis zu Pohl, der inzwischen einen Ruf nach Breslau angenommen hatte, vermutlich von Beginn an schwierig gewesen war, hatte Schmid an einem versöhnlichen Ausgleich mit Bruns schon deshalb ein Interesse, weil es zwischen den beiden Männern im Vorjahr zum Eklat gekommen war. Den Anlass hatte ein anonymer Artikel Schmids in einer christlich-nationalen Gewerkschaftszeitung gegeben, der die Neuordnung der deutschen Reparationspflichten im Zuge des „Young-Plans“ aus juristischer Sicht betrachtet und insbesondere den im Januar 1930 auf einer Regierungskonferenz in Den Haag ausgehandelten Kompromiss, welche Sanktionen bei einer Verletzung der vorgesehenen Zahlungspflichten möglich sein sollten, scharf kritisiert hatte. Während nach aktuellen völkerrechtlichen Regeln die Sanktionsrechte „der Rechtsverletzung adäquat sein mussten“, so Schmid, würden die Gläubigerstaaten mit dem Haager Kompromiss das Recht erhalten, in Deutschland „zu tun, was ihnen beliebt“[28]. Das war zwar eine polemische Übertreibung, entsprach aber dem Tenor der nationalistischen Kampagnen, welche sich seit dem vorangegangenen Herbst gegen den Young‑Plan richteten, und spiegelte zugleich den Argwohn einer Staats- und Völkerrechtslehre, welche die vertragspositivistische Übermächtigung und Entpolitisierung der deutschen Souveränität fürchtete.

Stein des Anstoßes: Schmids Artikel zur „Sanktionsgefahr“

In der Folge dieses Zeitungsartikels, der selbst innerhalb der Reichsregierung für Aufsehen sorgte, sah sich Viktor Bruns gezwungen, Schmid von jeder weiteren Beteiligung am deutsch‑polnischen Schiedsgericht zu entbinden. Zwar lässt sich kaum mehr klären, wie publik Schmids Autorenschaft in der Berliner Regierungspolitik tatsächlich war. Innerhalb des Instituts war sie jedoch bekannt. Angesichts der Tatsache, dass die deutsche Außenpolitik vom Institut eine loyale Unterstützung und unpolitische Rechtsberatung erwartete, war aus Sicht von Bruns eine demonstrative Trennung selbst bei einem so randständigen Mitarbeiter wie Schmid unvermeidlich.[29] Ein dauerhaftes Zerwürfnis entstand daraus jedoch nicht. Weder Bruns, der in der Sache durchaus einer ähnlichen Auffassung zugeneigt haben mag, noch Schmid gingen mit bleibendem Groll auseinander, wovon neben den freundlichen Dankesworten in Schmids Habilitationsschrift noch einige Briefwechsel bis 1941 zeugen.[30]

Nach 1945: Von der Wissenschaft in die Politik

Carlo Schmid spricht vor dem Bundesrat (1969)[31]

Was lässt sich als Fazit zu Carlo Schmids Zeit am Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht festhalten? Für eine wissenschaftshistorische Betrachtung ist die Tätigkeit Schmids in Berlin wenig ergiebig. An nachgeordneter Stelle eingesetzt, war er immer eher Mitläufer und Beobachter der am Institut betriebenen Verknüpfung völkerrechtlicher Theorie und Praxis. Tritt man indes einen Schritt zurück und nimmt eine biographische Perspektive ein, fallen zwei Aspekte ins Auge: Erstens war die Zeit als juristischer Referent am Institut für Schmid eine Phase der Politisierung. Darin liegt nur scheinbar ein paradoxer Befund. Die Erfahrung, dass die völkerrechtlichen Schiedsverfahren in der Umsetzung des Versailler Vertrages die machtpolitischen Glutkerne des Friedensschlusses nicht ansatzweise ersticken konnten, bedeutete eine realpolitische Schulung, deren Essenz Schmid in seinen Erinnerungen auf die bündige Formel brachte: „Jurisprudenz ist kein Ersatz für Politik (…)“[32]. Nach Tübingen kehrte er als Nationalist zurück, der das „Versailler Diktat“ vielleicht erbitterter als zuvor bekämpfte und Kontakte bis weit in das rechtsintellektuelle Milieu pflegte.[33]

Zweitens: Nach 1945 ergaben sich neue Perspektiven. Trotz einer nationalen Grundhaltung hatte sich Carlo Schmid jeder tieferen Verstrickung in den Nationalsozialismus entziehen können, sodass er nach Kriegsende als unbelasteter Newcomer und Hoffnungsträger galt. Obwohl er im Jahr 1946 kurzfristig sogar als möglicher Direktor eines in die Westzonen verlagerten Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht gehandelte wurde,[34] optierte er nun für eine politische Karriere, die erst in Württemberg und der französischen Besatzungszone, dann in der frühen Bundesrepublik auf geradezu atemberaubend steile Weise nach oben verlief.[35] Ein genauerer Blick zeigt, dass er dabei durchaus auf den Erfahrungen seines Berliner Intermezzos aufbaute und das Bemühen um eine völkerrechtliche Bestimmung der deutschen Rechtslage und um eine juristische Bindung der Siegermächte auf eine neue Stufe hob. Nicht nur focht Schmid seit einem fulminanten Auftritt auf der Münchener Ministerpräsidentenkonferenz im Juni 1947 für eine Formalisierung und Verrechtlichung der Beziehungen zu den alliierten Siegermächten im Rahmen eines Besatzungsstatuts (worüber er sich seit dem Frühjahr 1947 mit Erich Kaufmann ausgetauscht hatte).[36] Auch bei der Beratung des Grundgesetzes auf Herrenchiemsee und im Parlamentarischen Rat 1948/49 setzte er sich nachdrücklich dafür ein, dass im Text ein explizites Bekenntnis zum Völkerrecht, zur friedlichen Streitbelegung durch Schiedsgerichte und zur freiwilligen Abtretung staatlicher Hoheitsrechte verankert wurde. Dass darin ein Echo der Gründungsideen und Leitgedanken des Völkerrechts-Instituts nachhallte, ist offensichtlich. Die Berufung auf das Recht, so formulierte es Schmid im Parlamentarischen Rat im September 1948, sei „die einzige Waffe, die dem Schwachen und Entmachteten zu Gebote steht (…).“[37] Zu keinem anderen Zweck war das Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Berlin gegründet worden.

[1] Dazu umfassend: Petra Weber, Carlo Schmid 1896-1979. Eine Biographie, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1998.

[2] Vgl.: Brief von Ulrike Ringmann an Erika Bollmann, datiert 29. Mai 1970, APMG, II. Abt., Rep. 67, Nr. 1272.

[3] Vgl.: Carlo Schmid, Erinnerungen, Bern: Scherz 1979; dazu: Petra Weber, Erziehungsroman statt Memoiren: Carlo Schmids „Erinnerungen“, in: Magnus Brechtken (Hrsg.), Life Writing and Political Memoir. Lebenszeugnisse und Politische Memoiren, Göttingen: V&R unipress 2012, 259–278; mit Blick auf solche Vorerfahrungen nach 1945, siehe auch: Sabine Kurtenacker, Der Einfluss politischer Erfahrungen auf den Verfassungskonvent von Herrenchiemsee. Entwicklung und Bedeutung der Staats- und Verfassungsvorstellungen von Carlo Schmid, Hermann Brill, Anton Pfeiffer und Adolf Süsterhenn, München: Herbert Utz 2017.

[4] AdsD, 6/FOTA003426

[5] Vgl.: Weber, Carlo Schmid (Fn. 1), 36.

[6] Verlag von Heinrich Sting, Public Domain.

[7] Vgl.: Schmid (Fn. 3), 119-120.

[8] Vgl.: Heinrich Pohl, Die belgischen Annexionen im Versailler Vertrage, Stuttgart: Kohlhammer 1927; Heinrich Pohl, Neues Völkerrecht auf Grund des Versailler Vertrages, Berlin: Ferdinand Dümmler 1927.

[9] [Georg] Martius, Aktenvermerk v. 30.05.1923, PA AA, R 54330.

[10] Vorgang mit Korrespondenzen und weiteren Unterlagen, PA AA, R 54330.

[11] Vgl.: Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (Hrsg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus, Bd. 2, Göttingen: Wallstein 2000, 490–527 (490-491; 499-504); Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3: Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur, 1914–1945, München: C.H. Beck 1999, 89.

[12] Vgl.: Schmid (Fn. 3), 121.

[13] Vgl.: Weber, Carlo Schmid (Fn. 1), 59-67.

[14] So auch Kurtenacker (Fn. 3), 43, Fn. 234.

[15] Vgl.: Karl [Carlo] Schmid/Ernst Schmitz, Der Paragraph 4 der Anlage zu Sektion IV des Teils X des Versailler Vertrags, ZaöRV 1 (1929), 251–320; Karl [Carlo] Schmid/Ernst Schmitz, Zur Dogmatik der Sektion V des Teiles X des Versailler Vertrags, ZaöRV 2 (1931), 17–85.

[16] Vgl.: Dionisio Anzilotti, Lehrbuch des Völkerrechts. Band 1: Einführung – Allgemeine Lehren, Autor. Übers. Cornelia Bruns / Dr. Karl [Carlo] Schmid, Berlin: De Gruyter 1929.

[17] Zu Kaufmanns Tätigkeit in diesem Zusammenhang, vgl.: Frank Degenhardt, Zwischen Machtstaat und Völkerbund. Erich Kaufmann (1880-1972), Baden-Baden: Nomos 2008, 107-109.

[18] Vgl.: Jakob Zollmann, Nationality, Property, and the Mixed Arbitral Tribunals, 1914 to c. 1930, in: Hélène Ruiz Fabri/Michel Erpelding (Hrsg.), Mixed Arbitral Tribunals, 1919-1939. An Experiment in the International Adjudication of Private Rights, Baden-Baden: Nomos 2023, 113–157 [Angaben zu den genannten Schiedsgerichten, aber ohne Erwähnung von Schmid im Anhang: 556-557, 574]; Jakob Zollmann, Reparations, Claims for Damages, and the Delivery of Justice. Germany and the Mixed Arbitral Tribunals (1919-1933), in: David Deroussin (Hrsg.), La Grande Guerre et son droit, Issy-les-Moulineaux: LGDJ 2018, 379–394.

[19] Vgl.: Schmid (Fn. 3), 125-131.

[20] Schmid (Fn. 3), 129.

[21] Vgl.: Manfred Gangl (Hrsg.), Die Weimarer Staatsrechtsdebatte. Diskurs- und Rezeptionsstrategien, Baden-Baden: Nomos 2011; Stolleis (Fn. 10), 158-186.

[22] Vgl.: Schmid (Fn. 3), 139-141; auch nach 1945 hatte sich eine merkliche Ehrerbietung gehalten, vgl: Brief von Carlo Schmid an Carl Schmitt, datiert 16. Mai 1947, AdsD, NL Carlo Schmid, 609.

[23] Vgl.: Weber, Carlo Schmid (Fn. 1), 75.

[24] Vgl.: Alexander Meyer, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905–1944). Völkerrecht im Widerstand, Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht, Bd. 57, Berlin: Duncker & Humblot 2001, 42-53; Am Institut scheint Stauffenberg wesentlich die Aufgabengebiete von Schmid übernommen zu haben.

[25] Vgl.: Karl [Carlo] Schmid, Die Rechtsprechung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs in Rechtssätzen dargestellt, Stuttgart: Ferdinand Enke 1932.

[26] Vgl.: Weber, Carlo Schmid (Fn. 1), 70.

[27] Vgl.: Weber, Carlo Schmid (Fn. 1), 70.

[28] Die Sanktionsgefahr. Ein juristisches Gutachten über die Klauseln des Haager Abkommens, in: Der Deutsche. Tageszeitung für deutsche Volksgemeinschaft und ein unabhängiges Deutschland, 25. Februar 1930, 2; Zum Kontext der Sanktionsdebatte siehe etwa: Franz Knipping, Deutschland, Frankreich und das Ende der Locarno-Ära 1928–1931. Studien zur internationalen Politik in der Anfangsphase der Weltwirtschaftskrise, München: De Gruyter 1987, 112-119; weitere Hintergründe bei: Philipp Heyde, Das Ende der Reparationen. Deutschland, Frankreich und der Youngplan 1929-1932, Paderborn: Schöningh 1998.

[29] Mit immer noch leicht gekränktem Unterton, vgl. dazu: Schmid (Fn. 3), 142.

[30] Vgl.: Weber, Carlo Schmid (Fn. 1), 72, 133.

[31] BArch, B 145 Bild-F029089-0006 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA 3.0

[32] Schmid (Fn. 3), 130.

[33] Vgl.: Weber, Erziehungsroman (Fn. 3), 266; Weber, Carlo Schmid (Fn. 1), 75-76.

[34] Vgl.: Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg: Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg, ZaöRV 74 (2014), 697-731 (710-712, 715-716).

[35] Vgl.: Hellmuth Auerbach, Die politischen Anfänge Carlo Schmids. Kooperation und Konfrontation mit der französischen Besatzungsmacht 1945-1948, VfZ 36 (1988), 595–648.

[36] Vgl. Karl [Carlo] Schmid, Die Neuregelung des Besatzungsrechtes, Jahrbuch für internationales und ausländisches öffentliches Recht 1(1947), 123–128; siehe auch: Brief von Carlo Schmid an Erich Kaufmann, datiert 05. März 1947, AdsD, NL Carlo Schmid, 601.

[37] Zweite Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen 16. September 1948, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (Hrsg.), Der Parlamentarische Rat, 1948-1949. Akten und Protokolle, Bd. 5: Ausschuß für Grundsatzfragen, Boppard am Rhein: Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1993, 8.

Suggested Citation:

Marcus M. Payk: Das Berliner Jahr: Carlo Schmid als Referent am Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 1927/28, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240214-102625-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

English

In the end, the intermezzo barely lasted a year. In September 1927, the young district judge Karl Schmid (1898-1979) had moved from placid Tübingen to Berlin, the restless capital of the German Empire, to become a research fellow at the Institute for Comparative Public Law and International Law; he returned in the late summer of 1928 and took up a university career. This episode was certainly not decisive for the later fame of the politician, who, after the Second World War, went exclusively by Carlo Schmid. Schmid was to make a name not as a legal scholar in the Weimar Republic, but as a statesman, a founding father of the Federal Republic and provocative thought leader of the SPD (Social Democratic Party of Germany), which he joined after 1945.[1] Even within the Max Planck Society, which Schmid joined as a senator in 1951, this backstory had long been forgotten by 1970.[2] Therefore, the question arises: can any traces of his work at the be discovered at today’s Max Planck Institute? And what significance do the experiences at the Berlin Institute, on which Schmid reports in his autobiography Erinnerungen (“Memories”)[3], published in 1979, in a reserved and strangely smoothed-out manner, have for his future career?

A “French Swabian”. Early Life and Education

Carlo Schmid after his doctorate in 1923[4]

Regarding his early life, a few biographical keywords must suffice: Carlo Schmid was born into a German‑French family on 3 December 1898. Shortly after his birth, the family moved from the South of France back to his father’s home in Württemberg, where Schmid received secondary education, and graduated high school in Stuttgart in June 1914. Influenced by the German Youth Movement (Jugendbewegung) and the Wandervogel (two popular groups at the time, emphasizing the experience of nature and a spirit of community) and rather patriotic, he immediately enlisted for military service at the beginning of the First World War. As a soldier, Schmid served the German Empire, his – literal – fatherland, for four years, partly in the East, but mainly on the Western Front, much to the chagrin of his French mother.[5] It was only after the armistice in November 1918, that he left the military, having been decorated several times in the meantime, and began studying law and constitutional theory (Staatswissenschaften) in Tübingen. After graduating (1921/1924), obtaining his doctorate (1923) and a brief stint as a lawyer, Schmid joined the judicial service of Württemberg and was appointed as a judge at the Tübingen district court in early 1927.

Placid. Schmid’s place of work, Tübingen in the 1920s[6]

According to his autobiography, Schmid found no intellectual satisfaction either in his position as a judge or in Tübingen’s distinguished social circles. While his dissertation on the “Legal Nature of Workers’ Councils under the Workers’ Councils Act”, supervised by Hugo Sinzheimer, was still devoted to the flourishing Weimar labour law, from the mid-1920s onwards, he turned to the self-study of classics of international law such as Hugo Grotius and Immanuel Kant.[7] Almost simultaneously to Schmid taking up his position as a district judge, in January 1927, Heinrich Pohl, the director of the international law seminar at the University of Tübingen, offered him a position as an assistant, so that Schmid was able to pursue his academic interests in a formalised setting alongside his work in the judicial service. Pohl, a student of Philipp Zorn, was not only one of the most renowned constitutional and international law scholars in Germany in the interwar period, but had also repeatedly come forward as a staunch critic of the Treaty of Versailles.[8] He had also been in dialogue with the Foreign Office for some time, even though his legal expert opinions commissioned by the government, on American claims for damages from the submarine war for example, often disappeared in the drawers of the office, unused, due to methodological shortcomings and a “rather spirited tone”[9] . Similarly, a research project by Pohl, intended to investigate the legal situation in the territories of the Reich occupied under the Treaty of Versailles and generously funded by the Foreign Office for several years, remained unfinished.[10]

Fighting Versailles. Schmid Joins the Institute

 Nevertheless, it was this combination of international law and foreign policy that was to determine Carlo Schmid’s future career. Heinrich Pohl not only paved the way for him to pursue an academic career in Tübingen, but apparently also put him in touch with the Institute for Comparative Public Law and International Law in Berlin. This research institution under management of the Kaiser-Wilhelm‑Gesellschaft (Kaiser Wilhelm Society) was established in 1924/25 with funds from the German government and was primarily dedicated to strengthen international law in Germany, to make it internationally competitive and to systematically provide strategic support for German diplomacy, especially in the conflicts surrounding the interpretation and implementation of the Treaty of Versailles.[11] In his memoir, Schmid avoids any mention of the national-conservative Pohl and only vaguely explains his move to Berlin by saying that Viktor Bruns, the founding director of the institute, preferably recruited young employees among the top law school graduates in Württemberg.[12] However, it is hard to imagine that Bruns would have approached the young judge from Tübingen without a recommendation or pointer by Pohl. In any case, Bruns and Pohl undoubtedly shared the idea that the “fight against Versailles” should not least be fought with the means of international law, and Schmid also embraced this cause with great passion.[13]

A product of the work at the Institute: the Anzilotti translation

There are only scant sources on Carlo Schmid’s activities at the Institute, which was housed in the premises of the old Berlin Palace in the city centre. No documents or correspondence of his have survived in the archives of the Max Planck Society.[14] As far as can be reconstructed, after his arrival in September 1927, Schmid was primarily concerned with issues of reparations and restitution arising from the Treaty of Versailles, as this dry field of work is reflected in two scientific publications.[15] Together with Cornelia Bruns, the Institute’s librarian, he also translated the well-known textbook by Dionisio Anzilotti from Italian to German.[16] More relevant is his involvement in the German‑Polish and German‑Czechoslovak arbitration negotiations, in which he took part as an assistant to Erich Kaufmann and Viktor Bruns respectively.[17] These mixed arbitration tribunals, established in accordance with the principles of the Treaty of Versailles, primarily negotiated property disputes which arose between nations as a result of the implementation of the peace treaty of 1919 and which were generally considered apolitical. [18]

Schmid must have felt disillusioned by this field of activity, for which he was predestined due to his French language skills. He considered the trips to the venues of the arbitration tribunals in Paris, Geneva and Venice or to the Permanent Court of International Justice in The Hague inspiring, and, because of his visits to numerous museums, culturally enriching.[19] However, he disliked the actual negotiations with their tug-of-war between the parties, in which the “legal arguments that were attached to one’s political statements were little more than the drapery with which tangible interests embellished themselves (…).”[20] Admittedly: this criticism of the political instrumentalization of law was not too different from the scepticism with which many German constitutional and international law experts in the 1920s viewed the, allegedly quixotic, dogmatism of formal, purely positivist treaties and legal rules.[21] “Anti-positivist” thinkers were strongly represented among the co-founders and leaders of the institute: Heinrich Triepel and Rudolf Smend as well as Hermann Heller and Erich Kaufmann, albeit for different reasons, all criticized, sometimes staunchly, formalistic legal thinking, devoid of political contextualisation. Of course, there was also Carl Schmitt, who did not enter into a closer relationship with the Institute until after 1933, but had already covered the issue of the alleged conceal of political power struggles through legalism extensively in his Weimar writings. Carlo Schmid was probably more fascinated by him at the time than he would later bring himself to admit.[22]

Return to Tübingen, Habilitation and Nationalist Polemics

Carlo Schmid seems to have wavered during this time as to whether he should give up his painstaking work at the institute in favour of a commitment to politics or an academic career; the decisive factor for the latter was probably the strain of commuting between Berlin and Tübingen as well as his family’s unwillingness – and perhaps also his own discomfort – to permanently settle in the capital.[23] In August 1928, Schmid reported back to the district court in Tübingen, and in autumn he resumed his teaching activities at the university under Heinrich Pohl, who shortly afterwards recommended one of his doctoral students, Berthold Schenk von Stauffenberg, as a new research fellow at the institute.[24] Nevertheless, Carlo Schmid had not cut all ties with the Institute. Not only did he continue to support Erich Kaufmann as a part-time secretary at the German‑Polish Court of Arbitration, but he also aimed for his habilitation thesis in the field of international jurisdiction to be useful for diplomacy and foreign policy. As the quintessence of his practical experience at the International Law Institute, so to speak, he systematically analysed the previous case law of the Permanent Court of International Justice in The Hague and attempted to abstract general legal principles from its decisions to serve as an argumentation aid in international negotiations.[25] The result of this detailed and precise work, a manuscript of almost 300 pages, was submitted in spring 1929, accepted by the Faculty of Law and Economics at the University of Tübingen, and received a favourable review. The process was concluded in November with Schmid’s inaugural lecture on questions of liability under international law towards foreign nationals.[26]

Why Carlo Schmid omitted any reference to Heinrich Pohl – who had, after all, written an exuberant initial evaluation of the work[27] – in the foreword to the printed version of the habilitation, dated autumn 1931, but expressly thanked Viktor Bruns, can hardly be clarified for the time being . While the relationship with Pohl, who had in the meantime accepted a chair at the university of Breslau, had presumably been difficult from the outset, Schmid had an interest in a conciliation with Bruns, as there had been an éclat between the two in the previous year. The cause had been an anonymous article by Schmid in a Christian-nationalistic trade union newspaper, which commented on the reorganisation of Germany’s reparation obligations in the wake of the Young Plan from a legal perspective. In particular, the article sharply criticised the compromise negotiated at an intergovernmental conference in The Hague in January 1930 on what sanctions should be possible in the event of a breach of the envisaged payment obligations. While under current international law sanctions had to be “adequate to the violations of law”, Schmid said, the Hague Compromise would give the creditor states the right to “do as they please” in Germany[28]. Although this was a polemical exaggeration, it was in line with the tenor of the nationalist campaigns that had been directed against the Young Plan since the previous autumn and at the same time reflected the suspicion of constitutional law and international law scholarship against a positivist overreach in treaty interpretation and a depoliticization of German sovereignty.

The bone of contention: Schmid’s article on the “risk of sanctions”

As a result of this newspaper article, which caused a stir even within the Reich government, Viktor Bruns thought it necessary to exclude Schmid from any further involvement in the German‑Polish court of arbitration. Although it is hardly possible to clarify how public Schmid’s authorship was within government circles, it was acknowledged within the institute. In view of the fact that the German authorities expected loyal support and apolitical legal advice from the Institute, Bruns felt that a demonstrative separation was inevitable, even in the case of a marginal employee like Schmid.[29] However, this did not result in a lasting fall-out. Neither Bruns, who may well have held similar views on the matter, nor Schmid parted with lasting resentment, as evidenced by the friendly acknowledgement in Schmid’s habilitation thesis and several letters up to 1941.[30]

After 1945: From Academia to Politics

Carlo Schmid spricht vor dem Bundesrat (1969)[31]

What is the outcome of Carlo Schmid’s time at the Institute? Schmid’s work in Berlin is not very fruitful from a history-of-science perspective. Working in a subordinate position, he was always more of a follower and observer of the way the theory and practice of international law came together at the Institute. However, if one takes a step back and adopts a biographical perspective, two aspects become apparent: firstly, Schmid’s time as a research fellow at the Institute was a phase of politicisation. This only seems to be a paradoxical finding: the experience that the arbitration proceedings, implementing the Treaty of Versailles and governed by international law, would not even begin to smother the embers of power politics of the Versailles order meant a training in Realpolitik, the essence of which Schmid summarised in his memoirs in the succinct formula: “Jurisprudence is no substitute for politics (…)”[32]. He returned to Tübingen as a nationalist, who fought the “Versailles Dictate” perhaps more bitterly than ever before and cultivated contacts well into the right-wing intellectual milieu.[33]

Secondly, new perspectives emerged after 1945. Despite his nationalist stance, Carlo Schmid had been able to avoid any deeper involvement in National Socialism, so that after the end of the war, he was seen as an unencumbered newcomer. Although he was even briefly considered as a possible director of the Institute for Comparative Public Law and International Law, which was relocated to the western zones in 1946,[34] he now opted for a political career that took a breathtakingly steep upward trajectory, first in Württemberg and the French occupation zone, then in the early Federal Republic .[35] A closer look shows that he built on the experiences of his intermezzo in Berlin and took the endeavour to define the German legal situation under international law and to establish legal obligations  for the Allied Powers to a new level. Since his fulminant appearance at the Munich Conference of the Minister Presidents of the German states in June 1947, Schmid campaigned for a formalisation and legalisation of the relations with the Allied Powers within the framework of an occupation statute (which he had been discussing with Erich Kaufmann since the spring of 1947).[36] During the deliberations on the new German constitution (Grundgesetz) at Herrenchiemsee castle and in the Parliamentary Council in 1948/49, he also strongly advocated for an explicit commitment to international law, the peaceful settlement of disputes by arbitration tribunals and the voluntary limitation of sovereignty. It is obvious that this echoed the founding ideas and guiding principles of the International Law Institute. As Schmid put it in the Parliamentary Council in September 1948, invoking the law is “the only weapon available to the weak and disempowered (…).”[37] The Institute for Comparative Public Law and International Law had been founded for no other purpose.

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] For a comprehensive overview, cf: Petra Weber, Carlo Schmid 1896-1979. Eine Biographie, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1998.

[2] Cf: Letter from Ulrike Ringmann to Erika Bollmann, dated 29 May 1970, APMG, II. Abt., Rep. 67, No. 1272.

[3] Cf: Carlo Schmid, Erinnerungen, Bern: Scherz 1979; also: Petra Weber, Erziehungsroman statt Memoiren: Carlo Schmid’s “Erinnerungen”, in: Magnus Brechtken (ed.), Life Writing and Political Memoir. Lebenszeugnisse und Politische Memoiren, Göttingen: V&R unipress 2012, 259-278; with regard to such previous experiences after 1945, see also: Sabine Kurtenacker, Der Einfluss politischer Erfahrungen auf den Verfassungskonvent von Herrenchiemsee. Entwicklung und Bedeutung der Staats- und Verfassungsvorstellungen von Carlo Schmid, Hermann Brill, Anton Pfeiffer und Adolf Süsterhenn, Munich: Herbert Utz 2017.

[4] AdsD, 6/FOTA003426

[5] Cf: Weber, Carlo Schmid (fn. 1), 36.

[6] Verlag Heinrich Sting, Public Domain.

[7] Cf.: Schmid (fn. 3), 119-120.

[8] Cf: Heinrich Pohl, Die belgischen Annexionen im Versailler Vertrage, Stuttgart: Kohlhammer 1927; Heinrich Pohl, Neues Völkerrecht auf Grund des Versailler Vertrages, Berlin: Ferdinand Dümmler 1927.

[9] [Georg] Martius, memorandum dated 30 May 1923, PA AA, R 54330, translated by the editor.

[10] Collection of correspondence and documents on this project, PA AA, R 54330.

[11] Cf: Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (ed.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus, vol. 2, Göttingen: Wallstein 2000, 490-527 (490-491; 499-504); Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, vol. 3: Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur, 1914-1945, Munich: C.H. Beck 1999, 89.

[12] Cf.: Schmid (fn. 3), 121.

[13] Cf: Weber, Carlo Schmid (fn. 1), 59-67.

[14] Similarly: Kurtenacker (fn. 3), 43, fn. 234.

[15] Cf.: Karl [Carlo] Schmid/Ernst Schmitz, Der Paragraph 4 der Anlage zu Sektion IV des Teils X des Versailler Vertrags, HJIL 1 (1929), 251-320; Karl [Carlo] Schmid/Ernst Schmitz, Zur Dogmatik der Sektion V des Teiles X des Versailler Vertrags, HJIL 2 (1931), 17-85.

[16] Cf.: Dionisio Anzilotti, Lehrbuch des Völkerrechts. Band 1: Einführung – Allgemeine Lehren, Autorised Transl. Cornelia Bruns / Dr. Karl [Carlo] Schmid, Berlin: De Gruyter 1929.

[17] On Kaufmann’s activities in this context, cf: Frank Degenhardt, Zwischen Machtstaat und Völkerbund. Erich Kaufmann (1880-1972), Baden-Baden: Nomos 2008, 107-109.

[18] Cf: Jakob Zollmann, Nationality, Property, and the Mixed Arbitral Tribunals, 1914 to c. 1930, in: Hélène Ruiz Fabri/Michel Erpelding (eds.), Mixed Arbitral Tribunals, 1919-1939. An Experiment in the International Adjudication of Private Rights, Baden-Baden: Nomos 2023, 113-157 [details of the arbitral tribunals mentioned, but no mention of Schmid in the appendix: 556-557, 574]; Jakob Zollmann, Reparations, Claims for Damages, and the Delivery of Justice. Germany and the Mixed Arbitral Tribunals (1919-1933), in: David Deroussin (ed.), La Grande Guerre et son droit, Issy-les-Moulineaux: LGDJ 2018, 379-394.

[19] Cf.: Schmid (fn. 3), 125-131.

[20] Schmid (Fn. 3), 129, translated by the editor.

[21] Cf.: Manfred Gangl (Hrsg.), Die Weimarer Staatsrechtsdebatte. Diskurs- und Rezeptionsstrategien, Baden-Baden: Nomos 2011; Stolleis (Fn. 10), 158-186..

[22] Cf.: Schmid (fn. 3), 139-141; even after 1945, a noticeable reverence had persisted, cf: Letter from Carlo Schmid to Carl Schmitt, dated 16 May 1947, AdsD, NL Carlo Schmid, 609.

[23] Cf: Weber, Carlo Schmid (fn. 1), 75.

[24] Cf: Alexander Meyer, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944). Völkerrecht im Widerstand, Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht, vol. 57, Berlin: Duncker & Humblot 2001, 42-53; At the institute, Stauffenberg seems to have essentially taken over Schmid’s areas of responsibility.

[25] Cf.: Karl [Carlo] Schmid, Die Rechtsprechung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs in Rechtssätzen dargestellt, Stuttgart: Ferdinand Enke 1932.

[26] Cf: Weber, Carlo Schmid (fn. 1), 70.

[27] Cf: Weber, Carlo Schmid (fn. 1), 70.

[28] Die Sanktionsgefahr. Ein juristisches Gutachten über die Klauseln des Haager Abkommens, in: Der Deutsche. Tageszeitung für deutsche Volksgemeinschaft und ein unabhängiges Deutschland, 25 February 1930, 2, translated by the editor; On the context of the sanctions debate, see for example: Franz Knipping, Deutschland, Frankreich und das Ende der Locarno-Ära 1928-1931. Studien zur internationalen Politik in der Anfangsphase der Weltwirtschaftskrise, München: De Gruyter 1987, 112-119; for further background see: Philipp Heyde, Das Ende der Reparationen. Germany, France and the Young Plan 1929-1932, Paderborn: Schöningh 1998.

[29] With a still slightly offended undertone, see: Schmid (fn. 3), 142.

[30] Cf: Weber, Carlo Schmid (fn. 1), 72, 133.

[31] BArch, B 145 Bild-F029089-0006 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA 3.0

[32] Schmid (Fn. 3), 130, translated by the author.

[33] Cf: Weber, Erziehungsroman (fn. 3), 266; Weber, Carlo Schmid (fn. 1), 75-76.

[34] Cf: Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg: Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg, HJIL 74 (2014), 697-731 (710-712, 715-716).

[35] Cf: Hellmuth Auerbach, Die politischen Anfänge Carlo Schmids. Kooperation und Konfrontation mit der französischen Besatzungsmacht 1945-1948, VfZ 36 (1988), 595–648.

[36] Cf. Karl [Carlo] Schmid, Die Neuregelung des Besatzungsrechtes, Jahrbuch für internationales und ausländisches öffentliches Recht 1(1947), 123-128; see also: Letter from Carlo Schmid to Erich Kaufmann, dated 5 March 1947, AdsD, NL Carlo Schmid, 601.

[37] Zweite Sitzung des Ausschusses für Grundsatzfragen 16 September 1948, Z 5/29, Bl. 203-224, in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv (eds.), Der Parlamentarische Rat, 1948-1949. Akten und Protokolle, vol. 5: Ausschuß für Grundsatzfragen, Boppard am Rhein: Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1993, 8.

Suggested Citation:

Marcus M. Payk: One Year in Berlin. Carlo Schmid as Research Fellow at the Institute for Comparative Public Law and International Law 1927/28, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240219-190312-0

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“An epoch-making event”? The Foundation of the Kaiser-Wilhelm-Institute and the Anglo-American Research Community, 1912-1933

In 1926, a short note in the renowned American Journal of International Law announced the foundation of the Kaiser-Wilhelm-Institute for Foreign Public Law and International Law (KWI). The note announced Viktor Bruns as director of the KWI, who together with two colleagues from the Law Faculty at the University of Berlin, Rudolf Smend and Heinrich Triepel would lead the KWI. It outlined that the KWI would research public law and international law for “scientific and practical governmental purposes”, and that publications would follow and hopefully make “valuable contributions” to international law in the future.[1] This rather general note about the KWI was the only one in any Anglo-American law journal at the time. This article examines the KWI’s perception in the Anglo-American legal community in the interwar period but also looks at the broader trend of the foundation of national and regional law institutions in the period of the First World War.

The Invisible KWI

It was not until 1929, three years after the initial note, that the KWI began to reach a broader audience in the Anglo-American legal community, particularly in the United States, with the journals Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (“Journal for Foreign Public Law and International Law”, today: Heidelberg Journal of International Law) from 1929 and the Fontes Juris Gentium from 1931. The first editions of the KWI’s publications won acclaim in the review sections of Anglo-American law journals. Eminent American jurists, such as Manley O. Hudson, Law Professor at Harvard University, and Philipp C. Jessup, Law Professor at Columbia University, reviewed these German publications in the most important law journals in the United States. Both lawyers were not only known in academic circles but also regularly advised the US government in legal matters. Manley O. Hudson wrote in the American Journal of International Law that the Fontes Juris Gentium were a “monumental undertaking” which gave “new significance to the reality of international law”.[2] Philipp C. Jessup welcomed the Fontes Juris Gentium in the Political Science Quarterly, stating the publication provided a “survey of international practice”, which would be greeted with a “warm and grateful applause”.[3] Another colleague, Charles  G. Fentwick of Bryn Mawr College hoped that not only students but also governments would make use of the Fontes Juris Gentium.[4] However, while the KWI’s publications were read with great interest in the United States, the Fontes Juris Gentium received rather mixed reviews in British law journals. In the British Year Book of 1932 British jurist, James L. Brierly, Chichele Professor of International Law and Diplomacy at the University of Oxford, felt it was “not easy to express an opinion” on the Fontes Juris Gentium because of the enormous scope of the project, which included translations, extracts, and digests of national and international judgements.[5]

Edwin Borchard before the Senate Judiciary Committee 1937[6]

The reviews also mentioned the KWI as the publications’ editor, although the Kaiser-Wilhelm-Society was not mentioned. Abraham Howard Feller of Harvard University, who had also worked at the KWI and was part of the editorial team of the Fontes Juris Gentium, expressed his hope that the KWI would play an “increasingly large part in international legal life”.[7] Edwin Borchard, a Law Professor at Yale University, wrote the most enthusiastic and extensive review about the KWI and its publications in the American Journal of International Law. Therein, Borchard praised the foundation of the KWI as “an epoch-making event”, and portrayed the KWI as an example for other future research institutes and imagined a cooperation amongst them.[8] His praise may not have been without self-interest, though. Borchard himself contributed to the first edition of the Journal with an article entitled “The Kellogg Treaties Sanction War”.[9] As one of the first American law professors, Borchard lectured at Berlin University in 1925 and he was a close friend of Viktor Bruns. Borchard also belonged to a group of American intellectuals who favoured American non-intervention in the First and Second World Wars.[10]

Traditions of Legal Institutions

The foundation of the KWI also has to be seen in the broader context of the foundation of other national and regional institutions of international law prior to and during the First World War. All institutions served the scientific community as well as governments in building understanding of the role of international law in international politics and ways in which states could use international law as an instrument to serve national interests while simultaneously fitting into an increasingly internationalised world. For instance, the American Institute of International Law, founded in 1912, aimed to understand the role of international law in the formation of an international society in the Americas. The hemispheric approach aimed to develop international law, which more specifically served the needs of the Americas.[11] In fact, the Institute particularly served US imperial policy in Latin and South America.[12]

The First World War led to a temporary suspension of the work of international law organisations, such as the Institut de Droit International (IDI) and the International Law Association, whose aim was to advance the codification of international law by collecting and analysing various national laws and practices, and to find a common ground for international norms.[13] But with the suspension of these organisations, the closely-knit networks of international lawyers saw the creation of new national organisations. In 1915, the Grotius Society was founded in Great Britain with the aim of studying the developments of international law during the war. In its wartime publication Problems of the War, academics and law practitioners discussed pressing themes, which emerged from the war, such as neutrality, blockade, reprisals, prisoners of war, and enemy merchantmen. Membership was confined to British citizens (although some exceptions could be made) and the majority of articles reflected allied perspectives.[14] The Society’s Vice-President, Henry Goudy, who held one of the most prestigious academic positions as Regius Professor of Civil Law at the University of Oxford, wrote that it was a “purely British Society”.[15] Goudy eagerly emphasised that the Society’s goal was to “treat all international questions in an absolutely independent spirit”, yet followed this claim by a long list of Germany’s violations of international law.[16]

Politics and International Law

The example of the Grotius Society signalled the broader question that concerned the international law community in both war and peace time: the relationship between politics and international law. In 1873, the founding members of the IDI intensely debated how they should position themselves as an academic society between politics and international law. The IDI’s statutes initially stated that active members were not allowed to execute political mandates.[17] Yet, this clause was soon dropped when the members of the IDI realised that international norms could only be developed with the involvement of national parliaments and governments.[18] It showed, crucially, that national and international legal norms were constituted at the same time.

Viktor Bruns, 1937[19]

The end of the First World War, too, demonstrated that politics and international law were closely intertwined.[20] The Versailles Treaty system created an international post-war order with the League of Nations and the Permanent Court of International Justice (PCIJ) at its heart.[21] The foundation of the KWI reflected the need of the German government to develop expertise and knowledge in the field of international law which would enable it to effectively defend Germany’s interests in the Versailles Treaty system. Thus, it is not surprising that the KWI primarily focused on reparations and occupation.[22] In fact, with Germany’s admission to the League of Nations in 1926, active participation in the new international order was desirable for Germany. And yet, German politicians and the German public were sceptical of the League’s ability to respond to German interests, as were many lawyers.[23] Despite that, the director of the KWI, Viktor Bruns, earned his reputation as a German representative at the PCIJ and as a judge in several mixed arbitration commissions during the interwar period.[24]

The KWI as an “epoch-making event”?

The KWI was part of a broader trend, which was happening at the same time in the Anglo-American research community, regarding the foundation of international law institutions to understand the international order by examining international law from national and regional perspectives. The institutions pursued similar aims, scope, and methods to examine and comment on an increasingly internationalised world, which strengthened, but also limited, the sovereignty of states.[25] The oscillation between the international and national sphere characterised the interwar period and, more often than not, the two complemented rather than opposed each other.[26] Lively discussions took place in the international law community on wartime developments of international law, the post-war order, the Versailles Treaty, the relationship of states and the League of Nations as well as the PCIJ.[27] The foundation of the KWI was not only an epoch-making event, it was also a response to the challenges of the interwar period, which redefined the relationship between states and the international sphere, and, moreover, the role of international law in politics.

[1] Institut für Ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht, AJIL20 (1926), 357.

[2] Manley O. Hudson, Review: Fontes Juris Gentium by Viktor Bruns, Ernst Schmitz, A.H. Feller and B. Schenk Graf von Stauffenberg, AJIL 25 (1931), 795-796.

[3] Philip C. Jessup, Review: Fontes Juris Gentium. Series A. Sectio 1. Tomus 1 and 2. Sectio 2, Tomus 1, edited by Viktor Bruns, Political Science Quarterly 47 (1932), 296-299 (97, 99).

[4] Charles G. Fentwick, Review: Fontes Juris Gentium, ed. by Viktor Bruns, The University of Pennsylvania Law Review 81 (1932), 238-239.

[5] James L. Brierly, Review: Fontes Juris Gentium, ed. by Viktor Bruns, British Year Book of International Law 13 (1932), 199-201 (200); For a more sympathetic review, see: Wyndham A. Bewes, Review: Fontes Juris Gentium, ed. by Viktor Bruns, International Affairs 12 (1933), 397.

[6] Public Domain.

[7] Abraham H. Feller, Review: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, edited by Viktor Bruns and others, Harvard Law Review 43 (1930), 851.

[8] Edwin M. Borchard, Institut für Ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht, AJIL 24 (1930), 587-591.

[9] Edwin M. Borchard, “The Kellogg Treaties Sanction War,” HJIL 1 (1929), 126-131.

[10] Hatsue Shinohara, US International Lawyers in the Interwar Years. A Forgotten Crusade, Cambridge: Cambridge University Press 2012, 17-24, 124-131.

[11] Constitution of the American Institute of International Law, in: James Brown Scott (ed.): American Institute of International Law: Its Declaration of the Rights and Duties of Nations, Washington, D.C.: The American Institute of International Law 1916, 107-116, Article II: 107-108.

[12]Juan Pablo Scarfi, The Hidden History of International Law in the Americas. Empire and Legal Networks, Oxford: Oxford University Press 2017, 33, 37-38.

[13] Gabriela A. Frei, The Institut de Droit International and the Making of Law for Peace, 1899-1917, in: Remi Fabre (ed.), Les défenseurs de la paix (1899-1917), Rennes: Presses Universitaires de Rennes 2018, 133.

[14] The Grotius Society. Founded 1915. Rules, Problems of the War 1 (1915), vii-ix.

[15] Henry Goudy, Introduction, Problems of the War 1 (1915), 1-7 (1).

[16] Goudy (fn. 15), 2.

[17] Statuts votés par la Conférence Juridique internationale de Gand, le 10 Septembre 1873, Annuaire de l’institut de droit international 1 (1877), 1-4.

[18] Revision des statuts – Règlements nouveaux, Annuaire de l’institut de droit international 9 (1887-88), 357.

[19] AMPG, Berlin.

[20] Marcus M. Payk, Frieden durch Recht? Der Aufstieg des modernen Völkerrechts und der Friedensschluss nach dem Ersten Weltkrieg, Oldenbourg: De Gruyter 2018, 495-653.

[21] Dan Gorman, Cooperation, Conflict, and International Order: Lessons from the Post-WW1 Settlement, in: Seth Center/Emma Bates, After Disruption: Historical Perspectives on the Future of International Order, Washington D.C.: Center for Strategic and International Studies 2020, 24-59 (25-27).

[22] Felix Lange, Between Systematization and Expertise for Foreign Policy: The Practice-Oriented Approach in Germany’s International Legal Scholarship (1920-1980), EJIL 28 (2017), 538-540 (543-544).

[23] Christoph M. Kimmich, Germany and the League of Nations, Chicago: University of Chicago Press 1976, 94-105; Martti Koskenniemi, The Gentle Civilizer of Nations. The Rise and Fall of International Law 1870-1960, Cambridge: Cambridge University Press 2001, 236-238.

[24] Viktor Bruns, La Cour Permanente de Justice Internationale. Son Organisation et sa Compétence, in: Hague Academy of International Law (ed.), Recueil des cours – Collected Courses of the Hague Academy of International Law, vol. 62, Leiden: Brill 1937, 549-670; Heinrich Triepel, Nachruf Viktor Bruns, HJIL 11 (1942/43): 324a-324d.

[25] Leonard V. Smith, Sovereignty at the Paris Peace Conference of 1919, Oxford: Oxford University Press 2018, 260-262.

[26] Glenda Sluga, Internationalism in the Age of Nationalism, Philadelphia: University of Pennsylvania Press 2013; Glenda Sluga/Patricia Clavin, Rethinking the History of Internationalism, in: Glenda Sluga/Patricia Clavin,  Internationalisms. A Twentieth-Century History, Cambridge: Cambridge University Press 2017, 3-13.

[27] Geoffrey Butler, Sovereignty and the League of Nations, British Year Book of International Law 1 (1920/21), 35-44; Arthur Baumgarten, Souveränität und Völkerrecht, HJIL 2 (1929), 305-334; Jesse S. Reeves, International Society and International Law, AJIL 15 (1921), 361-374.

Suggested Citation:

Gabriela Frei, “An epoch-making event”? The Foundation of the Kaiser-Wilhelm-Institute and the Anglo-American Research Community, 1912-1933, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240403-174131-0.

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Hermann Heller, der Außenseiter. Kritiker und Verteidiger des Rechtsstaates in einer Krisenzeit

Hermann Heller, the Outsider. Critic and Defender of the Constitutional State in a Time of Crisis

Deutsch

Nur zwei Jahre, von 1926 bis 1928, war der sozialdemokratische Staatsrechtler Hermann Heller (1891-1933) am Kaiser‑Wilhelm‑Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (KWI) tätig. Diese Tätigkeit wird in Beiträgen über Hermann Heller, wenn überhaupt, nur beiläufig erwähnt. Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass Heller in vielerlei Hinsicht ein Außenseiter war, der nicht so recht ins Bild passte – auch in der Retrospektive. Sich mit Heller zu befassen, heißt somit auch, sich die teilweise vergessene, mitunter auch verdrängte, Pluralität der Akteure und Akteurinnen des Instituts in den 1920er Jahren in Erinnerung zu rufen.

Ein Außenseiter am KWI

Hermann Heller (undated, © Universitätsarchiv Frankfurt, 854/552)

Als Sozialdemokrat und engagierter Verteidiger der Weimarer Republik entsprach Heller nicht dem typischen konservativen Profil des  rechtswissenschaftlichen Establishments der Weimarer Republik, das der jungen Demokratie meist distanziert gegenüberstand.[1] Mit seinen Angriffen auf das studentische Korporationswesen entsprach sein Habitus auch nicht dem tradierten Bild des deutschen Hochschullehrers. Heller kam nicht zuletzt zum KWI, weil er sechs Jahre nach dem Erhalt der venia legendi für Rechtsphilosophie, Staatslehre und Staatsrecht an der Universität Kiel noch immer keine Professur bekommen hatte. 1922 war er nach Leipzig gegangen, wo er die Leitung des neugeschaffenen Volksbildungsamts übernahm und sich, wie bereits in Kiel mit einem anderen sozialdemokratisch engagierten Rechtswissenschaftler, Gustav Radbruch, aktiv in der Volkshochschulbewegung engagierte.[2] Dass der Bildungsminister der vom Sozialdemokraten Otto Braun geführten preußischen Regierung, Carl Heinrich Becker, bei seiner Einstellung am KWI eine Vermittlerrolle spielte, ist nicht auszuschließen – zwei Jahre später ernannte Becker Heller zum außerordentlichen Professor an der Universität Leipzig.

Auch innerhalb der Sozialdemokratie war Heller eine umstrittene Figur, schreckte er doch nicht davor zurück, etablierte marxistische Dogmen offen anzufechten. So stellte er die Auffassung des Staates als bloßes Herrschaftsinstrument der besitzenden Klasse, der im Zuge der proletarischen Revolution und der Überwindung der kapitalistischen Ordnung zwangsweise „absterben“ müsse, in Frage und forderte von den Sozialdemokraten eine positive Einstellung zum Staat und zur Nation. Für viele seiner Parteigenossen mussten Aussagen wie „Sozialismus ist nicht Aufhebung, sondern Veredelung des Staats“[3] wie eine Provokation klingen.

[pdf-embedder url=”https://mpil100.de/wp-content/uploads/2024/01/Heller-alles.pdf” title=”Heller alles”]

Trotz seiner unorthodoxen Laufbahn und seiner unkonventionellen Ansichten avancierte Heller während seiner Zeit am KWI zu einer wichtigen Figur der Weimarer Debatten um Staat, Recht und Demokratie. Am Institut konnte er sich wieder verstärkt der wissenschaftlichen Arbeit widmen. Davon zeugt seine Schrift Die Souveränität, die 1927 in der Institutsreihe Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht erschien und Viktor Bruns gewidmet war.[4] Die Arbeit war wohl wegen ihrer zugleich antipositivistischen Ausrichtung und der Aufwertung des Staats- und Souveränitätsbegriffs für das KWI anschlussfähig. Als Kritiker Hans Kelsens und des Positivismus im Allgemeinen wurde Heller in dieser Zeit neben Heinrich Triepel, Erich Kaufmann, Rudolf Smend und Carl Schmitt zu einem führenden Protagonisten des „Weimarer Methodenstreits“ in der Staatsrechtslehre, der damals seinen Höhepunkt erreichte.

Ab 1928 rückte die Auseinandersetzung mit der Krise der parlamentarischen Demokratie und dem Faschismus in den Mittelpunkt von Hellers Werk. Er veröffentlichte in einer Schriftenreihe der Deutschen Hochschule für Politik, wo er parallel zu seiner Referententätigkeit am KWI lehrte, den Aufsatz Politische Demokratie und soziale Homogenität, in dem er unter anderem kritisch auf Carl Schmitts Parlamentarismuskritik einging. Im selben Jahr unternahm Heller eine sechsmonatige Reise nach Italien. Diese bildete die Grundlage für seine Schrift  Europa und der Fascismus, deren erste Ausgabe 1929 erschien. Heller analysierte die Entstehung, die Ideologie und das Programm des italienischen Faschismus als Antwort auf die politische Krise des europäischen Staats und betonte in der Schlussfolgerung die „große Bedeutung“ der faschistischen Diktatur als „abschreckendes Beispiel“ [5] für die europäischen Demokratien.

Indem Heller eine Krise der Rechts- und Staatsordnung diagnostizierte, unterschied er sich kaum von der Mehrheit seiner zeitgenössischen Kollegen. Im Gegensatz zu vielen entwarf er allerdings einen Lösungsansatz, der nicht auf die Beseitigung des demokratischen Rechtsstaats hinauslief. Die Kombination aus Hellers Kritik des Rechtsstaats und seinem gleichzeitigen Eintreten für dessen Erneuerung in Form des „sozialen Rechtsstaats“ verdient es deshalb etwas näher dargelegt zu werden.

Kritiker des liberalen Rechtsstaates – oder dessen, was aus ihm geworden war

Hellers Kritik des Rechtsstaats in den 1920er Jahren lässt sich etwas vereinfachend in zwei Thesen zusammenfassen. Erste These: Die herrschende individualistisch-liberale Rechts‑ und Staatsauffassung und ihre Staatsform, die parlamentarische Demokratie, gehen von isolierten, freien und gleichen Individuen aus und abstrahieren somit von den gesellschaftlichen Bedingungen und tatsächlich bestehenden Ungleichheiten. Auf sozial ungleiche Lagen angewandt, kritisierte Heller, werde die formale Rechtsgleichheit zu materiell ungleichem Recht.[6] So habe eine formalistische Rechtsauffassung in der Klassengesellschaft zu einem immer schärferen Widerspruch zwischen Rechtsform und Rechtswirklichkeit geführt, „zur radikalsten Ungleichheit“ und zur „Diktatur der herrschenden Klasse“.[7]

Zweite These: Dieser Zustand sei das Produkt einer allmählichen Entleerung beziehungsweise „Degeneration“ der Rechtsstaatsidee.[8] Nach dem Scheitern der 1848er Revolution sei diese allmählich von ihrem materiellen Gerechtigkeitsideal entkoppelt und auf bloße Gesetzesmäßigkeit – bloßen Rechtsformalismus – reduziert worden. Damit habe die Rechtsstaatlichkeit ihre emanzipatorische Funktion verloren, die sie im Vormärz für das Bürgertum hatte. Heller gab zwei Erklärungen für diese Entwicklung: Erstens sei das Bürgertum nach dem Kampf gegen den Absolutismus saturiert gewesen und habe sich mit dem bereits Errungenen zufriedengegeben; zweitens habe es angesichts der Aneignung der liberalen Forderungen durch das Proletariat Angst vor einem radikalen gesellschaftlichen Umsturz bekommen.

Diese hier sehr knapp skizzierten ideengeschichtlich-politischen Betrachtungen waren eng mit Hellers methodologischen Positionen verknüpft. Er betrachtete nämlich den Rechtspositivismus und insbesondere Hans Kelsens Reine Rechtslehre als Produkt eines Degenerationsprozesses des liberalen Rechtsstaats. Mit dem Rechtspositivismus sei nur das Recht als bloße Form für jeden beliebigen Inhalt, unabhängig von Wert und Wirklichkeit, übriggeblieben. Für Heller gingen also die Krise der parlamentarischen Demokratie als Staatsform des liberalen Rechtsstaats und die Krise der Staatsrechtslehre miteinander einher.

Verteidiger des Rechtsstaats in der Krise

Notverordnung des Reichspräsidenten (Berlin im Juli 1932) [9]

Wie bereits angedeutet, stand Heller mit seiner Krisendiagnose keineswegs allein da. Antiliberale und antipositivistische Kritik waren in allen politischen Lagern weit verbreitet. Antidemokratisch angelegte Lösungsansätze wies Heller allerdings entschieden zurück. So setzte er sich kritisch mit Carl Schmitts Thesen über den Parlamentarismus und insbesondere über einen grundsätzlichen Gegensatz zwischen Parlamentarismus und Demokratie auseinander.[10] In Europa und der Fascismus machte Heller keinen Hehl daraus, was er von Schmitts Thesen hielt: „Dass Carl Schmitt und Mussolini sich höchst persönliche Begriffe von Demokratie bilden“, schrieb er, „kann vielleicht der Diktatur, bestimmt aber nicht der Wissenschaft förderlich sein“[11]. Heller lehnte ebenso die in Weimar weit verbreitete Auffassung des Staates als eines über und unabhängig von den Individuen bestehenden Wesens. Aus seiner Sicht war ein solches Staatsverständnis schlicht ungeeignet, den Staat als Einheit in der Vielheit zu erfassen, die durch Willensakte von realen Personen gebildet wird und nicht ohne sie existiert. Hellers pluralistisches Staatsverständnis blieb in der damaligen Staatslehre eine Ausnahme. Hellers Kritik galt auch dem Faschismus: Dieser habe zwar die Mängel des  Zustandes von Staat und Gesellschaft in vielen Punkten sehr scharf gesehen; er sei aber nicht imstande, die Grundprobleme der Zeit zu lösen – nämlich die Klassenfrage und das Fehlen einer Wert- und Willensgemeinschaft – , welche die Krise der parlamentarischen Demokratie herbeigeführt hätten.[12]

Heller ging es also nicht darum, den liberalen Rechtsstaat zu beseitigen, sondern ihn „umzubauen“.[13] Wie aber stellte er sich das vor? Bis 1928 verwendete er den Begriff der „sozialen Demokratie“. Diese „soziale Demokratie“ setzte einen Paradigmenwechsel im Rechtsdenken voraus, nämlich die Absage an das individualistisch-abstrakte Menschenbild des Liberalismus und die „Ausdehnung des materiellen Rechtsstaatsgedankens auf die Arbeits- und Güterordnung“[14], um Hellers bekannte Formulierung aus Rechtsstaat oder Diktatur aufzugreifen. Mit anderen Worten: Das Recht sollte endlich die konkreten Lebenslagen der Menschen und die gesellschaftlichen Ungleichheiten und Machtverhältnisse berücksichtigen. Hier ist zu betonen, dass sich Heller den Wandel zur „sozialen Demokratie“ immer als geordneten staatlich-juridischen Prozess im Rahmen der demokratischen Verfassungsordnung vorgestellt hat. Aus seiner Sicht enthielt nämlich die Weimarer Verfassung die notwendigen „verfassungsrechtlichen Hebel“[15] um diesen Wandel zu vollziehen. Er dachte dabei vor allem an die Bestimmungen der Artikel 151 („Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziele der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen. In diesen Grenzen ist die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen zu sichern“) und 153 („Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste“) und an den sogenannten „Räteartikel“, den Artikel 165 (Mitwirkungsrechte der Arbeiter und Angestellten durch Tarifverträge und die Einrichtung von Betriebs- und Bezirksarbeiterräten). Mit einem solchen Paradigmenwechsel sollte es möglich sein, das Recht in seiner emanzipatorischen Funktion wiederherzustellen.

Der Begriff „sozialer Rechtsstaat“ taucht bei Heller erst 1929/30 im Aufsatz Rechtsstaat oder Diktatur auf. Der darin erkennbare Begriffswechsel hatte wohl weniger mit einem inhaltlichen Wandel von Hellers Denken zu tun als mit der damaligen Zuspitzung der Kritik an der parlamentarischen Demokratie und der eminent politischen Bedeutung dieser Debatte. Der Optimismus von 1924, die Hoffnung, dass die Weimarer Verfassung eine Veränderung der Rechts- und Wirtschaftsordnung ermöglichen würde, war verflogen. Die Deutschen, erklärte Heller, standen vor einer politischen – und existentiellen – Entscheidung: der „Entscheidung zwischen fascistischer Diktatur und sozialem Rechtsstaat“[16]. Es war wohl kein Zufall, dass Heller sich gerade in der Krisenphase der Republik begrifflich mit aller Deutlichkeit in die Tradition des Rechtsstaats stellte: Er wollte das Bürgertum auffordern, sein eigenes politisch-juristisches Erbe zu verteidigen, statt „Selbstmord“[17] zu begehen.

Der Weg aus der Krise des Rechtsstaats und seiner Staatsform, der parlamentarischen Demokratie, führte also für Heller nicht über deren Zerstörung: Sie sollten vielmehr mit neuem Inhalt gefüllt werden. Hellers Lösungsansatz wies zweifellos Schwächen und Ambivalenzen auf: Seine scharfe Kritik am Rechtspositivismus Kelsens, der selbst ein überzeugter Demokrat war, schoss wohl teilweise über das Ziel hinaus. Hellers Konzept vom Übergang zum sozialen Rechtsstaat mochte auch zu staatszentriert sein und zu abstrakt bleiben. Dass er aber entschieden an der Kontinuität zwischen liberaler und sozialer Rechts- und Staatsordnung und an der emanzipatorischen Funktion des Rechts festhielt, war im damaligen theoretischen und politischen Kontext bemerkenswert.

Nachspiel: Hermann Heller und die Carls

Im Oktober 1928 wurde Heller zum außerordentlichen Professor an der Universität Leipzig ernannt und verließ das KWI. Im Frühjahr 1932 erhielt er eine ordentliche Professur an der Universität Frankfurt. Diese späte Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistung war jedoch ein trügerisches Zeichen: Aufgrund seines politischen Engagements hatte sich eine Mehrheit der Fakultätsangehörigen zunächst gegen Heller ausgesprochen und statt seiner Carl Schmitt vorgeschlagen.[18] Im Oktober 1932 standen sich dann Hermann Heller und Carl Schmitt – neben Carl Bilfinger, dem späteren Nachfolger Viktor Bruns‘ am KWI und Leiter des neugegründeten Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht– vor dem Staatsgerichtshof im „Preußenschlag“-Prozess gegenüber: Schmitt als (erfolgreicher) Verteidiger der Reichsregierung, Heller als (erfolgloser) Prozessvertreter der im Juli abgesetzten preußischen Regierung und damit der Weimarer Verfassungsordnung. Dabei konnte er auf seine Arbeit am KWI zurückgreifen, denn als früherer Referent der Abteilung Schweiz war er mit Fragen der Bundesexekution in föderativen Verfassungen vertraut.[19] Letztendlich illustrierten der Prozess und dessen Ausgang, was Heller im selben Jahr in seinem Aufsatz Bürger und Bourgeois feststellte: Der Rechtsstaat, die staatliche Lebensform des Bürgertums, wurde paradoxerweise quasi nur noch von der Sozialdemokratie verteidigt. Das Bürgertum – und viele Juristen – hatte ihn schon aufgegeben. Ein paar Monate später wurde Heller selbst zum Opfer des Untergangs dieses Rechtsstaats, als er als Hochschullehrer jüdischer Herkunft im April 1933 aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ von den Nationalsozialisten aus dem Staatsdienst entfernt wurde. Sein Lehrstuhl wurde vom Verfechter des „totalen Staats“ Ernst Forsthoff übernommen, während dessen Mentor Carl Schmitt, zu dem Heller zu Beginn seiner Berliner Zeit ein gutes Verhältnis gepflegt hatte, die Legitimität des Führers als obersten Gerichtsherren bekräftigte.[20] Heller war schon vor seiner Entlassung nach Spanien gegangen, wo er im November 1933 an den Folgen eines Herzanfalls starb.

Er konnte also die Wiederherstellung des demokratischen Rechtsstaats nach 1945 nicht erleben. Neben Hellers Stellung als unorthodoxer Außenseiter, der in keine staatsrechtliche „Schublade“ passt, mag dies eine andere Erklärung dafür sein, dass er in der Staatsrechtslehre der frühen Bundesrepublik insgesamt weniger als die anderen führenden Weimarer Staatsrechtler Smend, Schmitt und Kelsen rezipiert wurde und erst über die Schriften Ernst-Wolfgang Böckenfördes wieder expliziten Einfluss gewann. Ein anderer ehemaliger Mitarbeiter des KWI, der zwischen 1927 und 1928 mit Heller zusammengearbeitet hatte und ihn und sein Engagement für die Republik bewunderte, war dagegen schon unmittelbar nach dem Kriegsende entscheidend an den westdeutschen Verfassungsdebatten beteiligt: der Sozialdemokrat Carlo Schmid (der am KWI noch als „Karl“ firmiert hatte). Unter anderem ihm ist zu verdanken, dass der Gedanke des „sozialen Rechtsstaats“ Eingang in das Grundgesetz fand. Hellers Tätigkeit am KWI hat also schließlich doch, wenn auch auf Umwegen, zu seinem Nachruhm beigetragen. Und den deutschen Rechtsstaat geprägt.

[1] Als andere prominente Ausnahmen kann man auch Hans Kelsen, Hugo Sinzheimer und Ernst Fraenkel sowie die jüngeren Franz Neumann und Otto Kirchheimer nennen.

[2] Für biografische Details siehe: Klaus Meyer, Hermann Heller: Eine Biographische Skizze, Politische Vierteljahresschrift 8 (1967), 93–313; Das Engagement in der Volkshochschulbewegung war in der Weimarer Zeit geradezu typisch für sozialdemokratische Rechtswissenschaftlicher – man könnte hier auch auf Hugo Sinzheimer oder Franz Neumann verweisen.

[3] Hermann Heller, Sozialismus und Nation, 2. Aufl. 1931, in: Christoph Müller (Hrsg.), Hermann Heller, Gesammelte Schriften, Bd. I, Leiden: Sitjhoff 1971, 437-526 (496). Die erste Auflage erschien 1923.

[4] Hermann Heller, Die Souveränität – Ein Beitrag zur Theorie des Staats- und Völkerrechts, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 4, Berlin: De Gruyter 1927.

[5] Hermann Heller, Europa und der Fascismus, 2. Aufl. 1931, in: Gesammelte Schriften (Fn. 3), Bd. II, 465-610 (609).

[6] Hermann Heller, Die politischen Ideenkreise der Gegenwart, in: Gesammelte Schriften (Fn. 3), Bd. I, 267-412 (396).

[7] Hermann Heller, Politische Demokratie und soziale Homogenität, in: Gesammelte Schriften (Fn. 3), Bd. II, 421-434 (430).

[8] Hermann Heller, Rechtsstaat oder Diktatur?, in: Gesammelte Schriften (Fn. 3), Bd. II, 443-462 (449-450); Hermann Heller, Bürger und Bourgeois, in: Gesammelte Schriften (Fn. 3), Bd. II, 625-642 (632).

[9] BArch, Bild 102-13680 / Pahl, Georg.

[10] Den Schmitt insbesondere in der zweiten Auflage seiner Schrift Die geistesgeschichtliche Lage des Parlamentarismus theorisiert hatte: Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des Parlamentarismus, 2. Aufl., München: Duncker und Humblot 1926.

[11] Heller, Fascismus (Fn. 5), 541.

[12] Siehe: Heller, Fascismus (Fn. 5), 604 ff.

[13] „Für uns kann es sich nur darum handeln, […] den liberalen in einen sozialistischen Rechtsstaat umzubauen“: Hermann Heller, Ziele und Grenzen einer Verfassungsreform, in: Gesammelte Schriften (Fn. 3), Bd. II. 411-417 (416).

[14] Heller, Rechtsstaat (Fn. 8), 451.

[15] Hermann Heller, Grundrechte und Grundpflichten, in: Gesammelte Schriften (Fn. 3), Bd. II, 281-317 (312).

[16] Heller, Rechtsstaat (Fn. 8), 462.

[17] Heller, Rechtsstaat (Fn. 8), 460.

[18] Dazu: Meyer (Fn. 2), 309.

[19] Meyer (Fn. 2), 310.

[20] Siehe: Carl Schmitt, Der Führer schützt das Recht, DJZ 15 (1934), 945-950.

English

Constitutional law expert and social democrat Hermann Heller (1891-1933) worked at the Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law (KWI) for just two years, from 1926 to 1928. In contributions on Hermann Heller, this employment is usually only mentioned in passing, if at all. This may not least be due to the fact that he was in many respects an outsider who did not really fit in – even in retrospect. Dealing with Heller therefore also means recalling the partially forgotten, sometimes even suppressed, plurality of protagonists at the institute in the 1920s.

An Outsider at the KWI

Hermann Heller (undated, © Universitätsarchiv Frankfurt, 854/552)

As a social democrat and committed defender of the Weimar Republic, Heller did not match the generally conservative profile of the jurisprudential establishment of the Weimar Republic, which in large part distanced itself from the young democracy.[1] With his attacks on the culture of Studentenverbindungen (fraternity-like structures strongly associated with conservatism and German nationalism), his habitus did not correspond to the traditional image of the German university lecturer either. Heller came to the KWI not least because, six years after receiving the venia legendi for philosophy of law, constitutional theory (Staatslehre) and constitutional law at the University of Kiel, he still had not been offered a professorship. In 1922, he had moved to Leipzig, where he took over the management of the newly-established People’s Education Office (Volksbildungsamt) and, as in Kiel, was together with another social democratically committed jurist, Gustav Radbruch, actively involved in the Adult Education Movement (Volkshochschulbewegung)[2] It cannot be ruled out that the Minister of Education Carl Heinrich Becker of the Prussian government, led by social democrat Otto Braun, played a mediating role in Heller’s appointment at the KWI – two years later, Becker appointed him as an associate professor at the University of Leipzig.

Heller was also a controversial figure within social democracy, as he did not shy away from openly challenging well-established Marxist dogma. For example, he rejected the view that the state constitutes a mere instrument of power of the propertied class and will eventually have to “die off” in the course of the proletarian revolution and the overcoming of the capitalist order. Instead, Heller demanded from the social democrats a positive attitude towards the state and the nation. To many of his party comrades, statements such as “socialism is not the abolition but the ennoblement of the state”[3] must have sounded provocative.

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Despite his unorthodox career and his unconventional views, during his time at the KWI, Heller became an important figure in the debates on state, law and democracy in the Weimar Republic. At the institute, he was able to devote more time to academic work again. This is evidenced by his book Die Souveränität (“On Sovereignty”), which was published in the Institute’s series “Contributions on Comparative Public Law and International Law” and was dedicated to Viktor Bruns.[4] The work was likely well‑received within the KWI because of its anti-positivist orientation and its valorisation of the concept of state and sovereignty. As a critic of Hans Kelsen and legal positivism more broadly, Heller became a leading protagonist – alongside Heinrich Triepel, Erich Kaufmann, Rudolf Smend, and Carl Schmitt – of the controversy on methodology in constitutional law in the Weimar Republic (Weimarer Methodenstreit), which reached its peak at the time.

From 1928 onwards, the focus of Heller’s work shifted towards the crisis of parliamentary democracy and fascism. He published the essay Politische Demokratie und soziale Homogenität (“Political Democracy and Social Homogeneity”) in a publication series by the Deutschen Hochschule für Politik (“German College of Policy”), where he taught alongside his work at the KWI. There, inter alia, he critically addressed Carl Schmitt’s critique of parliamentarism. In the same year, Heller went on a six month long trip to Italy, which laid the foundation for his work Europa und der Fascismus (“Europe and Fascism”), the first edition of which was published in 1929. Heller analyzed the emergence, ideology, and the political program of Italian fascism as a reaction to the political crisis of the European state. In his conclusion he underlined the “great significance” of the fascist dictatorship as a “cautionary example”[5] for European democracies.

In diagnosing a crisis of the legal system and state order, Heller did not distinguish himself from the majority of his contemporary colleagues. In contrast to many others, however, he developed a solution that did not amount to the elimination of the democratic constitutional state. The consolidation of Heller’s criticism of the constitutional state and his simultaneous advocacy for its renewal in the form of a “social constitutional state” (sozialer Rechtsstaat) therefore deserves to be explained in more detail.

Critic of the Liberal Constitutional State – or What had Become of it

Heller’s critique of the constitutional state in the 1920s can be summarised somewhat simplistically in two theses. First thesis: the predominant liberal and individualistic conception of law and state, and its corresponding form of government, the parliamentary democracy, rely on the assumption of isolated, free and equal individuals and thus an abstraction from social conditions and real-world inequalities. When applied to socially unequal situations, however, Heller argued formal legal equality produces a substantively unequal legal order.[6] Therefore, under the conditions of a class society, a formalistic conception of law had led to an ever-sharper contradiction between legal order and legal reality, “to the most radical inequality” and to the “dictatorship of the ruling class”.[7]

Second thesis: this state of affairs is the product of a gradual erosion or “degeneration” of the idea of the rule of law.[8] After the failure of the 1848 revolution, it was gradually decoupled from an ideal of material justice and reduced to mere lawfulness – mere legal formalism, according to Heller. As a result, the rule of law lost the emancipatory function it had had for the bourgeoisie in the Vormärz. Heller gave two explanations for this development: firstly, the bourgeoisie had become saturated after the struggle against absolutism and was content with what had already been achieved. Secondly, due to the appropriation of liberal demands by the proletariat, the bourgeois class had become afraid of a radical social upheaval.

These historical-political considerations, outlined very briefly here, were closely linked to Heller’s methodological positions. He considered legal positivism and, in particular, Hans Kelsen’s Reine Rechtslehre (“Pure Theory of Law”) the product of a process of degeneration of the liberal constitutional state. With legal positivism, the law only remained as a mere form for any content, independent of value and reality. Therefore, for Heller, the crisis of parliamentary democracy as the form of government of the liberal constitutional state and the crisis of constitutional law scholarship went hand in hand.

Defender of the Constitutional State in a Time of Crisis

The emergency decree of the Reich President (Berlin, July 1932) [9]

As already indicated, Heller was hardly alone in his diagnosis of a crisis. Anti‑liberal and anti-positivist criticism was widespread in all political camps. However, Heller firmly rejected anti-democratic solutions. He was critical of Carl Schmitt’s theories on parliamentarism and in particular of his thesis of a fundamental conflict between parliamentarism and democracy.[10] In Europa und der Fascismus, Heller made no secret of what he thought of Schmitt’s theses: “the fact that Carl Schmitt and Mussolini form highly personal concepts of democracy”, he wrote, “may perhaps be conducive to dictatorship, but certainly not to science”[11]. Heller also rejected the doctrine of the state as a being existing beyond and independent of individuals. To him, such a view was simply unsuitable for grasping the state as a unity in multiplicity, which is constituted by voluntary acts of real persons and does not exist without them. His pluralistic understanding of the state remained an exception in the constitutional theory of the time. Heller also criticised fascism: although he admitted that it had seen the shortcomings of the state and society very clearly in many respects, he maintained it was unable to solve the fundamental problems of the time – namely the class question and the lack of a community of values and will – which had brought about the crisis of parliamentary democracy.[12]

Heller’s aim was therefore not to eliminate the liberal constitutional state, but to “transform” it.[13]  How did he envision this? Until 1928, he used the term “soziale Demokratie” (“socially-oriented democracy”). This “soziale Demokratie” presupposed a paradigm shift in legal thinking, namely the rejection of liberalism’s individualistic and abstract conception of man and the “extension of the substantive concept of the rule of law to the order of labour and property”[14], to pick up on Heller’s well-known quote from Rechtsstaat oder Diktatur (“Constitutional State or Dictatorship”). In other words, the law should finally take into account people’s concrete life situations, social inequalities and power relations. Here, it must be emphasised that Heller envisioned the transformation towards a “socially-oriented democracy” as an orderly political-legal process within the framework of the democratic constitutional order. In his view, the Weimar Constitution contained the necessary “constitutional levers”[15] to bring about this change. He was thinking primarily of the provisions of Article 151 (“The organization of economic life must accord with the principles of justice and aim at securing for all conditions of existence worthy of human beings. Within these limits the individual is to be secured the enjoyment of economic freedom.”), Article 153 (“Property entails obligations. Its use shall also serve the public good.”)[16] and to the so-called “council article”, Article 165 (participation rights of workers through wage agreements and the establishment of workers’ councils). With such a paradigm shift, Heller thought it possible to restore the law in its emancipatory function.

The term “social constitutional state” does not appear in Heller’s work until 1929/30 in the essay Rechtsstaat oder Diktatur. The change in terminology recognisable in this essay probably had less to do with a change in Heller’s thinking than with the intensification of criticism of parliamentary democracy at the time and the eminent political significance of this debate. The optimism of 1924, the hope that the Weimar constitution would enable a change in the legal and economic order, had evaporated. German society, Heller stated, was facing a political – and existential – decision: the “choice between fascist dictatorship and a social constitutional state”.[17] It was probably no coincidence that, in the crisis phase of the republic, with his choice of words, Heller placed himself very clearly in the tradition of the constitutional state: he wanted to call on the bourgeoisie to defend their own political and legal heritage instead of committing “suicide”[18] .

For Heller, the way out of the crisis of the constitutional state and its form of government, parliamentary democracy, was not to destroy them, but rather to give them new substance. Heller’s approach undoubtedly had weaknesses and ambivalences: his harsh criticism of the legal positivism of Hans Kelsen, who was himself a convinced democrat, arguably partly overshot the mark. His concept of the transition to a social constitutional state may also be too state-centred and remain too abstract. However, the fact that he resolutely adhered to the continuity between a liberal and a socially-oriented legal system and state order as well as to the emancipatory function of the law was remarkable in the theoretical and political context of the time.

Aftermath: Hermann Heller and the Carls

In October 1928, Heller was appointed associate professor at the University of Leipzig and left the KWI. In spring 1932, he received a full professorship at the University of Frankfurt. However, this late recognition of his academic achievements was deceptive: due to his political activities, a majority of faculty members had initially spoken out against Heller and proposed Carl Schmitt instead.[19] In October 1932, Hermann Heller and Carl Schmitt – alongside Carl Bilfinger, later Viktor Bruns’ successor at the KWI and director of the newly founded Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law – faced each other in the “Preußenschlag” trial before the State Court: Schmitt as the (successful) attorney of the Reich government, Heller as the (unsuccessful) counsel of the Prussian government, which had been removed in July, and, thus, of the Weimar constitutional order. In this function, he was able to draw on his work at the KWI, because as a former research fellow in the Swiss department he was familiar with questions of federal executive power within the framework of federal constitutions.[20] Ultimately, the trial and its outcome illustrated what Heller had stated in the same year in his essay Bürger und Bourgeois (“Citizen and Bourgeois”): virtually the only remaining defender of the constitutional state, the political habitat of the bourgeoisie, was, paradoxically, social democracy. The bourgeoisie – and many lawyers – had already given up on it. A few months later, Heller himself fell victim to the downfall of the constitutional state, when he was removed from his professorship by the National Socialists in April 1933 due to his Jewish origin, on the basis of the “Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums” (“Law for the Restoration of the Civil Service”). His chair was taken over by the advocate of the “total state” Ernst Forsthoff, while Carl Schmitt, mentor of the latter, with whom Heller had cultivated a good relationship in the beginning of his time in Berlin, reaffirmed the legitimacy of the Führer as the supreme legal authority.[21] Heller had already emigrated to Spain before his dismissal, where he died in November 1933 from the consequences of a heart attack.

He was therefore unable to witness the restoration of the democratic constitutional state after 1945. In addition to Heller’s role as an unorthodox outsider who did not fit into any “box” of constitutional law scholarship, this may be another explanation for the fact that he was received less than other leading Weimar constitutional law scholars like Smend, Schmitt and Kelsen in the constitutional law scholarship of the early Federal Republic of Germany and only regained explicit influence through the writings of Ernst‑Wolfgang Böckenförde. Another former KWI employee, who had worked with Heller between 1927 and 1928 and admired him and his commitment to the Republic, was decisively involved in the West German constitutional debates immediately after the end of the war: the social democrat Carlo Schmid (who still went by the name “Karl” during his time at the KWI). It is partly thanks to him that the idea of the “social constitutional state” found its way into the new German constitution. Heller’s work at the KWI, therefore, although by a circuitous route, ultimately did contribute to his posthumous fame. And it shaped the German constitutional state.

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Other prominent exceptions include Hans Kelsen, Hugo Sinzheimer, Ernst Fraenkel and Gustav Radbruch as well as the younger Franz Neumann and Otto Kirchheimer.

[2] For biographical details, see: Klaus Meyer, Hermann Heller: Eine Biographische Skizze, Politische Vierteljahresschrift 8 (1967), 93–313; his engagement in the Volkshochschulbewegung was typical for social-democratic legal scholars in the Weimar Republic, one could also point to Hugo Sinzheimer or Franz Neumann.

[3] Hermann Heller, Sozialismus und Nation, 2. edn. 1931, in: Christoph Müller (ed.): Hermann Heller, Gesammelte Schriften, vol. I, Leiden: Sitjhoff 1971, 437-526 (496, translated by the editor). The first edition was published in 1923.

[4] Hermann Heller, Die Souveränität – Ein Beitrag zur Theorie des Staats- und Völkerrechts, Contributions on Comparative Public Law and International Law vol. 4, Berlin: De Gruyter 1927.

[5] Hermann Heller, Europa und der Fascismus, 2nd edition 1931, in: Gesammelte Schriften (fn. 3), vol. II, 465-610 (609, translated by the editor).

[6] Hermann Heller, Die politischen Ideenkreise der Gegenwart, in: Gesammelte Schriften (fn. 3), vol. I, 267-412 (396).

[7] Hermann Heller, Politische Demokratie und soziale Homogenität, in: Gesammelte Schriften (fn. 3), vol. II, 421-434 (430, translated by the editor).

[8] Hermann Heller, Rechtsstaat oder Diktatur?, in: Gesammelte Schriften (fn. 3), vol. II, 443-462 (449-450); Hermann Heller, Bürger und Bourgeois, in: Gesammelte Schriften (fn. 3), vol. II, 625-642 (632).

[9] BArch, Bild 102-13680 / Pahl, Georg.

[10] Schmitt had theorised this particularly in the second edition of his work Die geistesgeschichtliche Lage des Parlamentarismus (“The Crisis of Parliamentary Democracy”): Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des Parlamentarismus, 2. edn., München: Duncker und Humblot 1926.

[11]Heller, Fascismus (fn. 5), 541 (translated by the editor).

[12] See: Heller, Fascismus (fn. 5), 604 ff.

[13] “For us, it can only be a matter of […] transforming the liberal constitutional state into a socialist constitutional state” (translated by the editor): Hermann Heller, Ziele und Grenzen einer Verfassungsreform, in: Gesammelte Schriften (fn. 3), vol. II. 411-417 (416).

[14] Heller, Rechtsstaat (fn. 8), 451 (translated by the editor).

[15] Hermann Heller, Grundrechte und Grundpflichten, in: Gesammelte Schriften (fn. 3), vol. II, 281-317 (312, translated by the editor).

[16] Translation following: Heinrich Oppenheimer, The Constitution of the German Republic, London: Stevens and Sons 1923, Appendix: The constitution of the German Federation of August 11, 1919, 219-260.

[17] Heller, Rechtsstaat (fn. 8), 462 (translated by the editor).

[18] Heller, Rechtsstaat (fn. 8), 460 (translated by the editor).

[19] See: Meyer (fn. 2), 309.

[20] Meyer (fn. 2), 310.

[21] See: Carl Schmitt, Der Führer schützt das Recht, DJZ 15 (1934), 945-950.

Das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 1924 bis 1945

The Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law 1924 to 1945

Deutsch

Das „Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht“ (im Folgenden: Völkerrechts-Institut) ist ein Produkt der Krisen der frühen Weimarer Republik. Gegründet wurde es am 19. Dezember 1924 – als ‚eingetragener Verein’, der mit der Kaiser‑Wilhelm‑Gesellschaft (KWG) in den ersten gut zehn Jahren lediglich assoziiert war.[1] Zurück ging die Entstehung des Instituts auf eine Initiative des am 11. Mai 1920 zum Generalsekretär der KWG berufenen Staats- und Verwaltungsrechtler Friedrich Glum. Aufgabe des Völkerrechts‑Instituts war es, als eine Art brain trust zur außenpolitischen ‚Krisenbewältigung’ beizutragen. Zwar war die verheerende Inflation Ende 1924 gestoppt und die Währung stabilisiert worden, außenpolitisch bewegte sich das Deutsche Reich jedoch weiterhin in höchst unsicheren Fahrwassern. Es war noch nicht in den Völkerbund aufgenommen worden und blieb international weiterhin relativ isoliert. Die Besetzung größerer Teile des Rheinlandes durch französische Truppen hatte nationalistischen Ressentiments im Deutschen Reich kräftige Nahrung gegeben. Nach dem Abbruch des „Ruhrkampfes“ am 26. September 1923 begannen sich die internationalen Konstellationen immerhin allmählich zu entspannen. Das Genfer Protokoll zur „friedlichen Regelung internationaler Streitigkeiten“ wurde am 2. Oktober 1924 unterzeichnet; die Räumung des besetzten Rheinlandes begann im Hochsommer 1925; die Verträge von Locarno Mitte Oktober 1925 bahnten dem Deutschen Reich den Weg in den Völkerbund; formal vollzogen wurde die Aufnahme am 10. September 1926.

Vor diesem Hintergrund war es die zentrale Aufgabe des Völkerrechts‑Instituts „die wissenschaftliche Vorarbeit und Unterstützung für den von der Regierung zu führenden Kampf gegen den Versailler Vertrag, Dawesplan und Youngplan um die völkerrechtliche Gleichberechtigung Deutschlands und der deutschen Minderheiten“ zu leisten.[2] Geleitet wurde die „regierungsnahe Beratungsstelle für Völkerrecht“ (Ingo Hueck) von Viktor Bruns. Bruns, der wenige Tage nach der Gründung ‚seines’ Instituts das 40. Lebensjahr vollendete und seit 1912 Extraordinarius, seit 1920 dann ordentlicher Professor für Staats- und Völkerrecht an der Universität Berlin war, stand bis zu seinem Tod am 28. September 1943 an dessen Spitze.

Dass das Völkerrechts-Institut ‚deutschen Interessen’ gegenüber den angrenzenden europäischen Staaten rechtlich den Weg bahnen sollte, unterstrichen Bruns und seine Mitstreiter, indem sie eine Zweigstelle im französisch besetzten Trier gründeten. Die Mitarbeiter dort widmeten sich seit dem 24. Juli 1925 unter der Leitung des Prälaten Ludwig Kaas der „Auslegung des Versailler Vertrages“, dem „Recht in den besetzten Gebieten [des Rheinlandes], des Saargebietes, Elsaß-Lothringens“ und Südtirols sowie dem „ausländischen Staatskirchenrecht“.[3] Kaas hatte im Herbst 1928 den Vorsitz des Zentrums übernommen und war für die Rechtswende dieser katholischen Volkspartei ab Ende der 1920er Jahre verantwortlich. Am 30. Juni 1933 wurde die Zweigstelle aufgelöst, nachdem Kaas zwei Monate vorher nach Rom emigriert war.

Die Rechtskonstruktion des Instituts und seine ‚Anlehnung’ an die renommierte KWG brachte beträchtliche politische Vorteile mit sich: Zwar war Bruns’ Institut de facto eine Gutachter- und Beratungseinrichtung, vor allem des Auswärtigen Amtes, und Bruns zudem der wichtigste Repräsentant des Deutschen Reichs vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, der Form nach war und blieb es jedoch eine unabhängige Einrichtung. Seine Expertisen konnten ‚neutralen‘ Charakter beanspruchen und liefen nicht Gefahr, parteipolitischen Auseinandersetzungen zum Opfer zu fallen; der Direktor und seine Mitarbeiter waren nicht von den kurzlebigen Regierungskoalitionen abhängig. Auch international ließen sich die Gutachten eines nominell unabhängigen Instituts wirkungsvoller einsetzen.

Das Institut im Dritten Reich. Wissenschaftliche Begleitung des neuen deutschen Imperialismus

Aufzug vor dem Alten Museum. “Sieghafter Einzug der Spanischen Legion Condor“. Blick von den oberen Etagen des Berliner Schlosses, jedoch nicht von den Institutsräumen: 06.06.1939[4]

Das Jahr 1933 markiert für das Völkerrechts-Institut in mehrerlei Hinsicht einen Einschnitt. Demokraten wie Carlo Schmid hatten das Institut schon vorher verlassen, andere folgten nach 1933. Der nach den NS-Rassegesetzen als Jude geltende und seit 1927 als Wissenschaftlicher Berater des Instituts tätige Erich Kaufmann musste 1934 diese Stellung aufgeben; er floh in die Niederlande und überlebte dort, teils in der Illegalität, den Krieg. Auch Marguerite Wolff überlebte die NS-Zeit. Sie war bei der Gründung des Instituts von Bruns als wissenschaftliche Assistentin eingestellt worden und wurde aufgrund ihrer jüdischen Herkunft im April 1933 entlassen. Ähnlich ihr gleichfalls jüdischer Ehemann Martin Wolff, der Ende 1925 zum Wissenschaftlichen Mitglied des Zwillings-Instituts für Privatrecht berufen worden war. Mitte der 1930er Jahre emigrierte das Ehepaar nach England. Zu den aus rassistischen Gründen NS‑Verfolgten gehört im Weiteren auch Gerhard Leibholz, ein Mitarbeiter aus der Anfangszeit des Völkerrechts-Instituts, der als Jude diskriminiert noch wenige Wochen vor dem Novemberpogrom 1938 ebenfalls nach England fliehen konnte.

Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und der Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund hatten eine Art politisch-juristischen Paradigmenwechsel zur Folge: Bis 1933 hatte das Völkerrechts-Institut vor allem die Kriegsfolgen mit Gutachten etc. rechtlich abzufedern und rückgängig zu machen versucht. 1933 begaben sich auch das Institut und seine führenden Exponenten auf den aggressiv-imperialen Kurs, den das NS-Regime schon bald einschlug; sie taten dies, ohne dazu gezwungen werden zu müssen – und wuchsen damit in eine zentrale Rolle für das NS-Regime hinein: Als juristisches Beratungsorgan blieb das Institut „im Auswärtigen Amt tonangebend“.[5]

Wo die zentralen Akteure politisch standen, zeigten sie mit ihrem Engagement für Aufrüstung und imperiale Ziele: Viktor Bruns etwa engagierte sich in starkem Maße für die auf diesem Feld besonders eifrige, am 28. Juni 1933 gegründete „Deutsche Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften“ (DGWW); ebenso Ernst Schmitz, seit 12. Mai 1931 Leiter der völkerrechtlichen Abteilung und vom 11. Januar 1936 bis zu seinem Tod Anfang 1942 als enger Vertrauter Bruns’ der stellvertretende Direktor des Völkerrechts-Instituts. Bruns und Schmitz, ein Spezialist für Kriegsrecht, hielten im Auftrag der Gesellschaft militärpolitische Vorträge und gaben der „wehrwissenschaftlichen“ Gesellschaft damit einen seriösen und über Partikularinteressen stehenden Anstrich. Beide galten als zentrale Stützen der DGWW.[6] Und ebenso der, wie Friedrich Glum es formulierte, „faszinierende Staatsrechtslehrer“ Carl Schmitt, den Bruns Anfang Dezember 1933 als „wissenschaftlichen Berater“ an das Institut band. Schmitt, Vordenker der 1930 etablierten Präsidialdiktatur und 1932 Vertreter der Papen-Regierung im „Preußenschlag“-Prozess vor dem Staatsgerichtshof, hielt auf der zweiten Hauptversammlung der DGWW 1934 den zentralen Vortrag.[7]

Das Völkerrechts-Institut war nicht nur mit Vereinigungen, die Aufrüstung und Bellizismus, durchaus auch im Wortsinne, ‚predigten’, eng vernetzt. Auch personell erhielt das Institut ein markant militärisches Gesicht, vor allem sein Aufsichtsgremium: Anfang 1937, nachdem wenige Monate zuvor die Phase der forcierten Aufrüstung offiziell verkündet worden war, wurden in das gemeinsame Kuratorium der beiden Rechts-Institute hochrangige Militärs gewählt, nämlich Reichskriegsminister und Generalfeldmarschall Werner von Blomberg (mit dem Recht, sich vertreten zu lassen), der langjährige Vorsitzende der DGWW General Friedrich von Cochenhausen, der (Anfang 1939 reaktivierte) Admiral a.D. Walter Gladisch sowie der General der Flieger (und spätere Generalfeldmarschall) Erhard Milch.[8]

Pluralismus dank Pragmatismus? Konservative und völkische Standpunkte am KWI

Mitarbeiter des Instituts auf dem Dach des Berliner Schlosses: vl. n. r: Joachim-Dieter Bloch, Ursula Grunow, Alexander N. Makarov, Hermann Mosler (undatiert)[9]

Bemerkenswert ist, dass trotz des angedeuteten Paradigmenwechsels der innere Pluralismus des Instituts auch nach 1933 erhalten blieb – wenn auch innerhalb des vom NS-Regime gesetzten politischen Rahmens, also deutlich nach rechts verschoben: Manche verfolgten weiterhin das Konzept einer – grundsätzlich gleichberechtigten – „Völkerrechtsgemeinschaft“, andere die Idee einer rassistisch‑hierarchischen „Völkergemeinschaft“. Zu letzteren gehörte etwa Herbert Kier, der bereits 1931 der NSDAP beitrat (1934 der SS) und seit 1936 als Experte für „Volksgruppenrecht“ dem Völkerrechts-Institut angehörte. Diese weiterhin deutliche Spannbreite unterschiedlicher Vorstellungen über Form und Funktion des Völkerrechts hatte zwei Gründe:

Zum einen sollte die traditionelle, stark ‚wilhelminisch grundierte‘ und bildungsbürgerlich geprägte Juristenelite nicht vor den Kopf gestoßen werden. Zahllose Justiz- und Verwaltungsjuristen und ebenso Exponenten der Rechtswissenschaften standen – wie die hohen NSDAP‑Mitgliedszahlen unter ihnen ausweisen – der NS-Bewegung zwar politisch‑weltanschaulich oft sehr nah; sie blieben jedoch zu einem erheblichen Teil weiterhin zu stark klassisch‑juristischen Denkmustern verhaftet, als dass man ihnen binnen kurzer Zeit die obskure ‚rassengesetzliche Rechtslehre‘ von rassistischen Eiferern wie Kier hätte oktroyieren können. ‚Verprellen‘ wollte man die im Wilhelminischen sozialisierten Rechtswissenschaftler jedoch auch nicht, und zwar nicht nur, weil deren politisch‑weltanschauliche Ansichten sich stark mit der Hitler-Bewegung und dem (ebenfalls selbst ideologisch keineswegs homogenen) NS-Regime überschnitten. Die Exponenten der Diktatur brauchten auch und gerade die Wissenschaftseliten, um ‚funktionale‘ Lösungen sowohl zur (in unserem Fall: Rechtsbasierung der) innenpolitischen Konsolidierung als auch für die Umsetzung der von Anbeginn avisierten imperialen Expansion zu finden.

Es war des Weiteren ein eigentümlicher ‚Pragmatismus’ der Protagonisten des NS-Regimes, der hinter der deutlichen Spannbreite unterschiedlicher Vorstellungen über Form und Funktion des Völkerrechts nach 1933 stand. Sie konnten sich so die jeweils funktionalsten, unter den ihnen präsentierten gutachterlichen ‚Lösungen’ für mit dem Völkerrecht verquickte außenpolitische ‚Probleme’ aussuchen. Dies ist der zweite Grund für den – relativen – Pluralismus innerhalb (auch) der Rechtswissenschaften und erklärt, warum sich führende Akteure des Regimes politisch‑administrativ nicht in die Forschungskontroversen des jeweiligen Wissenschaftsfeldes einmischten.

Die, bei den exponierten Persönlichkeiten des Instituts deutlich erkennbare, Selbstmobilisierung zur rechtlichen Fundierung und Durchsetzung der imperialen Ziele der NS-Diktatur schloss im Übrigen Reibungen und Rivalitäten mit ähnlich gelagerten Institutionen keineswegs aus: Seit dem 9. April 1935 firmierte das Völkerrechts- Institut förmlich als „Kaiser-Wilhelm-Institut“, ebenso die „Schwesteranstalt“ für ausländisches Privatrecht. Damit kam die KWG einem Übernahmeversuch der am 26. Juni 1933 gegründeten „Akademie für Deutsches Recht“ zuvor. Am 30. Mai 1938 wurde dann auch der bisherige gemeinsame Trägerverein aufgelöst und beide Rechtsinstitute vollständig in die KWG integriert.

Der veränderte Status des Instituts ist kein Indiz für politisch-ideologisch oppositionelle oder gar widerständige Haltungen seiner Akteure, sondern eines von zahllosen Beispielen für systemtypische Konkurrenzen um Macht und Einfluss. Auch der herausragende Stellenwert der KWG samt ihren Instituten für das NS-Regime lässt sich daran ablesen, dass die Autonomie der Wissenschaftsgesellschaft bis 1945 unangetastet blieb. Das galt ebenso für das Völkerrechts-Institut. Das Engagement sowohl für das Völkerrechts-Institut als auch für die „Akademie für Deutsches Recht“ ließ sich im Übrigen individuell problemlos miteinander vereinbaren. Namentlich Bruns prägte ebenso die „Akademie für Deutsches Recht“ als Vorsitzender des Ausschusses für Völkerrecht; außerdem war er Mitglied im Ausschuss für Nationalitätenrecht. So können denn auch entsprechende politische Positionierungen nicht überraschen: Viktor Bruns etwa polemisierte in seinem Vortrag auf der 27. Ordentlichen Hauptversammlung der KWG im Mai 1938 in nicht misszuverstehender Deutlichkeit zunächst gegen den Versailler Vertrag und sonstige „skrupellose Rechtsverletzungen“ der Siegermächte. Am Schluss seines Vortrags unter dem Titel „Die Schuld am ‚Frieden‘ und das deutsche Recht am Sudetenland“ rechtfertigte er die vier Monate später vollzogene Okkupation der zur CSR gehörenden Region, indem er „das trübe Bild einer noch nicht lange hinter uns liegenden Vergangenheit“ mit dem vorgeblich hellen Bild der Gegenwart und Zukunft kontrastierte:

„Das Bild der Gegenwart ist ein anderes; das deutsche Volk hat einen Führer; die Deutschen in Böhmen sind geeint und organisiert, sie stellen eine Volksbewegung von wirklicher Kraft dar. Damit ist auch diese Voraussetzung [eine fehlende politische Geschlossenheit] für die Eingliederung der Sudetendeutschen in den tschechischen Staat dahingefallen.“[10]

Bruns sprach keineswegs nur für sich. Dies zeigt der Blick in das Jahrbuch der KWG von 1939. Im dort veröffentlichten Rechenschaftsbericht der Generalverwaltung heißt es, Bruns’ Vortrag sei von „geradezu historischer Bedeutung […], wurde hier [doch] bereits in unwiderleglicher Weise der deutsche Rechtsanspruch auf eine Neuregelung im böhmisch‑mährischen Raum erhoben und die völkerrechtliche Grundlage für die späteren Maßnahmen [!] des Führers klargestellt.“[11]

Seit den Vorkriegsjahren gestaltete sich die Kooperation des Völkerrechts-Instituts, das in den 1930er Jahren durchgängig zwischen fünfzig und sechzig Mitarbeiter beschäftigte, mit dem NS-Außenministerium und (das ist bisher nicht erforscht[12]) vermutlich auch mit anderen außenpolitisch aktiven Institutionen und Organisationen der Diktatur immer enger. Gleichwohl behielt es seine Selbständigkeit, nicht nur organisatorisch, sondern auch inhaltlich. Es war eine exkulpatorische Schutzbehauptung, wenn Bruns’ Nachfolger Bilfinger am 17. Juli 1947 vor der Spruchkammer in Heidelberg behauptete, sein Institut sei „im Kriege mehr oder weniger eine Filiale des Auswärtigen Amtes gewesen“.[13] Solche Formeln sollten die eigene willige Selbstmobilisierung für die Diktatur kaschieren und zudem vergessen machen, dass das NS-Herrschaftssystem keineswegs monolithisch war.

Die zweifellos vorhandene Bindung an das Auswärtige Amt hatte sozialstrukturelle Folgen: Viele Mitarbeiter des Instituts wechselten in den diplomatischen Dienst oder gehörten gleichzeitig dem Auswärtigen Amt sowie den Stellen der Reichswehr an, die auch Fragen des Völkerrechts zu thematisieren hatten. Infolgedessen glich die Struktur des Völkerrechts‑Instituts tendenziell der des diplomatischen Dienstes: Stärker als in anderen KWI waren unter den Mitarbeitern und Wissenschaftlichen Mitgliedern Adlige vertreten. Zudem „dominierte ein gewisser gesellschaftlicher Dünkel“.[14]

Denunziation und Widerstand. Das Institut am Kriegsende

Ein prominenter Adliger war Berthold Schenk von Stauffenberg, der zum Kreis um Stefan George gehört hatte und einer von dessen Nachlassverwaltern war. Von Stauffenberg hatte eine erste Gesamtdarstellung des internationalen Prozessrechtes verfasst, arbeitete bereits 1929/30 kurzzeitig am Völkerrechts‑Institut und wurde, gerade 30 Jahre alt geworden, am 25. Juni 1935 dort zum Wissenschaftlichen Mitglied ernannt. Am 1. April 1937 avancierte von Stauffenberg zum Leiter der neu eingerichteten Abteilung für „Kriegs- und Wehrrecht“. Als Experte für Seekriegsrecht wurde von Stauffenberg Ende 1939 in das Oberkommando der Marine berufen und war seitdem nur noch selten im Berliner Völkerrechts-Institut. Er blieb aus einer hochkonservativen Haltung heraus dem Dritten Reich „bis in die Kriegsjahre hinein verpflichtet“, ehe er sich ab 1941/42 – nach dem Überfall auf die Sowjetunion und dem offensichtlichen Bruch mit allen völker- und kriegsrechtlichen Regelungen – dem Konservativen Widerstand anschloss. Nach dem Attentat seines Bruders Claus auf Hitler wurde er verhaftet und am 10. August 1944 hingerichtet. Zur Widerstandsbewegung des 20. Juli 1944 gehörte auch Helmuth Graf James von Moltke; auch er war seit Kriegsbeginn in der „Beratungsstelle für Völkerrecht“ im „Amt Ausland/Abwehr“ des Oberkommandos der Wehrmacht beschäftigt und wurde am 2. Februar 1945 hingerichtet.

Von Stauffenbergs und von Moltkes Tätigkeit für das Völkerrechts-Institut machten aus dem KWI „nicht eine Institution der Widerstandsbewegung des 20. Juli 1944“ (Hueck).[15] Dass mindestens in den letzten Kriegsjahren die Atmosphäre am KWI von Denunziantentum und Misstrauen geprägt war, illustriert die ‚Affäre Wengler’: Wilhelm Wengler, der in der Bundesrepublik als einer der renommiertesten Universitätslehrer für internationales Recht und Rechtsvergleichung galt, war von 1933 bis 1938 Referent zunächst am KWI für ausländisches und internationales Privatrecht gewesen und wechselte dann ans Völkerrechts‑Institut. Wengler, der im Herbst 1942 – ohne wie die Vorgenannten seine Tätigkeit für das KWI aufzugeben – als Referent für Völkerrecht zum Oberkommando der Wehrmacht sowie zur Kriegsmarine abgeordnet wurde, blieb dort in Kontakt mit seinen Kollegen von Moltke und von Stauffenberg. Im Oktober 1943 denunzierte der am Völkerrechts-Institut beschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiter und gleichzeitige „Vertrauensmann des Sicherheitsdienstes am Institut“ Herbert Kier Wengler wegen „defätistischer Äußerungen“. Am 14. Januar 1944 wurde Wengler von der Gestapo verhaftet. Er hatte im Unterschied zu von Moltke und von Stauffenberg ‚Glück im Unglück’: Mitte November 1944 wurde Wengler zur Wehrmacht eingezogen und überlebte den Krieg.[16]

Schon vorher, ab Sommer 1944, hatte das Institut begonnen, seine Aktivitäten wegen immer massiverer Luftangriffe in Außenstellen innerhalb Berlins zu verlegen. Teile der Bibliothek wurden in das Berliner Umland ausgelagert. Am 3. Februar 1945 wurden Räumlichkeiten des Völkerrechts-Instituts im Stadtschloss zerstört und auch der größte Teil der Bibliothek sowie der Akten vernichtet; der Rest wurde im Privathaus von Viktor Bruns untergebracht.

Nachfolger von Bruns als KWI-Direktor war am 1. November 1943 Carl Bilfinger geworden, von 1924 bis 1935 Professor für Staats‑ und Völkerrecht in Halle, von 1935 bis 1943 in Heidelberg. Umstritten war Bilfinger während der Nachkriegszeit aufgrund seiner politischen Belastung im Dritten Reich. Die Folge waren heftige vergangenheitspolitische Turbulenzen. Bilfinger musste sein Amt Anfang Juli 1946 niederlegen und sich erst einmal durch ein Entnazifizierungsverfahren „weißwaschen“ lassen. Die kommissarische Leitung des zunächst der Deutschen Forschungshochschule in Berlin angegliederten Völkerrechts-Instituts übernahm Karl von Lewinski.[17] Vom 18. März 1949 bis Anfang 1954 leitete Bilfinger erneut das Institut, nun als Max‑Planck‑Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das seinen Sitz in Heidelberg, der Heimatstadt Bilfingers, nahm. Demokratische Juristen und Politiker wie Adolf Grimme hielten die erneute Berufung Bilfingers zum Direktor des Völkerrechts‑Instituts aufgrund von dessen NS‑Belastungen für einen „ernsten politischen und sachlichen Fehler“.[18] Der NS-Verfolgte Gerhard Leibholz und viele andere kritisierten die Entscheidung noch schärfer. Der MPG-Senat setzte sie dennoch durch. Erst die Ernennung Hermann Moslers am 29. Januar 1954 markiert den Bruch mit der NS-Vergangenheit des Instituts.

[1] Zur Gründungsgeschichte des Instituts: Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (Hrsg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus, Bd. 2, Göttingen: Wallstein 2000, 490-527 (499 ff.); Rüdiger Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Bd. 1, Göttingen: Wallstein 2007, 110 ff.

[2] Friedrich Glum, Denkschrift über die Notlage der Forschungsinstitute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, 2. Sepember 1932, BArch,, R 2/12019, Bl. 14, 4.

[3] Zitate von Viktor Bruns nach: Nelly Keil, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Gefahr, in: Germania ‑ Zeitung für das Deutsche Volk, 25. Dezember 1932.

[4] AMPG, VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht II/6. Fotograf/in unbekannt, vermutlich aber aus dem Institut.

[5] Hueck (Fn. 1), 503.

[6] Vgl. Peter Kolmsee, Die Rolle und Funktion der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften bei der Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges durch das faschistische Deutschland, unv. Diss., Universität Leipzig 1966, „Biographischer Anhang der wichtigsten Mitglieder der DGWW”, 3, 14. Die Mitgliederliste liest sich wie ein who is who der rechtskonservativen und frühfaschistischen Bündnispartner der NS-Bewegung; Zu den, lange Zeit engen, Beziehungen zwischen der DGWW und der Generalverwaltung der KWG: Vgl. Hachtmann (Fn. 1), Bd. 1, 480-485.

[7] Vgl. die entsprechende Einladung an Glum und die Generalverwaltung, MPG-Archiv, Abt. I, Rep.1A, Nr. 900/1, Bl. 18.

[8] Aktenvermerk Glums vom 14. Jan. 1937 über eine Besprechung vom 9. Jan. mit Bruns, MPG-Archiv, Abt. I, Rep. 1A, Nr. 2351/4, Bl. 180.

[9] AMPG, VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/51.

[10] Ernst Telschow (Hrsg.), Jahrbuch 1939 der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Leipzig: Drugulin 1939, 57-85 (Zitat: 85).

[11] Telschow (Fn. 10), 52.

[12] Innerhalb des Forschungsprogramms der MPG-Präsidentenkommission zur Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus war das Institut leider nicht Gegenstand eines eigenständigen Forschungsprojektes. Der Aufsatz von Hueck (Fn. 1) bietet allerdings wichtige Eckpflöcke für ein künftiges Projekt.

[13] Zitiert nach: Richard Beyler, „Reine Wissenschaft“ und personelle Säuberungen. Die Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft 1933 und 1945, Berlin: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 2004, 30 f.

[14] Hueck (Fn. 1), 510.

[15] Hueck (Fn. 1), 522.

[16] Ausführlich zu dieser Affäre: Hachtmann (Fn. 1), Bd. 2, 1147-1156.

[17] Von Lewinski (1873-1951) vertrat von 1922 bis 1931 das Deutsche Reich bei den Reparationsverhandlungen in Washington D.C. Danach war er bis 1945 als Rechtsanwalt in Berlin tätig.

[18] Adolf Grimme an Otto Hahn, 14. Juli 1950, zitiert nach: Beyler (Fn. 13), 33; Zu den weiteren Kritiken an der erneuten Berufung Bilfingers: Vgl. Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg. Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg, ZaöRV 74 (2014), 697-731, 721 ff.

Suggested Citation:

Rüdiger Hachtmann, Das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 1924 bis 1945, DOI: 10.17176/20240403-184342-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

English

The “Institute for Comparative Public Law and International Law” (hereinafter: International Law Institute) is a product of the crises of the early Weimar Republic. It was founded on 19 December 1924  as a ‘registered association’ (eingetragener Verein), which was merely associated with the Kaiser‑Wilhelm‑Society (Kaiser‑Wilhelm‑Gesellschaft, KWG) for the first ten years.[1] The Institute was founded on the initiative of Friedrich Glum, who was appointed Secretary General of the KWG on 11 May 1920. The task of the International Law Institute was to contribute to foreign policy ‘crisis management’ as a kind of “brain trust”. Although the devastating inflation had been stopped in late 1924 and the currency stabilised, the German Reich continued to move in highly uncertain waters in terms of foreign policy. It had not yet been admitted to the League of Nations and remained relatively isolated internationally. The occupation of large parts of the Rhineland by French troops had fuelled nationalist resentment in the German Reich. After the Ruhrkampf ended on 26 September 1923, international constellations gradually began to relax. The Geneva Protocol on the “peaceful settlement of international disputes” was signed on 2 October 1924; the evacuation of the occupied Rhineland began in midsummer 1925; the Locarno Accords in mid-October 1925 paved the way for the German Reich to join the League of Nations; the admission was formally completed on 10 September 1926.

Against this background, the central task of the International Law Institute was to provide “scientific preparatory work and support for the struggle to be waged by the government against the Versailles Treaty, Dawes Plan, and Young Plan for equal rights under international law of Germany and the German minorities”[2]. The “government-related advisory office for international law” (Ingo Hueck) was led by Viktor Bruns. Bruns, who reached the age of 40 a few days after the founding of ‘his’ institute and had been an associate professor at the University of Berlin since 1912, then an ordinary professor of constitutional and international law since 1920, was director of the institute until his death on 28 September 1943.

Bruns and his colleagues underlined the fact that the International Law Institute was to pave the legal way for ‘German interests’ vis-à-vis the neighbouring European states by founding a branch office in French-occupied Trier. Since 24 July 1925, the staff there, under the direction of prelate Ludwig Kaas, devoted themselves to the “interpretation of the Treaty of Versailles”, the “law in the occupied territories [of the Rhineland], the Saar region, Alsace-Lorraine”, and South Tyrol, as well as “foreign state church law”.[3] Kaas had taken over the chairmanship of the Centre Party (Deutsche Zentrumspartei) in autumn of 1928 and was responsible for the political turn to the right of this Catholic people’s party from the end of the 1920s onwards. On 30 June 1933, the branch office was terminated after Kaas had emigrated to Rome two months earlier.

The legal construction of the Institute and its ‘affiliation’ with the renowned KWG entailed considerable political advantages: although Bruns’ Institute was de facto an institution for the delivery of legal opinions and advisory, primarily to the Foreign Office, and Bruns was also the most important representative of the German Reich before the International Court of Justice in The Hague, it was and remained a formally independent institution. Its expert opinions could claim a ‘neutral’ character and did not run the risk of falling victim to party‑political disputes; the director and his staff were not dependent on short-lived government coalitions. Additionally, the expert opinions of a nominally independent institute could be used more effectively in an international context.

The Institute in the Third Reich. Scientific Support for the New German Imperialism

Parade in front of the Altes Museum: “Victorious entry of the Spanish Condor Legion”. View from the upper floors of the Berlin Palace, but not from the institute rooms: 06.06.1939[4]

The year 1933 marked a turning point for the International Law Institute in several respects. Democrats such as Carlo Schmid had already left the Institute before, others followed after 1933. Erich Kaufmann, who had been working as a scientific advisor to the Institute since 1927, had to give up this position in 1934, as he was considered a Jew according to the Nuremberg Laws; he fled to the Netherlands and survived the war there, partly in illegality. Marguerite Wolff also survived the Nazi era. She had been hired by Bruns as a research assistant when the Institute was founded and was dismissed in April 1933 because of her Jewish origin. Similarly, her husband Martin Wolff, who was also Jewish, had been appointed Scientific Member of the twin-institute for private law at the end of 1925. In the mid-1930s, the couple emigrated to England. Gerhard Leibholz, a staff member from the early days of the International Law Institute, who was discriminated against as a Jew and was able to flee to England just a few weeks before the November pogrom in 1938, was also among those persecuted on racist grounds.

Hitler’s appointment as chancellor and Germany’s withdrawal from the League of Nations resulted in a kind of political-legal paradigm shift: until 1933, the International Law Institute had mainly tried to soften and undo the legal consequences of the war by means such as legal opinions. From 1933 onwards, the institute and its leading exponents also embarked on the aggressive‑imperial course that the Nazi regime soon took; they did so without having to be forced – and, thus, grew into a central role for the Nazi regime: as a legal advisory body, the institute continued to “set the tone in the Foreign Office”.[5]

Where the central actors stood politically was shown by their commitment to rearmament and imperial goals: Viktor Bruns, for example, was heavily involved with the “German Society for Military Policy and Military Science” (Deutsche Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften, DGWW), founded on 28 June 1933, which was particularly zealous in this field. Likewise, Ernst Schmitz was head of the international law department from 12 May 1931 and, as Bruns’ close confidant from 11 January 1936 until his death in early 1942,  he was deputy director of the International Law Institute. Bruns and Schmitz, a specialist in the law of war, gave lectures on military policy on behalf of the society, thus giving the “Military Science” Society a veneer of integrity and distance to party interests. Both were regarded as central pillars of the DGWW.[6] And so was the, as Friedrich Glum put it, “fascinating teacher of constitutional law” Carl Schmitt, whom Bruns tied to the Institute as a “scientific advisor” at the beginning of December 1933. Schmitt, who had paved the way intellectually for the presidential dictatorship established in 1930 and was the representative of the Papen government in the “Preußenschlag” trial before the State Court in 1932, gave the central lecture at the second general meeting of the DGWW in 1934. [7]

The International Law Institute was not only closely intertwined with associations that ‘preached’, at times in the literal sense, rearmament and bellicism. In terms of personnel, the institute also acquired a decisively military character, especially its supervisory body: in the beginning of 1937, after the phase of accelerated rearmament had been officially announced a few months earlier, high-ranking military officers were elected to the joint board of trustees of the two law institutes, namely Reich Minister of War and Field Marshal Werner von Blomberg (with the right to be substituted), the long-standing chairman of the DGWW General Friedrich von Cochenhausen, the retired Admiral Walter Gladisch (reactivated at the beginning of 1939), and Air Force General (and later General Field Marshall) Erhard Milch. [8]

Pluralism due to Pragmatism? Conservative and Völkisch Viewpoints at the KWI

Employees of the Institute on the roof of the Berlin Palace (undated):  from left to right: Joachim-Dieter Bloch, Ursula Grunow, Hermann Mosler, Alexander N. Makarov[9]

It is remarkable that, despite the paradigm shift alluded to, the inner pluralism of the Institute remained intact after 1933 – albeit within the political framework set by the Nazi regime, i.e., clearly shifted to the right: Some continued to pursue the concept of a – fundamentally equal – “community of international law”, others the idea of a “community of nations” (Völkergemeinschaft) based on a racial hierarchy. The latter included Herbert Kier, for example, who joined the NSDAP as early as 1931 (and the SS in 1934) and had been an expert on “ethnic group law” (Volksgruppenrecht) at the Institute of International Law since 1936. There were two reasons for the continuation of a range of different ideas about the form and function of international law:

On the one hand, the traditionally educated bourgeois legal elite, which had a strong ‘Wilhelminian’ ethos, was not to be affronted. Numerous lawyers working in the judiciary and the administration as well as exponents of jurisprudence were – as the high NSDAP membership figures among them show – politically and ideologically very close to the Nazi movement. However, a considerable number of them remained too attached to traditional legal thought patterns for the obscure “racial law legal doctrine” (rassengesetzliche Rechtslehre) of racist zealots like Kier to be imposed on them within a short time. However, one did not want to ‘alienate’ the legal scholars who had been socialised in the Wilhelminian era, and not only because their political‑ ideological views overlapped strongly with the Hitler movement and the Nazi regime (which itself was by no means ideologically homogeneous). The exponents of the dictatorship also needed the scientific elites in particular to find ‘functional’ solutions both for (in our case: law-based) domestic political consolidation and for the implementation of the imperial expansion that had been envisaged from the very beginning.

It was furthermore a peculiar ‘pragmatism’ of the protagonists of the Nazi regime that was behind the considerable range of different ideas about the form and function of international law after 1933. This way, political actors were able to choose the most functional of the expert ‘solutions’ presented to them for foreign policy ‘problems’ entangled with international law. This is the second reason for the – relative – pluralism within the legal sciences (among other fields) and explains why leading actors of the regime did not interfere in the controversies of the respective scientific field with political or administrative means.

The self-mobilisation for the legal grounding and implementation of the imperial goals of the Nazi dictatorship, which is clearly observable among the International Law Institute’s prominent personalities, by no means ruled out friction and rivalries with similarly positioned institutions: since 9 April 1935, the International Law Institute formally operated under the name “Kaiser Wilhelm Institute”, as did its “sister institute” for foreign private law. In this way, the KWG preempted a take-over attempt by the Academy for German Law (Akademie für Deutsches Recht), which had been founded on 26 June 1933. On 30 May 1938, the former joint sponsoring association was dissolved and both legal institutes were fully integrated into the KWG.

The changed status of the Institute is not an indication of political or ideological opposition or even resistant attitudes of its actors, but one of countless examples of competition for power and influence typical of the political system. The outstanding importance of the KWG and its institutes for the Nazi regime can also be deducted from the fact that the autonomy of the scientific society remained untouched until 1945. This also applied to the International Law Institute. Incidentally, the commitment to both the International Law Institute and the Academy for German Law could be reconciled without any problems. Bruns, in particular, also left his mark on the Academy for German Law as chairman of the Committee for International Law; he was further a member of the Committee for Nationality Law.

Thus, corresponding political positions are not surprising: Viktor Bruns, for example, in his lecture at the 27th Ordinary General Meeting of the KWG in May 1938, polemicized in no uncertain terms against the Treaty of Versailles and other “unscrupulous violations of law” by the allied powers. At the end of his lecture under the title “The Blame for ‘Peace’ and German Right to the Sudetenland” (“Die Schuld am ‘Frieden’ und das deutsche Recht am Sudetenland”), he justified the occupation of the region belonging to the RČS, which was carried out four months later, by contrasting “the bleak picture of a past not long behind us” with the ostensibly bright picture of the present and future:

“The picture of the present is different; the German people have a Führer; the Germans in Bohemia are united and organised, they represent a popular movement of real strength. Thus, this precondition [a lack of political unity] for the integration of the Sudeten Germans into the Czech state has also fallen away.”[10]

Bruns was by no means speaking only for himself. This is illustrated by taking a look at the 1939 KWG yearbook, where the accountability report of the general administration states that Bruns’ lecture was of “almost historical significance […], since here the German legal claim to a new settlement in the Bohemian-Moravian area was already irrefutably raised and the basis in international law for the Führer’s later measures [!] was clarified”. [11]

Since the pre-war years, the cooperation of the International Law Institute, which in the 1930s consistently employed between fifty and sixty staff members, with the Nazi Foreign Office and (this has not yet been researched[12] ) presumably also with other institutions and organisations of the dictatorship active in foreign policy, became ever closer. Nevertheless, it retained its independence, not only organisationally but also scientifically. It was an exculpatory protective claim when Bruns’ successor Bilfinger asserted before the Heidelberg criminal court on 17 July 1947 that his institute had “more or less been a branch of the Foreign Office during the war”.[13] Such formulas were intended to conceal one’s own willing self-mobilisation for the dictatorship as well as the fact that the Nazi system of rule was by no means monolithic.

The undoubtedly existing ties to the Foreign Office had socio-structural consequences: many of the institute’s staff transferred to the diplomatic service or belonged simultaneously to the Foreign Office or to army offices which also had to address issues of international law. As a result, the structure of the International Law Institute tended to resemble that of the diplomatic service: members of the old German nobility were more strongly represented among the staff and academic members than in other KWIs. In addition, “a certain social conceit” (Ingo Hueck) dominated.[14]

Denunciation and Resistance. The Institute at the End of the War

One prominent nobleman was Berthold Schenk von Stauffenberg, who had belonged to Stefan George’s circle and was one of his testamentary executors. Von Stauffenberg had written the first comprehensive treatise on international procedural law, worked briefly at the International Law Institute in 1929/30 and, having just turned 30, was appointed a Scientific Member there on 25 June 1935. On 1 April 1937, von Stauffenberg was promoted to head of the newly established department for “Law of War and Military Law”. As an expert on the law of naval warfare, von Stauffenberg was appointed to the High Command of the Navy at the end of 1939 and rarely visited at the Berlin International Law Institute thereafter. Out of a starkly conservative stance, he remained “committed [to the Third Reich] well into the war years” before joining the Conservative Resistance from 1941/42 – after the invasion of the Soviet Union and the obvious break with all rules of international law. After his brother Claus’ assassination attempt on Hitler, he was arrested and executed on 10 August 1944. Helmuth Graf James von Moltke also belonged to the resistance movement of 20 July 1944; he too had been employed since the beginning of the war in the Advisory Office for International Law at the “Office of the Exterior/ Defence” of the High Command of the Wehrmacht and was executed on 2 February 1945.

Von Stauffenberg’s and von Moltke’s activities for the International Law Institute did not make it “an institution of the resistance movement of 20 July 1944” (Hueck).[15] The fact that the atmosphere at the KWI was characterised by denunciation and mistrust, at least in the last years of the war, is illustrated by the ‘Wengler Affair’: Wilhelm Wengler, who was considered one of the most renowned university lecturers on international law and comparative law in the post-war Federal Republic of Germany, had first been a lecturer at the KWI for Comparative and International Private Law from 1933 to 1938 and then moved to the International Law Institute. Wengler, who in autumn 1942 – without giving up his work for the institute such as the aforementioned – was seconded to the High Command of the Wehrmacht and the Navy (Kriegsmarine) as a consultant for international law, remained in contact with his colleagues von Moltke and von Stauffenberg. In October 1943, Herbert Kier, a research assistant at the Institute of International Law and at the same time “confidant of the security service at the institute”, denounced Wengler for “defeatist statements”. On 14 January 1944, Wengler was arrested by the Gestapo. Unlike von Moltke and von Stauffenberg, he was ‘lucky in misfortune’: in mid-November 1944, Wengler was drafted into the Wehrmacht and survived the war.[16]

Even before that, from the summer of 1944, the Institute had begun to relocate its activities to outposts within Berlin due to increasingly intense air raids. Parts of the library were moved to the outskirts of Berlin. On 3 February 1945, the premises of the International Law Institute in the City Palace were demolished and most of the library and files were destroyed; the rest was placed in the private home of Viktor Bruns.

Bruns was succeeded as KWI director on 1 November 1943 by Carl Bilfinger, professor of public law and international law in Halle from 1924 to 1935, and in Heidelberg from 1935 to 1943. Bilfinger was a controversial figure during the post-war period due to his political involvement in the Third Reich. The result was fierce turbulence in the politics of the past. Bilfinger had to resign from his post at the beginning of July 1946 and was first to be “whitewashed” by a denazification procedure. Karl von Lewinski took over as provisional director of the International Law Institute, which was now affiliated with the German Research University (Deutsche Forschungshochschule) in Berlin.[17] From 18 March 1949 until the beginning of 1954, Bilfinger again led the Institute, now as the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law, which took up residence in Heidelberg, Bilfinger’s home town. Democratic lawyers and politicians such as Adolf Grimme considered Bilfinger’s reappointment as director of the International Law Institute a “serious political and substantial mistake” due to his Nazi‑charges. [18] Gerhard Leibholz, who had himself been persecuted by the Nazis, and many others criticised the decision even more harshly. Nevertheless, it was imposed by the Max Planck Society Senate. It was not until Hermann Mosler’s appointment on 29 January 1954 that the institute broke with its Nazi past.

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] On the founding history of the Institute: See Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (ed.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus, Bd. 2, Göttingen: Wallstein 2000, 490-527 (499 ff.); Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht 1926-1945, Göttingen: Wallstein 2004, 47 ff.; Rüdiger Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Bd. 1, Göttingen: Wallstein 2007, 110 ff.

[2] Friedrich Glum, Denkschrift über die Notlage der Forschungsinstitute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, 2 Sepember 1932, BArch,, R 2/12019, Bl. 14, 4.

[3] Quotations by Viktor Bruns from: Nelly Keil, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Gefahr, in: Germania – ­Zeitung für das Deutsche Volk, 25 December 1932.

[4] AMPG, VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht II/6; Photographer unknown, but presumably a member of the institute.

[5] Hueck (fn. 1), 503.

[6] See Peter Kolmsee, Die Rolle und Funktion der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften bei der Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges durch das faschistische Deutschland, unpublished dissertation., University of Leipzig 1966, „Biographischer Anhang der wichtigsten Mitglieder der DGWW”, 3, 14. The list of members reads like a who’s who of the right-wing conservative and early fascist allies of the Nazi movement; On the relations between the DGWW and the general administration of the KWG, which were close for a long time: see Hachtmann (fn. 1), vol. 1, 480-485.

[7] See the corresponding invitation to Glum and the General Administration, MPG Archives, Dept. I, Rep.1A, No. 900/1, sheet 18.

[8] Glum’s  file note of 14 Jan. 1937 on a meeting of 9 Jan. with Bruns, MPG Archives, Dept. I, Rep. 1A, No. 2351/4, sheet 180.

[9] AMPG, VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/51

[10] Ernst Telschow (ed.), Jahrbuch 1939 der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Leipzig: Drugulin 1939, 57-85 (citation: 85).

[11] Telschow (fn. 10), 52.

[12] Within the research programme of the MPG Presidential Commission on the History of the Kaiser Wilhelm Society under National Socialism, the Institute was unfortunately not the subject of an independent research project. However, Hueck’s paper (fn. 1) offers important cornerstones for a future project.

[13] Quoted from: Richard Beyler, “Reine Wissenschaft” und personelle Säuberungen. Die Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft 1933 und 1945, Berlin: Max Planck Society for the Advancement of Science 2004, 30 f.

[14] Hueck (fn. 1), 510.

[15] Hueck (fn. 1), 522.

[16] For details on this affair: Hachtmann (fn. 1), vol. 2, 1147-1156.

[17] Von Lewinski (1873-1951) represented the German Reich at the reparations negotiations in Washington D.C. from 1922 to 1931. He then worked as a lawyer in Berlin until 1945.

[18] Adolf Grimme to Otto Hahn, 14 July 1950, quoted from: Beyler (fn. 13), 33; On further criticism of Bilfinger’s renewed appointment: see Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg. Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg, HJIL 74 (2014), 697-731, 721 ff.

 

Suggested Citation:

Rüdiger Hachtmann, The Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law 1924 to 1945, DOI: 10.17176/20240403-184436-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

Marguerite Wolff at the Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law

When the Kaiser Wilhelm Institute for Foreign Public Law and International Law began to operate in January 1925 with a smaller advance team, Marguerite Wolff was a driving force in getting the Institute up and running. According to the diary of Marie Bruns, wife of the Institute’s founding director Viktor Bruns, their friend Marguerite Wolff was not only a member of the academic staff but also what she called the Institute’s housewife.[1] Before we further explore her contribution to this Institute, a few biographical facts should be mentioned.

Family and personal background

Marguerite Wolff, nee Jolowicz, was born in London on 10 December 1883, as a dual British-German citizen, the latter through her father Hermann Jolowicz (1849-1934), a wealthy silk merchant who was born in (then Prussian) Pleschen (Pleszew) and learned the trade in Lyon. Her mother was Marie Litthauer, born 1864 in (then also Prussian) Neutomysl (Nowy Tomyśl). Marguerite had two brothers, Paul (born 1885) and Herbert Felix (born 1890), who would later become Regius Professor of Civil Law at the University of Oxford.[2] Unusually for women at the time, but in line with her liberal bourgeois upbringing, Marguerite Jolowicz obtained a Master of Arts in English from Cambridge University, apparently with a “first”, and as student of Newnham College.[3] In 1906, she married the legal scholar Martin Wolff (1872-1953) and moved to Berlin, then to Marburg (1914), Bonn (1918), and back to Berlin (1921). Marguerite and Martin Wolff had two children: Konrad (1907-1989), who later became a famous pianist, and Victor (1911-1944), who qualified as a barrister and served in the Royal Air Force.[4]

“Housewife”, Assistant, Fellow? Marguerite Wolff at the Institute

Marguerite Wolff, as photographed by Ilse Bing (her daughter-in-law), 1947[5]

Marguerite Wolff worked at the Institute between 1 January 1925 and 1 May 1933 when her employment contract was terminated in the wake of national-socialist legislation aimed at removing all Germans of Jewish origin from public service or related employment. More will be said on this below.

Next to the short entry in the diary of Marie Bruns, we have one other contemporaneous and three non‑contemporaneous first-hand descriptions of her activities at the newly founded Kaiser Wilhelm Institute for Foreign Public Law, with the later descriptions dating from 1951/1952 and relating to compensation claims pursued by Marguerite Wolff.

In a very short self-description, Marguerite Wolff stated in 1951 that she had been employed as “Referentin [senior research fellow in modern MPIL English terminology] for the English and American notions of public international law” and that her employment “ended through termination by Professor Bruns on the basis of racial legislation”.[6] A glowing Dienstzeugnis (reference provided by employer on leaving service) written by Viktor Bruns and dated 19 December 1933 confirms the dates of her employment, initially as “wissenschaftliche Assistentin”, then “Referentin”, and specifies her academic area of work as “public international law with particular emphasis on England and the United States”, with the tasks of “observing the most recent political and legal developments which are relevant for public international law, to compile reports for the archive and the editors of the [Institute’s] journal, and to work academically on smaller and larger specific questions”. Moreover, Bruns notes her outstanding contribution to the editing of the Institute’s journal, her compiling of texts in the English language, providing English-German and German-English translations, and giving English legal terminology courses for other members of the Institute. Bruns praised her as completely bilingual and in full command of legal, political, and economic terminology.[7] The reference contains only a short description of her initial managerial role: “She was instructed with organizational tasks during the set-up of the Institute.”[8]

There is also a warm personal testimonial from 1952 by Marianne Reinert, non-academic staff member of the administration of the Max Planck Society and its predecessor, the Kaiser Wilhelm Society. She states:

“The wife of Prof. Wolff, Marguerite Wolff, an exceptionally intelligent and amiable woman, was one of those personalities who, together with Prof. Bruns, a close friend of hers, built up the Institute for Public International Law in the year 1925. Together with myself, working in the office of the president of our general administration located in the palace [Berliner Schloss], she compiled the starting stock of the library, and then worked as Abteilungsleiterin [head of division] in the Institute. In 1933, Professor Bruns advised her not to return from a holiday in London, where her brother worked as a respected banker, on account her being Volljüdin [of full Jewish descent]. She therefore stopped being a member of the Institute.”[9]

A lawyer without formal training?

Finally, there is a somewhat problematic testimonial by the former librarian of the Institute, Curt Blass. He begins by giving credit: “Mrs M. Wolff had an important share in the organisational set-up of the Institute in the first years after it had been founded. She was at the time the main staff member for the Director, both academically, and as his secretary.”[10] But he then goes on to describe how after the initial phase her tasks became more and more limited, her lack of legal education a problem, and that no one was surprised when “Professor Bruns announced that Mrs. Wolff had decided to leave the Institute and return to her home country England, to where her husband had already relocated.” That last allegation was certainly incorrect: Martin Wolff only moved to England in 1938.[11] Moreover, the allegation of shortcomings can hardly be squared with Marguerite Wolff’s book on UK press law which the Institute published in 1928.[12] This is a masterly exercise in comparative law, explaining peculiarities of English law to an audience of lawyers trained in the German legal system, which gives the readers no clue that the author had formal legal training in neither English nor German law. It appears much more likely that Viktor Bruns’ reference correctly described the many talents and contributions which the Institute lost when Marguerite Wolff’s contract was terminated.

As the Institute’s own archive reveals, Blass tailored his testimonial to the expectations which Hans Ballreich had formulated on behalf of the Institute. Ballreich had specifically asked Blass to consider the alternative narrative that Marguerite Wolff had decided of her own accord to move to London with her family, lamenting the danger of the Max Planck Society being burdened with very considerable, and in many cases unmerited, compensation claims.[13] Blass expresses his disquiet about this request not in his testimonial, but in a cover letter to Ballreich which was not forwarded to the Max Planck Society. In this cover letter, Blass explains that this request is “a rather delicate task. I have attempted to solve this as well as I can. If you believe that the attached notes could be of use to the Society, please pass them on.”[14] It should be added that there is nothing in the compensation claim file which would suggest that the Max Planck Society had put any pressure on Ballreich. The German Federal Ministries involved had, quite to the contrary, all along been pushing for a favourable treatment of Marguerite Wolff’s compensation claims.[15]

Few other sources appear to exist on the role which Marguerite Wolff played at the Institute. The Institute’s own files perished in a fire which ravaged the Berlin Palace in 1945, and only occasional and fleeting mentions of Marguerite Wolff in other contemporaneous sources have so far emerged.

Those who have previously written about Marguerite Wolff have come to different conclusions about her role at the Institute, and the circumstances surrounding her leaving the Institute. She has been called “unofficial co-director”, “head of division”, or “unofficial head of division” at the Institute. [16] The evidential basis for these attributions remains unclear. Unlike some other Kaiser Wilhelm or Max Planck Institutes, this institute did not have any divisions (Abteilungen)[17] and still does not today. And while the strongest support for the significance of Marguerite Wolff’s role in the Institute’s initial phase is found in the (otherwise problematic) testimonial of Blass, one could easily question whether that would make her an unofficial co-director. This is not how KWI directors were understood to operate under the so-called Harnack Principle, exercising full control over their institute’s research agenda and the hiring of academic staff. It might be more appropriate to translate the somewhat antiquated notion of Marguerite Wolff as the Institute’s “housewife” into 21st century language as staff member with a leading managerial function, in charge of the practical aspects of building up the new institute from scratch.

But little will eventually hang on this terminological question. If we assume instead that Marguerite Wolff and Viktor Bruns correctly described her as Referentin or Senior Research Fellow, this will do nothing to belittle the outstanding achievements of this extraordinary woman. It means that she was treated, as appropriate, on par with fully trained male colleagues at the Institute who shared the same job title, including influential scholars such as Hermann Heller and Gerhard Leibholz.[18]

Marguerite Wolff in 1931 (AMPG, VI.1,KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/10)

It is safe to assume that Marguerite Wolff leaving the Institute was triggered by the racial persecution of Jews and the enactment of legislation in April 1933 which would exclude most (and eventually all) persons of Jewish descent from holding any public office. At the same time, the story could be more complex than her being dismissed in April 1933 in immediate application of the infamous Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums [Law to restore the professional civil service]. In April, that applied only to civil servants, then from 4 May 1933 to employees of public law bodies. The earliest dismissal date for such employees would have been 30 June 1933,[19] but this would still not apply to any employees of the Institute, as the Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft was organised as a private association. Given that the Brunses were close friends with the Wolffs and not known for national-socialist sympathies, it appears unlikely that Marguerite Wolff was unilaterally dismissed with effect of 1 May 1933 against her express wishes. Conversely, there is nothing to suggest that Marguerite Wolff handed in her own termination notice, which would probably likewise have been too short. While Bruns’ reference remains silent on how and why her employment was terminated, the most likely explanation appears to be that Wolff and Bruns agreed that Bruns would terminate the contract in correct anticipation of further persecution and any lack of medium-term perspective, and that the unduly short notice period was also consensual. On the other hand, the suggestion that this would allow her to not return from a vacation in England is misleading. It was not until 1935 that Marguerite Wolff would move to London to pave the way for her husband’s eventual move to Oxford and London in 1938.[20]

This is not the occasion to explore in detail Marguerite Wolff’s professional and personal life after she left the Institute. Suffice it to say that she worked as news editor for the BBC and as translator at the Nuremberg Trials, supervising the translations of the trial proceedings,[21] that she would eventually receive some compensation for her dismissal, and that she died in 1964.[22] While racial persecution cut her academic career short, she nevertheless continued to contribute to the world of learning as an exceptionally gifted translator and editor of legal texts. She helped to make the work of Martin Wolff’s faculty colleague and fellow émigré scholar Fritz Schultz known to the anglophone world by translating his “Principles of Roman Law” to considerable acclaim. As one reviewer noted: “The translator is to be congratulated on her success in a difficult task. Refractory Law-German has been reduced to clear, readable English”.[23] Moreover, her linguistic contribution to Martin Wolff’s famous textbook on Private International Law was praised by one reviewer as follows: “The excellence of the English is due principally to Mrs. Wolff, whose skill in rendering the author’s thoughts into precise, technical but eminently readable language is a triumphant success”.[24]

[1] Excerpt from Marie Bruns’ marriage diary „Das Institut für Völkerrecht und ausländisches Staatsrecht“, private archive of Rainer Noltenius, Bremen (Germany), transcription by Philipp Glahé, translation by the author, 2.

[2] Interview with Professor J. Anthony Jolowicz (1926-2012), nephew of Marguerite Wolff, Cambridge, 6 February 2002; letter by J. Anthony Jolowicz to the author, dated 11 August 2002; Thomas Hansen, Martin Wolff (1872-1953), 1st ed., Tübingen: Mohr Siebeck 2009, 24, citing to a letter by J. Anthony Jolowicz, dated 29 August 2005; Some sources state, probably erroneously, that she re-acquired British citizenship: Herbert A. Strauss/Werner Röder/K.G. Saur (gen. eds.), International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933-1945, Vol. II Pt.2: The Arts, Sciences, and Literature, Munich: De Gruyter 1983, 1261, “Wolff, Konrad Martin”.

[3] Marion Röwekamp, Juristinnen – Lexikon zu Leben und Werk, 1st ed., Baden-Baden: Nomos 2005, 436-438, 436; While her MA in English from Cambridge University is assured from other sources, this is plausible but less certain for Newnham as her college and the “first” mark, as Röwekamp’s contribution contains several inaccuracies: Marguerite was the oldest (not the second) child; her brother Herbert Felix became Regius Professor in Oxford (not Cambridge); she moved to England in 1935 (not 1933); her son Victor, by contrast, moved to London in 1933 (not 1935) and died in 1944 (not 1942).

[4] Hansen (fn. 2), 24-25, 42-54, 102; Gerhard Dannemann, Martin Wolff (1872-1953), in: Jack Beatson/Reinhard Zimmermann (eds.), Jurist Uprooted, OUP: Oxford 2003, 44-45, 441-461; On Konrad Wolff: see Ruth Gillen (ed.), The Writings and Letters of Konrad Wolff, Greenwood Press: Westport, Connecticut 2000.

[5] Photo: MPIL Archive.

[6] Letter by Marguerite Wolff to “the Director” of the Institute, dated 8 September 1951, APMG, I-1A-3170. Translated from the German original by the author.

[7] Dienstzeugnis for Marguerite Wolff by Victor Bruns, dated 19 December 1933, AMPG, I-1A-3170.

[8] AMPG (fn. 7).

[9] Letter by M[ariannne] Reinert to Mr. Pfuhl, Max Planck Society, dated 9 October 1951, APMG, I-1A-3170: Her short report is based on her own and recollections of some other staff; the 18 year time gap and the fact that she worked for the KWI general administration may explain some of the inaccuracies.

[10] Testimonial by Curt Blass, dated 19 January 1952, AMPG, I-1A-3170; It is doubtful whether Marguerite Wolff ever undertook core secretarial tasks for Viktor Bruns, as Marie Bruns (fn. 1) mentions that the Institute already employed five secretaries when it began to operate.

[11] Dannemann (fn. 4), 449.

[12] Viktor Bruns/Kurt Hentzschel (eds.), Die Preßgesetze des Erdballs, Bd. II: Marguerite Wolff, Das Preßrecht Großbritanniens, Berlin: Verlag Georg Stilke 1928.

[13] Letter by Hans Ballreich to Dr. Curt Blass in Zürich, dated (incorrectly) 14 January 1950 [in fact: 1952], Archive of the MPIL, staff file of Marguerite Wolff, translation by the author.

[14] Letter by Curt Blass to Hans Ballreich, dated 19 January 1952, Archive of the MPIL, staff file of Marguerite Wolff, translation by the author.

[15] See also: Michael Schüring, Minveras verstoßene Kinder. Vertriebene Wissenschaftler und die Vergangenheitspolitik der Max-Planck-Gesellschaft, Göttingen: Wallstein 2006, 198 f.: critical of the fact that ministerial support was primarily due to the eminence of her deceased husband.

[16] „Unofficial co-director“: Annette Vogt, Marguerite Wolff, in: Jewish Women’s Archive (ed.), The Shalvi/Hyman Encyclopedia of Jewish Women, last updated 11 May 2022, online: <https://jwa.org/encyclopedia/article/wolff-marguerite>; Röwenkamp (fn. 3), 437 (“unofficial co-director”, at a later stage); “head of division” (Abteilungsleiterin): Schüring (fn. 15), 196, citing in note 126 incorrectly to the testimonial of Viktor Bruns (fn. 6); “inofficial head of division” (inoffizielle Abteilungsleiterin): Annette Vogt,  Wissenschaftlerinnen in Kaiser-Wilhelm-Instituten A-Z, 2nd ed., Berlin: AMPG 2008, 216.

[17] Adolf von Harnack (ed.), Handbuch der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Berlin: Verlag Reimar Hobbing 1928, 214.

[18] Von Harnack (fn. 18).

[19] § 3 Abs. 1 Zweite Durchführungsverordnung zum Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums.

[20] See Hansen (fn. 2), 102.

[21] Gillen (fn. 4), xxi.

[22] Hansen (fn. 2), 95 f.

[23] P.W. Duff, Review of Fritz Schulz, Principles of Roman Law, Classical Review 51 (1937), 238-239.

[24] John Morris, Review of Martin Wolff, Private International Law, LQR 62 (1946), 88-91, 90.

Suggested Citation:

Gerhard Dannemann, Marguerite Wolff at the Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240403-102936-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

Cornelia Bruns. Eine wohlverdiente, wenn auch späte, Würdigung

Cornelia Bruns. A Well-Deserved, Albeit Belated, Tribute

Deutsch

Cornelia Bruns, Aufnahme um 1935[1]

Wenn man das 100-jährige Jubiläum des Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht feiert, dann steht natürlich im Vordergrund die Entwicklung des Völkerrechts und der Rechtsvergleichung. Selten wird dabei hinterfragt, welche rein praktischen Probleme sich damals den Wissenschaftlern stellten, den Stand der Entwicklung zu erfassen. Denn das internationale Recht, wie der Begriff deutlich macht, bezieht sich auf die zwischenstaatlichen Rechtsbeziehungen und Rechtsregeln, was den Austausch zwischen Wissenschaftlern der einzelnen Staaten voraussetzt, um den Stand des Rechts und die konsensfähigen Ansätze seiner Fortentwicklung – man denke nur an das Entstehen von Gewohnheitsrecht – zu kennen.

Das klingt logisch und selbstverständlich, begegnete allerdings einer nicht zu unterschätzenden Hürde: der Sprachbarriere. Während heute Englisch/Amerikanisch als „Sprache des Völkerrechts“ beziehungsweise der Wissenschaft schlechthin bezeichnet werden kann, war das vor 100 Jahren noch völlig anders. Der Zugang zu fremdsprachiger Literatur war daher problematisch und Übersetzungen ins Deutsche gab es kaum, zumal Deutsch ohnehin als besonders schwierige Sprache galt. Hinzu kommt, dass Übersetzungen fachlicher Texte, wie eben wissenschaftlicher Ausarbeitungen zu Fragen des Völkerrechts oder rechtsvergleichender Analysen, nicht nur die umfassende Beherrschung einer fremden Sprache erfordern, sondern zudem profunde Kenntnisse in dem Sachgebiet, das zur Übersetzung ansteht. Denn Begriffe, die sprachlich auf den ersten Blick keine Übersetzungsprobleme bieten, können juristisch durchaus unterschiedliche Bedeutungen haben.

Als Beispiel mag der Begriff des „acte administratif“ im französischen Recht dienen, der die Übersetzung „Verwaltungsakt“ nahelegt. Mit dieser Übersetzung käme man aber zu großen Missverständnissen, da der „Verwaltungsakt“ im deutschen Recht ein Akt ist, der ein bestimmtes Individuum oder einen bestimmten Adressatenkreis betrifft, also eine „Einzelverfügung“ ist, während der „acte administratif“ im Französischen eine „Allgemeinverfügung“ bezeichnet. Damit wird deutlich, dass Fachübersetzungen nicht nur Sprachkenntnisse, sondern auch Fachkenntnisse erfordern. Sprachbegabte Experten hatten (und haben) jedoch wenig Interesse daran, statt eigene Publikationen zu erstellen, Arbeiten anderer Wissenschaftler zu übersetzen; bei Personen mit gründlicher Fremdsprachenkenntnis aber fehlt es meist am erforderlichen Fachwissen.

„Tante Cörnchen“. Cornelia Bruns zwischen Familie und Institut

Vor diesem Hintergrund tritt nun vor etwa 100 Jahren eine Person in Erscheinung, der uneingeschränkte Hochachtung für ihre Arbeit gebührt, die seinerzeit aber wohl nicht die entsprechende Würdigung erfahren hat: Cornelia Bruns mit ihren großartigen Übersetzungen von zwei grundlegenden völkerrechtlichen Werken. Zum einen handelt es sich um die Übersetzung des einflussreichen und klassischen Lehrbuchs des Völkerrechts Corso di diritto internazionale: Introduzione Teorie generali von Dionisio Anzilotti (1923), zum anderen um die Übertragung der völkerrechtskritischen Monographie The Lawless Law of Nations von Sterling E. Edmunds (1925).

Cornelia Bruns (um 1935)[2]

Das wirft an erster Stelle die Frage auf: Wer war Cornelia Bruns? Geboren wurde sie am 10. Februar 1888 als Mitglied der im rechtswissenschaftlichen Umfeld hoch renommierten „Bruns‑Familie“, nämlich als Enkelin von Karl-Georg Eduard Bruns, dem berühmten Rechtswissenschaftler und zeitweiligen Rektor der Berliner Universität. Dessen Bruder Victor Bruns war der Großvater von Viktor Bruns, dem Gründer des Kaiser‑Wilhelm‑Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (KWI). Cornelia Bruns, die seit frühester Jugend an einem zunehmenden Verlust ihres Hörvermögens litt, der schließlich zur völligen Gehörlosigkeit führte, legte 1907 ihr Lehrerinnen-Examen ab und hielt sich dann eine Zeitlang in England auf. Von 1925 bis 1949 lebte sie in Berlin, wo sie unter dem Direktorat von Viktor Bruns als Bibliothekarin im KWI arbeitete, einer Funktion, die sie nach dem Krieg unter Carl Bilfinger am MPIL in Heidelberg fortführte. Am 7. Mai 1965 starb sie in Heidelberg.

50. Geburtstag von Marie und Viktor Bruns (17.02.1935). Cornelia Bruns (dritte von links) und Mitarbeiterinnen des KWI führen bei Bruns zu Hause ein Theaterstück auf.[3]

Dies sind die wenigen Daten, die über den Lebenslauf von Cornelia Bruns bekannt sind. Weiter weiß man nur, dass sie sehr eng in die Bruns-Familie eingebunden war und von allen außerordentlich geschätzt wurde; unter ihrem Spitznamen „Tante Cörnchen“ findet sie an mehreren Stellen in den  Tagebüchern von Marie Bruns-Bode, der Ehefrau von Viktor Bruns, Erwähnung, insbesondere im Zusammenhang mit Feierlichkeiten in der Familie und am KWI.[4] Über ihre beruflichen Tätigkeiten wird dort nicht gesprochen; professionelle Aktivitäten sind ein Thema, das seinerzeit überwiegend mit Bezug auf Männer zur Sprache kam, und so ist auch in den Aufzeichnungen von Marie Bruns-Bode natürlich das Wirken von Viktor Bruns als Direktor des Instituts vorrangig.

Diese wenigen über das Leben von Cornelia Bruns bekannten Daten machen jedoch zumindest ihre Fähigkeit zu Übersetzungen aus dem Englischen nachvollziehbar: Die Tatsache, dass sie sich nach 1907 „einige Zeit“ in England aufhielt, erklärt ihre gründlichen Kenntnisse der englischen Sprache und damit ihre grundsätzliche Fähigkeit, das Werk des Amerikaners Edmunds zu übersetzen. Aber woher konnte sie Italienisch? Dass sie „Fremdsprachen lesen konnte“, findet sich an manchen Stellen in den von Rainer Noltenius edierten Aufzeichnungen von Marie Bruns-Bode erwähnt. Aber um welche Sprachen es sich handelte, erfährt man dort nicht. Das Erlernen von Fremdsprachen gehörte damals zwar durchaus zur „Ausbildung“ von Töchtern gehobener Kreise, aber dass das ausreichte, ein anspruchsvolles Lehrbuch aus dem Italienischen ins Deutsche zu übersetzen, ist zumindest nicht naheliegend. Ganz offensichtlich war Cornelia Bruns dazu in der Lage, vermutlich, weil sie sich aus eigener Initiative intensiv in die Sprache eingearbeitet hatte und zudem im Arbeitsumfeld des Bruns’schen Instituts auch beachtliche völkerrechtliche Kenntnisse erlangt hatte.

Anzilotti und Edmunds. Cornelia Bruns als Übersetzerin

Von großer Bedeutung für die deutschsprachige Völkerrechtswissenschaft war insbesondere ihre im Jahre 1929 erschienene Übersetzung der dritten Auflage von Band 1: Einführung – Allgemeine Lehren des Völkerrechtslehrbuchs von Dionisio Anzilotti. Die Bedeutung, die dieser deutschen Übersetzung des klassischen Lehrbuchs zukam, findet allerdings kaum Erwähnung, und noch weniger die Übersetzerin, die auch im von Anzilotti selbst verfassten Vorwort zur deutschen Übersetzung nicht namentlich genannt wird. Nachdem Anzilotti kurz auf die neuen, in die dritte Auflage eingefügten Entwicklungen im Völkerrecht verweist, widmet er der deutschen Übersetzung einen kurzen Absatz, der hier zitiert werden soll:

„Nachdem ich dies [die allgemeine Vorbemerkung und Neuerungen der 3. Auflage] vorausgeschickt habe, bleibt mir noch die angenehme Pflicht, Herrn Prof. Dr. Viktor Bruns, Direktor des Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Berlin, an dieser Stelle öffentlich meinen lebhaftesten Dank auszusprechen. Die große Mühe, die er sich gemacht hat, und die Art, wie er die nicht geringen Schwierigkeiten, die es zu überwinden galt, um die Übersetzung dieses Werks durchführen zu lassen, überwunden hat, verschaffen mir heute eine der größten Befriedigungen meiner wissenschaftlichen Laufbahn: der deutschen Öffentlichkeit ein Werk übergeben zu können, das der deutschen Rechtswissenschaft soviel verdankt.“ [5]

Wem Viktor Bruns die „Durchführung der Übersetzung überlassen“ hat, ergibt sich aus einer Anmerkung auf der Titelseite: „Vom Verfasser durchgesehene und autorisierte Übertragung nach der 3., erweiterten und revidierten italienischen Auflage von Cornelia Bruns u. Dr. Karl Schmid“.

Dr. Karl Schmid, besser bekannt als Carlo Schmid, war 1896 in Frankreich geboren und nahm 1919, nach seinem Dienst als Soldat im 1. Weltkrieg, sein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Tübingen auf. Dort legte er 1921 das Erste Staatsexamen ab; das Zweite Staatsexamen folgte 1924. Zunächst arbeitete er als Rechtsanwalt, trat dann aber schon 1925 als Amtsrichter und später Landgerichtsrat in Tübingen in den Justizdienst ein. Von 1927 bis 1928 war er für eine Tätigkeit als Referent am Berliner KWI beurlaubt. 1929 habilitierte er sich in Tübingen mit einer Arbeit über „Die Rechtsprechung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs“. Seine spätere Karriere als Politiker ist allgemein bekannt und bedarf an dieser Stelle keiner näheren Darstellung. Von Interesse ist hier aber seine Beteiligung an der Übersetzung des Lehrbuchs von Anzilotti, die deshalb von großer Bedeutung ist, weil er das juristische Fachwissen mitbrachte, das die sprachlichen Fähigkeiten von Cornelia Bruns ergänzte und in einem Prozess produktiven Zusammenwirkens beider an der Übersetzung beteiligter Institutsangehöriger ein Ergebnis von bemerkenswerter Qualität ermöglichte.

Dabei sollte jedoch erwähnt werden, dass Cornelia Bruns als Bibliothekarin am KWI (und zudem wohl durch Gespräche im Familienkreis) natürlich auch über einige Kenntnisse des Völkerrechts verfügte, was bei Bibliothekaren und Bibliothekarinnen auch heutzutage ein eindrucksvolles „Nebenprodukt“ ihrer Tätigkeit ist. Dennoch bleibt ihre Leistung als Übersetzerin herausragend, zumal die Übertragung von Texten aus dem Italienischen ins Deutsche, das wesentlich konziser und, wenn man so sagen darf, weniger ausschweifend ist, immer eine Herausforderung ist, vor allem weil der Stil des Autors so weit wie möglich authentisch wiedergegeben werden soll. Wenn man in das über 400 Seiten umfassende Buch hineinsieht, so zeigt sich, dass man heute wahrscheinlich einiges anders formulieren würde,  aber immer wird der juristische Gehalt absolut zutreffend und verständlich zum Ausdruck gebracht, die kennzeichnenden Unterschiede juristischer Termini und Institute und die damals noch wesentlich eingeschränkteren Bereiche des Völkerrechts, seiner Grundlagen und Entwicklungen sind klar dargestellt. Es stellte in den 1920er Jahren eine bedeutende bibliographische Bereicherung dar, ein solches Werk aus der Feder eines italienischen Völkerrechtlers verfügbar und zugänglich zu haben – neben den deutschen Standardwerken wie z.B. F. von Holtzendorff, Handbuch des Völkerrechts (4 Bände, 1885-1889) , F. Stier-Somlo, Handbuch des Völkerrechts (1912), sowie  H.B. Oppenheim, System des Völkerrechts (1866), J.C. Bluntschli, Das moderne Völkerrecht der zivilisierten Staaten als Rechtsbuch dargestellt (1878),  A. Quaritsch, Compendium des europäischen Völkerrechts (1913), K. Strupp, Grundzüge des positiven Völkerrechts (1928). Dies insbesondere auch deshalb, weil viele Rechtswissenschaftler fraglos in der Lage waren, englische und auch französische Werke zu lesen, Italienisch hingegen nicht zu den verbreiteten Fremdsprachen gehörte. An die rein praktischen Probleme der Übersetzung eines so umfangreichen Werks, ohne die heutzutage als selbstverständlich geltenden technischen Hilfsmittel, sei hier nur erinnert. Es darf als sicher gelten, dass Cornelia Bruns keinen Mitarbeiterstab hatte, der sie bei dieser riesigen Aufgabe unterstützte.

Cornelia Bruns‘ zweite, zeitlich vor der Übersetzung von Anzilottis Lehrbuch erschienene Übersetzung ist das Werk von Sterling E. Edmunds mit dem amerikanischen Originaltitel The Lawless Law of Nations. An Exposition of the Prevailing Arbitrary International Legal System in Relation to Its Influence Upon Civil Liberty, Disclosing It as the Last Bulwark of Absolutism against the Political Emancipation of Man (1925 in Washington erschienen). Schon der Titel lässt vermuten, dass das Werk keinklassisches Lehrbuch des Völkerrechts ist. Die deutsche Übersetzung des Titels „Das Völkerrecht – ein Pseudorecht“ verdeutlicht, dass es sich um eine sehr kritische, ja insgesamt deutlich ablehnende, Abhandlung zur damaligen Lage der zwischenstaatlichen Ordnung handelt, in der insbesondere „das Völkerrecht, so wie es gemeinhin gelehrt und praktisch angewendet wird, in seinem Einfluß und seinen Wirkungen auf die menschliche Freiheit“ (Vorbemerkung des Verfassers, S. IV der deutschen Übersetzung) dargestellt werden sollte.[6]

Professor Sterling E. Edmunds, nach Stationen als Journalist und Mitarbeiter des State Department bei Erscheinen seines Buches Völkerrechtslehrer („Lecturer on the law of nations“) an der St. Louis University School of Law, machte schon in der Vorbemerkung aus seiner Ablehnung gegenüber dem damaligen Stand des Völkerrechts keinen Hehl: „In dem vorliegenden Buch glaube ich den vollkommenen Widerspruch zwischen dem herrschenden System des Völkerrechts und dem freien Fortschritt des Menschen als eines sittlichen und sozialen Wesens dargetan zu haben. Dabei mußte ich allerdings feststellen, daß das Völkerrecht überhaupt kein Zweig der Rechtswissenschaft ist; ich war infolgedessen genötigt, mich insoweit von meinen Berufsgenossen zu trennen. Ich hoffe aber und vertraue darauf, daß einige von ihnen […] mit mir einen sicheren Weg suchen werden, der weniger durch politische Raubtiere gefährdet ist, für die der Mensch bisher nichts anderes war als ein willkommener Leckerbissen“.[7]

Ob diese Bemerkungen bereits als Ausgangspunkt der menschenrechtlich fokussierten Entwicklung des Völkerrechts anzusehen sind, soll hier nicht näher vertieft werden. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Kritik des Verfassers sich im Wesentlichen auf die kriegerischen Auseinandersetzungen richtet und dass, so schlussfolgert er, „die Herrschaft eines wahren Völkerrechts“ erst beginnen könne, wenn es auf der Basis „der Anwendung jener Grundsätze der Gerechtigkeit und des Anstands auf die Gemeinschaftsbeziehungen beruht, die vernünftige Menschen in ihren persönlichen Beziehungen anzuwenden gelernt haben  – an Stelle eines Systems des Scheines, der Vorrechte, der Gewalt, das den künstlichen Ungeheuern angepaßt ist, die sich souveräne Staaten nennen“ (S. 442 der Werkes in den Schlussbemerkungen).[8]

Edmunds‘ idealistische Vorstellung einer progressiven Entwicklung der Staatengemeinschaft ist fast anrührend, bestärkt jedoch eher den Gedanken, dass das Völkerrecht gerade dazu aufgerufen ist, die Beziehungen der Staaten­ der „künstlichen Ungeheuer“‑ in einer Welt, die nun einmal nicht ideal ist, zu regeln. Die Übersetzung des unmittelbar nach Erscheinen intensiv rezipierten, unter anderem im American Journal of International Law von Jackson L. Ralston kritisch besprochenen Buches war nicht vom KWI „veranlasst“ worden, sondern ging auf einen Wunsch des Verfassers selbst zurück, der „durch Vermittlung des Herrn Professor Hermann Heller (jetzt an der Universität Frankfurt/Main)“ erfüllt wurde. Das ergibt sich aus der „Vorbemerkung der Übersetzerin“, die dem Buch vorangestellt ist und die zudem den Dank der Übersetzerin an die Personen zum Ausdruck bringt, die sie bei der Fertigstellung der Arbeit mit ihrem Fachwissen besonders unterstützt haben. Offiziell ist Cornelia Bruns auf der Titelseite des Werks erwähnt mit den auch in der Anzilotti-Übersetzung verwendeten Worten: Autorisierte Übersetzung des amerikanischen Werks The Lawless Law of Nations (1925) von Cornelia Bruns.

Fast ein Jahrhundert nach ihrer Fertigstellung werden diese kenntnisreichen und durch hohe sprachliche Sensibilität ausgezeichneten Arbeiten der Übersetzerin Cornelia Bruns hier erstmals gewürdigt und erinnern daran, dass die Wissenschaft, nicht nur die Rechtswissenschaft, zu ihrer Entwicklung auch heute noch nicht allein die innovativen wissenschaftlichen Fachleute und Denker braucht, sondern auch die eher „stillen Unterstützer“ im Hintergrund.  Die Anerkennung für ihren Einsatz schließt dieses kurze Gedenken an Cornelia Bruns ein.


[1] VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/29, AMPG.

[2] VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/27, AMPG.

[3] Fotografin: Lore Feininger, Berlin: VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/22, AMPG.

[4] Rainer Noltenius (Hrsg.), Mit einem Mann möcht ich nicht tauschen. Ein Zeitgemälde in Tagebüchern und Briefen der Marie Bruns-Bode (1885-1952), Berlin: Reimer 2018.

[5] Dionisio Anzilotti, Lehrbuch des Völkerrechts. Band 1: Einführung – Allgemeine Lehren, Autor. Übers. Cornelia Bruns / Dr. Karl Schmid, Berlin: De Gruyter 1929, IV.

[6] Sterling, E. Edmunds, Das Völkerrecht – ein Pseudorecht, Autor. Übers. Cornelia Bruns, Berlin: De Gruyter 1933, „Vorbemerkung des Verfassers“, IV.

[7] Sterling (Fn. 6), „Vorbemerkungen des Verfassers“, IV.

[8] Sterling (Fn. 6), „Schluss“, 442.

 

Suggested Citation:

Karin Oellers-Frahm, Cornelia Bruns. Eine wohlverdiente, wenn auch späte, Würdigung, DOI: 10.17176/20240327-140753-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

English

Cornelia Bruns, photo taken around 1935[1]

When celebrating the 100th anniversary of the Institute for Comparative Public Law and International Law, the focus is of course on the development of international law and comparative law. What is rarely questioned is the purely practical problems that scholars faced at that time in capturing the state of the developments. This is because international law, as the term clearly indicates, refers to inter-state legal relations and legal rules, which presupposes an exchange between scholars from the individual states in order to know the state of the law and the consensual approaches to its further development – one need only consider the emergence of customary law.

This sounds logical and self-evident, but it presented a hurdle that should not be underestimated: the language barrier. While today English can be considered the “language of international law” or of academia per se, 100 years ago this was completely different. Access to foreign-language literature was therefore problematic and there were hardly any translations into German, especially as German was considered a particularly difficult language. In addition, translations of specialist texts, such as academic papers on questions of international law or comparative legal analyses, not only require a comprehensive command of a foreign language, but also in-depth knowledge of the subject area being translated. This is because terms that at first glance do not pose any translation problems can actually have different meanings in legal terms.

Thus, for example, the term “acte administratif” in French law, which suggests the translation “Verwaltungsakt” (administrative act), may serve as an example. However, this translation would lead to major misunderstandings, as the “Verwaltungsakt” in German law is an act that concerns a specific individual or a specific group of addressees, i.e. an “Einzelverfügung” (individual decree), whereas the “acte administratif” in French refers to an “Allgemeinverfügung” (general decree). This makes it clear that specialist translations require not only language skills, but also specialist knowledge. However, linguistically gifted experts had (and have) little interest in translating the work of other scientists rather than producing their own publications; people with a thorough knowledge of foreign languages, however, usually lack the necessary specialist knowledge.

“Tante Cörnchen”: Cornelia Bruns between family and institute

Against this backdrop, around 100 years ago, a person emerged who deserves the highest respect for her work, but who probably did not receive the appropriate recognition at the time: Cornelia Bruns, with her magnificent translation of two fundamental works of international law. The first is the translation of the influential and classic textbook on international law Corso di diritto internazionale: Introduzione-Teorie generali by Dionisio Anzilotti (1923), and the second is the translation of Sterling E. Edmunds’s controversial monograph critical of international law, The Lawless Law of Nations (1925).

Cornelia Bruns (around 1935)[2]

First and foremost, this raises the following question: who was Cornelia Bruns? Born on February 10, 1888, she was a member of the highly renowned “Bruns family” of legal scholars, namely she was the granddaughter of Karl-Georg Eduard Bruns, the famous legal scholar and temporary rector of Berlin University.  His brother, Victor Bruns, was the grandfather of Viktor Bruns, the founder of the Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law. Cornelia Bruns, who suffered from an increasing loss of hearing from an early age, which eventually led to complete deafness, passed her teacher’s examination in 1907 before residing in England for some time. From 1925 to 1949 she lived in Berlin, where she worked under the directorship of Viktor Bruns as a librarian at the Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law, a position which she then continued after the war under Carl Bilfinger at the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law in Heidelberg. She died in Heidelberg on May 7, 1965.

The 50th birthday of Marie and Viktor Bruns (17 February, 1935). Cornelia Bruns (third from left) and KWI employees perform a play at the Bruns’ home.[3]

These are the few details that are known about Cornelia Bruns’ life. Beyond that, we only know that she was very closely involved in the Bruns family and was held in extremely high esteem by everyone; she is mentioned in several places in the diaries of Marie Bruns-Bode, the wife of Viktor Bruns, under her nickname “Tante Cörnchen” (“Mit einem Mann möcht ich nicht tauschen” (“I wouldn’t swap places with a man”), particularly in connection with celebrations in the family and at the Kaiser Wilhelm Institute.[4] There is no mention of her professional activities; professional activities are a topic that was predominantly discussed in relation to men at the time, and so Marie Bruns-Bode’s notes naturally focus on Viktor Bruns’ work as Director of the Institute.

However, the few biographical details known about Cornelia Bruns’ life at least make her ability to translate from English comprehensible, and the fact that she spent “some time” in England after 1907 explains her thorough knowledge of English and thus her general ability to translate the work of the American Edmunds. But how did she know Italian? The fact that she “could read foreign languages” is mentioned in some places in Marie Bruns-Bode’s notes, edited by Rainer Noltenius. Yet we are not told which languages these were. Learning foreign languages was certainly part of the “education” of daughters of the upper classes at the time. But whether this was enough to translate a sophisticated textbook from Italian into German remains unclear. Cornelia Bruns was obviously in a position to do so, presumably because she had familiarized herself intensively with the language on her own initiative and was also able to develop considerable knowledge of international law in the working environment of the Bruns Institute.

Anzilotti and Edmunds. Cornelia Bruns as translator

Her translation of the third edition of Volume 1: Introduction – General Doctrines of Dionisio Anzilotti’s textbook on international law, published in 1929, was of particular importance for German-speaking scholars of international law.  However, the importance of this German translation of the classic textbook is hardly mentioned, and even less so the translator, who is not even mentioned by name in the preface to the German translation written by Anzilotti himself. After Anzilotti briefly refers to the new developments in international law included in the third edition, he devotes a short paragraph to the German translation, which is quoted here:

“Having said this [the general preliminary remarks and new features of the 3rd edition], it falls to me to take this opportunity to publicly express my most sincere thanks to Prof. Dr. Viktor Bruns, Director of the Institute for Foreign Public Law and International Law in Berlin. The great effort he made and the way in which he overcame the not inconsiderable difficulties that had to be overcome in order to have this work translated today give me one of the greatest satisfactions of my academic career: to be able to hand over to the German public a work that is so greatly indebted to German jurisprudence.”[5]

Who Viktor Bruns “left the translation to” is clear from a note on the title page: “Transmission reviewed and authorized by the author after the 3rd, expanded and revised Italian edition by Cornelia Bruns u. Dr. Karl Schmid”.

 

Dr. Karl Schmid, better known as Carlo Schmid, was born in France in 1896 and began studying law and political science at the University of Tübingen in 1919 after serving as a soldier in the First World War. He passed his first state examination there in 1921; the second state examination followed in 1924. He initially worked as a lawyer, but then joined the judiciary in 1925 as a municipal judge and later state court judge in Tübingen. From 1927 to 1928, he was on leave of absence to work as a lecturer at the Kaiser Wilhelm Institute for Foreign Public Law and International Law in Berlin. In 1929, he habilitated in Tübingen with a thesis on “The Jurisdiction of the Permanent Court of International Justice”. His later career as a politician is commonly known and does not need to be described in detail here. Of interest here, however, is his involvement in the translation of Anzilotti’s textbook, which is of great importance because he brought with him the legal expertise that complemented Cornelia Bruns’ linguistic skills and, in a process of productive cooperation between the two members of the Institute involved in the translation, produced a result of remarkable quality.

It should be mentioned, however, that Cornelia Bruns, who worked as a librarian at the Kaiser Wilhelm Institute (and probably also through conversations within her family), naturally also had some knowledge of international law, which is an impressive “by-product” of the work as a librarian even today. Nevertheless, her achievement as a translator remains outstanding, especially given that the translation of texts from Italian into German, which is far more concise and, if one may say so, less verbose, is always a challenge, above all due to the fact that the author’s style must be reproduced as authentically as possible. If you look through the book of over 400 pages, you will see that some things would probably be formulated differently today, but the legal content is always expressed in an absolutely accurate and understandable way, and the characteristic differences in legal terms and institutions and the areas of international law, its foundations and developments, which were still much more limited at the time, are clearly portrayed. In the 1920s, it was a significant bibliographical enrichment to have such a work from the hand of an Italian scholar of international law available and accessible in a German translation – alongside the standard German works such as F. von Holtzendorff, Handbuch des Völkerrechts (4 vols., 1885-1889), F. Stier-Somlo, Handbuch des Völkerrechts (1912), H.B. Oppenheim, System des Völkerrechts (1866), J.C. Bluntschli, Das moderne Völkerrecht der zivilisierten Staaten als Rechtsbuch dargestellt (1878), A. Quaritsch, Compendium des europäischen Völkerrechts (1913), and K. Strupp, Grundzüge des positiven Völkerrechts (1928). This was especially the case as many legal scholars were able to read English and French works whereas Italian was not a common foreign language. The purely practical problems of translating such an extensive work without the technical aids that are taken for granted today are recalled here. It is safe to say that Cornelia Bruns had noor nearly no staff to support her in this enormous task.

Cornelia Bruns’ second translation, published before the translation of Anzilotti’s textbook, is the work by Sterling E. Edmunds with the original American title The Lawless Law of Nations. An Exposition of the Prevailing Arbitrary International Legal System in Relation to Its Influence Upon Civil Liberty, Disclosing It as the Last Bulwark of Absolutism against the Political Emancipation of Man (published in Washington in 1925). The title alone suggests that this is not a classic textbook on international law. The German translation of the title – “Das Völkerrecht – ein Pseudorecht” – illustrates that it is a very critical, indeed overall distinctly negative work on the state of international order at the time, in which in particular  “…a work on International Law or The Law of Nations, as it is taught and practiced, in relation to its influence and effect upon human liberty”.[6]

Professor Sterling E. Edmunds, after working as a journalist and as a clerk in the State Department, was a lecturer on the law of nations at the St. Louis University School of Law when his book was published: “In this volume I feel that I have demonstrated the complete oppugnancy between the prevailing system of the Law of Nations and the free progress of man as a moral and social being. In doing so I have been compelled to deny that The Law of Nations is, in fact, a branch of jurisprudence, and thus to part company with my professional brethren in this field. However, I entertain the hope and belief that some of them … will … seek with me a safer route, less infested by political carnivora for whom up to now man has been but a feast.”[7]

Whether these remarks can already be seen as the starting point for the development of international law with its focus on human rights will not be discussed in detail here. However, it is noteworthy that the author’s criticism is essentially directed at armed conflicts and concludes that “the reign of a true Law of Nations” can only begin when it is “founded upon the application to collective relations of those fundamentals of justice and decency which reasonable men have learned to apply in their individual relations – not the fictitious and privileged system of violence adapted to those artificial monstrosities called Sovereign States”.[8]

Edmunds’ idealistic notion of a progressive development of the community of states is almost touching, but tends to reinforce the idea that international law is called upon to regulate the relations of states, the artificial beasts, in a world that is, after all, not ideal. The translation of the book, which was intensively received immediately after its publication and critically reviewed by Jackson L. Ralston in the American Journal of International Law, among others, was not “initiated” by the Kaiser Wilhelm Institute, but was the result of a request by the author himself, which was fulfilled “through the mediation of Professor Hermann Heller (now at the University of Frankfurt/Main)”. This is stated in the “Translator’s Preliminary Remarks” at the beginning of the book, which also expresses the translator’s gratitude to the people who have given her special support in completing the work with their specialist knowledge. Cornelia Bruns is officially mentioned on the title page of the work with the words also used in the Anzilotti translation: Authorized translation of the American work The Lawless Law of Nations (1925) by Cornelia Bruns.

Almost a century after their completion, these works by the translator Cornelia Bruns, which are both informative and distinguished by a high degree of linguistic sensitivity, are honored here for the first time and remind us that science, not only jurisprudence, continues today to require not only innovative scientific experts and thinkers for its development, but also the more “silent supporters” in the background.  This short memorial to Cornelia Bruns for her efforts is a tribute to them.

Translation from the German original: Sarah Gebel


[1] VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/29, AMPG.

[2] VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/27, AMPG.

[3] Photographer: Lore Feininger, Berlin, VI. Abt., Rep. 1, No. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/22, AMPG.

[4] Rainer Noltenius (ed.), Mit einem Mann möcht ich nicht tauschen. Ein Zeitgemälde in Tagebüchern und Briefen der Marie Bruns-Bode (1885-1952), Berlin: Reimer 2018.

[5] Dionisio Anzilotti, Lehrbuch des Völkerrechts. Band 1: Einführung – Allgemeine Lehren, Autor. Übers. Cornelia Bruns / Dr. Karl Schmid, Berlin: De Gruyter 1929, IV.

[6] Sterling, E. Edmunds, The Lawless Law of Nations. An Exposition of the Prevailing Arbitrary International Legal System in Relation to Its Influence Upon Civil Liberty, Disclosing It as the Last Bulwark of Absolutism against the Political Emancipation of Man, Washington D.C.: J. Byrne 1925, „Prefatory Note“, V.

[7] Sterling (fn. 6), „Prefatory Note“, IV.

[8] Sterling (fn. 6), “Conclusion”, 427.

Suggested Citation:

Karin Oellers-Frahm, Cornelia Bruns. A Well-Deserved, Albeit Belated, Tribute, DOI: 10.17176/20240327-140838-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED