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Nische oder Relais? Das Schwester-KWI für ausländisches und internationales Privatrecht, 1933 bis 1939, mit Blick auf das KWI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Niche or Relay? The “Sister” KWI for Comparative and International Private Law, 1933 to 1939, with a View to the KWI for Comparative Public Law and International Law

Kolorierte Postkarte des Berliner Schlosses 1913 von der Spree gesehen. Auf dieser Seite war ab 1926 das KWI für ausländisches und internationales Privatrecht untergebracht (Foto: gemeinfrei)

Deutsch

Was verbindet Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Völkerrecht in der NS-Zeit? Als These formuliert, verbindet die beiden juristischen Kaiser-Wilhelm-Institute (KWI) der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), dass sie keine unpolitischen oder bedingt freien Räume in der Diktatur darstellten. Sie waren in erster Linie Relais der NS-Herrschaft, nur in wenigen Hinsichten Nischen.

Dies zu untersuchen, heißt bestimmte Fragen zu stellen: Wie gestaltete sich Handlungsspielraum im Übergang zur NS-Diktatur und bei ihrer Etablierung? Wie liefen Feedback-Prozesse in den Instituten sowie zwischen Instituten, Politik und Rechtsprechung ab? Wo lagen die Grauzonen von Resilienz? Diese Fragen werden im Folgenden in den zeit- und wissenschaftsgeschichtlichen Forschungskontext eingeordnet. Im Mittelpunkt des Interesses steht, welche methodischen Erfahrungen nicht für die weitere Erforschung der Institutsgeschichte des Völkerrechts-KWI geeignet scheinen und warum nicht. Daraus ergeben sich diskussionsorientierte Thesen und Vorschläge für geeignete Aspekte einer Instituts- als exemplarischer Zeit- und Wissenschaftsgeschichte.

Der Forschungsstand, seine Lücken und blinden Flecken

Der Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die Beschäftigung mit dem privatrechtlichen Berliner Schwester-Institut, dem 1926 gegründeten und bis 1937 von dem Romanisten und Rechtsvergleicher Ernst Rabel (1874–1955) geleiteten Berliner KWI für ausländisches und internationales Privatrecht.[1] Sie erfolgte im Rahmen des seinerzeitigen Forschungsverbundes der Präsidentenkommission der Max-Planck-Gesellschaft zur Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft am Frankfurter MPI für europäische Rechtsgeschichte. Die ebenfalls in diesem Zusammenhang geplante Parallelstudie über das Schwester-KWI für Völkerrecht ist bekanntermaßen leider nicht zustande gekommen.[2]

Gründungsdirektor Ernst Rabel (1874-1955) wurde 1937 aus dem Amt gedrängt (Foto: AMPG)

2007 erschienen die letzten beiden institutsgeschichtlichen Bände der MPG-Präsidentenkommission. Zum einhundertjährigen Gründungsjubiläum der KWG/MPG 2011 legten Eckart Hennig und Marion Kazemi eine 2016 Gesamtbilanz in mehreren Teilen vor.[4] Diese macht einerseits den Erkenntnisgewinn seit Beginn der intensiven Forschungsbemühungen um die Geschichte der KWG, insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus, seit den 1990er Jahren unter Rudolf Vierhaus und Bernhard vom Brocke, andererseits die noch offenen Forschungsdesiderate sichtbar. Das Institutionengefüge ist damit gut dokumentiert. Auf dieser Grundlage stellen sich allerdings erst die eigentlichen Fragen.

Die Geschichte der deutschen Großforschungs- und Wissenschaftsförderungslandschaft seit der Weimarer Republik war durch deren Relevanz für die Ermöglichungsgeschichte der NS-Herrschaft, des Zweiten Weltkriegs und Zivilisationsbruchs immer ein besonderer Bereich der Zeit- und Wissenschaftsgeschichte. Bei ihrer Erforschung kamen traditionell quellennahe investigative und stark dokumentarisch ausgerichtete historische Methoden zum Einsatz. Das führte zu einer gewissen Spannung gegenüber der, unter anderem. am Berliner MPI für Wissenschaftsgeschichte vertretenen, Richtung einer eher wissenschaftstheoretischen Wissenschafts- als Wissens- und Kulturgeschichte. Fragen nach Handlungsspielraum, Feedback und Resilienz in einem KWI in der Konsolidierungs- und Kriegsvorbereitungsphase der NS‑Diktatur haben zwar auch etwas mit Kultur und Wissen zu tun, gehen aber nicht darin auf. Das gilt insbesondere für die Rechtsgeschichte. Wenn sie von dem abgetrennt betrachtet wird, was Florian Meinel den „Möglichkeitsraum des Politischen“ genannt hat, geht ihre zeitgeschichtliche Dimension verloren. Privat- und Völkerrecht sind aber genuin politisch, insbesondere dann, wenn sie institutionengeschichtlich in einer totalitären Diktatur betrachtet werden.

Don‘ts: Die Diktatur zur Diskurs- und Wissensgeschichte machen

Diesen Weg sollte die KWI-Geschichte eher nicht gehen: den einer invasiven und theorielastigen Kulturgeschichte in der Form einer Diskurs- oder Wissensgeschichte auf dem Nenner von konstruktivistischer Kommunikation. Ernst Rabel, in seiner Bedeutung als Ausnahmewissenschaftler sicherlich mit Max Weber vergleichbar, hat das rechtsvergleichend strukturierte IPR seiner Zeit verkörpert, nicht erfunden. Seine Fähigkeit zum Überblicken des problembezogenen Lösungsvorrats ganzer Rechtssysteme hat nicht nur einen gelehrten Diskurs, sondern wesentliche Anteile des Welthandelsrechts und der internationalen Rechtsprechungspraxis direkt ermöglicht. An vielen Kodifikationen und Urteilen war Rabel beteiligt. Weder seine Leitung des Privatrechts-KWI bis 1937 noch seine Emigrationsgeschichte in den USA oder sein Remigrantenschicksal nach 1945 sind eine Redeweise. Ähnliches lässt sich über die vergleichbare Verfolgungsbiographie von Erich Kaufmann sagen. Rabel war trotz seiner Illusionen über seine Unabhängigkeit und Nützlichkeit nach 1933 ein prominentes Opfer des universalrassistischen NS-Staats. Um Ambivalenz dieser Art und Größenordnung darzustellen, braucht die KWI-Geschichte keine Reformulierung gemäß der als Zitierstandard allgegenwärtigen Akteur-Netzwerk-Theorie und auch keine Wissensgeschichte des Internationalen Privatrecht oder des Völkerrechts, sondern eine Menge an einfühlender Verständnisbereitschaft. Das ist etwas anderes als Diskurstheorie oder Apologetik.

Do‘s: Umgang mit harten Akten und weichen Selbstverständnissen: Wonach sollte man suchen?

Aktenfunde aus dem Institutskeller[5]

Für eine Geschichte des Völkerrechts-KWI von der Weimarer Republik bis in die Zeit der jungen Bundesrepublik sind investigative Studien,  unter anderem ausgehend vom KWG‑/MPG-Aktenbestand, zur personellen Verflechtung von juristischen Fakultäten, KWG sowie nationaler und internationaler Politik von Interesse: Wen zieht das KWI an und wo bleibt das KWI-Personal? Insbesondere für die Fragen der rechtsförmigen internationalen Politik bietet sich das bewährte methodische Instrumentarium der politischen Zeitgeschichte an, wenn es auf die Kontextualisierungsschärfe von case studies zu Personen oder Problemen staatlichen und multilateralen Handelns ankommt. Die Politikwissenschaft hat ihre Stärke im Sichtbarmachen von Strukturen von Staatlichkeit und Multilateralität, was im Unterschied zur historistischen Perspektive durch die Bereitstellung idealtypischer Verläufe und Prozesse den Vergleich ermöglicht. Mikro‑Analysen zur Publizistik, Regierungsberatung und Schiedsgerichtspraxis sollten die Relevanz- und Selbstbildkonstruktionen sowohl der Völkerrechtswissenschaft wie der Regierungspraxis berücksichtigen und mit Blick auf die zeitgeschichtliche Bedeutung der KWI-Geschichte auch für den nicht-fachjuristischen Verständnishorizont verständlich machen.

Es ist auch sinnvoll, die besondere Rolle eines KWI-Direktors am Beispiel von Viktor Bruns und seines Amtsverständnisses für das von ihm vertretene Fach darzustellen und dies in Verhältnis zum Gruppen- und Verlaufsbild der hauptamtlichen Referenten und der Entwicklung ihrer Arbeitsgebiete in Demokratie und Diktatur zu setzen. So trivial es erscheint, so hilfreich kann es dabei sein, typische Arbeitsprozesse, Ressort-Zuständigkeiten und Routinen zu rekonstruieren, um das KWI als interagierendes, reagierendes System zu verstehen, das einerseits auf bestehende wissenschaftliche, administrative und politische Strukturen gestützt ist, andererseits durch seine Tätigkeit zugleich als besonders ausgestattete und prestigereiche, international sichtbare Großforschung Einfluss auf diese nimmt. Es gab einige Mitarbeiter, die in beiden KWIs tätig waren, was die damals noch nicht ganz etablierten Fachgrenzen spiegelte: Alexander N. Makarov war ab 1928 an beiden KWIs tätig, von 1945 bis 1956 am Tübinger MPI; der überzeugte Nationalsozialist Friedrich Korkisch ab 1949 am Privatrechtsinstitut; Wilhelm Wengler ab 1935 am Privatrechts- und ab 1938 zusätzlich am Völkerrechts-KWI; Marguerite Wolff, Ehefrau von Martin Wolff, von 1924 bis 1933 als Referentin am Völkerrechtsinstitut. Die Familien Wolff und Bruns waren eng befreundet. Zudem scheint man einen gemeinsamen Mittagstisch beider Institute gehabt zu haben. Auch die Bibliothek wurde wohl geteilt.[6]

Ein Indikator für letzteres ist jedenfalls beim Privatrechts-KWI das latente Faszinations- und Spannungsverhältnis zur deutschen universitären Rechtsvergleichung und international privatrechtlichen Wissenschaft, die in Rabels Institut immer auch eine politisch stark bevorzugte, hervorragend ausgestattete Konkurrenz sah.

Wie ermöglichten Internationales Privat- und Völkerrecht Diktatur und Krieg?

Der politikgeschichtliche Leitbegriff des Handlungsspielraums zielt unter anderem seit Ludolf Herbst in der Analyse der NS-Gesellschaft darauf ab, Interaktion und Interdependenz zu rekonstruieren. Wie werden bestimmte soziale Rollen wahrgenommen? Wie verändern sie sich als professionelle Leitbilder und Tätigkeitsprofile im Übergang von der Weimarer Republik zur NS-Diktatur hinsichtlich der Selbst- und Fremddefinition? Welche Strategien der Autonomiewahrung gab es und wovon hingen sie ab? Waren sie erfolgreich und wie lange? Welches Image hatten und gestalteten sie? Wozu wurde die Autonomie genutzt oder nicht genutzt?

Eine solche Herangehensweise vermeidet eine Schwarz-Weiß-Gegenüberstellung des ideologischen NS-Herrschaftsanspruchs und der mehr oder weniger gleichgeschalteten professioneller KWI-Alltagsrealität in einem sehr spezifischen gesellschaftlichen Subsystem. Sie ermöglicht die Darstellung von Ambivalenz und Graustufigkeit, zum Beispiel im Bereich der taktischen Anpassung und bedingten Konformität. 

Widerstandsgeschichte: Weniger Schwarz-Weiß, mehr Grau

Berthold von Stauffenberg (rechts) mit Frau Schmitz, Ehefrau des stellvertretenden Institutsleiters Ernst Martin Schmitz (links) auf der Betriebsfeier 1939[7]

Graustufensensibilität ist in allen NS-geschichtlichen Fragen der Gegensatz zur ahistorischen polaren Gegenüberstellung von Konformität versus Nonkonformität. Die deutsche, legitimitätsressourcenspendende Widerstandsgeschichte, vor allem verkörpert in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand Berlin, petrifiziert ein gleichsetzendes, moralisierendes Heldenpantheon aller Formen des deutschen Widerstands, von dem sich die Fragstellungen der kritischen Zeitgeschichte seit Jahrzehnten nicht nur entfernt, sondern distanziert haben. Da die Geschichte des Völkerrechts-KWI mit der professionellen Biographie von Berthold Graf Schenck von Stauffenberg (1905–1944) verbunden ist, stellt sich die Frage nach dem Umgang mit der Widerstandsproblematik mit besonderer Dringlichkeit. Zielführend für eine kritische Einordnung von Resilienz und Nonkonformität in bestimmten sozialen Rollen scheint eine genaue Rekonstruktion des persönlichen, professionellen und institutionellen Kontexts und der Verzicht auf jede Form der moralische Überhöhung.

Widerständig Handelnde in der NS-Diktatur entschieden sich nicht einmal und für den Widerstand, sie mussten das immer wieder und gegen wachsenden Verfolgungsdruck und um den Preis wachsender existenzieller Isolierung tun. Im Umfeld eines Widerständigen gab es Mitwissen und wegsehende Duldung, die sehr schwer quellengestützt zu fassen, aber gleichwohl Teil des Phänomens sind. Trotzdem oder gerade deshalb bleibt die Geschichte des Widerstands eine Geschichte von Einzelnen und ihren Entscheidungen, die sich nicht bequem verallgemeinern lässt. Jede übergriffige Moralisierung sagt mehr über diejenigen aus, die sie betreiben, als über die zu untersuchende Zeit. Das wird dem Ernst der Sache nicht gerecht.

Nischen und Anpassung: die Illusion der Immunität und die Realität der Diktatur

Bis heute Bestandteil der institutsinternen Erinnerungskultur: 1935 von Frank Mehnert gefertigte Büste Berthold von Stauffenbergs im Foyer des MPIL[8]

Handlungsspielraum in institutionellen Gefügen hat immer etwas mit Bedarf und Nützlichkeit zu tun. Das sind keine festen, sondern, auch in einer totalitären Diktatur, aushandlungsabhängige Größen. Hierarchien, gedachte Ordnungen und Charisma haben darauf einen Einfluss. Dass die KWG-Verwaltung den KWI-Direktor Ernst Rabel bis 1937 im Amt gehalten hat, obwohl das in Anwendung der Nürnberger ,Rasse‘-Gesetze ausgeschlossen war, ist ein Beispiel. Rabels Bleiben hing an der Protektion durch den ebenfalls 1937 von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängten deutschnationalen KWG-Generaldirektor Friedrich Glum, in der sich Loyalität und Funktionalität vermischten. Rabel war aufgrund seines hohen internationalen Ansehens für Glum, aber auch für Teile der NS-Regierung, attraktiv. Vorschnelle Intentionalisierung von Handlungsspielräumen kann zu prekären Verzeichnungen einer grauen und verstrickungsreichen Wirklichkeit führen.

An den Jahrgängen 1933 bis 1937 der Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, der KWI-Institutszeitschrift, lässt sich die Verschiebung des Veröffentlichungsklimas thematisch und stilistisch gut dokumentieren. Zwar boten die verschiedenen Textgenres von thematischen Hauptartikeln, Rechtsprechungsberichten, Literaturüberblicken und Rezensionen noch ein gewisses Meinungsspektrum. Allerdings nimmt der nationalsozialistische Tenor eindeutig nicht nur zu, sondern wird bildbestimmend. Aufgrund der großen internationalen Wahrnehmung der KWI-Zeitschrift fällt es auf, wenn im Jahrgang 1935 unter anderem die „Idee des Führertums“ ein verbindendes Leitmotiv für komplexe Beiträge der Kartellrechtsregulierung abgeben soll. Rollenverteilung innerhalb der Ressorts des KWI, aber auch persönliche Präferenzen ergeben so Bild einer schiefen Ebene, an deren Ende der Versuch eines Nützlichkeitserweises für die NS-Kriegs- und Großraumwirtschaft in dem von der Wehrmacht besetzten, ausgeplünderten und terrorisierten Europa steht. „Insofern bleibt von der Vorstellung nichts übrig, das Institut habe fern der Politik ,nur‘ Fragen des Privatrechts erforscht.“[9]

[1] Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 1926 –1945, Göttingen: Wallstein 2004.

[2] Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (Hrsg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandaufnahme und Perspektiven der Forschung, Göttingen 2000, Bd. 2, 490-528.

[3] Foto: AMPG.

[4] Teil I: Eckart Henning/Marion Kazemi, Chronik der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911-2011 – Daten und Quellen, Berlin: Duncker & Humblot 2011; Teil II: Eckart Henning/Marion Kazemi, Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911– 2011 – Daten und Quellen, 2 Teilbände, Berlin: Duncker & Humblot 2016.

[5] Foto: MPIL.

[6] Für diese Hinweise danke ich Philipp Glahé.

[7] VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/37.

[8] Foto: MPIL.

[9] Michael Stolleis, Vorwort, in: Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 1926 –1945, Göttingen: Wallstein 2004, 9-10, 10.

Zitierte Literatur:

Rüdiger Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, 2 Bände, Göttingen: Wallstein 2007.

Helmut Maier, Forschung als Waffe. Rüstungsforschung in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung, 2 Bände, Göttingen: Wallstein 2007.

Rolf-Ulrich Kunze, Die Studienstiftung des deutschen Volkes seit 1925. Zur Geschichte der Hochbegabtenförderung in Deutschland, Berlin: Akademie Verlag 2001.

Florian Meinel, Vertrauensfrage. Zur Krise des heutigen Parlamentarismus, München: C.H. Beck 2019.

Ludolf Herbst, Deutschland 1933–1945. Die Entfesselung der Gewalt: Rassismus und Krieg, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996.

English

What is the connecting element of comparative law, private international law and international law in the Nazi era? Laid out as a thesis, the two juridical Kaiser Wilhelm Institutes (Kaiser-Wilhelm-Institute, KWI) of the Kaiser Wilhelm Society (Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, KWG) are comparable insofar that they did not represent apolitical or conditionally free spaces in the National Socialist dictatorship. They were primarily relays of Nazi rule, niches only in a few respects.

Investigating this means asking certain questions: What room for manoeuvre existed during the transition to the Nazi dictatorship and during its establishment? How did feedback processes take place within the institutes and between them, polity, and jurisdiction? Where lay the grey areas of resilience? In the following, these questions are embedded within the research context of contemporary history and history of science. The focus of interest is on which methodological experiences do not seem suitable for further research into the history of the International Law KWI and why not. From that, discussion-orientated theses and suggestions for apt aspects of an institute history as an exemplary contemporary and academic history are derived.

The State of Research, its Gaps and Blind Spots

The starting point for these considerations is the study of the Berlin “sister” institute, the KWI for Comparative and International Private Law[1], which was founded in 1926 and, until 1937, led by the romanicist and comparative law scholar Ernst Rabel (1874-1955). It was carried out in the context of the research network of the Max Planck Society’s Presidential Commission on the History of the Kaiser Wilhelm Society at the Frankfurt MPI for Legal History. A complimentary study on the “sister” institute for international law, which was also planned in this context, was unfortunately never conducted.[2]

Founding director Ernst Rabel (1874-1955) was forced out of office in 1937 (Photo: AMPG)

The last two of the MPG Presidential Commission volumes on the history of the institute were published in 2007. Commemorating the centenary of the founding of the KWG/MPG in 2011, Eckart Hennig and Marion Kazemi presented an overall assessment in several parts in 2016.[4] On the one hand, this highlights the knowledge gained since the beginning of the intensive research endeavour into the history of the KWG, particularly during the National Socialist era, since the 1990s under Rudolf Vierhaus and Bernhard vom Brocke, yet also the remaining research desiderata. The institutional structure is already well documented. However, it is only on this basis that the real questions arise.

The history of the German large-scale research and science funding landscape since the Weimar Republic has, due to its relevance for the historical pathway towards National Socialism, the Second World War and the Shoah, always been a peculiar area of contemporary history and the history of science. Traditionally, in researching it, investigative source-based and historical methods with a strong documentary focus were used. This led to a certain amount of tension with a more epistemological approach of a history of science as a history of knowledge and culture, as represented, among others, at the Berlin MPI for the History of Science. Questions about room for manoeuvre, feedback and resilience in a KWI in the consolidation and war preparation phase of the National Socialist dictatorship are linked to culture and knowledge but there are additional aspects to be covered. This applies in particular to legal history. If it is considered separately from what Florian Meinel has called the “realm of possibility of the political”, its historical dimension is lost. Private and international law, however, are genuinely political, especially when they are viewed from the perspective of institutional history in a totalitarian dictatorship.

Don’ts: Turning Dictatorship into a History of Discourse and Knowledge

This is the path KWI history should avoid: an invasive and mostly theoretical cultural history in the form of a history of discourse or knowledge based on the denominator of constructivist communication. Ernst Rabel, in his significance as an exceptional scholar certainly comparable to Max Weber, embodied, but did not invent, the comparative legal structuring of IPR of his time. His ability to survey the problem-related reservoir of solutions offered by entire legal systems not only facilitated a scholarly discourse, but also directly facilitated significant parts of world trade law and international legal practice. Rabel was involved in many codifications and judgements. Neither his leadership of the Private Law Institute until 1937 nor his history of emigration to the USA and his fate as a re-migrant after 1945 are a mere talking point. The same can be said about Erich Kaufmann’s comparable biography of persecution. Despite his illusions about his independence and usefulness after 1933, Rabel was a prominent victim of the universally racist National Socialist state. In order to portray ambivalence of this kind and magnitude, KWI history does not need a reformulation according to the actor-network theory ubiquitous as a citation standard, nor a history of knowledge of private international law or international law, but rather a great deal of empathetic understanding. This is different from discourse theory or apologetics.

Do’s: Dealing with Hard Files and Soft Self-Image: What Should You Look for?

Files found in the institute’s basement[5]

For a history of the International Law KWI from the Weimar Republic to the age of the young Federal Republic of Germany, investigative studies on the personal entanglements between law faculties, the KWG and national and international politics, based, among others things, on the KWG/MPG files are of interest: Who does the KWI attract and where does the KWI staff end up? Especially for questions of law-based international politics, the tried-and-tested methodological instruments of contemporary political history are useful, when the sharp contextualization offered by case studies on individuals or problems of state and multilateral action is needed. Political science has its strength in making structures of statehood and multilateralism visible, which, in contrast to the historicist perspective, enables comparison by pointing out archetypical trajectories and processes. Micro analyses of publications, political advisory, and the practice of Arbitral Tribunals should take into account the constructions of relevance and self-image of both international law scholarship and government practice and, with a view to the historical significance of KWI history, also make them comprehensible for lawyers outside of the field.

Furthermore, it is advantageous to illustrate the special role of a KWI director using the example of Viktor Bruns and his understanding of his role for the field he represented, and to relate this to the collective self-image and development of full-time research fellows and the development of their fields of work in democracy and dictatorship. As trivial as it may seem, it can be helpful to reconstruct typical work processes, departmental responsibilities and routines in order to understand the KWI as an interacting, reacting system, which on the one hand is based on existing scientific, administrative and political structures and at the same time influences them through its activities as a specially equipped and prestigious, internationally visible large-scale research organisation. Some persons worked at both KWIs, reflecting the disciplinary boundaries not yet being fully established at the time: Alexander N. Makarov worked at both KWIs from 1928 and from 1945 to 1956 at the Tübingen MPI; the staunch National Socialist Friedrich Korkisch was employed at the Private Law Institute from 1949; Wilhelm Wengler, from 1935 at the Private Law Institute and from 1938 additionally at the International Law Institute; Marguerite Wolff, wife of Martin Wolff, was a research fellow at the International Law Institute from 1924 to 1933. The Wolff and Bruns families were close friends. The staff of the two institutes also seem to have had lunch together. Likely, the library was also shared.[6]

One indicator of the latter is, at least for the Private Law Institute, the relationship of latent fascination and tension with comparative law research conducted at German universities and international private law scholarship, which always saw Rabel’s institute as a politically favoured, excellently equipped competitor.

How Did International Private Law and International Law Enable Dictatorship and War?

The political-history category of room for manoeuvre in the analysis of society under National Socialism, aims, since Ludolf Herbst, among other things, at guiding the analysis of interactions and interdependences. How are certain social roles perceived? How do they change as professional ideals and profiles in the transition from the Weimar Republic to the Nazi dictatorship in terms of self-definition and perception? What strategies existed for maintaining autonomy and what did they depend on? Were they successful and for how long? What image did they have and what image did they create? Where did actors make use of their autonomy and where did they fail to do so?

Such an approach avoids a black-and-white juxtaposition of the ideological claim to power of National Socialism and the more or less intense effect of Gleichschaltung on the professional everyday reality at the KWI in a very specific social subsystem. It enables the depiction of ambivalence and shades of grey, e.g. in the area of strategic and conditional conformity.

History of Resistance: Less Black and White, More Grey

Berthold von Stauffenberg (right) with Ms Schmitz, wife of the institute’s deputy director Martin Schmitz, (left) at the office party in 1939[7]

Sensitivity towards the existence of shades of grey is, in all questions concerning the history of National Socialism, the antithesis to the ahistorical idea of a polar opposition of conformity and non-conformity. The history of German resistance, providing resources for legitimacy and embodied above all in the German Resistance Memorial Centre in Berlin, petrifies an equating, moralising pantheon of heroes of all forms of German resistance. The research questions of critical contemporary history have not only departed but distanced themselves from this perspective in the last decades. As the history of the International Law Institute is linked to the professional biography of Berthold Graf Schenck von Stauffenberg (1905-1944), the question of how to deal with the issue of resistance is particularly urgent. For a critical assessment of resilience and non-conformity in certain social roles, a precise reconstruction of the personal, professional and institutional contexts and the renunciation of any form of moral exaggeration seems to be expedient.

Members of the resistance against the National Socialist dictatorship did not make a one-time decision; they took a stance repeatedly, despite a growing danger of persecution and at the cost of increasing existential isolation. In their environment, complicity and intentional ignorance existed, both of which are very difficult to grasp on the basis of source material but are nevertheless part of the phenomenon. Despite or precisely because of this, the history of resistance remains a history of individuals and their decisions, which cannot be conveniently generalised. Any encroaching attempt at moralisation says more about those who engage in it than about the subject of historical investigation. It does not do justice to the seriousness of the matter.

Niches and Adaptation: The Illusion of Immunity and the Reality of Dictatorship

Part of the institute’s internal culture of remembrance to this day: Bust of Berthold von Stauffenberg made by Frank Mehnert in 1935 in the foyer of the MPIL[8]

Room for manoeuvre in institutional structures is generally interrelated with demand and usefulness. These attributes are not static, but based on negotiation, even in a totalitarian dictatorship. This process is influenced by hierarchies, perceived orders, and charisma. The fact that the KWG administration kept KWI director Ernst Rabel in office until 1937, despite this being non-compliant with the Nuremberg Laws, is one example. Rabel’s retention depended on the protection, resulting from a combination of loyalty and pragmatism, of the KWG Director General Friedrich Glum, a nationalist who, too, was forced out of office by the National Socialists in 1937. Rabel’s outstanding international reputation made him attractive to Glum, but also to parts of the National Socialist government. The premature construction of intentionality regarding the exertion of room for manoeuvre can lead to precarious distortions of a multifaceted and entangled reality.

The 1933 to 1937 issues of the Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Today: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht / The Rabel Journal of Comparative and International Private Law), the KWI’s institute journal, lend themselves to the documentation of the shift in publishing climate, both thematically and stylistically. The thematic main articles, across various text genres like case law reports, literature overviews and reviews did still offer a certain spectrum of opinions; however, the National Socialist tenor was clearly not only increasing but becoming dominant. Due to the high international profile of the KWI journal, it is striking that in 1935, among other things, the “idea of Führertum” is presented as a unifying theme for complex articles on the legal regulation of cartels. The distribution of roles within the departments of the KWI, but also personal preferences, thus paint a picture of a diverted playing-field, escalating to an attempt to demonstrate usefulness for the National Socialist economy oriented towards war and Großraum in a Europe, plundered and terrorised by the occupying Wehrmacht. “Insofar, nothing remains of the idea that the institute, far removed from politics, ‘only’ researched questions of private law.”[9]

 

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 1926 –1945, Göttingen: Wallstein 2004.

[2] Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (ed.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandaufnahme und Perspektiven der Forschung, Göttingen: Wallstein 2000, vol. 2, 490-528.

[3] Photo: AMPG.

[4] Part I: Eckart Henning/Marion Kazemi, Chronik der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911-2011 – Daten und Quellen, Berlin: Duncker & Humblot 2011; Part II: Eckart Henning/Marion Kazemi, Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911– 2011 – Daten und Quellen, 2 Volumes, Berlin: Duncker & Humblot 2016.

[5] Photo: MPIL.

[6] I would like to thank Philipp Glahé for this information.

[7] Photo: VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/37.

[8] Photo: MPIL.

[9] Michael Stolleis, Vorwort [Preface], in: Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 1926 –1945, Göttingen: Wallstein 2004, 9-10, 10.

Literature cited:

Rüdiger Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, 2 Volumes, Göttingen: Wallstein 2007.

Helmut Maier, Forschung als Waffe. Rüstungsforschung in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung, 2 Volumes, Göttingen: Wallstein 2007.

Rolf-Ulrich Kunze, Die Studienstiftung des deutschen Volkes seit 1925. Zur Geschichte der Hochbegabtenförderung in Deutschland, Berlin: Akademie Verlag 2001.

Florian Meinel, Vertrauensfrage. Zur Krise des heutigen Parlamentarismus, München: C.H. Beck 2019.

Ludolf Herbst, Deutschland 1933–1945. Die Entfesselung der Gewalt: Rassismus und Krieg, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996.

“Einfach eine sachlich politische Unmöglichkeit“. Die Protestation von Gerhard Leibholz gegen die Ernennung von Carl Bilfinger zum Gründungsdirektor des MPIL

"Simply a material political impossibility". Gerhard Leibholz's Protest Against the Appointment of Carl Bilfinger as Founding Director of the MPIL

Deutsch

Am 27. Juni 1949, nur wenige Wochen nach Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai desselben Jahres, meldete sich der Jurist und frühere Göttinger Professor Gerhard Leibholz (1901‑1982) brieflich beim Präsidenten der Max‑Planck‑Gesellschaft (MPG), Otto Hahn. [1] Im Vorjahr war die noch junge Nachfolgeorganisation der Kaiser‑Wilhelm‑Gesellschaft gegründet worden, der Leibholz von 1926 bis 1929 als Mitarbeiter des Kaiser‑Wilhelm‑Instituts (KWI) für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Berlin angehört hatte. Bereits in jungen Jahren hatte Leibholz eine erfolgreiche akademische Karriere durchlaufen – seit 1929 als Professor an der Universität Greifswald und seit 1931 als Lehrstuhlinhaber an der Universität Göttingen. Die Verfolgung von Leibholz aufgrund seiner jüdischen Herkunft ließ die Laufbahn des protestantisch getauften Sohns einer Berliner Unternehmerfamilie nach Beginn der nationalsozialistischen Diktatur jedoch bald enden. Im Jahr 1935 wurde Leibholz im Alter von 34 Jahren in den Ruhestand und ab 1938 mit seiner jungen Familie in die Emigration gezwungen.

Der Gründungsdirektor Carl Bilfinger (1879-1958)

Carl Bilfinger, Mitte der 1950er [2]

Völlig anders hingegen verlief der Lebenslauf des Juristen Carl Bilfinger (1879‑1958): Dem mittlerweile siebzigjährigen, erst Hallenser, später Heidelberger und schließlich von 1943 bis 1945 Berliner Ordinarius für Öffentliches Recht und Völkerrecht sowie Direktor des KWI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht als Nachfolger seines Cousins Viktor Bruns gelang 1949 ein überraschender Neuanfang. Im sowjetischen Machtbereich hatte Bilfinger 1945 als Nationalsozialist bald nach der deutschen Niederlage seine Ämter und Funktionen in Berlin verloren. Ohnedies war er während seiner Berliner Tätigkeit privat in Heidelberg wohnen geblieben. Somit lebte Bilfinger seit 1945 in der US‑amerikanischen Besatzungszone und konnte sich 1948 als „Mitläufer“ erfolgreich entnazifizieren lassen. Im Jahr 1949, als neuerlich berufener Professor der Heidelberger Universität sowie Direktor des dort gegründeten Max‑Planck‑Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (MPIL) stand Bilfinger mithin am Beginn einer zweiten Karriere an seinem (süd-)westdeutschen Wohnort.

Seine Berufung zum Gründungsdirektor des Heidelberger Instituts war aufgrund seiner politischen Vergangenheit keineswegs sicher vorherbestimmt gewesen. Der Jurist und Historiker Felix Lange hat die Entnazifizierung des früheren NSDAP‑Mitglieds in einem Aufsatz und seinem Buch “Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption” detailliert nachgezeichnet.[3]

Nach dem Ende der NS-Diktatur hatte Bilfinger selbst es keineswegs angestrebt, seinen beruflichen Weg unter den neuen Vorzeichen fortzusetzen. Die grundlegend veränderten Bedingungen schienen dies ohnedies auszuschließen. Als aber doch die Wahl auf ihn als Gründungsdirektor des Heidelberger Völkerrechtsinstituts fiel, verteidigte Bilfinger das frisch gewonnene Amt hartnäckig, frei von jeglicher kritischen Selbstreflexion seiner Rolle während der vorhergegangenen NS‑Diktatur, deren Gefolgsmann er gewesen war.

Die Protestnote von Gerhard Leibholz im Jahr 1949

Bundesverfassungsrichter Gerhard Leibholz, 1966 [4]

Als Otto Hahn die knappe briefliche Protestnote von Gerhard Leibholz gegen Bilfingers Ernennung vom 27. Juni 1949 erreichte, war die Entscheidung für Bilfinger bereits unumkehrbar. Dennoch war das Schreiben brisant. Leibholz und Hahn schienen sich bereits zuvor über die Angelegenheit ausgetauscht zu haben. Hahn antwortete Leibholz bereits drei Tage später. Das Präsidium der MPG verfolgte offenkundig das Ziel, sich einerseits loyal gegenüber der eigenen Einrichtung und dem neuberufenen Direktor Bilfinger zu verhalten, andererseits die bereits verbindlich getroffene Entscheidung möglichst überzeugend für den in Deutschland und Großbritannien bestens vernetzten, renommierten Rechtswissenschaftler Leibholz zu begründen; dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund von dessen Verfolgungsschicksal und dem seiner Familie als Opfer der NS‑Diktatur. Ein Schwager von Gerhard Leibholz war der Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer.

Für Leibholz war die Bestellung Bilfingers als neuem Direktor schlicht der Skandal, den diese Berufung tatsächlich darstellte, und der nicht nur Leibholz überrascht hatte. Leibholz selbst stand kurz vor der Wiederaufnahme seiner akademischen Karriere in Deutschland und schaute aus seiner besonderen Perspektive auf die Entwicklungen. In seinen Briefen brachte er seine Verständnislosigkeit, Bestürztheit und Betroffenheit, vor allem aber seine Besorgnis um die Zukunft deutlich zum Ausdruck. Er fühle sich verpflichtet zu sagen, fasste er am 27. Juni 1949 sein Anliegen zusammen,

“dass gerade innerhalb meines Fachbereiches in der Max-Planck-Gesellschaft in der jüngsten Zeit Besetzungen vorgekommen sind, die mich – offen gestanden – sehr betroffen haben […]. Ich denke hier vor allem an Herrn Bilfinger, der vom Braunen Haus in der Zeit, in der der Nationalsozialismus seine Orgien feierte, mit der Leitung des Instituts für ausl[ändisches] öffentl[iches] Recht betraut wurde und der m.W. auch nicht einmal von den deutschen Universitäten reaktiviert wurde. Nach der Zusammensetzung des Senats zu urteilen, an dessen politischer und sachlicher Qualifikation nach Ihren Ausführungen nicht zu zweifeln ist, muss dieser nicht im Besitz zureichender Informationen gewesen sein. Ein Institut wie das des aus[ländischen] öff[entlichen] Rechts und Völkerrechts, an dem ich früher vor 1933 selbst einmal einige Jahre gearbeitet habe und das heute in der Lage wäre, beim Neuaufbau eine wichtige Brücke zum Ausland zu bilden, hätte m.E. als Leiter einen politisch nicht so vorbelasteten Kollegen erhalten müssen, der darüber hinaus – auch zugleich im Ausland – einen gewissen Namen hätte besitzen müssen.”[5]

In seiner Antwort bereits am 30. Juni 1949 verwies Otto Hahn darauf, “dass Professor [Viktor] Bruns selbst Herrn Professor Bilfinger als seinen Nachfolger gewünscht hat. Der Wissenschaftliche Rat der Kaiser Wilhelm-Gesellschaft hat dann später ordnungsgemäß und ohne jede Beeinflussung von politischen Stellen Herrn Professor Bilfinger das Amt des Direktors übertragen.” So sei nach damaliger Auffassung “der beste Wissenschaftler auf dem Fachgebiet” ernannt worden. Mit Blick auf die jüngste Entwicklung schrieb der um Rechtfertigung bemühte Hahn: “In gleicher Weise ist auch die Wiederernennung von Herrn Bilfinger durch ein Gremium erfolgt, dem keine früheren Nationalsozialisten oder der Partei verbundene Persönlichkeiten angehören. Diese Wahl ist in unserem Senat, dem zahlreiche Gegner des nationalsozialistischen Regimes angehören, ausdrücklich gebilligt worden.” Politisch beschwichtigend führte er aus: “Dass Herr Professor Bilfinger Parteimitglied gewesen ist, ist mir bekannt und auch von diesem niemals bestritten worden. Ich glaube aber, dass man daraus noch nicht schliessen kann, dass seine wissenschaftliche Qualifikation dadurch beeinträchtigt wird.”[6]

Leibholz antwortete daraufhin am 3. Juli 1949, dass er Bilfinger nicht seine Parteimitgliedschaft verarge,

„aber die Tatsache, dass er für viele Jahre mit innerer Verve und Überzeugung sich freiwillig dem Nationalsozialismus (als Freund des berüchtigten Staatsrats C[arl] Schmitt) zur Verfügung gestellt und für die Erreichung seiner Ziele eingesetzt hat, ist m.E. allerdings in der Tat geeignet, in einer Zeit, die eine neue Ära einleiten soll, ihn nicht mit der Leitung eines so wichtigen Institutes zu betrauen – ganz abgesehen davon, dass […] der beste Wissenschaftler auf dem Fachgebiet aus dem Jahre 1943 aus offenbaren Gründen nicht identisch mit dem wirklich besten Wissenschaftler aus dem Jahre 1946 seq. ist.”[7]

Hier liege ein offensichtlich “schweres Missverständnis” vor, so Leibholz, insofern der persönliche (Nachfolge-)Wunsch von Bruns zur früheren Ernennung Bilfingers überhaupt maßgeblich beigetragen haben sollte. Der Vorschlag von Bruns sei, so Leibholz, “doch nur aus den damaligen Zeitumständen zu erklären, die nur eine Wahl zwischen einem relativ gemäßigten und einem radikalen Nationalsozialisten” erlaubt habe. Leibholz führte hierzu aus: “So unterliegt es für mich auch nicht dem geringsten Zweifel, dass Herr Bruns[,] wenn dieser nach 1945 berufen gewesen wäre, Namen für das Institut vorzuschlagen, er ganz andere Namen genannt haben würde, obwohl er mit Herrn Bilfinger durch verwandtschaftliche Beziehungen verbunden war.”[8]

Die Reaktion des Gründungsdirektors Carl Bilfinger

Carl Bilfinger am 24. Juli 1953 bei der Grundsteinlegung des neuen Institutsgebäudes. Sein Richtspruch: „Auf den Fortbestand der Kultur, von der das Recht nur ein Teil ist.“ Am selben Tag war der mit dem großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden.[9]

In dieser Situation suchte Otto Hahn das Gespräch mit Bilfinger selbst, der daraufhin am 10. Juli 1949 an diesen schrieb. Dem Brief legte Bilfinger zu seiner Entlastung verschiedene Materialien in Abschrift bei, die teilweise aus seinem Entnazifizierungsverfahren stammten, unter anderem positive Äußerungen über seine Person von renommierten Fachkollegen wie Eduard Wahl, Heinrich Triepel und Gerhard Anschütz. Besonders Triepel, so Bilfinger, habe maßgeblich dafür gesorgt, dass er 1943 die Nachfolge von Bruns angetreten habe. Ferner bezeichnete Bilfinger die Angaben von Leibholz zu akademischen “Reaktivierungen” im Nachkriegsdeutschland als “irreführend” und ging in einem längeren Abschnitt ausführlich auf seine Kontakte und sein Renommee in der internationalen Gemeinschaft der juristischen Fachkollegen ein. Über sein Verhältnis zu Carl Schmitt schrieb er[10]:

“Auch bemerke ich, dass der im zweiten Brief des Herrn L. erwähnte Staatsrat Carl Schmitt mir allerdings wissenschaftlich und persönlich mehrere Jahre nahe stand, dann aber seit 1934 diese Beziehungen wegen seiner damaligen und folgenden politischen Stellungnahme gegen mich bis auf ein Minimum eingeschränkt waren, was jeder Kenner der Verhältnisse weiss”.[11]

In einem parallel verfassten “persönlichen Brief” vom 11. Juli 1949 an den Generaldirektor der Max-Planck-Gesellschaft Ernst Telschow, den Bilfinger offensichtlich als Gleichgesinnten betrachtete, legte er weniger Zurückhaltung an den Tag. Wütend schrieb Bilfinger: “An und für sich verdient die z.T. etwas kindliche, im ganzen oberflächliche und schlecht informierte Kritik des L. an meiner Person vielleicht keine weitere Antwort.” Dennoch sah er sich aber zu einer persönlichen Stellungnahme berufen. Bilfinger fühlte sich nach erfolgreicher Entnazifizierung zu Unrecht politisch angegriffen und gegenüber dem Präsidium ausgerechnet von Gerhard Leibholz geschmäht, als dessen heimlichen Wohltäter – in Verkehrung des Opfernarrativs – er sich sah. Gegenüber Telschow behauptete Bilfinger, ohne Belege hierfür anzuführen, Leibholz nach Diktaturbeginn im Jahr 1933 geholfen zu haben, sodass er nicht umgehend aus seinem Professorenamt verdrängt worden war. Bilfinger verwies – wiederum ohne Belege – auf die “zahlreichen Fälle, in denen ich, z.T. unter erheblichem Risiko, Juden geholfen habe”. Dies liefere zwar, so Bilfinger, “keinen speziell wissenschaftlichen Befähigungsnachweis für einen Mann, der einige Jahre während der Weimarer Zeit und bis ins erste Halbjahr des NS-Regimes auch dem ´berüchtigten Staatsrat C[arl] Schmitt´ nahestand. Aber, dass nun gerade Leibholz ausgerechnet gegen mich den Spiess vorantragen will, kommt mir komisch vor.”[12]

Der Protest bleibt erfolglos und die Dokumente werden ad acta gelegt

Gerhard Leibholz, ab 1962 Kuratoriumsmitglied, nimmt erst nach Bilfingers Tod 1958 wieder am Institutsleben teil. Leibholz (links) mit Jochen Frowein 1970 im Institut[13]

Deutlich später, am 18. August 1949, antwortete Leibholz schließlich mit dem letzten in dieser Korrespondenz von ihm überlieferten Brief. Offensichtlich war zwischenzeitlich sein Schwager Karl‑Friedrich Bonhoeffer, Leiter des Göttinger Max-Planck-Instituts für physikalische Chemie, seitens des Präsidiums in diese Angelegenheit einbezogen worden. Karl‑Friedrich Bonhoeffer hatte Leibholz ein Schreiben Bilfingers zur Einsichtnahme vorgelegt. Es handelte sich vermutlich um das Schreiben von Bilfinger an Hahn vom 11. Juli 1949 nebst Anlagen.

Leibholz blieb jedoch bei seiner bisherigen Auffassung. Gegenüber Otto Hahn brachte er die Angelegenheit auf den Punkt:

“Ich darf noch einmal betonen, dass es sich bei unserer Diskussion nicht um die Frage gehandelt hat, wer 1943 am zweckmäßigsten mit der Leitung des Instituts hätte betraut werden sollen, sondern die zur Diskussion stehende Frage ist, ob jemand, der 1943 als Nationalsozialist mit der Leitung des Instituts betraut wurde und an den Nationalsozialismus bis 1945 geglaubt hat, im Jahre 1949 mit der Leitung des Instituts hätte wieder betraut werden sollen. Alles[,] was ich seit meinem ersten Schreiben in dieser Angelegenheit gehört habe, bestätigt nur, dass es sich bei dieser Entscheidung der Planck-Gesellschaft um eine sachlich-politische Fehlentscheidung handelt. Dies ist im übrigen nicht nur meine persönliche Meinung, sondern die der meisten meiner Fachkollegen.”[14]

Auch wenn sich bei Leibholz wohl spätestens im August 1949 die Erkenntnis durchgesetzt haben dürfte, dass die Entscheidung für Bilfinger nicht mehr rückgängig zu machen war, deutete er am Ende der Auseinandersetzung am 18. August 1949 mit düsterem Unterton hinsichtlich des neu gegründeten Heidelberger Instituts Hahn gegenüber “Folgerungen schwerwiegender, allgemeinerer Art”[15] an, falls an der Personalie Bilfinger festgehalten werden sollte.

Dieser letzte Brief Leibholz´ wurde Bilfinger, so lässt es sich aufgrund der Quellenlage rekonstruieren, zugänglich gemacht. In einem Gespräch kurz vor Verfassen eines neuerlichen Schreibens Bilfingers an Telschow am 19. September 1949 hatte ihn Telschow gefragt, so Bilfinger, “ob es tunlich erscheine, Herrn Leibholz zu einer mündlichen Rücksprache mit dem Herrn Präsidenten [Otto Hahn] einzuladen”[16]. Bilfinger, der offenkundig in dieser Angelegenheit nichts mehr zu befürchten hatte und entsprechend selbstbewusst‑herablassend auftrat, antwortete Telschow nunmehr mit Blick auf ein solches Gespräch, dass es ihm persönlich nicht sicher erscheine, ob der wenig einsichtige und in dieser Angelegenheit nur stark eingeschränkt einsichtsfähige Leibholz “sich gütlich dahin belehren lässt, dass sein Standpunkt irrig und dass ein Eingehen auf seine Anregung nicht möglich” sei. Jedoch sei es auch nicht von vornherein auszuschließen, dass Leibholz im Verlauf eines solchen Gesprächs “nicht doch nachdenklich wird und sich noch einmal gründlich überlegt, ob seine Démarche hinreichend schlüssig begründet und real gedacht ist. Es wäre möglich, dass Herr L. sich durch die Tatsache seines Empfangs und seiner Anhörung durch den Herrn Präsidenten etwas beruhigen könnte.” Es sei somit erwägenswert, Leibholz zu einer Unterhaltung mit dem Präsidenten einzuladen, so Bilfinger, “damit alles geschehen ist, um ihm zu zeigen, dass man seine Vorstellungen angehört hat mit dem Bemühen, ihn und seine Gefühle zu verstehen und ihn nunmehr auch mündlich über den diesseitigen Standpunkt kurz zu informieren”.[17]

Als einige Jahre später eine mögliche Berufung von Gerhard Leibholz ans Heidelberger Institut im Raume stand, reagierte Bilfinger noch aggressiver. Unter Verweis auf die ältere Korrespondenz spitzte er seine Position brieflich am 12. Januar 1952 mit dem Hinweis darauf zu, dass er “das Vertrauen, unter den heutigen Verhältnissen oder in Zukunft mit Leibholz erspriesslich zusammenzuarbeiten, nicht aufbringen [könne]. Daher muss ich Ihnen schon jetzt erklären, dass ich der eventuellen Berufung des Herrn Leibholz mit aller Entschiedenheit widerspreche, und zwar auch für alle weitere Zukunft vor einer solchen Berufung warne.”[18]

Fazit

Gerhard Leibholz (rechts) bei der Kuratoriumssitzung am 24. April 1970, mit Helmut Strebel, Günter Jaenicke, Clemens von Velsen und Fritz Münch (von links nach rechts)[19]

Es lässt sich nicht mit letzter Sicherheit feststellen, ob Leibholz unter Verkennung der realen Gegebenheiten, vielleicht in Überschätzung seines persönlichen Ansehens und seiner Möglichkeiten zur Einflussnahme in dieser Angelegenheit, tatsächlich eine Revision der fraglichen Personalentscheidung für Carl Bilfinger für möglich gehalten hat. Oder ob es sich hier, wie es Leibholz wohl schon selbst erkannte, um einen Akt seines persönlichen, im Grunde ohnmächtigen Protests gegen diese personelle Fehlentscheidung handelte. Es war jedoch Leibholz´ Bestreben, wenn schon nicht öffentlich und in direkter Konfrontation, jedoch seinen Einspruch gegen diese Ernennung zumindest unmissverständlich deutlich schriftlich niedergelegt zu haben und in den Akten der MPG für spätere Zeiten aufbewahrt zu finden.

Bilfinger, trotz aller Verärgerung über Leibholz, konnte sich von vornherein sicher sein, dass die für ihn unerfreuliche Angelegenheit – bei entsprechend diskreter Behandlung – bald im Sande verlaufen würde. Dieses Interesse teilte er, wenn auch teilweise anders motiviert, mit dem Präsidium der MPG. Besonders erhellend sind in diesem Zusammenhang die Briefe von Bilfinger an Telschow, in denen erkennbar wird, wie Bilfinger und Telschow tatsächlich dachten. Antisemitische Klischees vom ‚jüdischen Emigranten‘ im ‚Feindstaat‘ Großbritannien, dem in seinem (Rache-)‘Eifer‘ gegen Deutschland – geladen mit Ressentiments gegenüber dem früheren nationalsozialistischen Kriegsgegner – jedwede realistische Einsichtsfähigkeit abgesprochen werden müsse, scheinen deutlich durch. Es ist bezeichnend und vor dem Hintergrund der eigenen Verstrickung in die NS‑Diktatur kaum überraschend, dass für das Leid der NS‑Opfer keine Worte der Anteilnahme oder der kritischen Selbstreflexion, gar der Reue, gefunden werden. Im Kern halten Bilfinger wie Telschow unverändert an ihren früheren Ansichten aus der NS‑Zeit fest, die sie sich jedoch nicht offen zu artikulieren trauen. Bilfinger stilisiert sich gegenüber dem Präsidium sogar – fast zynisch ­– in Umkehrung der tatsächlichen Verhältnisse zum unschuldigen Opfer eines niederträchtigen Angriffs auf seine Person von außen durch den deutlich jüngeren, ihm angeblich zur Dankbarkeit verpflichteten, jüdischen Emigranten aus Großbritannien und findet zumindest bei Telschow damit offenbar Gehör. Die heikle Angelegenheit sollte aus dieser Sicht möglichst schnell und geräuschlos aus der Welt geschaffen werden. Leibholz war in dieser Situation klug beraten, unter den damals herrschenden Bedingungen die Angelegenheit nicht weiter öffentlich zu skandalisieren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte jede andere Vorgehensweise damals ihr Ziel verfehlt oder womöglich gar die gegenteilige Wirkung provoziert.

Am 18. August 1949 schrieb Leibholz in seinem letzten bekannten Brief in diesem Kontext hierzu seinen Standpunkt in dieser Angelegenheit zusammenfassend:

“Ich fühle mich frei von allen Ressentiments, obwohl wir [Leibholz´ Ehefrau Sabine Leibholz-Bonhoeffer und Gerhard Leibholz selbst] 5 Geschwister unter den Nazis auf die grausamste Weise verloren haben, – auch, wie ich ausdrücklich betonen möchte, gegenüber Herrn Bilfinger. Aber es gibt gewisse Dinge, die einfach eine sachlich politische Unmöglichkeit sind. Wenn auch die meisten Wohlgesinnten schweigend und achselzuckend heute solche Dinge hinnehmen, so lege ich meinerseits Wert darauf, ´on record´ niederzulegen, dass ich gegen die Entscheidung der Planckgesellschaft protestiert habe.”[20]

Damit galt die Angelegenheit offiziell als erledigt und der ´Vorgang Leibholz´, der in Wahrheit ein ´Vorgang Bilfinger´ war, wurde im Wortsinn zu den Akten der MPG gelegt.

[1] Die folgende Literatur wurde vor allem für das Verfassen dieses Blogbeitrags herangezogen: Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg. Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg, ZaöRV 74 (2014), 697-731; Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption. Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd. 262, Berlin: Springer 2017; Werner Heun, Leben und Werk verfolgter Juristen – Gerhard Leibholz (1901-1982), in: Eva Schumann (Hrsg.), Kontinuitäten und Zäsuren. Rechtswissenschaft und Justiz im ´Dritten Reich´ und in der Nachkriegszeit, Göttingen: Wallstein 2008, 301-326. Sabine Leibholz-Bonhoeffer, Vergangen, erlebt, überwunden: Schicksale der Familie Bonhoeffer, 2. Aufl., Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn, 1977.

[2] Foto: MPG Archiv.

[3] Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg. Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg, ZaöRV 74 (2014), 697-731; Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption. Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd. 262, Berlin: Springer 2017.

[4] Foto: BArch, B 145 Bild-F023765-0002 / Engelbert Reinecke.

[5] Schreiben von Gerhard Leibholz an Otto Hahn, datiert 27. Juni 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, Nr. 4473, Bl. 586.

[6] Schreiben von Otto Hahn an Gerhard Leibholz, datiert 30.Juni 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, Nr. 4473, Bl. 587.

[7] Schreiben von Gerhard Leibholz an Otto Hahn, datiert 3.Juli 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, Nr. 4473, Bl. 588.

[8] Schreiben von Gerhard Leibholz an Otto Hahn, datiert 3.Juli 1949 (siehe Fn. 6).

[9] Foto: MPIL.

[10] Über das Verhältnis von Carl Bilfinger und Carl Schmitt, siehe Reinhard Mehring, Vom Berliner Schloss zur Heidelberger „Zweigstelle“. Carl Bilfingers politische Biographie und seine strategischen Entscheidungen von 1944, MPIL100, 9. Februar 2024.

[11] Schreiben von Carl Bilfinger an Otto Hahn, datiert 10. Juli 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, Nr. 4473, Bl. 589.

[12] Schreiben von Carl Bilfinger an Ernst Telschow, datiert 11. Juli 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, Nr. 4473, Bl. 596.

[13] Foto: MPIL.

[14] Schreiben von Gerhard Leibholz an Otto Hahn, datiert 18. August 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, Nr. 4473, Bl. 597.

[15] Schreiben von Gerhard Leibholz an Otto Hahn, datiert 18. August 1949 (siehe Fn. 11).

[16] Schreiben von Carl Bilfinger an Ernst Telschow, datiert 19. September 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, Nr. 4473, Bl. 598.

[17] Schreiben von Carl Bilfinger an Ernst Telschow, datiert 19. September 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, Nr. 4473, Bl. 598.

[18] Schreiben von Carl Bilfinger an [Boris] Rajewsk[y], datiert 12. Januar 1952, AMPG II. Abt., Rep. 66, Nr. 4473, Bl. 603/604.

[19] Foto: MPIL.

[20] Schreiben von Gerhard Leibholz an Otto Hahn, datiert 18. August 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, Nr. 4473, Bl. 597.

Suggested Citation:

Johannes Mikuteit, “Einfach eine sachlich politische Unmöglichkeit“. Die Protestation von Gerhard Leibholz gegen die Ernennung von Carl Bilfinger zum Gründungsdirektor des MPIL, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240408-140804-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

English

On 27 June 1949, just a few weeks after the promulgation of the Grundgesetz (Basic Law) on 23 May of the same year, the legal scholar and former professor in Göttingen Gerhard Leibholz (1901‑1982) wrote to the President of the Max Planck Society (Max-Planck-Gesellschaft, MPG), Otto Hahn. [1] The MPG had been founded in the previous year as successor organisation to the Kaiser Wilhelm Society, of which Leibholz had been a member from 1926 to 1929 as an employee of the Kaiser Wilhelm Institute (KWI) for Comparative Public Law and International Law in Berlin. At his young age, Leibholz already had a successful academic career – from 1929 he had been a professor at the University of Greifswald and from 1931 at the University of Göttingen. However, the son of a Berlin entrepreneur family, who was baptised as a protestant, was persecuted due to his Jewish origins under the National Socialist dictatorship, which put an end to his career in Germany. Leibholz was forced to retire in 1935 at the age of 34 and had to emigrate with his young family in 1938.

The Founding Director Carl Bilfinger (1879-1958)

Carl Bilfinger, mid 1950s[2]

Legal scholar Carl Bilfinger (1879-1958), on the other hand, had a completely different biography: The now seventy-year-old professor of Public Law and International Law, first in Halle, later in Heidelberg and finally, from 1943 to 1945, in Berlin, who had become director of the KWI for Comparative Public Law and International Law as successor to his cousin Viktor Bruns, made a surprising new start in 1949. In the Soviet occupied zone, Bilfinger, as a National Socialist, had lost his offices and functions in Berlin soon after the German defeat in 1945. However, he had continued to live in Heidelberg during his employment in Berlin. As a result, Bilfinger had been living in the US occupation zone since 1945 and was successfully denazified as a “follower” (“Mitläufer”) in 1948. In 1949, as a reappointed professor at Heidelberg University and director of the newly founded Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law (MPIL) in Heidelberg, the successor to the KWI in Berlin, Bilfinger was thus at the beginning of a second career at his (south)west German place of residence.

Due to his political past, his appointment as founding director of the Heidelberg Institute was by no means predetermined. The lawyer and historian Felix Lange has traced the denazification of the former NSDAP member in detail in an essay and his book “Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption“.[3]

After the National Socialist dictatorship ended, Bilfinger himself had by no means endeavoured to continue his career under the new circumstances. The fundamentally changed conditions seemed to rule this out anyway. However, when he was chosen as the founding director of the Heidelberg Institute of International Law, Bilfinger stubbornly defended his newly won position, free of any critical self-reflection on his role during the previous Nazi dictatorship, of which he had been a supporter.

Gerhard Leibholz’s Protest Note of 1949

Supreme Court Justice Gerhard Leibholz, 1966[4]

When the President of the MPG, Otto Hahn, received Gerhard Leibholz’s brief protest note against Bilfinger’s appointment of 27 June 1949, the decision for Bilfinger was already irreversible. Nevertheless, the letter was controversial. Leibholz and Hahn appear to have exchanged views on the matter beforehand. Hahn replied to Leibholz just three days later. The Executive Board of the MPG was obviously trying to be loyal to its own institution and the newly appointed director Bilfinger on the one hand, and on the other to justify the already binding decision as convincingly as possible to the renowned and, in Germany as well as Great Britain, very well-connected legal scholar Leibholz. The latter not least against the background of the persecution of Leibholz and his family by the Nazi dictatorship. One of Gerhard Leibholz’s brothers-in-law was theologist and member of the resistance Dietrich Bonhoeffer.

For Leibholz, the appointment of Bilfinger as the new director was simply the scandal that this appointment did in fact represent, and which had taken not only Leibholz by surprise. He himself was about to resume his academic career in Germany and looked at the developments from his own particular perspective. In his letters, he openly expressed his lack of understanding, his dismay and consternation, but above all his concern for the future. On 27 June 1949, he summarized his cause by saying he felt obliged to voice his concern,

“that within my department of the Max Planck Society in particular, there have been recent appointments that have – frankly – affected me very much […]. I am thinking in particular of Mr Bilfinger, who was entrusted with the management of the Institute for Comparative Public Law by the Brown House [The headquarters of the National Socialist German Workers’ Party (NSDAP) in Munich] at a time when National Socialism was celebrating its orgies and who, as far as I know, was not even reactivated by the German universities. Judging by the composition of the Senate, whose political and professional qualifications are not in doubt according to your statements, it must not have been in possession of sufficient information. In my opinion, an institute such as that of Comparative Public Law and International Law, at which I myself once worked for several years before 1933 and which today would be in a position to in the course of rebuilding [Germany] form an important bridge to other countries, should have been given as a director a colleague who is not as politically charged and who furthermore has certain reputation – also abroad.”[5]

In his timely reply of 30 June 1949, Otto Hahn pointed out “that Professor [Viktor] Bruns himself had requested Professor Bilfinger as his successor. The Scientific Council of the Kaiser Wilhelm Society later duly appointed Professor Bilfinger as director without any influence from political authorities.” Thus, in the opinion of the time, “the best scientist in the field” was appointed. Regarding the most recent development, Hahn, attempting to justify the decision, wrote: “In the same way, the reappointment of Mr Bilfinger was made by a committee that did not include any former National Socialists or persons associated with the party. This election was expressly approved by our Senate, which includes numerous opponents of the National Socialist regime.” In a politically placating fashion, he continued: “I am aware that Professor Bilfinger was a party member, and he has never denied it. However, I believe that one cannot conclude from this that his academic qualifications are impaired.”[6]

Leibholz replied on 3 July 1949 that he did not blame Bilfinger for his party membership,

“but the fact that for many years he placed himself with inner verve and conviction at the disposal of National Socialism (as a friend of the notorious State Councillor C[arl] Schmitt) and worked to achieve its goals, is in my opinion, however, sufficient to conclude that, in a time that is supposed to usher in a new era, he should not be entrusted with the management of such an important institute – apart from the fact that […] the best scientist in the field in 1943 is, for obvious reasons, not identical with the actual best scientist in 1946 seq.”.[7]

According to Leibholz, there obviously had to be a “serious misunderstanding”, insofar as Bruns’ personal (succession-)wish had actually contributed significantly to Bilfinger’s earlier appointment. According to Leibholz, Bruns’ proposal could “after all, only be explained by the circumstances of the time, which only allowed a choice between a relatively moderate and a radical National Socialist”. Leibholz concluded: “Accordingly, there is not the slightest doubt in my mind that Mr Bruns, if he had been called upon after 1945 to suggest names for the institute, would have mentioned completely different names, even though he was connected to Mr Bilfinger through family ties.”[8]

The Reaction of Founding Director Carl Bilfinger

Carl Bilfinger on 24 July 1953 at the cornerstone ceremony of the new institute building. His ceremonial dictum translates to: “To the continuation of culture, of which law is only a part.” The same day, he had been awarded with the Federal Cross of Merit (Bundesverdienstkreuz).[9]

In this situation, Otto Hahn sought a dialogue with Bilfinger himself, who then wrote to him on 10 July 1949. To his letter, Bilfinger enclosed copies of various materials in his defence, some of which came from his denazification proceedings, including positive comments about him from renowned colleagues such as Eduard Wahl, Heinrich Triepel and Gerhard Anschütz. According to Bilfinger, Triepel in particular had been instrumental in ensuring that he had succeeded Bruns in 1943. Furthermore, Bilfinger described Leibholz’s statements on academic “reactivations” in post-war Germany as “misleading” and, in a longer section, detailed his contacts and reputation in the international community of legal colleagues. On his relationship with Carl Schmitt, he wrote[10]:

“I also note that I was in close contact academically and personally with the State Councillor Carl Schmitt mentioned in the second letter by Mr Lfor several years, but that since 1934 these relations have been reduced to a minimum because of his political statements against me then and subsequently, as anyone familiar with the circumstances knows.”[11]

In a parallel “personal letter”, dated 11 July 1949, to the Director General of the MPG, Ernst Telschow, whom Bilfinger obviously regarded as like-minded, he showed less restraint. Angrily, he wrote: “In and of itself, the criticism of my person by L, which is in part somewhat childish, overall superficial and ill-informed, perhaps deserves no further response.” Nevertheless, he felt compelled to make a personal statement. After his successful denazification, Bilfinger felt unjustly politically attacked and vilified vis-à-vis the Executive Board, by Gerhard Leibholz of all people, as whose secret benefactor – in a reversal of the victim narrative – he saw himself. In his letter to Telschow, Bilfinger claimed, without providing any evidence, that he had helped Leibholz after the National Socialists’ rise to power in 1933 to not be ousted from his professorship immediately. Bilfinger referred – again, without providing evidence – to the “numerous cases in which I helped Jews, in some cases at a considerable risk “. According to Bilfinger, this did not provide “any special scientific proof of qualification for a man who was also close to the ‘notorious State Councillor C[arl] Schmitt’ for several years during the Weimar period and into the first half of the National Socialist regime. But it seems strange to me that Leibholz of all people should now want to crusade against me.”[12]

The protest Remains Unsuccessful and the Documents are Shelved

Gerhard Leibholz, a member of the curatorium from 1962, became a part of institute life again only after Carl Bilfinger had died in 1958. Leibholz (left) with Jochen Frowein at the institute, 1970.[13]

A considerable time later, on 18 August 1949, Leibholz finally replied with his last letter that has survived from this correspondence. Clearly, in the meantime, his brother-in-law Karl‑Friedrich Bonhoeffer, director of the Max Planck Institute for Physical Chemistry in Göttingen, had been involved in this matter by the Executive Board. Karl‑Friedrich Bonhoeffer had made one of Bilfinger’s letters available to Leibholz. Presumably, it was the letter to Hahn dated 11 July 1949, including attachments.

Leibholz however maintained his previous position. In a letter to Otto Hahn he pointed out:

“I may emphasise once again that our discussion was not about the question of who should most appropriately have been entrusted with the management of the Institute in 1943, but the question under discussion is whether someone who was entrusted with the management of the Institute as a National Socialist in 1943 and who believed in National Socialism until 1945, should have again been entrusted with the management of the Institute in 1949. Everything I have heard since my first letter on this matter only confirms that this decision by the Planck Society was a material-political mistake. Incidentally, this is not just my personal opinion, but that of most of my professional colleagues.”[14]

Even though Leibholz must have realised by August 1949 that the decision in favour of Bilfinger could not be reversed, at the end of the dispute  on 18 August 1949, he, in a gloomy undertone, hinted to Hahn with regard to the newly founded Heidelberg Institute about “conclusions of a more serious, more general nature”[15] if the personnel decision regarding Bilfinger were to be upheld.

This last letter from Leibholz was made available to Bilfinger, as can be reconstructed from the sources. In a conversation shortly before Bilfinger wrote another letter to Telschow on 19 September 1949, Telschow had asked him, according to Bilfinger, “whether it would seem expedient to invite Mr Leibholz to a verbal consultation with the President [Otto Hahn]”[16] . Bilfinger, who clearly did not have anything to fear in this matter anymore and acted in a correspondingly confident and condescending manner, now replied to Telschow regarding such a conversation that it did not seem certain to him personally whether Leibholz, who, in his view was hardly perceptive and only capable of a very limited apprehension of this matter, “could be amicably instructed that his point of view is misguided and that it was not possible to accept his suggestion”. However, Bilfinger thought it not entirely inconceivable that Leibniz in the course of such a conversation “might after all become pensive and thoroughly reconsider whether his démarche is sufficiently well-founded and realistically conceived. It is possible that Mr Lcould be somewhat calmed down by the fact that of his reception and hearing by the President.” It was therefore worth considering to invite Leibholz to a meeting with the President, according to Bilfinger, “so that everything has been done to show him that his ideas have been listened to in an effort to understand him and his feelings and to briefly inform him, also in a verbal manner, about this side’s position”.[17]

A few years later, when a possible appointment of Gerhard Leibholz to the Heidelberg Institute came up, Bilfinger reacted even more aggressively. Referring to the earlier correspondence, he made a strong point in a letter of 12 January 1952, stating that he could not “muster up the confidence in being able to work together with Leibholz successfully under the current circumstances or in the future. I must therefore, already at this point, declare to you that I decisively object to the possible appointment of Mr Leibholz and also warn against such an appointment at any point in the future.”[18]

Conclusion

Gerhard Leibholz (right) at the curatorium meeting on 24 April 1970, with Helmut Strebel, Günter Jaenicke, Clemens von Velsen and Fritz Münch (from left to right)[19]

It is not possible to determine with absolute certainty whether Leibholz, failing to judge the situation correctly, perhaps overestimating his personal reputation and his ability to exert influence in this matter, actually thought it possible to revise the decision in favour of the appointment of Carl Bilfinger. Or whether, as Leibholz himself probably recognised, this was an act of his personal, essentially powerless, protest against this misguided personnel decision. However, it was Leibholz’s endeavour to have his objection to this appointment, even if not made publicly and in direct confrontation, at least set down clearly in writing and preserved in the files of the MPG for the future.

Bilfinger, despite his irritation with Leibholz, could be sure from the outset that this unpleasant matter would soon fizzle out – if handled with the appropriate discretion. He shared an interest in that outcome, albeit for partly different reasons, with the MPG’s Executive Board. The letters from Bilfinger to Telschow are particularly illuminating in this context, as they reveal how Bilfinger and Telschow really thought. Shining trough are antisemitic clichés of the ‘Jewish emigrant’ in the ‘enemy state’ of Great Britain, who in his (revenge) ‘zeal’ against Germany – charged with resentment towards the former National Socialist war opponent – is void of any ability to have a realistic view on the situation. It is telling and, against the background of their own involvement in the National Socialist dictatorship, hardly surprising that no words of sympathy for the suffering of the victims of the Third Reich or of critical self-reflection, let alone remorse, are found. In essence, Bilfinger and Telschow continue to cling to their old views from the Third Reich, which they do not dare to articulate openly, however. Towards the Executive Board, Bilfinger even painted himself – almost cynically – in a reversal of the actual situation, as the innocent victim of a vile attack on his person from the outside by the much younger Jewish emigrant from Great Britain, who was supposedly obliged to show him gratitude. At least in Telschow, his narrative apparently found a sympathetic ear. The delicate matter was to be cleared up as quickly and quietly as possible, from this point of view. Under these circumstances and the prevailing conditions at the time, Leibholz was well advised to not further scandalise the matter publicly. Very likely, any other approach would have been unsuccessful or would possibly even provoked the opposite effect.

On 18 August 1949, Leibholz summarised his position on the matter in his last known letter in this context:

“I feel free of all resentment, although we [Leibholz’s wife Sabine Leibholz-Bonhoeffer and Gerhard Leibholz himself] lost 5 siblings under the Nazis in the cruellest way – including, I would like to expressly emphasise, to Mr Bilfinger. But there are certain things that are simply a material political impossibility. Even if most well-meaning people today accept such things silent and shrugging, I, for my part, make a point of putting it on record that I protested against the Planck Society’s decision.” [20]

With that, the matter was thus officially considered closed and the ‘Leibholz affair’, which was in reality a ‘Bilfinger affair’, was, literally, shelved at the MPG.

 

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] The following literature was consulted primarily for the writing of this blog post: Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg. Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg, HJIL 74 (2014), 697-731; Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption. Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Contributions on Comparative Public Law and International Law, vol. 262, Berlin: Springer 2017; Werner Heun, Leben und Werk verfolgter Juristen – Gerhard Leibholz (1901-1982), in: Eva Schumann (ed.), Kontinuitäten und Zäsuren. Rechtswissenschaft und Justiz im ´Dritten Reich´ und in der Nachkriegszeit, Göttingen: Wallstein 2008, 301-326. Sabine Leibholz-Bonhoeffer, Vergangen, erlebt, überwunden: Schicksale der Familie Bonhoeffer, 2. ed., Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1977.

[2] Photo: MPG Archive.

[3] Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg. Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg, HJIL 74 (2014), 697-731; Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption. Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, vol. 262, Berlin: Springer 2017.

[4] Photo: BArch, B 145 Bild-F023765-0002 / Engelbert Reinecke.

[5] Letter from Gerhard Leibholz to Otto Hahn, dated 27 June 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, No. 4473, 586, 1. This and all following quotations have been translated by the editor.

[6] Letter from Otto Hahn to Gerhard Leibholz, dated 30 June 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, Nr. 4473, 587, 2.

[7] Letter from Gerhard Leibholz to Otto Hahn, dated 3 July 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, No. 4473, 588, 3.

[8] Letter from Gerhard Leibholz to Otto Hahn, dated 3 July 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, No. 4473, 588, 3.

[9] Photo: MPIL.

[10] On the relationship of Bilfinger and Schmitt, see Reinhard Mehring, Vom Berliner Schloss zur Heidelberger „Zweigstelle“. Carl Bilfingers politische Biographie und seine strategischen Entscheidungen von 1944, MPIL100, 9 Februar 2024.

[11] Letter from Carl Bilfinger to Otto Hahn, dated 10 July 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, No. 4473, 589, 4.

[12] Letter from Carl Bilfinger to Ernst Telschow, dated 11 July 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, No. 4473, 596, 11.

[13] Photo: MPIL.

[14] Letter from Gerhard Leibholz to Otto Hahn, dated 18 August 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, No. 4473, 597, 12.

[15] Letter from Gerhard Leibholz to Otto Hahn, dated 18 August 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, No. 4473, 597, 12.

[16] Letter from Carl Bilfinger to Ernst Telschow, dated 19 September 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, No. 4473, 598, 13.

[17] Letter from Carl Bilfinger to Ernst Telschow, dated 19 September 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, No. 4473, 598, 13.

[18] Letter from Carl Bilfinger to [Boris] Rajewsk[y], dated 12 January 1952, AMPG II. Abt., Rep. 66, No. 4473, 603.

[19] Photo: MPIL.

[20] Letter from Gerhard Leibholz to Otto Hahn, dated 18 August 1949, AMPG II. Abt., Rep. 66, No. 4473, 597, 12.

Suggested Citation:

Johannes Mikuteit, „Simply a material political impossibility“: Gerhard Leibholz’s Protest Against the Appointment of Carl Bilfinger as Founding Director of the MPIL, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240408-140943-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

Hermann Heller, der Außenseiter. Kritiker und Verteidiger des Rechtsstaates in einer Krisenzeit

Hermann Heller, the Outsider. Critic and Defender of the Constitutional State in a Time of Crisis

Deutsch

Nur zwei Jahre, von 1926 bis 1928, war der sozialdemokratische Staatsrechtler Hermann Heller (1891-1933) am Kaiser‑Wilhelm‑Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (KWI) tätig. Diese Tätigkeit wird in Beiträgen über Hermann Heller, wenn überhaupt, nur beiläufig erwähnt. Das mag nicht zuletzt daran liegen, dass Heller in vielerlei Hinsicht ein Außenseiter war, der nicht so recht ins Bild passte – auch in der Retrospektive. Sich mit Heller zu befassen, heißt somit auch, sich die teilweise vergessene, mitunter auch verdrängte, Pluralität der Akteure und Akteurinnen des Instituts in den 1920er Jahren in Erinnerung zu rufen.

Ein Außenseiter am KWI

Hermann Heller (undated, © Universitätsarchiv Frankfurt, 854/552)

Als Sozialdemokrat und engagierter Verteidiger der Weimarer Republik entsprach Heller nicht dem typischen konservativen Profil des  rechtswissenschaftlichen Establishments der Weimarer Republik, das der jungen Demokratie meist distanziert gegenüberstand.[1] Mit seinen Angriffen auf das studentische Korporationswesen entsprach sein Habitus auch nicht dem tradierten Bild des deutschen Hochschullehrers. Heller kam nicht zuletzt zum KWI, weil er sechs Jahre nach dem Erhalt der venia legendi für Rechtsphilosophie, Staatslehre und Staatsrecht an der Universität Kiel noch immer keine Professur bekommen hatte. 1922 war er nach Leipzig gegangen, wo er die Leitung des neugeschaffenen Volksbildungsamts übernahm und sich, wie bereits in Kiel mit einem anderen sozialdemokratisch engagierten Rechtswissenschaftler, Gustav Radbruch, aktiv in der Volkshochschulbewegung engagierte.[2] Dass der Bildungsminister der vom Sozialdemokraten Otto Braun geführten preußischen Regierung, Carl Heinrich Becker, bei seiner Einstellung am KWI eine Vermittlerrolle spielte, ist nicht auszuschließen – zwei Jahre später ernannte Becker Heller zum außerordentlichen Professor an der Universität Leipzig.

Auch innerhalb der Sozialdemokratie war Heller eine umstrittene Figur, schreckte er doch nicht davor zurück, etablierte marxistische Dogmen offen anzufechten. So stellte er die Auffassung des Staates als bloßes Herrschaftsinstrument der besitzenden Klasse, der im Zuge der proletarischen Revolution und der Überwindung der kapitalistischen Ordnung zwangsweise „absterben“ müsse, in Frage und forderte von den Sozialdemokraten eine positive Einstellung zum Staat und zur Nation. Für viele seiner Parteigenossen mussten Aussagen wie „Sozialismus ist nicht Aufhebung, sondern Veredelung des Staats“[3] wie eine Provokation klingen.

Heller alles

Trotz seiner unorthodoxen Laufbahn und seiner unkonventionellen Ansichten avancierte Heller während seiner Zeit am KWI zu einer wichtigen Figur der Weimarer Debatten um Staat, Recht und Demokratie. Am Institut konnte er sich wieder verstärkt der wissenschaftlichen Arbeit widmen. Davon zeugt seine Schrift Die Souveränität, die 1927 in der Institutsreihe Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht erschien und Viktor Bruns gewidmet war.[4] Die Arbeit war wohl wegen ihrer zugleich antipositivistischen Ausrichtung und der Aufwertung des Staats- und Souveränitätsbegriffs für das KWI anschlussfähig. Als Kritiker Hans Kelsens und des Positivismus im Allgemeinen wurde Heller in dieser Zeit neben Heinrich Triepel, Erich Kaufmann, Rudolf Smend und Carl Schmitt zu einem führenden Protagonisten des „Weimarer Methodenstreits“ in der Staatsrechtslehre, der damals seinen Höhepunkt erreichte.

Ab 1928 rückte die Auseinandersetzung mit der Krise der parlamentarischen Demokratie und dem Faschismus in den Mittelpunkt von Hellers Werk. Er veröffentlichte in einer Schriftenreihe der Deutschen Hochschule für Politik, wo er parallel zu seiner Referententätigkeit am KWI lehrte, den Aufsatz Politische Demokratie und soziale Homogenität, in dem er unter anderem kritisch auf Carl Schmitts Parlamentarismuskritik einging. Im selben Jahr unternahm Heller eine sechsmonatige Reise nach Italien. Diese bildete die Grundlage für seine Schrift  Europa und der Fascismus, deren erste Ausgabe 1929 erschien. Heller analysierte die Entstehung, die Ideologie und das Programm des italienischen Faschismus als Antwort auf die politische Krise des europäischen Staats und betonte in der Schlussfolgerung die „große Bedeutung“ der faschistischen Diktatur als „abschreckendes Beispiel“ [5] für die europäischen Demokratien.

Indem Heller eine Krise der Rechts- und Staatsordnung diagnostizierte, unterschied er sich kaum von der Mehrheit seiner zeitgenössischen Kollegen. Im Gegensatz zu vielen entwarf er allerdings einen Lösungsansatz, der nicht auf die Beseitigung des demokratischen Rechtsstaats hinauslief. Die Kombination aus Hellers Kritik des Rechtsstaats und seinem gleichzeitigen Eintreten für dessen Erneuerung in Form des „sozialen Rechtsstaats“ verdient es deshalb etwas näher dargelegt zu werden.

Kritiker des liberalen Rechtsstaates – oder dessen, was aus ihm geworden war

Hellers Kritik des Rechtsstaats in den 1920er Jahren lässt sich etwas vereinfachend in zwei Thesen zusammenfassen. Erste These: Die herrschende individualistisch-liberale Rechts‑ und Staatsauffassung und ihre Staatsform, die parlamentarische Demokratie, gehen von isolierten, freien und gleichen Individuen aus und abstrahieren somit von den gesellschaftlichen Bedingungen und tatsächlich bestehenden Ungleichheiten. Auf sozial ungleiche Lagen angewandt, kritisierte Heller, werde die formale Rechtsgleichheit zu materiell ungleichem Recht.[6] So habe eine formalistische Rechtsauffassung in der Klassengesellschaft zu einem immer schärferen Widerspruch zwischen Rechtsform und Rechtswirklichkeit geführt, „zur radikalsten Ungleichheit“ und zur „Diktatur der herrschenden Klasse“.[7]

Zweite These: Dieser Zustand sei das Produkt einer allmählichen Entleerung beziehungsweise „Degeneration“ der Rechtsstaatsidee.[8] Nach dem Scheitern der 1848er Revolution sei diese allmählich von ihrem materiellen Gerechtigkeitsideal entkoppelt und auf bloße Gesetzesmäßigkeit – bloßen Rechtsformalismus – reduziert worden. Damit habe die Rechtsstaatlichkeit ihre emanzipatorische Funktion verloren, die sie im Vormärz für das Bürgertum hatte. Heller gab zwei Erklärungen für diese Entwicklung: Erstens sei das Bürgertum nach dem Kampf gegen den Absolutismus saturiert gewesen und habe sich mit dem bereits Errungenen zufriedengegeben; zweitens habe es angesichts der Aneignung der liberalen Forderungen durch das Proletariat Angst vor einem radikalen gesellschaftlichen Umsturz bekommen.

Diese hier sehr knapp skizzierten ideengeschichtlich-politischen Betrachtungen waren eng mit Hellers methodologischen Positionen verknüpft. Er betrachtete nämlich den Rechtspositivismus und insbesondere Hans Kelsens Reine Rechtslehre als Produkt eines Degenerationsprozesses des liberalen Rechtsstaats. Mit dem Rechtspositivismus sei nur das Recht als bloße Form für jeden beliebigen Inhalt, unabhängig von Wert und Wirklichkeit, übriggeblieben. Für Heller gingen also die Krise der parlamentarischen Demokratie als Staatsform des liberalen Rechtsstaats und die Krise der Staatsrechtslehre miteinander einher.

Verteidiger des Rechtsstaats in der Krise

Notverordnung des Reichspräsidenten (Berlin im Juli 1932) [9]

Wie bereits angedeutet, stand Heller mit seiner Krisendiagnose keineswegs allein da. Antiliberale und antipositivistische Kritik waren in allen politischen Lagern weit verbreitet. Antidemokratisch angelegte Lösungsansätze wies Heller allerdings entschieden zurück. So setzte er sich kritisch mit Carl Schmitts Thesen über den Parlamentarismus und insbesondere über einen grundsätzlichen Gegensatz zwischen Parlamentarismus und Demokratie auseinander.[10] In Europa und der Fascismus machte Heller keinen Hehl daraus, was er von Schmitts Thesen hielt: „Dass Carl Schmitt und Mussolini sich höchst persönliche Begriffe von Demokratie bilden“, schrieb er, „kann vielleicht der Diktatur, bestimmt aber nicht der Wissenschaft förderlich sein“[11]. Heller lehnte ebenso die in Weimar weit verbreitete Auffassung des Staates als eines über und unabhängig von den Individuen bestehenden Wesens. Aus seiner Sicht war ein solches Staatsverständnis schlicht ungeeignet, den Staat als Einheit in der Vielheit zu erfassen, die durch Willensakte von realen Personen gebildet wird und nicht ohne sie existiert. Hellers pluralistisches Staatsverständnis blieb in der damaligen Staatslehre eine Ausnahme. Hellers Kritik galt auch dem Faschismus: Dieser habe zwar die Mängel des  Zustandes von Staat und Gesellschaft in vielen Punkten sehr scharf gesehen; er sei aber nicht imstande, die Grundprobleme der Zeit zu lösen – nämlich die Klassenfrage und das Fehlen einer Wert- und Willensgemeinschaft – , welche die Krise der parlamentarischen Demokratie herbeigeführt hätten.[12]

Heller ging es also nicht darum, den liberalen Rechtsstaat zu beseitigen, sondern ihn „umzubauen“.[13] Wie aber stellte er sich das vor? Bis 1928 verwendete er den Begriff der „sozialen Demokratie“. Diese „soziale Demokratie“ setzte einen Paradigmenwechsel im Rechtsdenken voraus, nämlich die Absage an das individualistisch-abstrakte Menschenbild des Liberalismus und die „Ausdehnung des materiellen Rechtsstaatsgedankens auf die Arbeits- und Güterordnung“[14], um Hellers bekannte Formulierung aus Rechtsstaat oder Diktatur aufzugreifen. Mit anderen Worten: Das Recht sollte endlich die konkreten Lebenslagen der Menschen und die gesellschaftlichen Ungleichheiten und Machtverhältnisse berücksichtigen. Hier ist zu betonen, dass sich Heller den Wandel zur „sozialen Demokratie“ immer als geordneten staatlich-juridischen Prozess im Rahmen der demokratischen Verfassungsordnung vorgestellt hat. Aus seiner Sicht enthielt nämlich die Weimarer Verfassung die notwendigen „verfassungsrechtlichen Hebel“[15] um diesen Wandel zu vollziehen. Er dachte dabei vor allem an die Bestimmungen der Artikel 151 („Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziele der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen. In diesen Grenzen ist die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen zu sichern“) und 153 („Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste“) und an den sogenannten „Räteartikel“, den Artikel 165 (Mitwirkungsrechte der Arbeiter und Angestellten durch Tarifverträge und die Einrichtung von Betriebs- und Bezirksarbeiterräten). Mit einem solchen Paradigmenwechsel sollte es möglich sein, das Recht in seiner emanzipatorischen Funktion wiederherzustellen.

Der Begriff „sozialer Rechtsstaat“ taucht bei Heller erst 1929/30 im Aufsatz Rechtsstaat oder Diktatur auf. Der darin erkennbare Begriffswechsel hatte wohl weniger mit einem inhaltlichen Wandel von Hellers Denken zu tun als mit der damaligen Zuspitzung der Kritik an der parlamentarischen Demokratie und der eminent politischen Bedeutung dieser Debatte. Der Optimismus von 1924, die Hoffnung, dass die Weimarer Verfassung eine Veränderung der Rechts- und Wirtschaftsordnung ermöglichen würde, war verflogen. Die Deutschen, erklärte Heller, standen vor einer politischen – und existentiellen – Entscheidung: der „Entscheidung zwischen fascistischer Diktatur und sozialem Rechtsstaat“[16]. Es war wohl kein Zufall, dass Heller sich gerade in der Krisenphase der Republik begrifflich mit aller Deutlichkeit in die Tradition des Rechtsstaats stellte: Er wollte das Bürgertum auffordern, sein eigenes politisch-juristisches Erbe zu verteidigen, statt „Selbstmord“[17] zu begehen.

Der Weg aus der Krise des Rechtsstaats und seiner Staatsform, der parlamentarischen Demokratie, führte also für Heller nicht über deren Zerstörung: Sie sollten vielmehr mit neuem Inhalt gefüllt werden. Hellers Lösungsansatz wies zweifellos Schwächen und Ambivalenzen auf: Seine scharfe Kritik am Rechtspositivismus Kelsens, der selbst ein überzeugter Demokrat war, schoss wohl teilweise über das Ziel hinaus. Hellers Konzept vom Übergang zum sozialen Rechtsstaat mochte auch zu staatszentriert sein und zu abstrakt bleiben. Dass er aber entschieden an der Kontinuität zwischen liberaler und sozialer Rechts- und Staatsordnung und an der emanzipatorischen Funktion des Rechts festhielt, war im damaligen theoretischen und politischen Kontext bemerkenswert.

Nachspiel: Hermann Heller und die Carls

Im Oktober 1928 wurde Heller zum außerordentlichen Professor an der Universität Leipzig ernannt und verließ das KWI. Im Frühjahr 1932 erhielt er eine ordentliche Professur an der Universität Frankfurt. Diese späte Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistung war jedoch ein trügerisches Zeichen: Aufgrund seines politischen Engagements hatte sich eine Mehrheit der Fakultätsangehörigen zunächst gegen Heller ausgesprochen und statt seiner Carl Schmitt vorgeschlagen.[18] Im Oktober 1932 standen sich dann Hermann Heller und Carl Schmitt – neben Carl Bilfinger, dem späteren Nachfolger Viktor Bruns‘ am KWI und Leiter des neugegründeten Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht– vor dem Staatsgerichtshof im „Preußenschlag“-Prozess gegenüber: Schmitt als (erfolgreicher) Verteidiger der Reichsregierung, Heller als (erfolgloser) Prozessvertreter der im Juli abgesetzten preußischen Regierung und damit der Weimarer Verfassungsordnung. Dabei konnte er auf seine Arbeit am KWI zurückgreifen, denn als früherer Referent der Abteilung Schweiz war er mit Fragen der Bundesexekution in föderativen Verfassungen vertraut.[19] Letztendlich illustrierten der Prozess und dessen Ausgang, was Heller im selben Jahr in seinem Aufsatz Bürger und Bourgeois feststellte: Der Rechtsstaat, die staatliche Lebensform des Bürgertums, wurde paradoxerweise quasi nur noch von der Sozialdemokratie verteidigt. Das Bürgertum – und viele Juristen – hatte ihn schon aufgegeben. Ein paar Monate später wurde Heller selbst zum Opfer des Untergangs dieses Rechtsstaats, als er als Hochschullehrer jüdischer Herkunft im April 1933 aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ von den Nationalsozialisten aus dem Staatsdienst entfernt wurde. Sein Lehrstuhl wurde vom Verfechter des „totalen Staats“ Ernst Forsthoff übernommen, während dessen Mentor Carl Schmitt, zu dem Heller zu Beginn seiner Berliner Zeit ein gutes Verhältnis gepflegt hatte, die Legitimität des Führers als obersten Gerichtsherren bekräftigte.[20] Heller war schon vor seiner Entlassung nach Spanien gegangen, wo er im November 1933 an den Folgen eines Herzanfalls starb.

Er konnte also die Wiederherstellung des demokratischen Rechtsstaats nach 1945 nicht erleben. Neben Hellers Stellung als unorthodoxer Außenseiter, der in keine staatsrechtliche „Schublade“ passt, mag dies eine andere Erklärung dafür sein, dass er in der Staatsrechtslehre der frühen Bundesrepublik insgesamt weniger als die anderen führenden Weimarer Staatsrechtler Smend, Schmitt und Kelsen rezipiert wurde und erst über die Schriften Ernst-Wolfgang Böckenfördes wieder expliziten Einfluss gewann. Ein anderer ehemaliger Mitarbeiter des KWI, der zwischen 1927 und 1928 mit Heller zusammengearbeitet hatte und ihn und sein Engagement für die Republik bewunderte, war dagegen schon unmittelbar nach dem Kriegsende entscheidend an den westdeutschen Verfassungsdebatten beteiligt: der Sozialdemokrat Carlo Schmid (der am KWI noch als „Karl“ firmiert hatte). Unter anderem ihm ist zu verdanken, dass der Gedanke des „sozialen Rechtsstaats“ Eingang in das Grundgesetz fand. Hellers Tätigkeit am KWI hat also schließlich doch, wenn auch auf Umwegen, zu seinem Nachruhm beigetragen. Und den deutschen Rechtsstaat geprägt.

[1] Als andere prominente Ausnahmen kann man auch Hans Kelsen, Hugo Sinzheimer und Ernst Fraenkel sowie die jüngeren Franz Neumann und Otto Kirchheimer nennen.

[2] Für biografische Details siehe: Klaus Meyer, Hermann Heller: Eine Biographische Skizze, Politische Vierteljahresschrift 8 (1967), 93–313; Das Engagement in der Volkshochschulbewegung war in der Weimarer Zeit geradezu typisch für sozialdemokratische Rechtswissenschaftlicher – man könnte hier auch auf Hugo Sinzheimer oder Franz Neumann verweisen.

[3] Hermann Heller, Sozialismus und Nation, 2. Aufl. 1931, in: Christoph Müller (Hrsg.), Hermann Heller, Gesammelte Schriften, Bd. I, Leiden: Sitjhoff 1971, 437-526 (496). Die erste Auflage erschien 1923.

[4] Hermann Heller, Die Souveränität – Ein Beitrag zur Theorie des Staats- und Völkerrechts, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 4, Berlin: De Gruyter 1927.

[5] Hermann Heller, Europa und der Fascismus, 2. Aufl. 1931, in: Gesammelte Schriften (Fn. 3), Bd. II, 465-610 (609).

[6] Hermann Heller, Die politischen Ideenkreise der Gegenwart, in: Gesammelte Schriften (Fn. 3), Bd. I, 267-412 (396).

[7] Hermann Heller, Politische Demokratie und soziale Homogenität, in: Gesammelte Schriften (Fn. 3), Bd. II, 421-434 (430).

[8] Hermann Heller, Rechtsstaat oder Diktatur?, in: Gesammelte Schriften (Fn. 3), Bd. II, 443-462 (449-450); Hermann Heller, Bürger und Bourgeois, in: Gesammelte Schriften (Fn. 3), Bd. II, 625-642 (632).

[9] BArch, Bild 102-13680 / Pahl, Georg.

[10] Den Schmitt insbesondere in der zweiten Auflage seiner Schrift Die geistesgeschichtliche Lage des Parlamentarismus theorisiert hatte: Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des Parlamentarismus, 2. Aufl., München: Duncker und Humblot 1926.

[11] Heller, Fascismus (Fn. 5), 541.

[12] Siehe: Heller, Fascismus (Fn. 5), 604 ff.

[13] „Für uns kann es sich nur darum handeln, […] den liberalen in einen sozialistischen Rechtsstaat umzubauen“: Hermann Heller, Ziele und Grenzen einer Verfassungsreform, in: Gesammelte Schriften (Fn. 3), Bd. II. 411-417 (416).

[14] Heller, Rechtsstaat (Fn. 8), 451.

[15] Hermann Heller, Grundrechte und Grundpflichten, in: Gesammelte Schriften (Fn. 3), Bd. II, 281-317 (312).

[16] Heller, Rechtsstaat (Fn. 8), 462.

[17] Heller, Rechtsstaat (Fn. 8), 460.

[18] Dazu: Meyer (Fn. 2), 309.

[19] Meyer (Fn. 2), 310.

[20] Siehe: Carl Schmitt, Der Führer schützt das Recht, DJZ 15 (1934), 945-950.

English

Constitutional law expert and social democrat Hermann Heller (1891-1933) worked at the Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law (KWI) for just two years, from 1926 to 1928. In contributions on Hermann Heller, this employment is usually only mentioned in passing, if at all. This may not least be due to the fact that he was in many respects an outsider who did not really fit in – even in retrospect. Dealing with Heller therefore also means recalling the partially forgotten, sometimes even suppressed, plurality of protagonists at the institute in the 1920s.

An Outsider at the KWI

Hermann Heller (undated, © Universitätsarchiv Frankfurt, 854/552)

As a social democrat and committed defender of the Weimar Republic, Heller did not match the generally conservative profile of the jurisprudential establishment of the Weimar Republic, which in large part distanced itself from the young democracy.[1] With his attacks on the culture of Studentenverbindungen (fraternity-like structures strongly associated with conservatism and German nationalism), his habitus did not correspond to the traditional image of the German university lecturer either. Heller came to the KWI not least because, six years after receiving the venia legendi for philosophy of law, constitutional theory (Staatslehre) and constitutional law at the University of Kiel, he still had not been offered a professorship. In 1922, he had moved to Leipzig, where he took over the management of the newly-established People’s Education Office (Volksbildungsamt) and, as in Kiel, was together with another social democratically committed jurist, Gustav Radbruch, actively involved in the Adult Education Movement (Volkshochschulbewegung)[2] It cannot be ruled out that the Minister of Education Carl Heinrich Becker of the Prussian government, led by social democrat Otto Braun, played a mediating role in Heller’s appointment at the KWI – two years later, Becker appointed him as an associate professor at the University of Leipzig.

Heller was also a controversial figure within social democracy, as he did not shy away from openly challenging well-established Marxist dogma. For example, he rejected the view that the state constitutes a mere instrument of power of the propertied class and will eventually have to “die off” in the course of the proletarian revolution and the overcoming of the capitalist order. Instead, Heller demanded from the social democrats a positive attitude towards the state and the nation. To many of his party comrades, statements such as “socialism is not the abolition but the ennoblement of the state”[3] must have sounded provocative.

Heller alles

Despite his unorthodox career and his unconventional views, during his time at the KWI, Heller became an important figure in the debates on state, law and democracy in the Weimar Republic. At the institute, he was able to devote more time to academic work again. This is evidenced by his book Die Souveränität (“On Sovereignty”), which was published in the Institute’s series “Contributions on Comparative Public Law and International Law” and was dedicated to Viktor Bruns.[4] The work was likely well‑received within the KWI because of its anti-positivist orientation and its valorisation of the concept of state and sovereignty. As a critic of Hans Kelsen and legal positivism more broadly, Heller became a leading protagonist – alongside Heinrich Triepel, Erich Kaufmann, Rudolf Smend, and Carl Schmitt – of the controversy on methodology in constitutional law in the Weimar Republic (Weimarer Methodenstreit), which reached its peak at the time.

From 1928 onwards, the focus of Heller’s work shifted towards the crisis of parliamentary democracy and fascism. He published the essay Politische Demokratie und soziale Homogenität (“Political Democracy and Social Homogeneity”) in a publication series by the Deutschen Hochschule für Politik (“German College of Policy”), where he taught alongside his work at the KWI. There, inter alia, he critically addressed Carl Schmitt’s critique of parliamentarism. In the same year, Heller went on a six month long trip to Italy, which laid the foundation for his work Europa und der Fascismus (“Europe and Fascism”), the first edition of which was published in 1929. Heller analyzed the emergence, ideology, and the political program of Italian fascism as a reaction to the political crisis of the European state. In his conclusion he underlined the “great significance” of the fascist dictatorship as a “cautionary example”[5] for European democracies.

In diagnosing a crisis of the legal system and state order, Heller did not distinguish himself from the majority of his contemporary colleagues. In contrast to many others, however, he developed a solution that did not amount to the elimination of the democratic constitutional state. The consolidation of Heller’s criticism of the constitutional state and his simultaneous advocacy for its renewal in the form of a “social constitutional state” (sozialer Rechtsstaat) therefore deserves to be explained in more detail.

Critic of the Liberal Constitutional State – or What had Become of it

Heller’s critique of the constitutional state in the 1920s can be summarised somewhat simplistically in two theses. First thesis: the predominant liberal and individualistic conception of law and state, and its corresponding form of government, the parliamentary democracy, rely on the assumption of isolated, free and equal individuals and thus an abstraction from social conditions and real-world inequalities. When applied to socially unequal situations, however, Heller argued formal legal equality produces a substantively unequal legal order.[6] Therefore, under the conditions of a class society, a formalistic conception of law had led to an ever-sharper contradiction between legal order and legal reality, “to the most radical inequality” and to the “dictatorship of the ruling class”.[7]

Second thesis: this state of affairs is the product of a gradual erosion or “degeneration” of the idea of the rule of law.[8] After the failure of the 1848 revolution, it was gradually decoupled from an ideal of material justice and reduced to mere lawfulness – mere legal formalism, according to Heller. As a result, the rule of law lost the emancipatory function it had had for the bourgeoisie in the Vormärz. Heller gave two explanations for this development: firstly, the bourgeoisie had become saturated after the struggle against absolutism and was content with what had already been achieved. Secondly, due to the appropriation of liberal demands by the proletariat, the bourgeois class had become afraid of a radical social upheaval.

These historical-political considerations, outlined very briefly here, were closely linked to Heller’s methodological positions. He considered legal positivism and, in particular, Hans Kelsen’s Reine Rechtslehre (“Pure Theory of Law”) the product of a process of degeneration of the liberal constitutional state. With legal positivism, the law only remained as a mere form for any content, independent of value and reality. Therefore, for Heller, the crisis of parliamentary democracy as the form of government of the liberal constitutional state and the crisis of constitutional law scholarship went hand in hand.

Defender of the Constitutional State in a Time of Crisis

The emergency decree of the Reich President (Berlin, July 1932) [9]

As already indicated, Heller was hardly alone in his diagnosis of a crisis. Anti‑liberal and anti-positivist criticism was widespread in all political camps. However, Heller firmly rejected anti-democratic solutions. He was critical of Carl Schmitt’s theories on parliamentarism and in particular of his thesis of a fundamental conflict between parliamentarism and democracy.[10] In Europa und der Fascismus, Heller made no secret of what he thought of Schmitt’s theses: “the fact that Carl Schmitt and Mussolini form highly personal concepts of democracy”, he wrote, “may perhaps be conducive to dictatorship, but certainly not to science”[11]. Heller also rejected the doctrine of the state as a being existing beyond and independent of individuals. To him, such a view was simply unsuitable for grasping the state as a unity in multiplicity, which is constituted by voluntary acts of real persons and does not exist without them. His pluralistic understanding of the state remained an exception in the constitutional theory of the time. Heller also criticised fascism: although he admitted that it had seen the shortcomings of the state and society very clearly in many respects, he maintained it was unable to solve the fundamental problems of the time – namely the class question and the lack of a community of values and will – which had brought about the crisis of parliamentary democracy.[12]

Heller’s aim was therefore not to eliminate the liberal constitutional state, but to “transform” it.[13]  How did he envision this? Until 1928, he used the term “soziale Demokratie” (“socially-oriented democracy”). This “soziale Demokratie” presupposed a paradigm shift in legal thinking, namely the rejection of liberalism’s individualistic and abstract conception of man and the “extension of the substantive concept of the rule of law to the order of labour and property”[14], to pick up on Heller’s well-known quote from Rechtsstaat oder Diktatur (“Constitutional State or Dictatorship”). In other words, the law should finally take into account people’s concrete life situations, social inequalities and power relations. Here, it must be emphasised that Heller envisioned the transformation towards a “socially-oriented democracy” as an orderly political-legal process within the framework of the democratic constitutional order. In his view, the Weimar Constitution contained the necessary “constitutional levers”[15] to bring about this change. He was thinking primarily of the provisions of Article 151 (“The organization of economic life must accord with the principles of justice and aim at securing for all conditions of existence worthy of human beings. Within these limits the individual is to be secured the enjoyment of economic freedom.”), Article 153 (“Property entails obligations. Its use shall also serve the public good.”)[16] and to the so-called “council article”, Article 165 (participation rights of workers through wage agreements and the establishment of workers’ councils). With such a paradigm shift, Heller thought it possible to restore the law in its emancipatory function.

The term “social constitutional state” does not appear in Heller’s work until 1929/30 in the essay Rechtsstaat oder Diktatur. The change in terminology recognisable in this essay probably had less to do with a change in Heller’s thinking than with the intensification of criticism of parliamentary democracy at the time and the eminent political significance of this debate. The optimism of 1924, the hope that the Weimar constitution would enable a change in the legal and economic order, had evaporated. German society, Heller stated, was facing a political – and existential – decision: the “choice between fascist dictatorship and a social constitutional state”.[17] It was probably no coincidence that, in the crisis phase of the republic, with his choice of words, Heller placed himself very clearly in the tradition of the constitutional state: he wanted to call on the bourgeoisie to defend their own political and legal heritage instead of committing “suicide”[18] .

For Heller, the way out of the crisis of the constitutional state and its form of government, parliamentary democracy, was not to destroy them, but rather to give them new substance. Heller’s approach undoubtedly had weaknesses and ambivalences: his harsh criticism of the legal positivism of Hans Kelsen, who was himself a convinced democrat, arguably partly overshot the mark. His concept of the transition to a social constitutional state may also be too state-centred and remain too abstract. However, the fact that he resolutely adhered to the continuity between a liberal and a socially-oriented legal system and state order as well as to the emancipatory function of the law was remarkable in the theoretical and political context of the time.

Aftermath: Hermann Heller and the Carls

In October 1928, Heller was appointed associate professor at the University of Leipzig and left the KWI. In spring 1932, he received a full professorship at the University of Frankfurt. However, this late recognition of his academic achievements was deceptive: due to his political activities, a majority of faculty members had initially spoken out against Heller and proposed Carl Schmitt instead.[19] In October 1932, Hermann Heller and Carl Schmitt – alongside Carl Bilfinger, later Viktor Bruns’ successor at the KWI and director of the newly founded Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law – faced each other in the “Preußenschlag” trial before the State Court: Schmitt as the (successful) attorney of the Reich government, Heller as the (unsuccessful) counsel of the Prussian government, which had been removed in July, and, thus, of the Weimar constitutional order. In this function, he was able to draw on his work at the KWI, because as a former research fellow in the Swiss department he was familiar with questions of federal executive power within the framework of federal constitutions.[20] Ultimately, the trial and its outcome illustrated what Heller had stated in the same year in his essay Bürger und Bourgeois (“Citizen and Bourgeois”): virtually the only remaining defender of the constitutional state, the political habitat of the bourgeoisie, was, paradoxically, social democracy. The bourgeoisie – and many lawyers – had already given up on it. A few months later, Heller himself fell victim to the downfall of the constitutional state, when he was removed from his professorship by the National Socialists in April 1933 due to his Jewish origin, on the basis of the “Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums” (“Law for the Restoration of the Civil Service”). His chair was taken over by the advocate of the “total state” Ernst Forsthoff, while Carl Schmitt, mentor of the latter, with whom Heller had cultivated a good relationship in the beginning of his time in Berlin, reaffirmed the legitimacy of the Führer as the supreme legal authority.[21] Heller had already emigrated to Spain before his dismissal, where he died in November 1933 from the consequences of a heart attack.

He was therefore unable to witness the restoration of the democratic constitutional state after 1945. In addition to Heller’s role as an unorthodox outsider who did not fit into any “box” of constitutional law scholarship, this may be another explanation for the fact that he was received less than other leading Weimar constitutional law scholars like Smend, Schmitt and Kelsen in the constitutional law scholarship of the early Federal Republic of Germany and only regained explicit influence through the writings of Ernst‑Wolfgang Böckenförde. Another former KWI employee, who had worked with Heller between 1927 and 1928 and admired him and his commitment to the Republic, was decisively involved in the West German constitutional debates immediately after the end of the war: the social democrat Carlo Schmid (who still went by the name “Karl” during his time at the KWI). It is partly thanks to him that the idea of the “social constitutional state” found its way into the new German constitution. Heller’s work at the KWI, therefore, although by a circuitous route, ultimately did contribute to his posthumous fame. And it shaped the German constitutional state.

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Other prominent exceptions include Hans Kelsen, Hugo Sinzheimer, Ernst Fraenkel and Gustav Radbruch as well as the younger Franz Neumann and Otto Kirchheimer.

[2] For biographical details, see: Klaus Meyer, Hermann Heller: Eine Biographische Skizze, Politische Vierteljahresschrift 8 (1967), 93–313; his engagement in the Volkshochschulbewegung was typical for social-democratic legal scholars in the Weimar Republic, one could also point to Hugo Sinzheimer or Franz Neumann.

[3] Hermann Heller, Sozialismus und Nation, 2. edn. 1931, in: Christoph Müller (ed.): Hermann Heller, Gesammelte Schriften, vol. I, Leiden: Sitjhoff 1971, 437-526 (496, translated by the editor). The first edition was published in 1923.

[4] Hermann Heller, Die Souveränität – Ein Beitrag zur Theorie des Staats- und Völkerrechts, Contributions on Comparative Public Law and International Law vol. 4, Berlin: De Gruyter 1927.

[5] Hermann Heller, Europa und der Fascismus, 2nd edition 1931, in: Gesammelte Schriften (fn. 3), vol. II, 465-610 (609, translated by the editor).

[6] Hermann Heller, Die politischen Ideenkreise der Gegenwart, in: Gesammelte Schriften (fn. 3), vol. I, 267-412 (396).

[7] Hermann Heller, Politische Demokratie und soziale Homogenität, in: Gesammelte Schriften (fn. 3), vol. II, 421-434 (430, translated by the editor).

[8] Hermann Heller, Rechtsstaat oder Diktatur?, in: Gesammelte Schriften (fn. 3), vol. II, 443-462 (449-450); Hermann Heller, Bürger und Bourgeois, in: Gesammelte Schriften (fn. 3), vol. II, 625-642 (632).

[9] BArch, Bild 102-13680 / Pahl, Georg.

[10] Schmitt had theorised this particularly in the second edition of his work Die geistesgeschichtliche Lage des Parlamentarismus (“The Crisis of Parliamentary Democracy”): Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des Parlamentarismus, 2. edn., München: Duncker und Humblot 1926.

[11]Heller, Fascismus (fn. 5), 541 (translated by the editor).

[12] See: Heller, Fascismus (fn. 5), 604 ff.

[13] “For us, it can only be a matter of […] transforming the liberal constitutional state into a socialist constitutional state” (translated by the editor): Hermann Heller, Ziele und Grenzen einer Verfassungsreform, in: Gesammelte Schriften (fn. 3), vol. II. 411-417 (416).

[14] Heller, Rechtsstaat (fn. 8), 451 (translated by the editor).

[15] Hermann Heller, Grundrechte und Grundpflichten, in: Gesammelte Schriften (fn. 3), vol. II, 281-317 (312, translated by the editor).

[16] Translation following: Heinrich Oppenheimer, The Constitution of the German Republic, London: Stevens and Sons 1923, Appendix: The constitution of the German Federation of August 11, 1919, 219-260.

[17] Heller, Rechtsstaat (fn. 8), 462 (translated by the editor).

[18] Heller, Rechtsstaat (fn. 8), 460 (translated by the editor).

[19] See: Meyer (fn. 2), 309.

[20] Meyer (fn. 2), 310.

[21] See: Carl Schmitt, Der Führer schützt das Recht, DJZ 15 (1934), 945-950.

Das Interventionsverbot in autoritären Kontexten. Hermann Moslers Intervention im Völkerrecht

Für autoritäre Regierungen kann das Interventionsverbot Fluch und Segen zugleich sein. Einerseits schirmt es die inneren Angelegenheiten eines Staates vor ausländischer Einflussnahme ab. Ein Staat ist daher dazu berechtigt, grundsätzlich frei darüber zu entscheiden, wie er seine politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systeme gestaltet. Dies kann vorteilhaft für eine autoritäre Regierung sein, da sie hierdurch den Anspruch erheben kann, unabhängig von äußeren Einflüssen ein autoritäres System aufzubauen und zu verfestigen. Die damit einhergehenden Rechtsverletzungen von Minderheiten und politischen Gegner*innen können als innere Angelegenheit eingestuft werden. Andererseits beschränkt es aber auch den Handlungsspielraum nach außen. Autoritäre Regierungen führen innerstaatliche Probleme häufig auf externe Staaten zurück. In ihrer legitimatorischen Rhetorik bedarf es eines Sündenbocks im Ausland, damit die fortlaufenden Probleme adäquat erklärt werden können und keine Kritik an der Regierungsführung aufkommt. Aufgrund dieser Ausrichtung treten autoritäre Regierungen in ihrer Außenpolitik häufig aggressiver auf und sind im Vergleich zu nicht-autoritäre Regierungen geneigter dazu, Konflikte zu eskalieren. In dieser Hinsicht beschränkt das Interventionsverbot: Es verbietet diesen Staaten eine aggressive und expansive Außenpolitik, welche sich aus ihrer rhetorischen und ideologischen Grundlage ergibt.

Aufgrund dieser Interessenlage kann zumindest in der Gegenwart regelmäßig ein Doppelstandard bei der Berufung auf das Interventionsverbot beobachtet werden. Beispielsweise betont die Volksrepublik China fortlaufend, dass alle Sanktionen, die sich gegen China richten, verbotene Interventionen seien.[1] Dabei hat China selbst Sanktionen gegen US-amerikanische Organisationen und Politiker*innen verhängt, die es für die Proteste in Hong Kong von 2019/20 verantwortlich machte.[2] Die grundsätzliche Position und die konkreten Handlungen Chinas sind nicht miteinander vereinbar und von einem Doppelstandard geprägt.

Ein ähnlich divergentes Spannungsfeld zeigt sich nicht nur in der Außenpolitik autoritärer Staaten, sondern auch in der jeweiligen völkerrechtlichen Forschung. Da völkerrechtliche Forschung von autoritären Regierungen regelmäßig mobilisiert wird, um eigene außenpolitische Positionen zu untermauern, stehen Forschende in ihrer Themenwahl, Quellenwahl und Schwerpunktsetzung teils vor schwierigen Entscheidungen. Selbst wenn sie unter Verwendung völkerrechtswissenschaftlicher Methodik eine objektive rechtliche Bewertung anstreben, kann hierdurch eine Ausrichtung innerhalb des autoritären Forschungskontexts erfolgen und eine Mobilisierung ermöglicht werden. Mit Blick auf das Interventionsverbot können hierbei die drei oben skizzierten Ausrichtungen beobachtet werden. Völkerrechtliche Forschung kann sich gegen jegliche Einmischung in den inneren Angelegenheiten eines Staates richten; dies kann zur Abwehr von ausländischen Einflussnahmen mobilisiert werden. Alternativ kann Forschung die durch das Interventionsverbot gezogenen außenpolitischen Grenzen betonen, welches der Verhinderung autoritärer Exzesse dienen kann. Drittens kann Forschung interventionsrechtliche Doppelstandards ausarbeiten, die als Grundlage einer widersprüchlichen Außenpolitik verwendet werden können.

Die Dissertation von Hermann Mosler aus dem Jahr 1937 mit dem Titel „Die Intervention im Völkerrecht“ enthält Elemente aller drei Ausrichtungen.[3] Die Arbeit entstand in den Jahren 1935 und 1936, als sich die nationalsozialistische Diktatur bereits fest im Deutschen Reich etabliert und Einfluss auf die Wissenschaftslandschaft genommen hatte. 40% aller Völkerrechtler*innen verloren zwischen 1933 und 1939 aufgrund ihrer jüdischen Herkunft oder ihrer politischen Gesinnung ihre Stellung.[4] Die Dissertation entstand daher nicht in einem Kontext, in dem freie Forschung möglich war.

In der bisherigen Rezeption wurde Moslers Konzeption des Interventionsverbots eher der zweiten hier skizzierten Ausrichtung zugeordnet. Mosler habe die NS-Diktatur an das Völkerrecht binden wollen und zudem eine Intervention aus Humanitätsgründen anerkannt.[5] Hierfür finden sich einige Anhaltspunkte, auf die sogleich eingegangen wird (III.). Allerdings betont Mosler auch den umfassenden Charakter des Interventionsverbots, welcher ausländischen Einflussnahmen auf bedeutende Projekte des Nationalsozialismus verbietet (I.). Gleichzeitig legt Mosler seiner Analyse vielfach einen Doppelstandard zugunsten des Deutschen Reichs zugrunde (II.). Die Dissertation von Hermann Mosler kann daher weder als Apologetik des Nationalsozialismus noch als standhafte Abwehr gegenüber dem Nationalsozialismus gewertet werden. Sie ist vielmehr als Produkt einer Zeit zu verstehen, in der Forschung nicht frei war und gewisse revisionistische Positionen in der deutschen Völkerrechtswissenschaft umfassend getragen wurden.

Hermann Mosler (zweiter von rechts) als junger Referent auf dem Dach des KWI (Dach des Berliner Schlosses). Mit Joachim-Dieter Bloch, Ursula Grunow und Alexander N. Makarov (v.l.n.r.)[6]

I. Interventionsschutz für nationalsozialistische Projekte

Nach der Konzeptualisierung im zweiten Teil der Dissertation von Hermann Mosler (S. 38 ff.) schützt das Interventionsverbot bedeutende nationalsozialistische Projekte vor ausländischen Einflussnahmen. Dies soll hier an mehreren Beispielen verdeutlicht werden.

Mosler setzt sich unter anderem mit Einflussnahmen zugunsten nationaler Minderheiten auseinander (S. 56). Nationale Minderheiten erhielten durch völkerrechtliche Verträge der Nachkriegsordnung und Abkommen des Völkerbundes gewissen Schutz. Diese völkerrechtliche Regulierung führte jedoch nach Auffassung Moslers nicht dazu, dass eine Intervention von ausländischen Staaten zum Erhalt der Minderheitenrechte möglich gewesen wäre. Schließlich habe sich hierdurch nichts daran verändert, dass die Staaten die prinzipiellen Rechtssubjekte des Völkerrechts seien und daher exklusiv selbst zur Lösung ihrer jeweiligen Minderheitenfragen berufen waren. Im Anschluss an diese Ausführung erweitert Mosler diese Logik auf Fragen der „Rassengesetzgebung“ (S. 58). Diese müsse erst recht der Intervention anderer Staaten verschlossen sein:

„Lebt aber die rassische Minderheit verstreut im Staatsvolk, so ist ihre rechtliche Stellung der völkerrechtlichen Sphäre noch weiter entzogen und kann n i c h t Gegenstand des Eingriffs auswärtiger Mächte sein.“ (S. 58, Hervorhebung im Original)

Als die Dissertation 1937 veröffentlich wurde, war die systematische Verfolgung von Jüdinnen und Juden durch die „Rassengesetzgebung“ bereits in vollem Gang.[7] Nach Moslers Auffassung handelte es sich hierbei um einen Sachverhalt, der keine ausländische Einflussnahme duldete.

Weiterhin darf nach Auffassung Moslers keine Intervention in der „Wehr- oder Rüstungsgesetzgebung eines Landes“ erfolgen (S. 58). Diese seien „nach Völkerrecht nie als internationale Angelegenheiten betrachtet worden“ (ebda.). Am österreichischen Beispiel der Einführung der Wehrpflicht von 1936 erörtert Mosler, dass ein Staat in dieser Frage völlig frei und diesbezüglich keine Intervention erlaubt sei. Dabei erwähnt Mosler den Versailler Vertrag nicht, obwohl dieser grundsätzliche Aspekte des deutschen Wehr- und Rüstungsrechts regulierte. Insbesondere begrenzte Art. 160 des Versailler Vertrags die Anzahl der deutschen Truppe auf 100.000 Soldaten. Die Lektüre dieses kurzen Absatzes erweckt den Eindruck, dass für Mosler jegliche ausländische Beschränkung dieses Bereichs unzulässig sei. Damit ist auch das nationalsozialistische Aufrüstungsprojekt, das 1937 bereits signifikante Fortschritte machte[8] und völkerrechtswidrig war[9], vom Interventionsschutz gedeckt.

Das „Versailler Diktat“ (S. 78) wird an anderer Stelle abgelehnt und als Negation von Deutschlands Stellung als gleichberechtigtem Staat eingeordnet. Dies entspricht auch der generellen Haltung Moslers[10] sowie dem Zeitgeist in der deutschen Völkerrechtswissenschaft des „Dritten Reiches“[11].

Darüber hinaus widmet sich Mosler nicht dem System der kollektiven Sicherheit des Völkerbundes. Er sieht grundsätzlich keinen rechtlichen Unterschied zwischen Einzelinterventionen durch einen Staat und Kollektivinterventionen mehrerer Staaten (S. 68-69). Das kollektive Element wird als lediglich „politisch und moralisch“ (S. 68) abgetan. Dabei waren Kollektivinterventionen des Völkerbundes zum Zeitpunkt des Verfassens eine zentrale und neue Frage.[12] Die völkerrechtliche Grundlage derartiger Interventionen und ihre möglicherweise gesteigerte Legitimität wären daher von herausgehobenen Interesse gewesen, insbesondere aufgrund der 1935 beschlossenen kollektiven Sicherheitsmaßnahmen gegen Italien im Zuge des sog. „Abessinienkriegs“.[13] In der Systematisierung von Mosler kommen Kollektivinterventionen durch den Völkerbund mithin keine Bedeutung zu.

Hermann Mosler in den 1980ern (Foto: MPIL)

In Moslers Konzeption erstreckt sich daher der Schutz des Interventionsverbots auf bedeutende nationalsozialistische Projekte, insbesondere auf die Verfolgung von Jüdinnen und Juden und die Aufrüstung. Zudem lehnt er die Beschränkungen des Versailler Vertrags ab oder lässt sie an entscheidender Stelle unerwähnt. Dementsprechend wird auch der Völkerbund nicht erwähnt und kollektive Interventionsrechte werden am Rande als unbedeutend abgetan. Diese Konzeption entspricht der ersten hier aufgezeigten Kategorie: Das Interventionsverbot wird von einem autoritären Staat zur Abwehr ausländischer Einflussnahme auf innere Angelegenheiten verwendet, selbst wenn dieser Staat durch Handlungen in seinen inneren Angelegenheiten das Völkerrecht verletzt.

II. Doppelstandards

Weiterhin legt Mosler seinen Bewertungen mehrfach Doppelstandards zugunsten des Deutschen Reichs zugrunde, die von einer selektiven Materialverwendung und fehlender argumentativer Klarheit begleitet werden. Dies verstärkt apologetische Passagen zugunsten des Nationalsozialismus.

Mosler ordnet im Verlauf des Buches immer wieder die Handlungen der Sowjetunion als völkerrechtswidrige Intervention ein. Diese vertrete zwar anlässlich des spanischen Bürgerkriegs (1936-39) den Grundsatz der Nichtintervention, handele diesem aber zuwider, indem sie die Madrider Regierungstruppen unterstütze (S. 73). Gleichzeitig würde die Sowjetunion durch die Komintern und die von ihr verbreitete Propaganda völkerrechtswidrig in anderen Staaten intervenieren (S. 52). Unerwähnt bleibt bei Mosler allerdings, dass das Deutsche Reich dieselben Handlungen vornahm. Im spanischen Bürgerkrieg unterstützte es die Truppen von Francisco Franco und entsandte ab 1936 die Legion Condor, die an mehreren Gräueltaten beteiligt war. Gleichzeitig entwickelte das NS-Regime eine beachtliche Auslandspropaganda, die zum Beispiel im Vorfeld der Annexion des sog. „Sudetenlandes“ den „Anschluss“ vorbereitete[14] und die Saarabstimmung von 1935 intensiv begleitete. Es wäre zu erwarten gewesen, dass auch hierauf hingewiesen würde, zumal Mosler behauptete, dass sich das Deutsche Reich an das Interventionsverbot im Kontext des spanischen Bürgerkriegs halte (S. 54-55).

Weiterhin ist auffällig, dass Mosler überwiegend deutsche und österreichische Staatenpraxis zitiert. Beispielsweise erwähnt er zur Begründung des Propagandaverbots das deutsch-japanische Abkommen von 1936 gegen die Kommunistische Internationale (S. 52, Fn. 49).[15] Die bedeutendere multilaterale Konvention über den Gebrauch des Rundfunks im Interesse des Friedens vom 23. September 1936 bleibt unerwähnt.[16] Diese richtete sich nicht nur gegen sowjetische, sondern auch gegen NS-Propaganda und wurde daher vom Deutschen Reich nicht ratifiziert.[17] Auch die Quellenwahl spiegelt so die Auffassung, dass Interventionen immer nur das sind, was andere Staaten tun.

Dieses Bild wird entschieden dadurch verstärkt, dass sich Mosler auf einer abstrakten Ebene nicht mit dem Interventionsbegriff auseinandersetzt. Er legt weder dar, was unter dem Einsatz von „Macht“ zu verstehen ist, noch was als innere Angelegenheit gilt. Dabei hatte sich der Ständige Internationale Gerichtshof in einem Gutachten von 1923 intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, welche Angelegenheiten als innere Angelegenheit zu verstehen sind.[18] Eine Auseinandersetzung mit diesem Gutachten wäre zu erwarten gewesen. Gleichzeitig kommen bei Interventionen verschiedene Intensitäten von „Macht“ in Betracht. Die Verwendung militärischer Gewalt fällt in Moslers Konzeption jedenfalls darunter. Die Verbreitung von Propaganda aber auch. Warum dieses deutlich schwächere Medium den Anforderungen der „Machtschwelle“ genügt, wird nicht erörtert. Da insgesamt dogmatische Auseinandersetzungen mit den Tatbestandsvoraussetzungen des Interventionsverbots ausbleiben, bietet die Dissertation allein kurze Ausführungen zu den jeweiligen Interventionskonstellationen zur Bestimmung des Interventionsverbots. Wie gerade dargelegt, bleibt die Interventionspraxis des Deutschen Reichs hierbei unerwähnt.

Diese Bewertung mit zweierlei Maß verstärkt apologetische Passagen in Moslers Dissertation, die die Kompatibilität des Nationalsozialismus mit dem Völkerrecht hervorheben. In diesem Zusammenhang sind zunächst die sechs Hitler-Referenzen zu erwähnen.[19] Eine Hitler-Rede wird gleich in der ersten Fußnote herangezogen, um die damalige Krise des Völkerrechts zu illustrieren (S. 7, Fn. 1). Darüber hinaus wird Hitler an entscheidenden Stellen zitiert, nicht nur um tatsächliche Gegebenheiten nachzuweisen oder die Position Deutschlands zu erläutern, sondern auch um völkerrechtliche Argumente zu formulieren und untermauern (S. 79, Fn. 55). Diese Zitate wurden bereits von einem Zeitgenossen Moslers kritisch bewertet.[20] Weiterhin widmet sich der dritte Teil der Dissertation (S. 71 ff.) der Kompatibilität des Faschismus und des Nationalsozialismus mit dem Völkerrechtssystem.[21] Die völkische Ausrichtung des Nationalsozialismus wird nicht als Verletzung des Völkerrechts eingeordnet.[22] Schließlich wäre der völkische Ordnungsgedanke im Idealzustand des Gleichlaufs von Volk und Staatsgrenze auch mit dem staatlich geprägten Völkerrecht kompatibel (S. 79). Darüber hinaus verharmlost Mosler die Konsequenzen faschistischen und völkischen Denkens. Eine Rede Mussolinis, in der dieser ankündigt, dass „Innerhalb eines Dezenniums (…) Europa faschistisch oder faschisiert sein [wird]!“ (S. 75), tut Mosler allein als Prognose und nicht als Absichtserklärung ab. Die Ankündigung sieht er nicht als Handlungsplan der faschistischen italienischen Regierung und geht daher auch nicht davon aus, dass diese hieraus ein Interventionsrecht ableitet.

Die Konstruktion des Interventionsschutzes, die mit vielfachen Doppelstandards zugunsten des nationalsozialistischen Deutschlands und der damit verbundenen Apologetik gepaart ist, lässt sich der dritten eingangs beschriebenen Kategorie zuordnen: Das Interventionsverbot wird einerseits als Grenze für ausländische Einmischungen mobilisiert, andererseits sollen die eigenen Handlungen diesem Verbot nicht unterfallen.

III. Intervention als Beschränkung von Exzessen

Neben dem Interventionsschutz für nationalsozialistische Projekte und den Doppelstandards zugunsten des Deutschen Reichs bietet die Dissertation von Hermann Mosler jedoch auch Anhaltspunkte für ein beschränkendes Verständnis des Interventionsverbots. Gerade vor dem Hintergrund des nationalsozialistischen Expansionsprogramm sind diese Aspekte beachtlich.

So spricht sich Mosler entschieden gegen die zwanghafte Änderung von Grenzläufen aus (S. 80), welches dem Kellog-Briand Pakt von 1928 entspricht. Darüber hinaus verbietet seine Konzeption des Interventionsverbots Eingriffe in Minderheitenangelegenheiten. Gerade mit Blick auf die ethnisch-deutsche Bevölkerung im sog. „Sudetenland“ stand dieser Grundsatz der NS-Expansionspolitik diametral entgegen. Diese Elemente können daher als Versuch Moslers interpretiert werden, die NS-Regierung an das Völkerrecht und das Interventionsverbot zu binden. Von den sechs Hitler-Zitaten beziehen sich vier auf die sogenannten „Friedensreden“ von 1935, in denen sich Hitler zumindest verbal zu der Friedensordnung bekennt, aggressive Tendenzen seiner Regierung verneint und die Rechte anderer Völker anerkennt. Diese verbalen Bekenntnisse wurden zwar ab 1937/38 von der Realität überholt. Christian Tomuschat hat jedoch festgehalten, dass bei Erscheinung der Dissertation im Jahr 1937 die Verwendung dieser Reden durch Mosler noch zulässig war und der Bindung des NS-Regimes an das geltende Völkerrecht dienen sollte.[23]

Rudolf Bernhardt und sein Lehrer Hermann Mosler 1961 auf dem Kolloquium „Verfassungsgerichtsbarkeit in der Gegenwart“ (Foto: MPIL)

Darüber hinaus wird in der zeitgenössischen[24] wie neueren[25] Rezeption des Werks hervorgehoben, dass Mosler sich für eine „Intervention aus Gründen der Menschlichkeit“ (S. 61 f.) ausspricht, sofern es zu Verstößen „gegen die elementaren Gesetze der Menschlichkeit“ (S. 63) in einem Staat kommt, kein milderes Mittel besteht und die Intervention nicht zu einer „wesentlich empfindlichere[n] Störung der Rechtsordnung“ (S. 65) führt. In einer kurzen Rezension von 1939 hebt der US-amerikanische Interventionsexperte Ellery Stowell folgendes hervor:

„It is interesting to note in this German text, published before the recent anti-Semitic severities in the Third Reich, the statement that intervention on the ground of humanity is today recognized when occurrences within another state are in blatant opposition to the generally recognized principles of humanity.”[26]

Rudolf Bernhardt sieht in den diesbezüglichen Erörterungen den Schwerpunkt der Arbeit.[27] Durch das Bekenntnis zur Humanitätsintervention hätte sich Mosler zu einer möglichen ausländischen Intervention gegen das Deutsche Reich bekannt, sofern es in der Zukunft zu schwereren Verletzungen der Menschlichkeit kommen würde. In Moslers Sinne könne das Interventionsverbot nicht gegen exzessive Verletzungen der Menschlichkeit bestehen.

Zwar ist zweifelhaft, inwiefern 1937 eine derartige Position noch vertretbar war. Schließlich sah Mosler die Kriterien für eine Humanitätsintervention noch nicht gegeben, obwohl die Nürnberger Rassengesetze von 1935 und die damit verbundene Jüd*innenverfolgung, die entschiedene Aufrüstung und Einführung der Wehrpflicht ab 1935, die revisionistischen Tendenzen bezüglich der deutschen Grenzen und des Versailler Vertrags (unter anderem durch die Besetzung des Rheinlands 1936) und die aggressive außenpolitische Haltung[28] bereits zu diesem Zeitpunkt auftraten. Dennoch kann Mosler zugutegehalten werden, dass er das Interventionsverbot nicht verabsolutiert und damit auch die völkerrechtliche Möglichkeit einer Intervention gegen das Deutsche Reich offenhält, sofern dieses elementare Grundsätze der Menschlichkeit verletzt.

Die Dissertation von Mosler enthält somit auch Aspekte, die sich der zweiten eingangs skizzierten Ausrichtung zuordnen lassen: Das Interventionsverbot wird vor die Expansionspolitik des Deutschen Reichs gestellt, eine gewaltsam Grenzverschiebung abgelehnt. Gleichzeitig wird der Interventionsschutz nicht als vollumfänglich dargelegt und die Möglichkeit zur Humanitätsintervention eröffnet.[29]

IV. Fazit

Gerade in der Anfangszeit des NS-Regimes wurden völkerrechtliche Forschungsergebnisse in der NS-Außenpolitik dazu verwendet, das Deutsche Reich als weiterhin berechenbaren Staat und verlässlichen internationalen Akteur darzustellen.[30] Die bereits genannten revisionistischen Maßnahmen wurden auf Grundlage wissenschaftlich erarbeiteter Argumentation nach außen hin „plausibel“ begründet und konnten so zunächst den Schein erwecken, dass das nationalsozialistische Deutschland die Völkerrechtsordnung zumindest grundsätzlich achten würde. Diese dienende Funktion völkerrechtlicher Forschung ist typisch für autoritäre Staaten. Forschende in diesen Kontexten können daher, selbst wenn sie eine objektive rechtliche Bewertung anstreben, durch Schwerpunktsetzung, Themen- und Quellenwahl einer bestimmten Mobilisierung ihrer Forschungsergebnisse Vorschub leisten.

Daher sind Ausrichtung und Konzeptualisierung von Hermann Moslers Dissertation kritikwürdig. In seiner Konzeption werden bedeutende Projekte des NS-Regimes durch das Interventionsverbot vor äußeren Einflüssen abgeschirmt. Das Deutsche Reich konnte sich auf seine völkerrechtliche Stimme beziehen, wenn sie ausländische Kritik an der Jüd*innenverfolgung oder der Aufrüstung als Intervention zurückwies. Auf Basis von Moslers völkerrechtlicher Positionierung konnte das Regime ohne Rücksicht auf ausländische Bedenken den Angriffskrieg gegen mehrere europäische Staaten und den systematischen Massenmord an Jüdinnen und Juden vorbereiten. Selbst wenn diese Folgen 1937 noch nicht gänzlich absehbar waren, ist eine hierzu dienende und ermöglichende Konzeptualisierung des Interventionsverbots nur schwer zu rechtfertigen.

Allerdings kann auch nicht darüber hinweggesehen werden, dass Moslers Position dem völkerrechtswissenschaftlichen Zeitgeist der Mitte der 1930er Jahre entsprach. Die Ablehnung des Versailler Vertrags und eine gewisse Affinität zur NS-Außenpolitik, die eine Revision von Versailles anstrebte, waren unter deutschen Völkerrechtler*innen der 1930er weit verbreitet.[31] Zudem bestand, zumindest vor 1938, eine große Bereitschaft über kritische Aspekte des NS-Projekts hinwegzuschauen.[32] Dass sich diese Elemente auch in der Dissertation von Mosler wiederfinden, verwundert daher nicht, zumal eine risikolose Abweichung von diesem Forschungskonsens im damaligen autoritären Forschungskontext[33] einem aufstrebenden Nachwuchswissenschaftler in der Position Moslers nur schwer möglich war.

Aufschlussreich ist daher der genaue Blick auch auf die anderen Aspekte der Arbeit. Mosler versuchte die NS-Regierung an einen Interventionsbegriff zu binden, der außenpolitische Exzesse verhindern würde. Insbesondere das Bekenntnis gegen die gewaltvolle Verschiebung von Grenzen stand der NS-Expansionspolitik entgegen. Hierdurch setzte sich Mosler auch von anderen Zeitgenossen ab, die sich klar zugunsten des NS und seiner Expansionspolitik aussprachen. Mosler bekannte sich zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich zum NS und wurde nicht NSDAP-Mitglied. Zudem stellt allein die von ihm eingeräumte Möglichkeit zur Humanitätsintervention eine Beschränkung des sonst sehr umfassenden Interventionsschirms dar.

Die Dissertation von Hermann Mosler lässt sich im Ergebnis keiner der drei oben skizzierten Ausrichtungen zweifelsfrei zuordnen. Für alle drei bestehen Anhaltspunkte. Gerade vor dem Hintergrund aktueller interventionsrechtlicher Debatten zeigt seine Arbeit jedoch, wie bestimmte wissenschaftliche Schwerpunktsetzungen einer politischen Mobilisierung dienen können, selbst wenn der Autor eine objektive Bewertung der Völkerrechtslage anstrebt.

 

[1] The Commissioner’s Office of China’s Foreign Ministry in the Hong Kong S.A.R, Say No to Unilateral Sanctions and Jointly Uphold the International Rule of Law, Keynote Speech by H.E. Mr. Xie Feng Commissioner of the Ministry of Foreign Affairs of China in the Hong Kong Special Administrative Region at the Opening Ceremony of 2020 Colloquium on International Law, 04.12.2020, online: <www.mfa.gov.cn/ce/cohk/eng/zydt/t1838003.htm>, zuletzt abgerufen am 23.02.2022.

[2] China sanctions four with U.S. democracy promotion ties over Hong Kong, Reuters, 30.11.2020, online: <www.reuters.com/article/us-usa-china-hongkong-sanctions-idUSKBN28A0RH>, zuletzt abgerufen am 24.02.2022.

[3] Hermann Mosler, Die Intervention im Völkerrecht – Die Frage des Verhältnisses von Souveränität und Völkergemeinschaft, Berlin: Juncker und Dünnhaupt 1937; Die Dissertation entstand 1935 und 1936 bei Richard Thoma an der Universität Bonn.

[4] Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (Hrsg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandaufnahme und Perspektiven der Forschung Bd.2, Göttingen: Wallstein 2000, 490-528, 492.

[5] Christian Tomuschat, Rede zum 50. Doktorjubiläum von Hermann Mosler, gehalten am 12. November 1987, in: Bonner akademische Reden, Bd. 69, Bonn: Bouvier 1989, 10 ff.; Rudolf Bernhardt, Die Rückkehr Deutschlands in die Internationale Gemeinschaft, Der Staat 42 (2003), 583-599, 585; Christian Tomuschat, Hermann Mosler (1912-2001), in: Peter Häberle/Michael Kilian, Heinrich Amadeus Wolff (Hrsg.), Staatsrechtslehrer des 20. Jahrhunderts, Berlin: De Gruyter 2014, 959; Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption – Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 262, Heidelberg: Springer 2017, 64; 105-106.

[6] VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/51.

[7] Einzelne Aspekte hiervon wurden in der Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht immer wieder verteidigt, siehe: Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, Die Entziehung der Staatsangehörigkeit und das Völkerrecht, ZaöRV 4 (1934), 261-277.

[8] Auch die deutsche Aufrüstung unter Verletzung des Versailler Vertrags wurde in der ZaöRV gerechtfertigt, siehe: Viktor Bruns, Der Beschluß des Völkerbundsrats vom 17. April 1935, ZaöRV 5 (1935), 310-316.

[9] Hueck (Fn. 4), 516.

[10] Lange (Fn. 5), 105.

[11] Detlev F. Vagts, International Law in the Third Reich, AJIL 84 (1990), 661-704, 670.

[12] Hans Wehberg, Die Reform des Völkerbundes, Die Friedens-Warte 36 (1936), 204-206; Edgar Tatarin-Tarnheyden, Völkerrecht und organische Staatsauffassung, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 29 (1936), 295-319.

[13] Zur Diskussion hierum siehe: Wehnberg (Fn. 12) und weiter: Quincy Wright, The Test of Aggression in the Italo-Ethiopian War, AJIL 30 (1936), 45-56.

[14] Hueck (Fn. 4), 497-98; Peter Longerich: Propagandisten im Krieg. Die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes unter Ribbentrop, Studien zur Zeitgeschichte Bd. 33, Berlin: De Gruyter 1987, 46 ff; Beispielsweise im Vorfeld der Annexion des „Sudetenlands“, siehe: Schreiben des tschecho-slowakischen Gesandten in London an den britischen Außenminister, datiert 25. September 1938, abgedruckt in: Friedrich Korkisch, Dokumente zur Lösung der Sudetendeutschen Frage, ZaöRV 8 (1938), 759-788, 776.

[15] Abkommen gegen die Kommunistische Internationale v. 25. 11. 1936, RGBl. II 1937, 28.

[16] International Convention Concerning the Use of Broadcasting in the Cause of Peace v. 23. 9. 1936, UNTS 186, 301; siehe ausführlich zu diesem Abkommen: Björnstjern Baade, Fake News and International Law, EJIL 29 (2019), 1357-1476, 1365; Henning Lahmann, Information Operations and the Question of Illegitimate Interference under International Law, Israel Law Review 53 (2020), 1-36, 7.

[17] Baade (Fn. 16), 1366.

[18] StIGH, Nationality Decrees Issued in Tunis and Morocco, Advisory Opinion v. 7. 2. 1923, Series B, No. 23-24.

[19] Insgesamt sechs Zitate auf S. 6, 77, 78, 79.

[20] Kritik von Wilhelm Wengler wiedergegeben bei Lange (Fn. 5), 105.

[21] Eine andere Interpretation dieses Teils vertritt Lange (Fn. 6), 106-7. Er sieht hierin einen Versuch Moslers den Nationalsozialismus an das Völkerrecht zu binden, indem er darlegt, weshalb die nationalsozialistische Position weitestgehend dem Völkerrecht entspricht.

[22] Dabei beruhte die völkische Ausrichtung des Nationalsozialismus auf einer Über- und Unterordnung verschiedener „Rassen“. Eine Gleichberechtigung verschiedener in Staaten konstituierter Völker ist unter dieser Prämisse nicht möglich und damit eine Negation des souveränitätsbasierten Völkerrechts.

[23] Bernhardt (Fn. 5), 585; Tomuschat, Mosler (Fn. 5), 959.

[24] Ellery C. Stowell, Humanitarian Intervention, AJIL 33 (1939), 241.

[25] Tomuschat, Mosler (Fn. 5), 959; Bernhardt (Fn. 5), 584; Lange (Fn. 5), 64; 105-106.

[26] Stowell (Fn. 24), 241.

[27] Bernhardt (Fn. 5), 584 f.

[28] Lange (Fn. 5), 37; Tomuschat, Rede (Fn. 5), 10.

[29] Ob eine Humanitätsintervention gegen das Deutsche Reich nach 1937 zulässig gewesen wäre, hat Mosler nie beantwortet. Nach der Dissertation hat er – ausweislich seines Schriftenverzeichnisses – nicht wieder zum Interventionsverbot publiziert, siehe: Roger Bernard et al. (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung, Internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte: Festschrift für Hermann Mosler, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 81, Heidelberg: Springer 1983, 1049-1057.

[30] Vgl. Rüdiger Hachtmann, Das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 1924 bis 1945, MPIL100, online: <mpil100.de/2023/12/das-kaiser-wilhelm-institut-fuer-auslaendisches-oeffentliches-recht-und-voelkerrecht-1924-bis-1945/>, zuletzt abgerufen am: 21.12.2023; Lange (Fn. 5), 37: „Indem die Völkerrechtswissenschaft sich grundsätzlich für die Einhaltung völkerrechtlicher Bindungen stark machte, stärkte sie das Bild eines berechenbaren und kontrollierbaren Regimes gegenüber dem Ausland.“; Hueck (Fn. 4), 514.

[31] Hueck (Fn. 4), 525.

[32] Hueck (Fn. 4), 525.

[33] Hueck (Fn. 4), 492.

Suggested Citation:

Florian Kriener, Das Interventionsverbot in autoritären Kontexten. Hermann Moslers Intervention im Völkerrecht, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240404-212545-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

Das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 1924 bis 1945

The Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law 1924 to 1945

Deutsch

Das „Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht“ (im Folgenden: Völkerrechts-Institut) ist ein Produkt der Krisen der frühen Weimarer Republik. Gegründet wurde es am 19. Dezember 1924 – als ‚eingetragener Verein’, der mit der Kaiser‑Wilhelm‑Gesellschaft (KWG) in den ersten gut zehn Jahren lediglich assoziiert war.[1] Zurück ging die Entstehung des Instituts auf eine Initiative des am 11. Mai 1920 zum Generalsekretär der KWG berufenen Staats- und Verwaltungsrechtler Friedrich Glum. Aufgabe des Völkerrechts‑Instituts war es, als eine Art brain trust zur außenpolitischen ‚Krisenbewältigung’ beizutragen. Zwar war die verheerende Inflation Ende 1924 gestoppt und die Währung stabilisiert worden, außenpolitisch bewegte sich das Deutsche Reich jedoch weiterhin in höchst unsicheren Fahrwassern. Es war noch nicht in den Völkerbund aufgenommen worden und blieb international weiterhin relativ isoliert. Die Besetzung größerer Teile des Rheinlandes durch französische Truppen hatte nationalistischen Ressentiments im Deutschen Reich kräftige Nahrung gegeben. Nach dem Abbruch des „Ruhrkampfes“ am 26. September 1923 begannen sich die internationalen Konstellationen immerhin allmählich zu entspannen. Das Genfer Protokoll zur „friedlichen Regelung internationaler Streitigkeiten“ wurde am 2. Oktober 1924 unterzeichnet; die Räumung des besetzten Rheinlandes begann im Hochsommer 1925; die Verträge von Locarno Mitte Oktober 1925 bahnten dem Deutschen Reich den Weg in den Völkerbund; formal vollzogen wurde die Aufnahme am 10. September 1926.

Vor diesem Hintergrund war es die zentrale Aufgabe des Völkerrechts‑Instituts „die wissenschaftliche Vorarbeit und Unterstützung für den von der Regierung zu führenden Kampf gegen den Versailler Vertrag, Dawesplan und Youngplan um die völkerrechtliche Gleichberechtigung Deutschlands und der deutschen Minderheiten“ zu leisten.[2] Geleitet wurde die „regierungsnahe Beratungsstelle für Völkerrecht“ (Ingo Hueck) von Viktor Bruns. Bruns, der wenige Tage nach der Gründung ‚seines’ Instituts das 40. Lebensjahr vollendete und seit 1912 Extraordinarius, seit 1920 dann ordentlicher Professor für Staats- und Völkerrecht an der Universität Berlin war, stand bis zu seinem Tod am 28. September 1943 an dessen Spitze.

Dass das Völkerrechts-Institut ‚deutschen Interessen’ gegenüber den angrenzenden europäischen Staaten rechtlich den Weg bahnen sollte, unterstrichen Bruns und seine Mitstreiter, indem sie eine Zweigstelle im französisch besetzten Trier gründeten. Die Mitarbeiter dort widmeten sich seit dem 24. Juli 1925 unter der Leitung des Prälaten Ludwig Kaas der „Auslegung des Versailler Vertrages“, dem „Recht in den besetzten Gebieten [des Rheinlandes], des Saargebietes, Elsaß-Lothringens“ und Südtirols sowie dem „ausländischen Staatskirchenrecht“.[3] Kaas hatte im Herbst 1928 den Vorsitz des Zentrums übernommen und war für die Rechtswende dieser katholischen Volkspartei ab Ende der 1920er Jahre verantwortlich. Am 30. Juni 1933 wurde die Zweigstelle aufgelöst, nachdem Kaas zwei Monate vorher nach Rom emigriert war.

Die Rechtskonstruktion des Instituts und seine ‚Anlehnung’ an die renommierte KWG brachte beträchtliche politische Vorteile mit sich: Zwar war Bruns’ Institut de facto eine Gutachter- und Beratungseinrichtung, vor allem des Auswärtigen Amtes, und Bruns zudem der wichtigste Repräsentant des Deutschen Reichs vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, der Form nach war und blieb es jedoch eine unabhängige Einrichtung. Seine Expertisen konnten ‚neutralen‘ Charakter beanspruchen und liefen nicht Gefahr, parteipolitischen Auseinandersetzungen zum Opfer zu fallen; der Direktor und seine Mitarbeiter waren nicht von den kurzlebigen Regierungskoalitionen abhängig. Auch international ließen sich die Gutachten eines nominell unabhängigen Instituts wirkungsvoller einsetzen.

Das Institut im Dritten Reich. Wissenschaftliche Begleitung des neuen deutschen Imperialismus

Aufzug vor dem Alten Museum. “Sieghafter Einzug der Spanischen Legion Condor“. Blick von den oberen Etagen des Berliner Schlosses, jedoch nicht von den Institutsräumen: 06.06.1939[4]

Das Jahr 1933 markiert für das Völkerrechts-Institut in mehrerlei Hinsicht einen Einschnitt. Demokraten wie Carlo Schmid hatten das Institut schon vorher verlassen, andere folgten nach 1933. Der nach den NS-Rassegesetzen als Jude geltende und seit 1927 als Wissenschaftlicher Berater des Instituts tätige Erich Kaufmann musste 1934 diese Stellung aufgeben; er floh in die Niederlande und überlebte dort, teils in der Illegalität, den Krieg. Auch Marguerite Wolff überlebte die NS-Zeit. Sie war bei der Gründung des Instituts von Bruns als wissenschaftliche Assistentin eingestellt worden und wurde aufgrund ihrer jüdischen Herkunft im April 1933 entlassen. Ähnlich ihr gleichfalls jüdischer Ehemann Martin Wolff, der Ende 1925 zum Wissenschaftlichen Mitglied des Zwillings-Instituts für Privatrecht berufen worden war. Mitte der 1930er Jahre emigrierte das Ehepaar nach England. Zu den aus rassistischen Gründen NS‑Verfolgten gehört im Weiteren auch Gerhard Leibholz, ein Mitarbeiter aus der Anfangszeit des Völkerrechts-Instituts, der als Jude diskriminiert noch wenige Wochen vor dem Novemberpogrom 1938 ebenfalls nach England fliehen konnte.

Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und der Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund hatten eine Art politisch-juristischen Paradigmenwechsel zur Folge: Bis 1933 hatte das Völkerrechts-Institut vor allem die Kriegsfolgen mit Gutachten etc. rechtlich abzufedern und rückgängig zu machen versucht. 1933 begaben sich auch das Institut und seine führenden Exponenten auf den aggressiv-imperialen Kurs, den das NS-Regime schon bald einschlug; sie taten dies, ohne dazu gezwungen werden zu müssen – und wuchsen damit in eine zentrale Rolle für das NS-Regime hinein: Als juristisches Beratungsorgan blieb das Institut „im Auswärtigen Amt tonangebend“.[5]

Wo die zentralen Akteure politisch standen, zeigten sie mit ihrem Engagement für Aufrüstung und imperiale Ziele: Viktor Bruns etwa engagierte sich in starkem Maße für die auf diesem Feld besonders eifrige, am 28. Juni 1933 gegründete „Deutsche Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften“ (DGWW); ebenso Ernst Schmitz, seit 12. Mai 1931 Leiter der völkerrechtlichen Abteilung und vom 11. Januar 1936 bis zu seinem Tod Anfang 1942 als enger Vertrauter Bruns’ der stellvertretende Direktor des Völkerrechts-Instituts. Bruns und Schmitz, ein Spezialist für Kriegsrecht, hielten im Auftrag der Gesellschaft militärpolitische Vorträge und gaben der „wehrwissenschaftlichen“ Gesellschaft damit einen seriösen und über Partikularinteressen stehenden Anstrich. Beide galten als zentrale Stützen der DGWW.[6] Und ebenso der, wie Friedrich Glum es formulierte, „faszinierende Staatsrechtslehrer“ Carl Schmitt, den Bruns Anfang Dezember 1933 als „wissenschaftlichen Berater“ an das Institut band. Schmitt, Vordenker der 1930 etablierten Präsidialdiktatur und 1932 Vertreter der Papen-Regierung im „Preußenschlag“-Prozess vor dem Staatsgerichtshof, hielt auf der zweiten Hauptversammlung der DGWW 1934 den zentralen Vortrag.[7]

Das Völkerrechts-Institut war nicht nur mit Vereinigungen, die Aufrüstung und Bellizismus, durchaus auch im Wortsinne, ‚predigten’, eng vernetzt. Auch personell erhielt das Institut ein markant militärisches Gesicht, vor allem sein Aufsichtsgremium: Anfang 1937, nachdem wenige Monate zuvor die Phase der forcierten Aufrüstung offiziell verkündet worden war, wurden in das gemeinsame Kuratorium der beiden Rechts-Institute hochrangige Militärs gewählt, nämlich Reichskriegsminister und Generalfeldmarschall Werner von Blomberg (mit dem Recht, sich vertreten zu lassen), der langjährige Vorsitzende der DGWW General Friedrich von Cochenhausen, der (Anfang 1939 reaktivierte) Admiral a.D. Walter Gladisch sowie der General der Flieger (und spätere Generalfeldmarschall) Erhard Milch.[8]

Pluralismus dank Pragmatismus? Konservative und völkische Standpunkte am KWI

Mitarbeiter des Instituts auf dem Dach des Berliner Schlosses: vl. n. r: Joachim-Dieter Bloch, Ursula Grunow, Alexander N. Makarov, Hermann Mosler (undatiert)[9]

Bemerkenswert ist, dass trotz des angedeuteten Paradigmenwechsels der innere Pluralismus des Instituts auch nach 1933 erhalten blieb – wenn auch innerhalb des vom NS-Regime gesetzten politischen Rahmens, also deutlich nach rechts verschoben: Manche verfolgten weiterhin das Konzept einer – grundsätzlich gleichberechtigten – „Völkerrechtsgemeinschaft“, andere die Idee einer rassistisch‑hierarchischen „Völkergemeinschaft“. Zu letzteren gehörte etwa Herbert Kier, der bereits 1931 der NSDAP beitrat (1934 der SS) und seit 1936 als Experte für „Volksgruppenrecht“ dem Völkerrechts-Institut angehörte. Diese weiterhin deutliche Spannbreite unterschiedlicher Vorstellungen über Form und Funktion des Völkerrechts hatte zwei Gründe:

Zum einen sollte die traditionelle, stark ‚wilhelminisch grundierte‘ und bildungsbürgerlich geprägte Juristenelite nicht vor den Kopf gestoßen werden. Zahllose Justiz- und Verwaltungsjuristen und ebenso Exponenten der Rechtswissenschaften standen – wie die hohen NSDAP‑Mitgliedszahlen unter ihnen ausweisen – der NS-Bewegung zwar politisch‑weltanschaulich oft sehr nah; sie blieben jedoch zu einem erheblichen Teil weiterhin zu stark klassisch‑juristischen Denkmustern verhaftet, als dass man ihnen binnen kurzer Zeit die obskure ‚rassengesetzliche Rechtslehre‘ von rassistischen Eiferern wie Kier hätte oktroyieren können. ‚Verprellen‘ wollte man die im Wilhelminischen sozialisierten Rechtswissenschaftler jedoch auch nicht, und zwar nicht nur, weil deren politisch‑weltanschauliche Ansichten sich stark mit der Hitler-Bewegung und dem (ebenfalls selbst ideologisch keineswegs homogenen) NS-Regime überschnitten. Die Exponenten der Diktatur brauchten auch und gerade die Wissenschaftseliten, um ‚funktionale‘ Lösungen sowohl zur (in unserem Fall: Rechtsbasierung der) innenpolitischen Konsolidierung als auch für die Umsetzung der von Anbeginn avisierten imperialen Expansion zu finden.

Es war des Weiteren ein eigentümlicher ‚Pragmatismus’ der Protagonisten des NS-Regimes, der hinter der deutlichen Spannbreite unterschiedlicher Vorstellungen über Form und Funktion des Völkerrechts nach 1933 stand. Sie konnten sich so die jeweils funktionalsten, unter den ihnen präsentierten gutachterlichen ‚Lösungen’ für mit dem Völkerrecht verquickte außenpolitische ‚Probleme’ aussuchen. Dies ist der zweite Grund für den – relativen – Pluralismus innerhalb (auch) der Rechtswissenschaften und erklärt, warum sich führende Akteure des Regimes politisch‑administrativ nicht in die Forschungskontroversen des jeweiligen Wissenschaftsfeldes einmischten.

Die, bei den exponierten Persönlichkeiten des Instituts deutlich erkennbare, Selbstmobilisierung zur rechtlichen Fundierung und Durchsetzung der imperialen Ziele der NS-Diktatur schloss im Übrigen Reibungen und Rivalitäten mit ähnlich gelagerten Institutionen keineswegs aus: Seit dem 9. April 1935 firmierte das Völkerrechts- Institut förmlich als „Kaiser-Wilhelm-Institut“, ebenso die „Schwesteranstalt“ für ausländisches Privatrecht. Damit kam die KWG einem Übernahmeversuch der am 26. Juni 1933 gegründeten „Akademie für Deutsches Recht“ zuvor. Am 30. Mai 1938 wurde dann auch der bisherige gemeinsame Trägerverein aufgelöst und beide Rechtsinstitute vollständig in die KWG integriert.

Der veränderte Status des Instituts ist kein Indiz für politisch-ideologisch oppositionelle oder gar widerständige Haltungen seiner Akteure, sondern eines von zahllosen Beispielen für systemtypische Konkurrenzen um Macht und Einfluss. Auch der herausragende Stellenwert der KWG samt ihren Instituten für das NS-Regime lässt sich daran ablesen, dass die Autonomie der Wissenschaftsgesellschaft bis 1945 unangetastet blieb. Das galt ebenso für das Völkerrechts-Institut. Das Engagement sowohl für das Völkerrechts-Institut als auch für die „Akademie für Deutsches Recht“ ließ sich im Übrigen individuell problemlos miteinander vereinbaren. Namentlich Bruns prägte ebenso die „Akademie für Deutsches Recht“ als Vorsitzender des Ausschusses für Völkerrecht; außerdem war er Mitglied im Ausschuss für Nationalitätenrecht. So können denn auch entsprechende politische Positionierungen nicht überraschen: Viktor Bruns etwa polemisierte in seinem Vortrag auf der 27. Ordentlichen Hauptversammlung der KWG im Mai 1938 in nicht misszuverstehender Deutlichkeit zunächst gegen den Versailler Vertrag und sonstige „skrupellose Rechtsverletzungen“ der Siegermächte. Am Schluss seines Vortrags unter dem Titel „Die Schuld am ‚Frieden‘ und das deutsche Recht am Sudetenland“ rechtfertigte er die vier Monate später vollzogene Okkupation der zur CSR gehörenden Region, indem er „das trübe Bild einer noch nicht lange hinter uns liegenden Vergangenheit“ mit dem vorgeblich hellen Bild der Gegenwart und Zukunft kontrastierte:

„Das Bild der Gegenwart ist ein anderes; das deutsche Volk hat einen Führer; die Deutschen in Böhmen sind geeint und organisiert, sie stellen eine Volksbewegung von wirklicher Kraft dar. Damit ist auch diese Voraussetzung [eine fehlende politische Geschlossenheit] für die Eingliederung der Sudetendeutschen in den tschechischen Staat dahingefallen.“[10]

Bruns sprach keineswegs nur für sich. Dies zeigt der Blick in das Jahrbuch der KWG von 1939. Im dort veröffentlichten Rechenschaftsbericht der Generalverwaltung heißt es, Bruns’ Vortrag sei von „geradezu historischer Bedeutung […], wurde hier [doch] bereits in unwiderleglicher Weise der deutsche Rechtsanspruch auf eine Neuregelung im böhmisch‑mährischen Raum erhoben und die völkerrechtliche Grundlage für die späteren Maßnahmen [!] des Führers klargestellt.“[11]

Seit den Vorkriegsjahren gestaltete sich die Kooperation des Völkerrechts-Instituts, das in den 1930er Jahren durchgängig zwischen fünfzig und sechzig Mitarbeiter beschäftigte, mit dem NS-Außenministerium und (das ist bisher nicht erforscht[12]) vermutlich auch mit anderen außenpolitisch aktiven Institutionen und Organisationen der Diktatur immer enger. Gleichwohl behielt es seine Selbständigkeit, nicht nur organisatorisch, sondern auch inhaltlich. Es war eine exkulpatorische Schutzbehauptung, wenn Bruns’ Nachfolger Bilfinger am 17. Juli 1947 vor der Spruchkammer in Heidelberg behauptete, sein Institut sei „im Kriege mehr oder weniger eine Filiale des Auswärtigen Amtes gewesen“.[13] Solche Formeln sollten die eigene willige Selbstmobilisierung für die Diktatur kaschieren und zudem vergessen machen, dass das NS-Herrschaftssystem keineswegs monolithisch war.

Die zweifellos vorhandene Bindung an das Auswärtige Amt hatte sozialstrukturelle Folgen: Viele Mitarbeiter des Instituts wechselten in den diplomatischen Dienst oder gehörten gleichzeitig dem Auswärtigen Amt sowie den Stellen der Reichswehr an, die auch Fragen des Völkerrechts zu thematisieren hatten. Infolgedessen glich die Struktur des Völkerrechts‑Instituts tendenziell der des diplomatischen Dienstes: Stärker als in anderen KWI waren unter den Mitarbeitern und Wissenschaftlichen Mitgliedern Adlige vertreten. Zudem „dominierte ein gewisser gesellschaftlicher Dünkel“.[14]

Denunziation und Widerstand. Das Institut am Kriegsende

Ein prominenter Adliger war Berthold Schenk von Stauffenberg, der zum Kreis um Stefan George gehört hatte und einer von dessen Nachlassverwaltern war. Von Stauffenberg hatte eine erste Gesamtdarstellung des internationalen Prozessrechtes verfasst, arbeitete bereits 1929/30 kurzzeitig am Völkerrechts‑Institut und wurde, gerade 30 Jahre alt geworden, am 25. Juni 1935 dort zum Wissenschaftlichen Mitglied ernannt. Am 1. April 1937 avancierte von Stauffenberg zum Leiter der neu eingerichteten Abteilung für „Kriegs- und Wehrrecht“. Als Experte für Seekriegsrecht wurde von Stauffenberg Ende 1939 in das Oberkommando der Marine berufen und war seitdem nur noch selten im Berliner Völkerrechts-Institut. Er blieb aus einer hochkonservativen Haltung heraus dem Dritten Reich „bis in die Kriegsjahre hinein verpflichtet“, ehe er sich ab 1941/42 – nach dem Überfall auf die Sowjetunion und dem offensichtlichen Bruch mit allen völker- und kriegsrechtlichen Regelungen – dem Konservativen Widerstand anschloss. Nach dem Attentat seines Bruders Claus auf Hitler wurde er verhaftet und am 10. August 1944 hingerichtet. Zur Widerstandsbewegung des 20. Juli 1944 gehörte auch Helmuth Graf James von Moltke; auch er war seit Kriegsbeginn in der „Beratungsstelle für Völkerrecht“ im „Amt Ausland/Abwehr“ des Oberkommandos der Wehrmacht beschäftigt und wurde am 2. Februar 1945 hingerichtet.

Von Stauffenbergs und von Moltkes Tätigkeit für das Völkerrechts-Institut machten aus dem KWI „nicht eine Institution der Widerstandsbewegung des 20. Juli 1944“ (Hueck).[15] Dass mindestens in den letzten Kriegsjahren die Atmosphäre am KWI von Denunziantentum und Misstrauen geprägt war, illustriert die ‚Affäre Wengler’: Wilhelm Wengler, der in der Bundesrepublik als einer der renommiertesten Universitätslehrer für internationales Recht und Rechtsvergleichung galt, war von 1933 bis 1938 Referent zunächst am KWI für ausländisches und internationales Privatrecht gewesen und wechselte dann ans Völkerrechts‑Institut. Wengler, der im Herbst 1942 – ohne wie die Vorgenannten seine Tätigkeit für das KWI aufzugeben – als Referent für Völkerrecht zum Oberkommando der Wehrmacht sowie zur Kriegsmarine abgeordnet wurde, blieb dort in Kontakt mit seinen Kollegen von Moltke und von Stauffenberg. Im Oktober 1943 denunzierte der am Völkerrechts-Institut beschäftigte wissenschaftliche Mitarbeiter und gleichzeitige „Vertrauensmann des Sicherheitsdienstes am Institut“ Herbert Kier Wengler wegen „defätistischer Äußerungen“. Am 14. Januar 1944 wurde Wengler von der Gestapo verhaftet. Er hatte im Unterschied zu von Moltke und von Stauffenberg ‚Glück im Unglück’: Mitte November 1944 wurde Wengler zur Wehrmacht eingezogen und überlebte den Krieg.[16]

Schon vorher, ab Sommer 1944, hatte das Institut begonnen, seine Aktivitäten wegen immer massiverer Luftangriffe in Außenstellen innerhalb Berlins zu verlegen. Teile der Bibliothek wurden in das Berliner Umland ausgelagert. Am 3. Februar 1945 wurden Räumlichkeiten des Völkerrechts-Instituts im Stadtschloss zerstört und auch der größte Teil der Bibliothek sowie der Akten vernichtet; der Rest wurde im Privathaus von Viktor Bruns untergebracht.

Nachfolger von Bruns als KWI-Direktor war am 1. November 1943 Carl Bilfinger geworden, von 1924 bis 1935 Professor für Staats‑ und Völkerrecht in Halle, von 1935 bis 1943 in Heidelberg. Umstritten war Bilfinger während der Nachkriegszeit aufgrund seiner politischen Belastung im Dritten Reich. Die Folge waren heftige vergangenheitspolitische Turbulenzen. Bilfinger musste sein Amt Anfang Juli 1946 niederlegen und sich erst einmal durch ein Entnazifizierungsverfahren „weißwaschen“ lassen. Die kommissarische Leitung des zunächst der Deutschen Forschungshochschule in Berlin angegliederten Völkerrechts-Instituts übernahm Karl von Lewinski.[17] Vom 18. März 1949 bis Anfang 1954 leitete Bilfinger erneut das Institut, nun als Max‑Planck‑Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das seinen Sitz in Heidelberg, der Heimatstadt Bilfingers, nahm. Demokratische Juristen und Politiker wie Adolf Grimme hielten die erneute Berufung Bilfingers zum Direktor des Völkerrechts‑Instituts aufgrund von dessen NS‑Belastungen für einen „ernsten politischen und sachlichen Fehler“.[18] Der NS-Verfolgte Gerhard Leibholz und viele andere kritisierten die Entscheidung noch schärfer. Der MPG-Senat setzte sie dennoch durch. Erst die Ernennung Hermann Moslers am 29. Januar 1954 markiert den Bruch mit der NS-Vergangenheit des Instituts.

[1] Zur Gründungsgeschichte des Instituts: Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (Hrsg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus, Bd. 2, Göttingen: Wallstein 2000, 490-527 (499 ff.); Rüdiger Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Bd. 1, Göttingen: Wallstein 2007, 110 ff.

[2] Friedrich Glum, Denkschrift über die Notlage der Forschungsinstitute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, 2. Sepember 1932, BArch,, R 2/12019, Bl. 14, 4.

[3] Zitate von Viktor Bruns nach: Nelly Keil, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Gefahr, in: Germania ‑ Zeitung für das Deutsche Volk, 25. Dezember 1932.

[4] AMPG, VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht II/6. Fotograf/in unbekannt, vermutlich aber aus dem Institut.

[5] Hueck (Fn. 1), 503.

[6] Vgl. Peter Kolmsee, Die Rolle und Funktion der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften bei der Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges durch das faschistische Deutschland, unv. Diss., Universität Leipzig 1966, „Biographischer Anhang der wichtigsten Mitglieder der DGWW”, 3, 14. Die Mitgliederliste liest sich wie ein who is who der rechtskonservativen und frühfaschistischen Bündnispartner der NS-Bewegung; Zu den, lange Zeit engen, Beziehungen zwischen der DGWW und der Generalverwaltung der KWG: Vgl. Hachtmann (Fn. 1), Bd. 1, 480-485.

[7] Vgl. die entsprechende Einladung an Glum und die Generalverwaltung, MPG-Archiv, Abt. I, Rep.1A, Nr. 900/1, Bl. 18.

[8] Aktenvermerk Glums vom 14. Jan. 1937 über eine Besprechung vom 9. Jan. mit Bruns, MPG-Archiv, Abt. I, Rep. 1A, Nr. 2351/4, Bl. 180.

[9] AMPG, VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/51.

[10] Ernst Telschow (Hrsg.), Jahrbuch 1939 der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Leipzig: Drugulin 1939, 57-85 (Zitat: 85).

[11] Telschow (Fn. 10), 52.

[12] Innerhalb des Forschungsprogramms der MPG-Präsidentenkommission zur Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus war das Institut leider nicht Gegenstand eines eigenständigen Forschungsprojektes. Der Aufsatz von Hueck (Fn. 1) bietet allerdings wichtige Eckpflöcke für ein künftiges Projekt.

[13] Zitiert nach: Richard Beyler, „Reine Wissenschaft“ und personelle Säuberungen. Die Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft 1933 und 1945, Berlin: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 2004, 30 f.

[14] Hueck (Fn. 1), 510.

[15] Hueck (Fn. 1), 522.

[16] Ausführlich zu dieser Affäre: Hachtmann (Fn. 1), Bd. 2, 1147-1156.

[17] Von Lewinski (1873-1951) vertrat von 1922 bis 1931 das Deutsche Reich bei den Reparationsverhandlungen in Washington D.C. Danach war er bis 1945 als Rechtsanwalt in Berlin tätig.

[18] Adolf Grimme an Otto Hahn, 14. Juli 1950, zitiert nach: Beyler (Fn. 13), 33; Zu den weiteren Kritiken an der erneuten Berufung Bilfingers: Vgl. Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg. Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg, ZaöRV 74 (2014), 697-731, 721 ff.

Suggested Citation:

Rüdiger Hachtmann, Das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 1924 bis 1945, DOI: 10.17176/20240403-184342-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

English

The “Institute for Comparative Public Law and International Law” (hereinafter: International Law Institute) is a product of the crises of the early Weimar Republic. It was founded on 19 December 1924  as a ‘registered association’ (eingetragener Verein), which was merely associated with the Kaiser‑Wilhelm‑Society (Kaiser‑Wilhelm‑Gesellschaft, KWG) for the first ten years.[1] The Institute was founded on the initiative of Friedrich Glum, who was appointed Secretary General of the KWG on 11 May 1920. The task of the International Law Institute was to contribute to foreign policy ‘crisis management’ as a kind of “brain trust”. Although the devastating inflation had been stopped in late 1924 and the currency stabilised, the German Reich continued to move in highly uncertain waters in terms of foreign policy. It had not yet been admitted to the League of Nations and remained relatively isolated internationally. The occupation of large parts of the Rhineland by French troops had fuelled nationalist resentment in the German Reich. After the Ruhrkampf ended on 26 September 1923, international constellations gradually began to relax. The Geneva Protocol on the “peaceful settlement of international disputes” was signed on 2 October 1924; the evacuation of the occupied Rhineland began in midsummer 1925; the Locarno Accords in mid-October 1925 paved the way for the German Reich to join the League of Nations; the admission was formally completed on 10 September 1926.

Against this background, the central task of the International Law Institute was to provide “scientific preparatory work and support for the struggle to be waged by the government against the Versailles Treaty, Dawes Plan, and Young Plan for equal rights under international law of Germany and the German minorities”[2]. The “government-related advisory office for international law” (Ingo Hueck) was led by Viktor Bruns. Bruns, who reached the age of 40 a few days after the founding of ‘his’ institute and had been an associate professor at the University of Berlin since 1912, then an ordinary professor of constitutional and international law since 1920, was director of the institute until his death on 28 September 1943.

Bruns and his colleagues underlined the fact that the International Law Institute was to pave the legal way for ‘German interests’ vis-à-vis the neighbouring European states by founding a branch office in French-occupied Trier. Since 24 July 1925, the staff there, under the direction of prelate Ludwig Kaas, devoted themselves to the “interpretation of the Treaty of Versailles”, the “law in the occupied territories [of the Rhineland], the Saar region, Alsace-Lorraine”, and South Tyrol, as well as “foreign state church law”.[3] Kaas had taken over the chairmanship of the Centre Party (Deutsche Zentrumspartei) in autumn of 1928 and was responsible for the political turn to the right of this Catholic people’s party from the end of the 1920s onwards. On 30 June 1933, the branch office was terminated after Kaas had emigrated to Rome two months earlier.

The legal construction of the Institute and its ‘affiliation’ with the renowned KWG entailed considerable political advantages: although Bruns’ Institute was de facto an institution for the delivery of legal opinions and advisory, primarily to the Foreign Office, and Bruns was also the most important representative of the German Reich before the International Court of Justice in The Hague, it was and remained a formally independent institution. Its expert opinions could claim a ‘neutral’ character and did not run the risk of falling victim to party‑political disputes; the director and his staff were not dependent on short-lived government coalitions. Additionally, the expert opinions of a nominally independent institute could be used more effectively in an international context.

The Institute in the Third Reich. Scientific Support for the New German Imperialism

Parade in front of the Altes Museum: “Victorious entry of the Spanish Condor Legion”. View from the upper floors of the Berlin Palace, but not from the institute rooms: 06.06.1939[4]

The year 1933 marked a turning point for the International Law Institute in several respects. Democrats such as Carlo Schmid had already left the Institute before, others followed after 1933. Erich Kaufmann, who had been working as a scientific advisor to the Institute since 1927, had to give up this position in 1934, as he was considered a Jew according to the Nuremberg Laws; he fled to the Netherlands and survived the war there, partly in illegality. Marguerite Wolff also survived the Nazi era. She had been hired by Bruns as a research assistant when the Institute was founded and was dismissed in April 1933 because of her Jewish origin. Similarly, her husband Martin Wolff, who was also Jewish, had been appointed Scientific Member of the twin-institute for private law at the end of 1925. In the mid-1930s, the couple emigrated to England. Gerhard Leibholz, a staff member from the early days of the International Law Institute, who was discriminated against as a Jew and was able to flee to England just a few weeks before the November pogrom in 1938, was also among those persecuted on racist grounds.

Hitler’s appointment as chancellor and Germany’s withdrawal from the League of Nations resulted in a kind of political-legal paradigm shift: until 1933, the International Law Institute had mainly tried to soften and undo the legal consequences of the war by means such as legal opinions. From 1933 onwards, the institute and its leading exponents also embarked on the aggressive‑imperial course that the Nazi regime soon took; they did so without having to be forced – and, thus, grew into a central role for the Nazi regime: as a legal advisory body, the institute continued to “set the tone in the Foreign Office”.[5]

Where the central actors stood politically was shown by their commitment to rearmament and imperial goals: Viktor Bruns, for example, was heavily involved with the “German Society for Military Policy and Military Science” (Deutsche Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften, DGWW), founded on 28 June 1933, which was particularly zealous in this field. Likewise, Ernst Schmitz was head of the international law department from 12 May 1931 and, as Bruns’ close confidant from 11 January 1936 until his death in early 1942,  he was deputy director of the International Law Institute. Bruns and Schmitz, a specialist in the law of war, gave lectures on military policy on behalf of the society, thus giving the “Military Science” Society a veneer of integrity and distance to party interests. Both were regarded as central pillars of the DGWW.[6] And so was the, as Friedrich Glum put it, “fascinating teacher of constitutional law” Carl Schmitt, whom Bruns tied to the Institute as a “scientific advisor” at the beginning of December 1933. Schmitt, who had paved the way intellectually for the presidential dictatorship established in 1930 and was the representative of the Papen government in the “Preußenschlag” trial before the State Court in 1932, gave the central lecture at the second general meeting of the DGWW in 1934. [7]

The International Law Institute was not only closely intertwined with associations that ‘preached’, at times in the literal sense, rearmament and bellicism. In terms of personnel, the institute also acquired a decisively military character, especially its supervisory body: in the beginning of 1937, after the phase of accelerated rearmament had been officially announced a few months earlier, high-ranking military officers were elected to the joint board of trustees of the two law institutes, namely Reich Minister of War and Field Marshal Werner von Blomberg (with the right to be substituted), the long-standing chairman of the DGWW General Friedrich von Cochenhausen, the retired Admiral Walter Gladisch (reactivated at the beginning of 1939), and Air Force General (and later General Field Marshall) Erhard Milch. [8]

Pluralism due to Pragmatism? Conservative and Völkisch Viewpoints at the KWI

Employees of the Institute on the roof of the Berlin Palace (undated):  from left to right: Joachim-Dieter Bloch, Ursula Grunow, Hermann Mosler, Alexander N. Makarov[9]

It is remarkable that, despite the paradigm shift alluded to, the inner pluralism of the Institute remained intact after 1933 – albeit within the political framework set by the Nazi regime, i.e., clearly shifted to the right: Some continued to pursue the concept of a – fundamentally equal – “community of international law”, others the idea of a “community of nations” (Völkergemeinschaft) based on a racial hierarchy. The latter included Herbert Kier, for example, who joined the NSDAP as early as 1931 (and the SS in 1934) and had been an expert on “ethnic group law” (Volksgruppenrecht) at the Institute of International Law since 1936. There were two reasons for the continuation of a range of different ideas about the form and function of international law:

On the one hand, the traditionally educated bourgeois legal elite, which had a strong ‘Wilhelminian’ ethos, was not to be affronted. Numerous lawyers working in the judiciary and the administration as well as exponents of jurisprudence were – as the high NSDAP membership figures among them show – politically and ideologically very close to the Nazi movement. However, a considerable number of them remained too attached to traditional legal thought patterns for the obscure “racial law legal doctrine” (rassengesetzliche Rechtslehre) of racist zealots like Kier to be imposed on them within a short time. However, one did not want to ‘alienate’ the legal scholars who had been socialised in the Wilhelminian era, and not only because their political‑ ideological views overlapped strongly with the Hitler movement and the Nazi regime (which itself was by no means ideologically homogeneous). The exponents of the dictatorship also needed the scientific elites in particular to find ‘functional’ solutions both for (in our case: law-based) domestic political consolidation and for the implementation of the imperial expansion that had been envisaged from the very beginning.

It was furthermore a peculiar ‘pragmatism’ of the protagonists of the Nazi regime that was behind the considerable range of different ideas about the form and function of international law after 1933. This way, political actors were able to choose the most functional of the expert ‘solutions’ presented to them for foreign policy ‘problems’ entangled with international law. This is the second reason for the – relative – pluralism within the legal sciences (among other fields) and explains why leading actors of the regime did not interfere in the controversies of the respective scientific field with political or administrative means.

The self-mobilisation for the legal grounding and implementation of the imperial goals of the Nazi dictatorship, which is clearly observable among the International Law Institute’s prominent personalities, by no means ruled out friction and rivalries with similarly positioned institutions: since 9 April 1935, the International Law Institute formally operated under the name “Kaiser Wilhelm Institute”, as did its “sister institute” for foreign private law. In this way, the KWG preempted a take-over attempt by the Academy for German Law (Akademie für Deutsches Recht), which had been founded on 26 June 1933. On 30 May 1938, the former joint sponsoring association was dissolved and both legal institutes were fully integrated into the KWG.

The changed status of the Institute is not an indication of political or ideological opposition or even resistant attitudes of its actors, but one of countless examples of competition for power and influence typical of the political system. The outstanding importance of the KWG and its institutes for the Nazi regime can also be deducted from the fact that the autonomy of the scientific society remained untouched until 1945. This also applied to the International Law Institute. Incidentally, the commitment to both the International Law Institute and the Academy for German Law could be reconciled without any problems. Bruns, in particular, also left his mark on the Academy for German Law as chairman of the Committee for International Law; he was further a member of the Committee for Nationality Law.

Thus, corresponding political positions are not surprising: Viktor Bruns, for example, in his lecture at the 27th Ordinary General Meeting of the KWG in May 1938, polemicized in no uncertain terms against the Treaty of Versailles and other “unscrupulous violations of law” by the allied powers. At the end of his lecture under the title “The Blame for ‘Peace’ and German Right to the Sudetenland” (“Die Schuld am ‘Frieden’ und das deutsche Recht am Sudetenland”), he justified the occupation of the region belonging to the RČS, which was carried out four months later, by contrasting “the bleak picture of a past not long behind us” with the ostensibly bright picture of the present and future:

“The picture of the present is different; the German people have a Führer; the Germans in Bohemia are united and organised, they represent a popular movement of real strength. Thus, this precondition [a lack of political unity] for the integration of the Sudeten Germans into the Czech state has also fallen away.”[10]

Bruns was by no means speaking only for himself. This is illustrated by taking a look at the 1939 KWG yearbook, where the accountability report of the general administration states that Bruns’ lecture was of “almost historical significance […], since here the German legal claim to a new settlement in the Bohemian-Moravian area was already irrefutably raised and the basis in international law for the Führer’s later measures [!] was clarified”. [11]

Since the pre-war years, the cooperation of the International Law Institute, which in the 1930s consistently employed between fifty and sixty staff members, with the Nazi Foreign Office and (this has not yet been researched[12] ) presumably also with other institutions and organisations of the dictatorship active in foreign policy, became ever closer. Nevertheless, it retained its independence, not only organisationally but also scientifically. It was an exculpatory protective claim when Bruns’ successor Bilfinger asserted before the Heidelberg criminal court on 17 July 1947 that his institute had “more or less been a branch of the Foreign Office during the war”.[13] Such formulas were intended to conceal one’s own willing self-mobilisation for the dictatorship as well as the fact that the Nazi system of rule was by no means monolithic.

The undoubtedly existing ties to the Foreign Office had socio-structural consequences: many of the institute’s staff transferred to the diplomatic service or belonged simultaneously to the Foreign Office or to army offices which also had to address issues of international law. As a result, the structure of the International Law Institute tended to resemble that of the diplomatic service: members of the old German nobility were more strongly represented among the staff and academic members than in other KWIs. In addition, “a certain social conceit” (Ingo Hueck) dominated.[14]

Denunciation and Resistance. The Institute at the End of the War

One prominent nobleman was Berthold Schenk von Stauffenberg, who had belonged to Stefan George’s circle and was one of his testamentary executors. Von Stauffenberg had written the first comprehensive treatise on international procedural law, worked briefly at the International Law Institute in 1929/30 and, having just turned 30, was appointed a Scientific Member there on 25 June 1935. On 1 April 1937, von Stauffenberg was promoted to head of the newly established department for “Law of War and Military Law”. As an expert on the law of naval warfare, von Stauffenberg was appointed to the High Command of the Navy at the end of 1939 and rarely visited at the Berlin International Law Institute thereafter. Out of a starkly conservative stance, he remained “committed [to the Third Reich] well into the war years” before joining the Conservative Resistance from 1941/42 – after the invasion of the Soviet Union and the obvious break with all rules of international law. After his brother Claus’ assassination attempt on Hitler, he was arrested and executed on 10 August 1944. Helmuth Graf James von Moltke also belonged to the resistance movement of 20 July 1944; he too had been employed since the beginning of the war in the Advisory Office for International Law at the “Office of the Exterior/ Defence” of the High Command of the Wehrmacht and was executed on 2 February 1945.

Von Stauffenberg’s and von Moltke’s activities for the International Law Institute did not make it “an institution of the resistance movement of 20 July 1944” (Hueck).[15] The fact that the atmosphere at the KWI was characterised by denunciation and mistrust, at least in the last years of the war, is illustrated by the ‘Wengler Affair’: Wilhelm Wengler, who was considered one of the most renowned university lecturers on international law and comparative law in the post-war Federal Republic of Germany, had first been a lecturer at the KWI for Comparative and International Private Law from 1933 to 1938 and then moved to the International Law Institute. Wengler, who in autumn 1942 – without giving up his work for the institute such as the aforementioned – was seconded to the High Command of the Wehrmacht and the Navy (Kriegsmarine) as a consultant for international law, remained in contact with his colleagues von Moltke and von Stauffenberg. In October 1943, Herbert Kier, a research assistant at the Institute of International Law and at the same time “confidant of the security service at the institute”, denounced Wengler for “defeatist statements”. On 14 January 1944, Wengler was arrested by the Gestapo. Unlike von Moltke and von Stauffenberg, he was ‘lucky in misfortune’: in mid-November 1944, Wengler was drafted into the Wehrmacht and survived the war.[16]

Even before that, from the summer of 1944, the Institute had begun to relocate its activities to outposts within Berlin due to increasingly intense air raids. Parts of the library were moved to the outskirts of Berlin. On 3 February 1945, the premises of the International Law Institute in the City Palace were demolished and most of the library and files were destroyed; the rest was placed in the private home of Viktor Bruns.

Bruns was succeeded as KWI director on 1 November 1943 by Carl Bilfinger, professor of public law and international law in Halle from 1924 to 1935, and in Heidelberg from 1935 to 1943. Bilfinger was a controversial figure during the post-war period due to his political involvement in the Third Reich. The result was fierce turbulence in the politics of the past. Bilfinger had to resign from his post at the beginning of July 1946 and was first to be “whitewashed” by a denazification procedure. Karl von Lewinski took over as provisional director of the International Law Institute, which was now affiliated with the German Research University (Deutsche Forschungshochschule) in Berlin.[17] From 18 March 1949 until the beginning of 1954, Bilfinger again led the Institute, now as the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law, which took up residence in Heidelberg, Bilfinger’s home town. Democratic lawyers and politicians such as Adolf Grimme considered Bilfinger’s reappointment as director of the International Law Institute a “serious political and substantial mistake” due to his Nazi‑charges. [18] Gerhard Leibholz, who had himself been persecuted by the Nazis, and many others criticised the decision even more harshly. Nevertheless, it was imposed by the Max Planck Society Senate. It was not until Hermann Mosler’s appointment on 29 January 1954 that the institute broke with its Nazi past.

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] On the founding history of the Institute: See Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (ed.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus, Bd. 2, Göttingen: Wallstein 2000, 490-527 (499 ff.); Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht 1926-1945, Göttingen: Wallstein 2004, 47 ff.; Rüdiger Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Bd. 1, Göttingen: Wallstein 2007, 110 ff.

[2] Friedrich Glum, Denkschrift über die Notlage der Forschungsinstitute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, 2 Sepember 1932, BArch,, R 2/12019, Bl. 14, 4.

[3] Quotations by Viktor Bruns from: Nelly Keil, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Gefahr, in: Germania – ­Zeitung für das Deutsche Volk, 25 December 1932.

[4] AMPG, VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht II/6; Photographer unknown, but presumably a member of the institute.

[5] Hueck (fn. 1), 503.

[6] See Peter Kolmsee, Die Rolle und Funktion der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften bei der Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges durch das faschistische Deutschland, unpublished dissertation., University of Leipzig 1966, „Biographischer Anhang der wichtigsten Mitglieder der DGWW”, 3, 14. The list of members reads like a who’s who of the right-wing conservative and early fascist allies of the Nazi movement; On the relations between the DGWW and the general administration of the KWG, which were close for a long time: see Hachtmann (fn. 1), vol. 1, 480-485.

[7] See the corresponding invitation to Glum and the General Administration, MPG Archives, Dept. I, Rep.1A, No. 900/1, sheet 18.

[8] Glum’s  file note of 14 Jan. 1937 on a meeting of 9 Jan. with Bruns, MPG Archives, Dept. I, Rep. 1A, No. 2351/4, sheet 180.

[9] AMPG, VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/51

[10] Ernst Telschow (ed.), Jahrbuch 1939 der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Leipzig: Drugulin 1939, 57-85 (citation: 85).

[11] Telschow (fn. 10), 52.

[12] Within the research programme of the MPG Presidential Commission on the History of the Kaiser Wilhelm Society under National Socialism, the Institute was unfortunately not the subject of an independent research project. However, Hueck’s paper (fn. 1) offers important cornerstones for a future project.

[13] Quoted from: Richard Beyler, “Reine Wissenschaft” und personelle Säuberungen. Die Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft 1933 und 1945, Berlin: Max Planck Society for the Advancement of Science 2004, 30 f.

[14] Hueck (fn. 1), 510.

[15] Hueck (fn. 1), 522.

[16] For details on this affair: Hachtmann (fn. 1), vol. 2, 1147-1156.

[17] Von Lewinski (1873-1951) represented the German Reich at the reparations negotiations in Washington D.C. from 1922 to 1931. He then worked as a lawyer in Berlin until 1945.

[18] Adolf Grimme to Otto Hahn, 14 July 1950, quoted from: Beyler (fn. 13), 33; On further criticism of Bilfinger’s renewed appointment: see Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg. Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg, HJIL 74 (2014), 697-731, 721 ff.

 

Suggested Citation:

Rüdiger Hachtmann, The Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law 1924 to 1945, DOI: 10.17176/20240403-184436-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

Marguerite Wolff at the Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law

When the Kaiser Wilhelm Institute for Foreign Public Law and International Law began to operate in January 1925 with a smaller advance team, Marguerite Wolff was a driving force in getting the Institute up and running. According to the diary of Marie Bruns, wife of the Institute’s founding director Viktor Bruns, their friend Marguerite Wolff was not only a member of the academic staff but also what she called the Institute’s housewife.[1] Before we further explore her contribution to this Institute, a few biographical facts should be mentioned.

Family and personal background

Marguerite Wolff, nee Jolowicz, was born in London on 10 December 1883, as a dual British-German citizen, the latter through her father Hermann Jolowicz (1849-1934), a wealthy silk merchant who was born in (then Prussian) Pleschen (Pleszew) and learned the trade in Lyon. Her mother was Marie Litthauer, born 1864 in (then also Prussian) Neutomysl (Nowy Tomyśl). Marguerite had two brothers, Paul (born 1885) and Herbert Felix (born 1890), who would later become Regius Professor of Civil Law at the University of Oxford.[2] Unusually for women at the time, but in line with her liberal bourgeois upbringing, Marguerite Jolowicz obtained a Master of Arts in English from Cambridge University, apparently with a “first”, and as student of Newnham College.[3] In 1906, she married the legal scholar Martin Wolff (1872-1953) and moved to Berlin, then to Marburg (1914), Bonn (1918), and back to Berlin (1921). Marguerite and Martin Wolff had two children: Konrad (1907-1989), who later became a famous pianist, and Victor (1911-1944), who qualified as a barrister and served in the Royal Air Force.[4]

“Housewife”, Assistant, Fellow? Marguerite Wolff at the Institute

Marguerite Wolff, as photographed by Ilse Bing (her daughter-in-law), 1947[5]

Marguerite Wolff worked at the Institute between 1 January 1925 and 1 May 1933 when her employment contract was terminated in the wake of national-socialist legislation aimed at removing all Germans of Jewish origin from public service or related employment. More will be said on this below.

Next to the short entry in the diary of Marie Bruns, we have one other contemporaneous and three non‑contemporaneous first-hand descriptions of her activities at the newly founded Kaiser Wilhelm Institute for Foreign Public Law, with the later descriptions dating from 1951/1952 and relating to compensation claims pursued by Marguerite Wolff.

In a very short self-description, Marguerite Wolff stated in 1951 that she had been employed as “Referentin [senior research fellow in modern MPIL English terminology] for the English and American notions of public international law” and that her employment “ended through termination by Professor Bruns on the basis of racial legislation”.[6] A glowing Dienstzeugnis (reference provided by employer on leaving service) written by Viktor Bruns and dated 19 December 1933 confirms the dates of her employment, initially as “wissenschaftliche Assistentin”, then “Referentin”, and specifies her academic area of work as “public international law with particular emphasis on England and the United States”, with the tasks of “observing the most recent political and legal developments which are relevant for public international law, to compile reports for the archive and the editors of the [Institute’s] journal, and to work academically on smaller and larger specific questions”. Moreover, Bruns notes her outstanding contribution to the editing of the Institute’s journal, her compiling of texts in the English language, providing English-German and German-English translations, and giving English legal terminology courses for other members of the Institute. Bruns praised her as completely bilingual and in full command of legal, political, and economic terminology.[7] The reference contains only a short description of her initial managerial role: “She was instructed with organizational tasks during the set-up of the Institute.”[8]

There is also a warm personal testimonial from 1952 by Marianne Reinert, non-academic staff member of the administration of the Max Planck Society and its predecessor, the Kaiser Wilhelm Society. She states:

“The wife of Prof. Wolff, Marguerite Wolff, an exceptionally intelligent and amiable woman, was one of those personalities who, together with Prof. Bruns, a close friend of hers, built up the Institute for Public International Law in the year 1925. Together with myself, working in the office of the president of our general administration located in the palace [Berliner Schloss], she compiled the starting stock of the library, and then worked as Abteilungsleiterin [head of division] in the Institute. In 1933, Professor Bruns advised her not to return from a holiday in London, where her brother worked as a respected banker, on account her being Volljüdin [of full Jewish descent]. She therefore stopped being a member of the Institute.”[9]

A lawyer without formal training?

Finally, there is a somewhat problematic testimonial by the former librarian of the Institute, Curt Blass. He begins by giving credit: “Mrs M. Wolff had an important share in the organisational set-up of the Institute in the first years after it had been founded. She was at the time the main staff member for the Director, both academically, and as his secretary.”[10] But he then goes on to describe how after the initial phase her tasks became more and more limited, her lack of legal education a problem, and that no one was surprised when “Professor Bruns announced that Mrs. Wolff had decided to leave the Institute and return to her home country England, to where her husband had already relocated.” That last allegation was certainly incorrect: Martin Wolff only moved to England in 1938.[11] Moreover, the allegation of shortcomings can hardly be squared with Marguerite Wolff’s book on UK press law which the Institute published in 1928.[12] This is a masterly exercise in comparative law, explaining peculiarities of English law to an audience of lawyers trained in the German legal system, which gives the readers no clue that the author had formal legal training in neither English nor German law. It appears much more likely that Viktor Bruns’ reference correctly described the many talents and contributions which the Institute lost when Marguerite Wolff’s contract was terminated.

As the Institute’s own archive reveals, Blass tailored his testimonial to the expectations which Hans Ballreich had formulated on behalf of the Institute. Ballreich had specifically asked Blass to consider the alternative narrative that Marguerite Wolff had decided of her own accord to move to London with her family, lamenting the danger of the Max Planck Society being burdened with very considerable, and in many cases unmerited, compensation claims.[13] Blass expresses his disquiet about this request not in his testimonial, but in a cover letter to Ballreich which was not forwarded to the Max Planck Society. In this cover letter, Blass explains that this request is “a rather delicate task. I have attempted to solve this as well as I can. If you believe that the attached notes could be of use to the Society, please pass them on.”[14] It should be added that there is nothing in the compensation claim file which would suggest that the Max Planck Society had put any pressure on Ballreich. The German Federal Ministries involved had, quite to the contrary, all along been pushing for a favourable treatment of Marguerite Wolff’s compensation claims.[15]

Few other sources appear to exist on the role which Marguerite Wolff played at the Institute. The Institute’s own files perished in a fire which ravaged the Berlin Palace in 1945, and only occasional and fleeting mentions of Marguerite Wolff in other contemporaneous sources have so far emerged.

Those who have previously written about Marguerite Wolff have come to different conclusions about her role at the Institute, and the circumstances surrounding her leaving the Institute. She has been called “unofficial co-director”, “head of division”, or “unofficial head of division” at the Institute. [16] The evidential basis for these attributions remains unclear. Unlike some other Kaiser Wilhelm or Max Planck Institutes, this institute did not have any divisions (Abteilungen)[17] and still does not today. And while the strongest support for the significance of Marguerite Wolff’s role in the Institute’s initial phase is found in the (otherwise problematic) testimonial of Blass, one could easily question whether that would make her an unofficial co-director. This is not how KWI directors were understood to operate under the so-called Harnack Principle, exercising full control over their institute’s research agenda and the hiring of academic staff. It might be more appropriate to translate the somewhat antiquated notion of Marguerite Wolff as the Institute’s “housewife” into 21st century language as staff member with a leading managerial function, in charge of the practical aspects of building up the new institute from scratch.

But little will eventually hang on this terminological question. If we assume instead that Marguerite Wolff and Viktor Bruns correctly described her as Referentin or Senior Research Fellow, this will do nothing to belittle the outstanding achievements of this extraordinary woman. It means that she was treated, as appropriate, on par with fully trained male colleagues at the Institute who shared the same job title, including influential scholars such as Hermann Heller and Gerhard Leibholz.[18]

Marguerite Wolff in 1931 (AMPG, VI.1,KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/10)

It is safe to assume that Marguerite Wolff leaving the Institute was triggered by the racial persecution of Jews and the enactment of legislation in April 1933 which would exclude most (and eventually all) persons of Jewish descent from holding any public office. At the same time, the story could be more complex than her being dismissed in April 1933 in immediate application of the infamous Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums [Law to restore the professional civil service]. In April, that applied only to civil servants, then from 4 May 1933 to employees of public law bodies. The earliest dismissal date for such employees would have been 30 June 1933,[19] but this would still not apply to any employees of the Institute, as the Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft was organised as a private association. Given that the Brunses were close friends with the Wolffs and not known for national-socialist sympathies, it appears unlikely that Marguerite Wolff was unilaterally dismissed with effect of 1 May 1933 against her express wishes. Conversely, there is nothing to suggest that Marguerite Wolff handed in her own termination notice, which would probably likewise have been too short. While Bruns’ reference remains silent on how and why her employment was terminated, the most likely explanation appears to be that Wolff and Bruns agreed that Bruns would terminate the contract in correct anticipation of further persecution and any lack of medium-term perspective, and that the unduly short notice period was also consensual. On the other hand, the suggestion that this would allow her to not return from a vacation in England is misleading. It was not until 1935 that Marguerite Wolff would move to London to pave the way for her husband’s eventual move to Oxford and London in 1938.[20]

This is not the occasion to explore in detail Marguerite Wolff’s professional and personal life after she left the Institute. Suffice it to say that she worked as news editor for the BBC and as translator at the Nuremberg Trials, supervising the translations of the trial proceedings,[21] that she would eventually receive some compensation for her dismissal, and that she died in 1964.[22] While racial persecution cut her academic career short, she nevertheless continued to contribute to the world of learning as an exceptionally gifted translator and editor of legal texts. She helped to make the work of Martin Wolff’s faculty colleague and fellow émigré scholar Fritz Schultz known to the anglophone world by translating his “Principles of Roman Law” to considerable acclaim. As one reviewer noted: “The translator is to be congratulated on her success in a difficult task. Refractory Law-German has been reduced to clear, readable English”.[23] Moreover, her linguistic contribution to Martin Wolff’s famous textbook on Private International Law was praised by one reviewer as follows: “The excellence of the English is due principally to Mrs. Wolff, whose skill in rendering the author’s thoughts into precise, technical but eminently readable language is a triumphant success”.[24]

[1] Excerpt from Marie Bruns’ marriage diary „Das Institut für Völkerrecht und ausländisches Staatsrecht“, private archive of Rainer Noltenius, Bremen (Germany), transcription by Philipp Glahé, translation by the author, 2.

[2] Interview with Professor J. Anthony Jolowicz (1926-2012), nephew of Marguerite Wolff, Cambridge, 6 February 2002; letter by J. Anthony Jolowicz to the author, dated 11 August 2002; Thomas Hansen, Martin Wolff (1872-1953), 1st ed., Tübingen: Mohr Siebeck 2009, 24, citing to a letter by J. Anthony Jolowicz, dated 29 August 2005; Some sources state, probably erroneously, that she re-acquired British citizenship: Herbert A. Strauss/Werner Röder/K.G. Saur (gen. eds.), International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933-1945, Vol. II Pt.2: The Arts, Sciences, and Literature, Munich: De Gruyter 1983, 1261, “Wolff, Konrad Martin”.

[3] Marion Röwekamp, Juristinnen – Lexikon zu Leben und Werk, 1st ed., Baden-Baden: Nomos 2005, 436-438, 436; While her MA in English from Cambridge University is assured from other sources, this is plausible but less certain for Newnham as her college and the “first” mark, as Röwekamp’s contribution contains several inaccuracies: Marguerite was the oldest (not the second) child; her brother Herbert Felix became Regius Professor in Oxford (not Cambridge); she moved to England in 1935 (not 1933); her son Victor, by contrast, moved to London in 1933 (not 1935) and died in 1944 (not 1942).

[4] Hansen (fn. 2), 24-25, 42-54, 102; Gerhard Dannemann, Martin Wolff (1872-1953), in: Jack Beatson/Reinhard Zimmermann (eds.), Jurist Uprooted, OUP: Oxford 2003, 44-45, 441-461; On Konrad Wolff: see Ruth Gillen (ed.), The Writings and Letters of Konrad Wolff, Greenwood Press: Westport, Connecticut 2000.

[5] Photo: MPIL Archive.

[6] Letter by Marguerite Wolff to “the Director” of the Institute, dated 8 September 1951, APMG, I-1A-3170. Translated from the German original by the author.

[7] Dienstzeugnis for Marguerite Wolff by Victor Bruns, dated 19 December 1933, AMPG, I-1A-3170.

[8] AMPG (fn. 7).

[9] Letter by M[ariannne] Reinert to Mr. Pfuhl, Max Planck Society, dated 9 October 1951, APMG, I-1A-3170: Her short report is based on her own and recollections of some other staff; the 18 year time gap and the fact that she worked for the KWI general administration may explain some of the inaccuracies.

[10] Testimonial by Curt Blass, dated 19 January 1952, AMPG, I-1A-3170; It is doubtful whether Marguerite Wolff ever undertook core secretarial tasks for Viktor Bruns, as Marie Bruns (fn. 1) mentions that the Institute already employed five secretaries when it began to operate.

[11] Dannemann (fn. 4), 449.

[12] Viktor Bruns/Kurt Hentzschel (eds.), Die Preßgesetze des Erdballs, Bd. II: Marguerite Wolff, Das Preßrecht Großbritanniens, Berlin: Verlag Georg Stilke 1928.

[13] Letter by Hans Ballreich to Dr. Curt Blass in Zürich, dated (incorrectly) 14 January 1950 [in fact: 1952], Archive of the MPIL, staff file of Marguerite Wolff, translation by the author.

[14] Letter by Curt Blass to Hans Ballreich, dated 19 January 1952, Archive of the MPIL, staff file of Marguerite Wolff, translation by the author.

[15] See also: Michael Schüring, Minveras verstoßene Kinder. Vertriebene Wissenschaftler und die Vergangenheitspolitik der Max-Planck-Gesellschaft, Göttingen: Wallstein 2006, 198 f.: critical of the fact that ministerial support was primarily due to the eminence of her deceased husband.

[16] „Unofficial co-director“: Annette Vogt, Marguerite Wolff, in: Jewish Women’s Archive (ed.), The Shalvi/Hyman Encyclopedia of Jewish Women, last updated 11 May 2022, online: <https://jwa.org/encyclopedia/article/wolff-marguerite>; Röwenkamp (fn. 3), 437 (“unofficial co-director”, at a later stage); “head of division” (Abteilungsleiterin): Schüring (fn. 15), 196, citing in note 126 incorrectly to the testimonial of Viktor Bruns (fn. 6); “inofficial head of division” (inoffizielle Abteilungsleiterin): Annette Vogt,  Wissenschaftlerinnen in Kaiser-Wilhelm-Instituten A-Z, 2nd ed., Berlin: AMPG 2008, 216.

[17] Adolf von Harnack (ed.), Handbuch der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Berlin: Verlag Reimar Hobbing 1928, 214.

[18] Von Harnack (fn. 18).

[19] § 3 Abs. 1 Zweite Durchführungsverordnung zum Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums.

[20] See Hansen (fn. 2), 102.

[21] Gillen (fn. 4), xxi.

[22] Hansen (fn. 2), 95 f.

[23] P.W. Duff, Review of Fritz Schulz, Principles of Roman Law, Classical Review 51 (1937), 238-239.

[24] John Morris, Review of Martin Wolff, Private International Law, LQR 62 (1946), 88-91, 90.

Suggested Citation:

Gerhard Dannemann, Marguerite Wolff at the Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240403-102936-0

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