Schlagwort: contemporary history

Der Jessup Moot Court am MPIL

The Jessup Moot Court at the MPIL

Deutsch

Geschätzter Gast oder geschuldete Last? Zur fragilen Geschichte eines symbiotischen Verhältnisses

Wenn mitten in der Nacht ein großes Büro am Institut noch hell erleuchtet und mit eifriger Betriebsamkeit erfüllt ist, dann weiß man: Hier stellen die Studierenden des Heidelberger Jessup Moot Court Teams ihre Schriftsätze fertig. Es ist kein gewöhnliches Büro, denn die Wände sind mit zahlreichen Plaketten und gerahmten Urkunden geschmückt, mit denen frühere Teams für ihre Erfolge ausgezeichnet wurden. Die Geschichte hinter diesen Erfolgen und der Beitrag des Instituts soll im Folgenden ergründet werden.

Am Jessup Moot Court, den es zunächst vorzustellen gilt (I.), haben bereits 39 Heidelberger Teams teilgenommen (II.). Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (MPIL) hat zahlreiche dieser Teams intensiv unterstützt. Der Rückblick in die Erfolgsgeschichte bringt aber auch deren Fragilität ans Licht (III.). Dessen ungeachtet hat sich zwischen MPIL und Jessup ein symbiotisches Verhältnis herausgebildet (IV.), das für die Fortschreibung dieser gewinnbringenden Tradition zuversichtlich stimmt (V.).

I. Der Jessup

Der Jessup International Law Moot Court (kurz: „Jessup“) ist der völkerrechtliche Moot Court par excellence. Der größte und älteste Wettbewerb auf dem Gebiet des Völkerrechts wurde 1960 an der Harvard University ins Leben gerufen, seit 1968 wird er international ausgetragen, in der Kampagne 2024 mit über 600 Teams aus aller Welt. Universitäten dürfen je ein Team mit bis zu fünf Student:innen (Mooties) und mehreren Betreuer:innen (Coaches) entsenden. Bei den nationalen Vorentscheiden (National Rounds) qualifizieren sich die erfolgreichsten Teams für die „International Rounds“, die sodann in Washington, D.C. ausgetragen werden. Der Jessup schult somit nicht nur Generationen von Studierenden im Völkerrecht, sondern leistet auch einen Beitrag zum internationalen Austausch.

Kern des Wettbewerbs ist die Simulation eines streitigen Verfahrens zweier Staaten vor dem Internationalen Gerichtshof, dem einst der Namenspate, der US-amerikanische Völkerrechtler und Diplomat Philip Caryl Jessup, als Richter angehörte. Der zur Bearbeitung gestellte fiktive Streitfall wirft dabei stets brisante völkerrechtliche Fragen auf. Jedes Team erarbeitet zunächst Schriftsätze (Memorials) für die Kläger- und Beklagtenseite und trägt die dabei entwickelten Argumente sodann in mündlichen Plädoyers (Pleadings) gegen andere Teams vor. Dabei spielen die Judges (typischerweise Praktiker:innen und Professor:innen des Völkerrechts) eine entscheidende Rolle; sie bewerten die Memorials und Pleadings. Während der Pleadings stellen sie zahlreiche Fragen zum Sachverhalt und zur rechtlichen Argumentation, die die nacheinander plädierenden Mooties jeweils allein und möglichst überzeugend aus dem Stegreif beantworten müssen. So entsteht ein intensiver, juristisch anspruchsvoller Austausch.

II. Die Heidelberger Jessup-Teams

Das Jessup-Team 2008: David Schweizer, Daniel Scherr, Vasiliki Koligliati, Benedikt Walker, Natalia Jevglevskaja, Katerina Vagia, Verena Kling und Ingo Venzke (Foto: MPIL)

Jessup-Teams treten in der Regel im Namen ihrer Universität an. Es ist ein Wettbewerb für Studierende, die auszubilden universitäre Aufgabe ist. Seit Langem ist es in Heidelberg aber primär das MPIL, das die Jessup-Teams betreut. Ein Blick in die Tätigkeitsberichte des MPIL weist dies erstmals für das Wintersemester 1990/91 nach. Aber gab es bereits vorher Heidelberger Jessup-Teams? Wer betreute sie? Weder am MPIL noch bei der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität ließen sich dazu Hinweise finden. Auch aus den Erinnerungen befragter Zeitzeug:innen ergab sich kein klares Bild. Hinweise finden sich schließlich aber in den Aufzeichnungen der International Law Students Association (ILSA), die den Jessup verantwortet. Nach den Unterlagen von ILSA nahm erstmals 1985 ein Heidelberger Team teil, seit 1987 ist ununterbrochen für jedes Jahr ein Heidelberger Team verzeichnet. Beim Jessup 2024 trat somit das 39. Heidelberger Team an. Die Teams wurden bei ILSA meist im Namen der Ruprecht-Karls-Universität angemeldet, nur 2003 und 2009 im Namen des MPIL. Rückschlüsse auf die Betreuung lässt das aber nicht zu, weitere Tätigkeitsberichte des MPIL weisen nämlich klar auf die ununterbrochene Mitwirkung des Instituts seit 1990/91 hin. Indizien für eine Mitwirkung der Juristischen Fakultät an der Betreuung der Teams ließen sich lediglich für das Jahr 1993 finden.

Die fast vier Jahrzehnte Heidelberger Jessup-Tradition krönt mancher Erfolg: Bislang qualifizierten sich elf Heidelberger Teams für die Teilnahme an den International Rounds, zweimal (1997, 2000) waren sie unter den 16 besten Teams weltweit. Bei den German National Rounds erreichten fünf Heidelberger Teams einen ersten, fünf einen zweiten und sechs Teams einen dritten Platz (zuletzt 2023). Hinzu kommen unzählige Auszeichnungen für Memorials und individuelle Leistungen in den Pleadings. Auch eine Auszeichnung mit dem Spirit of the Jessup Award der German National Rounds – verliehen an das Team, das den Geist des Wettbewerbs am besten verkörpert – konnte Heidelberg 2018 erlangen.

III. Fragilität: Der Wandel der Unterstützung durch das MPIL

Das Jessup-Team 2023 in Den Haag. Hintere Reihe, vlnr: Lukas Hemmje (Coach), Jakob Mühlfelder (Coach), Jasper Kurth, Leo Volkhardt. Vordere Reihe, vlnr: Sophie Raab (Coach), Laura Schwamm, Bozheng Chen, Barbara Hauer

Ohne die Mitwirkung des MPIL wären diese Erfolge undenkbar. Als Gästen des Instituts wird den Teams vielfältigste Unterstützung zuteil. Sehr hilfreich ist zunächst, dass den Teams – wie eingangs erwähnt – ein eigenes Büro am Institut zur Verfügung steht. Für die Recherchen zu den streitigen völkerrechtlichen Fragen ist der Zugriff auf die Ressourcen der Bibliothek unentbehrlich, der von freundlicher Unterstützung seitens der Mitarbeiter:innen von Ausleihe, Fernleihe, Buchbestellung, Zeitschriftenabteilung und der UN-Depotbibliothek begleitet wird. Zeitweise wurden die Schriftsätze der Jessup Teams sogar mit eigener Signatur in die Bibliothek aufgenommen (VR: I G: 41). Hinzu kommen dutzende Probe-Pleadings mit Wissenschaftler:innen des Instituts, in denen die Mooties ihre Argumente und Kenntnisse auf den Prüfstand stellen können. Über die Unterstützung Heidelberger Teams hinaus hat das MPIL bereits sechs Mal (1996, 2001, 2007, 2013, 2015, 2022) die deutschen National Rounds des Jessup ausgerichtet – zweimal davon recht kurzfristig, wenn keine Universität die Ausrichtung übernehmen wollte.

Neben dem MPIL kommt der damit eng verbundenen Heidelberger Gesellschaft für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht eine besondere Bedeutung zu. Die Heidelberger Gesellschaft finanziert Heidelberger Teams nicht nur regelmäßig die beträchtliche Anmeldegebühr für den Jessup, sondern ermöglichte zahllosen Heidelberger Jessup-Generationen auch die große Pilgerreise der Völkerrechtsfans – eine Studienreise nach Den Haag. Dort gewannen die Teams inspirierende Einblicke in den Internationalen Gerichtshofs, den Internationalen Strafgerichtshof, die deutsche Botschaft und andere Wirkstätten des Völkerrechts.

Am wichtigsten ist wohl aber die Betreuung durch die vom Institut angestellten Coaches, die regelmäßig von besonderem persönlichem Engagement gekennzeichnet ist. An dieser Stelle zeigt sich auch die größte Veränderung der Jessup-Betreuung am MPIL, die schematisierend als Wandel von einem direktoralen Ansatz zu einem gemeinschaftlichen Ansatz beschrieben werden kann. In den 90er Jahren gingen alle wichtigen Schritte zum Zustandekommen der Jessup-Teams vom Direktorium aus: Ein Direktor wies ein oder zwei Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen an, das Team zu betreuen, unterstützt von ein oder zwei Mooties des Vorjahres (angestellt als studentische Hilfskräfte). Es war auch das Direktorium, das die neuen Mooties gezielt in Völkerrechtsvorlesungen und -seminaren ansprach und auswählte.

Seit mehreren Jahren geht die Initiative für die Aufstellung neuer Teams hingegen stärker von der Gemeinschaft ehemaliger Heidelberger Jessup Mooties und Coaches (Jessup Community) aus. Die Mooties des Vorjahres ziehen durch die Vorlesungen und veranstalten Info-Abende, um neue Studierende für den Wettbewerb zu gewinnen. Es sind die ehemaligen Coaches, die sich auf die Suche nach neuen Coaches machen und den Wunsch nach entsprechenden Stellen am MPIL an das Direktorium herantragen. Jeder neuen Jessup-Runde geht dabei ein Bangen voraus, ob und wie viele neue Coaches sich finden lassen und wie viele Stellen am MPIL geschaffen werden können. Auf diesem Wege ließen sich zum Beispiel 2019 und 2020 nur je zwei ehemalige Mooties finden, die die Betreuung übernahmen – ein Engagement mit nicht unerheblicher Belastung neben ihrem Studium. Auch die Auswahl der neuen Mooties liegt seit vielen Jahren in der Hand der Heidelberger Jessup Community, die die Auswahlgespräche organisiert und durchführt.

Dieser Wandel hin zu einem gemeinschaftlichen Ansatz bringt einen ganz erheblichen Vorteil mit sich: Die Verantwortung, die damit bei den ehemaligen Mooties und Coaches liegt, befördert das besondere Gemeinschaftsgefühl der Heidelberger Jessup Community. Es zeugt vom großen Vertrauen des Instituts in diese Community, dass ihr so viel Gestaltungsfreiheit im gesamten Prozess der Auswahl und Betreuung der Teams gewährt wird. Die neuen Coaches können auf das tradierte Wissen und die Erfahrungen vorheriger Generationen zurückgreifen, haben darüber hinaus aber auch die Freiheit, neue Modelle und Methoden bei der Teambetreuung zu verwirklichen.

Als Kehrseite folgt für gegenwärtige und künftige Heidelberger Jessup-Generationen daraus zugleich ein Appell zum Engagement und zur Eigeninitiative. Ohne direktorale Initiative und Federführung ist die Jessup-Betreuung am MPIL keine institutionell garantierte Selbstverständlichkeit. Dies zeigt auch das Beispiel des Concours Européen des Droits de l‘Homme René Cassin, bei dem ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg simuliert wird. Das Institut hat mindestens seit 1993 Heidelberg René Cassin Teams unterstützt, im Jahr 1998 auch einen Sieg in Straßburg erzielt. Seit 2004 aber nehmen keine Heidelberger Teams mehr am Concours René Cassin teil. Eine einst erfolgreiche Tradition kann eben auch enden.

Für eine Fortschreibung der Heidelberger Jessup-Tradition ist es daher unabdingbar, dass ehemalige Mooties Verantwortung übernehmen für künftige Jessup-Generationen und die (in der Regel sehr großzügige) Unterstützung des MPIL auch aktiv einfordern. Mit dem Wandel des Betreuungsansatzes ging in der Regel zwar nicht einher, dass das Institut letztlich weniger Ressourcen für die Jessup-Betreuung eingesetzt hätte als unter direktoraler Leitung. Um diese Ressourcen muss von den ehemaligen und neuen Coaches aber beharrlich geworben werden. Dies ist nicht immer ganz leicht, warten nach der Teilnahme am Jessup oder der Betreuung eines Teams doch immer die nächsten zu erbringenden Studienleistungen, das Staatsexamen oder die Weiterarbeit an der Dissertation. Das dennoch ununterbrochene Fortbestehen der Heidelberger Jessup Tradition deutet an, wie viele Stunden freiwilligem Engagements – in Abendstunden, an Wochenenden und Feiertagen – die Heidelberger Jessup Community investiert hat.

IV. Symbiose: Beiderseitiger Nutzen für MPIL und Jessup

Von Erfolg gekrönt. Urkunden im Jessup-Büro (Foto: MPIL)

Einerseits lässt sich also ein Wandel der Unterstützung Heidelberger Jessup-Teams durch das MPIL von einem direktoralen hin zu einem gemeinschaftlichen Ansatz beobachten, mit dem eine gewisse Fragilität der Zukunft des Jessup am MPIL einhergeht. Andererseits suggerieren die langjährig ununterbrochene Jessup-Tradition und der letztlich mehr oder weniger unverändert bleibende Ressourceneinsatz des MPIL für die Jessup-Bereuung Verlässlichkeit und Kontinuität. Dieser ambivalente Befund – Kontinuität trotz Fragilität – lässt sich durch das symbiotische Verhältnis von Jessup und MPIL erklären, das sich in Heidelberg herausgebildet hat. Vordergründig profitieren die Jessup-Teams von der ressourcenintensiven Betreuung durch das MPIL. Zugleich, und darin liegt das Symbiotische, profitiert aber auch das MPIL vom Jessup.

Der Jessup bringt für Mooties, Coaches und das MPIL erheblichen Mehrwert. Für die Mooties bedeutet die Jessup-Teilnahme eine einmalige und großartige Chance. In der Regel bietet das Studium der Rechtswissenschaft in Deutschland kaum Gelegenheit zur Teamarbeit, nur verschwindend wenige internationale Bezüge, kaum Vermittlung von fachspezifischen Fremdsprachenkenntnissen, ein schlechtes Betreuungsverhältnis, wenig Anreize zur eigenständigen Entwicklung juristischer Argumente und erst recht kaum einen Rahmen, diese mündlich vorzutragen. All dies aber bietet der Jessup, in einem arbeits- und lernintensiven Semester. Neben einem herausragenden Verständnis der Grundlagen des Völkerrechts entwickeln die Mooties bei der Erstellung der Memorials exzellente Recherchefähigkeiten und lernen, zu den aufgeworfenen, komplexen Rechtsfragen in konziser und klarer Sprache Stellung zu nehmen. Wer später in anwaltlichen Schriftsätzen interessenorientiert, juristisch seriös und stichhaltig argumentieren will, wird von der mehrmonatigen, sorgfältigen Erstellung von Memorials erheblich profitieren. Die strenge Wortbegrenzung zwingt dabei dazu, die besten Argumente auszuwählen und auf den Punkt zu bringen. Die Vorbereitung der Pleadings kommt einem intensiven Englisch- und Rhetorikkurs gleich, in dem die Mooties lernen, spontan die kritischsten Fragen der Judges professionell zu parieren. Neben Legal English als Arbeitssprache, Beschäftigung mit dem Völkerrecht und Studienreise nach Den Haag bringt – nach Monaten harter Arbeit und mit etwas Glück – schließlich auch die Teilnahme an den International Rounds in Washington D.C. den Teams wertvolle internationale Erfahrungen. Zugleich zwingt die intensive Zusammenarbeit von Mooties und Coaches alle zur Weiterentwicklung ihrer Teamfähigkeiten. Zeitdruck und intensive Arbeit schweißen das Team zusammen. Coaches können erste Führungserfahrungen sammeln, die auch für eine weitere wissenschaftliche Karriere wichtig sind. Etliche Ehemalige blicken mit Freude auf diese Zeit zurück, die neben dem Erwerb juristischer Fähigkeiten auch langanhaltende Freundschaften stiftet. Dem Charakter des Jessup als Wettbewerb entsprechend, kann nicht jedes Team siegen. Gewonnen sind für alle Mooties aber die großartigen Lernchancen, die sich über die Monate der Vorbereitung hinweg bieten.

Diesen erheblichen Vorteilen stehen auch berechtigte Einwände gegenüber. Eine sinnvolle Betreuung der Jessup-Teams verlangt erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen. Die Zahl der Mooties ist von ILSA auf fünf beschränkt, das Privileg der Teilnahme kann daher nur wenigen Studierenden gewährt werden. Zudem gehört die Ausbildung Studierender nicht zur Kernaufgabe eines der Grundlagen- und Spitzenforschung gewidmeten Instituts. Die als zuständig anzusehende Juristische Fakultät hat zur Betreuung der Heidelberger Jessup-Teams bislang allerdings kaum Ressourcen beigetragen.

Der Jessup hat aber auch erheblichen Nutzen für das MPIL. Mooties lernen als Gäste das Institut seine Abläufe und Strukturen kennen. Sie durchsuchen wissenschaftliche Quellen nach juristischen Argumenten und entwickeln dabei einen kritischen Blick auf die Völkerrechtswissenschaft und ihre Methodik. Mit ihrer exzellenten Befähigung zur eigenständigen Recherche völkerrechtlicher Fragen sind sie prädestiniert, dem Institut nach dem Jessup als Hilfskräfte verbunden zu bleiben – so ist es gängige Praxis. Manchen Mootie führte dieser Pfad sodann auch zu einer Promotion und wissenschaftlichen Mitarbeit am MPIL. Der Jessup hilft dem MPIL also, engagierte Studierende der Fakultät an das Institut heranzuführen und mit der Völkerrechtswissenschaft vertraut zu machen. Das MPIL gewinnt durch den Jessup erheblich an Sichtbarkeit an der Universität, durch die German National Rounds und durch Erfolge in den International Rounds wirkt diese Sichtbarkeit weit über Heidelberg hinaus. Zugleich kann das Direktorium die Studierenden zunächst als Gäste kennenlernen, bevor über eine Anstellung als Hilfskraft oder Mitarbeiterin zu entscheiden ist.

V. Rückblick und Ausblick

Die Geschichte des Jessup Moot Court am MPIL lässt sich daher unbedingt als Erfolgsgeschichte erzählen. In fast vier Jahrzehnten hat das Jessup-Fieber zahlreiche Heidelberger Mooties und Coaches angesteckt, die Teilnahme hat ihnen eine einzigartig wertvolle Lernerfahrung geboten. Von dieser Begeisterung junger Menschen für das Völkerrecht profitiert auch das MPIL. Ohne die oft sehr intensive Betreuung wäre dies nicht möglich gewesen. Das Erfolgsnarrativ sollte aber nicht den Blick darauf verschließen, dass die Kontinuität der Jessup-Tradition am MPIL oftmals auf der Kippe stand.

Wie kann daher für künftige Jessup-Generationen deren Fortschreibung garantiert werden? Dafür braucht es sowohl ein Engagement der Heidelberger Jessup Community, neue Teams auf vielfältige Weise zu unterstützen, als auch eine intensive institutionelle Unterstützung durch das MPIL und die Heidelberger Gesellschaft. Das Verhältnis dieser Triebkräfte der Heidelberger Jessup Tradition gilt es jedes Jahr neu auszuloten. Die Fortschreibung der Heidelberger Jessup Geschichte hängt am Zusammenspiel dieser Kräfte, die notwendige, für sich allein aber nicht hinreichende Bedingungen zu diesem Ende sind. Aus dieser Diagnose folgt, dass der Jessup in Heidelberg sowohl aus Perspektive des MPIL als auch aus Sicht der Jessup Community nicht als Selbstverständlichkeit angesehen werden kann. Umso beeindruckender, dass es ihn seit fast 40 Jahren in Heidelberg gibt.

Hinweis zur Quellenlage und Transparenz: Mein Beitrag speist sich aus eigener Anschauung (als Heidelberger Jessup Mootie 2018, Coach 2019 und 2022), aus Gesprächen und Schriftverkehr mit anderen ehemaligen Mooties, Coaches und mit weiteren Beteiligten am Institut sowie aus Erfahrungsberichten der Heidelberger Teams (ab 2006), Tätigkeitsberichten des Instituts, Dokumenten der Heidelberger Gesellschaft, Archivunterlagen von Prof. Wolfrum, Ordner III der Institutschronik und Aufzeichnungen der International Law Students Association (ILSA). Sichere Kenntnisse über das Abschneiden Heidelberger Teams bei den National und International Rounds liegen ab 1997 vor.

English

Valued Guest or Burden Owed? On the Fragile History of a Symbiotic Relationship

When in the middle of the night a spacious office at the institute is still brightly lit and filled with bustling activity, there is no doubt: This is where the students of the Heidelberg Jessup Moot Court team finalise their memorials. It is no ordinary office, as the walls are decorated with numerous plaquettes and framed certificates honouring previous teams for their successes. Delving into the story behind these successes and the Institute’s contribution to them is the purpose of this blogposts.

It begins by introducing the Jessup Moot Court (I.) before exploring the participation of 38 Heidelberg teams (II.). The Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law (MPIL) has extensively supported many of these teams. However, a retrospective on this success story also reveals its fragility (III.). Nevertheless, a symbiotic relationship has emerged between MPIL and Jessup (IV.), instilling confidence in the continuation of this tradition (V.).

I. The Jessup

The Jessup Team 2008: David Schweizer, Daniel Scherr, Vasiliki Koligliati, Benedikt Walker, Natalia Jevglevskaja, Katerina Vagia, Verena Kling und Ingo Venzke (photo: MPIL)

The Jessup is the international law moot court par excellence. Initiated at Harvard University in 1960, it is the oldest and largest competition in the field of international law. Since 1968, it has been held internationally, in 2024 with over 600 teams participating from around the world. Each university may send one team of up to five students (Mooties) and several team advisers (Coaches) to the competition. The most successful teams in National Rounds qualify for the International Rounds held in Washington, D.C. Thereby, the Jessup not only educates generations of students in international law but also contributes to international exchange.

At the core of the competition is the simulation of contentious proceedings between two states before the International Court of Justice, where eponym Philip Caryl Jessup – US-American diplomat and international lawyer – once served as a judge. The fictitious case always raises challenging contemporary international legal issues. Each team prepares written submissions (Memorials) for the applicant and respondent state and presents their arguments in oral pleadings against other teams. The Judges (typically practitioners and professors of international law) play a decisive role; they evaluate the memorials and pleadings, thus determining the winning team. During the pleadings, they also ask numerous questions to which the Mooties must reply spontaneously and persuasively. This creates an intense, legally challenging discussion.

II. Heidelberg’s Jessup Teams

Jessup teams usually compete on behalf of their university. It is a competition for students, whose education is a university task. However, Heidelberg’s Jessup teams have long been primarily supported by the MPIL. According to MPIL’s annual activity reports, the institute’s involvement with Jessup dates back to the 1990/91 winter semester. No evidence could be found at MPIL or at the Faculty of Law at Ruprecht-Karls-University on any Heidelberg Jessup teams participating before that. The recollections of contemporary witnesses do not provide a clear picture either. However, records from the International Law Students Association (ILSA), responsible for organizing the Jessup, reveal that a Heidelberg team first participated in 1985, and that there has been a Heidelberg team every year since 1987. Hence, the team participating in Jessup 2024 will be the 39th Heidelberg team. Teams were usually registered with ILSA in the name of Ruprecht-Karls-University, except in 2003 and 2009 when they were registered as MPIL teams. However, this does not provide insight into coaching responsibilities, as MPIL’s activity reports clearly indicate continuous involvement of the institute since 1990/91. Evidence of the Law Faculty supporting Heidelberg’s Jessup teams could only be found for the year 1993.

The nearly four decades of Heidelberg Jessup tradition boast several successes. Eleven Heidelberg teams qualified for the International Rounds, and twice (1997, 2000) they were among the top 16 teams worldwide. In German National Rounds, five Heidelberg teams secured first place, five second place, and six third place (most recently in 2023). Additionally, numerous awards for memorials and individual achievements in pleadings have been earned. Heidelberg also received the Spirit of the Jessup Award at the German National Rounds in 2018, bestowed upon the team that best embodies the spirit of the competition.

III. Fragility: The Evolution of MPIL Support

The Jessup team 2023 in The Hague. Back row, from left to right: Lukas Hemmje (coach), Jakob Mühlfelder (coach), Jasper Kurth, Leo Volkhardt. Front row, from left to right: Sophie Raab (coach), Laura Schwamm, Bozheng Chen, Barbara Hauer

Without MPIL’s involvement, these achievements would be unthinkable. As guests of the institute, teams receive support in various forms. Having an office at the institute is particularly helpful, as it provides access to the library’s resources for research on contentious international legal issues. This is complemented by the friendly assistance of library staff in borrowing, interlibrary loans, book orders, journals section, and the UN Depository Library. At times, the Jessup teams’ Memorials were even archived in the Institute’s library with their own signature (VR: I G: 41). Moreover, there are numerous practice pleadings with MPIL’s staff researchers, allowing the Mooties to test their arguments and knowledge. Beyond supporting Heidelberg teams, MPIL has hosted the German National Rounds of the Jessup six times (1996, 2001, 2007, 2013, 2015, 2022) – two of which were organized at short notice when no university volunteered.

Apart from MPIL, the Heidelberger Gesellschaft für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Heidelberg Society for Comparative Public Law and International Law) plays a crucial role. The society regularly pays the substantial registration fees for the Jessup and enables countless Heidelberg Jessup generations to embark on the great pilgrimage of international law – a study trip to The Hague. There, teams gain inspiring insights in the International Court of Justice, the International Criminal Court, the German Embassy, and other venues of international law.

However, the most critical element is the guidance provided by coaches employed by the institute. This aspect is where the most significant change in Jessup support at MPIL becomes evident, which can roughly be characterizes as a shift from a directorial approach to a communal approach. In the 1990s, all essential steps for forming Jessup teams were initiated by the directors: a director assigned one or two research assistants to coach the team, supported by one or two Mooties from the previous year (employed as student research assistants). The directors also used their international law lectures and seminars to approach students and invite them to join the team.

In contrast, for several years now, the initiative for forming new teams has increasingly come from the community of former Heidelberg Jessup Mooties and coaches (the Jessup Community). The previous year’s Mooties advertise the Jessup in lectures and organize information evenings to recruit new students for the competition. Former coaches actively seek out new coaches and convey the desire for corresponding jobs at MPIL to the directorate. Each new Jessup round is preceded by uncertainty about how many new coaches can be found and how many of them can be employed at MPIL. In 2019 and 2020, for example, only two former Mooties could be found to take on coaching responsibilities – a considerable commitment alongside their studies. The selection of new Mooties has also been in the hands of the Heidelberg Jessup Community for many years, organizing and conducting the selection interviews.

This shift towards a communal approach brings a significant advantage: the responsibility placed on former Mooties and coaches fosters a strong communal sense within the Heidelberg Jessup Community. Granting this community considerable freedom in the entire process of selecting and supervising teams is a sign of great trust. New coaches can draw on the traditional knowledge and experiences of previous generations while also having the freedom to implement new models and methods in team supervision.

As a flip side, this presents a call for initiative and engagement to current and future Heidelberg Jessup generations. Without directorial initiative and leadership, Jessup support at MPIL is not institutionally guaranteed. This is also illustrated by the example of the Concours Européen des Droits de l‘Homme René Cassin, a moot court simulating proceedings before the European Court of Human Rights in Strasbourg. At least since 1993, the institute supported René Cassin Teams, winning the competition in the 1998 edition. However, after 2004, Heidelberg did not participate in the René Cassin anymore. Even a successful tradition may come to an end.

Against that background, ensuring the continuation of Heidelberg’s Jessup tradition requires former Mooties to take responsibility for future Jessup generations and actively call for the (generally very generous) MPIL support. The shift from a directorial approach to a communal approach only occasionally translated into the institute ultimately using fewer resources for Jessup coaching than under the directorial approach. However, these resources must be persistently solicited by former and new coaches. This is not always easy, given that after participating in the Jessup or supervising a team, the next academic achievements, the state examination or further work on the dissertation always await. The nonetheless continuous existence of Heidelberg’s Jessup tradition indicates how many hours Heidelberg’s Jessup Community has voluntarily invested – during evenings, weekends, and holidays.

IV. Symbiosis: Mutual Benefits for MPIL and Jessup

Crowned with success. Awards in the MPIL’s Jessup office (Photo: MPIL)

Thus, on one hand, a shift can be observed in MPIL’s support for Heidelberg Jessup teams from a directorial to a communal approach, bringing about a certain fragility in the future of Jessup at MPIL. On the other hand, the long-standing, uninterrupted Jessup tradition and the relatively unchanged resource allocation by MPIL for Jessup support suggest reliability and continuity. This ambivalent finding – persistence despite fragility – can be explained by the symbiotic relationship that has developed between Jessup and MPIL in Heidelberg. Evidently, Jessup teams greatly benefit from the resource-intensive support provided by MPIL. Simultaneously, and less obviously, MPIL also benefits from Jessup. Herein lies the symbiotic nature of the relationship between Jessup and MPIL.

For Mooties, coaches, and MPIL, the Jessup has a significant added value. For Mooties, Jessup participation is an outstanding opportunity. Typically, legal studies in Germany offer few chances for teamwork, minimal international elements, hardly any subject-specific language proficiency training, a poor student-to-supervisor ratio, limited incentives for independent development of legal arguments, and certainly no framework for presenting them orally. The Jessup provides all of these in an intensive semester of working and learning. In addition to an excellent understanding of the foundations of international law, Mooties develop sophisticated research skills while drafting memorials, and they learn to articulate clear and concise responses to complex legal questions. Anyone who later wants to argue in an interest-orientated, legally serious and cogent manner in legal briefs will benefit considerably from the meticulous preparation of memorials over several months. The strict word limit compels Mooties to select the best arguments and present them succinctly. The preparation of pleadings resembles an intensive English and rhetoric training, where Mooties learn to professionally respond to the judges’ most critical questions spontaneously. Beyond Legal English as a working language, engagement with international law, and a study trip to The Hague, participation in the International Rounds in Washington, D.C., after months of hard work and a bit of luck, provides teams with valuable international experiences. Simultaneously, the intense collaboration between Mooties and coaches forces everyone to further develop their teamwork skills. Time pressure and intensive work unite the team, while coaches gain initial leadership experiences crucial for further academic careers. Many alumni fondly look back on this time, which not only imparts legal skills but also fosters enduring friendships. As is in the nature of a competition, not every team can win the Jessup. However, all Mooties gain tremendous learning opportunities over the months of preparation.

These substantial benefits are countered by valid objections. Meaningful support for Jessup teams demands significant financial and human resources. ILSA restricts the number of Mooties to five, limiting the privilege of participation to only a few students each year. Moreover, educating students is not a core task of an institute dedicated to foundational and top-level research. However, the responsible Faculty of Law has, thus far, contributed hardly any resources to support Heidelberg’s Jessup teams.

The MPIL also benefits considerably from the Jessup. Mooties, as guests, familiarize themselves with the institute’s processes and structures. They research sources for legal arguments, developing a critical view of international law and its methodology. With their excellent ability to independently research international legal questions, they are well-suited to remain connected to the institute as student research assistants after the Jessup – indeed a common practice. For some Mooties, this path has led to pursuing a doctoral degree at MPIL. Therefore, the Jessup helps MPIL introduce dedicated law students to the institute and acquaint them with the study of international law. MPIL gains significant visibility at the university through the Jessup, and the German National Rounds and International Rounds extend this visibility far beyond Heidelberg. Meanwhile, the directorate can get to know the students as guests before employing them as researchers or assistants.

V. Retrospect and Outlook

The history of the Jessup Moot Court at MPIL can certainly be told as a success story. Over nearly four decades, the Jessup fever has infected numerous Heidelberg Mooties and coaches, providing them with a uniquely valuable learning experience. The MPIL has benefited from this enthusiasm of young people for international law, which would not have been possible without the often very intense support. This narrative of success, however, should not veil the fact that the continuity of MPIL’s Jessup tradition was often hanging by a thread.

How can the continuation of Jessup for future generations be guaranteed? This requires both the commitment of the Heidelberg Jessup Community to support new teams in diverse ways, and intensive institutional support from MPIL and the Heidelberg Society. The relationship between these driving forces of the Heidelberg Jessup tradition must be re-evaluated every year. The continuation of the Heidelberg Jessup history depends on the interplay of these forces, which are necessary but not sufficient conditions for this end. From this diagnosis, it follows that Jessup in Heidelberg cannot be considered a given, both from the perspective of MPIL and the Jessup Community. It is all the more impressive that there have been Heidelberg Jessup teams for almost 40 years now.

Note on sources and transparency: My contribution is based on personal experience (as a Heidelberg Jessup Mootie in 2018, coach in 2019 and 2022), conversations and correspondence with other former Mooties, coaches, and other stakeholders at the institute, as well as reports from Heidelberg teams (from 2006 onwards), activity reports from the institute, documents from the Heidelberg Society, archive materials from Prof. Wolfrum, Folder III of the institute’s chronicle, and records from the International Law Students Association (ILSA). Reliable knowledge about the performance of Heidelberg teams in National and International Rounds is available from 1997 onwards.

Mein Aufenthalt am MPIL: Der Beginn einer Weltreise

My Stay at the MPIL: The Beginning of a World Journey

Deutsch

Als ich im Sommer 1991 aus meiner Heimat Südafrika nach Deutschland kam, gab es große Veränderungen im Land, in der Region und in der Welt. Es war die Zeit kurz nach der deutschen Wiedervereinigung, des Zusammenbruchs der ehemaligen Sowjetunion, der Invasion Kuwaits durch den Irak und des Krieges im ehemaligen Jugoslawien. Es war auch eine Zeit großer Veränderungen und Herausforderungen in Südafrika, als sich das Land auf seine ersten demokratischen Wahlen und den Übergang von der weißen Minderheitsregierung zur konstitutionellen Demokratie vorbereitete.

Es war für mich aber auch eine Zeit eigenen intellektuellen Wandels, nachdem ich an das Institut (damals noch in der Berliner Straße untergebracht) gekommen war, um für meine Doktorarbeit über die Bedeutung des deutschen Sozialstaatsprinzips für die künftige südafrikanische Verfassung zu forschen. Während in den 1980er Jahren mehrere südafrikanische Wissenschaftler am Institut tätig waren, war ich zu dieser Zeit eine der wenigen südafrikanischen Wissenschaftlerinnen, die die Gelegenheit zu einem Forschungsaufenthalt hatten. Ich war erst 23 Jahre alt und hatte gerade mein Jurastudium in Freistaat in Südafrika abgeschlossen. Für mich waren die fast zwei Jahre am Institut von Spätsommer 1991 bis zum Frühjahr 1993 prägend – und ein Quantensprung in meiner intellektuellen Entwicklung, der sich letztlich entscheidend auf meinen beruflichen Werdegang auswirkte.

Deutsche erklären die Welt? Einblicke in die Diskussions- und Wissenschaftskultur am MPIL der 1990er

Mehrheitlich Männer. Referentenbesprechung in der Berliner Straße 1985

Da ich von einer kleinen, regionalen juristischen Fakultät in Südafrika kam, zu einer Zeit, als das Land aufgrund der Apartheidpolitik politisch noch sehr isoliert war und der akademische Austausch und das kritische Denken dort auf viele Hindernisse stießen, ist es nicht verwunderlich, dass ich meine Heidelberger Umgebung anfangs als einschüchternd und befreiend zugleich empfand. Meine deutschen Sprachkenntnisse waren damals noch sehr begrenzt (im Wesentlichen erworben während zweier intensiver Studienmonate im Sommer 1991 am Goethe-Institut in Schwäbisch Hall) und reichten noch nicht aus, um schwierige deutsche Rechtstexte zu lesen. Auch auf dem Gebiet der Rechtsvergleichung, des Völkerrechts und des Auftretens auf der internationalen akademischen Bühne klafften große Wissens- und Erfahrungslücken. Es konnte daher einschüchternd sein, mit gut ausgebildeten und oft weit gereisten und kultivierten (damals überwiegend männlichen) wissenschaftlichen Mitarbeitenden über eine Vielzahl von rechtlichen und gesellschaftlichen Fragen zu diskutieren.

Manchmal allerdings wünschte ich mir sogar, dass diese Kollegen eher bereit wären, unvoreingenommen zuzuhören, statt sich gleich über hochkomplexe politische und juristische Zusammenhänge in fernen Ländern – mit denen sie persönlich nur wenig Erfahrung hatten – zu äußern, so belesen sie auch zu einem bestimmten Thema sein mochten. Gleichzeitig war es befreiend, sich in einem Umfeld zu befinden, in dem eine fundierte Debatte eine Selbstverständlichkeit war. Darüber hinaus waren diese Diskussionen wichtig, um zu lernen, sich zu behaupten – oft als einzige Frau in der Gruppe (zu einer Zeit, als es kaum ein Bewusstsein für die unbewussten Vorurteile gab, die mit solchen Konstellationen einhergehen) – und dazu in einer Fremdsprache. Darüber hinaus wurde das Bewusstsein dafür geschärft, wie wichtig eine solide Debatte in Verbindung mit Toleranz (einschließlich der Bereitschaft aufmerksam zuzuhören) ist, um eine nuancierte, ausgewogene und tiefgründige akademische Forschung zu fördern. Diese aus meiner Sicht unerlässliche Qualität ist zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags leider zunehmend eine Seltenheit auch an vielen intellektuellen Elite-Institutionen geworden, unter anderem aufgrund des zerstörerischen Einflusses der sozialen Medien, die darauf abzielen, zu polarisieren und zu ‚canceln‘ und damit die Grundlagen der akademischen Freiheit und des demokratischen Diskurses zu untergraben.

Eine lebenslange Verbindung. Der bleibende Einfluss des MPIL

Legendäre Buchbestände. Bibliothekarin Marlies Bornträger 1985 (Foto: MPIL)

Wichtig war für mich damals die enge soziale Interaktion mit den wissenschaftlichen Mitarbeitenden und einem ganz allgemein sehr unterstützenden Umfeld, wozu auch die damaligen Direktoren beitrugen. Zu dieser Zeit wurde das Institut von Jochen Abr. Frowein und dem mittlerweile verstorbenen Rudolf Bernhardt geleitet. Es gab auch eine kurze Überschneidung mit Rüdiger Wolfrum vor meiner Abreise im Jahr 1993, als er die Nachfolge von Rudolf Bernhardt als Direktor des Instituts antrat. Sowohl Jochen Frowein als auch Rüdiger Wolfrum blieben sehr interessiert an meiner Karriere und unterstützten sie. Zum Beispiel hatte ich nach der Unabhängigkeit des Südsudan im Jahr 2011 die Gelegenheit, mit Rüdiger Wolfrum und seinem Team bei der Beratung zur Verfassungsreform im Südsudan und später auch Sudan zusammenzuarbeiten und dabei auch auf die Erfahrungen Südafrikas in den 1990er Jahren zurückzugreifen.  Als große Ehre habe ich empfunden, dass ich im Jahr 2020 (zusammen mit Kathrin Maria Scherr) die Herausgeberschaft des Max Planck Yearbook of United Nations Law (UNYB) übernehmen durfte, welches im Jahre 1997 von Jochen Frowein und Rüdiger Wolfrum begründet worden war. Der Einfluss ihrer Forschung auf meine eigene Arbeit und die herausragende Rolle des Völkerrechts in der Arbeit des Instituts im Allgemeinen führten ferner dazu, dass sich mein Hauptforschungsinteresse im Laufe der neunziger Jahre vom vergleichenden Verfassungsrecht zum Völkerrecht verlagerte.

Ein weiterer einzigartiger Aspekt des Instituts war und ist der legendäre Bibliotheksbestand, sowohl in Bezug auf das vergleichende öffentliche Recht als auch auf das Völkerrecht. Wissenschaftler (sowohl junge als auch etablierte) aus ganz Europa und darüber hinaus besuchten die Bibliothek vor allem in den Sommermonaten, was zu einer sehr lebendigen Gemeinschaft von Wissenschaftlern des öffentlichen Rechts und des Völkerrechts führte, die zu dieser Zeit wahrscheinlich einzigartig in Europa war. Der sich daraus ergebende Austausch versorgte auch das akademische Personal des Instituts mit einer Fülle von Informationen, die sowohl für die eigene Forschung als auch für die Arbeit des Instituts insgesamt relevant waren. Der Wissenstransfer, der in und um die Bibliothek herum stattfand, war also eine Zweibahnstraße und von grundlegender Bedeutung zu einer Zeit, als es noch kaum digitale Ressourcen und Kommunikation gab. Für mich persönlich war es auch ein Anstoß, weitere internationale Erfahrungen zu sammeln und neue Horizonte zu erkunden. Ich hatte auch das große Glück, Matthias Herdegen, ehemaliger Referent am Institut und damals Professor an der Universität Konstanz, kennenzulernen. Wegen sein Interesse an den verfassungsrechtlichen Entwicklungen in Südafrika nahm er Kontakt zu mir auf und der Austausch entwickelte sich zu einer nachhaltigen, bis heute andauernde Zusammenarbeit.

Es fiel mir sehr schwer, Heidelberg im Frühjahr 1993 zu verlassen, aber ich hatte das große Glück, die Verbindung zum Institut und zur Stadt in den folgenden Jahren aufrechtzuerhalten, sei es durch anschließende Forschungsaufenthalte, die von der Alexander‑von‑Humboldt‑Stiftung gefördert wurden, oder durch die Teilnahme an einer Reihe von wissenschaftlichen Veranstaltungen und persönlichen Kontakten die sich bis heute gehalten haben. In den letzten Jahren hat sich meine Verbundenheit auch auf die von Rüdiger Wolfrum 2013, nach seiner Emeritierung als Direktor am Institut, gegründete Max‑Planck‑Stiftung für Internationalen Frieden und Rechtsstaatlichkeit ausgeweitet, deren Projekte zur Verfassungsreform global Anerkennung gefunden haben. Durch meine Tätigkeit im Scientific and Development Policy Advisory Committee und als Mitherausgeberin des UNYB, das nun unter der Leitung der Stiftung herausgegeben wird, konnte ich eine Verbindung zur Max‑Planck‑Community aufrechterhalten. Diese langjährige Verbindung ist seit über dreißig Jahren eine Bereicherung, welche ich auch in Zukunft zu pflegen versuchen werde.

English

When I came to Germany from my country of origin South Africa in the summer of 1991, there were major changes in the country, the region, and the world. It was the time shortly after German reunification, the collapse of the former Soviet Union, the invasion of Kuwait by Iraq, and the war in the former Yugoslavia. It was also a time of great change and challenges in South Africa as the country prepared for its first democratic elections and the transition from white minority rule to constitutional democracy.

But it was also a time of my own personal intellectual transformation after coming to the Institute (at the time, still housed in Berliner Straße) to do research for my doctoral thesis on the significance of the German Sozialstaatsprinzip (“welfare state principle”) for the future South African constitution. While there had been several South African scholars working at the Institute in the 1980s, during the early 1990s I was one of few South African academics who had the opportunity for a research visit in Heidelberg. I was only 23 years old and had just completed my law degree in Free State, South Africa. For me, the almost two years at the Institute from late summer 1991 to spring 1993 were formative – and a quantum leap in my intellectual development, which ultimately had a decisive impact on my professional career.

Germans Explaining the World? Insights into the Scientific and Discursive Culture at the MPIL in the 1990s

Men in the majority. “Referentenbesprechung” in the institute building in Berliner Straße in 1985 (photo: MPIL)

Coming from a small, regional law faculty in South Africa, at a time when the country was still very isolated politically due to apartheid and academic exchange and critical thinking in South African society faced many obstacles, it is not surprising that I initially found my Heidelberg environment simultaneously intimidating and liberating. My German language skills were still very limited (mainly acquired during two months of intensive study at the Goethe Institute in Schwäbisch Hall in the summer of 1991) and were not yet sufficient to read difficult German legal texts. There were also large gaps in my knowledge and experience in the fields of comparative law, international law, and on how to handle oneself in the environment of international academia. It could therefore be intimidating to discuss a wide range of legal and social issues with the well-educated, often well-travelled and cultured (and at that time predominantly male) academic staff.

Sometimes, however, I did wish that these colleagues would have been more willing to listen with an open mind instead of immediately commenting on highly complex political and legal issues in distant countries – with which they had little personal experience – however well‑read they might have been on a particular topic. At the same time, it was liberating to be in an environment where informed debate was a matter of course. Moreover, these discussions were important for learning to assert myself – often as the only woman in the group (at a time when there was little awareness of the unconscious bias associated with such constellations) – and in a foreign language. Furthermore, my awareness was raised for the importance of robust debate combined with tolerance (including a willingness to listen carefully) to promote nuanced, balanced, and deep academic research. This, in my view, essential quality has, at the time of writing, sadly become increasingly rare even at many elite scholarly institutions, in part due to the destructive influence of social media, which aims to polarise and ‘cancel’, undermining the foundations of academic freedom and democratic discourse.

A Lifelong Connection. The Lasting Influence of the MPIL

Legendary libary collection. Librarian Marlies Bornträger in 1985 (Photo: MPIL)

Of great significance to me at the time was the close social interaction with the scientific staff and a generally very supportive environment, which was also contributed to by the directors. At the time, the institute was headed by Jochen Abr. Frowein and the late Rudolf Bernhardt. There was also a brief overlap with Rüdiger Wolfrum before my departure in 1993, when he succeeded Rudolf Bernhardt as Director of the Institute. Both Jochen Frowein and Rüdiger Wolfrum remained very interested in and supportive of my career. For example, after the independence of South Sudan in 2011, I had the opportunity to work with Rüdiger Wolfrum and his team in advising on constitutional reform in South Sudan and later Sudan, drawing on South Africa’s experience in the 1990s.  It was a great honour for me to take over the editorship of the Max Planck Yearbook of United Nations Law (UNYB) in 2020 (together with Kathrin Maria Scherr), which had been founded in 1997 by Jochen Frowein and Rüdiger Wolfrum. The influence of their research on my own work and the prominent role of international law in the work of the Institute in general also led to my main research interest shifting from comparative constitutional law to international law over the course of the 1990s.

Another unique aspect of the institute was and is its legendary library collection, both in terms of comparative public law and international law. Researchers (young as well as established) from all over Europe and beyond visited the library, especially during the summer months, resulting in a very lively community of scholars of public law and international law, probably unique in Europe at the time. The ensuing exchange also provided the Institute’s academic staff with a wealth of information that was relevant both for their own research and for the work of the Institute as a whole. The transfer of knowledge that took place in and around the library was therefore a two-way street and of fundamental importance at a time when digital resources and communication were scarce. For me personally, it was also an impetus to gain further international experience and explore new horizons. I was also very fortunate to meet Matthias Herdegen, former research fellow at the Institute and at the time Professor at the University of Konstanz. He established contact due to his interest in the constitutional developments in South Africa and our exchange developed into a lasting collaboration that continues to this day.

Leaving Heidelberg in the spring of 1993 was difficult for me, but I was very fortunate to maintain my connection to the Institute and the city in the years that followed, through subsequent research stays funded by the Alexander von Humboldt Foundation and participation in several academic events, as well as via personal contacts that have lasted to this day. In recent years, my ties have also extended to the Max Planck Foundation for International Peace and the Rule of Law, which was founded by Rüdiger Wolfrum in 2013 after his retirement as Director of the institute and whose projects on constitutional reform have received global recognition. Through my work on the Scientific and Development Policy Advisory Committee and as co-editor in chief of the UNYB, which is now published under the auspices of the Foundation, I have been able to maintain a link with the Max Planck community. This long-standing connection has been an enrichment for over thirty years, and I will endeavour to maintain it in the future.

 

Translation from the German original: Sarah Gebel

Nische oder Relais?

Niche or Relay?

Kolorierte Postkarte des Berliner Schlosses 1913 von der Spree gesehen. Auf dieser Seite war ab 1926 das KWI für ausländisches und internationales Privatrecht untergebracht (Foto: gemeinfrei)

Deutsch

Das Schwester-KWI für ausländisches und internationales Privatrecht, 1933 bis 1939, mit Blick auf das KWI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Was verbindet Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Völkerrecht in der NS-Zeit? Als These formuliert, verbindet die beiden juristischen Kaiser-Wilhelm-Institute (KWI) der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), dass sie keine unpolitischen oder bedingt freien Räume in der Diktatur darstellten. Sie waren in erster Linie Relais der NS-Herrschaft, nur in wenigen Hinsichten Nischen.

Dies zu untersuchen, heißt bestimmte Fragen zu stellen: Wie gestaltete sich Handlungsspielraum im Übergang zur NS-Diktatur und bei ihrer Etablierung? Wie liefen Feedback-Prozesse in den Instituten sowie zwischen Instituten, Politik und Rechtsprechung ab? Wo lagen die Grauzonen von Resilienz? Diese Fragen werden im Folgenden in den zeit- und wissenschaftsgeschichtlichen Forschungskontext eingeordnet. Im Mittelpunkt des Interesses steht, welche methodischen Erfahrungen nicht für die weitere Erforschung der Institutsgeschichte des Völkerrechts-KWI geeignet scheinen und warum nicht. Daraus ergeben sich diskussionsorientierte Thesen und Vorschläge für geeignete Aspekte einer Instituts- als exemplarischer Zeit- und Wissenschaftsgeschichte.

Der Forschungsstand, seine Lücken und blinden Flecken

Der Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die Beschäftigung mit dem privatrechtlichen Berliner Schwester-Institut, dem 1926 gegründeten und bis 1937 von dem Romanisten und Rechtsvergleicher Ernst Rabel (1874–1955) geleiteten Berliner KWI für ausländisches und internationales Privatrecht.[1] Sie erfolgte im Rahmen des seinerzeitigen Forschungsverbundes der Präsidentenkommission der Max-Planck-Gesellschaft zur Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft am Frankfurter MPI für europäische Rechtsgeschichte. Die ebenfalls in diesem Zusammenhang geplante Parallelstudie über das Schwester-KWI für Völkerrecht ist bekanntermaßen leider nicht zustande gekommen.[2]

Gründungsdirektor Ernst Rabel (1874-1955) wurde 1937 aus dem Amt gedrängt (Foto: AMPG)

2007 erschienen die letzten beiden institutsgeschichtlichen Bände der MPG-Präsidentenkommission. Zum einhundertjährigen Gründungsjubiläum der KWG/MPG 2011 legten Eckart Hennig und Marion Kazemi eine 2016 Gesamtbilanz in mehreren Teilen vor.[4] Diese macht einerseits den Erkenntnisgewinn seit Beginn der intensiven Forschungsbemühungen um die Geschichte der KWG, insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus, seit den 1990er Jahren unter Rudolf Vierhaus und Bernhard vom Brocke, andererseits die noch offenen Forschungsdesiderate sichtbar. Das Institutionengefüge ist damit gut dokumentiert. Auf dieser Grundlage stellen sich allerdings erst die eigentlichen Fragen.

Die Geschichte der deutschen Großforschungs- und Wissenschaftsförderungslandschaft seit der Weimarer Republik war durch deren Relevanz für die Ermöglichungsgeschichte der NS-Herrschaft, des Zweiten Weltkriegs und Zivilisationsbruchs immer ein besonderer Bereich der Zeit- und Wissenschaftsgeschichte. Bei ihrer Erforschung kamen traditionell quellennahe investigative und stark dokumentarisch ausgerichtete historische Methoden zum Einsatz. Das führte zu einer gewissen Spannung gegenüber der, unter anderem. am Berliner MPI für Wissenschaftsgeschichte vertretenen, Richtung einer eher wissenschaftstheoretischen Wissenschafts- als Wissens- und Kulturgeschichte. Fragen nach Handlungsspielraum, Feedback und Resilienz in einem KWI in der Konsolidierungs- und Kriegsvorbereitungsphase der NS‑Diktatur haben zwar auch etwas mit Kultur und Wissen zu tun, gehen aber nicht darin auf. Das gilt insbesondere für die Rechtsgeschichte. Wenn sie von dem abgetrennt betrachtet wird, was Florian Meinel den „Möglichkeitsraum des Politischen“ genannt hat, geht ihre zeitgeschichtliche Dimension verloren. Privat- und Völkerrecht sind aber genuin politisch, insbesondere dann, wenn sie institutionengeschichtlich in einer totalitären Diktatur betrachtet werden.

Don‘ts: Die Diktatur zur Diskurs- und Wissensgeschichte machen

Diesen Weg sollte die KWI-Geschichte eher nicht gehen: den einer invasiven und theorielastigen Kulturgeschichte in der Form einer Diskurs- oder Wissensgeschichte auf dem Nenner von konstruktivistischer Kommunikation. Ernst Rabel, in seiner Bedeutung als Ausnahmewissenschaftler sicherlich mit Max Weber vergleichbar, hat das rechtsvergleichend strukturierte IPR seiner Zeit verkörpert, nicht erfunden. Seine Fähigkeit zum Überblicken des problembezogenen Lösungsvorrats ganzer Rechtssysteme hat nicht nur einen gelehrten Diskurs, sondern wesentliche Anteile des Welthandelsrechts und der internationalen Rechtsprechungspraxis direkt ermöglicht. An vielen Kodifikationen und Urteilen war Rabel beteiligt. Weder seine Leitung des Privatrechts-KWI bis 1937 noch seine Emigrationsgeschichte in den USA oder sein Remigrantenschicksal nach 1945 sind eine Redeweise. Ähnliches lässt sich über die vergleichbare Verfolgungsbiographie von Erich Kaufmann sagen. Rabel war trotz seiner Illusionen über seine Unabhängigkeit und Nützlichkeit nach 1933 ein prominentes Opfer des universalrassistischen NS-Staats. Um Ambivalenz dieser Art und Größenordnung darzustellen, braucht die KWI-Geschichte keine Reformulierung gemäß der als Zitierstandard allgegenwärtigen Akteur-Netzwerk-Theorie und auch keine Wissensgeschichte des Internationalen Privatrecht oder des Völkerrechts, sondern eine Menge an einfühlender Verständnisbereitschaft. Das ist etwas anderes als Diskurstheorie oder Apologetik.

Do‘s: Umgang mit harten Akten und weichen Selbstverständnissen: Wonach sollte man suchen?

Aktenfunde aus dem Institutskeller[5]

Für eine Geschichte des Völkerrechts-KWI von der Weimarer Republik bis in die Zeit der jungen Bundesrepublik sind investigative Studien,  unter anderem ausgehend vom KWG‑/MPG-Aktenbestand, zur personellen Verflechtung von juristischen Fakultäten, KWG sowie nationaler und internationaler Politik von Interesse: Wen zieht das KWI an und wo bleibt das KWI-Personal? Insbesondere für die Fragen der rechtsförmigen internationalen Politik bietet sich das bewährte methodische Instrumentarium der politischen Zeitgeschichte an, wenn es auf die Kontextualisierungsschärfe von case studies zu Personen oder Problemen staatlichen und multilateralen Handelns ankommt. Die Politikwissenschaft hat ihre Stärke im Sichtbarmachen von Strukturen von Staatlichkeit und Multilateralität, was im Unterschied zur historistischen Perspektive durch die Bereitstellung idealtypischer Verläufe und Prozesse den Vergleich ermöglicht. Mikro‑Analysen zur Publizistik, Regierungsberatung und Schiedsgerichtspraxis sollten die Relevanz- und Selbstbildkonstruktionen sowohl der Völkerrechtswissenschaft wie der Regierungspraxis berücksichtigen und mit Blick auf die zeitgeschichtliche Bedeutung der KWI-Geschichte auch für den nicht-fachjuristischen Verständnishorizont verständlich machen.

Es ist auch sinnvoll, die besondere Rolle eines KWI-Direktors am Beispiel von Viktor Bruns und seines Amtsverständnisses für das von ihm vertretene Fach darzustellen und dies in Verhältnis zum Gruppen- und Verlaufsbild der hauptamtlichen Referenten und der Entwicklung ihrer Arbeitsgebiete in Demokratie und Diktatur zu setzen. So trivial es erscheint, so hilfreich kann es dabei sein, typische Arbeitsprozesse, Ressort-Zuständigkeiten und Routinen zu rekonstruieren, um das KWI als interagierendes, reagierendes System zu verstehen, das einerseits auf bestehende wissenschaftliche, administrative und politische Strukturen gestützt ist, andererseits durch seine Tätigkeit zugleich als besonders ausgestattete und prestigereiche, international sichtbare Großforschung Einfluss auf diese nimmt. Es gab einige Mitarbeiter, die in beiden KWIs tätig waren, was die damals noch nicht ganz etablierten Fachgrenzen spiegelte: Alexander N. Makarov war ab 1928 an beiden KWIs tätig, von 1945 bis 1956 am Tübinger MPI; der überzeugte Nationalsozialist Friedrich Korkisch ab 1949 am Privatrechtsinstitut; Wilhelm Wengler ab 1935 am Privatrechts- und ab 1938 zusätzlich am Völkerrechts-KWI; Marguerite Wolff, Ehefrau von Martin Wolff, von 1924 bis 1933 als Referentin am Völkerrechtsinstitut. Die Familien Wolff und Bruns waren eng befreundet. Zudem scheint man einen gemeinsamen Mittagstisch beider Institute gehabt zu haben. Auch die Bibliothek wurde wohl geteilt.[6]

Ein Indikator für letzteres ist jedenfalls beim Privatrechts-KWI das latente Faszinations- und Spannungsverhältnis zur deutschen universitären Rechtsvergleichung und international privatrechtlichen Wissenschaft, die in Rabels Institut immer auch eine politisch stark bevorzugte, hervorragend ausgestattete Konkurrenz sah.

Wie ermöglichten Internationales Privat- und Völkerrecht Diktatur und Krieg?

Der politikgeschichtliche Leitbegriff des Handlungsspielraums zielt unter anderem seit Ludolf Herbst in der Analyse der NS-Gesellschaft darauf ab, Interaktion und Interdependenz zu rekonstruieren. Wie werden bestimmte soziale Rollen wahrgenommen? Wie verändern sie sich als professionelle Leitbilder und Tätigkeitsprofile im Übergang von der Weimarer Republik zur NS-Diktatur hinsichtlich der Selbst- und Fremddefinition? Welche Strategien der Autonomiewahrung gab es und wovon hingen sie ab? Waren sie erfolgreich und wie lange? Welches Image hatten und gestalteten sie? Wozu wurde die Autonomie genutzt oder nicht genutzt?

Eine solche Herangehensweise vermeidet eine Schwarz-Weiß-Gegenüberstellung des ideologischen NS-Herrschaftsanspruchs und der mehr oder weniger gleichgeschalteten professioneller KWI-Alltagsrealität in einem sehr spezifischen gesellschaftlichen Subsystem. Sie ermöglicht die Darstellung von Ambivalenz und Graustufigkeit, zum Beispiel im Bereich der taktischen Anpassung und bedingten Konformität. 

Widerstandsgeschichte: Weniger Schwarz-Weiß, mehr Grau

Berthold von Stauffenberg (rechts) mit Frau Schmitz, Ehefrau des stellvertretenden Institutsleiters Ernst Martin Schmitz (links) auf der Betriebsfeier 1939[7]

Graustufensensibilität ist in allen NS-geschichtlichen Fragen der Gegensatz zur ahistorischen polaren Gegenüberstellung von Konformität versus Nonkonformität. Die deutsche, legitimitätsressourcenspendende Widerstandsgeschichte, vor allem verkörpert in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand Berlin, petrifiziert ein gleichsetzendes, moralisierendes Heldenpantheon aller Formen des deutschen Widerstands, von dem sich die Fragstellungen der kritischen Zeitgeschichte seit Jahrzehnten nicht nur entfernt, sondern distanziert haben. Da die Geschichte des Völkerrechts-KWI mit der professionellen Biographie von Berthold Graf Schenck von Stauffenberg (1905–1944) verbunden ist, stellt sich die Frage nach dem Umgang mit der Widerstandsproblematik mit besonderer Dringlichkeit. Zielführend für eine kritische Einordnung von Resilienz und Nonkonformität in bestimmten sozialen Rollen scheint eine genaue Rekonstruktion des persönlichen, professionellen und institutionellen Kontexts und der Verzicht auf jede Form der moralische Überhöhung.

Widerständig Handelnde in der NS-Diktatur entschieden sich nicht einmal und für den Widerstand, sie mussten das immer wieder und gegen wachsenden Verfolgungsdruck und um den Preis wachsender existenzieller Isolierung tun. Im Umfeld eines Widerständigen gab es Mitwissen und wegsehende Duldung, die sehr schwer quellengestützt zu fassen, aber gleichwohl Teil des Phänomens sind. Trotzdem oder gerade deshalb bleibt die Geschichte des Widerstands eine Geschichte von Einzelnen und ihren Entscheidungen, die sich nicht bequem verallgemeinern lässt. Jede übergriffige Moralisierung sagt mehr über diejenigen aus, die sie betreiben, als über die zu untersuchende Zeit. Das wird dem Ernst der Sache nicht gerecht.

Nischen und Anpassung: die Illusion der Immunität und die Realität der Diktatur

Bis heute Bestandteil der institutsinternen Erinnerungskultur: 1935 von Frank Mehnert gefertigte Büste Berthold von Stauffenbergs im Foyer des MPIL[8]

Handlungsspielraum in institutionellen Gefügen hat immer etwas mit Bedarf und Nützlichkeit zu tun. Das sind keine festen, sondern, auch in einer totalitären Diktatur, aushandlungsabhängige Größen. Hierarchien, gedachte Ordnungen und Charisma haben darauf einen Einfluss. Dass die KWG-Verwaltung den KWI-Direktor Ernst Rabel bis 1937 im Amt gehalten hat, obwohl das in Anwendung der Nürnberger ,Rasse‘-Gesetze ausgeschlossen war, ist ein Beispiel. Rabels Bleiben hing an der Protektion durch den ebenfalls 1937 von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängten deutschnationalen KWG-Generaldirektor Friedrich Glum, in der sich Loyalität und Funktionalität vermischten. Rabel war aufgrund seines hohen internationalen Ansehens für Glum, aber auch für Teile der NS-Regierung, attraktiv. Vorschnelle Intentionalisierung von Handlungsspielräumen kann zu prekären Verzeichnungen einer grauen und verstrickungsreichen Wirklichkeit führen.

An den Jahrgängen 1933 bis 1937 der Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, der KWI-Institutszeitschrift, lässt sich die Verschiebung des Veröffentlichungsklimas thematisch und stilistisch gut dokumentieren. Zwar boten die verschiedenen Textgenres von thematischen Hauptartikeln, Rechtsprechungsberichten, Literaturüberblicken und Rezensionen noch ein gewisses Meinungsspektrum. Allerdings nimmt der nationalsozialistische Tenor eindeutig nicht nur zu, sondern wird bildbestimmend. Aufgrund der großen internationalen Wahrnehmung der KWI-Zeitschrift fällt es auf, wenn im Jahrgang 1935 unter anderem die „Idee des Führertums“ ein verbindendes Leitmotiv für komplexe Beiträge der Kartellrechtsregulierung abgeben soll. Rollenverteilung innerhalb der Ressorts des KWI, aber auch persönliche Präferenzen ergeben so Bild einer schiefen Ebene, an deren Ende der Versuch eines Nützlichkeitserweises für die NS-Kriegs- und Großraumwirtschaft in dem von der Wehrmacht besetzten, ausgeplünderten und terrorisierten Europa steht. „Insofern bleibt von der Vorstellung nichts übrig, das Institut habe fern der Politik ,nur‘ Fragen des Privatrechts erforscht.“[9]

[1] Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 1926 –1945, Göttingen: Wallstein 2004.

[2] Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (Hrsg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandaufnahme und Perspektiven der Forschung, Göttingen 2000, Bd. 2, 490-528.

[3] Foto: AMPG.

[4] Teil I: Eckart Henning/Marion Kazemi, Chronik der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911-2011 – Daten und Quellen, Berlin: Duncker & Humblot 2011; Teil II: Eckart Henning/Marion Kazemi, Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911– 2011 – Daten und Quellen, 2 Teilbände, Berlin: Duncker & Humblot 2016.

[5] Foto: MPIL.

[6] Für diese Hinweise danke ich Philipp Glahé.

[7] VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/37.

[8] Foto: MPIL.

[9] Michael Stolleis, Vorwort, in: Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 1926 –1945, Göttingen: Wallstein 2004, 9-10, 10.

Zitierte Literatur:

Rüdiger Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, 2 Bände, Göttingen: Wallstein 2007.

Helmut Maier, Forschung als Waffe. Rüstungsforschung in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung, 2 Bände, Göttingen: Wallstein 2007.

Rolf-Ulrich Kunze, Die Studienstiftung des deutschen Volkes seit 1925. Zur Geschichte der Hochbegabtenförderung in Deutschland, Berlin: Akademie Verlag 2001.

Florian Meinel, Vertrauensfrage. Zur Krise des heutigen Parlamentarismus, München: C.H. Beck 2019.

Ludolf Herbst, Deutschland 1933–1945. Die Entfesselung der Gewalt: Rassismus und Krieg, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996.

English

The “Sister” KWI for Comparative and International Private Law, 1933 to 1939, with a View to the KWI for Comparative Public Law and International Law

What is the connecting element of comparative law, private international law and international law in the Nazi era? Laid out as a thesis, the two juridical Kaiser Wilhelm Institutes (Kaiser-Wilhelm-Institute, KWI) of the Kaiser Wilhelm Society (Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, KWG) are comparable insofar that they did not represent apolitical or conditionally free spaces in the National Socialist dictatorship. They were primarily relays of Nazi rule, niches only in a few respects.

Investigating this means asking certain questions: What room for manoeuvre existed during the transition to the Nazi dictatorship and during its establishment? How did feedback processes take place within the institutes and between them, polity, and jurisdiction? Where lay the grey areas of resilience? In the following, these questions are embedded within the research context of contemporary history and history of science. The focus of interest is on which methodological experiences do not seem suitable for further research into the history of the International Law KWI and why not. From that, discussion-orientated theses and suggestions for apt aspects of an institute history as an exemplary contemporary and academic history are derived.

The State of Research, its Gaps and Blind Spots

The starting point for these considerations is the study of the Berlin “sister” institute, the KWI for Comparative and International Private Law[1], which was founded in 1926 and, until 1937, led by the romanicist and comparative law scholar Ernst Rabel (1874-1955). It was carried out in the context of the research network of the Max Planck Society’s Presidential Commission on the History of the Kaiser Wilhelm Society at the Frankfurt MPI for Legal History. A complimentary study on the “sister” institute for international law, which was also planned in this context, was unfortunately never conducted.[2]

Founding director Ernst Rabel (1874-1955) was forced out of office in 1937 (Photo: AMPG)

The last two of the MPG Presidential Commission volumes on the history of the institute were published in 2007. Commemorating the centenary of the founding of the KWG/MPG in 2011, Eckart Hennig and Marion Kazemi presented an overall assessment in several parts in 2016.[4] On the one hand, this highlights the knowledge gained since the beginning of the intensive research endeavour into the history of the KWG, particularly during the National Socialist era, since the 1990s under Rudolf Vierhaus and Bernhard vom Brocke, yet also the remaining research desiderata. The institutional structure is already well documented. However, it is only on this basis that the real questions arise.

The history of the German large-scale research and science funding landscape since the Weimar Republic has, due to its relevance for the historical pathway towards National Socialism, the Second World War and the Shoah, always been a peculiar area of contemporary history and the history of science. Traditionally, in researching it, investigative source-based and historical methods with a strong documentary focus were used. This led to a certain amount of tension with a more epistemological approach of a history of science as a history of knowledge and culture, as represented, among others, at the Berlin MPI for the History of Science. Questions about room for manoeuvre, feedback and resilience in a KWI in the consolidation and war preparation phase of the National Socialist dictatorship are linked to culture and knowledge but there are additional aspects to be covered. This applies in particular to legal history. If it is considered separately from what Florian Meinel has called the “realm of possibility of the political”, its historical dimension is lost. Private and international law, however, are genuinely political, especially when they are viewed from the perspective of institutional history in a totalitarian dictatorship.

Don’ts: Turning Dictatorship into a History of Discourse and Knowledge

This is the path KWI history should avoid: an invasive and mostly theoretical cultural history in the form of a history of discourse or knowledge based on the denominator of constructivist communication. Ernst Rabel, in his significance as an exceptional scholar certainly comparable to Max Weber, embodied, but did not invent, the comparative legal structuring of IPR of his time. His ability to survey the problem-related reservoir of solutions offered by entire legal systems not only facilitated a scholarly discourse, but also directly facilitated significant parts of world trade law and international legal practice. Rabel was involved in many codifications and judgements. Neither his leadership of the Private Law Institute until 1937 nor his history of emigration to the USA and his fate as a re-migrant after 1945 are a mere talking point. The same can be said about Erich Kaufmann’s comparable biography of persecution. Despite his illusions about his independence and usefulness after 1933, Rabel was a prominent victim of the universally racist National Socialist state. In order to portray ambivalence of this kind and magnitude, KWI history does not need a reformulation according to the actor-network theory ubiquitous as a citation standard, nor a history of knowledge of private international law or international law, but rather a great deal of empathetic understanding. This is different from discourse theory or apologetics.

Do’s: Dealing with Hard Files and Soft Self-Image: What Should You Look for?

Files found in the institute’s basement[5]

For a history of the International Law KWI from the Weimar Republic to the age of the young Federal Republic of Germany, investigative studies on the personal entanglements between law faculties, the KWG and national and international politics, based, among others things, on the KWG/MPG files are of interest: Who does the KWI attract and where does the KWI staff end up? Especially for questions of law-based international politics, the tried-and-tested methodological instruments of contemporary political history are useful, when the sharp contextualization offered by case studies on individuals or problems of state and multilateral action is needed. Political science has its strength in making structures of statehood and multilateralism visible, which, in contrast to the historicist perspective, enables comparison by pointing out archetypical trajectories and processes. Micro analyses of publications, political advisory, and the practice of Arbitral Tribunals should take into account the constructions of relevance and self-image of both international law scholarship and government practice and, with a view to the historical significance of KWI history, also make them comprehensible for lawyers outside of the field.

Furthermore, it is advantageous to illustrate the special role of a KWI director using the example of Viktor Bruns and his understanding of his role for the field he represented, and to relate this to the collective self-image and development of full-time research fellows and the development of their fields of work in democracy and dictatorship. As trivial as it may seem, it can be helpful to reconstruct typical work processes, departmental responsibilities and routines in order to understand the KWI as an interacting, reacting system, which on the one hand is based on existing scientific, administrative and political structures and at the same time influences them through its activities as a specially equipped and prestigious, internationally visible large-scale research organisation. Some persons worked at both KWIs, reflecting the disciplinary boundaries not yet being fully established at the time: Alexander N. Makarov worked at both KWIs from 1928 and from 1945 to 1956 at the Tübingen MPI; the staunch National Socialist Friedrich Korkisch was employed at the Private Law Institute from 1949; Wilhelm Wengler, from 1935 at the Private Law Institute and from 1938 additionally at the International Law Institute; Marguerite Wolff, wife of Martin Wolff, was a research fellow at the International Law Institute from 1924 to 1933. The Wolff and Bruns families were close friends. The staff of the two institutes also seem to have had lunch together. Likely, the library was also shared.[6]

One indicator of the latter is, at least for the Private Law Institute, the relationship of latent fascination and tension with comparative law research conducted at German universities and international private law scholarship, which always saw Rabel’s institute as a politically favoured, excellently equipped competitor.

How Did International Private Law and International Law Enable Dictatorship and War?

The political-history category of room for manoeuvre in the analysis of society under National Socialism, aims, since Ludolf Herbst, among other things, at guiding the analysis of interactions and interdependences. How are certain social roles perceived? How do they change as professional ideals and profiles in the transition from the Weimar Republic to the Nazi dictatorship in terms of self-definition and perception? What strategies existed for maintaining autonomy and what did they depend on? Were they successful and for how long? What image did they have and what image did they create? Where did actors make use of their autonomy and where did they fail to do so?

Such an approach avoids a black-and-white juxtaposition of the ideological claim to power of National Socialism and the more or less intense effect of Gleichschaltung on the professional everyday reality at the KWI in a very specific social subsystem. It enables the depiction of ambivalence and shades of grey, e.g. in the area of strategic and conditional conformity.

History of Resistance: Less Black and White, More Grey

Berthold von Stauffenberg (right) with Ms Schmitz, wife of the institute’s deputy director Martin Schmitz, (left) at the office party in 1939[7]

Sensitivity towards the existence of shades of grey is, in all questions concerning the history of National Socialism, the antithesis to the ahistorical idea of a polar opposition of conformity and non-conformity. The history of German resistance, providing resources for legitimacy and embodied above all in the German Resistance Memorial Centre in Berlin, petrifies an equating, moralising pantheon of heroes of all forms of German resistance. The research questions of critical contemporary history have not only departed but distanced themselves from this perspective in the last decades. As the history of the International Law Institute is linked to the professional biography of Berthold Graf Schenck von Stauffenberg (1905-1944), the question of how to deal with the issue of resistance is particularly urgent. For a critical assessment of resilience and non-conformity in certain social roles, a precise reconstruction of the personal, professional and institutional contexts and the renunciation of any form of moral exaggeration seems to be expedient.

Members of the resistance against the National Socialist dictatorship did not make a one-time decision; they took a stance repeatedly, despite a growing danger of persecution and at the cost of increasing existential isolation. In their environment, complicity and intentional ignorance existed, both of which are very difficult to grasp on the basis of source material but are nevertheless part of the phenomenon. Despite or precisely because of this, the history of resistance remains a history of individuals and their decisions, which cannot be conveniently generalised. Any encroaching attempt at moralisation says more about those who engage in it than about the subject of historical investigation. It does not do justice to the seriousness of the matter.

Niches and Adaptation: The Illusion of Immunity and the Reality of Dictatorship

Part of the institute’s internal culture of remembrance to this day: Bust of Berthold von Stauffenberg made by Frank Mehnert in 1935 in the foyer of the MPIL[8]

Room for manoeuvre in institutional structures is generally interrelated with demand and usefulness. These attributes are not static, but based on negotiation, even in a totalitarian dictatorship. This process is influenced by hierarchies, perceived orders, and charisma. The fact that the KWG administration kept KWI director Ernst Rabel in office until 1937, despite this being non-compliant with the Nuremberg Laws, is one example. Rabel’s retention depended on the protection, resulting from a combination of loyalty and pragmatism, of the KWG Director General Friedrich Glum, a nationalist who, too, was forced out of office by the National Socialists in 1937. Rabel’s outstanding international reputation made him attractive to Glum, but also to parts of the National Socialist government. The premature construction of intentionality regarding the exertion of room for manoeuvre can lead to precarious distortions of a multifaceted and entangled reality.

The 1933 to 1937 issues of the Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Today: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht / The Rabel Journal of Comparative and International Private Law), the KWI’s institute journal, lend themselves to the documentation of the shift in publishing climate, both thematically and stylistically. The thematic main articles, across various text genres like case law reports, literature overviews and reviews did still offer a certain spectrum of opinions; however, the National Socialist tenor was clearly not only increasing but becoming dominant. Due to the high international profile of the KWI journal, it is striking that in 1935, among other things, the “idea of Führertum” is presented as a unifying theme for complex articles on the legal regulation of cartels. The distribution of roles within the departments of the KWI, but also personal preferences, thus paint a picture of a diverted playing-field, escalating to an attempt to demonstrate usefulness for the National Socialist economy oriented towards war and Großraum in a Europe, plundered and terrorised by the occupying Wehrmacht. “Insofar, nothing remains of the idea that the institute, far removed from politics, ‘only’ researched questions of private law.”[9]

 

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 1926 –1945, Göttingen: Wallstein 2004.

[2] Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (ed.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandaufnahme und Perspektiven der Forschung, Göttingen: Wallstein 2000, vol. 2, 490-528.

[3] Photo: AMPG.

[4] Part I: Eckart Henning/Marion Kazemi, Chronik der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911-2011 – Daten und Quellen, Berlin: Duncker & Humblot 2011; Part II: Eckart Henning/Marion Kazemi, Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1911– 2011 – Daten und Quellen, 2 Volumes, Berlin: Duncker & Humblot 2016.

[5] Photo: MPIL.

[6] I would like to thank Philipp Glahé for this information.

[7] Photo: VI. Abt., Rep. 1, Nr. KWIauslöffRechtuVölkerrecht III/37.

[8] Photo: MPIL.

[9] Michael Stolleis, Vorwort [Preface], in: Rolf-Ulrich Kunze, Ernst Rabel und das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, 1926 –1945, Göttingen: Wallstein 2004, 9-10, 10.

Literature cited:

Rüdiger Hachtmann, Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, 2 Volumes, Göttingen: Wallstein 2007.

Helmut Maier, Forschung als Waffe. Rüstungsforschung in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung, 2 Volumes, Göttingen: Wallstein 2007.

Rolf-Ulrich Kunze, Die Studienstiftung des deutschen Volkes seit 1925. Zur Geschichte der Hochbegabtenförderung in Deutschland, Berlin: Akademie Verlag 2001.

Florian Meinel, Vertrauensfrage. Zur Krise des heutigen Parlamentarismus, München: C.H. Beck 2019.

Ludolf Herbst, Deutschland 1933–1945. Die Entfesselung der Gewalt: Rassismus und Krieg, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1996.