Kategorie: Blog

Stefan Georges langer Schatten. Die Stauffenberg-Büste am Institut

The Long Shadow of Stefan George. The Stauffenberg Bust at the Institute

Deutsch

Im Eingangsbereich des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg (MPIL) befindet sich eine Büste Berthold Schenk Graf von Stauffenbergs (1905-1944). Stauffenberg war von 1929 bis zu seiner Ermordung durch die Nationalsozialisten aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Widerstandsbewegung des 20. Juli 1944 Angehöriger des Instituts. Zusammen mit dem großformatigen Triptychon von H. D. Tylle „Der 9. November 1989 in Deuna, am Morgen danach“ und der Büste Max Plancks gehört das Stauffenberg-Bildnis zu den prägenden Kunstgegenständen am Institut. Wenngleich der Dargestellte von den wenigsten auf Anhieb erkannt und zumeist mit seinem weitaus populäreren Bruder Claus verwechselt wird, der das gescheiterte Bombenattentat auf Adolf Hitler ausgeführt hatte, scheint die Präsenz der Büste folgerichtig: Man liest sie als das Bekenntnis des Instituts zu seinem früheren Mitarbeiter wie auch zum Kampf gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime. Das war jedoch nicht immer so. Wenngleich sich die Büste bereits seit 1974 im Besitz des MPIL befindet, erfuhr sie ihre zentrale Aufstellung erst 1996 mit dem Bezug des aktuellen Gebäudes im Neuenheimer Feld, als das damalige Direktorium (Jochen Frowein und Rüdiger Wolfrum) entschied, sie im Atrium zu positionieren. Ihren heutigen Platz am Haupteingang hat die Büste seit der Fertigstellung des Verwaltungsanbaus im Jahr 2019. Vor 1996 jedoch fristete sie ein regelrechtes Schattendasein. Im früheren Gebäude in der Berliner Straße stand sie mehr als 20 Jahre weit abgeschlagen im zweiten Stock, wo ihr kaum jemand begegnete. Der Grund hierfür war die Abneigung des langjährigen Institutsdirektors Hermann Mosler gegenüber der Büste, die ihm schon 1966 von seinem Bonner Kollegen Karl Josef Partsch als Geschenk angeboten worden war. Über Jahre hinweg hatte Mosler versucht, die Aufstellung zu verhindern – und das, obgleich er dem „Dritten Reich“ distanziert gegenübergestanden und sich auch zum Widerstand des 20. Juli 1944 bekannt hatte. Somit drängt sich die Frage auf, welches Problem Hermann Mosler in der Büste sah und welche Geschichte das Objekt umgibt. Dem möchte dieser Blogbeitrag auf den Grund gehen.

Ein unwillkommenes Geschenk. Karl Josef Partsch und die Büste

Fotografie des Abgusses von Karl Josef Partsch, patiniert und in ästhetisierender Beleuchtung[1]

Am 18. Januar 1966 schrieb der Bonner Völkerrechtler Karl Josef Partsch einen Brief an Hermann Mosler, in welchem er ihm von einem Gespräch mit seinem Freund Helmut Strebel, seines Zeichens Schriftleiter der ZaöRV, berichtet. Bei Strebel und Partsch, der als passionierter Kunstsammler über eine umfangreiche Skulpturensammlung verfügte, war die Idee aufgekommen, „in den neuen Bauten des Institutes einen Portraitkopf von Berthold von Stauffenberg aufzustellen“.[2] Partsch bot Mosler an, einen Nachguss des Originals aus seiner Sammlung für das Institut anfertigen zu lassen. Moslers Antwort folgte knapp zwei Wochen später. Sie fiel zurückhaltend und widersprüchlich aus:

„Die Aufstellung einer Büste ist etwas Unwiederholbares, das für andere nicht in Anspruch genommen werden kann. Sie bedeutet, dass eine Person zum Mittelpunkt, sei es gemeinsamer Erinnerungen oder gemeinsamer Anschauungen der im Institut Arbeitenden erhoben, möglicherweise sogar zum Symbol für den Geist des Hauses gemacht wird. Das Alter, in dem die Büste entstanden ist, und der als Opfer angenommene Tod machen es wahrscheinlich, dass die Aufstellung der Büste an hervorragender Stelle als Symbol empfunden wird. Selbst diejenigen, die Berthold Stauffenberg als Institutskollegen gekannt haben, werden sich beim Anblick der Büste wahrscheinlich nicht an den Menschen erinnern, den sie täglich gesehen haben.“[3]

Ferner führt Mosler aus:

„Ein solches Symbol darf nicht aufgenötigt, sondern muss angenommen werden. Ich glaube nicht, dass es sich um eine Frage der politischen Einstellung zu den Geschehnissen von 1944 handelt. Meine eigene Position kennen Sie. Sie wissen wohl auch, dass Berthold Stauffenberg drei Tage vor dem Attentat mit mir verabredet hat, das Institut der zu erwartenden neuen Regierung zur Verfügung zu stellen.“

Obgleich Mosler sich zu seinem früheren Kollegen und dessen Widerstand bekannte, zeigt er ein deutliches Unbehagen gegenüber Partschs und Strebels Vorschlag. Mosler fürchtete, dass mit der Büste eine Art „Gedenkkult“ ins Institut einziehen könnte. Überdies äußert er Bedenken, dass die Büste von den Institutsmitarbeitern als „aufgenötigt“ empfunden werden könnte und weist darauf hin, dass es inzwischen „eine neue Generation“ im Institut gebe, die „anderes erlebt“ habe, ohne genauer auszuführen, was er damit meint.[4]

Mosler wollte die Sache mit seinem verklausulierten Absage-Schreiben auf sich beruhen lassen, doch Partsch und Strebel ließen nicht locker. Über Jahre hinweg hakten sie bei Mosler nach, stets blieben Moslers Antworten im Ungefähren, stets spielte er auf Zeit. Als Partsch 1967 einen neuen Anlauf nahm, antwortete Mosler, er sei mit Strebel „alle Möglichkeiten einer gleichzeitig würdigen und nicht aufdringlichen Aufstellung“ durchgegangen, wobei er zu dem Schluss kam, die Büste lieber nicht im Institut selbst, sondern außerhalb, im noch im Bau befindlichen Max-Planck-Haus, aufzustellen. Alternativ käme sein, ebenfalls noch nicht fertiggestelltes, neues Büro infrage, „allerdings nicht vor Ende 1969“.[5] Partsch und Strebel war jedoch an einer möglichst wirkungsvollen Aufstellung des Porträtkopfes im Institut selbst gelegen. 1972 wurde die Büste erstmals probeweise im MPIL aufgestellt, wobei Strebel darauf drang, sie auf einem Marmorsockel mit einer Scheitelhöhe von 1,85m zu positionieren, was augenscheinlich Stauffenbergs Körpergröße entsprochen hätte.[6] Anschließend verschwand die Büste wieder aus dem Institut, ehe sie Ende 1974, bald neun Jahre nach Partschs Vorschlag und gerade noch rechtzeitig zum 50-jährigen Institutsjubiläum, doch aufgestellt wurde – auf einem schlichten und niedrigen Sockel aus Muschelkalk, dezentral im zweiten Stock.[7] Eine Einweihung oder Ansprache gab es nicht.

„Du bist als heiland dieser welt gesandt“. Berthold von Stauffenberg und Stefan George

Heiland mit Jüngern. Stefan George, Claus und Berthold von Stauffenberg, 1924[8]

Du hast mich feste in Deinen bann geschlagen / Du herrscher meines seins nun ganz und gar / Ich will all diese lasten gerne tragen / Denn Deine hand – so leise – streicht mein Haar

– Berthold von Stauffenberg über Stefan George [9]

Einen wesentlichen Grund für Moslers Ablehnung der Stauffenberg-Büste muss man in ihrem Entstehungskontext sehen, ging die Büste doch aus dem Kreis um den Dichter Stefan George (1868–1933) hervor, dessen politische Einstellung und ästhetizistisches Programm der MPIL-Direktor ablehnte. Aber nicht nur Berthold von Stauffenberg und der Erschaffer der Büste, der Bildhauer Frank Mehnert (1909–1943)[10], gehörten zum engsten Zirkel um George, Karl Josef Partsch (1914–1996) tat es ebenso.[11] Auch Helmut Strebel (1911–1992), dessen Onkel Max Kommerell Georges womöglich größte Liebe gewesen war, befand sich im Georgeschen Geisteskosmos, wenngleich seine eigene Aufnahme in den Kreis gescheitert war.[12]

Stefan George gehörte um die Jahrhundertwende zu den bekanntesten, aber auch umstrittensten deutschen Dichtern. Stark beeinflusst vom französischen Symbolismus entwickelte er eine ästhetizistische Lyrik mit Anleihen an die antike Kultur und die mittelalterliche deutsche Mystik, die sich als Gegenbewegung zur „Vermassung“ und „Amerikanisierung“ von Kultur und Gesellschaft im spätindustriellen Zeitalter verstand.[13] Aufgrund ihrer Voraussetzungshaftigkeit wirkte Georges Dichtung auf die seinerzeitige intellektuelle und akademische Avantgarde besonders anziehend. Große Wirkung übte George aber auch durch seine kunstvolle Selbstinszenierung als seherischer Dichterkönig aus, der als charismatischer „Meister“ eine handverlesene Gruppe begabter junger „Schüler“, seinen männerbündisch organisierten „Kreis“, um sich scharte. Das Binnenleben des Kreises war charakterisiert durch die kultische Verehrung Georges, der das Ziel verfolgte, eine neue Geistesaristokratie in Kunst, Gesellschaft und Wissenschaft als Vertreter eines „Neuen Reiches“, des sogenannten „Geheimen Deutschlands“ heranzuziehen. Hierunter verstand George ein „anderes“, in mystischer Überhöhung liegendes Deutschland, das gleichsam die Verwirklichung seiner intellektuell-ästhetischen Ansprüche anstrebte.[14] Der Zugang zum Kreis war nur zu „echtem Führertum“ Berufenen und aus „heldisch gehobenem Menschtum“ Hervorgehenden vorbehalten.[15] Der Initiationsprozess war kompliziert und langwierig. Ältere Kreismitglieder hielten hierbei systematisch Ausschau nach potentiellen Neuzugängen, die – vielfach minderjährig – nach optischen und geistigen Kriterien (gerne auch am Strand[16]) ausgewählt und sorgsam auf eine Begegnung mit dem „Meister“ vorbereitetet wurden.[17] Aufgrund Georges homoerotischer und pädophiler Orientierung, die unter dem Deckmantel des „pädagogischen Eros“, einer stark ästhetisierten und Übergriffe legitimierenden Meister-Schüler-Beziehung, verklärt wurde, war der Zugang nur gutaussehenden jungen Männern und Knaben gestattet.[18]

Die dritte Generation des George-Kreises, Foto nach 1925. Claus (zweite Reihe, 2. v. r.) und Berthold von Stauffenberg (erste Reihe, 2. v. r.) mit Frank Mehnert (erste Reihe, 3. v. r.).[19]

Zu den „Jüngern“ Georges gehörten auch Berthold von Stauffenberg, sein Zwillingsbruder Alexander und der jüngere Bruder Claus, die 1923 im Alter von 18 beziehungsweise 15 Jahren von einem Bekannten der Familie in den Kreis eingeführt worden waren.[20] George war von den Stauffenberg-Brüdern begeistert, entsprachen sie ihrem Aussehen nach wie durch ihre adelige Herkunft ganz seinem Geschmack. Auf die drei Jugendlichen übte der knapp 40 Jahre ältere „Dichterfürst“ eine kaum zu unterschätzende Wirkung aus, wie Berthold von Stauffenbergs in der Stefan Georges minimalistischer Ästhetik folgenden Kleinschreibung gehaltenen Worte über die erste Begegnung mit George zeigen: „Du hast mich bezwungen und gebannt (…) / Du bist als heiland dieser welt gesandt“.[21] Mit den Stauffenbergs ging George jedoch nie ein sexuelles Verhältnis ein.[22] Dennoch gehörten Berthold und sein Bruder Claus zum engsten Zirkel um den Dichter.

George stellte hohe Erwartungen an seine Jünger. So verlangte er, dass sie sich nicht nur an seinen eigenen Werken und denjenigen, die aus dem Kreis heraus entstanden, schulten und bildeten, sie sollten auch in ihrem zivilen Beruf im Georgeschen Sinne tätig sein und auf diese Weise einen Beitrag zur Verwirklichung des „Geheimen Deutschlands“ leisten. Im Fall des Juristen Berthold von Stauffenberg stellt sich die berufliche Umsetzung des Georgeschen Denkens jedoch als schwierig dar. Anders als bei der Rechtswissenschaft hatte George beispielsweise im Bereich der Geschichtswissenschaft einen weitaus größeren Einfluss, indem er Forschungsarbeiten seiner Jünger aktiv inhaltlich und literarisch mitbegleitete.[23] Mit Stauffenbergs juristischer Karriere konnte George indes nicht sonderlich viel anfangen, im Gegenteil sah er dessen Tätigkeit als Gerichtsschreiber am Ständigen Internationalen Gerichtshof mehr als kritisch. Da er die internationale Gerichtsbarkeit ablehnte, war er der Ansicht, Stauffenberg habe „keine Leistungen“ vorgewiesen, was den Juristen tief verletzte.[24] Jedoch hatte auch Stauffenberg selbst ein schwieriges Verhältnis zur Rechtswissenschaft, die er nur mit innerer Distanz betrieb und die für ihn in Ermangelung der Verwirklichung seines eigentlichen Berufswunsches des Diplomaten eine zweite Wahl darstellte. Seine eigentliche Erfüllung fand Stauffenberg in der Dichtung seines „Meisters“, dem er in fast allen Lebensfragen folgte. Dies ging so weit, dass er selbst seine große Liebe Mika Classen den Besitzansprüchen Georges opferte und sich 1932 dessen Eheverbot unterwarf. [25] Erst 1936, drei Jahre nach dem Tod seines „Meisters“, der Berthold zu seinem testamentarischen Nacherben und zum treuhänderischen Verwalter seines Werkes ernannt hatte, ging Stauffenberg die Ehe schließlich dennoch ein.[26]

Erbe und Erben. Widerstand in Georges Namen?

Hatte George genau geregelt, wer seinen dichterischen Nachlass verwalten sollte, war und ist unter seinen Jüngern wie auch in der George-Forschung bis heute umstritten, worin das geistige Erbe des Dichters eigentlich bestand. Der Großteil seines Werkes lebte von der beständigen Auslegung durch den „Meister“, der als einzig legitime Instanz das letzte Deutungsrecht hatte.[27] Eine der großen Fragen war Georges Verhältnis zum Nationalsozialismus. Eine eindeutige Positionierung, wie sie nicht zuletzt von seinen jüdischen Anhängern gefordert wurde, blieb der „Meister“, der im Dezember 1933 verstarb, schuldig. Zwar musste George den Nationalsozialismus wie jedes Phänomen der Massenkultur schon aus Prinzip kritisch sehen, andererseits waren Teile seiner Dichtung über das „Neue Reich“ für die Nationalsozialisten durchaus anknüpfungsfähig, sodass Reichspropagandaminister Joseph Goebbels darum bemüht war, ihn für die seine Zwecke einzunehmen.[28] George fühlte sich hiervon zwar geschmeichelt und zeigte sich auch offen gegenüber dem Nationalsozialismus, sah sich aber doch zu sehr über den Dingen stehen, um sich von der Politik vereinnahmen zu lassen. Zugleich gab es auch Züge in Georges Werk und Person, die ihn als schwerlich kompatibel mit der NS-Kulturpolitik erscheinen ließen. So wurde Georges als offenes Geheimnis bekanntes Liebesleben und die hohe Zahl jüdischer Intellektueller in seinem Umfeld mehrfach zum Gegenstand homophober und antisemitischer Hetzartikel.[29]

Der Kreis begann im Streit um die Deutungshoheit über Georges Erbe bereits an dessen Totenbett zu zerfallen.[30] Für die jüngsten Jünger um die Stauffenberg-Brüder und Frank Mehnert, die den Nationalsozialismus begrüßten, war klar, dass sie dies im Einklang mit dem „Meister“ taten.[31] Ältere und aufgrund ihrer jüdischen Herkunft bereits der beginnenden Verfolgung ausgesetzte Weggefährten wie Karl Wolfskehl und Ernst Kantorowicz versuchten, die Idee des „Geheimen Deutschlands“ als Gegenentwurf zum „Dritten Reich“ zu mobilisieren.[32] Georges Erbe war vielfältig anknüpfungsfähig – ob für, oder am Ende gar gegen das NS-Regime oder, wie im Falle der Stauffenbergs, die sich unter Berufung auf ihren „Meister“ für den Widerstand entschieden, für beides.[33]

Ein Stück Unsterblichkeit. Der Bildhauer Frank Mehnert

Frank Mehnert neben seinem gipsernen Ebenbild von Ludwig Thormaehlen, 1920er [34]

„Mit jedem was Du vollbringst eroberst du uns ein stück unsterblichkeit, machst Du dies land schöner, bestärkst du unsern glauben an unsre sache und ihre endliche unfehlbarkeit“.

– Claus von Stauffenberg an Frank Mehnert [35]

Geschaffen wurde die Büste Bertholds von Stauffenberg durch Frank Mehnert. Mehnert war ein Mitschüler der Stauffenbergs, die wie er das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart besuchten. 1922, im Alter von 13 Jahren, freundete sich Mehnert mit dem vier Jahre älteren Berthold an. Frank Mehnert, der als fragiler Jugendlicher galt, ging zu Berthold von Stauffenberg ein Verhältnis einer „fast sklavischen Abhängigkeit“ ein, das Mehnerts Bruder Klaus als „eine Art von Ritter-Knappe-Beziehung“ bezeichnete und das in der Familie große Besorgnis auslöste.[36] Über die Stauffenberg-Brüder fand Frank Mehnert 1924 im Alter von 15 Jahren Eingang in den George-Kreis. George fand schnell großen Gefallen an dem Jungen, der selbst in den Bann des Dichters geriet. Für das Verhältnis zwischen Frank Mehnert und dem 41 Jahre älteren George haben Zeitgenossen und die George-Forschung viele Begriffe gefunden. So gilt Mehnert wahlweise als „treuer Begleiter“[37], „Lieblingsjünger“[38], „eine Art Gesellschaftsdame der besonderen Art“[39] oder als „Mädchen für alles“.[40] Belegt ist, dass Frank Mehnert spätestens seit 1928 zum engsten Umfeld des Dichters gehörte. Als „Partnerschaft“ bezeichnen kann die Beziehung Georges zu Mehnert jedoch nur, wer großzügig über das ausgeprägte Machtgefälle zwischen „Meister“ und „Jünger“, wie auch über die offenkundige Labilität Mehnerts hinwegsieht.

Zur Bildhauerei fand Mehnert durch den George-Kreis. Zunächst hatte er wie Berthold von Stauffenberg 1927 in Tübingen ein Studium der Rechtswissenschaft begonnen. Als Berthold von Stauffenberg 1929 seine Stelle am KWI antrat, folgte er ihm nach Berlin. Das Studium brach Mehnert schließlich ab und wandte sich als Autodidakt unter Begleitung des Kreis-Mitglieds Ludwig Thormaehlen der Bildplastik zu.[41] Mehnerts frühe Werke umfassen ausschließlich Büsten von Stefan George, Claus und Berthold von Stauffenberg und weiteren George-Jüngern. Erst ab 1933 verbreiterte der überzeugte Nationalsozialist Mehnert seine Palette, als er die Gelegenheit sah, „mit den neuen Machthabern ins Monumentengeschäft großen Stils zu kommen.“[42] Unter seinem Künstlernamen Viktor Frank entwarf Mehnert bis 1936 circa 40 Hitler-Büsten, die er erfolgreich vermarktete.[43] Darüber hinaus schuf er ein Hitler-Relief und eine Hitler-Plakette, 1934 entwarf er eine überlebensgroße Statue als SA-Denkmal, für die Claus von Stauffenberg Modell stand.[44] Obgleich Mehnerts künstlerisches Werk aufgrund dessen frühen Soldatentods an der Ostfront 1943 letztlich schmal und dilettantisch blieb, erfüllte es in den Augen der George-Jünger eine essentielle Funktion, da er den ästhetischen Anspruch des „Meisters“ über dessen Tod hinaus bewahrte.[45]

Die Spur des Meißels. Bildhauerei im George-Kreis

Der schwedische Bildhauer Adh Hedblom (links) fertigt eine Büste Berthold von Stauffenbergs an (1928)[46]

Die bildende Kunst hatte innerhalb des George-Kreises eine herausgehobene Bedeutung – mehr als 200 Büsten sind im Umfeld Georges entstanden. In merkwürdigem Gegensatz hierzu hatte keiner der drei Bildhauer im Kreis, Ludwig Thormaehlen, Alexander Zschokke und Frank Mehnert, eine künstlerische Ausbildung genossen.[47] Der Kontrast zwischen der amateurhaften Bildhauerei und dem hohen ästhetischen Anspruch, den George an seine eigene Dichtung und das Schaffen seiner Jünger stellte, ist beträchtlich. Begreiflich wird die Bedeutung der Bildplastik als Kunstform im Kreis durch Georges Verständnis seiner Dichtung. Diese verstand er als „Wort-Plastik“, sich selbst sah er als „Bildner“, oder wie Ulrich Raulff es fasst: „Die Worte erschienen wie massive Blöcke, die noch die Spur des Meißels trugen.“[48] Das Bildhauen als Kunst-Praxis stellte für George somit die logische Weiterführung seines sprach-plastischen Schaffens dar. Er verstand die Bildhauerei als didaktischen Prozess, der auf das dichterische Wirken der Jünger zurückwirken sollte.

Das Atelier Thormaehlens und Mehnerts war ein wichtiger sozialer Raum für die Kreis-Mitglieder. „Gemeinsame Arbeit und Gespräch, Übersetzung und Bildhauerei bestimmen das Leben der kleinen Gruppe. Der Raum ist angefüllt mit Gipsfiguren, Köpfen und ganzen Figuren nackter Männer“, umschreibt Ulrich Raulff die Atmosphäre.[49] Das gemeinschaftliche Studium des Georgeschen Werkes stand im Vordergrund. Durch fotographische und bildkünstlerische Abbildung des anderen, versuchte man sich in die Ästhetik des Meisters einzuschreiben. Als letzter Schritt der Integration in den Kreis galt die plastische Nachbildung des eigenen Kopfes.[50] Orientiert am Vorbild der griechischen Antike sollten die Köpfe den Typus eines heroisierten, zu ästhetischem Führertum berufenen „Georgeschen Menschen“, ausdrücken, vor dem „der Bürger sich bekreuzigte“.[51] Die Bildplastiken zeichnen sich somit durch eine gewisse Entindividualisierung sowie eine idealisierte Redundanz aus.[52] Da die Bildhauerei der George-Jünger als kreisinterner Akt der gemeinschaftlichen Kunstschaffung zu verstehen ist, waren die Büsten nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Vielmehr hatten sie eine normative, ästhetische Vorbildfunktion für ihre Betrachter, die sich aus dem Wissen des Georgeschen Werkes heraus speiste.[53]

 

Dies gilt auch für Frank Mehnerts Büste von Berthold von Stauffenberg. Entstanden ist sie, aller Wahrscheinlichkeit nach, im Jahr 1930 als kreisinternes „Freundschaftsprodukt“.[55] Auch sie steht ganz im Sinne der Georgeschen Ästhetik, ist antikisierend idealisiert, ebenso wie die von Mehnert angefertigte Büste Claus von Stauffenbergs, von der ein Abguss in Deutschen Bundestag aufgestellt wurde und ein anderer sich heute in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin befindet. Beide Stauffenberg-Büsten, die lange vor dem Attentat des 20. Juli 1944 geschaffen wurden, sind heute kaum ohne diese Aufstellungsorte zu denken. Sie bilden gleichsam eine Art Ikonographie des deutschen Widerstandes, die bildsprachlich nicht unwesentliche Überschneidungen mit den ästhetischen Präferenzen nationalsozialistischer Kunst aufweist.[56] Für die Öffentlichkeit waren die beiden Büsten anders als Mehnerts Hitler-Köpfe und das SA-Standbild, nie gedacht. Dennoch eignen sich beide in besonderem Maße als Helden-Büsten, deren Entstehungskontext im George-Kosmos weitgehend in Vergessenheit geraten ist.

„Aristokratisch-esoterisches Gehabe“. Hermann Mosler und die Büste

„Und ich begriff, daß Kunst nur den Sinn hat, Kunst zu sein“[57]

– Carlo Schmid über Stefan George

Hermann Mosler trat 1937 im Alter von 25 Jahren als Referent in das Institut, damals noch als Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin (KWI), ein. Der sieben Jahre ältere Berthold von Stauffenberg war damals bereits Wissenschaftliches Mitglied und Mitherausgeber der Institutszeitschrift Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV). Über das seinerzeitige Verhältnis beider ist praktisch nichts bekannt, Mosler äußerte sich hierzu öffentlich nie. Zu den wenigen publizierten Erinnerungen an Stauffenberg aus dem Institutskontext gehören die Memoiren von Joachim von Elbe (1902-2000), späterer US-Diplomat und in den frühen 1930ern Referent am Institut. Er beschreibt Stauffenberg als „verschlossen“ und jemanden, der gegenüber seinen Kollegen stets „auf Distanz“ geblieben sei. Mit gewissem Befremden erinnert sich Elbe an Stauffenbergs Mitgliedschaft im George-Kreis, „von dessen ‚aristokratisch-esoterischem Gehabe‘ wohl auch Bertholds Verhalten nicht unberührt blieb.“[58] Es gab aber auch Institutsangehörige, denen George keineswegs fremd war. So war Carlo Schmid bereits als Schüler mit der Dichtkunst Georges in Berührung gekommen; sie erschien ihm wie „das Licht, das man vom Himmel geholt hat“.[59] Auch pflegte Carlo Schmid mit zahlreichen Angehörigen des George-Kreises enge Freundschaften, wobei er betont: „Ein ‚Georgianer‘ jedoch bin ich nie geworden.“[60] Neben Schmid ist nur von Helmut Strebel eine lebenslange enge geistige Verbindung zum Werk Georges aus dem Institut überliefert.[61]

Konnte man für das Berliner KWI ein gewisses Interesse am Geistes-Kosmos Georges erkennen, so war dies am Heidelberger MPIL anders. Der Grund hierfür dürfte insbesondere in der geänderten sozialen Zusammensetzung der Mitarbeiter gelegen haben. Rekrutierten sich die Angehörigen des KWI überwiegend aus dem Adel und Großbürgertum, die mit einer elitären, auch anti-demokratischen Ästhetik eines Stefan George durchaus etwas anfangen konnten, war das Personal des Heidelberger Instituts weitaus „bürgerlicher“. Georges symbolistische, auf „hinter den Dingen Liegendes“ und auf eine charismatische Führerpersönlichkeit ausgerichtete, elitäre l‘art pour l‘art Dichtung, die anti-westliche und nationalistische Elemente vereinte, muss Mosler nicht nur fremd geblieben, sondern gleichermaßen Ausdruck einer Geisteshaltung gewesen sein, die ihm schon früh, in den Jahren seines aktiven Engagements in der katholischen Jugendbewegung, wiederstrebt hatte und die er als nüchterner bundesrepublikanischer Katholik unbedingt aus seinem Institut heraushalten wollte.

Als Karl Josef Partsch ab 1966 über Jahre hinweg Hermann Mosler die Büste Bertholds von Stauffenberg anbot, kam dies Mosler aus vielerlei Gründen ungelegen. Ihre Aufstellung an einem zentralen Ort innerhalb des Instituts hätte Debatten ausgelöst, an denen der Direktor keinerlei Interesse hatte. Zunächst hätte sie die Frage der Positionierung des Instituts zum „Dritten Reich“ aufgeworfen.[62] Obgleich Mosler sich zu Stauffenbergs Widerstand bekannte, wollte er ihn nicht wider besseres Wissen „zum Geist des Hauses“ erheben. Überdies war die allgemeine gesellschaftliche Haltung zu den „Verschwörern“ des 20. Juli 1944 in den 1960ern noch keineswegs als durchweg positiv zu bezeichnen, galten die Stauffenbergs seinerzeit noch vielen als „Vaterlandsverräter“ und „Eidbrecher“.[63] Die Aufstellung der Büste wäre somit einem politischen Statement gleichgekommen, das bei einigen Gästen und Mitarbeitern für Irritationen hätte sorgen können.

Jenseits der Frage der Bewertung des deutschen Widerstandes war und ist bis heute umstritten, ob und in welchem Ausmaß Stefan George mit seiner Dichtung dem Nationalsozialismus intellektuellen Vorschub leistete. Anlässlich des hundertsten Geburtstages Georges 1968 wurde in den Feuilletons intensiv über sein Verhältnis zum „Dritten Reich“ gestritten.[64] Während Karl Josef Partsch und Helmut Strebel durchaus ein Interesse daran hatten, George über den Widerstand der Stauffenbergs rückwirkend zu rehabilitieren, wollte Mosler solche Debatten aus seinem Institut heraushalten. Moslers Fokus lag auf der juristischen Begleitung der Integration der Bundesrepublik in die Europäische Union und in den Westen sowie auf der Einbindung des Instituts in die internationale Wissenschaftswelt. In diesen Dienst konnte man die Stauffenberg-Büste schwerlich stellen. Geht man dann noch davon aus, dass Mosler als langjähriger Kollege Stauffenbergs auch über Georges sexuelle Orientierung im Bilde war und den Problemzusammenhang der Entstehungsgeschichte der Büste erahnen konnte, scheint offensichtlich, warum er die Büste nicht im Institut haben wollte.

Im Verlauf der Jahre verlor sich jedoch am Institut das Wissen um den Entstehungskontext der Büste. Man kann sagen, dass die Büste, je weiter ihre Geschichte vergessen wurde, umso mehr von der Peripherie ins Zentrum des Instituts wanderte. Mit dem drastischen Bedeutungswandel, den die gesellschaftliche Bewertung des „20. Juli 1944“ erlebte, wurde auch die Stauffenberg-Büste neu gelesen. Das Institut bekannte und bekennt sich nunmehr stolz zu seinem früheren Mitglied, dessen Wirken weitgehend auf das Attentat gegen Hitler reduziert wurde. Der weitere geistige und historische Zusammenhang der Entstehung der Büste, der bei Hermann Mosler für Ablehnung gesorgt hatte, trat in den Hintergrund. Inzwischen ist nur wenigen Gästen und Forschenden am Institut bekannt, wer Berthold von Stauffenberg war. Dennoch spricht die Büste für sich, atmet und verkörpert das „Heldische“ durch die antikisierende Ästhetik des „Georgeschen Menschen“. Doch wer weiß noch, was damit gemeint war?

***

Der Verfasser dankt Sarah Gebel, Alexandra Kemmerer, Johannes Mikuteit, Moritz Vinken und Joachim Schwietzke für ihre hilfreichen Anmerkungen zu diesem Text.

[1] Büste im Besitz von Karl Josef  Partsch; Foto: MPIL.

[2] Schreiben von Karl Josef Partsch an Hermann Mosler, datiert 18. 1. 1966, Mappe „Stefan George Stiftung“, MPIL.

[3] Schreiben von Hermann Mosler an Karl Josef Partsch, datiert 4. 2. 1966, Mappe „Stefan George Stiftung“, MPIL.

[4] Falls er der den sich anbahnenden „68er“-Generationenkonflikt meint, so kann auch dies nicht wirklich überzeugen, da dieser am Institut weitgehend ausfiel, vgl: Ingrid Gilcher-Holtey, Burg in der Brandung? Das MPIL im Mobilisierungsprozess der 68er Bewegung, MPIL100.de.

[5] Schreiben von Hermann Mosler an Karl Josef Partsch, datiert 4. 9. 1967, Mappe „Stefan George Stiftung“, MPIL.

[6] Schreiben von Helmut Strebel an Hermann Mosler, datiert 11. 4. 1972, Mappe „Stefan George Stiftung“, MPIL.

[7] Nur wenige der von mir befragten Zeitzeugen konnten sich an die Stauffenberg-Büste im Institut erinnern. Ich danke Michael Bothe, Stefan Oeter und Georg Nolte für ihre klärende Mithilfe in dieser Sache.

[8] Foto: Stefan-George-Archiv.

[9] Zitiert nach: Wolfgang Graf Vitzthum, Der stille Stauffenberg. Der Verschwörer, Georgeaner und Völkerrechtler Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, Berlin: Duncker & Humblot 2024, 27. Die Zitate Stauffenbergs sind allesamt in der für Stefan Georges minimalistischer Ästhetik folgenden Kleinschreibung gehalten.

[10] Daniela Gretz, Mehnert, Frank, in: Achim Aurnhammer et al. (Hrsg.), Stefan George und sein Kreis: Ein Handbuch, Berlin: De Gruyter 2016, 1546–1549.

[11] Wolfgang Graf Vitzthum, Partsch, Karl Josef, in: Achim Aurnhammer et al. (Fn. 10), 1569–1572.

[12] Florian Hofmann, Helmut Strebel (1911–1992). Georgeaner und Völkerrechtler, Baden-Baden: Nomos 2010, 255.

[13] Friedrich Gundolf/Friedrich Wolters, Einleitung der Herausgeber, in: Friedrich Gundolf/Friedrich Wolters (Hrsg.), Jahrbuch für die geistige Bewegung 3 (1912), III–VIII, VIII; Hans-Christof Kraus, Das Geheime Deutschland. Zur Geschichte und Bedeutung einer Idee, Historische Zeitschrift 291 (2010), 385–417, 389; 393; Thomas Karlauf, Stefan George. Die Entdeckung des Charisma, München: Karl Blessing Verlag 2007, 555–556.

[14] Kraus, (Fn. 13), 392–393; Vitzthum, Der stille Staufenberg (Fn. 9), 33.

[15] Rainer Kolk, Literarische Gruppenbildung. Am Beispiel des George Kreises 1890–1945, Berlin: Max Niemeyer Verlag 1998, 242; Vitzthum, Der stille Staufenberg (Fn. 9), 32.

[16] So der 14-jährige Karl Josef Partsch: Ulrich Raulff, Kreis ohne Meister. Stefan Georges Nachleben, München: C. H. Beck 2012, 84.

[17] Vitzthum, Der stille Staufenberg (Fn. 9), 32; Karlauf Charisma (Fn. 13), 378–382.

[18] Das Problemfeld von Georges Pädophilie wird seit einigen Jahren kontrovers diskutiert (Julia Encke, Das Ende des Geheimen Deutschlands, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13. Mai 2018, 45–46; Julia Encke, Päderastie aus dem Geist Georges? Ein Gespräch mit Thomas Karlauf über den Männerbund im Stefan-George-Kreis, die Verbindungen in zur Reformpädagogik und über die Odenwaldschule, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 5. April 2010, 23–24). Die etablierte und sich vielfach in Georgescher Tradition stehend sehende George-Forschung bestreitet, dass es Übergriffe durch George gegeben habe. So schreibt Carola Groppe: „Auch wenn die Auswahl der Jungen homoerotisch und pädophil motiviert war, gibt es in den Briefwechseln aus dem George-Kreis bislang keine Hinweise auf eine sexuelle Praxis; auch kann man Georges Lyrik nicht für eine Beweisführung in Anspruch nehmen. Es muss offenblieben, ob die Zuneigung zu schönen männlichen Kindern und Jugendlichen im Kreis zu sexualisierter Gewalt diesen gegenüber führte oder nicht“, Carola Groppe, Freundschaften mit Auftrag und Gefährdung: Im George-Kreis, in: Kai Kauffmann/Cornalia Ortlieb (Hrsg.), George-Jahrbuch 13 (2020/21), Berlin: De Gruyter 2020, 1–26, 16. Thomas Karlauf gibt jedoch zu bedenken, dass fast alle Quellen zum George-Kreis von Personen stammten, „die Teil des Systems waren oder, im Falle ihrer Trennung, unter erheblichem Rechtfertigungsdruck standen“, weswegen eine offene Thematisierung eines Missbrauchs kaum zu erwarten sei: Karlauf, Charisma (Fn. 13), 370. Unzweifelhaft ist für Karlauf indes, dass George in seinem Gedichtband „Der Stern des Bundes“ den „ungeheuerliche(n) Versuch“ unternommen habe, „die Päderastie mit pädagogischem Eifer zur höchsten geistigen Daseinsform zu erklären“: Karlauf, Charisma (Fn. 13), 394. Wenngleich Georges Dichtung keineswegs als Beleg für etwaige Handlungen zu sehen ist, wenn man zwischen Kunstform und Tat trennen muss, fehlt zumindest dem Verfasser dieses Beitrags die Fantasie, keine Missbräuchlichkeit in den Rekrutierungsprozessen vielfach minderjähriger Kreismitglieder bzw. in den ausgesprochen asymmetrischen Beziehungen Georges zu oftmals bedeutend jüngeren bzw. emotional abhängigen „Freunden“ zu sehen.

[19] Mit (von links im Uhrzeigersinn): Albrecht von Blumenthal, Ernst Morwitz, Silvio Markees, Max Kommerell, Johann Anton, Alexander von Stauffenberg; Foto: Stefan-George-Archiv.

[20] Vitzthum, Der stille Staufenberg (Fn. 9), 24.

[21] Zitiert nach: Vitzthum Der stille Staufenberg (Fn. 9), 28.

[22] Dass dies womöglich an einem klärenden Gespräch der besorgten Mutter der drei Brüder mit dem Dichter lag, ist zumindest nicht ausgeschlossen: Peter Hoffmann, Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Brüder, Stuttgart: Deutsche Verlags Anstalt 1992, 53.

[23] Bertram Schefold/Wolfgang Graf Vitzthum, Staatswissenschaften (Nationalökonomie, Staats- und Völkerrecht), in: Achim Aurnhammer et al. (Fn. 10), 1147–1158, 1154; Wolfgang Graf Vitzthum, Rechts- und Staatswissenschaften aus dem Geiste Stefan Georges? Über Johann Anton, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg und Karl Josef Partsch, in: Bernhard Böschenstein et al.(Hrsg.), Wissenschaftler im George-Kreis. Die Welt des Dichters und der Beruf der Wissenschaft, Berlin: De Gruyter 2005, 83–113, 110–111.

[24] Hoffmann (Fn. 22), 75; 73.

[25] Hoffmann, (Fn. 22), 78; Thomas Karlauf, Stauffenberg. Porträt eines Attentäters, München: Pantheon 2019, 124.

[26] Wolfgang Graf Vitzthum, Stauffenberg, Berthold Alfred Maria Schenk Graf von, in: Achim Aurnhammer et al. (Fn. 10), 1666–1671, 1669. Die Erbfolge sah zunächst Robert Boehringer, dann Berthold von Stauffenberg und schließlich Frank Mehnert vor. Nach Mehnerts Tod 1943 machte Berthold von Stauffenberg seinen Bruder Claus zu seinem Nacherben.

[27] Karlauf, Charisma (Fn. 13), 635.

[28] Karlauf, Charisma (Fn. 13), 611.

[29] Raulff, Kreis (Fn. 16), 87.

[30] Raulff, Kreis (Fn. 16), 33.

[31] Karlauf, Charisma (Fn. 13), 615.

[32] Karlauf, Charisma (Fn. 13), 614–615; 626–627.

[33] Vitzthum, Der stille Staufenberg (Fn. 9), 118.

[34] Foto: Stefan-George-Archiv.

[35] Schreiben von Claus von Stauffenberg an Frank Mehnert, datiert 26.11.1939, zitiert nach: Raulff, Kreis (Fn. 16), 110.

[36] Diese Abhängigkeit blieb zeitlebens bestehen. Als Berthold von Stauffenberg 1932 seine große Liebe Mika Classen heiraten wollte, reiste Mehnert, der eine „fast krankhafte Abneigung gegen Frauen“ hegte, im Auftrag Georges nach Den Haag, um ihm das Verbot des Meisters mitzuteilen und ihn zu diesem für eine persönliche Unterredung in die Schweiz zu holen. Stauffenbergs Heirat 1936 sah Mehnert als Verrat an George an und brach den Kontakt für drei Jahre nahezu ab: Vitzthum, Berthold von Stauffenberg (Fn. 26), 1548; Karlauf, Stauffenberg (Fn. 25), 124; Hoffmann (Fn. 22), 157.

[37] Michael Stettler, Vorwort, in: Michael Stettler (Hrsg.), Erinnerung an Frank, Düsseldorf: Verlag Helmut Küpper 1968, 7. Der Band gibt ferner einen guten Eindruck von der Bedeutung Mehnerts in der Erinnerungskultur des George-(Nach-)Kreises sowie von Mehnerts eigener Wahrnehmung Georges und seines Kreises.

[38] Karlauf, Charisma (Fn. 13), 617.

[39] Raulff, Kreis (Fn. 16), 83.

[40] Vitzthum, Berthold von Stauffenberg (Fn. 26), 1548.

[41] Raulff, Kreis (Fn. 16), 202.

[42] Raulff, Kreis (Fn. 16), 202.

[43] Gretz (Fn. 10), 1547.

[44] Hoffmann (Fn. 22), 130–131.

[45] Karlauf, Charisma (Fn. 13), 618; Karlauf, Stauffenberg (Fn. 25), 238.

[46] Foto: Stefan George-Archiv.

[47] Ulrich Raulff, Steinerne Gäste. Im Lapidarium des George-Kreises, in: Ulrich Raulff/Lutz Näfelt (Hrsg.), Das geheime Deutschland. Eine Ausgrabung. Köpfe aus dem George-Kreis, Marbach: Deutsche Schillergesellschaft 2008, 4–33, 6; 7.

[48] Raulff, Steinerne Gäste (Fn. 47), 9.

[49] Raulff, Kreis (Fn. 16), 203–204.

[50] Raulff, Steinerne Gäste (Fn. 47), 16.

[51] Friedrich Wolters, zitiert nach: Raulff, Steinerne Gäste (Fn. 47), 17.

[52] Raulff, Steinerne Gäste (Fn. 47), 28; 29.

[53] Raulff, Steinerne Gäste (Fn. 47), 29.

[54] Foto (links): Maurice Weiss; Foto (rechts): Stefan-George-Archiv. Die Muschelkalk-Sockel, der vom Heidelberger Bildhauer Edzard Hobbing angefertigt wurde, trägt die deutliche Handschrift der Georgeschen Ästhetik. Die Inschrift ist deutlich an Stefan Georges „Stilschrift“ angelehnt.

[55] Die Angaben zur Entstehung der Büste Bertholds von Stauffenberg variieren, zumal es ab Mitte der 1930er eine Reihe von Abgüssen gab. Karl Josef Partsch mutmaßt, dass die Büste entweder 1927 oder 1931 entstanden sei: Schreiben von Karl Josef Partsch (Fn. 2)

[56] Diese bestehen u.a. in der heroisierenden Idealisierung des Dargestellten und in der Anlehnung an das antike griechische Körperbild, wie dies z.B. bei Arno Breker der Fall ist: Karoline Schröder, Ein Bild von Skulptur. Der Einfluss der Fotografie auf die Wahrnehmung von Bildhauerei, Bielefeld: Transkript 2018, 116.

[57] Carlo Schmid, Erinnerungen, Stuttgart: S. Hirzel Verlag 2008, 34.

[58] Joachim von Elbe, Unter Preußenadler und Sternenbanner. Ein Leben für Deutschland und Amerika, München: C. Bertelsmann 1983, 123. Ein gewisses Unverständnis gegenüber Stauffenbergs Verbindung zu George herrschte auch bei anderen Institutsmitgliedern vor: Alexander N. Makarov, Vorkämpfer der Völkerverständigung und Völkerrechtsgelehrte als Opfer des Nationalsozialismus. Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944), Die Friedenswarte. Blätter für internationale Verständigung und zwischenstaatliche Organisation 6 (1947), 360–365, 364.

[59] Schmid (Fn. 57), 34.

[60] Schmid (Fn. 57), 35.

[61] Dass es aber durchaus auch eine grundsätzliche Affinität zu den Themen und zur Ästhetik des George-Kreises im Institut gab, belegt der Umstand, dass sich zwei der wichtigsten und populärsten Werke aus dem George-Kreis in der Institutsbibliothek befinden, nämlich das Platon-Buch von Kurt Hildebrandt und die Biographie Kaiser Friedrichs II. von Ernst Kantorowicz, letztere sogar aus Privatbesitz Viktor Bruns‘: Kurt Hildebrandt, Platon. Der Kampf des Geistes um die Macht, Berlin: Georg Bondi 1933; Ernst Kantorowicz, Kaiser Friedrich der Zweite, Berlin: Georg Bondi 1927.

[62] Philipp Glahé, History as a Problem? On the Historical Self-Perception of the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law, ZaöRV 83 (2023), 565–578.

[63] Ruth Hoffmann, Das deutsche Alibi. Mythos „Stauffenberg-Attentat“ – wie der 20. Juli 1944 verklärt und politisch instrumentalisiert wird, Goldmann: München 2024, 42.

[64] Raulff, Kreis (Fn. 16), 420–426.

English

Just a few steps away from the main entrance of the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law (MPIL) in Heidelberg stands a bust of Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905–1944) . Stauffenberg was a member of the Institute from 1929 until his execution by the National Socialists due to his involvement in the resistance movement of 20 July 1944. Together with the large-format triptych by H. D. Tylle, ‘9 November 1989 in Deuna, the Morning After’ and a bust of Max Planck, the portrait of Stauffenberg is among the most prominent artworks at the Institute. Although the subject is not immediately recognisable to most people and is often confused with his far more popular brother Claus, who carried out the failed bomb attack on Adolf Hitler, the presence of the bust seems logical: it is generally interpreted as the Institute’s endorsement of its former employee and of the fight against the unjust National Socialist regime. However, this was not always the case. Although the bust has been in the MPIL’s possession since 1974, it was not given a central position until 1996, when the Institute moved into its current building at the Neuenheimer Feld campus and the then-directors (Jochen Frowein and Rüdiger Wolfrum) decided to place it in the atrium. The bust has occupied its current place at the main entrance since the completion of the building extension in 2019. Before 1996, however, it led a veritable shadow existence. In the former Institute building on Berliner Straße, it was tucked away on the second floor, where hardly anyone ever saw it, and remained there for more than 20 years. The reason for this was the aversion of the long-standing director of the Institute, Hermann Mosler, to the bust, which had been offered to him as a gift by his Bonn colleague Karl Josef Partsch as early as 1966. For years, Mosler had tried to prevent it from being displayed – even though he had distanced himself from the Third Reich and endorsed the resistance of 20 July 1944. This raises the question of what problem Hermann Mosler saw in the bust and what history surrounds the object, which is what this blog post aims to explore.

An Unwelcome Gift. Karl Josef Partsch and the Bust

Photograph of the cast by Karl Josef Partsch, patinated and illuminated in an aestheticizing manner[1]

On 18 January 1966, Bonn-based international law expert Karl Josef Partsch wrote a letter to Hermann Mosler in which he told him about a conversation he had had with his friend Helmut Strebel, editor of the Institute Journal Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht (English title: Heidelberg Journal of International Law, HJIL). Strebel and Partsch, who was a passionate art collector with an extensive sculpture collection, had come up with the idea of ‘erecting a portrait bust of Berthold von Stauffenberg in the Institute’s new buildings’.[2] Partsch offered to have a cast of the original from his collection made for the Institute. Mosler’s reply came just under two weeks later. It was cautious and contradictory:

‘The installation of a bust is something un-repeatable that cannot be claimed by others. It means that a person is elevated to the centre, whether it be of shared memories or shared views of those working at the Institute, and possibly even made a symbol of the spirit of the place. The age at which the bust was created and the death assumed to be a sacrifice make it likely that the bust’s placement in a prominent location will be perceived as a symbol. Even those who knew Berthold Stauffenberg as a colleague at the Institute will probably not remember the person they saw every day when they look at the bust.’[3]

Mosler goes on to say:

‘Such a symbol must not be imposed but must be accepted. I do not believe that this is a question of political attitude towards the events of 1944. You know my own position. You also know that three days before the assassination attempt, Berthold Stauffenberg agreed with me to make the Institute available to the expected new government.’

Although Mosler acknowledged his former colleague and his resistance, he showed significant discomfort with Partsch’s and Strebel’s proposal. Mosler feared that, with the bust, a kind of ‘cult of remembrance’ could move into the Institute. Furthermore, he expressed concern that the bust might be perceived as ‘imposed’ by the Institute’s employees and pointed out that there was now ‘a new generation’ at the Institute that had ‘different experiences,’ without elaborating on what he meant by this.[4]

With his cryptic letter of rejection, Mosler wanted to leave the matter at that, but Partsch and Strebel did not give up. For years, they kept broaching the subject, yet Mosler’s responses always remained vague, and he always played for time. When Partsch made a new attempt in 1967, Mosler replied that he had gone through ‘all the possibilities for a dignified, yet unobtrusive installation’ with Strebel, concluding that it would be better to place the bust outside the Institute itself, in the Max Planck House, which was still under construction. Alternatively, his new office, which was also not yet completed, could be considered, ‘but not before the end of 1969’.[5] Partsch and Strebel however were set on displaying the portrait head prominently within the Institute itself. In 1972, the bust was placed in the MPIL for the first time, on a trial basis, with Strebel insisting that it be positioned on a marble pedestal measuring a full 1.85 metres, which apparently corresponded to the height of the late Stauffenberg.[6] The bust then disappeared from the Institute again before being installed at the end of 1974, almost nine years after Partsch’s initial suggestion and just in time for the Institute’s 50th anniversary. It was placed on a simple, low pedestal made of shell limestone, far off on the second floor.[7] There was no consecration or speech.

‘You are sent to this world as a saviour.’ Berthold von Stauffenberg and Stefan George

Saviour with disciples. Stefan George, Claus and Berthold von Stauffenberg, 1924[8]

You have cast me firmly under Your spell/ You, ruler of all my being now/ I will gladly bear all these burdens/ For Your hand – so quietly – strokes my hair

– Berthold von Stauffenberg on Stefan George[9]

An important reason for Mosler’s rejection of the Stauffenberg bust must be seen in the context of its creation, as the bust emerged from the circle around the poet Stefan George (1868–1933), whose political views and aesthetic programme the MPIL director opposed. But it was not only Berthold von Stauffenberg and the creator of the bust, the sculptor Frank Mehnert (1909–1943)[10], who belonged to George’s inner circle; Karl Josef Partsch (1914–1996) did as well.[11]  Helmut Strebel (1911–1992), whose uncle Max Kommerell had possibly been George’s greatest love, was also part of George’s intellectual cosmos, even though his own admission to the circle had failed.[12]

At the turn of the century, Stefan George was one of the most well-known but also most controversial German poets. Strongly influenced by French symbolism, he developed an aestheticist style of poetry with borrowings from ancient culture and medieval German mysticism, which saw itself as a countermovement to the ‘massification’ and ‘Americanisation’ of culture and society in the late industrial age.[13] Due to its presuppositional nature, George’s poetry was particularly appealing to the intellectual and academic avant-garde of the time. However, George also had a great impact through his artful self-production as a visionary poet king who, as a charismatic ‘master,’ gathered around him a hand-picked group of talented young ‘students,’ his boy-club-like ‘circle.’ The inner life of the circle was characterised by the cult-like worship of George, who pursued the goal of raising a new intellectual aristocracy in art, society, and scholarship as representatives of a ‘New Reich’, the so-called ‘Secret Germany’ (Geheimes Deutschland). By this, George meant a ‘different’ Germany, elevated to mystical heights, which sought to realise his intellectual and aesthetic aspirations.[14] Access to the circle was reserved for those called to ‘true leadership’ and who emerged from ‘heroically elevated humanity.’[15] The initiation process was complicated and lengthy. Older members of the circle systematically kept an eye out for potential new recruits, who – often as minors – were selected on the basis of visual and intellectual criteria (at times, at the beach[16]) and carefully prepared for an encounter with the ‘master’.[17]  Due to George’s homoerotic and paedophilic orientation, which was romanticised under the guise of ‘pedagogical Eros’ – a highly aestheticised master-student relationship that legitimised abuse – only good-looking young men and boys were allowed access.[18]

The third generation of the George Circle, photo taken after 1925. Claus (second row, second from right) and Berthold von Stauffenberg (first row, second from right) with Frank Mehnert (first row, third from right)[19]

Among George’s ‘disciples’ were Berthold von Stauffenberg, his twin brother Alexander and his younger brother Claus, who had been introduced into the circle in 1923, at the ages of 18 and 15, by a family acquaintance.[20] George was enthusiastic about the Stauffenberg brothers, as their appearance and aristocratic origins were entirely to his taste. The ‘poet king’, who was almost 40 years older than the three young men, had an impact on them that can hardly be overestimated, as Berthold von Stauffenberg’s words about his first encounter with George – written in all lower case, in keeping with Stefan George’s minimalist aesthetic – show: ‘You have conquered and captivated me […] / You are sent to this world as a saviour’.[21] While George never entered into a sexual relationship with the Stauffenbergs,[22] Berthold and his brother Claus nevertheless belonged to the poet’s innermost circle.

George had high expectations of his disciples. He thus demanded they not only study and educate themselves through his own works and those produced by his circle, but also that they work in their civilian professions in the spirit of George, thereby contributing to the realisation of the ‘Secret Germany’. In the case of the legal scholar Berthold von Stauffenberg, however, the professional implementation of George’s ideas proved difficult. While George was able to exert great influence, for example, in the field of historical scholarship by actively accompanying the research of his disciples in its subject matter and in writing, this was much less the case in jurisprudence.[23] Accordingly, George did not particularly approve of Stauffenberg’s legal career; on the contrary, he was more than critical of his work as a legal clerk at the Permanent Court of International Justice. Since he rejected international jurisdiction, he was of the opinion that Stauffenberg had shown ‘no achievements’, which deeply hurt the legal scholar.[24] However, Stauffenberg himself also had a difficult relationship with jurisprudence, which he pursued only with inner distance, and which was a second choice for him in the absence of the realisation of his true career aspiration of becoming a diplomat. Stauffenberg found his true fulfilment in the poetry of his ‘master,’ whom he followed in almost all matters of life. This went so far that he even sacrificed his great love, Mika Classen, to George’s claims of ownership and submitted to his interdiction of the marriage in 1932.[25] It was not until 1936, three years after the death of his ‘master,’ who had named Berthold as his testamentary heir and trustee of his work, that Stauffenberg finally entered into the marriage.[26]

Legacy and Heirs. Resistance in the name of George?

While George had precisely stipulated who should administer his poetic estate, the question of what the poet’s intellectual legacy actually consisted of immediately became a bone of contention among his disciples and remains controversial in George research to this day. The majority of his work relied on constant interpretation by the ‘master,’ who, as the only legitimate authority, had the final say in its exegesis.[27] One of the major questions was George’s relationship to National Socialism. The ‘master,’ who died in December 1933, failed to take a clear position, as demanded not least by his Jewish followers. Although George has to have viewed National Socialism, like any phenomenon of mass culture, critically, as a matter of principle, parts of his poetry about the ‘New Reich’ were certainly appealing to the National Socialists, so that Reich Propaganda Minister Joseph Goebbels endeavoured to win him over for his own purposes.[28] George was flattered by this and was generally open to National Socialism, yet he considered any co-optation by politics beneath him. At the same time, there were aspects of George’s work and personality that made him appear incompatible with the National Socialist understanding of art and culture: George’s love life, which was an open secret, and the large number of Jewish intellectuals in his circle were repeatedly the subject of homophobic and anti-Semitic pamphlets.[29]

The falling apart of the George Circle over disputes regarding the interpretation of George’s legacy began at the ‘master’s’ deathbed.[30] For the youngest disciples around the Stauffenberg brothers and Frank Mehnert who welcomed National Socialism, it was clear that they were doing so in accordance with the ‘master’.[31] Older companions such as Karl Wolfskehl and Ernst Kantorowicz, who were already exposed to the early stages of National Socialist persecution due to their Jewish origins, tried to mobilise the idea of the ‘Secret Germany’ as an alternative to the ‘Third Reich’.[32] Georges’ legacy was claimed and put to use by many – whether in support or, in the end, in defiance of the Nazi regime or, as in the case of the Stauffenbergs, who later decided to join the resistance in the name of their ‘master,’ in both ways.[33]

A Piece of Immortality. The Sculptor Frank Mehnert

Frank Mehnert next to his plaster likeness by Ludwig Thormaehlen, 1920s[34]

‘With all that you accomplish, You conquer a piece of immortality for us, You make this country more beautiful, You strengthen our belief in our cause and its ultimate infallibility.’

– Claus von Stauffenberg to Frank Mehnert [35]

The bust of Berthold von Stauffenberg was created by Frank Mehnert. Mehnert was a classmate of the Stauffenbergs, who, like him, attended the Eberhard-Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart. In 1922, at the age of 13, Mehnert befriended Berthold, who was four years his senior. Frank Mehnert, who was considered a fragile young boy, entered into a relationship of ‘almost slavish dependence’ with Berthold von Stauffenberg, which Mehnert’s brother Klaus described as ‘a kind of knight-squire relationship’ and which caused great concern within his family.[36] Through the Stauffenberg brothers, Frank Mehnert joined the George Circle in 1924 at the age of 15. George quickly took a great liking to the boy, who himself fell under the poet’s spell. Contemporaries and George researchers have found many terms to describe the relationship between Frank Mehnert and George, who was 41 years older. Mehnert is described as a ‘loyal companion’[37], ‘favourite disciple’[38], ‘a (lady’s) companion of a very special kind’[39], or a ‘jack of all trades’[40]. It is documented that Frank Mehnert belonged to the poet’s innermost circle from 1928 onwards, at the latest. In any case, it is clear that George’s relationship with Mehnert can only be described as a ‘partnership’ by those who generously overlook the pronounced power imbalance between the ‘master’ and his ‘disciple’ as well as Mehnert’s obvious psychological lability.

It was through the George circle that Mehnert became a sculptor. Like Berthold von Stauffenberg, he had initially begun studying law in Tübingen in 1927. When Berthold von Stauffenberg took up his position at the KWI in 1929, he followed him to Berlin. Mehnert eventually dropped out of his studies and turned to sculpture as an autodidact, accompanied by another member of the circle, Ludwig Thormaehlen.[41] Mehnert’s early work consists exclusively of busts of Stefan George, Claus and Berthold von Stauffenberg, and other disciples of George. It was not until 1933 that Mehnert, a staunch National Socialist, broadened his palette when he saw an opportunity to ‘get into the monument business big time with the new rulers.’[42] Under his pseudonym Viktor Frank, Mehnert designed around 40 busts of Hitler by 1936, which he successfully marketed.[43] He also created a relief and a plaque of Hitler, and in 1934 he designed a larger-than-life statue as an SA monument, for which Claus von Stauffenberg served as the model.[44] Although Mehnert’s artistic work ultimately remained limited and amateurish due to his early death as a soldier on the Eastern Front in 1943, it fulfilled an essential function in the eyes of George’s disciples, as it preserved the aesthetic standards of the ‘master’ beyond his death.[45]

The Trace of the Chisel. Sculpture in the George Circle

Swedish sculptor Adh Hedblom (left) creates a bust of Berthold von Stauffenberg (1928)[46]

The visual arts played a prominent role within the George Circle – more than 200 busts were created within his sphere of influence. In strange contrast to this, none of the three sculptors in the circle, Ludwig Thormaehlen, Alexander Zschokke, and Frank Mehnert, had received any artistic training.[47] The contrast between the amateurish sculpture and the high aesthetic standards that George set for his own poetry and the work of his disciples is considerable. The significance of sculpture as an art form within the circle becomes tangible through George’s own understanding of his poetry: He saw it as ‘word sculpture’ and himself as a ‘sculptor,’ or as Ulrich Raulff puts it: ‘The words appeared like massive blocks that still bore the traces of the chisel.’[48] For George, sculpting as an artistic practice was thus the logical continuation of his linguistic-plastic work. He understood sculpture as a didactic process that was intended to stand in dialogue with the poetic work of his disciples.

The Thormaehlen and Mehnert studio was an important social space for the members of the circle. ‘Working together, conversation, translation, and sculpture determine the life of the small group. The room is filled with plaster figures, heads, and entire figures of naked men,’ is how Ulrich Raulff describes the atmosphere.[49] The focus was on the collective study of Georges’ work. Through photographic and artistic representations of each other, one attempted to inscribe oneself into the master’s aesthetic. The final step of integration into the circle was understood to be the sculptural reproduction of one’s own head.[50] In imitation of Greek antiquity, the heads were intended to express the type of a heroised  ‘Georgian man’ called to aesthetic leadership, before whom ‘the bourgeois crossed himself.’[51] The sculptures are thus characterised by a certain de-individualisation and idealised redundancy.[52] Since the sculpture of George’s disciples is to be understood as an internal act of communal art creation within the circle, the busts were not intended for the public. Rather, they served as normative, aesthetic models for the onlookers, informed by their knowledge of George’s work.[53]

This also applies to Frank Mehnert’s bust of Berthold von Stauffenberg. It was most likely created in 1930 as an ‘product of friendship’ within the circle.[55] It, too, is entirely in keeping with George’s aesthetics, idealised in a classicising way, as is Mehnert’s bust of Claus von Stauffenberg, casts of which have been erected in the German Parliamentary Building (Bundestag) and at the German Resistance Memorial in Berlin. Both Stauffenberg busts, which were created long before the assassination attempt of 20 July 1944, can hardly be separated from these placements from today’s perspective. They form a kind of iconography of the German resistance, which, in terms of visual language, shows significant overlaps with the aesthetic preferences of National Socialist art.[56] Unlike Mehnert’s Hitler busts and the SA monument, they were never intended for public display. Yet, both lend themselves to the function of hero statues, whose context of origin in the George cosmos has largely been forgotten.

‘Aristocratic-Esoteric Fuss’. Hermann Mosler and the Bust

‘And I understood that art’s only meaning is to be art’

– Carlo Schmid on Stefan George[57]

Hermann Mosler joined the Institute, at that time still known as the Kaiser Wilhelm Institute (KWI) in Berlin, as a research fellow in 1937 at the age of 25. Berthold von Stauffenberg, seven years his senior, was already a senior member of the academic staff and co-editor of HJIL then. Virtually nothing is known about the relationship between the two at that time, as Mosler never spoke about it publicly. Among the few published recollections of Stauffenberg from the Institute context are the memoirs of Joachim von Elbe (1902–2000), who was a research fellow at the Institute in the early 1930s and later went on to become a US diplomat. He describes Stauffenberg as ‘closed off’ and someone who always ‘kept his distance’ from colleagues. It is with some level of irritation that Elbe recalls Stauffenberg’s membership in the George Circle, ‘the “aristocratic-esoteric fuss” of which seemingly did not leave Berthold’s behaviour unaffected.’[58] However, there were also members of the Institute who were by no means unfamiliar with George. Carlo Schmid, for example, had already as a schoolboy come into contact with George’s poetry, which he felt was like ‘the light that has been brought down from heaven.’[59] Carlo Schmid also cultivated close friendships with numerous members of the George Circle, although he emphasises: ‘I, however, never became a “Georgian [Georgianer]”.’[60] Apart from Schmid, Helmut Strebel is the only one at the Institute known to have had a lifelong close connection to George’s work.[61]

While for the Berlin KWI a certain interest in Georges’ intellectual cosmos can be ascertained, this was not the case at the Heidelberg MPIL. The reason for this can likely primarily be found in the changed social composition of the staff. While the members of the KWI were predominantly recruited from the nobility and upper middle class, who were quite receptive to Stefan George’s elitist, even anti-democratic, aesthetic, the staff of the Heidelberg Institute was far less bourgeois. George’s symbolist l’art pour l’art poetry, with its emphasis on ‘what lies behind things’, charismatic leadership, and elitism, which combined anti-Western and nationalistic elements, must have not only remained foreign to Mosler, but was also the expression of a mindset that he had rejected early on, during his years of active involvement in the Catholic youth movement, and which he, as a sober Federal Republican Catholic, wanted to keep out of his Institute at all costs.

When Karl Josef Partsch started his years-long campaign of offering the bust of Berthold von Stauffenberg to Hermann Mosler in 1966, Mosler considered this an inconvenience for many reasons. Placing it in a central location within the Institute would have sparked debates in which the director had no interest. Firstly, it would have raised the question of the Institute’s position on the Third Reich.[62] Although Mosler endorsed Stauffenberg’s resistance, he did not want to elevate him to the ‘spirit of the house’ against his better judgement. Moreover, the overall societal attitude toward the ‘conspirators’ of 20 July 1944 in the 1960s was by no means entirely positive, as the Stauffenbergs were still considered to be ‘traitors to the fatherland’ and ‘oath breakers’ by many at the time.[63] The installation of the bust would thus have amounted to a political statement that could have caused irritation among some guests and employees.

Beyond the valuation of the German resistance, it was and still is controversial whether and to what extent Stefan George’s poetry provided intellectual support for National Socialism. On the occasion of George’s 100th birthday in 1968, a controversial discourse emerged within the German feuilleton about his relationship with the ‘Third Reich.’[64] While Karl Josef Partsch and Helmut Strebel were keen to retroactively rehabilitate George via the Stauffenbergs’ resistance, Mosler wanted to keep such debates out of his Institute. Mosler’s focus was on providing legal support for the integration of the Federal Republic into the European Union and the West, as well as on integrating the Institute into the international academic community. The Stauffenberg bust could have hardly been useful in this context. If one then assumes that Mosler, as a long-time colleague of Stauffenberg’s, was also aware of George’s sexual orientation and could guess at the problematic context surrounding the bust’s creation, it seems obvious why he did not want it at the Institute.

Over the years, however, knowledge of the context in which the bust was created was lost at the Institute. One could say that the more its history was forgotten, the more the bust moved from the periphery to the centre of the Institute. With the drastic change in the societal evaluation of 20 July 1944, the Stauffenberg bust was reinterpreted as well. The Institute has now proudly endorsed and still endorses its former member, whose work was largely reduced to the attempted Hitler assassination. The broader intellectual and historical context of the bust’s creation, which had caused Hermann Mosler to reject it, receded into the background. Today, only few guests and researchers at the Institute know who Berthold von Stauffenberg was. And yet, the bust speaks for itself, breathing and embodying the ‘heroic’ through the classicised aesthetics of the ‘Georgian man’. But today, who knows what that meant?

***

The author would like to thank Sarah Gebel, Alexandra Kemmerer, Johannes Mikuteit, Moritz Vinken, and Joachim Schwietzke for their helpful annotations to the text.

[1] Bust owned by Karl Josef Partsch; Photo: MPIL.

[2] Letter from Karl Josef Partsch to Hermann Mosler, dated 18.1. 1966, File ‘Stefan George Stiftung’, MPIL. This and all following direct quotes are translated by the editor, except where indicated otherwise.

[3] Letter by Hermann Mosler to Karl Josef Partsch, dated 4. 2. 1966, File ‘Stefan George Stiftung’, MPIL.

[4] Should he be referring to the looming generational conflict of ’68, this is not really convincing either, as it largely failed to materialise at the institute, see: Ingrid Gilcher-Holtey, A Bastion in Troubled Waters? The MPIL in the Mobilisation Process of the 1968 Movement, MPIL100.de.

[5] Letter from Hermann Mosler to Karl Josef Partsch, dated 4. 9. 1967, File ‘Stefan George Stiftung’, MPIL.

[6] Letter from Helmut Strebel to Hermann Mosler, dated 11. 4. 1972, File ‘Stefan George Stiftung’, MPIL.

[7] Only a few of the contemporary witnesses I interviewed could remember the Stauffenberg bust at the institute. I would like to thank Michael Bothe, Stefan Oeter, and Georg Nolte for their helpful clarifications on this matter.

[8] Photo: Stefan-George-Archiv.

[9] Quoted from: Wolfgang Graf Vitzthum, Der stille Stauffenberg. Der Verschwörer, Georgeaner und Völkerrechtler Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, Berlin: Duncker & Humblot 2024, 27. Stauffenberg’s quotations are in all lower case, in keeping with Stefan George’s minimalist aesthetic.

[10] Daniela Gretz, Mehnert, Frank, in: Achim Aurnhammer et al. (eds.), Stefan George und sein Kreis: Ein Handbuch, Berlin: De Gruyter 2016, 1546–1549.

[11] Wolfgang Graf Vitzthum, Partsch, Karl Josef, in: Achim Aurnhammer et al. (fn. 10), 1569–1572.

[12] Florian Hofmann, Helmut Strebel (1911–1992). Georgeaner und Völkerrechtler, Baden-Baden: Nomos 2010, 255.

[13] Friedrich Gundolf/Friedrich Wolters, Einleitung der Herausgeber, in: Friedrich Gundolf/Friedrich Wolters (eds.), Jahrbuch für die geistige Bewegung 3 (1912), III–VIII, VIII; Hans-Christof Kraus, Das Geheime Deutschland. Zur Geschichte und Bedeutung einer Idee, Historische Zeitschrift 291(2010), 385–417, 389; 393; Thomas Karlauf, Stefan George. Die Entdeckung des Charisma, Munich: Karl Blessing Verlag 2007, 555–556.

[14] Kraus (fn. 13), 392–393; Vitzthum, Der stille Staufenberg (fn. 9), 33.

[15] Rainer Kolk, Literarische Gruppenbildung. Am Beispiel des George Kreises 1890–1945, Berlin: Max Niemeyer Verlag 1998, 242; Vitzthum, Der stille Staufenberg (fn. 9), 32.

[16] For example, the 14-year-old Karl Josef Partsch: Ulrich Raulff, Kreis ohne Meister. Stefan Georges Nachleben, Munich: C. H. Beck 2012, 84.

[17] Vitzthum, Der stille Staufenberg (fn. 9), 32; Karlauf, Charisma (fn. 13), 378–382.

[18] The issue of George’s paedophilia has been the subject of controversial debate for several years (Julia Encke, Das Ende des Geheimen Deutschlands, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13 May 2018, 45–46; Julia Encke, Päderastie aus dem Geist Georges? Ein Gespräch mit Thomas Karlauf über den Männerbund im Stefan-George-Kreis, die Verbindungen zur Reformpädagogik und über die Odenwaldschule, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 5 April 2010, 23–24). Established George research, which in many ways sees itself as continuing George’s tradition, denies that George ever committed any assaults. Carola Groppe, for example, writes: ‘Even if the selection of boys was motivated by homoeroticism and paedophilia, so far no evidence of sexual practices has been found in the correspondence of the George Circle; nor can George’s poetry be used as evidence. It must remain open whether the affection for beautiful male children and adolescents within the circle led to sexualised violence against them or not.’: Carola Groppe, Freundschaften mit Auftrag und Gefährdung: Im George-Kreis, in: Kai Kauffmann/Cornalia Ortlieb (eds.), George-Jahrbuch 13 (2020/21), Berlin: De Gruyter 2020, 1–26, 16. Thomas Karlauf points out, however, that almost all sources on the George Circle came from people ‘who were part of the system or, in the event of their separation, were under considerable pressure to justify themselves’, which is why an open discussion of abuse can hardly be expected: Karlauf, Charisma (fn. 13), 370. For Karlauf, there is no doubt that in his poetry collection ‘Der Stern des Bundes’, George made an ‘outrageous attempt’ to ‘declare pederasty, with pedagogical zeal, the highest form of spiritual existence’: Karlauf, Charisma (fn. 13), 394. Although George’s poetry can by no means be seen as evidence of any actions, if one must distinguish between art form and deed, the author of this article at least lacks the imagination to see no abuse in the recruitment processes of the many underage circle members or in George’s decidedly asymmetrical relationships with often significantly younger or emotionally dependent ‘friends’.

[19] With (from left, clockwise): Albrecht von Blumenthal, Ernst Morwitz, Silvio Markees, Max Kommerell, Johann Anton, Alexander von Stauffenberg; Photo: Stefan-George-Archiv.

[20] Vitzthum, Der stille Staufenberg (fn. 9), 24.

[21] Quoted from: Vitzthum, Der stille Staufenberg (fn. 9), 28.

[22] It cannot be ruled out that this may have been due to a clarifying conversation between the concerned mother of the three brothers and the poet: Peter Hoffmann, Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Brüder, Stuttgart: Deutsche Verlags Anstalt 1992, 53.

[23] Bertram Schefold/Wolfgang Graf Vitzthum, Staatswissenschaften (Nationalökonomie, Staats- und Völkerrecht), in: Achim Aurnhammer et al. (fn. 10), 1147–1158, 1154; Wolfgang Graf Vitzthum, Rechts- und Staatswissenschaften aus dem Geiste Stefan Georges? Über Johann Anton, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg und Karl Josef Partsch, in: Bernhard Böschenstein et al.(eds.), Wissenschaftler im George-Kreis. Die Welt des Dichters und der Beruf der Wissenschaft, Berlin: De Gruyter 2005, 83–113, 110–111.

[24] Hoffmann (Fn. 22), 75; 73.

[25] Hoffmann (Fn. 22), 78; Thomas Karlauf, Stauffenberg. Porträt eines Attentäters, Munich: Pantheon 2019, 124.

[26] Wolfgang Graf Vitzthum, Stauffenberg, Berthold Alfred Maria Schenk Graf von, in: Achim Aurnhammer et al. (fn. 10), 1666–1671, 1669. The order of succession included first Robert Boehringer, then Berthold von Stauffenberg, and finally Frank Mehnert. After Mehnert’s death in 1943, Berthold von Stauffenberg made his brother Claus his reversionary heir.

[27] Karlauf, Charisma (fn. 13), 635.

[28] Karlauf, Charisma (fn. 13), 611.

[29] Raulff, Kreis (fn. 16), 87.

[30] Raulff, Kreis (fn. 16), 87.

[31] Karlauf, Charisma (fn. 13), 615.

[32] Karlauf, Charisma (fn. 13), 614–615; 626–627.

[33] Vitzthum, Der stille Staufenberg (fn. 9), 118.

[34] Photo: Stefan-George-Archiv.

[35] Letter from Claus von Stauffenberg to Frank Mehnert, dated 26.11.1939, quoted from: Raulff, Kreis (fn. 16), 110.

[36] This dependency remained throughout his life. When Berthold von Stauffenberg wanted to marry his great love Mika Classen in 1932, Mehnert, who had an ‘almost pathological aversion to women’, travelled to The Hague on George’s behalf to inform him of his ‘master’s’ interdiction and to bring him to Switzerland for a personal meeting. Mehnert saw Stauffenberg’s marriage in 1936 as a betrayal of George and broke off contact almost completely for three years: Vitzthum, Berthold von Stauffenberg (fn. 26), 1548; Karlauf, Stauffenberg (fn. 25), 124; Hoffmann (fn. 22), 157.

[37] Michael Stettler, Vorwort, in: Michael Stettler (ed.), Erinnerung an Frank, Düsseldorf: Verlag Helmut Küpper 1968, 7. The volume also provides a good impression of Mehnert’s significance in the culture of remembrance of the (Post) George Circle and of Mehnert’s own perception of George and his circle.

[38] Karlauf, Charisma (fn. 13), 617.

[39] Raulff, Kreis (fn. 16), 83.

[40] Vitzthum, Der stille Staufenberg (fn. 9), 1548.

[41] Raulff, Kreis (fn. 16), 202.

[42] Raulff, Kreis (fn. 16), 202.

[43]  Gretz (fn. 10), 1547.

[44] Hoffmann (fn. 22), 130–131.

[45] Karlauf, Charisma (fn. 13), 618; Karlauf, Stauffenberg (fn. 25), 238.

[46] Photo: Stefan-George-Archiv.

[47] Ulrich Raulff, Steinerne Gäste. Im Lapidarium des George-Kreises, in: Ulrich Raulff/Lutz Näfelt (eds.), Das geheime Deutschland. Eine Ausgrabung. Köpfe aus dem George-Kreis, Marbach: Deutsche Schillergesellschaft 2008, 4–33, 6; 7.

[48] Raulff, Steinerne Gäste (fn. 47), 9.

[49] Raulff, Kreis (fn. 16), 203–204.

[50] Raulff, Steinerne Gäste (fn. 47), 16.

[51] Friedrich Wolters, quoted from: Raulff, Steinerne Gäste (fn. 47), 17.

[52] Raulff, Steinerne Gäste (fn. 47), 28; 29.

[53] Raulff, Steinerne Gäste (fn. 47), 29.

[54] Photo (left): Maurice Weiss; Photo (right): Stefan-George-Archiv. The pedestal made of shell limestone, created by Heidelberg sculptor Edzard Hobbing, bears the distinct hallmarks of George’s aesthetic. The inscription is clearly inspired by Stefan George’s ‘style writing’ (Stilschrift).

[55] Information regarding the creation of the bust of Berthold von Stauffenberg varies, especially since there were a number of casts made from the mid-1930s onwards. Karl Josef Partsch speculates that the bust was created either in 1927 or 1931: Letter from Karl Josef Partsch (fn. 2)

[56] These include the heroic idealisation of the subject and the reference to the ancient Greek body image, as is the case with Arno Breker, for example: Karoline Schröder, Ein Bild von Skulptur. Der Einfluss der Fotografie auf die Wahrnehmung von Bildhauerei, Bielefeld: Transkript 2018, 116.

[57] Carlo Schmid, Erinnerungen, Stuttgart: S. Hirzel Verlag 2008, 34.

[58] Joachim von Elbe, Unter Preußenadler und Sternenbanner. Ein Leben für Deutschland und Amerika, Munich: C. Bertelsmann 1983, 123. A certain irritation regarding Stauffenberg’s relationship to George was also prevalent among other members of the Institute: Alexander N. Makarov, Vorkämpfer der Völkerverständigung und Völkerrechtsgelehrte als Opfer des Nationalsozialismus. Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944), Die Friedenswarte. Blätter für internationale Verständigung und zwischenstaatliche Organisation 6 (1947), 360–365, 364.

[59] Schmid (fn. 57), 34.

[60] Schmid (fn. 57), 35.

[61] There was however some level of general affinity for the themes and aesthetics of the George Circle at the Institute, as evidenced by the fact that two of its most important and popular works can be found in the Institute’s library, namely Kurt Hildebrandt’s book on Plato and Ernst Kantorowicz’s biography of Emperor Friedrich II, with the latter even coming from Viktor Bruns’ private collection: Kurt Hildebrandt, Platon. Der Kampf des Geistes um die Macht, Berlin: Georg Bondi 1933; Ernst Kantorowicz, Kaiser Friedrich der Zweite, Berlin: Georg Bondi 1927.

[62] Philipp Glahé, History as a Problem? On the Historical Self-Perception of the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law, HJIL 83 (2023), 565–578.

[63] Ruth Hoffmann, Das deutsche Alibi. Mythos „Stauffenberg-Attentat“ – wie der 20. Juli 1944 verklärt und politisch instrumentalisiert wird, Munich: Goldmann 2024, 42.

[64] Raulff, Kreis (fn. 16), 420–426.

Völkerrecht im Widerstand? Berthold von Stauffenberg in der Erinnerungskultur des Instituts

International Law in Resistance? Berthold von Stauffenberg in the Institute's Culture of Remembrance

Deutsch

Im Sommersemester 1966 veranstaltete die Universität Heidelberg eine Studium-Genereale-Reihe zum Thema „Wissenschaft und Nationalsozialismus“. Zwei der insgesamt fünf Vorträge wurden von Hermann Mosler übernommen. Seine quasi am Vorabend der Studentenbewegung gehaltenen Vorlesungen über „Staatsrechtslehre und Nationalsozialismus“ zählen zu den wenigen öffentlichen Auseinandersetzungen des Völkerrechtlers mit dem „Dritten Reich“. Sie sind für Moslers Verhältnisse sehr direkt und nahezu persönlich formuliert. Mosler ist deutlich darum bemüht, den Studierenden ein umfassendes Bild von der nationalsozialistischen Staatslehre und ihren Ursprüngen sowie von den Arbeits- und Lebensbedingungen unter der Diktatur zu vermitteln: „Ich gehöre zu einem Jahrgang [1912], der im Jahre 1933 noch nicht handeln konnte, wohl aber urteilsfähig war.“[1] Mosler führt aus, er habe sich als Student, Doktorand und junger Wissenschaftler „zu jeder Phase eine Meinung gebildet. Manches sehe ich heute anders, teils deutlicher, teils weniger deutlich als ich das zu wissen glaubte.“

Detailliert schildert Mosler die Situation Deutschlands und der Staatsrechtswissenschaft in der Endphase der Weimarer Republik, führt die Reaktion seines Faches auf die „Machtergreifung“ aus, schildert den Ausbau des „totalen Staates“ und die Aushöhlung des Rechtsstaates. Mosler scheut sich nicht, eine klare Haltung zu bedeutenden ideologischen Akteuren der NS-Rechtswissenschaft wie Carl Schmitt, Reinhard Höhn oder auch seinem Fakultätskollegen Ernst Forsthoff zu beziehen und ihren Beitrag zur Legitimierung des NS-Regimes zu erörtern.

Mosler verweist aber auch darauf, dass sich nicht jeder Jurist blind auf den NS-Staat eingelassen habe, dass es auch mutige Wissenschaftler gegeben habe, die offen Widerspruch geübt hatten. Als Gewährsmann aus seinem Fach führt er seinen Bonner Mit-Doktoranden Rudolf Timmermans an, der in seiner 1936 erschienenen Dissertation deutliche Kritik am Führerstaat geäußert hatte und dessen Arbeit daraufhin von der Gestapo beschlagnahmt worden war; der Autor selbst hatte ins Ausland fliehen müssen, wo er den Krieg nicht überlebte.[2] Ein anderer Name, der insbesondere mit Blick auf eines der Vorlesungsdaten, den 20. Juli 1966, erwartbar gewesen wäre, fällt indes nicht: Berthold von Stauffenberg. Anders als der völlig unbekannte Timmermans war Stauffenberg für Mosler kein Anknüpfungspunkt für eine Rehabilitierung der Völkerrechtswissenschaft – trotz dessen Beteiligung am Widerstand des 20. Juli 1944. Teile der neueren völkerrechtshistorischen Forschung sehen in Stauffenberg indes eine Lichtgestalt der eigenen Disziplin im „Dritten Reich“ – einen aktiven Verfechter des Rechtstaates, der Völkergemeinschaft, des Friedens und der Humanität, mithin einen Völkerrechtler im Widerstand.[3] Eine Haltung, die der dem NS-Regime kritisch gegenüberstehende und politisch weitgehend unbelastete Hermann Mosler nie einnahm. Wenngleich er sich andernorts zu Stauffenberg bekannte, so blieb seine Haltung zu seinem früheren Kollegen doch stets distanziert. Dieser Beitrag möchte der komplexen Stellung Bertholds von Stauffenberg innerhalb der Erinnerungskultur des heutigen Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (MPIL) auf den Grund gehen, indem er schlaglichtartig Leben und Wirken des Völkerrechtlers am Institut untersucht und der Frage nachgeht, welche Bedeutung er heute für das historische Selbstverständnis des MPIL hat.

Zwischen Vaterlandsverrat und Heldenkult. Anmerkungen zu Quellenlage und Literaturstand

Anders als sein weitaus populärerer Bruder Claus von Stauffenberg, der das gescheiterte Bomben-Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 ausgeführt hatte, ist Berthold von Stauffenberg nur wenigen innerhalb der historisch interessierten deutschen Völkerrechtswissenschaft ein Begriff.[4] Sich Berthold von Stauffenberg historisch zu nähern, ist kein leichtes Unterfangen. Hierbei stößt man schnell auf zwei grundlegende Probleme: einen eklatanten Mangel an Quellen und eine hierzu in keinem Verhältnis stehende Überproduktion von Literatur zum Thema „Widerstand gegen den Nationalsozialismus“.[5] Weder Stauffenbergs Wirken am Institut, noch seine Rolle im Widerstand lässt sich jenseits seiner wissenschaftlichen Publikationen auf stabiler Faktenbasis nachvollziehen, da viele Absprachen im Geheimen und mündlich stattfanden und belastende Dokumente nach dem Scheitern des Attentats vernichtet wurden.[6]

Bei dem Blick in die Literatur lässt sich festhalten, dass Bewertung und Stellung des Widerstands in der deutschen Erinnerungskultur starken Konjunkturen unterlagen, die von vehementer Ablehnung bis zum Heldenkult reichten. Bis weit in die 1950er Jahre hielten sich nationalsozialistische Deutungsmuster, galten die Verschwörer des 20. Juli 1944 manchen als „Eidbrecher“ und „Vaterlandsverräter“, die ihren Kameraden an der Front feige in den Rücken gefallen seien.[7] Erst ab den 1960ern wandelte sich das Bild. In dem Maße, in dem sich die früheren Träger des „Dritten Reiches“ als Funktionselite der Bundesrepublik etablierten und sich in die neue demokratische Ordnung integrierten, wurden die überwiegend aus Adel, Großbürgertum und Militär stammenden Verschwörer des 20. Juli 1944 als Vertreter des „anderen Deutschland“ idealisiert. Während in der Bundesrepublik der bereits seit 1933 aktive kommunistische und sozialdemokratische Widerstand marginalisiert wurde, erhob man nun jene zu Vorkämpfern und Kronzeugen einer freiheitlich demokratischen Wertordnung, die sich erst kurz vor dem Ende des Krieges gegen Hitler gestellt hatten.[8] In der wissenschaftlichen Literatur und öffentlichen Wahrnehmung wurden die Verschwörer, wie Thomas Karlauf schreibt, fortan im Sinne der gesellschaftlichen Vorbildfunktion zu „weitgehend immune[n] Lichtgestalten“ stilisiert:

„Statt zu fragen, wie sie es schafften, sich von der Begeisterung der Mehrheitsgesellschaft abzusetzen und sich zu einer eigenen Haltung durchzuringen, setzte man auf die Fiktion mehr oder weniger ‚autarker‘ Persönlichkeiten, die prinzipiell die Gegenposition zu Hitler verkörperten und niemals vom rechten Weg abkamen.“[9]

Wie auch Ruth Hoffmann in ihrer unlängst erschienenen Studie zum deutschen Widerstand hervorhebt, wurden und werden Ambivalenzen in der Wahrnehmung der Widerstandskämpfer zumeist ignoriert.[10] Dies gilt auch für den Großteil der Publikationen zu Berthold von Stauffenberg, dessen Beteiligung am Widerstand rückblickend als freiheitlich-demokratischer Akt in quasi vorauseilender Verwirklichung des Grundgesetzes gesehen wird, wobei seine zeitgeisttypischen antidemokratischen, antisemitischen und auch nationalsozialistischen Überzeugungen in den Hintergrund gerückt werden.

„Im Grunde vollkommen überflüssig“. Berthold von Stauffenberg am KWI

Berthold von Stauffenberg (rechts) mit Frau Schmitz, der Ehefrau des stellvertretenden Institutsdirektors Ernst Martin Schmitz, auf der Betriebsfeier des Instituts 1939[11]

Berthold von Stauffenberg kam 1929 kurz nach der Verteidigung seiner Tübinger Dissertation an das Institut, das ihm durch seine beiden Berliner Studiensemester bei Viktor Bruns bekannt war.[12] Stauffenbergs Eintritt in das Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) war jedoch nur als Übergang gedacht, da er weder eine wissenschaftliche noch eine juristische Karriere anstrebte.[13] Stattdessen hatte Stauffenberg sein Referendariat abgebrochen und sich 1928 erfolglos um die Aufnahme in den Auswärtigen Dienst beworben.[14] Nach der Absage aus dem AA blieb Stauffenberg zunächst bis 1931 am Institut, ehe ihn Bruns als redigierenden Sekretär in die von Åke Hammarskjöld geleitete Kanzlei des Ständigen Internationalen Gerichtshofs (StIGH) nach Den Haag vermittelte.[15] Wenngleich Stauffenberg hier hauptsächlich in der Verwaltung tätig war, wurde er häufig als Gutachter herangezogen. Schließlich erhielt er von Hammarskjöld den Auftrag zur Abfassung eines Kommentars zum Statut des StIGH, welcher 1934 über das KWI in französischer Sprache erschien und als Stauffenbergs wissenschaftliches Hauptwerk gilt.[16] Doch seine Tätigkeit in Den Haag vermochte den Juristen nicht zufrieden zu stellen. Sein Verhältnis zur internationalen Gerichtsbarkeit, die er für einen „Schwindel“ hielt, war durchaus nicht von zustimmender Überzeugung geprägt.[17] So schrieb er seinem „Meister“, dem Dichter Stefan George, dessen intellektuellem Kreis er seit frühester Jugend angehörte: „Die richter hier scheinen in einen zustand immer grösserer vertrottelung zu geraten und es wäre das beste man würden den ganzen haufen nach hause schicken“.[18] Nach dem Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund im Jahre 1933 kündigte Stauffenberg seine Stelle, da er „es nicht für richtig halte weiter einen gehalt [sic] vom Völkerbund zu beziehen“.[19] Ein Schritt, den Hammarskjöld für „unnötig“ hielt und mit „grosse[r] Enttäuschung“ aufnahm.[20] Stauffenberg kehrte an das Institut zurück und versuchte es 1934 ein zweites Mal erfolglos beim Auswärtigen Amt. Obgleich er die Rechtswissenschaft eigentlich für sich ausgeschlossen hatte, bewarb er sich 1934, ebenfalls vergeblich, um einen Völkerrechtslehrstuhl in München.[21] So blieb Stauffenberg notgedrungen am KWI, an dem er seine Arbeit für „im grunde [sic] vollkommen überflüssig“ hielt.[22] Seinen Dienst am Institut versah er zwischen 11 und 18 Uhr nach ausgedehnten morgendlichen Reiteinheiten im Tattersall Beermann am Zoologischen Garten eher nach Vorschrift.[23] Stauffenbergs mangelnde Erwärmung für den juristischen Beruf und seine gescheiterten Bewerbungen an das AA und die Universität München 1934 hat die (juristische) Forschung als frühes Zeichen widerständiger Haltung beziehungsweise fehlender NS-Konformität gesehen.[24] Jedoch scheint der eigentliche Grund hierfür in einer ausgeprägten Gehemmtheit Stauffenbergs im persönlichen Auftreten gelegen zu haben.[25] Sein Verhältnis zur Rechtswissenschaft blieb für den musisch und literarisch breit Interessierten distanziert, wie sein langjähriger Kollege Alexander N. Makarov festhält: „Berthold von Stauffenberg hat mir einmal gesagt, er hätte kein einziges juristisches Buch zu Hause. (…) [D]ie Rechtswissenschaft war im Grunde genommen nur sein Beruf, nicht seine Berufung.“[26]

Viktor Bruns wollte Stauffenberg dennoch am Institut halten und förderte ihn nach Kräften. 1934 wurde Stauffenberg zum stellvertretenden Abteilungsleiter für Völkerrecht befördert, 1935 wurde er als Nachfolger des wegen seiner jüdischen Wurzeln aus dem Institut vertriebenen Erich Kaufmann zum wissenschaftlichen Mitglied und Mitherausgeber der ZaöRV ernannt.[27] In demselben Jahr wurde Stauffenberg zum Leiter der kriegsrechtlichen Abteilung im KWI befördert sowie Mitglied im wehrmachtsnahen Ausschuss für Kriegsrecht der Akademie für Deutsches Recht von Hans Frank. Auch war er mit Carl Bilfinger, Carl Schmitt und Ernst Schmitz Mitglied des Ausschusses für Völkerrecht der Akademie.[28] Schwerpunkt von Stauffenbergs wissenschaftlicher Arbeit im Institut war die Herausgabe der ersten Bände der Fontes Iuris Gentium zusammen mit Ernst Martin Schmitz und Abraham Feller. Der Großteil seiner Publikationen setzte sich mit dem Haager Gerichtshof auseinander.[29] Viktor Bruns sah in Stauffenberg einen derart verlässlichen Mitarbeiter, dass er ihn in seinem Testament, nach seinem Cousin Carl Bilfinger, als zweite Option für seine Nachfolge vorschlug.[30]

„Die Grundideen des Nationalsozialismus zum größten Teil durchaus bejaht“. Haltung zum „Dritten Reich“

„Der Gedanke des Führertums, der selbstverantwortlichen und sachverständigen Führung, verbunden mit dem einer gesunden Rangordnung und dem der Volksgemeinschaft, der Grundsatz ‚Gemeinnutz geht vor Eigennutz‘ und der Kampf gegen die Korruption, die Betonung des Bäuerlichen und der Kampf gegen den Geist der Großstädte, der Rassegedanke und der Wille zu einer neuen, deutsch bestimmten Rechtsordnung erschien uns gesund und zukunftsträchtig“[31]

– Verhörprotokoll Berthold von Stauffenberg 16. Oktober 1944

Berthold von Stauffenberg hatte, wie auch das KWI als solches, zunächst kein Problem mit dem Nationalsozialismus. Die Entlassung und Flucht von als Juden verfolgten Institutskollegen löste keinen Protest bei ihm aus, den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund nahm er mit Erleichterung auf. Zur “Röhm-Affäre” 1934, zur NS-Gleichschaltungspolitik, zur Aufhebung von Bürgerrechten oder zur Reichspogromnacht 1938 sind keine Äußerungen Stauffenbergs überliefert – weder zustimmende noch ablehnende. Kontrovers diskutiert werden zwei in der ZaöRV erschienene Aufsätze, die zu den wenigen wissenschaftlichen Stellungnahmen Stauffenbergs zur NS-Politik zählen: „Die Entziehung der Staatsangehörigkeit und das Völkerrecht – Eine Entgegnung“ (1934)[32] und „Die Vorgeschichte des Locarno-Vertrages und das russisch-französische Bündnis[33] (1936). Beide Beiträge rechtfertigen juristisch zwei entscheidende Etappen der nationalsozialistischen (Völker-)Rechtsbruch-Politik.

Erklärt sich Stauffenbergs Rechtfertigungsschrift zum völkerrechtswidrigen Einmarsch deutscher Truppen in das demilitarisierte linksrheinische Gebiet 1936 mit klassischem deutschen Großmachtdenken, so lässt sich sein Aufsatz zur Staatsangehörigkeitsfrage als implizite Zustimmung zur nationalsozialistischen Judenverfolgung lesen.[34] Im Juli 1933 erließ die Reichsregierung das Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit. Das Gesetz sah vor, Einbürgerungen aus dem Zeitraum vom 9. November 1918 bis zum 30. Januar 1933 zu widerrufen, sofern diese als „unerwünscht“ anzusehen seien (§ 1). Die Unerwünschtheit bemaß sich laut der zugehörigen Durchführungsverordnung nach „völkisch-nationalen Grundsätzen“, explizit sollten neben Kriminellen auch „Ostjuden“ hierunter erfasst sein.[35]

Das Gesetz hatte den französischen Juristen Georges Scelle zu einer engagierten Stellungnahme veranlasst.[36] Stauffenbergs unmittelbare Entgegnung richtet sich dezidiert an ein internationales Publikum, gegenüber dem das deutsche Gesetz gerechtfertigt werden sollte. Anders als Scelle, der das Gesetz vor allem inhaltlich bewertet, argumentiert Stauffenberg positivistisch, insbesondere weist er den von Scelle erhobenen Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zurück. Denn: „Die Entziehung der Staatsangehörigkeit um der Reinheit der Nation willen läßt sich ohne weiteres begreifen.“[37] Stauffenberg argumentiert im Folgenden vorwiegend rechtsvergleichend und kommt zu dem Schluss, dass der Entzug der Staatsangehörigkeit eine souveräne nationalstaatliche Entscheidung sei, die nicht im Widerspruch zur Staatenpraxis und zum Völkerrecht stehe.

Berthold und Claus von Stauffenberg, um 1925[38]

Das mochte sachlich richtig argumentiert sein und für sich genommen wenig Rückschlüsse auf eine antisemitische Haltung des Verfassers geben – so wie auch Stauffenbergs Kommentar zum StIGH-Statut seine Ablehnung der internationalen Gerichtsbarkeit nicht zum Ausdruck brachte. Auch bedient sich Stauffenberg keinesfalls einer völkisch-rassistisch geprägten Sprache, die mit wenigen Ausnahmen auch nicht dem Habitus und Stil des Instituts entsprochen hätte.[39] Setzt man den Text jedoch mit anderen zeitgenössischen Dokumenten in Bezug, so fügt er sich in eine für weite Teile der damaligen deutschen Elite zeitgeisttypische antisemitische Grundhaltung ein, die auch von Bertholds Bruder Claus geteilt wurde.[40] Diese Einstellung bekundete Stauffenberg auch bei der Vernehmung nach seiner Verhaftung im Juli 1944:

„Auf innenpolitischem Gebiet hatten wir die Grundideen des Nationalsozialismus zum größten Teil durchaus bejaht.[41]

Hierzu gehörte auch die Rassepolitik:

„Der Rassegedanke ist in diesem Krieg aufs schwerste verraten worden, indem gerade das rassisch beste deutsche Blut unwiederbringlich hingeopfert wird, während gleichzeitig Deutschland durch Millionen fremder Arbeiter bevölkert ist, die sicher nicht als rassisch hochwertig zu bezeichnen sind.“[42]

Beide Brüder hatten die Rassengrundsätze „an sich bejaht“, wenngleich schließlich für „überspitzt und übersteigert“ gehalten.[43]

Zur Führung berufen. Der Weg in den Widerstand

Statt ‚berufener‘ Führer kamen im allgemeinen ‚kleine Leute‘ an die Spitze, die eine unkontrollierte Macht ausübten. Gegen den Gedanken der Volksgemeinschaft wurde verstoßen, indem gegen die oberen Schichten und die ‚Intellektuellen‘ gehetzt und überhaupt nach Möglichkeit das Ressentiment des Kleinbürgers geweckt wurde.“[44]

– Verhörprotokoll Berthold von Stauffenberg 16. Oktober 1944

Erste Zweifel Berthold von Stauffenbergs am nationalsozialistischen Deutschland sind vom Sommer 1942 überliefert.[45] Diese Zweifel bezogen sich auf die militärische Lage, da Stauffenberg kaum mehr daran glaubte, dass Deutschland den Krieg gewinnen könne.[46] Als Jurist war Stauffenberg ab Mitte der 1930er Jahre an der rechtlichen Vorbereitung eines zu erwartenden nächsten Krieges beteiligt gewesen, von dem er sich eine erneute deutsche Hegemonie in Europa erhoffte.[47] Bei seiner Tätigkeit im Ausschuss für Kriegsrecht erarbeitete er bis 1939 eine neue deutsche Prisenordnung, die Maßnahmen von Kriegsschiffen gegenüber neutralen und feindlichen Handels- und Passagierschiffen regulierte. Ferner war er an der Ausarbeitung einer neuen Luftkriegsordnung beteiligt.[48] Hierbei handelte und dachte er im Rahmen des geltenden Kriegsvölkerrechtes.

Seit Kriegsbeginn war das KWI innerhalb des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) dem für völkerrechtliche Fragen der Kriegsführung zuständigen „Amt Ausland-Abwehr“ unterstellt.[49] Auch Stauffenberg war zum Kriegsdienst verpflichtet, den er im Oberkommando der Marine (OKM) leistete. Zu seinen Aufgaben gehörte die Ausarbeitung von Gutachten zu Völkerrechtsfragen für das OKM. Hierbei kam Stauffenberg, wie auch die anderen KWI-Mitarbeiter, mit den Rechtsbrüchen der deutschen Kriegsführung in Kontakt. War für Stauffenberg der Krieg lange ein legitimes Mittel zur Durchsetzung deutscher Interessen und zur Überwindung des Versailler „Diktatfriedens“ gewesen, schien ihm mit der fortschreitenden Eskalation an der Ostfront ein Ausmaß erreicht, das für ihn nicht mehr tragbar war.[50] Wann dieser Punkt genau erreicht war, lässt sich mangels Quellen nicht eruieren.[51]

Eine geheime Opposition gegen das NS-Regime in zivilen und militärischen Kreisen hatte schon seit 1933 bestanden. Auch Berthold von Stauffenberg war immer wieder mit Vertretern des Widerstands in Kontakt gekommen, so mit Helmuth James Graf von Moltke, einem der führenden Köpfe des „Kreisauer Kreises“, der ebenfalls als Völkerrechtsexperte an das OKW abgeordnet war. Dennoch schloss er sich keiner Gruppe an. Erste konkrete Attentatspläne diskutierten Berthold und Claus im Sommer 1943.[52] Unter dem Druck der sich rapide verschlechternden militärischen Lage arbeiteten zivile und militärische Oppositionsgruppen um den „Kreisauer Kreis“, den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler und den früheren Generalstabschef Ludwig Beck zusammen und entwarfen einen als „Operation Walküre“ bekannt gewordenen Umsturzplan. Stauffenbergs Bruder Claus geriet in das Zentrum des militärischen Widerstands. Sein wichtigster Berater und Vertrauter war hierbei Berthold von Stauffenberg.[53]

Aufgrund der verschiedenen politischen Zielsetzungen der einzelnen Gruppen – einig waren sie sich nur darin, Hitler beseitigen und den Krieg beenden zu wollen – verzichteten sie auf die detaillierte Planung einer Nachkriegsordnung. Die beiden Stauffenberg-Brüder hatten jedoch für sich einen „Eid“ abgelegt, in dem sie Grundzüge ihrer eigenen, von adeligem Standesdenken und Georgeschen Idealen geprägten Zukunftsvisionen skizzierten: „Wir wollen eine Neue Ordnung, die alle Deutschen zu Trägern des Staates macht und ihnen Recht und Gerechtigkeit verbürgt, verachten aber die Gleichheitslüge und beugen uns vor den naturgegebenen Rängen.“[54] Diese elitäre Haltung kommt auch bei der Vernehmung Stauffenbergs zum Ausdruck, wie der Bericht des Sicherheitsdienstes (SD) nicht undespektierlich festhält:

„Nach der Auffassung der Verschwörer ist die zur Führung berufene Schicht des Adels und des intelligenten Bürgertums durch den Nationalsozialismus abgelöst worden durch Emporkömmlinge, kenntnislose Schreier ohne Bildung und Kinderstube, die nun von der ihnen zur Verfügung stehenden Macht in absolut eigennütziger und selbstsüchtiger Weise Gebrauch machen[55]

Den Abend vor dem Attentat hatten beide Brüder in Bertholds Wohnung verbracht und waren alle Pläne noch einmal durchgegangen. Bereits am 17. Juli hatte Stauffenberg indirekt Hermann Mosler ins Vertrauen gezogen, der mit Stauffenberg und Moltke zusammengearbeitet und einem kritischen Institutsgesprächskreis angehört hatte, in dem man sich über die deutsche Kriegsführung ausgetauscht hatte.[56] Nach dem gescheiterten Attentat wurde Berthold von Stauffenberg zusammen mit seinem Bruder im Bendlerblock verhaftet. Während Claus dort standrechtlich exekutiert wurde, wurde Berthold in Gewahrsam genommen und 21 Tage lang von der Gestapo verhört. Ob er dabei, wie viele andere, gefoltert wurde, ist nicht überliefert. Am 10. August 1944 wurde er vor dem Volksgerichtshof wegen Hoch- und Landesverrats angeklagt und in einem Schauprozess durch den Volksgerichtshofpräsidenten Roland Freisler zum Tode durch den Strang verurteilt. Das Urteil wurde noch am selben Tag vollstreckt, die durch die Hinrichtung angefallenen „Gebühren“ wurden den Hinterbliebenen in Rechnung gestellt.[57] Die Familien Claus‘ und Bertholds von Stauffenberg wurden in „Sippenhaft“ genommen, was hieß, dass ihre Kinder in Heime verbracht und die Ehefrauen in KZs inhaftiert wurden. Sie überlebten das Ende des „Dritten Reiches“.

Ein frühes, aber vorsichtiges Bekenntnis. Berthold von Stauffenberg im kollektiven Gedächtnis des Instituts

Für die Institutsangehörigen bedeutete die Verhaftung und Hinrichtung Stauffenbergs einen Schock. Durch den Tod des Direktors Viktor Bruns im September 1943 in gewisser Weise „führungslos“ geworden, hatte sich am KWI, wie Rüdiger Hachtmann schreibt, eine Atmosphäre von „Denunziantentum und Misstrauen“ ausgebildet. Schon im Januar 1944 war der Institutsmitarbeiter Wilhelm Wengler von seinem Kollegen Herbert Kier wegen einer defätistischen Äußerung denunziert und von der Gestapo verhaftet worden.[58] Kurz vor dem Attentat waren Teile des Instituts aus Berlin in das Umland evakuiert worden. Nach der Verhaftung Stauffenbergs befürchtete man Razzien und Festnahmen im KWI, die jedoch ausblieben.[59] Die Bestürzung über das Schicksal des Kollegen wurde schnell eingeholt von den für das Institut nicht minder dramatischen Ereignissen des Kriegsendes, wie die Zerstörung der Institutsräume im Berliner Schloss, die Vernichtung großer Teile der Bibliothek und die Flucht von Mitarbeitern vor der Roten Armee.

Dennoch wurde Berthold von Stauffenberg keinesfalls vergessen. Bereits 1947 veröffentlichte Alexander N. Makarov in der „Friedenswarte“ einen Nachruf auf seinen früheren Kollegen, der in der Reihe „Vorkämpfer der Völkerverständigung und Völkerrechtsgelehrte als Opfer des Nationalsozialismus“ erschien.[60] Die Anfrage zur Abfassung des Erinnerungstextes zu Stauffenberg war eigentlich von Hans Wehberg direkt an Mosler gegangen, der diesen an Makarov delegiert hatte.[61] Auf Makarovs in der ersten Version sehr vorsichtigen Text entgegnete er, dass man „diese günstige Gelegenheit wahrnehmen sollte, die Ehrenrettung des Instituts in einer etwas prononcierteren Weise vorzunehmen, als Sie es bei der Schilderung […] der Beteiligung Bertholds am 20. Juli getan haben. Vielleicht können Sie die darauf bezogenen Sätze als Tatsachen bringen, nicht als Wissen vom Hörensagen. […] Dass Sie Strebels oder meinen Namen als Quellen nennen, scheint mir weder notwendig, noch richtig zu sein.“[62] Mosler, der redaktionell nicht unerheblich in Makarovs Text eingriff, nutzte Stauffenberg hier gezielt und geschickt zur Wiederherstellung des Institutsrufes.

Das erste öffentliche Bekenntnis seitens des Instituts als Ganzes findet sich 1951 in der ersten Nachkriegsausgabe der ZaöRV. In sechs Nekrologen wird dort jener Kollegen gedacht, die während des Krieges und der Nachkriegszeit verstorben waren, unter ihnen Berthold von Stauffenberg. Diese frühe Positionierung zu Stauffenberg ist angesichts der öffentlichen Haltung zum deutschen Widerstand und auch der geringschätzenden Meinung des politisch belasteten Institutsdirektors Carl Bilfinger über seinen ehemaligen Mitarbeiter nicht selbstverständlich.[63] Verfasst wurde der Nachruf vom ZaöRV-Schriftleiter Helmut Strebel, den ein enges persönliches Verhältnis mit Stauffenberg verbunden hatte. Strebels Würdigung ist politisch zurückhaltend, er nimmt Stauffenbergs Widerstandsakt nicht für das Institut im Allgemeinen in Anspruch und betont, dass „seine Beteiligung an den Umsturzplänen erst unmittelbar vor dem Attentat einzelnen andeutend bekannt wurde.“ Hierin unterscheidet er sich von Alexander N. Makarov, der eine größere Implikation des KWI in die Widerstandsplanung andeutet.[64] Gemeinsam ist beiden Nachrufen, dass sie vor allem Stauffenbergs Bedeutung als Wissenschaftler würdigen, wobei sie seinen StIGH-Kommentar hervorheben. Sie erwähnen auch den Locarno-Aufsatz, nicht aber denjenigen zur Staatsangehörigkeit.[65] Beide Nachrufe äußern sich nicht zur Motivation Claus von Stauffenbergs für das Attentat.

Ähnlich hielt es Hermann Mosler, der 1954 das Direktorium von Carl Bilfinger übernahm. Auch er bekannte sich früh zu Berthold von Stauffenberg, ging jedoch jeder näheren Qualifizierung der Motivationen des Widerstandskämpfers aus dem Weg. Gegenüber Karl Josef Partsch äußerte er 1966, dass er sowohl zum zehnten Jahrestag des Attentats 1954 vor Studenten in Frankfurt als auch zum 20. Jahrestag 1964 eine Rede gehalten habe, das zweite Mail jedoch als Direktor für die Belegschaft des Instituts, was ihm bedeutend schwerer gefallen sei.[66] Hier zeigt sich ein Grundmuster im Umgang Moslers mit der NS-Geschichte. Scheute er sich nicht, in der außerinstitutionellen (Fach-) Öffentlichkeit deutlich Stellung gegen den Nationalsozialismus zu beziehen[67], vermied er innerhalb des Instituts jede historische Auseinandersetzung.[68] Wenn Mosler sich zur Geschichte des Instituts äußerte, dann geschah dies so knapp als möglich ausschließlich zu offiziellen Jubiläumsveranstaltungen. Die erste öffentliche Stellungnahme Moslers zu Stauffenberg und zur NS-Zeit am Institut erfolgte 1961 anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft:

„Die nationalsozialistische Epoche schränkte die Wirkungsmöglichkeiten allmählich und in zunehmendem Maße ein, ohne aber die wissenschaftliche Objektivität der Arbeiten zu zerstören. Alle Mitarbeiter, die das Regime ablehnten, verdankten dem Geschick von Bruns und der unbeirrbaren Sachlichkeit von Schmitz, im Institut eine Zuflucht und die Freiheit der wissenschaftlichen Entwicklung gefunden zu haben. Nach Bruns‘ Tod wuchs die Bedrängnis. In den ersten Kriegsjahren unterstützte das Institut durch Beratungen und Gutachten die Bemühungen des wissenschaftlichen Mitglieds Berthold Schenk Graf v. Stauffenberg, der im Oberkommando der Kriegsmarine völkerrechtliche Fragen bearbeitete, und von Graf Helmuth v. Moltke, der die entsprechende Tätigkeit im Oberkommando der Wehrmacht ausübte, um eine völkerrechtsgemäße Kriegsführung. Beide wurden Opfer der Terrormaßnahmen, die auf den 20. Juli 1944 folgten. Die mit Graf Stauffenberg getroffene Abrede, das Institut nach dem Umsturz der neuen Reichsregierung zur Verfügung zu stellen, blieb den Machthabern unbekannt.“[69]

Stauffenbergs Widerstand wird von Mosler gänzlich unpathetisch dargestellt, ohne dass Mosler sich diesen zu eigen macht. Auch Mosler spart die politisch-ideologischen Hintergründe für Stauffenbergs Attentat aus. Stattdessen findet an anderer Stelle in seiner Jubiläumsschrift eine Aneignung Stauffenbergs durch Mosler statt, indem Mosler explizit auf die Bedeutung seines StIGH-Kommentars von 1934 verweist und die Arbeit des Heidelberger MPIL in die Tradition der Internationalisierung des Rechts stellte.[70] Hierbei unterschlug er, dass Stauffenberg gegenüber dem Gericht sehr skeptisch war und die Abfassung des Kommentars als lästige Pflicht empfand.

Schreiben Mosler zum 20. Jahrestag des Hitler-Attentats[71]

Moslers nüchtern-distanziertes Bekenntnis zu Stauffenbergs Widerstand, das er 14 Jahre später anlässlich des 50-jährigen Institutsjubiläums, anlässlich dessen eine Büste Stauffenbergs am Institut aufgestellt wurde, wortgleich wiederholen sollte, hatte verschiedene Gründe.[72] Der Direktor war sich bewusst, dass das „Dritte Reich“ von den Institutsangehörigen durchaus unterschiedlich erlebt worden und nicht jeder Mitarbeiter mit dem Attentat einverstanden gewesen war. Grundsätzliche und potentiell spaltende Debatten zur Rolle des Instituts und seiner Angehörigen im „Dritten Reich“ wollte Mosler in jedem Fall vermeiden. Wenngleich Mosler mit Stauffenbergs Tat durchaus übereinstimmte, mussten ihm viele politische, aber auch lebensanschauliche Einstellungen Stauffenbergs fremd geblieben sein. Mosler kannte Stauffenberg seit seinem eigenen Eintritt in das Institut 1937 und wusste um dessen Mitgliedschaft im Kreis um den Dichter Stefan George, in welchem eine elitäre, vielfach anti-demokratische und antiwestliche Geisteshaltung dominierte. Daran konnte und wollte Hermann Mosler nicht anknüpfen.

„Völkerrecht im Widerstand“? Fazit

Am Institut blieb die Haltung zu Berthold von Stauffenberg komplex. Hermann Mosler befasste sich nach seiner Ansprache zum 50-jährigen Bestehen des Instituts 1975 nie mehr öffentlich mit der Geschichte des Instituts, auch sein Nachfolger Rudolf Bernhardt sparte in seiner Institutschronik von 2018 die Zeit vor 1949 und somit auch Stauffenberg als Institutsakteur aus. Andere Institutsangehörige wie Helmut Strebel setzten sich intensiv mit dem Leben und Werk Stauffenbergs auseinander und versuchten erfolglos auch das Direktorium hierfür zu erwärmen.[73] Eine Verbindung des Instituts mit Stauffenbergs Widerstand beziehungsweise eine Mobilisierung Stauffenbergs für die Rehabilitierung des eigenen Faches vermied insbesondere Hermann Mosler. Dies taten einzelne Exponenten der deutschen Völkerrechtswissenschaft erst eine Generation später, als sie Stauffenbergs Motivation zum Hitler-Attentat als „Völkerrecht im Widerstand“ zu deuten begannen.[74] Das zeigte sich auch innerhalb des Instituts, als Referent Theodor Schweisfurth 1987 im Zuge der Debatte um den Neubau beziehungsweise Umzug des Instituts nach Berlin den Vorschlag machte, das MPIL in „Berthold-von-Stauffenberg-Institut der Max-Planck-Gesellschaft“ umzubenennen.[75] Soweit kam es zwar nie, dennoch bekam die von Frank Mehnert geschaffene Stauffenberg-Büste unter dem Direktorium von Jochen Frowein und Rüdiger Wolfrum einen zentraleren Platz im 1996 neu gebauten Institut. Auch heute steht die Büste des jugendlichen Stauffenberg zentral am Eingang.

Die Stauffenberg-Büste von Frank Mehnert am Haupteingang des MPIL[76]

Doch fragt sich, was sie uns heute sagt und sagen soll – und wofür Stauffenberg heute steht. Im aktuellen Selbstverständnis der Forschenden am Institut stellt Berthold von Stauffenberg kaum mehr eine historische Referenzfigur dar, an der man die eigene Arbeit oder Haltung – in welcher Form auch immer – messen würde. Dafür liegen die Ereignisse des 20. Juli zu weit zurück und strahlen zu wenig aus. Auch gesamtgesellschaftlich ist die Deutung des Widerstands im Umbruch. Die starke Überzeichnung und symbolische Aufladung einzelner Akteure der Widerstandsbewegung, insbesondere des 20. Juli 1944, wirkt mittlerweile unglaubwürdig. In liberalen, aufgeklärten Kreisen sind Helden als Vorbildfiguren zur Überwindung der NS-Geschichte nicht mehr nötig, wir können uns mittlerweile den zeitgebundenen Ambivalenzen der Akteure jener Zeit stellen und halten diese aus. Und vielleicht ist es das, was uns im Institut Berthold von Stauffenberg heute vermittelt: die Erkenntnis historischer Zeitgebundenheit und lebensanschaulicher Komplexität. Doch ist beides gleichzeitig auch Aufgabe an uns. Stauffenberg ist uns Mahnung für die Verantwortung des Wissenschaftlers, er konfrontiert uns mit dem Erbe unserer belasteten Geschichte und lässt uns die Errungenschaft der freiheitlichen, liberalen Demokratie und des Rechtsstaats deutlich werden. Geschichte ist komplex und der Umgang mit ihr nicht einfach. Und wenn er einfach scheint, dann ist er falsch. Überlassen wir Stauffenberg also nicht jenen, die in diesen Zeiten allzu einfache Antworten bieten, sondern nehmen wir ihn als Einladung zur Auseinandersetzung mit uns selbst.

***

Der Verfasser dankt Sarah Gebel, Alexandra Kemmerer, Johannes Mikuteit, Moritz Vinken und Joachim Schwietzke für ihre hilfreichen Anmerkungen zum Text.

[1] Hermann Mosler, Staatsrechtslehre und Nationalsozialismus. Vorträge innerhalb der Studium-Generale-Reihe „Wissenschaft und Nationalsozialismus“ im Sommersemester 1966, unveröffentlichtes Typoskript, 3. Der Verfasser dankt Prof. Dr. Karl Mosler für die Überlassung des Textes.

[2] Mosler, Staatsrechtslehre (Fn. 1), 8; Rudolf Timmermans, Demokratie und Führerstaat: Studien über Begriffe und Formen des Volksstaates, Berlin: Fährmann-Verlag 1936.

[3] Alexander Meyer, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905–1944). Völkerrecht im Widerstand, Berlin: Duncker & Humblot 2001, 261–262; Wolfgang Graf Vitzthum, Der stille Stauffenberg. Der Verschwörer, Georgeaner und Völkerrechtler Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, Berlin: Duncker & Humblot 2024, 152–153.

[4] Vitzthum, Der stille Stauffenberg (Fn. 3); Meyer (Fn. 3); ebenfalls zu nennen: Peter Hoffmann, Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Brüder, Stuttgart: Deutsche Verlags Anstalt 1992. Allen Werken gemein ist die sehr affirmative Herangehensweise an den Biographierten. Zu Berthold von Stauffenberg ist überdies noch eine Reihe von Aufsätzen von Wolfgang Graf Vitzthum erschienen, die den Juristen im Kontext der georgeschen Geisteswelt diskutieren.

[5] Verwiesen sei hier beispielhaft auf die Bibliographie der Bundeszentrale für politische Bildung.

[6] Zu Stauffenbergs Wirken am Institut gibt es keine überlieferten zeitgenössischen Quellen. Stauffenbergs Personalakte im Archiv der MPG ist dünn und vollzieht v.a. seine innerinstitutionellen Karriereschritte nach. Durch die Zerstörung der Institutsräumlichkeiten im Berliner Schloss im Januar 1945 ist überdies ein Großteil der Institutsakten vernichtet worden, augenscheinlich haben auch Institutsmitarbeiter Unterlagen nach Stauffenbergs Verhaftung vernichtet.

[7] Ruth Hoffmann, Das deutsche Alibi. Mythos „Stauffenberg-Attentat“ – wie der 20. Juli 1944 verklärt und politisch instrumentalisiert wird, München: Goldmann 2024, 42.

[8] Hoffmann, Das deutsche Alibi (Fn. 7), 10.

[9] Thomas Karlauf, Stauffenberg. Porträt eines Attentäters, München: Pantheon 2019, 27.

[10] Hoffmann, Das deutsche Alibi (Fn. 7), 390.

[11] Foto: AMPG.

[12] Meyer (Fn. 3), 31.

[13] Meyer (Fn. 3), 47.

[14] Hoffmann, Stauffenberg (Fn. 4), 72.

[15] Vitzthum, Der stille Stauffenberg (Fn. 3), 51.

[16] Meyer (Fn. 3), 55.

[17] So schrieb Stauffenberg am 17.10.1932 an George: „Inzwischen bin ich wieder an die arbeit gegangen. nicht mit besonderer freude. Sie scheint nicht sonderlich sinnvoll – man lernt den schwindel rasch kennen. und dann bietet er einem nichts neues mehr“, zitiert nach: Vitzthum, Der stille Stauffenberg (Fn. 3), 51. Die Zitate Stauffenbergs sind allesamt in der für Stefan Georges minimalistischer Ästhetik folgenden Kleinschreibung gehalten.

[18] Brief von Berthold von Stauffenberg an Stefan George, datiert 27.10.1933, zitiert nach: Karlauf (Fn. 9), 124.

[19] Brief von Bertholf von Stauffenberg an Stefan George, datiert 27.10.1933, zitiert nach: Vitzthum, Der stille Stauffenberg (Fn. 3), 55.

[20] Hans Wehberg, Unveröffentlichte Lebensbeschreibung Berthold von Stauffenberg, Anlage eines Schreibens von Hans Wehbehrg an Hermann Mosler, datiert 15. August 1947, AMPG, III Rep 191 Nr. 20, Bd. 2.

[21] Meyer (Fn. 3), 59.

[22] Brief von Berthold von Stauffenberg an seine Frau Maria, zitiert nach: Hoffmann, Stauffenberg (Fn. 4), 151.

[23] Hoffmann, Stauffenberg (Fn. 4), 151.

[24] Meyer (Fn. 3), 58–59; Hoffmann, Stauffenberg (Fn. 4), 151. Zeitgenössische Quellen, die diese Sicht stützen würden, wurden bislang nicht aufgefunden.

[25] Zeitzeugen zufolge galt Stauffenberg als der „Schweiger“, da er im kollegialen Umgang als still und verschlossen galt und sich auch bei wissenschaftlichen Debatten im Institut kaum zu Wort meldete, vgl.: Joachim von Elbe, Unter Preußenadler und Sternenbanner. Ein Leben für Deutschland und Amerika, München: C. Bertelsmann 1983, 123; Helmut Strebel, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905–1944), ZaöRV 13 (1950), 14–16; ferner: Hoffmann, Stauffenberg (Fn. 4), 492; Vitzthum, Der stille Stauffenberg (Fn. 3), 65. Ein namentlich nicht genannter früherer Mitarbeiter in der Gerichtsschreiberei des StIGH beschrieb Stauffenberg als „reserved and shy“. Ferner: „(H)e kept very much to himself (…) and made no friends amongst the staff of the court“, zitiert nach: Wehberg, Lebensbeschreibung (Fn. 20).

[26] Alexander N. Makarov, Vorkämpfer der Völkerverständigung und Völkerrechtsgelehrte als Opfer des Nationalsozialismus. Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905–1944), Die Friedenswarte. Blätter für internationale Verständigung und zwischenstaatliche Organisation 6 (1947), 360–365, 364.

[27] Wolfgang Graf Vitzthum, Stauffenberg, Berthold Alfred Maria Schenk Graf von, in: Achim Aurnhammer et al. (Hrsg.), Stefan George und sein Kreis: Ein Handbuch, München: De Gruyter 2016, 1666–1671, 1667.

[28] Andreas Toppe, Militär und Kriegsvölkerrecht. Rechtsnorm, Fachdiskurs und Kriegspraxis in Deutschland 1899–1940, München: De Gruyter 2008, 207–208.

[29] Vgl. die Bibliographie bei Makarov (Fn. 26), 365; ferner: Vitzthum, Der stille Stauffenberg (Fn. 3), 69.

[30] Testament Viktor Bruns, AMPG, PA Viktor Bruns, II. Abt., Rep. 0001A, Pag. 40.

[31] Bericht des Sicherheitsdienstes vom 16.10.1944, in: Hans-Adolf Jacobsen (Hrsg.), „Spiegelbild einer Verschwörung“. Die Opposition gegen Hitler und der Staatsstreich vom 20. Juli 1944 in der SD-Berichterstattung. Geheime Dokumente aus dem ehemaligen Reichssicherheitshauptamt, Bd. 1, Stuttgart: Seewald 1984, 447. Hervorhebung im Original.

[32] Berthold von Stauffenberg, Die Entziehung der Staatsangehörigkeit und das Völkerrecht – Eine Entgegnung, ZaöRV 4 (1934), 261–276.

[33] Berthold von Stauffenberg, Die Vorgeschichte des Locarno-Vertrages und das russisch-französische Bündnis, ZaöRV 6 (1936), 215–234.

[34] Karlauff (Fn. 9), 66. Die Stauffenberg-Forschung kommt jedoch durchweg zu dem Ergebnis, dass Stauffenbergs Aufsatz von 1934 keinerlei Rückschlüsse auf seine persönliche Einstellung zulasse. Allgemein wird der Aufsatz als reine Auftragsarbeit aus der Institutsleitung bzw. vom Auswärtigen Amt gedeutet, die Stauffenberg mehr oder weniger gegen seinen Willen durchgeführt habe, so: Meyer (Fn. 3), 62–63; Hoffmann, Stauffenberg (Fn. 4), 152; Wolfgang Graf Vitzthum, Berthold von Stauffenberg und das Widerstandsrecht, in: Frank-Lothar Kroll, Rüder von Voss (Hrsg.), Für Freiheit, Recht, Zivilcourage. Der 20. Juli 1944, Berlin: Bebra Verlag 2020, 145–174, 157–158.

[35] § 2 des Gesetzes sah den Entzug der Staatsangehörigkeit auch für im Ausland befindliche deutsche Staatsangehörige vor, sofern diese „durch ein Verhalten, das gegen die Pflicht zur Treue gegen Reich und Volk verstößt, die deutschen Belange geschädigt haben“, worunter v.a. „feindselige Propaganda“ gefasst wurde. Unmittelbar betroffen hiervon waren u.a. Schriftsteller und Kritiker wie Lion Feuchtwanger, Alfred Kerr, Heinrich Mann oder Kurt Tucholsky, was dem literaturaffinen Stauffenberg kaum entgangen sein kann.

[36] Georges Scelle, À propos de la loi allemande du 14 juillet 1933 sur la déchéance de la nationalité, Revue critique de droit international XXIX (1934), 63–76.

[37] Stauffenberg, Entziehung (Fn. 32), 265.

[38] Foto: Ullstein Bild.

[39] Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (Hrsg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandaufnahme und Perspektiven der Forschung, Göttingen: Wallstein 2000, Bd. 2, 490–528, 503; Rüdiger Hachtmann, Das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 1924 bis 1945, MPIL100.de.

[40] Karlauff (Fn. 9), 66.

[41] Bericht des Sicherheitsdienstes (Fn. 31), 447. Hervorhebung im Original.

[42] Bericht des Sicherheitsdienstes (Fn. 31), 450.

[43] Bericht des Sicherheitsdienstes (Fn. 31), 450.

[44] Bericht des Sicherheitsdienstes (Fn. 31), 453.

[45] Brief von Berthold von Stauffenberg an Frank Mehnert, datiert 21. August 1942, zitiert nach: Karlauff (Fn. 9), 194–195.

[46] Auszug Vernehmung Berthold von Stauffenberg, 21.07.1944, Bericht des Sicherheitsdienstes (Fn. 31), 19.

[47] Hachtmann (Fn. 39).

[48] Toppe (Fn. 28), 207.

[49] Toppe (Fn. 28), 193. Vom Institut abgestellt wurden Hermann Mosler, Günter Jaenicke, Wilhelm Wengler und Ernst Martin Schmitz mit den Arbeitsschwerpunkten Land- und Seekrieg sowie Kriegsgefangenenrecht.

[50] Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption. Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Heidelberg: Springer 2017, 110.

[51] Vitzthum, Der stille Stauffenberg (Fn. 3), 110. Die von Institutsangehörigen überlieferten Gutachten waren im Einklang mit dem geltenden Kriegsvölkerrecht gehalten, womit sie nicht als Rechtfertigungen des Weltanschauungskrieges gelten können. Einen offenen Widerstand gegen das „Dritte Reich“ bedeuten sie indes nicht.

[52] Stauffenberg zu Kranzfelder, Herbst 1943, zitiert nach: Bericht des Sicherheitsdienstes (Fn. 31), 115.

[53] Meyer (Fn. 3), 90.

[54] Zitiert nach: Karlauff (Fn. 9), 298.

[55] Bericht des Sicherheitsdienstes (Fn. 31), 453. Zum vielfach ignorierten Quellenwert der Protokolle: Karlauff (Fn. 9), 25–26.

[56] Lange, Praxisorientierung (Fn. 50), 110. Dies beruht auf einer nicht durch Zeugnisse Dritter verifizierbaren Selbstauskunft Moslers.

[57] Vitzthum, Der stille Stauffenberg (Fn. 3), 150.

[58] Felix Lange, Kolonialrecht und Gestapo-Haft. Wilhelm Wengler 1933–1945, ZaöRV 76 (2016), 633–659, 649.

[59] Mit Ausnahme der Tagebuchaufzeichnungen der Bibliothekarin Annelore Schulz sind keine zeitgenössischen Quellen zur Institutssicht auf diese Ereignisse überliefert. Auch die Notizen von Annelore Schulz sind, vermutlich aus Angst vor Überwachung, zurückhaltend. „Die Attentatsgeschichte bewegt die Gemüter sehr. Wir fürchten alle, daß unser Graf Berthold Schenk v. Stauffenberg mit Familie nicht mehr lebt, für das Institut kann die Angelegenheit die schlimmsten Folgen haben.“, Eintrag 24. Juli 1944. Dass es nicht zu Razzien gekommen war, lag vermutlich daran, dass der Partei-Vertrauensmann Herbert Kier diese verhindert hatte: Lange, Kolonialrecht (Fn. 58), 638.

[60] Makarov (Fn. 26), 360–365.

[61] Brief von Hans Wehberg an Hermann Mosler, datiert 15. August 1947, AMPG, III Rep 191 Nr. 20, Bd. 2.

[62] Brief von Hermann Mosler an Alexander N. Makarov, datiert 13. Oktober 1947, AMGP, III Rep 191 Nr. 20, Bd. 2.

[63] Gegenüber Strebel hatte sich Bilfinger im Sommer 1945 sehr abfällig über Stauffenberg geäußert, was Strebel als „erstaunliche Geschmacklosigkeit“ empfand wie auch als Mangel an  „Fähigkeit zu einem gewissen Schamgefühl“: Brief von Helmut Strebel an Hermann Mosler, datiert 4. Januar 1946, zitiert nach: Florian Hofmann, Helmut Strebel (1911-1992). Georgeaner und Völkerrechtler, Baden-Baden: Nomos 2010, 121.

[64] Makarovs Beitrag liest sich gleichermaßen als ein Nachruf auf Stauffenberg wie auch auf das „Bruns‘sche Institut“ selbst. So betont er, dass es ab Sommer 1943 zu regelmäßigen, offenen und regimekritischen Aussprachen Moltkes und Stauffenbergs mit den Institutsmitarbeitern gekommen sei. Makarov führt ferner die Episode um Moslers indirekte Einweihung in die Attentatspläne an, womit er eine Unterstützung des Widerstands durch das KWI suggeriert: Makarov (Fn. 26).

[65] Makarov erwähnt ihn aber in der von Helmut Strebel zusammengestellten und angefügten Bibliographie.

[66] Brief von Hermann Mosler an Karl Josef Partsch, ohne Datum, jedoch vor dem 4.2.1966, Mappe „Stefan George Stiftung“, Hausbestand MPIL. Der Vortrag von 1954 scheint nicht überliefert zu sein. Zur Ansprache von 1964: siehe Anhang.

[67] Mosler, Staatsrechtslehre (Fn. 1).

[68] Philipp Glahé, History as a Problem? On the Historical Self-Perception of the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law, ZaöRV 83 (2023), 565–578.

[69] Hermann Mosler, Geschichte des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, in: Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V., Bd. II (1961), 687–703, 696.

[70] Mosler, Geschichte (Fn. 69), 701.

[71] Scan aus: AMPG, III Rep 191, Nr. 101.

[72] Hermann Mosler, Aufgaben und Arbeitsweise des Instituts, in: Max-Planck-Gesellschaft (Hrsg.), Berichte und Mitteilungen 2 (1975), 7–21.

[73] Briefwechsel zwischen Helmut Strebel und Rudolf Bernhardt, Mappe „Betr. Nachforschungen Dr. Strebel im Bundesarchiv/Akten betr. Prisenrecht usw.“, MPIL.

[74] Meyer (Fn. 3).

[75] Theodor Schweisfurth, Vermerk betr. Neubau des Institutes, 4. Oktober 1987, 1–19, 19, Ordner „Institutschronik III, MPIL.

[76] Foto: Maurice Weiss/ MPIL.

English

In the summer semester of 1966, Heidelberg University held a Studium Generale lecture series on “Academia and National Socialism”. Two of the five lectures were delivered by Hermann Mosler. These lectures, held just before the onset of the student movement, are among the few public deliberations on the “Third Reich” by the international law scholar. By Mosler’s standards, they are remarkably direct and almost personal in tone. Born in 1912, he clearly aims to present the young students with a comprehensive picture of the National Socialist political philosophy and its origins, as well as the working and living conditions under the dictatorship: “I belong to a generation that, in 1933, was not capable to act, but was capable of judgement.”[1] Mosler goes on to say that as a student, a doctoral candidate, and a young scholar, he “formed an opinion on every stage. I see some things differently today, some more clearly, some less clearly than I thought I knew.”

Mosler provides a detailed account of the situation in Germany and within constitutional law scholarship in the late Weimar Republic, describes his field’s reaction to the National Socialist seizure of power, and details the expansion of the “total state” and the erosion of the rule of law. He does not shy away from taking a clear stance on key ideological figures of National Socialist legal scholarship, such as Carl Schmitt, Reinhard Höhn, or his own faculty colleague Ernst Forsthoff, and discusses their roles in legitimising the Nazi regime.

However, Mosler also points out that not every jurist blindly submitted to the Nazi state, and that there were courageous scholars who openly voiced dissent. He cites his former doctoral colleague in Bonn, Rudolf Timmermans, as an example. Timmermans had published a dissertation in 1936 that strongly criticised the Führer state and was consequently confiscated by the Gestapo. The author therefore had to flee abroad and did not survive the war.[2] However, one name is missing in Mosler’s lectures, even though one might expect to hear it, especially given the lecture’s date on 20 July 1966 – Berthold von Stauffenberg. Unlike the much less widely known Timmermans and despite his involvement in the resistance of 20 July 1944, Stauffenberg did not serve as a point of reference for Mosler in rehabilitating the discipline of international law. Some recent scholarship, however, presents Berthold von Stauffenberg as a paragon within the field during the “Third Reich” – as an advocate for the rule of law, the international community, peace, and humanity. In other words, an international lawyer in resistance.[3] This was a position that the politically mostly unencumbered Mosler never took. Even though Mosler did reference Stauffenberg positively elsewhere, he always maintained a certain distance. This essay seeks to explore the complex role of Berthold von Stauffenberg within the culture of remembrance at today’s Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law (MPIL) by examining aspects of his life and work at the Institute and questioning his relevance to the Institute’s historical self-image.

Treason or Heroism? Notes on the Availability of Sources and the Existing Literature

Unlike his far more popular brother Claus von Stauffenberg, who carried out the failed bomb attack on Adolf Hitler on 20 July 1944, Berthold von Stauffenberg is only known to few historically interested German scholars of international law.[4]  Approaching Berthold von Stauffenberg historically is no easy endeavour. In doing so, one quickly encounters two fundamental problems: a glaring lack of sources and a disproportionate overproduction of literature on the subject of “resistance against National Socialism”.[5]  Neither Stauffenberg’s work at the Institute nor his role in the resistance can be reconstructed on a stable factual basis beyond his academic publications, as many agreements were made secretly and verbally and incriminating documents were destroyed after the failure of the assassination attempt.[6]

A look at the literature shows that the assessment and evaluation of the resistance within German remembrance culture was subject to strong fluctuations, ranging from vehement rejection to hero worship. National Socialist patterns of interpretation persisted well into the 1950s, and the conspirators of 20 July 1944 were regarded by some as “oath-breakers” and “traitors” who had cowardly and treacherously backstabbed their comrades at the front.[7]  It was not until the 1960s that the narrative changed. While former supporters of the “Third Reich” established themselves as the functional elite of the new Federal Republic of Germany and integrated themselves into the new democratic order, the conspirators of 20 July 1944, who came predominantly from the aristocracy, the upper middle class, and the military, were idealised as representatives of “the other Germany”. While the communist and social democratic resistance, which had been active since as early as 1933, was marginalised in the Federal Republic, those who had only opposed Hitler shortly before the end of the war were now elevated to the status of pioneers and crown witnesses of a liberal democratic value system.[8]  In academic literature and public perception, the conspirators were henceforth stylised as “paragons mostly immune from criticism” in the name of serving as social role models, according to Thomas Karlauf:

“Instead of asking how they managed to distance themselves from the euphoria of societal mainstream and come to their own opinions, one favoured the fiction of more or less ‘autarkic’ figures, who symbolized the fundamental opposite of Hitler and never strained from righteousness.”[9]

As Ruth Hoffmann also emphasises in her recently published study on the German resistance, ambivalences were and are mostly ignored in the perception of the resistance fighters.[10]  This also applies to the majority of publications on Berthold von Stauffenberg, whose participation in the resistance is seen in retrospect as a liberal-democratic act in quasi-pre-emptive realisation of today’s democratic German constitution, whereby his anti-democratic, anti-Semitic, and even National-Socialist convictions, typical of the zeitgeist, are pushed into the background.

“Really Entirely Superfluous”. Berthold von Stauffenberg at the KWI

Berthold von Stauffenberg (right) with Mrs. Schmitz, the wife of the Institute’s deputy director Ernst Martin Schmitz, at the Institute’s staff party in 1939[11]

Berthold von Stauffenberg came to the Institute, which he knew from his two semesters studying in Berlin under Viktor Bruns, in 1929, shortly after defending his dissertation in Tübingen.[12] However, Stauffenberg’s employment at the Kaiser Wilhelm Institute (KWI) was only intended to be transitionary, as he was not aiming for a career in academia or law.[13] Instead, Stauffenberg had dropped out of his legal clerkship and unsuccessfully applied to join the Foreign Service in 1928.[14] After being turned down by the Foreign Office, Stauffenberg initially remained at the Institute until 1931, when Bruns assisted him in becoming an editorial secretary in the office of the Permanent Court of International Justice (PCIJ) under Åke Hammarskjöld.[15] Stauffenberg’s work there was mainly administrative, but he was frequently called upon for expert opinions. Eventually, Hammarskjöld commissioned him to write a commentary on the Statute of the PCIJ, which was published in French by the KWI in 1934 and is regarded as Stauffenberg’s main academic work.[16] However, his employment in The Hague did not satisfy the jurist. His relationship with international jurisdiction, which he regarded as a “charade”, was not at all characterised by approval.[17] He wrote to his “master”, the poet Stefan George, whose intellectual circle he had belonged to since his earliest youth: “the judges here seem to fall into a state of ever greater idiocy, and it would be best if the whole lot of them were sent home”.[18]  After Germany withdrew from the League of Nations in 1933, Stauffenberg resigned from his position because he “did not think it right to continue drawing a salary from the League of Nations”[19] – a  step that Hammarskjöld considered “uncalled for” and received with “great disappointment”.[20] Stauffenberg returned to the Institute and again applied to the Foreign Office in 1934, without success. Despite having ruled out a career in legal scholarship previously, he then applied, also in vain, for a chair in international law at the University of Munich in 1934.[21] It was for lack of a better option that Stauffenberg remained at the KWI, where he considered his work to be “really entirely superfluous”.[22] He performed his duties at the Institute between 11 a.m. and 6 p.m., after extensive morning horse riding sessions at the Beermann stable near the Berlin Zoological Garden.[23] Staufenberg’s lack of enthusiasm for a legal career as well as his failed application to the Foreign Service and Munich University have been interpreted by scholarship as early signs for his rebellious attitude and nonconformity with National Socialism.[24] However, the real reason seems to have laid in Stauffenberg’s pronounced social inhibitions.[25] While he was widely interested in the fine arts and literature, his relationship to law remained distant as Stauffenberg’s long-time colleague Alexander N. Makarov notes: “Berthold von Stauffenberg once told me that he did not own a single legal textbook. […] Law was really only his profession, not his vocation.”[26]

Viktor Bruns nevertheless wanted to keep Stauffenberg at the Institute and supported him to the best of his ability. In 1934, Stauffenberg was promoted to deputy head of the Department of International Law, and in 1935 he was appointed an academic member and co-editor of the Institute’s journal Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV, English title: Heidelberg Journal of International Law, HJIL). In this position he succeeded Erich Kaufmann, who had been expelled from the Institute due to his Jewish roots.[27] In the same year, Stauffenberg was promoted to Head of the Department for the Law of War at the KWI and became a member of Hans Frank’s Committee for the Law of War at the Academy for German Law (Akademie für Deutsches Recht), which was closely linked to the German military (Wehrmacht). He was also a member of the Academy’s Committee for International Law, along with Carl Bilfinger, Carl Schmitt, and Ernst Schmitz.[28] The focus of Stauffenberg’s academic work at the Institute was the publication of the first volumes of the Fontes Iuris Gentium, together with Ernst Martin Schmitz and Abraham Feller. The majority of his publications dealt with the Hague Court.[29] Viktor Bruns trusted Stauffenberg to such an extent that, in his will, he pointed to him as a second option for his own successor, next to his cousin Carl Bilfinger.[30]

“For the Most Part Generally Affirmed”. Attitude towards the “Third Reich”

“The idea of Führertum, of self-reliant and expert leadership, combined with that of a healthy hierarchy and that of the Volksgemeinschaft, the principle of ‘common good before self-interest’ and the fight against corruption, the emphasis on the rustic and the fight against the metropolitan spirit, race ideology and the will for a new, German-determined legal order seemed healthy and promising to us.”[31]

– Berthold von Stauffenberg interrogation protocol of 16 October 1944

Berthold von Stauffenberg, like the KWI as a whole, was not opposed to National Socialism, initially. The dismissal and flight of Institute colleagues who were persecuted as Jews did not evoke any protest from him, and he was relieved when Germany left the League of Nations. There are no surviving statements by Stauffenberg – neither positive nor critical – on the Röhm murders of 1934, the policy of Gleichschaltung, the abolition of civil rights, or the November Pogroms of 1938. Two essays published in HJIL, which are among the few academic deliberations by Stauffenberg on National Socialist policy, are the subject of controversy: Die Entziehung der Staatsangehörigkeit und das Völkerrecht – Eine Entgegnung (“The Withdrawal of Citizenship and International Law – A Rebuttal”, 1934)[32] and Die Vorgeschichte des Locarno-Vertrages und das russisch-französische Bündnis (“The Origins of the Locarno Treaty and the Russian-French Alliance”, 1936)[33]. These contributions seek to justify, from a jurisprudential point of view, two decisive steps of the National Socialist policy of breaking (international) law.

While Stauffenberg’s justification of the invasion of German troops into the demilitarised area on the left bank of the Rhine in 1936, which violated international law, can be explained with traditional German imperialism, his article on the question of citizenship can be read as implicit approval of the National Socialist persecution of Jews.[34]  In July 1933, the Reich government passed the “Act on the Revocation of Naturalisations and Withdrawal of German Nationality” (Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit). The law provided for naturalisations from the period between 9 November 1918 and 30 January 1933 to be revoked if they were considered “undesirable” (§ 1). According to the associated implementation ordinance, undesirability was to be measured according to “völkisch-national principles”, explicitly including Ostjuden [“Eastern Jews”] alongside criminals.[35]

The law had prompted the French jurist Georges Scelle to issue an impassioned statement.[36]  Stauffenberg’s direct rebuttal was aimed squarely at an international audience, to whom the German law was to be justified. Unlike Scelle, who primarily assessed the content of the law, Stauffenberg utilizes legal positivism, rejecting in particular Scelle’s accusation of an abusive use of law, because: “The revocation of citizenship for the sake of the purity of the nation can easily be grasped.”[37] In the following, Stauffenberg argues primarily from a comparative law perspective and comes to the conclusion that the withdrawal of citizenship is a sovereign decision of the nation-state that does not contradict state practice and international law.

Berthold and Claus von Stauffenberg, around 1925[38]

This may have been a coherent argument and, in itself, does not give much indication of an anti-Semitic attitude on the part of the author – just as Stauffenberg’s commentary on the PCIJ Statute did not express his rejection of international jurisdiction. Furthermore, Stauffenberg did not make use of völkisch-racist language, which, with a few exceptions, would not have been in keeping with the Institute’s habitus and style.[39]  However, if one compares the text with other contemporary documents, it is in line with an anti-Semitic attitude typical of the zeitgeist within large sections of the German elite at the time and shared by Berthold’s brother Claus.[40]  Stauffenberg also expressed this attitude during the interrogation after his arrest in July 1944:

“In the area of domestic politics, we had for the most part generally affirmed the basic ideas of National Socialism.”[41]

This also included Rassenpolitik (“race policy”):

The racial idea has been betrayed in the most serious way in this war, in that the racially superior German blood is being irretrievably sacrificed, while at the same time Germany is populated by millions of foreign workers who certainly cannot be described as being of high racial quality.”[42]

Both brothers had “generally affirmed” the racial principles, although they ultimately considered them to be “exaggerated and hyperbolized”.[43]

Called to Leadership. The Path to Resistance

Instead of ‘born’ leaders, it was generally ‘ordinary people’ who came up on top, who exercised uncontrolled power. The idea of the Volksgemeinschaft was violated by agitating against the upper classes and the ‘intellectuals’ and generally trying to arouse the resentment of the petty bourgeoisie as much as possible.”[44]

– Berthold von Stauffenberg interrogation protocol of 16 October 1944

Berthold von Stauffenberg’s first doubts about National Socialist Germany can be traced back to the summer of 1942.[45]  These doubts related to the military situation, as Stauffenberg no longer believed that Germany could win the war.[46] From the mid-1930s, Stauffenberg, as a legal scholar, had been involved in the legal preparations for an anticipated next war, which he hoped would lead to a renewed German hegemony in Europe.[47] As part of his work on the Committee for the Law of War, he finished drafting a new German prize order, which regulated the actions of warships towards neutral and enemy merchant and passenger ships, in 1939. He was also involved in the drafting of new law of aerial warfare.[48] In this capacity, he acted and thought within the framework of the applicable international law of war.

From the beginning of the war, the KWI was subordinated to the Foreign Defence Office (Amt Ausland-Abwehr) within the High Command of the Wehrmacht (Oberkommando der Wehrmacht, OKW), which was responsible for international law issues relating to the conduct of the war.[49]  Stauffenberg was not exempt from military service, which he performed in the High Command of the Navy (Oberkommando der Marine, OKM). His duties included preparing expert opinions on international law issues for the OKM. In doing so, Stauffenberg, like other KWI employees, came into contact with the ways Germany violated legal rules in its warfare. While Stauffenberg had long considered the war to be a legitimate means of asserting German interests and overcoming the “dictated peace” of Versailles, the progressive escalation on the Eastern Front was finally no longer acceptable to him.[50] It is impossible to ascertain exactly when this point was reached due to a lack of sources.[51]

Secret opposition to the National Socialist regime in civilian and military circles had existed since 1933 and Berthold von Stauffenberg repeatedly came into contact with representatives of the resistance, such as Helmuth James Graf von Moltke, one of the leading figures of the “Kreisau Circle”, who, too, was seconded to the OKW as an expert in international law. Nevertheless, Stauffenberg did not join any group. Berthold and Claus discussed their first concrete assassination plans in the summer of 1943.[52] Under the pressure of the rapidly deteriorating military situation, civilian and military opposition groups around the “Kreisau Circle”, the former mayor of Leipzig Carl Friedrich Goerdeler, and the former Military Chief of Staff Ludwig Beck joined forces and drew up a plan to overthrow the regime, which became known as Operation Walküre (“Operation Valkyrie”). Stauffenberg’s brother Claus found himself at the centre of the military resistance. His most important advisor and confidant in this was Berthold von Stauffenberg.[53]

Due to the different political objectives of the individual groups – they were only united in wanting to eliminate Hitler and end the war – they refrained from making any detailed plans for a post-war order. However, the two Stauffenberg brothers took an “oath” for themselves in which they outlined the main features of their own vision for the future, which was characterised by aristocratic class thinking and the ideals of their “master” Stefan George: “We want a New Order that makes all Germans bearers of the state and guarantees them law and justice, but we despise the lie of equality and bow to the natural ranks.”[54] This elitist attitude was came through in Stauffenberg’s interrogation, as the report of the SS intelligence agency “Security Service of the Reichsführer SS” (Sicherheitsdienst des Reichsführers SS, SD) states, not without contempt:

“In the opinion of the conspirators, the class of the nobility and the intelligent bourgeoisie called to leadership has been replaced by National Socialism by upstarts, ignorant bawlers without education or upbringing, who are now making use of the power at their disposal in an absolutely selfish and self-centred manner.”[55]

Both brothers spent the night before the assassination attempt in Berthold’s apartment in Berlin and went over the plans one last time. On 17 July, Stauffenberg had already indirectly taken Hermann Mosler into his confidence, who had worked with Stauffenberg and Moltke and belonged to a critical Institute discussion group in which views on the German warfare had been exchanged.[56] After the failed assassination attempt, Berthold von Stauffenberg and his brother were arrested in the Bendlerblock, the headquarters of the Foreign Defence Office. While Claus was executed immediately, Berthold was taken into custody and interrogated by the Gestapo for 21 days. It is not known whether he, like many others, was tortured. On 10 August 1944, he was charged with treason and treachery and sentenced to death by hanging in a show trial by the president of the so-called Volksgerichtshof (“People’s Court”), Roland Freisler. The sentence was carried out on the same day and the “fees” incurred by the execution were charged to the bereaved.[57] The families of Claus and Berthold von Stauffenberg were taken into “clan custody”, which meant that their children were sent to orphanages and their wives were imprisoned in concentration camps. They survived the end of the “Third Reich”.

An Early but Cautious Tribute. Berthold von Stauffenberg in the Collective Memory of the Institute

Stauffenberg’s arrest and execution came as a shock to the members of the Institute. The death of Director Viktor Bruns in September 1943 had left the Institute “headless” to a certain extent and, as Rüdiger Hachtmann points out, an atmosphere of “denunciation and mistrust” had developed at the KWI. As early as January 1944, Institute employee Wilhelm Wengler had been denounced by his colleague Herbert Kier for making a defeatist statement and arrested by the Gestapo.[58]  Shortly before the assassination attempt, parts of the Institute had been evacuated from Berlin to the surrounding area. After Stauffenberg’s arrest, there were fears of raids and arrests at the KWI, but these failed to materialise.[59] The dismay over the fate of the colleague was quickly overtaken by the events during the end of the war, which were no less dramatic for the Institute, such as the destruction of the Institute’s premises in the Berlin Palace, the destruction of large parts of the library, and the flight of staff from the Red Army.

Nevertheless, Berthold von Stauffenberg was by no means forgotten. As early as 1947, Alexander N. Makarov published an obituary of his former colleague in the journal Friedenswarte, as part of a series entitled “Vanguards of International Understanding and International Law Scholars as Victims of National Socialism”.[60] Hans Wehberg’s request to write the memorial text on Stauffenberg had actually gone out directly to Hermann Mosler, who had delegated it to Makarov.[61] In response to Makarov’s first draft of the text, which was very cautious, he replied that one “should make use of this favourable opportunity to rehabilitate the Institute in a somewhat more pronounced manner than you did in your representation […] of Berthold’s involvement on 20 July. Perhaps you could present the related sentences as facts, not as hearsay. […] Citing Strebel’s or my name as sources seems to me neither necessary nor correct.”[62] Here, Mosler, who made considerable editorial changes to Makarov’s text, skilfully and purposefully used Stauffenberg to restore the Institute’s reputation.

The first public tribute on the part of the Institute as a whole can be found in the first post-war issue of HJIL from 1951. There, six necrologies commemorate those colleagues who had died during the war and the post-war period, including Berthold von Stauffenberg. This early positioning on Stauffenberg cannot be considered a matter of course, given the negative attitude of the general public towards the German resistance and also the disdainful opinion of the then-director of the Institute, Carl Bilfinger, who was himself not at all free from connections to the National Socialist system, towards his former colleague.[63] The obituary was written by HJIL editor Helmut Strebel, who had had a close personal relationship with Stauffenberg. Strebel’s tribute is reserved in terms of political positioning. He does not claim Stauffenberg’s act of resistance for the Institute as a whole and emphasises that “his involvement in the plans to overthrow [the regime] only became known in outlines to a few individuals just before the assassination attempt.” In this, he differs from Alexander N. Makarov, who suggested a greater involvement of the KWI in the resistance’s planning.[64] What both obituaries have in common is that they primarily honour Stauffenberg’s scholarly career, emphasising his PCIJ commentary. They also mention the Locarno essay, but not the one on citizenship.[65] Neither obituary comment on Claus von Stauffenberg’s motivations for the assassination attempt.

Hermann Mosler, who took over the directorship from Carl Bilfinger in 1954, took a similar approach. He, too, declared his allegiance to Berthold von Stauffenberg early on, but avoided any further qualification of the resistance fighter’s motivations. In 1966, he told Karl Josef Partsch that he had given a speech on the tenth anniversary of the assassination attempt in 1954, to students in Frankfurt, as well as on the 20th anniversary in 1964, as director of the Institute to the staff, which he had found significantly more difficult.[66] This reveals an underlying pattern in Mosler’s handling of National Socialist history. While he was not afraid to take a clear stance vis-a-vis the broader scholarly community and the public,[67] he avoided any historical debate within the MPIL.[68] When Mosler did comment on the history of the Institute, he did so as briefly as possible and only at official anniversary events. Mosler’s first public statement on Stauffenberg and the National Socialist era at the Institute was made in 1961 on the occasion of the 50th anniversary of the Kaiser Wilhelm/Max Planck Society:

“The National Socialist era gradually and increasingly restricted the possibilities for action, but without destroying the scientific objectivity of the work. All employees who rejected the regime owed it to Bruns‘ skill and Schmitz’ unwavering objectivity that they had found refuge and the freedom to develop their scholarship at the Institute. After Bruns’ death, the distress grew. In the first years of the war, the Institute supported, by providing advice and expert opinions, the efforts of academic member Berthold Schenk Graf v. Stauffenberg, who worked on international law issues at the High Command of the Navy, and Graf Helmuth v. Moltke, who worked on the equivalent issues at the High Command of the Wehrmacht, towards a conduct of war in line with international law. Both became victims of the terror measures that followed 20 July 1944. The agreement made with Graf Stauffenberg to make the Institute available to the new Reich government after the overthrow [of the old one] remained unknown to those in power.”[69]

Stauffenberg’s resistance is portrayed by Mosler in a completely unpathetic manner and without associating himself with it. Mosler also omits the political and ideological background of Stauffenberg’s assassination attempt. Yet, elsewhere in his anniversary publication, Mosler does appropriate Stauffenberg by explicitly referring to the significance of his PCIJ commentary of 1934 and placing the work of the Heidelberg Institute in the tradition of the internationalisation of law.[70] Here, he fails to mention that Stauffenberg was very sceptical of the court and considered writing the commentary a chore.

Mosler’s letter on the 20th anniversary of the attempted Hitler assassination[71]

There were various reasons for Mosler’s sober and distanced statement on Stauffenberg’s resistance, which he was to repeat verbatim 14 years later on the occasion of the 50th anniversary of the Institute.[72] The Director was aware that the “Third Reich” had been viewed in various different ways by different members of the Institute and that not every member of staff had applauded the assassination attempt. Mosler wanted to avoid fundamental and potentially divisive debates on the role of the Institute and its members in the “Third Reich” at all costs. Although he certainly agreed with Stauffenberg’s actions, many of Stauffenberg’s political and ideological views must have remained alien to him. Mosler had known Stauffenberg since he had joined the Institute in 1937 and was aware of his membership in the circle around the poet Stefan George, in which an elitist, often anti-democratic and anti-Western attitude dominated. Hermann Mosler could not and did not want to build on this.

“International Law in Resistance”? Conclusions

At the Institute, the attitude towards Berthold von Stauffenberg remained complex. After his speech on the 50th anniversary of the Institute in 1975, Hermann Mosler never publicly addressed the history of the Institute again; and similarly, his successor Rudolf Bernhardt omitted the period before 1949 and thus Stauffenberg as an Institute member in his 2018 chronicle of the Institute. Other members of the Institute, such as Helmut Strebel, intensively researched Stauffenberg’s life and work and unsuccessfully tried to win over the directors for this topic.[73] Hermann Mosler in particular avoided linking the Institute with Stauffenberg’s resistance or mobilising Stauffenberg for the rehabilitation of his own discipline. This was only done later, by a number of exponents of German international law of a new generation, who went on to interpret Stauffenberg’s motivation for the assassination attempt as “international law in resistance”.[74] This view materialized within the Institute when, in 1987, during the debate about the Institute’s rebuilding or relocation to Berlin, Theodor Schweisfurth suggested renaming the MPIL “Berthold von Stauffenberg Institute of the Max Planck Society”.[75] Although it never came to that, under the directorship of Jochen Frowein and Rüdiger Wolfrum, the bust of Stauffenberg sculpted by Frank Mehnert was given a more central position in the new Institute building from 1996. Even today, the bust of the young Stauffenberg has a prominent place in the foyer.

The Stauffenberg bust by Frank Mehnert at the main entrance to the MPIL[76]

But the question remains: What does it tell us and what should it tell us today – and what does Stauffenberg stand for today? In the current self-image of the researchers at the Institute, Berthold von Stauffenberg is hardly a historical reference figure against which one would measure one’s own work or attitude – in whatever form. The events of 20 July are too far in the past and have too little impact for that. The views of the resistance in broader society are also undergoing radical change. The strong exaggeration and symbolic charging of individual actors of the resistance movement, especially of 20 July 1944, is considered dishonest today. In liberal, enlightened circles, heroes are no longer necessary as role models for overcoming National Socialist history; we can now face up to the time-bound ambivalence of the protagonists of that period and deal with it. And perhaps this is what Berthold von Stauffenberg conveys to us at the Institute today: the realisation of historical time-boundness and the necessary complexity of our conception of life. But both are also a task for us: Stauffenberg is a reminder of the responsibility of the scholar; he confronts us with the legacy of our burdened history and makes us realise the achievements of liberal democracy and the rule of law. History is complex and dealing with it is not easy. And if it seems easy, it is done wrong. So let us not leave Stauffenberg to those who offer overly simplistic answers in these times but let us take him as an invitation to question ourselves.

***

The author would like to thank Sarah Gebel, Alexandra Kemmerer, Johannes Mikuteit, Moritz Vinken, and Joachim Schwietzke for their helpful annotations to the text.

[1] Hermann Mosler, Staatsrechtslehre und Nationalsozialismus. Vorträge innerhalb der Studium-Generale-Reihe „Wissenschaft und Nationalsozialismus“ im Sommersemester 1966, unpublished typoskript, 3. The author would like to thank Professor Dr. Karl Mosler for providing the text. This and all following direct quotes are translated by the editor, except where indicated otherwise.

[2] Mosler, Staatsrechtslehre (fn. 1), 8; Rudolf Timmermans, Demokratie und Führerstaat: Studien über Begriffe und Formen des Volksstaates, Berlin: Fährmann-Verlag 1936.

[3] Alexander Meyer, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905–1944). Völkerrecht im Widerstand, Berlin: Duncker & Humblot 2001, 261–262; Wolfgang Graf Vitzthum, Der stille Stauffenberg. Der Verschwörer, Georgeaner und Völkerrechtler Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, Berlin: Duncker & Humblot 2024, 152–153.

[4] Vitzthum, Der stille Stauffenberg (fn. 3); Meyer (fn. 3); also of relevance: Peter Hoffmann, Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Brüder, Stuttgart: Deutsche Verlags Anstalt 1992. What all these works have in common is a very affirmative approach to the object of their biography. There is also a multitude of essays on Berthold von Staufenberg by Wolfgang Graf Vitzthum, which discuss the jurist in the context of George’s thinking.

[5] See, for example, the biography provided by the German Federal Agency for Civic Education.

[6] There are no surviving contemporary sources on Stauffenberg’s work at the Institute. Stauffenberg’s staff file in the MPG archive is thin and mainly traces his career steps within the Institute. Moreover, the destruction of the Institute’s premises in the Berlin Palace in January 1945 destroyed a large part of the Institute’s files, and it appears that Institute staff also destroyed documents after Stauffenberg’s arrest.

[7] Ruth Hoffmann, Das deutsche Alibi. Mythos „Stauffenberg-Attentat“ – wie der 20. Juli 1944 verklärt und politisch instrumentalisiert wird, Munich: Goldmann 2024, 42.

[8] Hoffmann, Das deutsche Alibi (fn. 7), 10.

[9] Thomas Karlauf, Stauffenberg. Porträt eines Attentäters, Munich: Pantheon 2019, 27.

[10] Hoffmann, Das deutsche Alibi (fn. 7), 390.

[11] Photo: AMPG.

[12] Meyer (fn. 3), 31.

[13] Meyer (fn. 3), 47.

[14] Hoffmann, Stauffenberg (fn. 4), 72.

[15] Vitzthum, Der stille Stauffenberg (fn. 3), 51.

[16] Meyer (fn. 3), 55.

[17] Stauffenberg wrote to George on 17 October 1932: “in the meantime, i have gone back to work. not with any particular pleasure. it doesn’t seem particularly meaningful – you quickly get to know the swindle. and then it offers you nothing new”, quoted from: Vitzthum, Der stille Stauffenberg (fn. 3), 51. Stauffenberg’s letters are in all lower case, which is in keeping with Stefan George’s minimalist aesthetic.

[18] Letter from Berthold von Stauffenberg to Stefan George, dated 27.10.1933, quoted from: Karlauf (fn. 9), 124.

[19] Letter from Bertholf von Stauffenberg to Stefan George, dated 27.10.1933, quoted from: Vitzthum, Der stille Stauffenberg (fn. 3), 55.

[20] Hans Wehberg, Unpublished life record of Berthold von Stauffenberg, Attachment to a letter from Hans Wehbehrg to Hermann Mosler, dated 15. 8. 1947, AMPS, III Rep 191 Nr. 20, Bd. 2.

[21] Meyer (fn. 3), 59.

[22] Letter from Berthold von Stauffenberg to his wife Maria, quoted from: Hoffmann, Stauffenberg (fn. 4), 151.

[23] Hoffmann, Stauffenberg (fn. 4), 151.

[24] Meyer (fn. 3), 58–59; Hoffmann, Stauffenberg (fn. 4), 151. So far, no contemporary sources supporting this view have been discovered.

[25] According to contemporary witnesses, Stauffenberg was regarded as the “silent one”, as he was considered quiet and secretive in his dealings with colleagues and hardly ever spoke out in academic debates at the Institute, see: Joachim von Elbe, Unter Preußenadler und Sternenbanner. Ein Leben für Deutschland und Amerika, Munich: C. Bertelsmann 1983, 123; Helmut Strebel, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905–1944), HJIL 13 (1950), 14–16; also: Hoffmann, Stauffenberg (fn. 4), 492; Vitzthum, Der stille Stauffenberg (fn. 3), 65. An unnamed former employee in the court clerk’s office of the PCIJ described Stauffenberg as “reserved and shy”. Furthermore: ”(H)e kept very much to himself […] and made no friends among the staff of the court”, quoted from: Wehberg, Lebensbeschreibung (fn. 20).

[26] Alexander N. Makarov, Vorkämpfer der Völkerverständigung und Völkerrechtsgelehrte als Opfer des Nationalsozialismus. Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905–1944), Die Friedenswarte. Blätter für internationale Verständigung und zwischenstaatliche Organisation 6 (1947), 360–365, 364.

[27] Wolfgang Graf Vitzthum, Stauffenberg, Berthold Alfred Maria Schenk Graf von, in: Achim Aurnhammer et al. (eds.), Stefan George und sein Kreis: Ein Handbuch, Munich: De Gruyter 2016, 1666–1671, 1667.

[28] Andreas Toppe, Militär und Kriegsvölkerrecht. Rechtsnorm, Fachdiskurs und Kriegspraxis in Deutschland 1899–1940, Munich: De Gruyter 2008, 207–208.

[29] See the bibliography in: Makarov (fn. 26), 365; see also: Vitzthum, Der stille Stauffenberg (fn. 3), 69.

[30] Testament of Viktor Bruns, AMPG, PA Viktor Bruns, II. Abt., Rep. 0001A, Pag. 40.

[31] Report of the Security Service of the Reichsführer SS (Sicherheitsdienst des Reichsführers SS) of 16.10.1944, in: Hans-Adolf Jacobsen (ed.), „Spiegelbild einer Verschwörung“. Die Opposition gegen Hitler und der Staatsstreich vom 20. Juli 1944 in der SD-Berichterstattung. Geheime Dokumente aus dem ehemaligen Reichssicherheitshauptamt, Vol. 1, Stuttgart: Seewald 1984, 447. Emphases in the original.

[32] Berthold von Stauffenberg, Die Entziehung der Staatsangehörigkeit und das Völkerrecht – Eine Entgegnung, HJIL 4 (1934), 261–276.

[33] Berthold von Stauffenberg, Die Vorgeschichte des Locarno-Vertrages und das russisch-französische Bündnis, HJIL 6 (1936), 215–234.

[34] Karlauff (fn. 9), 66. However, Stauffenberg research consistently comes to the conclusion that Stauffenberg’s 1934 essay does not allow any conclusions to be drawn about his personal attitude. The essay is generally interpreted as a work simply commissioned by Institute’s management or the Foreign Office, which Stauffenberg carried out more or less against his will, according to Meyer (fn. 3), 62–63; Hoffmann, Stauffenberg (fn. 4), 152; Wolfgang Graf Vitzthum, Berthold von Stauffenberg und das Widerstandsrecht, in: Frank-Lothar Kroll/Rüder von Voss (eds.), Für Freiheit, Recht, Zivilcourage. Der 20. Juli 1944, Berlin: Bebra Verlag 2020, 145–174, 157–158.

[35] §2 of the law provided for the revocation of citizenship even for German citizens abroad, if they had “impaired German interests through any behaviour in defiance of the duty towards the Reich and the [German] people”, which included primarily “hostile propaganda”. This directly affected, among others, writers and critics such as Lion Feuchtwanger, Alfred Kerr, Heinrich Mann, and Kurt Tucholsky, which could have hardly gone unnoticed by Stauffenberg, who was very interested in literature.

[36] Georges Scelle, À propos de la loi allemande du 14 juillet 1933 sur la déchéance de la nationalité, Revue critique de droit international XXIX (1934), 63–76.

[37] Stauffenberg, Entziehung (fn. 32), 265.

[38] Photo: Ullstein Bild.

[39] Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (ed.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandaufnahme und Perspektiven der Forschung, Göttingen: Wallstein 2000, Vol. 2, 490–528, 503; Rüdiger Hachtmann, The Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law 1924 to 1945, MPIL100.de.

[40] Karlauff (fn. 9), 66.

[41] Report of the Security Service (fn. 31), 447. Emphases in the original.

[42] Report of the Security Service (fn. 31), 450.

[43] Report of the Security Service (fn. 31), 450. Emphases in the original.

[44] Report of the Security Service (fn. 31), 453.

[45] Letter from Berthold von Stauffenberg to Frank Mehnert, dated 21. 8. 1942, quoted from: Karlauff (fn. 9), 194–195.

[46] Quote from Berthold von Stauffenberg interrogation protocol of 21.07.1944, Report of the Security Service (fn. 31), 19.

[47] Hachtmann (fn. 39).

[48] Toppe (fn. 28), 207.

[49] Toppe (fn. 28), 193. Those assigned there from the Institute included Hermann Mosler, Günter Jaenicke, Wilhelm Wengler, and Ernst Martin Schmitz with the focus of their work being the law of land warfare, of naval warfare and the law of prisoners of war.

[50] Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption. Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Heidelberg: Springer 2017, 110.

[51] Vitzthum, Der stille Stauffenberg (fn. 3), 110. The expert reports by members of the Institute which have been recovered were in accordance with the applicable laws of armed conflict and therefore cannot be regarded as justifications for the ideological war waged by the “Third Reich”. However, they do not amount to open resistance against National Socialism.

[52] Stauffenberg to Kranzfelder, autumn 1943, quoted from: Report of the Security Service (fn. 31), 115.

[53] Meyer (fn. 3), 90.

[54] Quoted from: Karlauff (fn. 9), 298.

[55] Report of the Security Service (fn. 31), 453. On the frequently ignored value of the interrogation protocols as historical sources: Karlauff (fn. 9), 25–26.

[56] Lange, Praxisorientierung (fn. 50), 110. This is based on a statement by Mosler himself, which cannot be verified by any third-party testament.

[57] Vitzthum, Der stille Stauffenberg (fn. 3), 150.

[58] Felix Lange, Kolonialrecht und Gestapo-Haft. Wilhelm Wengler 1933–1945, HJIL 76 (2016), 633–659, 649.

[59] With the exception of the diary entries of librarian Annelore Schulz, no contemporary sources on the Institute’s view of these events have survived. Her notes are cautious, presumably out of fear of surveillance: “The story of the assassination [attempt] is stirring up a lot of emotion. We all fear that our Count Berthold Schenk von Stauffenberg and his family are no longer alive, the matter could have the worst consequences for the Institute.”, Entry dated 24. 7. 1944. The fact that there were no raids was probably due to the party representative Herbert Kier preventing them: Lange, Kolonialrecht (fn. 58), 638.

[60] Makarov (fn. 26), 360–365.

[61] Letter from Hans Wehberg to Hermann Mosler, dated 15. 8. 1947, AMPG, III Rep 191 Nr. 20, Vol. 2.

[62] Letter from Hermann Mosler to Alexander N. Makarov, dated 13. 10. 1947, AMGP, III Rep 191 Nr. 20, Vol. 2.

[63] In the summer of 1945, Bilfinger had made very disparaging remarks about Stauffenberg to Strebel, which the latter found to be “astonishingly distasteful” and indicative of a lack of “capacity for a certain sense of propriety”: Letter by Helmut Strebel to Hermann Mosler, dated 4.1. 1946, cited from: Florian Hofmann, Helmut Strebel (1911–1992). Georgeaner und Völkerrechtler, Baden-Baden: Nomos 2010, 121.

[64] Makarov’s article reads like an obituary not just to Stauffenberg but also to the “Bruns Institute” itself. He points out, for example, that there were regular, open deliberations critical of the regime between Moltke, Stauffenberg, and the Institute staff from the summer of 1943 onwards. He further mentions the episode around Mosler being taken into confidence about the assassination plans, thereby insinuating that the Institute supported the resistance: Makarov (Fn. 26).

[65] Makarov does however mention it in the attached bibliography compiled by Helmut Strebel.

[66] Letter from Hermann Mosler to Karl Josef Partsch, undated, but before 4.2.1966, File entitled „Stefan George Stiftung“ [Stefan George Foundation], MPIL Archive. The 1954 speech does not seem to have survived.

[67] Mosler, Staatsrechtslehre (fn. 1).

[68] Philipp Glahé, History as a Problem? On the Historical Self-Perception of the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law, HJIL 83 (2023), 565–578.

[69] Hermann Mosler, Geschichte des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, in: Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V., Vol. II (1961), 687–703, 696.

[70] Mosler, Geschichte (fn. 69), 701.

[71] Scan from: AMPG, III Rep 191, Nr. 101.

[72] Hermann Mosler, Aufgaben und Arbeitsweise des Instituts, in: Max-Planck-Gesellschaft (ed.), Berichte und

Mitteilungen 2 (1975), 7–21.

[73] Exchange of letters between Helmut Strebel and Rudolf Bernhardt, File „Betr. Nachforschungen Dr. Strebel im Bundesarchiv/Akten betr. Prisenrecht usw.“ [“On research of Dr. Strebel in the Federal Archive/File on prize law etc.”], MPIL.

[74] Meyer (fn. 3).

[75] Theodor Schweisfurth, Vermerk betr. Neubau des Institutes [“Remark on the rebuilding of the Institute”], 4. 10. 1987, 1–19, 19, File „Institutschronik III” [“Institute Chronical”], MPIL.

[76] Photo: Maurice Weiss/ MPIL.

„Crimes against Humanity“ und die Völkermordkonvention. Kein Thema für das Institut?

Einer der zentralen Straftatbestände des internationalen Strafrechts stammt aus den Jahren des Zweiten Weltkriegs: Exiljuristen aus besetzten europäischen Ländern, darunter bemerkenswert viele aus mittel- und osteuropäischen Ländern, prägten in think tanks in London den Begriff der crimes against humanity.[1]  Der Gedanke knüpfte an frühere Versuche an, die Kriegsführung zu zivilisieren,[2] insbesondere an die beiden Friedenskonferenzen von Den Haag 1899 und 1907. Das Konzept der Verbrechen gegen die Menschlichkeit besagt, dass „Bürger unter dem Schutz des Völkerrechts stehen, auch wenn sie von ihren eigenen Landsleuten viktimisiert werden“. [3] Es stellt ein wichtiges juristisches Instrument in der Nürnberger Ära dar, insbesondere im Hinblick auf die Verbrechen im Zusammenhang mit dem Holocaust in Europa.

Das Konzept von crimes against humanity geht auf Debatten einer epistemic community von Juristen zurück[4], die sich, durch die nationalsozialistische Verfolgung ins Exil gezwungen, Anfang der 1940er Jahre in London zu sammeln begonnen hatten, um zu diskutieren, wie Verbrechen, die im laufenden Krieg begangen wurden, zu behandeln seien.[5] Diese Experten verstanden sich als Vertreter einer neuen, supranationalen Forschungsgemeinschaft; die meisten von ihnen waren bereits vor ihrem Exil  prominente Juristen gewesen.

Es ist auffällig, dass sich in den historischen Beständen des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (MPIL) kaum ein Niederschlag ihrer Debatten findet. Zum einen lässt sich dies mit der relativen Isoliertheit der deutschen Wissenschaft während der Kriegs- und Nachkriegsjahre erklären,[6] jedoch nicht nur. Im Archiv der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin hat sich ein kurzer Briefwechsel zwischen Raphael Lemkin und Hermann Mosler, dem damaligen MPIL-Direktor, von 1957 erhalten, der die ausbleibende Rezeption dieser juristischen Debatten noch in der Völkerrechtswissenschaft der frühen Bundesrepublik zeigt. Im MPIL selbst waren die crimes against humanity vor den 1990ern kein Forschungsthema.[7]

Biographiegeschichte als Erklärungsansatz

Ein biographischer Ansatz kann helfen zu verstehen, warum gerade Exiljuristen ihr Engagement in der United Nations War Crimes Commission (UNWCC) als Chance gesehen hatten, neue Rechtskonzepte umzusetzen – ohne sich über die Ohnmacht ihrer politischen Situation im Exil Illusionen zu machen.[8] Eine politisch besonders aktive Gruppe von Exiljuristen stammte aus den Grenzgebieten des untergegangenen Habsburger Reiches. Ihre Angehörigen  erlebten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die erzwungene Migration aufgrund antisemitischer Pogrome in Osteuropa, insbesondere Galizien.  Sie alle einte das Bestreben, Rechtsnormen und -doktrinen für die Nachkriegszeit zu entwickeln und eine kosmopolitische Rechtsordnung zu fördern.[9] Diese um 1900 geborenen Rechtsgelehrten vom Rande europäischer Imperien waren tief geprägt von ihrer persönlichen Erfahrung der Verfolgung als Juden[10] und der Unfähigkeit des Völkerbundes, Minderheiten in Osteuropa zu schützen. Es war ihnen ein lebenslanges Anliegen, das Konzept der staatlichen Souveränität einzuhegen, um Einzelne für staatliches Handeln, zum Beispiel rassistische Verfolgung, zur Verantwortung zu ziehen.

Hauptpunkte der Debatten jener Exiljuristen waren die Definition des „Kriegsverbrechens“, das Konzept von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Forderung nach Einrichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs. Angesichts der unterschiedlichen Pogrom- oder Besatzungserfahrungen, die die Exiljuristen aus Europa nach London mitbrachten, war gerade die Definition des „Kriegsverbrechens“ von entscheidender Bedeutung. Die zentralen Fragen waren, ob das, was bisher als „Kriegsverbrechen“ bezeichnet wurde, bereits dann verfolgt werden konnte, wenn es vor einer offiziellen Kriegserklärung oder hinter der Frontlinie geschah, ob auch Verbrechen gegen nationale Minderheiten oder religiöse Gruppen durch diese Auslegung geschützt waren und ob eine internationale juristische Instanz Gerechtigkeit üben konnte. Die Debatte zwischen den Hauptakteuren in London spiegelt zum einen die Machlosigkeit der Exilregierungen, aber auch die politische Agenda der Alliierten in Bezug auf Strafverfolgung wider.

Der Rechtsgelehrte Hersch Lauterpacht wurde zum Motor dieser Gruppe. Der im habsburgischen Ostgalizien geborene Lauterpacht war 1918 von der Universität Lemberg (L’viv/Lwow) aus Protest gegen den wachsenden Antisemitismus und den polnischen numerus clausus für jüdische Studierende an die Universität Wien gewechselt[11], wo er unter anderen bei Hans Kelsen studierte und in Rechts- und Politikwissenschaft doppelt promoviert wurde. Im Jahr 1923 ging er nach London, wo er an der LSE bei Arnold McNair nochmals promovierte. 1937 war er auf den angesehenen Whewell-Lehrstuhl für Völkerrecht in Cambridge gewechselt, von 1955  bis zu seinem Tod 1960 war er Richter am Internationalen Gerichtshof.

Genozid als Dachbegriff?

Israel ratifiziert die Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und unterzeichnet das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen. Egon Schwelb, als stellvertretender Direktor der UN-Menschenrechtsabteilung (zweiter von links) mit Constantin Stavropoulos, Direktor der Rechtsabteilung der Vereinten Nationen, und Arthur C. Liveran, Berater der israelischen Delegation, 1. Oktober 1954 in New York[12]

Raphael Lemkin war einer der Juristen aus Ostmitteleuropa, die bereits in der Zwischenkriegszeit Nachbesserungen im Völkerrecht anmahnten.[13] Zusammen mit seinem Kollegen aus Polen, Andrej N. Mandelstam,[14] machte Lemkin einen Vorschlag, wie Minderheiten zukünftig besser geschützt werden könnten oder wie „Akte der Barbarei“ (gemeint waren Massaker) rechtlich als internationale Verbrechen definiert werden könnten, um eine Strafverfolgung zu ermöglichen.[15] Doch ihre Vorschläge fanden im Völkerbund der 1920er Jahre nur wenig Echo.

Das Konzept der crimes against humanity wurde parallel zum Genozid-Konzept Raphael Lemkins entwickelt und steht in gewisser Konkurrenz dazu.[16] Egon Schwelb (1899-1976) stieß erst 1944 zur tschechischen Delegation der UNWCC hinzu, wurde dann aber sehr einflussreich. Schwelb ist mit dem Konzept der Verbrechen gegen die Menschlichkeit verbunden, das erstmals 1944 in der UN-Kriegsverbrechenskommission diskutiert wurde und mit der Ahndung der Holocaust-Verbrechen in Verbindung gebracht wird; ursprünglich sollte es jedoch für alle Verbrechen gegen Zivilisten außerhalb militärischer Aktionen gelten. Schwelb betonte, dass für ihn Genozid als Dachbegriff zu verstehen sei, beziehungsweise als „two rivers flowing under two different names“, und es Ziel völkerrechtlicher Reformen sein müsse, die beiden zu vereinen.[17]

Dies war wiederum nicht die Intention Raphael Lemkins, der den legalistischen Ansatz der etablierten Völkerrechtswissenschaft, deren professionellen Apparat und die üblichen Methoden der Expertengremien eher verachtete.[18] Lemkin ist in den Londoner Exiljuristen-Debatten seltsam abwesend, obgleich sich spätestens nach Publikation seines Werkes Axis Rule in Occupied Europe Überschneidungen hätten ergeben müssen.[19] Lemkins Schrift von 1944 gilt heute zweifellos als Schlüsselwerk in der Debatte zur Zivilisierung von Kriegsgewalt, zum einen wegen des neuen Begriffes „Genozid“, den er in die Debatte einführte, aber auch aufgrund des umfangreichen Dokumentenapparats deutscher Verordnungen und Besatzungsrichtlinien, der die Herausbildung juristischer Gegenkonzepte und Ahndungsmechanismen erheblich erleichtert haben dürfte. Insbesondere die Darstellung der Besatzungspraktiken als Verschränkung aus politischer Unterdrückung, wirtschaftlicher Ausbeutung und kultureller Zerstörung nimmt in Lemkins Analyse breiten Raum ein, wohingegen der Holocaust zumindest umfangmäßig in dem 700-Seiten-Werk auffällig unterbelichtet bleibt, und dies ist umso bemerkenswerter, als ein Großteil von Lemkins Familie dem Holocaust zum Opfer fiel.[20] Lemkin betonte jedoch, auch wenn er den Rechtsbegriff des Genozids abstrakt formulierte, die Besonderheit des organisierten Judenmords als völkerrechtlichen Präzedenzfall[21], indem er formulierte:

„The treatment of the Jews in the occupied countries is one of the most flagrant violations of international law, not only of specific regulations of the Hague regulations, but also of the principles of the law of nations, as they have emerged from established usage among civilized nations, from the laws of humanity, and from the dictates of the public conscience – principles which the occupant is bound to respect.”[22]

Lemkins Schrift war zudem globaler ausgerichtet als die zeitgenössische alliierte Kriegsverbrecherpolitik: Während die Moskauer Erklärung dezidiert von „German atrocities“ sprach, lenkte Lemkin den Blick auf „Axis rule“, und damit auf Deutschlands willige Verbündete.[23] Eine weitere Besonderheit, so Annette Weinkes Analyse, ist Lemkins Betonung der NS-Besatzungspraxis, die in der Wortwahl stark an Beschreibungen des imperialer Herrschaft erinnerte.[24] Einen Unterschied zur Kolonialpraxis der Alliierten sah Lemkin indes vor allem darin, dass es den Nationalsozialisten nicht um utilitaristische Ziele wie Eroberung, Ausbeutung und Rekrutierung gegangen sei, sondern tatsächlich um Vernichtung und Neuordnung des Raumes nach völkisch-rassistischen Kriterien, sozusagen um eine „koloniale Ordnung neuen Typs“ (Weinke).[25] Weinke urteilt, Lemkins „Axis rule“ sei neben Henry Morgenthaus Plan zum Umgang mit dem nationalsozialistischen Deutschland „der vielleicht konsequenteste und radikalste Versuch, aus einer Analyse der nationalsozialistischen Herrschaftspraxis Schlussfolgerungen für eine strafrechtliche Behandlung staatlicher Massengewalt zu ziehen.“[26] Folge der Debatten des Zweiten Weltkriegs führten jedoch auf eine Konzentration auf Individualisierung des Völkerrechts.[27]

“Die Entwicklung nicht mehr verfolgt“. Raphael Lemkin und Hermann Mosler

Es war eine der Schwächen der juristischen Debatte, dass sich die von Raphael Lemkin geprägten Begriffe „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und „Genozid“ zu zwei parallel genutzten Instrumenten entwickelten, obwohl Schwelb davor gewarnt hatte, sie als unterschiedliche Begriffe zu verwenden.  Crimes against humanity hat sich zu einem „präzisen, jedoch nicht immer eindeutigen juristischen Begriff im nationalen und internationalen Strafrecht entwickelt”.[28]

Die Zuständigkeit des Internationalen Militärgerichtshofs in Nürnberg umfasste Verbrechen gegen die Menschlichkeit, insbesondere Verfolgungen aus politischen, rassischen und religiösen Gründen. In der Praxis der alliierten und deutschen Nachkriegsprozesse wurde ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit jedoch meist nur als Nebenanklage zu konventionellen Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen den Frieden behandelt.  Mit diesem juristischen Kunstgriff sollte vermieden werden, in Konflikt mit der Doktrin der staatlichen Souveränität zu geraten. Dies war der Grund für Schwelbs Konflikt mit Raphael Lemkin und dessen Initiative für die Völkermordkonvention (1948), die Schwelb „als einen Rückschritt gegenüber dem Recht, wie es durch die Nürnberger Charta geschaffen wurde“, ansah.[29] Um eine flexible Völkerrechtslehre zu entwickeln, die bestehende Gewohnheiten und innerstaatliche Praktiken berücksichtigt, betonte er die Notwendigkeit, die beiden Säulen der UN-Charta – die souveräne Gleichheit und die Achtung der Menschenrechte – in ein Gleichgewicht zu bringen, eine Strategie, die anti-utopische Tendenzen im Liberalismus des Kalten Krieges widerspiegelt.[30]  Dies bedeutete jedoch, dass frühere juristische Zielvorstellungen  aufgegeben werden mussten, zum Beispiel die von Lauterpacht forcierte Idee eines internationalen Gerichtshofs, der über Menschenrechtsverletzungen urteilen sollte.

In einem Aufsatz stellte Schwelb fest, es sei unerheblich, ob ein Verbrechen vom Typ „Mord“ vor oder während des Krieges begangen worden sei.[31] Schwelb betonte, Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien ein Konzept, „eine Art Nebenprodukt des Krieges, das nur in Kriegszeiten gilt“.[32] Schwelb setzte damit eine Agenda für spätere UN-Resolutionen im Bereich der Menschenrechte und machte auch deutlich, dass es mit völkerrechtlicher Normsetzung nicht getan sei, wenn der Wille zur politischen Umsetzung fehle. 1946 kam er zu der weitsichtigen Prognose: “The task of making the protection of human rights general, permanent and effective still lies ahead.” Schwelb sah im System der UN (das die Souveränität der Staaten betonte) ein großes Problem bei der Umsetzung der Menschenrechte, welches nur durch supranationale Durchsetzungsmaßnahmen und eine rasche Anpassung an das nationale Recht umgangen werden könne. Er zeigte sich besorgt, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte dazu beigetragen habe, die Grenzen zwischen „verbindlichen Konventionen“ und „unverbindlichen Verlautbarungen“ zu verwischen.

Lemkin wiederum intervenierte nach 1954 auf verschiedenen Wegen für seine Position, da er befürchtete, es gebe „Schwierigkeiten“, wenn sich die Anwendung der Genozid-Konvention mit den Nürnberger Prinzipien vermische. In dieser Sache schrieb er am 25.2.1957 an Hermann Mosler, Direktor des Heidelberger Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, und forderte ihn auf, bei der Bundesregierung „für den Schutz der Konvention“ zu lobbyieren.[33] Er wisse sich in diesem Vorstoß mit seiner Kollegin Ellinor von Puttkamer einig, die 1936-1945 Referentin am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin gewesen war und dem Institut auch nach der Wiedergründung in Heidelberg eng verbunden blieb. Lemkin legte seinem Schreiben ein Memorandum in deutscher Sprache, betitelt „UNO Pläne zur Ersetzung der Völkermordkonvention durch eine Formulierung der Nürnberger Rechtsprechung“, bei.[34] Darin zeigte er sich besorgt über eine „verstümmelte Definition des Völkermordes“ durch die Nürnberger Definition der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. An die deutsche Bundesregierung gerichtet, formulierte Lemkin mit Blick auf die Verbrechen gegen sogenannte Volksdeutsche nach 1945:

„Sollte aber der Nürnberger Begriff ‚Ausrottung‘ die Überhand nehmen, dann könnte Deutschland diesen Vertrag kaum in Bezug auf die Taten gegen die Deutschen in den Nachbarländern anwenden. Die Deutschen wurden in diesen Ländern als nationale ethnische Gruppe zerstört, nicht aber ausgerottet.“

Lemkins Hinweis ist bemerkenswert, zeigt er doch seinen universalistischen Anspruch und ein Bemühen, das Konzept völlig losgelöst vom Holocaust zu behandeln, was wiederum zu Konflikten mit der vorherrschenden Lesart und der Betonung der Nürnberger Prinzipien führte. Das Konzept der Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde erstmals im Rahmen des Eichmann-Prozesses 1961 in Jerusalem in vollem Umfang angewandt (und wurde somit untrennbar mit den Verbrechen des Holocaust verbunden).

Mosler schrieb erst verspätet und sehr abwartend zurück: „Ich bin vor einigen Jahren zur Zeit der Vorbereitung der Ratifikation der Konvention über das Genozidium im Auswärtigen Amt tätig gewesen und über den damaligen Stand der Fragen unterrichtet. Seitdem habe ich die Entwicklung nicht mehr verfolgt.“[35] Er versprach, sich in Bonn zu erkundigen, doch der Briefwechsel bricht an dieser Stelle ab. Mosler scheint in der Sache nichts weiter unternommen zu haben, auch gibt es bis in die 1990er Jahre weder Publikationen zum Thema, noch ein Völkerrechtsgutachten des Instituts. Dies entsprach durchaus dem Zeitgeist und den auch politisch gewünschten Bestrebungen, einen Schlussstrich zu ziehen – der „Heidelberger Juristenkreis“ oder das Tübinger Institut für Besatzungsfragen sind weitere Beispiel hierfür.[36]

Felix Lange betont, dass die Sozialisation im KWI sowie die Erfahrungen während des Krieges Mosler in seiner Haltung bestärkten, dass sich das MPIL an der Rechtspraxis orientieren und von „politisierend-theoretisierenden Strömungen fernhalten“ müsse, da er solche Strömungen für die Anlehnung an nationalsozialistische Rechtsvorstellungen verantwortlich machte.[37] Dies erklärt seine Zurückhaltung, sich auch jetzt nach dem Krieg, an der von Lemkin an ihn herangetragenen Debatte zu beteiligen. Erst nachdem die Diskussionen in anderen Fachgesellschaften bereits breit geführt worden waren, ausgehend von den Exiljuristen und dann, nach 1945, vor allem in den USA, beteiligten sich auch Forschende des MPIL an den Debatten.[38]

***

[1] Kerstin von Lingen, „Crimes against Humanity“. Eine Ideengeschichte der Zivilisierung von Kriegsgewalt, 1864–1945, Paderborn: Schoeningh 2018, 21; Sabina Ferhadbegovic/Kerstin von Lingen/Julia Eichenberg, The United Nations War Crimes Commission (UNWCC), 1943-1948, and the Codification of International Criminal Law: An Introduction to the Special Issue, JHIL 24 (2022), 305–314; vgl. insbes.: Julia Eichenberg, Crossroads in London on the Road to Nuremberg. The London International Assembly and its Sub-Commission on the Trial of War Criminals as a UNWCC predecessor, JHIL 24 (2022), 334–353, sowie die angekündigte Publikation: Julia Eichenberg, The London Moment. European Governments-in-exile during the Second World War, Habilitation HU Berlin.

[2] Vgl.: Raphael Schäfer, Humanität als Nicht-Prinzip. Anmerkungen zur Kriegsrechtsvorlesung von Ernst Martin Schmitz aus dem Jahre 1938, MPIL100.de.

[3] Beth van Schaack, The Definition of Crimes against Humanity: Resolving the Incoherence, Columbia Journal of Transnational Law 37 (1998/99), 787–850, 791.

[4] Kerstin von Lingen, Epistemic Communities of Exile Lawyers at the UNWCC, JHIL 24 (2022), 315-333.

[5] Van Schaack (Fn. 3), 789; Cherif M. Bassiouni beschreibt “crimes against humanity” als “product of exigent historical circumstances”: Cherif M. Bassiouni, “Crimes against Humanity”. The Need for a Specialized Convention, Columbia Journal of Transnational Law 31 (1993/94), 457–494, 472.

[6] Hierzu ausführlich: Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption. Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 262, Heidelberg: Springer 2017, 41–48.

[7] Zu den ersten substanziellen Publikationen zum Thema in der ZaöRV zählen: Stefan Oeter, Kriegsverbrechen in den Konflikten um das Erbe Jugoslawiens. Ein Beitrag zu den Fragen der kollektiven und individuellen Verantwortlichkeit für Verletzungen des Humanitären Völkerrechts, ZaöRV 53 (1993), 1–48, und: Karin Oellers-Frahm, Anmerkungen zur einstweiligen Anordnung des Internationalen Gerichtshofs im Fall Bosnien-Herzegowina gegen Jugoslawien (Serbien und Montenegro) vom 8. April 1993, ZaöRV 53 (1993), 638–656.

[8] Kerstin von Lingen, Coining Postwar Justice from the Margins: Exile Lawyers in London, 1941–45, in: Ornella Rovetta/ Pieter Lagrou (Hrsg.), Defeating Impunity. Attempts at International Justice in Europe since 1914, War and Genocide Bd. 33, New York: Berghahn 2021, 64–90, 66; Mira Siegelberg, Unofficial Men, Efficient Civil Servants. Raphael Lemkin in the History of International Law, Journal of Genocide Research 15 (2013), 297–316, 304.

[9] Mira Siegelberg, The Via Media. Egon Schwelb’s Mid-Century Stoic Legalism and the Birth of Human Rights Law, in: James Loeffler/Moria Paz (Hrsg,), The Law of Strangers, Jewish Lawyers and International Law in the Twentieth Century, Cambridge: Cambridge University Press 2019, 143–166.

[10] Von Lingen (Fn. 4).

[11] Martti Koskenniemi, Lauterpacht: The Victorian Tradition in International Law, EJIL 2 (1997), 215–263, 228.

[12] Foto: © UN Photo/Marvin Bolotsky.

[13] Daniel Segesser/ Myriam Gessler, Raphael Lemkin and the International Debate on the Punishment of War Crimes (1919–1948), Journal of Genocide Research 7 (2005), 453–468.

[14] Helmut Aust, From Diplomat to Academic Activist. Andre Mandelstam and the History of Human Rights, EJIL 25 (2015), 1105–1121.

[15] Siegelberg, Unofficial Men (Fn.8); Daniel Segesser, Die historischen Wurzeln des Begriffs “Verbrechen gegen die Menschlichkeit”, in: Thomas Vormbaum (Hrsg.), Jahrbuch der Juristischen Zeitgeschichte 8 (2006/2007), 75–101, 93; Daniel Segesser, Der Tatbestand Verbrechen gegen die Menschlichkeit (NMT), in: Kim Christian Priemel/Alexa Stiller (Hrsg.), NMT. Die Nürnberger Militärtribunale zwischen Geschichte, Gerechtigkeit und Rechtschöpfung, Hamburg: Hamburger Edition 2013, 586–604, 589; hierzu ausführlich: Daniel Segesser, Recht statt Rache oder Rache durch Recht? Die Ahndung von Kriegsverbrechen in der internationalen fachwissenschaftlichen Debatte 1872–1945, Krieg in der Geschichte Bd. 38, Der Weg zum Internationalen Strafgerichtshof – Eine Sackgasse? Die Debatte in Der Zwischenkriegszeit, 233–302.

[16] Eingehend hierzu in teilweise fiktionalisierter Form: Philippe Sands, East West Street: On the Origins of “Genocide” and “Crimes Against Humanity”, New York: Alfred A. Knopf, Penguin Random House 2016.

[17] Brief von Egon Schwelb an Sir Humphrey Waldock, datiert 7.06.1947, zitiert nach: Siegelberg, Unofficial Men (Fn. 8), 304.

[18] Siegelberg, Unofficial Men (Fn. 8), 307.

[19] Raphael Lemkin, Axis Rule in Occupied Europe. Laws of Occupation, Analysis of Government, Proposals for Redress, Clark, NJ: Publications of the Carnegie Endowment for International Peace, Division of International Law 1944.

[20] Annette Weinke, Gewalt, Geschichte, Gerechtigkeit. Transnationale Debatten über deutsche Staatsverbrechen im 20. Jahrhundert, Göttingen: Wallstein 2016, 119.

[21] Seyla Benhabib, From “the Dialectic of Enlightenment” to “the Origins of Totalitarianism” and the Genocide Convention: Adorno and Horkheimer in the Company of Arendt and Lemkin, in: Warren Breckman et al. (eds.), The Modernist Imagination: Intellectual History and Critical Theory, New York: Berghahn 2009, 299.

[22] Lemkin (Fn. 19), 77; ebenso bei Weinke (Fn. 20), 119.

[23] Weinke (Fn. 20), 121.

[24] Auch im Folgenden hierzu: Weinke (Fn. 20), 121–122.

[25] Weinke (Fn. 20), 122.

[26] Weinke (Fn. 20), 124.

[27] Anne Peters, Before Human Rights. The Formation of the International Legal Status of the Individual, 1914– 45, in: Tom Sparks/Anne Peters (eds.), The Individual in International Law, Oxford: Oxford University Press 2024, 119–163.

[28] Michael Geyer, Crimes against Humanity, in: Gordon Martel, The Encyclopedia of War, Hoboken NJ: Blackwell 2012, DOI: 10.1002/9781444338232.

[29] Brief von Egon Schwelb an George Brand (UNWCC), datiert 18.11.1948, SOA 17/03, United Nationals Office at Geneva; siehe auch: Siegelberg, Via Media (Fn. 9), 153.

[30] Siegelberg, Via Media (Fn. 9), 145.

[31] Egon Schwelb, Material for the Preparation of a Definition of “Crimes Against Humantiy”, 22.03.1946, 14.

[32] Egon Schwelb, Crimes against Humanity, Oxford: Oxford University Press 1946, 206.

[33] Brief von Raphael Lemkin an Hermann Mosler, datiert 25.2.1957, II Rep 44, Nr. 1-10, AMPG.

[34] Raphael Lemkin, Memorandum „UNO Pläne zur Ersetzung der Völkermordkonvention durch eine Formulierung der Nürnberger Rechtsprechung“, II Rep 44, Nr. 1-10, AMPG.

[35] Brief von Hermann Mosler an Raphael Lemkin, datiert 9.4.1957, II Rep 44, Nr. 1-10, AMPG.

[36] Vgl.: Philipp Glahé, Amnestielobbyismus für NS-Verbrecher. Der Heidelberger Juristenkreis und die alliierte Justiz 1949-1955, Göttingen: Wallstein 2024; Philipp Glahé, The Heidelberg Circle of Jurists and Its Struggle against Allied Jurisdiction: Amnesty-Lobbyism and Impunity-Demands for National Socialist War Criminals (1949–1955), JHIL 21 (2019), 1–44.

[37] Lange (Fn. 6), 95.

[38] Vgl. Analyse bei: Ronen Steinke, The Politics of International Criminal Justice, Oxford: Hart Publishing 2012.

Umbrüche. Das Institut und das Ende des Kalten Kriegs

Upheavals. The Institute and the End of the Cold War

Deutsch

1. Die Westbindung des Instituts

Das Institut war nach dem zweiten Weltkrieg – so wie die Bundesrepublik Deutschland – fest im Westen verankert. Die Verbindungen nach Westeuropa waren geknüpft und wurden gepflegt, als besonderes Qualifikationsmerkmal am Institut galt ein Forschungsaufenthalt an einer US-Universität. Alle Institutsdirektoren seit Rudolf Bernhardt – mit der einzigen Ausnahme von Armin von Bogdandy – hatten, bevor sie einen Lehrstuhl erhielten, Forschungsaufenthalte an US-Universitäten absolviert. Wer eine Otto-Hahn-Medaille gewann, den zog es zumeist über den Atlantik. Rechtsvergleichende Arbeiten untersuchten fast immer auch das US-Verfassungsrecht und die Rechtsprechung des Supreme Court, und zwar zumeist als Vorbild und nicht als Gegenstand der Kritik. Das Rechtssystem der Vereinigten Staaten hatte einen großen Einfluss auf das am Institut gepflegte Rechtsverständnis.

Demgegenüber richtete sich der Blick des Instituts nur zögerlich nach Osten. Dies war in erster Linie den politischen Umständen geschuldet: Der Osten zeigte sich wegen der gravierenden Reisebeschränkungen für seine Bürger und auch für die Wissenschaftler für einen unmittelbaren Austausch nicht bereit. Die aus den osteuropäischen Ländern anreisenden Wissenschaftler traten als their political masters’ voice auf, sie verteidigten in unkritischer Weise das politische Handeln ihrer Regierungen und wurden als Juristen nicht ganz ernst genommen. Ein Studium der innerstaatlichen Verhältnisse der sozialistischen Staaten aus rechtswissenschaftlicher Sicht erschien unergiebig, weil das Recht für den Staat nur eine untergeordnete Rolle spielte und eine intellektuell herausfordernde Doktrin in diesen Ländern fehlte.

2. Die Öffnung zum Osten

Meinhard Hilf und sowjetische Völkerrechtler Mark Boguslavsky 1985 auf dem Institutskolloquium „Die Rechtsstellung von Ausländern nach staatlichem Recht und Völkerrecht“[1]

Erst seit den 1970er Jahren – einhergehend mit der Entspannungspolitik – wurden intensivere Kontakte in den Osten geknüpft, angefangen mit den von Professor Bernhardt organisierten deutsch-polnischen Juristentreffen; Polen hatten schon seit dieser Zeit immer wieder längere Forschungsaufenthalte am Institut absolviert, wie etwa Professor Zdzisław Kedzia und Privatdozent Jurek Kranz aus Posen (1986-1987). Seit den 1980er Jahren wurde auch ein Kontakt mit der Sowjetunion aufgebaut, auch ein Besuch der Sowjetunion durch eine Delegation des Instituts fand 1986 statt. Seit 1988 besuchten dann regelmäßig Gastwissenschaftler aus ganz Osteuropa das Institut, wie etwa Professor Arben Puto und Dr. Xhezair Zaganjori aus Albanien, der aufgehende Star der sowjetischen Rechtswissenschaft Gennadi Danilenko, dann Sergej Brutian und der spätere Mitarbeiter des Instituts Tigran Beknazar Jusbaschew. Der Direktor des Instituts für Staat und Recht der Akademie der Sowjetunion Boris Nikolaevich Topornin kam ebenfalls immer häufiger nach Heidelberg, merkte aber gegenüber dem Verfasser dieser Zeilen an, dass Einladungen an Mitarbeiter des Instituts für Staat und Recht in Moskau über seinen Schreibtisch zu gehen hätten und keinesfalls unmittelbar an die Eingeladenen gerichtet werden dürften; das entsprach allerdings nicht der Praxis des Max-Planck-Instituts.

Die Besucher insbesondere aus den stärker abgeschotteten Staaten wie der Sowjetunion oder Albanien brachten zumeist ein ideologisch vorgefertigtes Bild von den kapitalistischen Ländern mit, das nicht immer der Überprüfung durch die Wirklichkeit standhielt, so dass es manche Überraschungserlebnisse gab. Ein sowjetischer Wissenschaftler ging davon aus, dass in Bayern im Wesentlichen Nazis lebten, die immer noch Jagd auf Russen machten; ein anderer hielt die rechtsextremistische National- und Soldatenzeitung, die er regelmäßig las, für den wahren Spiegel des deutschen Denkens. Den Albanern erschien unheimlich, dass in Deutschland ein überwiegend vernichtendes Urteil über den großen Vorsitzenden Mao Tse Tung vorherrschte.

Der erste Rechtswissenschaftler aus der DDR, der 1989 an einer Konferenz am Institut teilnahm, wurde bestaunt wie auf einer Völkerschau. Erst langsam wurde der Kulturschock nach dem Aufeinandertreffen zweier gegeneinander isolierter Welten überwunden. Mit den Gästen aus Ostmitteleuropa wie Jurek Kranz aus Polen, Balthasar Nagy aus Ungarn, die leichter in die Bundesrepublik Deutschland kamen als Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit aus der DDR, begann ein reger Austausch, auch über die Möglichkeiten einer Annäherung zwischen dem Osten und dem Westen, oft bei einem köstlichen ungarischen Essen, das László Bodnár mit Meisterschaft – bisweilen über einen ganzen Tag – für größere Gruppierungen zwischen 15 und 20 Personen vorbereitete.

3. Die „deutsche Frage“ und ihr Verschwinden

Wissenschaftlich beschäftigte man sich am Institut mit den Gegebenheiten des Kalten Krieges in erster Linie im Umfeld der „deutschen Frage“, zu deren Beantwortung insbesondere in den sechziger und siebziger Jahren sehr elaborierte Konstruktionen entwickelt wurden, welche einerseits die friedliche Koexistenz und andererseits ein Festhalten an der künftigen Wiedervereinigung ermöglichten. Die Ostverträge und der Grundlagenvertrag hatten, so wird berichtet, am Institut zu sehr lebhaften Diskussionen geführt, aber seit den 1980er Jahren hatte man sich in die Gegebenheiten gefügt. Die „Deutschlandfrage“ verschwand aus dem Blickpunkt der Forschung, wie sich an der abnehmenden Zahl an Publikationen zu diesem Thema ablesen lässt. Nur einzelne Fragen – wie etwa die Staatsangehörigkeitsfrage, welche in dem Teso-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts eingehend behandelt wurde – führten noch einmal zu wissenschaftlichen Äußerungen. Einzelne Mitglieder des Instituts hielten an der Hoffnung auf Wiedervereinigung fest. An erster Stelle ist hier Privatdozent Theodor Schweisfurth (später Professor an der Viadrina in Frankfurt an der Oder), spezialisiert im Ostrecht, zu nennen, der mit sehr profunden Kenntnissen und aus einem Patriotismus im guten Sinne die deutsche Teilung als etwas zu Überwindendendes behandelte. Er war Sozialdemokrat, verließ die Partei aber in den 1980er Jahren, weil sie die Wiedervereinigung nicht weiter verfolgte. Auch Professor Karl Doehring, ein erklärter Konservativer, sah die deutsche Teilung nicht als von der Geschichte vorgeben an und hielt diesen Zustand auch wegen der Verletzung des Selbstbestimmungsrechts für völkerrechtswidrig. Zu einer bemerkenswerten Begebenheit, 1987 oder 1988, geriet ein Vortrag von Professor Wolfgang Seiffert. Dieser Wissenschaftler hatte einen sehr farbigen Lebenslauf mit Jugendjahren in der Sowjetunion, einem Gefängnisaufenthalt in der Bundesrepublik in den fünfziger Jahren wegen subversiver Tätigkeiten, einem steilen Aufstieg zum Leiter der Rechtsabteilung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe und schließlich der überraschenden Übersiedlung in die Bundesrepublik 1978, wo er Professor für Ostrecht an der Universität Kiel wurde. Er war ein entschiedener Verfechter der Wiedervereinigung und legte in seinem Vortrag dar, dass diese bevorstehe, weil auch in der DDR der Glaube an die geschichtliche Zwangsläufigkeit einer deutschen Teilung schwinde. Solche Worte klangen Ende der 1980er Jahre ungewohnt und trafen bei den Zuhörern auf ungläubiges Staunen, das dann in heftige Kritik umschlug, um in einem hochemotionalen Streitgespräch zu enden; Professor Seiffert wurde als ein Phantast gesehen, der eine gefährliche Unruhe in den akzeptierten Status quo trug. Tatsächlich war dieses Ereignis symptomatisch für die Einstellung am Institut. Für die deutsche Wiedervereinigung galt das Umgekehrte des berühmten Satzes von Gambetta über Elsass-Lothringen nach 1871: „On en parlait toujours, mais on n’y pensait jamais“. Sie lag wie die Wiederkunft des Messias in einer fernen Zukunft, die niemand erleben würde. Professor Seiffert, welch Ironie der Geschichte, kooperierte später eng mit dem Institut, als dieses unter der Federführung von Professor Wolfrum in Zusammenarbeit mit dem Direktor des Instituts für Staat und Recht in Moskau, Professor Topornin, einen Kurs im öffentlichen Wirtschaftsrecht anbot.

4. Der Mauerfall als grundgesetzlich vorgesehenes, aber tatsächlich unvorhergesehenes Ereignis

Hat 1972 allenfalls das Potenzial zum schlechten Scherz: Das Ende des Kalten Krieges[2]

Der Fall der Mauer hat alle überrascht, wahrscheinlich auch, weil – in Umkehr des berühmten Ulbricht-Satzes – niemand die Absicht hatte, die Mauer einzureißen. Die eingehende theoretische Beschäftigung mit der Deutschlandfrage hatte nicht dazu geführt, dass die praktisch eingetretenen Ereignisse vorausgeahnt, geschweige denn vorausgesagt, worden sind. Dass eintreten konnte, was grundgesetzlich vorgesehen war, nämlich die Wiedervereinigung, überstieg dann doch die Vorstellungskraft. Der Verfasser dieser Zeilen weilte am 10. Oktober 1989 in Dresden, das an diesem Tag von gepanzerten Fahrzeugen umstellt war, und er fragte sich, ob die dortige Demonstration in einem Blutbad oder als „Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit“ (Hegel) enden würde; noch einen Monat vor dem Fall der Mauer war für ihn der Lauf der Geschichte nicht absehbar. Die Hegelsche Eule der Minerva begann auch dieses Mal ihren Flug erst in der Dämmerung, und so lag denn auch beim Institut kein Plan in der Schublade, wie die sich überschlagenden Ereignisse juristisch eingefangen werden konnten. Klar war nur, dass alle am Institut und damit auch das Institut selbst die Wiedervereinigung sehr begrüßten. Kritische Stimmen – seinerzeit auch in der deutschen Gesellschaft hier und dort zu hören, zumeist wegen der zu erwartenden Kosten, teilweise auch wegen der außenpolitischen Implikationen – fanden sich am Institut nicht. Bei den ausländischen Gästen wurde die ungetrübte Euphorie nicht überall geteilt. Manche befiel ein etwas mulmiges Gefühl wegen einer möglichen deutschen Übermacht auf dem europäischen Kontinent; dazu wurde der Ton gesetzt von Margret Thatcher, François Mitterand und Giulio Andreotti. Polnische Gäste bemängelten, dass die Regierung Kohl sich erst nach dem Zwei-plus-Vier-Vertrag zu einer klaren Festlegung der Ostgrenze gegenüber Polen verstand. (Wobei anzumerken ist, dass wegen des Viermächtevorbehaltes für Fragen, die Deutschland als Ganzes betrafen, wozu auch alle Territorialfragen gehörten, Deutschland tatsächlich erst nach dem Ende der Besatzungsregelungen über sein Gebiet verfügen konnte.)

5. Wechselwirkungen zwischen Mauerfall und Institut

Wozu nach Berlin? Kaffeepause im Institut, 1986[3]

Die Ereignisse um den 9. November 1989 beeinflussten das Institut, indem die schon lange schwebende Frage nach einem Institutsneubau mit der Suche nach einem Bauplatz in Berlin beantwortet werden sollte. Hierfür machten sich in den Tagen des Novembers insbesondere Theodor Schweisfurth, Georg Nolte und der Verfasser dieses Beitrags stark. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass der Vereinigungsprozess noch einige Zeit in Anspruch nehmen werde – von einer schnellen Wiedervereinigung sprach noch niemand, eher von konföderalen Lösungen und einer schrittweisen Annäherung, und darauf könnte die am Institut versammelte Expertise Einfluss nehmen. Die Diskussion gewann – was sonst am Institut eher selten vorkam – auch eine emotionale Tonlage, die ihren höchsten Ausdruck in Theodor Schweisfurths Ausruf fand: „Es kann doch nicht sein, dass das Völkerrechtsinstitut in den Gebäuden des Berliner Schlosses seinen Anfang nahm, um dann im Heidelberger Campus neben einer Müllverbrennungsanlage zu enden.“ Schließlich siegte, wie häufig in solchen Fragen, das Beharrungsvermögen des status quo über die neue Idee. Unter Hinweis auf die, allerdings auch in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzenden, nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter aus Handschuhsheim und anderen Gegenden Heidelbergs, denen verständlicherweise ein Umzug nach Berlin nicht zumutbar war, wurde von einer Verlegung des Instituts nach Berlin abgesehen. Wie sehr bei dieser Entscheidung auch die Entfernung von Berlin nach Straßburg eine Rolle spielte, wo das Institut in den Organen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs prominent vertreten war – Professor Bernhardt als Richter, Professor Frowein in der Kommission – vermag der Autor nicht zu sagen.

Wenn also die Ereignisse des 9. November 1989 die Diskussion des Instituts beeinflussten, ist unbekannt, ob umgekehrt das Institut auch den Lauf der Ereignisse beeinflusste. Diese überstürzten sich derart, dass eine eingehende Beratung gar nicht möglich war. Die Schnelligkeit der Veränderungen vertrug die wissenschaftliche Bedächtigkeit nicht. Wieweit über den wissenschaftlichen Beirat des Auswärtigen Amtes Mitglieder des Instituts ihren Rat anboten, ist dem Verfasser dieses Beitrags unbekannt. Aufsätze zur Wiedervereinigung finden sich in der ZaöRV erst im Band 51 aus dem Jahr 1991.

6. In orientem lux

Allerdings wurde nach der Wiedervereinigung sehr aktiv der Aufbau der Rechtsstaatlichkeit in den neuen Demokratien betrieben. Georg Nolte ging als junger Wissenschaftler an die juristische Fakultät in Leipzig und wirkte an ihrer Neugestaltung mit. Mitarbeiter reisten in viele mittel- und osteuropäische Länder zu Beratungen über Verfassungen, Verfassungsgerichtsbarkeit und Europarecht. Der Autor verbrachte vier Monate am Institut für Staat und Recht in Moskau, was die Grundlage für spätere Beratungstätigkeiten am russischen und ukrainischen Verfassungsgericht schuf. Das ukrainische Verfassungsgericht – einzelne Richter, Richterdelegationen oder die wissenschaftlichen Mitarbeiter – wurde zum regelmäßigen Gast am Institut, wo gemeinsame Kolloquien oder Seminare abgehalten oder rechtliche Problemstellungen in der Ukraine unter Heranziehung der Rechtsvergleichung erörtert wurden.

Viele Personen aus den Umbruchsländern, welche am Institut als Gäste forschten, machten in den darauffolgenden Jahren bemerkenswerte Karrieren – um nur einige Beispiele zu nennen: Hanna Suchocka wurde polnische Ministerpräsidentin, Krysztov Skubiszewski polnischer Außenminister, Jurek Kranz polnischer Botschafter in Deutschland, Xhezair Zaganjori albanischer Botschafter in Deutschland, später Präsident des Verfassungsgerichts und dann des Obersten Gerichts, Ineta Zimele wurde lettische Verfassungsrichterin, Richterin am Europäischen Menschenrechtsgerichtshof und am Europäischen Gerichtshof, Pavel Holländer tschechischer Verfassungsrichter, Alexander Brösel slowakischer Verfassungsrichter, Pál Sonnevend Berater des ungarischen Verfassungsgerichtspräsidenten und dann des ungarischen Präsidenten László Sólyom. Auf diese Weise wurden die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung und des akademischen Austauschs am Institut in viele Länder in den Aufbaujahren getragen.

7. Das Ende des Falles und der Morgen danach

Die Konzentration des Instituts auf die Reformländer Ost- und Mitteleuropas endete zu Beginn des neuen Jahrtausends; zwar wurde weiter eine intensive Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern und Rechtspraktikern aus diesen Ländern gepflegt, aber nicht mehr mit demselben Vorrang, andere Weltgegenden wie insbesondere Lateinamerika rückten regional stärker in den Fokus, thematisch die Integration Europas und der Kampf gegen den Terrorismus. Immerhin wurde 2012 noch die virtuelle russischsprachige Zeitschrift Дайжест публичного права (Digesten des öffentlichen Rechts) ins Leben gerufen, in welcher Tigran Beknazar Jusbaschew deutsche Artikel in russischer Sprache veröffentlichte und die bis zu ihrer Einstellung 2024 zu einem im russischsprachigen Raum sehr nachgefragten Journal wurde.

Heute erinnert das größte Kunstwerk am Institut, gleich am Eingang, das fast 15 qm große Ölgemälde „Der 9. November 1989 in Deuna, am Morgen danach“, bildgewaltig an den Mauerfall als den Anfangspunkt der hier geschilderten Ereignisse, die die Tätigkeit des Instituts über ein Jahrzehnt prägten und damit auch Teil der Institutsgeschichte wurden. Angesichts fortdauernder Krisen – der Bedrohung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie imperialistischer Kriege – dauert dieser Morgen nach dem 9. November 1989 in vielen dieser Länder bis heute an.

[1] Foto: MPIL.

[2] Bibliotheksmitarbeiterin Frau Kalt, 1972; Foto: MPIL.

[3] Mit: Margot Lintaller, Sabine Thomsen, Werner Morvay, Peter Lawrence, Robert Heuser, Robert Hollweg; Foto: MPIL.

English

1. The Institute’s Westbindung

After the Second World War, the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law (MPIL) – like the Federal Republic itself – was firmly anchored in the West. Connections to Western Europe were established and maintained, and a research stay at a US university was considered a special qualification at the Institute. All MPIL directors since Rudolf Bernhardt – with the sole exception of Armin von Bogdandy – have been on research stays at US universities before being awarded an academic chair. Those who won an Otto Hahn Medal were usually drawn across the Atlantic. Comparative studies rarely failed to analyse US constitutional law and the jurisprudence of the Supreme Court and usually considered them a model rather than an object of criticism. The legal system of the United States had a major influence on the understanding of law cultivated at the Institute.

In contrast, the MPIL was hesitant to look eastwards. This was primarily due to the political circumstances: The East was not prepared for a direct exchange, not least due to the severe travel restrictions imposed on its citizens, including its academics. Those academics who did visit from Eastern European countries acted as their political masters’ voice: they uncritically defended the political actions of their governments and were thus not taken very seriously as legal scholars. Additionally, studying the domestic conditions of the socialist states from a jurisprudential perspective seemed unproductive because the law only played a subordinate role in these systems and they thus lacked intellectually challenging legal doctrine.

2. The Opening to the East

Meinhard Hilf and Soviet international law scholar Mark Boguslavsky at the Institute’s colloquium “The Legal Status of Foreigners under National and International Law”[1]

It was not until the 1970s – in line with the policy of détente – that more intensive contacts with the East were established, starting with the German-Polish law expert meetings organised by Professor Bernhardt. Since then, Poles regularly came to the Institute for extended research stays, as exemplified by Professor Zdzisław Kedzia and university lecturer Jurek Kranz from Poznan (1986–1987).  Since the 1980s, contact with the Soviet Union was established as well and a delegation from the Institute first visited the country in 1986. Since 1988, visiting academics from all over Eastern Europe regularly came to  the Institute, such as Professor Arben Puto and Dr Xhezair Zaganjori from Albania, the rising star of Soviet jurisprudence Gennady Danilenko, then Sergei Brutian and Tigran Beknazar Yuzbashev, who would later go on to work at the MPIL. Boris Nikolaevich Topornin, Director of the Institute for State and Law of the Academy of Sciences of the Soviet Union, also travelled to Heidelberg more and more frequently, but remarked to the author of these lines that invitations to employees of his Moscow Institute had to go through him and should never be addressed directly to the invitees; a proposal which did not correspond to the practice of the Max Planck Institute.

Visitors, particularly those from the more isolated states such as the Soviet Union or Albania, usually brought with them an ideologically preconceived image of capitalist countries that did not always stand up to scrutiny by reality, resulting in some surprising experiences: One Soviet scholar assumed that population of Bavaria essentially consisted of Nazis still on the hunt for Russians; another considered the right-wing extremist National- und Soldatenzeitung (“National and Soldier newspaper”), which he read regularly, to be the true mirror of general German thought. The Albanians found it uncanny that the prevailing judgement of the great Chairman Mao Tse Tung in Germany was largely negative.

The first legal scholar from the GDR to take part in a conference at the Institute in 1989 was marvelled at like a rare attraction at a human zoo. The culture shock after the clash of two worlds, that had long been isolated from each other, was only slowly overcome. Guests from Central and Eastern Europe, such as Jurek Kranz from Poland and Balthasar Nagy from Hungary, who were able to visit the Federal Republic more easily than those with German citizenship from the GDR, participated in a lively exchange at the Institute, including about the possibilities of a rapprochement between the East and the West. Those conversations often took place over delicious Hungarian food, which Laszlo Bodnár prepared with mastery –sometimes over a whole day – for larger groups of between 15 and 20 people.

3. The “German Question” and its Disappearance

Academically, the Institute dealt with the circumstances of the Cold War primarily in the context of the “German question”. In order to answer it, enabling peaceful coexistence on the one hand and adherence to future reunification on the other, very elaborate constructions were developed, particularly in the 1960s and 1970s. It is reported that the so called Ostverträge (“Eastern treaties”) and the Grundlagenvertrag (Basic Treaty) had led to very lively discussions at the Institute, but since the 1980s, people had come to terms with the circumstances. The “German question” was no longer the focus of the MPIL’s research, as can be seen from the decreasing number of publications on this topic. Now, scholarly attention was merely given to specialised questions – such as the issue of citizenship, which was dealt with in detail in the Teso decision of the Federal Constitutional Court. Yet, individual members of the Institute held on to the hope for reunification. First and foremost, private lecturer Theodor Schweisfurth (later professor at the Viadrina in Frankfurt an der Oder), who specialised in Eastern European law, should be mentioned here: With very profound knowledge and patriotism, he treated the division of Germany as something to be overcome. Schweisfurth was a Social Democrat, but left the Social Democratic Party of Germany (SPD) in the 1980s because it did not further pursue reunification. Professor Karl Doehring, an avowed conservative, did not see the division of Germany as predetermined by history either and considered this state of affairs to be contrary to international law due to a violation of the right to self-determination. A lecture by Professor Wolfgang Seiffert in 1987 or 1988 was a remarkable event: This academic had a very colourful curriculum vitae with his youth spent in the Soviet Union, a prison term in the Federal Republic in the 1950s for subversive activities, a steep rise to become head of the legal department of the Council for Mutual Economic Assistance, and finally the surprising move to the Federal Republic in 1978, where he became Professor of Eastern European Law at the University of Kiel. He was a staunch advocate of reunification and explained in his lecture that it was imminent because even in the GDR the belief in the historical inevitability of German division was fading. Such words sounded unusual at the end of the 1980s and were met with incredulous amazement by the audience, which then turned into fierce criticism and ended in a highly emotional debate; Professor Seiffert was seen as a fantasist who was bringing dangerous unrest to the accepted status quo. In fact, this event was symptomatic of the attitude at the institute. The prevailing view of German reunification at the time can be described by the inversion of Gambetta’s famous phrase about Alsace-Lorraine after 1871: “On en parlait toujours, mais on n’y pensait jamais” – like the return of the Messiah, it lay in a distant future that no one would live to see. Professor Seiffert – what an irony of history – later cooperated closely with the Institute when it offered a course in public commercial law under the leadership of Professor Wolfrum in collaboration with the Director of the Institute for State and Law in Moscow, Professor Topornin.

4. The Fall of the Berlin Wall. Foreseen by the Constitution but not in Actuality

A tired joke, at best, in 1972: The end of the Cold War [2]

The fall of the Berlin Wall took everyone by surprise, probably in part because – in a reversal of Ulbricht’s famous statement – nobody had any intention of tearing down the wall. The in-depth theoretical examination of the German question had not led to the events that occurred in practice being anticipated, let alone predicted. The fact that what was intended for by the Federal Republic’s Constitution, reunification, could actually materialise was beyond anyone’s imagination. The author of these lines spent 10 October 1989 in Dresden, which was surrounded by armoured vehicles on that day, and he wondered whether the demonstration there would end in a bloodbath or as “progress in the consciousness of freedom” (Hegel); even a month before the fall of the Wall, he could not foresee the course of history. Once again, Hegel’s owl of Minerva only began its flight at dusk, and so the MPIL had no plan drawn up as to how the unfolding events could be addressed legally. The only thing that was clear was that everyone at the Institute, and thereby the Institute itself, very much welcomed the reunification. Critical voices – which could be heard here and there in German society at the time, mostly because of the expected costs, sometimes also because of the foreign policy implications – did not find an open ear at the Institute. Yet, the unclouded euphoria was not universally shared by the foreign guests. Some felt a little uneasy about the possibility of German superiority on the European continent; the tone was set by Margret Thatcher, François Mitterand, and Giulio Andreotti. Polish guests criticised the fact that the Kohl government was only able to agree on a clear definition of the Eastern border with Poland after the Two Plus Four Treaty. (It should be noted, however, that due to the four-power reservation for issues affecting Germany as a whole, which included all territorial issues, Germany could actually only dispose of its territory after the end of the occupation regulations).

5. The Fall of the Berlin Wall and the Institute

Why go to Berlin? Coffee break at the Institute, 1986[3]

The events around 9 November 1989 influenced the Institute directly insofar that the long-pending question of a new institute building was to be answered with the search for a building site in Berlin. In the following weeks, Theodor Schweisfurth, Georg Nolte, and the author of this contribution were particularly avid supporters of this. The underlying idea was that the unification process would take some time – no one was talking about a quick reunification yet, but rather about confederal solutions and a gradual rapprochement – and the expertise gathered at the Institute could influence it. The discussion also took on an emotional tone, something that otherwise rarely happened at the Institute, which found its highest expression in Theodor Schweisfurth’s exclamation: “It’s inconceivable that the International Law Institute should have started in the buildings of the Berlin Palace only to end up on the Heidelberg campus next to a waste incineration plant.” In the end, as is often the case in such matters, the inertia of the status quo won out over the new idea: With reference to the non-scientific staff from Handschuhsheim and other areas of Heidelberg – whose importance should indeed not be underestimated – who could not reasonably be expected to move to Berlin, the decision was made not to relocate the institute. The author is unable to determine to what extent the distance from Berlin to Strasbourg, where the Institute was prominently represented in the organs of the European Court of Human Rights – Professor Bernhardt as a judge, Professor Frowein in the Commission – played a role in this decision.

While the events of 9 November 1989 influenced the Institute’s discussions, it is not known whether, conversely, the Institute influenced the course of events of the reunification process. Things happened so quickly that it was impossible to hold in-depth discussions. The speed of the changes was not compatible with scientific deliberation. The author of this article does not know to what extent members of the Institute offered their advice via the Scientific Advisory Council of the Federal Foreign Office. Articles on the German reunification can be found in the Institute’s Journal Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV; English title: Heidelberg Journal of International Law, HJIL) only from volume 51 of 1991 onwards.

6. In orientem lux

However, after reunification, the establishment of the rule of law in the new democracies was very actively pursued. Georg Nolte joined the law faculty in Leipzig as a young academic and was involved in its reorganisation. MPIL members travelled to many Central and Eastern European countries for consultations on constitutions, constitutional jurisdiction, and EU law. The author spent four months at the Institute for State and Law in Moscow, which laid the foundation for later consultancy work at the Russian and Ukrainian Constitutional Courts. Representatives of the Ukrainian Constitutional Court – individual judges, delegations of judges and academic staff – became regular guests at the Institute, where joint colloquia and seminars were held and legal problems Ukraine was facing were discussed from a comparative legal perspective.

Many scholars from these transitioning countries who came to the MPIL as guest researchers went on to make remarkable careers in the years that followed – to name just a few examples: Hanna Suchocka became Polish Prime Minister; Krysztov Skubiszewski Polish Foreign Minister; Jurek Kranz Polish Ambassador to Germany; Xhezair Zaganjori became Albanian Ambassador to Germany, later President of the Constitutional Court and then of the Supreme Court; Ineta Zimele became a Latvian constitutional judge, judge at the European Court of Human Rights, and the European Court of Justice; Pavel Holländer Czech constitutional judge; Alexander Brösel Slovakian constitutional judge; Pál Sonnevend became advisor to the President of the Hungarian Constitutional Court and then to Hungarian President László Sólyom. In this way, the results of scientific research and academic exchange at the Institute were carried to many young nations.

7. The End of the Fall and the Morning After

The Institute’s focus on the reforming countries of Eastern and Central Europe ended at the beginning of the new millennium; although intensive cooperation with scholars and legal practitioners from these countries continued, it was no longer given the same priority. Other parts of the world, in particular Latin America, became more of a focus, as did European integration, and the fight against terrorism. Nevertheless, in 2012, the virtual Russian-language journal Дайжест публичного права (Digests of Public Law), in which Tigran Beknazar Yuzbachev published German articles in Russian, was launched and became a very popular journal in the Russian-speaking world until it was discontinued in 2024.

Today, the largest artwork at the Institute, the almost 15 square metre oil painting „Der 9. November 1989 in Deuna, am Morgen danach“ (“9 November 1989 in Deuna, the morning after”), is a powerful reminder of the fall of the Berlin Wall as the starting point of the events described here, which shaped the Institute’s activities for over a decade and thus also became part of the Institute’s history. In the face of ongoing crises – the threat to democracy and the rule of law as well as imperialist wars – in many of the aforementioned countries, this metaphorical morning after the events of 9 November 1989 continues to this day.

[1] Photo: MPIL.

[2] Library employee Mrs. Kalt, 1972; Photo: MPIL.

[3] With: Margot Lintaller, Sabine Thomsen, Werner Morvay, Peter Lawrence, Robert Heuser, Robert Hollweg; Photo: MPIL.

Letters from Zagreb. Juraj Andrassy and the MPIL

In modern and contemporary times, it is not often that one can encounter someone who was a true pioneer. However, for education in public international law at Croatian universities, Juraj Andrassy was the first one in many aspects. A pioneer and a Nestor, the first appointed professor of international law as a designated field, not in combination with another legal discipline, at the Faculty of Law of the University of Zagreb.[1] While the Zagreb Faculty of Law has an unbroken continuity of almost 250 years (the higher education in law in Zagreb started in 1776 and has since continued uninterrupted, despite all changes in legal structure and political circumstances over the two and a half centuries), before Andrassy became a professor of international law, this field had always been joined in with other disciplines such as legal history or constitutional law.

Juraj Andrassy was born in Zagreb on 12 August 1896. His father, Ljudevit Andrassy, was a professor of Roman law at the Zagreb Faculty of Law. Young Juraj followed in the choice of his career, receiving his doctoral title in 1919. Soon after, Andrassy went to Paris, where he studied public law, focusing especially on public international law. Andrassy then moved back to Zagreb, where he started his academic path at the Zagreb Faculty of Law, which would remain his main occupation until the end of his life in 1977.[3]

Portrait of Juraj Andrassy as a young man (undated, painter: Slavko Tomerlin)[4]

In his capacity as professor of international law, Andrassy created what has remained the curricular foundation of education in public international law in Croatia, and even in ex-Yugoslavia, to this day. This included the first postgraduate programme in international (public and private) law and the first textbook on international law written in Croatian language for purposes of education of lawyers.[5] Although significantly revised by his successors at the Zagreb Chair for International Law in light of progressive developments of international law, the structure of this book still provides a basis for the organisation of the Croatian system of general international law. Based on this work, but also his scientific and lexicographical work, Andrassy can be rightfully credited for creating Croatian international law terminology.[6] His names for various legal concepts in international law remain in use by Croatian internationalists and have passed the test of time and usage.

On the international level, Andrassy was a member of the most important learned societies of international law, including the Institut de Droit International, where he became an associate member in 1952, and a full member in 1961.[7] As a member of the Institute, Andrassy twice served as a rapporteur on two different, although somewhat connected resolutions, first on the topic of utilisation of non-maritime international waters (except for navigation) and the second time on measures concerning accidental pollutions of the seas. His reports on both topics resulted in extensive discussions and comments from some of the most eminent international lawyers of the time, finally ending in the adoption of resolutions by the Institute’s plenum in 1961[8] and 1969[9], respectively. Over the years, Andrassy served two terms as vice-president and was elected president of the Institute in 1969. In 1971 he organized the only session of the Institute held in Zagreb up until today.

Juraj Andrassy and the MPIL. A Long and Determined Relationship

Juraj Andrassy and Helmut Strebel at the Institute’s conference on “Judicial Settlement” in 1972[10]

Andrassy’s association with the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law (MPIL) was mostly from a distance due to his commitments in Zagreb, however it remained long lasting and determined. First occasions of cooperation can be traced back to a time that was significant both for the MPIL and for Andrassy himself: In 1951, Andrassy lectured at The Hague Academy for International Law for the second time. At the same time, the MPIL in Heidelberg was going through the first years of its reestablishment after the end of the Second World War and the process of (re-)connecting with colleagues in Europe and beyond. Andrassy’s topic that summer was Les relations internationales de voisinage (“The international relations of neighbourhood”)[11], a concept that he had dealt with across various fields of international law. It was likely in The Hague, that MPIL-Associate and long-standing editor of the its publications, Helmut Strebel, first met Andrassy.[12] Immediately after the summer, in early October of the same year, Strebel wrote to Andrassy inquiring whether he would be willing to write two contributions for the Zeitschrift für ausländisches öffentlisches Recht und Völkerrecht (ZaöRV, English title: Heidelberg Journal of International Law, HJIL).[13] Andrassy gladly accepted both offers.[14]

The first one of these is an article accompanying the translation (also provided by Andrassy) of Chapter XI of the Yugoslav Criminal Code (Krivični zakon) of 1951, which constituted a national codification of public international law, such as crimes against humanity. Chapter XI of the Code encompasses ten articles, establishing criminal liability in Yugoslav law of the time for, inter alia, genocide, war crimes, and crimes against cultural heritage. Andrassy, however, in his contribution accompanying the translation, did not restrict himself to providing a commentary or contextualization of the translated Chapter XI, but rather provided a review of public international law aspects of various parts of the Yugoslav Criminal Code, identifying and explaining international legal aspects of it.[15] In the correspondence between Strebel and Andrassy from around the time when this article was published in the HJIL and in Andrassy’s own work one cannot find a direct answer to the question of motivation, namely why Strebel asked Andrassy to write on a topic that was not in the focus of Andrassy’s interest at the time. However, some answers can be deduced from the letters exchanged between the two international law scholars: In these letters, Andrassy and Strebel are discussing the validity of laws in Yugoslavia during, before, and after the occupation of the country during the Second World War.[16] At first glance, one might think that Strebel just had an interest in the emerging postwar Yugoslav legal system. However, one can speculate about another reason, although there are no concrete clues or explicit evidence in the correspondence itself. At the time, the question of war crimes was still the topic of the day, which many international and public lawyers dealt with, as evidenced, inter alia, by the existence of the Institut für Besatzungsfragen (Institute for Occupation Studies), the Heidelberger Juristenkreis and other similar groups in German legal scholarship at the time.[17]

The second, smaller, contribution by Andrassy was a book review. The book, Grundprinzipien des modernen zwischenstaatlichen Nachbarrechts by Hans Thalmann, was published in Zürich in 1951.[18] Andrassy, who himself was a pioneer in the field that Thalmann chose as a main topic of his dissertation, was, judging by his comments in the review, glad to see, read, and review a book by another, as Andrassy himself called him, “pioneer in the field”. Both this review of Thalmann’s book[19] and the aforementioned article were published in HJIL volume 14, the journal’s second postwar volume, dated 1951, but effectively published only in the first months of the following year, 1952.

The correspondence between Strebel and Andrassy continued and in 1953, Andrassy again published an article in the HJIL, this time on another topic, which, at the time, represented an intriguing novelty, while today it can be considered mainly of interest for the history of international law: In February 1953, the so-called Balkan Entente Pact made international headlines. It was an international cooperation and assistance treaty between Yugoslavia, Greece, and Turkey. Considering both the historical and then-recent experiences with difficult relations between the three states, the Pact, which set a tone of peacefulness, coexistence, and cooperation (especially in the light of a USSR aggression that the three signatory states feared) between them, was a significant event. The HJIL editors, almost immediately after the news on the signing of the Pact broke, decided on publishing its integral text (in French). At the same time, they needed a competent international lawyer to provide a commentary to the text. Andrassy accepted their invitation, and his commentary was published accompanying the translation, involving meticulous analysis and carefully formulated conclusions.[20]

In 1958, Andrassy published his longest and most comprehensive contribution to the HJIL. The article, which opened volume 19 of the journal, bears the title Betrachtungen über die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofes (“Considerations on the jurisdiction of the International Court of Justice”).[21] In it, Andrassy studiously develops the theory of jurisdiction of the International Court of Justice, a topic that he investigated for many years: Exactly ten years earlier, he had published a book in Croatian, titled Međunarodno pravosuđe (“International Judiciary”)[22], that discussed similar topics at greater length. His theory, as presented in the article, encompasses a model based on the distinction between functional and treaty-based jurisdiction, aligned with the more traditional divide between jurisdiction ratione personae and ratione materiae.

Over the years, Andrassy published a handful more book reviews in the HJIL: In 1955[23] a review of a book on the law of the sea by Milovan Zoričić, the only Croat that has ever sat on the bench of the International Court of Justice, and a further review in 1958[24].

In 1966, Andrassy published his final contribution to the Journal, this time in French, under the title Les progrès techniques et l’extension du plateau continental (“Technical advances and the extension of the continental shelf.”)[25], another highly debated topic of the time, which occupied Andrassy for many years. In 1951, he had published a monograph in Croatian on the topic, under the title Epikontinentalni pojas (“Continental Shelf”)[26], which created an impetus for him to publish on the question of how advancement of technology should be followed by law. Andrassy made clear that law should engage in meaningful discussion with the technological advancements and reflect them, both in a new convention concerning the continental shelf and in the change of the existing regulations. He made his arguments clear, advocating for the change of Article 1 of the 1958 Convention on the Continental Shelf in order to clearly restrict the outer limit of the continental shelf.[27]

It would certainly be an overstatement to claim that the relationship between Andrassy and the MPIL was determinative for either the Croatian professor or the German research institute. However, their relationship was clearly both strong and cordial, reflecting Andrassy’s interest in different fields of public international law, on the one hand, and the MPIL’s eagerness to investigate and inform the international scientific community about important developments of international law, on the other, thereby affirming the Institute’s leading position in the field in a new geopolitical constellation after 1945.

[1] Vladimir Ibler, Juraj Andrassy: The Man and his Work, Jugoslovenska revija za međunarodno parvo 26 (1979), 9.

[2] Photos: Leon Žganec-Brajša.

[3] On Andrassy’s life, see: Vladimir Ibler, La vie et l’oeuvre du Professeur Juraj Andrassy, in: Vladimir Ibler (ed.), Mélanges offerts à Juraj Andrassy/Essays in International Law in Honour of Juraj Andrassy/Festschrift für Juraj Andrassy, The Hague: Martinus Nijhoff 1968, VII–XII.

[4] Source: Željko Pavić (ed.), Pravni fakultet u Zagrebu: 1776–1996, Zagreb: Pravni fakultet u Zagrebu 1996.

[5] Božidar Bakotić, En souvenir de Juraj Andrassy, Jugoslovenska revija za međunarodno pravo 26  (1979), 22–23.

[6] Bakotić (fn. 5).

[7] Nina Vajić, Andrassy i Institut za međunarodno pravo, Jugoslovenska revija za međunarodno pravo 26 (1979), 187.

[8] Neuvième Commission/Rapporteur M. Juraj Andrassy, Utilisation des eaux internationales non maritimes (en dehors de la navigation), Annuaire, Institut de droit international Vol. 49 (1961), 370–373.

[9] Douzième Commission/Rapporteur M. Juraj Andrassy, Mesures concernant la pollution accidentelle des milieux marins; Mesures en cas d’accident survenu, Annuaire, Institut de droit international Vol. 53 (1969), 363–369.

[10] Photo: MPIL.

[11] Académie de Droit International de la Haye (ed.), Les relations internationales de voisinage, Collected Courses of The Hague Academy of International Law Vol. 79 (1951), Leiden: Brill 1968.

[12] Letter from Helmut Strebel to Juraj Andrassy, dated 2 October 1951, II. Abt., Handakten Helmut Strebel, Wissenschafliche Korrespondenz, rep. 44, no. 31, vol. 1, Archive of the Max Planck Society.

[13] Letter Helmut Strebel (fn. 12).

[14] Letter from Juraj Andrassy to Helmut Strebel, dated 10 October 1951, II. Abt., Handakten Helmut Strebel, Wissenschafliche Korrespondenz, rep. 44, no. 31, Archive of the Max Planck Society.

[15] Juraj Andrassy, Völkerrechtliche Elemente im jugoslawischen Strafrecht, HJIL 14 (1952), 549–560.

[16] Letters from Helmut Strebel to Juraj Andrassy (fn. 12, 14).

[17] Philipp Glahé, The Heidelberg Circle of Jurists and its Struggle against Allied Jurisdiction: Amnesty-Lobbyism and Impunity-Demands for National Socialist War Criminals (1949–1955), Journal of the History of International Law – Revue d’histoire du droit international 22 (2019), 1–44.

[18] Hans Thalmann, Grundprinzipien des modernen zwischenstaatlichen Nachbarrechts, Zürich: Polygraphischer Verlag 1951.

[19] Juraj Andrassy, Thalmann, Hans: Grundprinzipien des modernen zwIschenstaatliehen Nachbarrechts. Zürich: Polygraphischer Verlag 1951. 175 S. (Zürcher Studien zum Internationalen Recht. Nr. 19), Buchbesprechung (Book Review), HJIL 14 (1952), 578–579.

[20] Juraj Andrassy, Der Balkan-Entente-Pakt von Ankara vom 28. Februar 1953, HJIL 15 (1953/1954), 133–139.

[21] Juraj Andrassy, Betrachtungen über die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofes, HJIL 19 (1958), 1–23.

[22] Juraj Andrassy, Međunarodno pravosuđe: ustrojstvo i postupak, Zagreb: Jugoslavenska akademija znanosti i umjetnosti 1948.

[23] Juraj Andrassy, Zoričić, Milovan: Teritorijalno more s osvrtom na otvoreno i unutarnje more, vanjski pojas i pitanja kontinentalne ravnine. [Das Territorialmeer unter Berücksichtigung der hohen See, der Eigengewässer, der zusätzlichen Zone und der Fragen des Festlandsockels]. Zagreb 1953. 270 S. (Zagreb, Werke der jugoslawischen Akademie der Wissenschaften. Band 45), Buchbesprechung (Book Review), HJIL 16 (1955/1956), 127–129.

[24] Juraj Andrassy, Bloomfield, L. M.; Gerald F. Fitzgerald: Boundary Waters Problems of Canada and the United States (The International Joint Commission 1912-1958). Toronto: Carswell 1958. X, 264 S., Buchbesprechung (Book Review), HJIL 20 (1960), 699–700.

[25] Juraj Andrassy,  Les progrès techniques et l’extension du plateau continental, HJIL 26 (1966), 698–704.

[26] Juraj Andrassy, Epikontinentalni pojas, Zagreb: JAZU Jadranski institut 1951.

[27] Cf.: Budislav Vukas, Juraj Andrassy o pravu mora, Jugoslovenska revija za međunarodno pravo 26 (1979), 202–203, 206.

Zeitenwende. Carlo Schmid zwischen Völkerrecht und Außenpolitik

Der Polit-Star unter den Institutsmitarbeitern des 20. Jahrhunderts war fraglos Carlo Schmid: Minister in der Nachkriegszeit, Mitglied des Verfassungskonvents, Abgeordneter und einer der Begründer der deutsch-französischen Freundschaft, dazu Vordenker der europäischen Einigung und der Außenpolitik der Bundesrepublik. Sein Weg war keineswegs vorgezeichnet: Nach einer arbeitsrechtlichen Promotion war Carlo Schmid erst während seiner Zeit am damaligen Kaiser-Wilhelm-Institut (KWI) 1927 bis 1928 mit dem Völkerrecht in Berührung gekommen. Diese Episode ist Gegenstand eines Beitrags von Markus Payk auf diesem Blog.

Dieser Beitrag nimmt die denkwürdige Zeitenwende in den Blick, die das (überschaubare) wissenschaftliche Oeuvre von Carlo Schmid kennzeichnet. War er bis dahin zwar ein national denkender, aber hart dogmatisch arbeitender Völkerrechtler, bewog ihn die von ihm unerwartete Entwicklung nach der „Machtergreifung“, sich historischen Themen zuzuwenden, aus denen er geharnischte Kritiken der NS-Herrschaft entwickelte. Dies erlaubt einige Rückschlüsse auf das Verhältnis von Völkerrecht und Politik, insbesondere in Zeiten, in denen das Leitbild einer rechtlich geordneten Staatenwelt in die Ferne rückt.

1. Ein unpragmatischer Dogmatiker

Schmid arbeitete am Berliner Institut während spannungsreicher Zeiten. Die Institutionalisierung des Völkerrechts durch den Versailler Vertrag markierte eine deutliche Abkehr vom Bilateralismus des imperialen Vorkriegsvölkerrechts. Dogmatisches Denken hatte auf einmal eine bisher unbekannte Bedeutung. Das lag nicht zuletzt an der obligatorischen internationale Gerichtsbarkeit, die Schmid als Mitarbeiter von Viktor Bruns und Erich Kaufmann in den Verfahren des deutsch-polnischen Gemischten Schiedsgerichts hautnah erlebte. Ein autonomes Völkerrecht, das zwischenstaatliche Beziehungen unabhängig von nationalen Interessen und den damit verbundenen politischen Kämpfen in rationale Bahnen lenkt, schien hier auf einmal Wirklichkeit zu werden.[1] Die Apotheose dieser Entwicklung stammte zweifellos aus der Feder von Hans Kelsen. Zwar sah Kelsen durchaus die Strukturunterschiede zwischen staatlichem und überstaatlichem Recht, ordnete jedoch das erstere dem letzteren unter und profilierte sich damit als Gegenpol zu Triepel.[2] An einem ähnlichen Strang wie Kelsen zog Verdross, der den Institutionen des Versailler Vertrags den Charakter einer überstaatlichen Verfassung zuschrieb.[3]

Zweifel an der Autonomie des Völkerrechts fanden sich einerseits bei Völkerrechtskritikern wie dem in der deutschen Literatur kaum rezipierten Kommunisten Jewgenij Paschukanis[4] oder dem amerikanischen Progressiven Sterling Edmunds. Wesentlich wirkmächtiger in der deutschen Diskussion jedoch waren Völkerrechtstheorien, die im Vorgriff auf den Realismus in den internationalen Beziehungen den Nationalstaat verabsolutierten. Im Konfliktfall blieb danach von einem autonomen Völkerrecht nicht mehr viel übrig, denn dann galt: „Nur wer kann, darf.“[5] Ein solcher Zugriff auf das Völkerrecht war anschlussfähig an ethnonationale Positionen, die durch Ethnizität die Leere zu füllen versuchten, die die zusammengebrochenen oder schwindsüchtigen Imperien monarchischer Prägung hinterließen. In ihnen haben universelle Normen keinen Platz; es dominiert der Antagonismus zwischen Freund und Feind.[6]

Am Institut herrschte bezüglich dieses Streits eine gewisse Ambivalenz. Einerseits verbot die Rolle des Instituts eine radikale Völkerrechtsskepsis. Andererseits bestärkte die Arbeit an den Reparationspflichten, das tägliche Brot eines Teils des Instituts, die Skepsis gegenüber dem Versailler Vertrag. Man versuchte sich daher an der Theoretisierung eines zu gewissem Grad autonomen Völkerrechts. Aus der Sicht von Viktor Bruns erhoffte man sich von der Eigenlogik des Völkerrechts eine gewisse Gleichberechtigung innerhalb der Staatengemeinschaft, die in der politischen Realität nicht existierte.[7] Hermann Heller sah das Völkerrecht als durch den Selbsterhaltungsanspruch der Staaten begrenzt an.[8]

Carlo Schmid versuchte sich in seinen Arbeiten aus der Zeit am Institut sowie in der darauf zurückgreifenden Habilitation von 1932 an einem merkwürdigen Hybrid zwischen diesen Positionen. Das Völkerrecht sollte nach ihm einerseits möglichst autonom operieren, frei von politischer Beeinflussung. So war es konsequent, dass er, den romanischen Sprachen besonders zugeneigt, gemeinsam mit Cornelia Bruns das Lehrbuch von Anzilotti übersetze. Es zeichnete sich im Vergleich zu anderen Werken aus der Zeit durch einen hohen Grad an dogmatischer Systembildung aus und gewährte insbesondere der Analyse internationaler Organisationen breiten Raum.[9] Die zwei Aufsätze in der ZaöRV zu Detailfragen des Reparationsrechts strotzen geradezu vor Technizität.[10] In diesem Sinne erarbeitete Schmid auch in seiner Habilitation ein System des Völkerrechts aus der Spruchpraxis des Ständigen Internationalen Gerichtshofs.[11] Das war untypisch für die oft praxisferne, theoriegesättigte völkerrechtliche Literatur der damaligen Zeit. Schmids Schrift entsprach insofern ganz dem Programm von Anzilotti.

Im Vergleich dazu dachte Viktor Bruns das Völkerrecht stets viel politischer und schreckte nicht davor zurück, völkerrechtliche Argumentationen am nationalen Interesse auszurichten. Schmid dagegen verfocht stur dogmatische Positionen, auch wenn er um ihren politischen Zündstoff wusste. Das führte, als er schon wieder in Tübingen war, zum Konflikt mit Bruns, als Schmid – unter Pseudonym – die Sanktionsklauseln des Haager Abkommens von 1930 zur Umsetzung des Young-Plans kritisierte.[12] Die Klausel gab den Gläubigerstaaten ein Sanktionsrecht, sofern Deutschland den nunmehrigen Rückzahlungsplan hintertreiben („détruire“) würde. Nach Schmid fiel darunter bereits das Ansinnen einer Revision des Young-Plans, so dass der Reichsregierung politisch die Hände gebunden würden. Eine der Reichsregierung günstigere Auslegung schien Schmid rechtlich inopportun, auch wenn er damit das Institut – und in der Verlängerung die Reichsregierung – in Verlegenheit brachte.[13]

Andererseits war Schmid nicht bereit, wie Kelsen den Sprung zum Internationalisten zu wagen und beurteilte den Versailler Vertrag durchgängig aus einer nationalen Perspektive, die auf seine Revision abzielte.[14] Im Ergebnis führte das zu einer fast schon destruktiven Haltung, die dem Völkerrecht kompromisslos zu Autonomie verhelfen wollte, dabei jedoch ständig mit dem nationalen Interesse in Konflikt geriet. Der Jurist und der Politiker in Schmid schienen in Konflikt miteinander zu stehen – Zeichen einer gewissen Orientierungslosigkeit.

2. Unsanftes Erwachen und Zeitenwende

Den Nationalsozialismus vor Augen: Aufzug der Spanischen Legion Condor vor dem Alten Museum am 6. Juni 1939 in Berlin. Fotografiert von einem unbekannten Institutsmitarbeiter von den oberen Etagen des Schlosses [15]

Das änderte sich recht abrupt mit der „Machtergreifung“ der NSDAP im Januar 1933. In seiner Autobiographie gesteht Schmid, dass er die Diktatur nicht habe kommen sehen. Wie viele andere habe auch er auf die Fähigkeit Hugenbergs und von Papens, der gerissenen Protagonisten der „Harzburger Front“, vertraut, Hitler unter Kontrolle zu bekommen.[16] Schon bald nach dem Januar 1933 sei ihm jedoch klar geworden, welcher neue Wind nun im Land wehte, zumal die Auswirkungen an der Universität Tübingen und am Landgericht unübersehbar waren.[17]

Diese Erkenntnis führte bei Carlo Schmid zu einer regelrechten Zeitenwende in Forschung und Lehre. Am deutlichsten ist das an den Veränderungen von Schmids Vorlesungsportfolio abzulesen. Bis einschließlich des Sommersemesters 1933 las Schmid in Tübingen Vorlesungen im Völkerrecht, die eng an sein bisheriges Forschungsprogramm angelehnt waren.[18] Neben dem allgemeinen Völkerrecht behandelte er vor allem den Völkerbund, die internationale Rechtspflege und sein Spezialgebiet, die Reparationen – kurzum, das Einmaleins des Versailler Vertrags. Politische Naivität kann man ihm nicht nachsagen, jedoch trennte er auch in seinen Vorlesungen Recht strikt von der Politik.

Ab dem Wintersemester 1933/1934 lässt sich eine denkwürdige thematische Verschiebung feststellen. Sie beginnt mit einer Veranstaltung zum Gestaltwandel der Reichsidee für Hörer aller Fakultäten. Dem folgt im Sommer 1934 ein Seminar zu Formen und Mitteln der Außenpolitik, ferner ein Vortrag im Rahmen einer Ringvorlesung zum „Mythos vom Dritten Reich im Mittelalter“. Diese Vorlesungen markieren den Beginn einer Auseinandersetzung mit geopolitischen Fragen in historischer Perspektive. Zugleich endet um diese Zeit das völkerrechtsdogmatische Oeuvre Schmids. Es lohnt sich, diese Wendung anhand zweier Texte zu studieren, die jeweils die gereiften, ausgearbeiteten Fassungen der Vorlesungsmanuskripte darstellen:[19] Einerseits ein Text von 1937 zur Reichsidee bei Dante und Dubois;[20] andererseits ein Text von 1956 zu Recht, Politik und Moral auf der Grundlage von Machiavelli.[21]

3. Tastende Versuche: Dante und die Reichsidee

Carlo Schmid als Privatdozent in Tübingen, ca. 1938[22]

Carlo Schmid wendete sich der Reichsidee zur selben Zeit zu wie Carl Schmitt. Letzterer beschrieb das Reich in seiner Großraumtheorie von 1939 als Interessenssphäre, die den Begriff der Souveränität relativierte.[23] In der erst nach dem Zweiten Weltkrieg erschienenen Nomos-Schrift verbrämt er diese machtpolitische Instrumentalisierung des Reichs durch Rückgriff auf die mittelalterliche Vorstellung des Reichs als eines Katechon, das Europa vor dem Feind in Gestalt der muslimischen Welt beschützt habe, bevor Europa mit der Kolonisierung Amerikas selbst expansiv geworden sei.[24]

Völlig anders fällt Schmids Beschäftigung mit dem Reichsbegriff aus. Schmid kontrastiert das Reich als Idee bei Dante mit dem Reich als Ideologie bei Dantes Zeitgenossen Pierre Dubois. Dante verstehe das Reich als Raum der Vielfalt und des Gleichgewichts. Es strebe insbesondere nicht nach weltlicher Expansion, sondern nach Transzendenz in Gestalt des „Dritten Reichs“ – des Reichs des Heiligen Geists. Aufgabe des Kaisers sei es, seine Untertanen auf dieses jenseitige Reich vorzubereiten, nicht seine eigene Verherrlichung. Um die Kritik am Nationalsozialismus noch deutlicher zu machen, erklärte Schmid dabei Dante kurzerhand zum Deutschen: Das Reich als Idee sei zwar im Italien der Renaissance entstanden, aber auch aufgrund der Verbindung über das Heilige Römische Reich deutscher Nation für den in Deutschland vorherrschenden Reichsbegriff maßgeblich.

Der Franzose Dubois dagegen verfolge einen zweckrationalen, ideologischen Reichsbegriff, der der zweckrationalen, expansiven Seite Europas entspreche (Schmitt bezeichnet dies als Landnahme). Selbst den Völkerbund ordnet Schmid diesem ideologischen Reichsbegriff zu, wenngleich er den angloamerikanischen Einfluss auf die Genfer Institution nicht leugnen kann. Selbstredend geht von diesem ideologischen Reichsbegriff eine erhöhte Kriegsgefahr aus. Schmid versuchte hier womöglich, die Nationalsozialisten bei der nationalen Ehre zu packen und ihr Treiben als „undeutsch“ zu markieren. Offenkundig konnte nach seiner Ansicht nur ein anderer, vermeintlich besserer, geschichtsphilosophisch konsistenterer Nationalismus die Gesellschaft vor den Nazis retten. In sozialistische Ansätze hatte er kein Vertrauen mehr, spätestens seit Hermann Hellers Verknüpfung von Sozialismus und Nation keinen Anklang in der SPD gefunden hatte.[25] Stattdessen suchte er sein Heil in einer im Grunde monarchischen, heilsgeschichtlich verstandenen Gesellschaftsordnung. Unschwer erkennt man darin die Esoterik des George-Kreises, mit dem Schmid über Studienfreunde in Berührung gekommen war[26] und auf den er in dem Text auch explizit Bezug nimmt. Jenseits der Abkehr vom dogmatischen Völkerrecht ist dieser Text jedoch eher als ein gescheitertes Experiment zu betrachten. Übersteigerter, irrationaler Nationalismus ließ sich nicht durch eine andere Variante des übersteigerten, historisch wenig stichhaltigen, jedoch nicht weniger irrationalen Nationalismus kurieren.

4. Konfrontation: Machiavelli, Recht und Moral

In eine andere Richtung führte die Auseinandersetzung von Schmid mit Machiavelli. Wie Schmid widmete sich auch Carl Schmitt zur selben Zeit diesem Denker, dem er zuschrieb, vor dem Hintergrund der kolonialen Expansion den Gedanken eines Gleichgewichts unter den europäischen Mächten formuliert zu haben.[27] Machiavelli wird dabei zum Theoretiker der Machtpolitik.

Carlo Schmids Machiavelli-Interpretation weicht davon deutlich ab. In seinen Erinnerungen gibt Schmid zwar zu Protokoll, auch er habe Machiavelli während einer Italien-Reise als Theoretiker des europäischen Gleichgewichts entdeckt.[28] Seine Machiavelli-Schrift stellt jedoch ein anderes Gleichgewicht in den Mittelpunkt: dasjenige zwischen Politik und Moral, beziehungsweise zwischen Macht und Recht. Der endgültige Text entstand in mehreren Phasen und entwickelte sich anhand unterschiedlicher Gelegenheiten weiter.[29] Der Grundgedanke blieb dabei jedoch konstant: Schmid liest Machiavellis Werk im Zusammenhang, fügt den Principe und die Discorsi in ein Gesamtbild. Das bringt ihn zu der Erkenntnis, dass Machiavelli eigentlich kein Machiavellist gewesen sei, kein kalter Theoretiker der Machtpolitik, für den der Zweck die Mittel heilige.[30] Vielmehr sei der Principe als Anleitung für Politiker in Krisensituationen zu lesen, während die Discorsi die grundlegende, moralisch fundierte Ausarbeitung eines idealen Staatswesens enthalte. Der Principe diene gewissermaßen nur dazu, um vom Zustand des „cattivo governo“ (der schlechten Regierung), wie es die Schmid sicherlich bekannte Allegorie des Ambrogio Lorenzetti in Siena verewigte, zum „buon governo“ (zur guten Regierung) zu gelangen. Schmid stützt seine Interpretation auf den realistischen, praxisorientierten Ansatz des Humanismus der italienischen Renaissance, der er einen geradezu konstruktivistischen Ansatz unterstellt. Volk und Staat seien nicht von sich aus gut, trügen auch keinen unveränderlichen, gar biologisch festgelegten Charakter, sondern müssten von ihren Regierenden auf den richtigen Pfad geführt werden. Die Regierenden seien insoweit immer auch Spiegel des Zustands des Volkes. Je schlimmer es um das Volk stehe, desto eher sei mit charismatischer Herrschaft zu rechnen. Um Volk und Staat in einen guten Zustand („buon governo“) zu führen, sei konsequentes und vor allem konsistentes Handeln erforderlich, auch in der Außenpolitik. Entscheidend dafür sei die Rahmung der Gesellschaft durch eine Verfassung als oberstes Gesetz, das auf einen Ausgleich zwischen Flexibilität und Stabilität abziele. Souveränität bestehe demnach in einer gesetzesgemäßen Regierung – nicht, möchte man hinzufügen, in der Entscheidung über den Ausnahmezustand.

Der Gegenentwurf sowohl zu Schmitts Politischer Theologie, als auch zum Ethnonationalismus und zum Führerprinzip der NS-Diktatur ist offensichtlich. Ob Schmid dabei immer werktreu bleibt, ist eine andere Frage. Die rechtsstaatliche, geradezu verfassungstheoretische Lektüre Machiavellis findet im Text nur eine geringe Stütze. Für das postulierte Gleichgewicht zwischen zweckrationalem und wertrationalem Denken bei Machiavelli spricht jedoch einiges, wenngleich sich die Trennlinie durch beide Werke hindurch zieht. So formuliert der Principe nicht nur Krisenratschläge, sondern auch allgemeine Verhaltensanforderungen an Fürsten für gute Zeiten, wie zum Beispiel zur Frage, ob Fürsten ihr Wort halten müssen. Solche Fragen beantwortet Machiavelli zwar grundsätzlich nach zweckrationalen Gesichtspunkten; die moralischen Untertöne schwingen jedoch hörbar mit. In jedem Fall aber besteht eine klare Trennung zwischen Politik und Moral, Macht und Recht – eine Trennung, die Schmid nicht zu Unrecht als charakteristisch für die abendländische Moderne identifiziert. Daran knüpft Schmid an, um die moralische Verklärung des nationalen Eigeninteresses zurückzuweisen. Mit Machiavelli versucht er Staat und Volk vor der Heroisierung zu retten. Dieser Ansatz zieht sich auch durch Schmids weitere außenpolitische Schriften.[31] Das Ziel der Außenpolitik sei nicht, den Feind zu besiegen, damit er einen nicht besiegt. Das wohlverstandene Eigeninteresse jeder Nation sei vielmehr die Selbsterhaltung, die, wenn nötig, durch Krieg zu erstreiten ist. Aber besser als Krieg zu führen sei es allemal, Krieg zu verhindern.

5. Schlussfolgerungen

Die Entwicklung von Carlo Schmid vom sturen, national denkenden Völkerrechtsdogmatiker zum Weltpolitiker gibt Anlass zu einigen Reflexionen über Zeitenwenden und das Völkerrecht. Zunächst einmal haben Zeitenwenden immer ein methodisches Spiegelbild. Der systembildende Ansatz von Bruns war ebenso ein Kind der Weimarer Zeit wie der widersprüchliche Dogmatismus des jüngeren Schmid. Im Unterschied zu anderen Institutsmitarbeitern begriff Schmid jedoch sehr schnell, dass ein dogmatischer Ansatz in der düsteren Zeitenwende ab 1933 nicht mehr zielführend war, ja gar das Regime, das Schmid rundheraus ablehnte, daraus seinen Vorteil ziehen könnte. Denn dogmatische Begriffe wie das Interventionsverbot blieben oft ambivalent und ließen sich zu verschiedenen Zwecken einsetzen. In Zeiten des grassierenden Autoritarismus kann der Wissenschaft vom Völkerrecht jedoch eine andere Aufgabe zukommen. Ein abgeklärter, postheroischer Rückgriff auf Theorie und Geschichte kann zur beißenden Kritik der Wirklichkeit autoritärer Regime werden. Schmid schaffte es, von den Nazis unbehelligt zu bleiben. Manchen Studierenden seiner gut besuchten Vorlesungen mag er selbst im tiefbraunen Tübingen Orientierung vermittelt haben. Für die Nachkriegszeit dürfte dies nicht ohne Bedeutung geblieben sein.

[1] Jens Steffek, Max Weber, Modernity and the Project of International Organization, Cambridge Review of International Affairs 29 (2016), 1502–1519.

[2] Hans Kelsen, Das Problem der Souveränität und die Theorie des Völkerrechts: Beitrag zu einer reinen Rechtslehre, Tübingen: JCB Mohr (P. Siebeck) 1920, 204 ff.

[3] Alfred Verdross, Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft, Wien: Springer 1926; Im Ergebnis vergleichbar, jedoch auf Grundlage einer anderen Epistemologie: Georges Scelle, Précis de droit des gens, Bd. 2: Droit constitutionnel international, Paris: Recueil Sirey 1934.

[4] Seine „Umrisse des Völkerrechts“ erschienen zwar erst 1935 auf Russisch, von Beginn an auf Deutsch vorliegend jedoch: Eugen Paschukanis, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus: Versuch einer Kritik der juristischen Grundbegriffe, Wien: Verlag für Literatur und Politik 1929.

[5] Erich Kaufmann, Das Wesen des Völkerrechts und die clausula rebus sic stantibus, Tübingen: Mohr Siebeck 1911.

[6] Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 58 (1927), 1-33.

[7] Viktor Bruns, Völkerrecht als Rechtsordnung, ZaöRV 1 (1929), 1–56.

[8] Hermann Heller, Die Souveränität. Ein Beitrag zur Theorie des Staats- und Völkerrechts, Berlin: de Gruyter 1927.

[9] Dionisio Anzilotti, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. I: Einführung – Allgemeine Lehren, Berlin: de Gruyter 1929, 256 ff.

[10] Karl Schmid/Ernst Schmitz, Der Paragraph 4 der Anlage zu Sektion IV des Teils X des Versailler Vertrags, ZaöRV 1 (1929), 251–320; Ernst Schmitz/Karl Schmid, Zur Dogmatik der Sektion V des Teiles X des Versailler Vertrags, ZaöRV 2 (1931), 17–85.

[11] Karl Schmid, Die Rechtsprechung des Ständigen internationalen Gerichtshofs in Rechtsstätzen dargestellt, Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag 1932.

[12] Karl Schmid, Die Sanktionsgefahr. Ein juristisches Gutachten über die Klauseln des Haager Abkommens, Der Deutsche: Die Tageszeitung der Deutschen Arbeitsfront, Nr. 42 v. 25.2.1930.

[13] Dazu: Petra Weber, Carlo Schmid, 1896–1979: Eine Biographie, München: C. H. Beck 1996, 71 ff.

[14] Weber (Fn. 13), 74 ff.

[15] Foto: AMPG.

[16] Carlo Schmid, Gesammelte Werke in Einzelausgaben, Bd. 3: Erinnerungen, Bern: Scherz 1973, 152; vgl. dazu auch: Jens Bisky, Die Entscheidung: Deutschland 1929 bis 1934, Berlin: Rowohlt 2024, 472.

[17] Schmid, Gesammelte Werke, Erinnerungen (Fn. 16), 155 ff.

[18] Vgl: Universität Tübingen, Verzeichnis der Vorlesungen, welche an der Königlich-Württembergischen Eberhard-Karls-Universität zu Tübingen gehalten werden, 1846–1950.

[19] Die Vorlesungsmanuskripte sind im Archiv der sozialen Demokratie (AdSD) erhalten (Dep. Goebel).

[20] Karl Schmid, Idee und Ideologie des Abendlandes an der Wende von Mittelalter und Neuzeit. Dante und Dubois, Berlin: Verlag Die Runde 1937, hier zitiert nach: Carlo Schmid (Hrsg.), Politik muß menschlich sein, Bern: Scherz 1980, 229–251.

[21] Carlo Schmid, Machiavelli oder Die Einheit von Esprit und Staatsführung, in: Schmid, Politik muß menschlich sein (Fn. 20), 252–295. Der Text erschien erstmals als: Karl Schmid, Machiavelli, in: Rudolf Stadelmann (Hrsg.), Große Geschichtsdenker. Ein Zyklus Tübinger Vorlesungen, Tübingen: Wunderlich 1949.

[22] Foto: AdSD 6/FOTA003354.

[23] Carl Schmitt, Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte, Berlin: Deutscher Rechtsverlag 1939.

[24] Carl Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, Köln: Greven 1950, 25 ff.

[25] Hermann Heller, Sozialismus und Nation, Berlin: Arbeiterjugend-Verlag 1925; Weber (Fn. 13), 75.

[26] Schmid, Gesammelte Werke, Erinnerungen (Fn. 16), 170.

[27] Schmitt, Nomos (Fn. 24), 112, 117.

[28] Schmid, Gesammelte Werke, Erinnerungen (Fn. 16), 168, 172.

[29] Vgl. Fn. 21.

[30] Schmid, Machiavelli oder Die Einheit (Fn. 21), 266.

[31] Carlo Schmid, Was ist Außenpolitik?, in: Schmid, Politik muß menschlich sein (Fn. 20), 336–347.

Das MPIL an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis. Vier Thesen einer Praktikerin und Alumna

Die völkerrechtliche Beratung der Bundesregierung ist seit jeher eine Kernaufgabe des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (MPIL): „Das Institut steht öffentlichen Einrichtungen, insbesondere internationalen und europäischen Institutionen, dem Bundesverfassungsgericht, dem Deutschen Bundestag und Ministerien des Bundes sowie der Länder für Auskünfte, Gutachten und Beratung in völkerrechtlichen, unionsrechtlichen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Fragen zur Verfügung.“ Diese Aufgabe möchte ich hier aus der Perspektive der Praxis genauer beleuchten. Mein Interesse an dem Thema gründet dabei nicht zuletzt auf meinem persönlichen Werdegang, der mich vom MPIL in die Bundesregierung, genauer gesagt in das Bundesministerium der Justiz geführt hat.

Mein erster Kontakt mit dem MPIL entstand noch im Studium durch meine Teilnahme am Concours René Cassin 1999/2000, ein Moot Court zur Europäischen Menschenrechtskonvention in französischer Sprache. Das Heidelberger Cassin-Team war am Institut angesiedelt und wurde von Karen Kaiser mit großem Engagement betreut.[1] Viele Institutsmitglieder – von wissenschaftlichen Mitarbeitern/innen über Referenten/innen bis zu den Direktoren – gaben uns in zahlreichen Probe-Pleadings nicht nur inhaltliche Anregungen, sondern auch rhetorische Tipps. Die große Unterstützung durch das Institut hat maßgeblich dazu beigetragen, dass das Heidelberger Team als Vertreter des beschwerdegegnerischen Staates den ersten Platz belegen konnte. Der Concours Cassin war für mich nicht nur ausschlaggebend dafür, nach dem ersten Staatsexamen im Herbst 2001 als wissenschaftliche Mitarbeiterin ans Institut zurückzukehren, er hat auch mein Interesse und mein Engagement für Menschenrechte und insbesondere die Europäische Menschenrechtskonvention nachhaltig geweckt. Es ist bedauerlich, dass heute keine Heidelberger Teams mehr am Wettbewerb teilnehmen und das Interesse deutscher Universitäten insgesamt stark abgenommen hat.[2]

Das Team des Concours René Cassin mit Institutsdirektor Jochen Frowein 2000 (v.l.n.r.):  Team-Betreuerin Karen Raible, Heike Stadtmüller, Nicola Wenzel (damals Vennemann) und Christian Maierhöfer[3]

Das europäische Menschenrechtssystem war Anfang der 2000er Jahre in einer Aufbruchstimmung: Die große Reform von 1998 war abgeschlossen, der „neue“ Gerichtshof hatte die Arbeit aufgenommen und etablierte sich mit seinen Urteilen als einer der Hauptakteure des Menschenrechtsschutzes in Europa. Viele der damaligen Entscheidungen sind heute noch wichtige Referenzpunkte der menschenrechtlichen Diskussion. So wurden mit den Urteilen Öneryildiz[4] und Hatton[5] Bausteine der heutigen Umweltrechtsprechung gelegt; die Bankovic-Entscheidung[6] definierte die territoriale Reichweite der Konventionsrechte neu; die Görgülü-Saga lenkte die Aufmerksamkeit auf Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) und führte zu einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zur Stellung der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR in der deutschen Rechtsordnung.[7] Mir fiel es zu, diese Leitentscheidungen in der wöchentlichen Referentenbesprechung vorzustellen und zu bewerten.[8] Als junge wissenschaftliche Mitarbeiterin vor Rudolf Bernhardt als ehemaligem Präsidenten des EGMR und Jochen Abr. Frowein als ehemaligem Vizepräsidenten der Europäischen Menschenrechtskommission zu EMRK-Fragen vorzutragen und sich den kritischen Fragen insbesondere von Jochen Abr. Frowein zu stellen, war eine intellektuelle Herausforderung, der ich anfänglich mit einer gewissen Aufregung begegnete, die aber zunehmend zur Freude wurde und mein wissenschaftliches Selbstbewusstsein stärkte.

Heute bin ich als Verfahrensvertreterin der Bundesregierung vor dem EGMR und Leiterin des Menschenrechtsreferats im BMJ praktisch tätig. Mein wissenschaftlicher Hintergrund ist für mich Fundament meiner praktischen Arbeit und zugleich wichtiges Korrektiv, weil er mich zu kritischer Reflexion und Offenheit für andere Sichtweisen anregt. Ich bin der festen Überzeugung, dass der ergebnisoffene Austausch mit der Wissenschaft für gute Rechtssetzung und Regierungsarbeit essentiell ist.

Vor diesem Hintergrund möchte ich anhand von vier Thesen das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis im Allgemeinen beleuchten, Entwicklungen in diesem Verhältnis skizzieren, das MPIL in dieser Landschaft verorten und Zukunftsperspektiven aufzeigen.

These 1: Die Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis wird zu oft als einseitiger Wissenstransfer von der Wissenschaft in die Praxis gesehen. Diese Sichtweise greift zu kurz.

Austausch von Theorie und Praxis: Auswärtiges Amt und MPIL veranstalten regelmäßige Workshops[9]

Es gibt viele Gründe, warum die Erfahrungen der Praxis für die Wissenschaft relevant sind. So kann ein Input aus der Praxis bei der Auseinandersetzung mit Forschungsfragen wichtige Erkenntnisse liefern. Ein Input aus der Praxis ist aber auch zur Identifizierung von Forschungsfragen wichtig:

In der praktischen Arbeit tauchen häufig rechtliche Fragen auf, die in der Wissenschaft noch nicht oder nur unzureichend beleuchtet sind. Ein aktuelles Beispiel ist die Frage der Vollstreckbarkeit von Ansprüchen auf gerechte Entschädigung aus EGMR-Urteilen gegen Russland in anderen Mitgliedstaaten des Europarates.

Der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis kann gewährleisten, dass Forschung zu den in der Praxis relevanten Fragestellungen stattfindet. Im besten Fall kann er dazu führen, dass ganz neue Forschungsfelder erschlossen werden. Ein gutes Beispiel ist der Zugang zur Abhilfe bei Menschenrechtsverletzungen entlang globaler Lieferketten. Der Fokus der Diskussion in der menschenrechtlichen Analyse war lange Zeit der gerichtliche Rechtsschutz. Außergerichtliche Mechanismen wurden zwar erwähnt, ihr Potential aber nicht erschlossen. Bestehende Forschung zu außergerichtlichen Streitbeilegungsmechanismen („Alternative Dispute Resolution“) und der Frage ihrer wirksamen Ausgestaltung war in der Menschenrechts-Community nicht bekannt. Dies hat sich durch die Vergabe eines Forschungsvorhabens zur Ausgestaltung außergerichtlicher Streitbeilegungsmechanismen für Opfer von Menschenrechtsverletzungen entlang globaler Lieferketten an eine ADR-Wissenschaftlerin grundlegend geändert. Das Forschungsvorhaben hat nicht nur dazu geführt, dass wesentliche Erkenntnisse aus der ADR-Forschung für die Gestaltung von außergerichtlichen Streitbeilegungsmechanismen im Rahmen von Lieferketten fruchtbar gemacht werden konnten, sondern auch dazu, dass Mechanismen der alternativen Streitbeilegung im Lieferkettenkontext nun in der ADR-Forschung als neues Forschungsfeld verankert sind.

In der Praxis ist viel Expertise vorhanden. Diese wird jedoch nicht immer nach außen getragen. Insbesondere bei Fragestellungen, die in politischer Hinsicht sensibel sind, besteht große Zurückhaltung in der öffentlichen Kommunikation. Das bedeutet aber nicht, dass nicht innerhalb der Bundesregierung verschiedene Lösungsmöglichkeiten für rechtliche Probleme bekannt sind und diskutiert werden. In vielen Fällen findet die Diskussion über aktuelle rechtliche Fragestellungen hier sogar früher statt als in der Wissenschaft.

Vor diesem Hintergrund bedarf es nicht nur mehr Veranstaltungsformaten, die Wissenschaft und Praxis zusammenbringen. Förderlich erscheint mir auch ein personeller Austausch in beide Richtungen. Neue Formen sollten dabei in den Blick genommen werden. So könnten Wissenschaftler/innen zum Beispiel projektbezogen für eine gewisse Zeit im Ministerium arbeiten. Umgekehrt könnten Möglichkeiten für Praktiker geschaffen werden, zeitweise wissenschaftlich zu arbeiten, zum Beispiel durch gemeinsame Forschungsprojekte oder im Rahmen von Forschungsgruppen.

These 2: Der Austausch von Wissenschaft und Praxis ist häufig von einem clash of cultures geprägt.

Das Aufeinanderprallen der Kulturen betrifft sowohl die Ziele und die Arbeitsweise als auch die Inhalte und die Darstellung. Greifbar wird es zum Beispiel bei der Zusammenarbeit mit externen Verfahrensvertretern/innen bei Verfahren vor internationalen Gerichtshöfen. Das Arbeiten in Hierarchien, die kleinteilige Abstimmung von Stellungnahmen zwischen den Ressorts (die zu langwierigen Diskussionen, zum Teil über einzelne Wörter, führen können), der Einfluss politischer Erwägungen – all das ist täglich Brot für Ministerialbeamte/innen, wirkt aber auf Außenstehende häufig befremdlich. Andersherum ist aus Ministeriumssicht gewöhnungsbedürftig, wenn Stellungnahmen vermeintlich aus einer Position der „reinen Lehre“ verfasst werden oder in der Erwartung, dass die wissenschaftliche Stellungnahme vom Ministerium unverändert bei den Gerichten eingereicht wird. Wenn jedoch Missverständnisse aus dem Weg geräumt werden und auf allen Seiten Offenheit für andere Sichtweisen und Herangehensweisen besteht, ist ein solcher clash of cultures gewinnbringend und führt bei allen Beteiligten zu neuen Erkenntnissen und in der Sache zu guten Ergebnissen.

Er zeigt aber auch, dass ein langfristig angelegter Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis hilfreich ist, in dem neben inhaltlich-thematischen Fragen auch Fragen zu Formen der Zusammenarbeit, Arbeitsweisen, Erwartungen und Bedürfnissen diskutiert werden. Ein solcher „Dialog über den Dialog“ kann Vertrauen schaffen. Er wird zum Beispiel sehr erfolgreich, u.a. durch öffentliche Veranstaltungen im Mercator Science-Policy Fellowship-Programm der Rhein-Main-Universitäten praktiziert. Der in den letzten Jahren in vorbildlicher Art und Weise entwickelte Bereich „Wissenschaft in Öffentlichkeit“ des MPIL ist bestens aufgestellt, um den Diskurs über den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis in diesem Sinne weiterzuentwickeln.

These 3: In der Praxis besteht ein steigender Bedarf an intra- und interdisziplinärer Forschung.

Mit dem eingespielten System der intra- und interministeriellen Abstimmung und Zusammenarbeit verfügt die Praxis über ein funktionierendes System zum Umgang mit der zunehmenden Verzahnung der Rechtsgebiete. Die deutsche Wissenschaft praktiziert den übergreifenden Austausch dagegen weniger systematisch.

Die oben bereits erwähnte Lieferkettenregulierung ist ein gutes Beispiel für das Ineinandergreifen verschiedener Rechtsgebiete. Während der Ausgangspunkt der Regulierung menschenrechtlich ist und völkerrechtliches soft law umgesetzt wird (United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights), müssen die verbindlichen nationalen oder europäischen Normen eine Übersetzung dieser Standards ins Privatrecht vornehmen. Menschenrechtliche Pflichten der Unternehmen müssen hinreichend bestimmt statuiert werden, um sie auch mit Hilfe des Privatrechts durchsetzbar zu machen. Sowohl das Schadensersatzrecht als auch das Internationale Privatrecht spielen dabei eine wichtige Rolle. Die dafür erforderliche enge Verzahnung von Völkerrechtswissenschaft und Zivilrechtswissenschaft hat eine Weile auf sich warten lassen, ist inzwischen aber im Bereich der Lieferkettenregulierung fest etabliert.

Aus den genannten Gründen eines Ineinandergreifens verschiedener Rechtsgebiete ist für die Beratung der Regierung in völkerrechtlichen Fragen eine völkerrechtliche Expertise allein nicht immer ausreichend. Das MPIL hat beste Voraussetzungen, ein dem Bedarf der Regierungspraxis entsprechendes Angebot qualitativ hochwertiger wissenschaftlicher Expertise zu machen. Durch die gezielte Nutzung des Max Planck Law-Netzwerks und der Kooperationsmöglichkeiten innerhalb der Max-Planck-Gesellschaft könnten verstärkt Beratungsangebote im Bereich der intra- und interdisziplinären Forschung geschaffen werden.

These 4: Es besteht die Gefahr, dass wissenschaftliche (und fachliche) Expertise für die Entwicklung politischer Positionen und Rechtsauffassungen an Bedeutung verliert.

Wissenschaftliche Expertise wird vermehrt zur Legitimierung bestehender politischer Positionen und Rechtsauffassungen genutzt, auch von Verbänden und der Zivilgesellschaft. Es besteht die Gefahr, dass der ergebnisoffene Austausch mit der Wissenschaft, der dazu dient, politische Positionen erst zu entwickeln, darüber an Bedeutung verliert. Aus der Wissenschaft ist bereits die Sorge zu hören, dass das Völkerrecht an sich nicht mehr als maßgeblicher Orientierungspunkt in der politischen Debatte wahrgenommen wird.[10]

Gerade in politisch unruhigen Zeiten ist es essentiell, dass sich Wissenschaft und Praxis gemeinsam für die Beachtung völkerrechtlicher Normen einsetzen. Eine proaktive Vermittlung von Forschungserkenntnissen durch die Wissenschaft und der Aufbau institutionalisierter Kooperationen können mit dazu beitragen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse bei der Entwicklung politischer Positionen und Rechtsauffassungen Berücksichtigung finden. Auch hier kann das MPIL einen wichtigen Beitrag leisten.

Ausblick

Die Geschwindigkeit im politischen Betrieb nimmt zu. Rechtlich komplexe Fragen müssen in kürzester Zeit beantwortet werden. Für einen formalisierten Austausch mit der Wissenschaft fehlt häufig die Zeit. In anderen Fällen wird ein formalisierter Austausch den Bedürfnissen nicht gerecht. Gerade bei politisch sensiblen Themen kann es hilfreich sein, Ansprechpartner/innen zu haben, mit denen man vertraulich Probleme und Lösungsoptionen diskutieren kann. Die Nutzung informeller Austauschformate setzt jedoch Vertrauen voraus. Dieses zu schaffen, ist unsere gemeinsame Aufgabe.

***

Dieser Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung der Verfasserin wieder.

[1] Vgl., zur Moot Court-Betreuung durch das Institut:Felix Herbert, Der Jessup Moot Court am MPIL. Geschätzter Gast oder geschuldete Last? Zur fragilen Geschichte eines symbiotischen Verhältnisses, MPIL100.de.

[2] 2024 war die Universität Münster als einzige deutsche Universität im mündlichen Teil des Wettbewerbs vertreten, vgl.: Association du Concours Européen des droits de l’homme René Cassin, Équipes requérantes qualifiées pour la phase orale (par ordre alphabétique), Strasbourg 2024.

[3] Foto: Nicola Wenzel, private Aufnahme.

[4] EGMR (Große Kammer), Öneryildiz v. Turkey, App. No. 48939/99, Urteile v. 18.6.2002 und 30.11.2004.

[5] EGMR (Große Kammer), Öneryildiz v. Turkey, App. No. 36022/97, Urteile v. 2.10.2001 und 8.7.2003.

[6] EGMR (Große Kammer), Banković et al. v. Belgien et al., App. No. 52207/99, Entscheidung v. 12.12.2001.

[7] BVerfG, Beschluss v. 14.10.2004, Az. 2 BvR 1481/04; siehe auch: EGMR, Görgülü v. Deutschland, App. No. 74969/01, Urteil v. 26.2.2004.

[8] Zur Referentenbesprechung und der Rolle, die der EMRK in ihr zukam, vgl.: Matthias Hartwig, Das wissenschaftliche Hochamt. Die Referentenbesprechung (vulgo Montagsrunde) am Institut, MPIL100.de.

[9] Foto: MPIL.

[10] Helmut Philipp Aust, Heike Krieger, Die allerneueste deutsche Angst ist Bindungsangst, FAZ, 6. Februar 2025, 11; der Text wurde in englischer Sprache am 13. Februar 2025 vom Verfassungsblog veröffentlicht.

Mut zum Widerspruch. Die völkerrechtliche Zeitenwende 9/11 am Institut

Wo waren Sie am 11. September 2001? Wo waren Sie, als kurz vor 15 Uhr deutscher Zeit (8:45 Ortszeit in New York) erst eines und kurz danach ein zweites Flugzeug in die Türme des World Trade Centers geflogen wurden? Ich saß in meinem Büro am Max-Planck-Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Als junge wissenschaftliche Mitarbeiterin war ich erst im Frühjahr des Jahres an das Institut zurückgekehrt und hatte meine Stelle angetreten. Ich war als Referentin unter anderem für das Humanitäre Völkerrecht zuständig; mein Länderreferat waren die USA. Das Jahr zuvor hatte ich meine Referendarszeit am Kammergericht in Berlin beendet, mit einer Station in New York beim Generalkonsulat im „Deutschen Haus“, direkt gegenüber der Vereinten Nationen. Meine Promotion war gerade erschienen, zum Schutz der Umwelt in bewaffneten Konflikten und zu Fragen der Fortgeltung von umweltvölkerrechtlichen Verträgen im Krieg.[1] New York und die USA waren mir seit dem Sommer 2000 nah, ebenso Fragen von Kriegen, Zerstörung und der Geltung des Rechts in bewaffneten Konflikten.

Nachdem ein Kollege in mein Zimmer kam und von einem Unfall mit einem Flugzeug in New York berichtete, verfolgte ich die Nachrichten online, die in Echtzeit gepostet wurden. Videos der World-Trade-Center-Türme wurden ungeschnitten gezeigt. Zunächst war es ein Flugzeug, über das berichtet wurde. Der erste Einschlag sah auf den Videos minimal aus, nur ein kleiner schwarzer Einschlagspunkt in einem riesigen Turm. Es könnte ein verirrtes Sportflugzeug gewesen sein, hieß es. Unklar war, ob es sich um einen Unfall handelte. Dann, nur wenige Minuten später, folgte der zweite Einschlag. Danach zweifelte wohl niemand mehr, dass es sich um Anschläge handeln musste. Einige wissenschaftliche Mitarbeiter*innen berieten sich am Institut. Sollten wir nicht per E-Mail alle im Institut informieren? Uns war die Tragweite der Anschläge wohl intuitiv sehr bewusst. Einer meinte, dass mittlerweile ohnehin alle am Institut Bescheid wüssten und wir nichts ändern könnten. Die E-Mail wurde dann doch gesendet.

Ich selbst musste an diesem Tag von Heidelberg nach Frankfurt fahren. Als ich dort am späten Nachmittag am Hauptbahnhof ankam, waren riesige Leinwände aufgebaut, um die Bilder der Champions-League-Fußballspiele am Abend zu übertragen. Nun liefen auf diesen Leinwänden die Live-Bilder aus New York, minutenlang, auch hier praktisch ungeschnitten: die rauchenden Türme, die langsam fallenden Papiere aus den zerborstenen Scheiben der Hochhäuser, die in der Luft wirbelten. Die verzweifelt aus den Fenstern winkenden Menschen, die springenden Menschen, die fallenden Menschen – alles überlebensgroß. Ich habe diese furchtbaren Bilder seitdem nicht vergessen.

Die zweite Zeitenwende. Das Ende der friedlichen „Neuen Weltordnung“

Es war die zweite Zeitenwende, die ich erlebte, nach dem Ende des Kalten Krieges. 1989 war ich Jura-Studentin im ersten Semester an der Universität Freiburg, nun erlebte ich an einem Nachmittag und den Wochen danach das Ende der optimistischen 1990er Jahre, der Jahre von 1989-2001, in denen endlich auch völkerrechtlich alles möglich schien. Nun war die Hoffnung auf eine friedliche “Neue Weltordnung” – die ich noch in einem Seminar in Bonn bei Christian Tomuschat diskutiert hatte, nach dem Ende des Zweiten Golfkriegs und dann nach dem Ende des Kosovo-Konflikts – zerschlagen. Die umwälzende Bedeutung der Anschläge war offensichtlich. Was alles folgen würde, insbesondere durch die US-Regierung, war mir nicht klar. Als ich Rüdiger Wolfrum, den damaligen Direktor des Instituts und Betreuer meiner Dissertation und Habilitation, kurz nach dem 11. September fragte, was er erwarte, meinte er erst einmal knapp: “Nichts Gutes.” Er sollte recht behalten.

Die USA waren ins Mark getroffen, und sie und die Welt unter ihrer Führung reagierten schnell. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte bereits am 12. September mit der knappen Resolution 1368 die Anschläge verurteilt und das Recht auf Selbstverteidigung anerkannt. Auch die NATO reagierte und stellte am 13. September zum ersten Mal in ihrer Geschichte den kollektiven Verteidigungsfall fest. Am 20. September kündigte US-Präsident Bush in seiner “Wer nicht für uns ist, ist gegen uns”-Rede vor dem US-Kongress den “Krieg gegen den Terror” als einen lang andauernden Feldzug an und forderte Afghanistan auf, Osama bin Laden auszuliefern. Wenige Tage später folgte die ausführliche Sicherheitsratsresolution 1373, einstimmig angenommen, zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Sie betonte ebenfalls das Recht aller Staaten auf Selbstverteidigung, neben detaillierten Vorgaben zum Einfrieren von Finanzmitteln und Kooperationspflichten.

Schon am 7. Oktober begannen die USA, zusammen mit dem Vereinigten Königreich, Stellungen der Taliban in Afghanistan, zunächst aus der Luft, anzugreifen. Spätestens Ende Oktober wurden US-Bodentruppen in Afghanistan eingesetzt. Nach und nach wurde zudem offensichtlich, dass drei der mutmaßlichen Attentäter in Hamburg gelebt hatten. Und auch Deutschland reagierte: Im November 2001 beschloss die deutsche Bundesregierung unter Kanzler Schröder etwa 3.500 deutsche Soldaten in Afghanistan im Rahmen eines Anti-Terror-Einsatzes einzusetzen. Am 11. Januar 2002 trafen die ersten Gefangenen in Guantanamo ein, einem US-Militärstützpunkt auf Kuba, der schnell von den USA zum Gefangenenlager für Terrorverdächtige umfunktioniert worden war.

Der „Global War on Terror”. Diskussionen in der Referentenbesprechung

Wachturm in Guantanamo 2002[2]

Wie reagierte das Institut? Nach meiner Erinnerung haben wir in den Referentenbesprechungen die Sicherheitsratsresolutionen diskutiert. Ich selbst habe abgewartet, um besser zu verstehen. Zu Beginn des Jahres 2002 ging es mir dann vor allem um die Frage, wie der Kampf gegen den Terrorismus völkerrechtlich einzuordnen war: War der Terrorismus Verbrechen oder Kriegsakt – A crime or an act of war? Die Mehrheit der europäischen Völkerrechtswissenschaftler*innen und wohl auch die Mehrheit am Institut vertraten damals zunächst die These, dass diese Anschläge allein Verbrechen seien und daher die Terroristen als Straftäter, sofern sie noch lebten, zu fassen und vor den Strafgerichten der betroffenen Staaten abzuurteilen seien.

Die These der US-Regierung war dagegen die eines militärisch zu führenden und gerechtfertigten “Global War on Terror”. Dies war verbunden mit der These eines örtlich und zeitlich entgrenzten Schlachtfeldes, wobei Terroristen rechtlos gestellt werden: Terroristen waren aus Sicht der US-Regierung weder „echte“ Kombattanten noch Zivilisten, sondern unrechtmäßige Kämpfer (“unlawful combatants”) und daher nicht durch die Genfer Konventionen geschützt. Die Gefangenen, die in Guantanamo interniert wurden, seien danach zweifellos – so die weitere These der US-Regierung – nicht als Kriegsgefangene nach der Dritten Genfer Konvention zu schützen. Für sie gälten zudem weder die Menschenrechte, an die die USA international als Vertragspartei gebunden waren, noch die Rechte der US-Verfassung, da beide nur innerhalb der Landesgrenzen den USA Pflichten auferlegten, aber nicht extraterritorial.

Ich hielt weder diese Thesen der US-Regierung, aber auch nicht die These vieler Kolleg*innen, dass es “nur” Verbrechen seien, letztlich für überzeugend und berichtete darüber in zwei Referentenbesprechungen zu Beginn des Jahres 2002. Meine Argumentation war zweistufig: Zunächst ging es zunächst um die Frage der Anwendbarkeit der Genfer Konventionen. Ich argumentierte dogmatisch: Geht man vom Anwendungsbereich der Genfer Konventionen nach ihrem Wortlaut aus, so ist entscheidend, ob – erstens – die Anschläge als Teil eines „bewaffneten Konfliktes“ zu qualifizieren waren, und ob – zweitens – dieser als nicht-internationaler oder internationaler Konflikt zu qualifizieren war. Letzteres ist der Fall, wenn terroristische Anschläge einem Staat zurechenbar sind. Aus meiner Sicht war beides zu bejahen, da die Anschläge auf die Türme des World Trade Centers, die unmittelbar zu ca. 3.000 Toten führten, zwar mit zivilen Flugzeugen ausgeübt wurden, aber in Art und Intensität der Gewaltanwendung einer Bombardierung gleichkamen. Die Zurechnung zu dem de-facto Regime der Taliban in Afghanistan konnte ebenfalls mit guten Gründen begründet werden, da dieses zwar nicht mit Al-Quaida, als Urheber der Anschläge, gleichzusetzen war, aber die Verbindungen eng waren, indem die Taliban Al-Quaida im Land Aufenthalt gewährten und auch weitere Verbindungen, wie durch Finanzierungen, bestanden.

Wurden diese Fragen positiv beantwortet, so war auch zu fragen und zu beantworten, was daraus völkerrechtlich folgt. Aus meiner Sicht war die Antwort eindeutig: Ist ein internationaler bewaffneter Konflikt gegeben, gilt auch hier die Vierte Genfer Konvention, die Zivilisten grundsätzlich schützt und – als enge Ausnahme – nur dann nicht schützt, wenn diese “offensiv” sind, wie Terroristen, wenn sie „unmittelbar an den Feindseligkeiten“ teilnehmen – so wie es ausdrücklich im Ersten Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen normiert ist. Zudem gilt aber auch die Dritte Genfer Konvention, die diejenigen als Kriegsgefangene schützt, bei denen unklar war, ob sie Zivilisten oder Kombattanten waren; dies jedenfalls solange, wie es in der Dritten Genfer Konvention heißt, bis ein “kompetentes Tribunal” über diese Zweifel entschieden habe. Ein kompetentes Tribunal muss dabei nicht notwendig ein ziviles Gericht sein, es kann auch ein Militärgericht (court martial) sein. Jedenfalls konnte es kein militärisches Tribunal (military tribunal) sein, wie es in Guantanamo von den USA eingerichtet worden war. Damit widersprach ich der US-Regierungsthese, die bei Terroristen, oder denen, die man dafür nach Geheimdienstinformationen hielt, von unrechtmäßigen und deswegen rechtlosen und letztlich vogelfreien Kämpfern ausging.

Den damaligen zweiten Institutsdirektor, Jochen Abr. Frowein, hatte ich mit meinen Thesen zunächst nicht überzeugt – vielleicht auch, da er nur den letzten Teil meiner Argumentation in der Referentenbesprechung gehört hatte. Was ich jedoch am Institut geschätzt habe, war, dass Gegenargumente offen diskutiert wurden. Das war nicht immer einfach, gerade wenn man seine Thesen als junge Wissenschaftlerin gegen einen Direktor verteidigen musste; aber es war ein klarer Austausch, und man konnte dabei seine Argumente messen und auch schärfen, auch für die Diskussionen, die noch folgen würden – auf Konferenzen und mit dem Auswärtigen Amt (AA). Ich hatte das Gefühl, ich konnte Jochen Abr. Frowein von meinen letztlich auch überzeugen.

Schon damals, im Verlauf des Jahres 2002, und lange bevor die Foltervorwürfe in Guantanamo abschließend untersucht und belegt wurden, war damit klar – was ich mir bis dahin nicht hätte vorstellen können –, dass die US-Regierung, als Vertreterin der westlichen Welt und damals einzige Supermacht, in Bezug auf alle mutmaßlichen Terroristen offen gegen die Genfer Konventionen und weiteres Völkerrecht verstieß.

“Wenn wir uns nicht äußern, bleibt es unwidersprochen“. Die Zusammenarbeit zwischen Institut und Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes

In der Folge der Anschläge wurde die Zusammenarbeit zwischen der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes und dem Institut besonders eng, da die völkerrechtlichen Fragen des „Global War on Terror“ bis dahin kaum diskutiert worden waren. Telefonate mit der Rechtsabteilung wurden geführt, beispielsweise darüber, wie der Begriff der „unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten“ auszulegen sei, der darüber entscheidet, ob ein Zivilist offensiv ist (und damit ausnahmsweise ungeschützt) oder nicht.

Als Referent*innen hatten wir – Christian Walter, Frank Schorkopf, Volker Röben und ich – zudem viel Freiheit und die Unterstützung der beiden Direktoren Wolfrum und Frowein, um im Januar 2003 eine große internationale Konferenz am Institut zu organisieren. Bei dieser konnten wir und alle damaligen Referent*innen des Instituts – wie Anja Seibert-Fohr, Petra Minnerop, Nicola Vennemann (jetzt Wenzel), Rainer Grote, Nico Krisch, etc. – nachdem wir unsere Positionen ausgearbeitet hatten, Rechtsfragen der Terrorismusbekämpfung im Völkerrecht und in Bezug auf einzelne Staaten, mit den großen Völkerrechtler*innen unserer Zeit diskutieren[3]: Wie weit reicht das Recht zur Selbstverteidigung eines Staates? Wie ist auf einen Angriff nicht-staatlicher Akteure völkerrechtskonform zu reagieren? Wie kann die Finanzierung des Terrorismus völkerrechtlich unterbunden werden? Wie passen sich die innerstaatlichen Rechtsordnungen an? Welche Normen des Humanitären Völkerrechts gelten, wenn ein Staat militärisch reagiert? Welche Rolle spielen Menschenrechte? Diese Konferenz und die zum Teil kontroversen Diskussionen, die auch leidenschaftlich geführt wurden, waren ein weiterer Höhepunkt des völkerrechtlichen Austausches in dieser Zeit am Institut.

Die US-Regierung änderte jedoch auch in den nachfolgenden Jahren kaum etwas an ihrem Kurs. Nachdem der damalige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld schon 2002 gesagt hatte, dass die “Samthandschuhe” bei der Behandlung der Gefangenen in Guantanamo “ausgezogen werden sollten”, wurden im August 2002 die – erst später bekannt gewordenen – sogenannten Folter-Memoranden von US-Rechtswissenschaftler John Yoo verfasst, die dies rechtlich absichern sollten. Yoo engte den Folterbegriff so ein, dass inhumane Verhörmethoden, wie Schlafentzug und das sogenannte Waterboarding, nicht als Folter und nicht als grausame Behandlung qualifiziert wurden. Wir kannten die Memoranden nicht und doch wusste man von den Verhörmethoden und es war offensichtlich, dass sie völkerrechtswidrig waren.

Im Jahr 2003 erfolgte, nachdem Verteidigungsminister Rumsfeld kritische Staaten wie Deutschland als das “alte Europa” abqualifiziert hatte, schließlich der militärische Einsatz der US-Truppen im Irak, der aus Sicht der meisten kontinental-europäischen Völkerrechtswissenschaftler*innen eindeutig ebenfalls als völkerrechtswidrig zu qualifizieren war und nicht als Selbstverteidigung im Sinne der UN-Charta gerechtfertigt werden konnte. Im selben Jahr wurden auch die Misshandlungen im US-Militärgefängnis in Abu Ghraib im Irak bekannt und damit weitere Verstöße gegen das Völkerrecht. Dies alles wurde in der Referentenbesprechung erörtert, oft zeitlich knapp, aber ausreichend, um die zentralen Rechtsfragen anzusprechen. Ich hatte mich entschlossen, zu diesen Fragen auch weiter zu publizieren.

2006, in der Mitte der zweiten Amtszeit der Bush-Administration, kam etwas Bewegung in den internationalen Diskurs, da die USA versuchten, die vermehrte Kritik der „alten“ europäischen Staaten an dem Vorgehen der USA bei der Terrorismusbekämpfung einzuhegen. Auch hier spielte das Institut eine wichtige Rolle. So wurde etwa  – insbesondere durch Rüdiger Wolfrum und die Referatsleiterin in der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes, Susanne Wasum-Rainer –  2006 eine gemeinsame, nicht-öffentliche Konferenz mit Mitarbeiter*innen des Instituts organisiert, die Vertretern der US-Regierung und US-Ministerien die Möglichkeit bot, über unterschiedliche Positionen zu diskutieren.[4]

Als ich gebeten wurde vorzutragen, war ich, nachdem wir schon einige Jahre zu diesen Fragen publiziert hatten, skeptisch, ob sich dieser Austausch lohnen würde, vor allem, ob es mehr sein konnte als eine Marketing-Veranstaltung der US-Administration, damit diese uns „alten“ Europäern ihre Positionen besser verkaufen kann. Rüdiger Wolfrum hat damals zu mir gesagt: “Wenn wir uns nicht äußern, bleibt es unwidersprochen und es äußert sich niemand.” Das leuchtete mir ein. So kam es zu meinem Vortrag als Replik auf John B. Bellinger III, damaliger Legal Adviser to the Secretary of State, in einem der großen Konferenzsäle des Auswärtigen Amtes in Berlin. Er war besetzt bis auf den letzten Platz, mit Beamten verschiedener Ministerien aus beiden Ländern, Militärs, und Wissenschaftler*innen – für mich beeindruckend und einschüchternd zugleich.

John Bellinger III, 2006[5]

Seit der Referentenbesprechung Anfang 2002 hatten sich meine Argumente nicht im Kern geändert, aber vertieft und ausgeweitet und so widersprach ich verschiedenen Thesen der US-Regierung: Jenen zu vogelfreien „unlawful combatants“, zur Nicht-Anwendbarkeit der Menschenrechte und zur Einordnung von Verhörtechniken in Guantanamo als rechtskonform. John B. Bellinger III hat damals nach der Konferenz der Publikation seiner Position[6] und meiner Gegenrede[7] im German Law Journal, herausgegeben von Russel Miller und Peer Zumbansen, zugestimmt. Dies allerdings mit der Maßgabe, dass er wiederum schriftlich auf mich reagieren dürfe,[8] ich aber dann nicht mehr auf ihn – er mithin das letzte Wort habe. Darauf habe ich mich eingelassen. Dieser Spatz in der Hand war mir lieber als eine Taube auf dem Dach. Unsere Positionen sind weiterhin online nachlesbar. Auch deswegen war es wichtig, nicht zu schweigen.

Eine weitere Zeitenwende. US-Außenpolitik 2025

Schließt sich heute, im Frühjahr 2025, ein Kreis? Nach der erneuten Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten erleben wir, nach den völkerrechtwidrigen Aggressionsakten Russlands, durch den Überfall auf die Krim und dann die Ukraine, eine weitere Zeitenwende. Der Verteidigungsminister der aktuellen US-Regierung, Pete Hegseth, war als Soldat von 2004-2005 in Guantanamo eingesetzt. Einer seiner Auftritte außerhalb der USA, nur ein Monat nach seiner Vereidigung, war ein Besuch der Truppen in Guantanamo im Februar 2025. In seiner Rede an diese wird er auf der Internetseite des US-Verteidigungsministeriums zitiert mit den Worten:

“From our view, [Guantanamo Bay holding operations are] central to what we’re doing and [to] the message we’re sending to the world — which is that our border is closed,” he said, adding that the current administration “means business,” and that the service members at Guantanamo Bay are at “the tip of the spear” to make that happen.” “[So], keep executing [and] keep driving […].”[9]

Es gibt heute viele Gründe, gerade als Völkerrechtler*in, genau hinzusehen und nicht zu schweigen. Was nicht gesagt und nicht geschrieben wird, wird sonst möglicherweise niemals gesagt und niemals geschrieben.

***

[1] Silja Vöneky, Die Fortgeltung des Umweltvölkerrechts in internationalen bewaffneten Konflikten, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 145, Berlin: Springer 2001.

[2] Foto: gemeinfrei.

[3] Publiziert in dem Band: Christian Walter et al. (Hrsg.), Terrorism as a Challenge for National and International Law: Security versus Liberty?, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 169, Berlin: Springer 2004.

[4] German American Colloquium “Legal issues in the fight against terrorism” of the Federal Foreign Office, the Max Planck Institute and the US Department of State, Auswärtiges Amt, Berlin, 12. und 13. Oktober 2006.

[5] Foto: US State Department, gemeinfrei.

[6] John B. Bellinger, Speech – Legal Issues in the War on Terrorism, German Law Journal 8 (2007), 735 – 746,DOI: 10.1017/S2071832200005897.

[7] Silja Vöneky, Response – The Fight against Terrorism and the Rules of International Law – Comment on Papers and Speeches of John B. Bellinger, Chief Legal Advisor to the United States State Department, German Law Journal 8 (2007), 747 – 759, DOI: 10.1017/S2071832200005903.

[8] John B. Bellinger, Legal Issues in the War on Terrorism – A Reply to Silja N. U. Vöneky, German Law Journal 8 (2007), 871 – 878, DOI: 10.1017/S2071832200006015.

[9] Matthew Olay, Hegseth Visits Guantanamo Bay, Engages With Troops, US Department of Defence, 26.2.2025.

Impressions of an Italian traveller. The Institute in the Course of Time

Impressioni di un viaggiatore italiano sul MPIL

English

I arrived in Heidelberg along with the dozens and dozens of blue Trabants of those fleeing East Germany via Hungary. Neuenheimer Feld, the area of Heidelberg where the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law (MPIL) is located, was full of these cars that, in their precariousness, evoked another world which would soon disappear.

I came to write my doctoral thesis, which my mentors, Professors Vincenzo Atripaldi and Claudio Rossano, wanted to have a strong comparative flavour. Claudio Rossano, in particular, who had spent a lot of time in Heidelberg during his studies, spoke of it as a place where I could study profitably and, at the same time, forge friendships. He recalled the presence of many young colleagues who, together with him, had spent a period of study between the MPIL and the Juristisches Seminar (the law faculty building), including Augusto Barbera, Carlo Amirante, and Alfonso Masucci.

Socialising in the Reading Room

The Institute’s reading room at the Max-Planck-Haus, 1975[1]

It was perhaps because I had just spent six months in Zurich at the Institute of Comparative Constitutional Law, where I did not have the opportunity to meet any peers working on their PhDs, but what struck me from the very beginning of my time at the MPIL was the immediate immersion in an atmosphere of sharing and comparing one’s research activities with other young scholars. There were daily exchanges of opinion on what was happening around us – the fall of the Iron Curtain – and, at the same time, on the research that everyone was carrying out. The atmosphere among us – I mean among those who “inhabited” the Lesesaal (reading room) – was so positive that I decided to stay much longer than the initially planned six months.

At that time, the reading room was frequented mainly by young people from Greece, South Africa, Israel, the former Yugoslavia, and Turkey. There were also many Spaniards and Portuguese. The Germans, who came from nearby universities to complete their doctoral and habilitation theses, could not be overlooked either. There were a few English- and Frenchmen as well. And then there were the Italians, a presence that was not large initially but would soon become perhaps the largest and most constant community. It was there that I met –to name friends and colleagues to whom I am still bound today– Agatino Cariola, Giuseppe Cataldi, Filippo Donati, Pier Francesco Lotito, and Alberto Lucarelli. Typically, Italians stayed for relatively short periods and then immediately returned to Italy.

I decided to stay longer, and this allowed me to consolidate relationships and friendships with many (then) young scholars, who hold important positions in universities and institutions around the world today. Here, again, I would like to mention a few: Iris Canor, Miguel Angel Cabellos Espierrez, Erika de Wet, Petros Mavroidis, Petros Patronos, and José Luis Rodriguez Alvarez.

After some time, the Institute Director I was reporting to, Professor Jochen A. Frowein, invited me to attend the weekly meeting that, at the time, took place every Monday afternoon (the Referentenbesprechung, now Monday Meeting) and involved all the young research fellows. For me, it was an opportunity not only to observe a different way of doing research – more participatory or ‘from below’ than what was happening at Italian universities at the time – but above all to come into contact (and in some cases to make friends) with the many young Germans who chose to do their training at the MPIL. Many of them are now professors at prestigious universities in Germany or involved in European institutions (Michael Hahn, Matthias Hartwig, Georg Nolte, Stefan Oeter, Jörg Polakiewicz, and Andreas Zimmermann).

The Library. An Invaluable Resource

The library stack in 1975[2]

To speak only of the personal and academic relationships which have developed and strengthened over the years would, however, be to omit the main reason why so many young researchers from all over the world came to the Institute. And that reason was, and is, the library. The abundance of the library, which goes back to the Berlin period, is impressive. In this particular case, as I had to write a thesis that had at its roots the study of federal systems, access to the classics of German federalism, and more, was crucial. From that abundance flowed stupendous classics of legal literature on the subject (some written in Gothic letters).  What was equally, if not more astonishing, however, was the fact that Italian publicist literature, not only from the 20th century but also from the 19th century, was available as well. I remember the amazement of librarians who wondered (and perhaps still wonder today) why on earth Italians would ask for Italian books. The answer obviously lies in the shortcomings of many Italian university libraries.

I don’t think it exists anymore today, but until the late 1990s, there was a paper index of articles, compiled by subject: A work of exceptional value, today taken over, mostly, by the Internet (and the OPAC system). But at the time, it was a tool of incomparable value for anyone who wanted to conduct research in a new area or refine their knowledge or check something on a particular subject. And not only with regard to German literature, but literature from all over the world.

And now I come to the people who, over the years, have made the library work. I would like to dedicate a thought to the Library Director, Joachim Schwietzke, who, even today, although retired, still makes his experience and profound knowledge of treatise history available to the Institute. But special thanks go to the many other library staff with whom I have come into contact over the years: Marianne Kraft, Ali Zakouri, and Sandra Berg.

A Modernised Institute. The MPIL Since 2002

The new Institute building in 2010[3]

At the turn of the century, the Institute renewed its leadership, first with the arrival of Armin von Bogdandy, who took over as director in 2002, and then with Anne Peters in 2013. My relationship with Armin in particular has become increasingly friendly over time. Precisely for this reason, it is not for me to pass judgement on whether and how the Institute has changed in the last twenty years.

Certainly, from a strictly personal point of view, my view of the Institute has naturally changed. At some point, my sojourns no longer had the exclusive purpose of studying research originating in Italy, but also became an opportunity to become involved in the Institute’s research. The fact that Armin von Bogdandy’s field of scientific interest favoured European constitutional law played a role in this, thus intercepting my study activities more immediately. I am thinking in particular of my involvement in the adventure of the magnum opus that was Jus Publicum Europaeum, coordinated precisely by Armin von Bogdandy, and which gave me the opportunity to enter into communication with many highly estimated foreign colleagues.

Then, there is an objective factor that is obvious when looking at the composition of the research staff from a historical perspective (albeit still related to my personal experience): Whereas up until the late 1990s researchers were mostly German, in the last twenty years the presence of young foreign scholars within the research staff is undoubtedly considerable. To this objective evidence a further notation must be added, concerning, more specifically, the presence of qualified young Italian scholars, whom I have been able to meet personally in recent years. Some have returned to Italian universities, others have found a place in foreign universities, and others have chosen the path of international institutions, bearing witness to the fact that the selection made by the Institute was carried out with an exclusive focus on quality: Davide Paris, Angelo Junior Golia, Sabrina Ragone, Giacomo Rugge, Valentina Volpe. There might be some more I am forgetting.

For my part, I do not miss any opportunity to encourage the young people who work with me to come to the Institute for a brief, or longer, research stay. In this way, relationships are developed between new generations.

Concluding these brief personal recollections, one would like to talk about a Max Planck ‘model’, i.e. a research facility excellence which has always been open to all, where anyone who wants to put themselves to the test is welcomed and enabled to study. A model that has been supported with public funds for a hundred years, a successful example of cooperation between the Bund (federal government) and the Länder (governments of German states). But this would be too complex, and perhaps irritating, for us Italians. The fact is that, like the protagonist of a Heinrich Böll short story, I continue to have the ‘defect’ of returning to Heidelberg whenever I can.

***

[1] Photo: MPIL.

[2] Photo: MPIL.

[3] Photo: MPIL.

Italiano

Sono arrivato ad Heidelberg insieme alle decine e decine di Trabant azzurre che, attraverso l’Ungheria, fuggivano dalla Germania orientale. Neuenheimer Feld, la zona di Heidelberg dove ha sede il Max Planck Institut (MPIL), era piena di queste auto che, nella loro precarietà, evocavano un altro mondo, che di lì a poco sarebbe definitivamente scomparso.

Vi andai per scrivere la tesi di dottorato, che i miei maestri, i professori Vincenzo Atripaldi e Claudio Rossano, vollero avesse una forte impronta comparatistica. Claudio Rossano, in particolare, che aveva trascorso molto tempo ad Heidelberg al tempo della sua formazione, me ne parlò come di un luogo in cui avrei potuto studiare proficuamente e, allo stesso tempo, intessere amicizie. Rievocò la presenza di tanti giovani colleghi che, insieme a lui, avevano trascorso un periodo di studio tra il Max Planck e lo Juristisches Seminar (la facoltà di Giurisprudenza di Heidelberg), tra cui Augusto Barbera, Carlo Amirante, Alfonso Masucci.

La sala di lettura come luogo di socializzazione

La sala di lettura dell’Istituto nella Max-Planck-Haus nel 1975[1]

Fu forse perché arrivavo da sei mesi trascorsi a Zurigo presso l’Istituto di diritto costituzionale comparato, dove non ebbi occasione di conoscere coetanei anch’essi in fase di formazione, ma ciò che mi colpì fin dall’inizio dell’Istituto (intendo ovviamente il Max Planck) fu l’immediata immersione in un’atmosfera di condivisione e di confronto delle proprie attività di ricerca con altri giovani studiosi. Erano quotidiani gli scambi di opinione su quanto stava avvenendo intorno a noi –lo sgretolarsi della cortina di ferro- e, allo stesso tempo, sulle ricerche che ciascuno portava avanti. Il clima che si creò tra di noi -intendo tra quelli che popolavano la Lesesaal, la sala di lettura- fu così positivo che decisi di rimanere ben oltre il periodo di sei mesi inizialmente previsto.

La sala di lettura, in quegli anni, era frequentata soprattutto da giovani provenienti dalla Grecia, dal Sud Africa, da Israele, dalla ex-Jugoslavia, dalla Turchia. Molti anche gli spagnoli e i portoghesi. I tedeschi, che arrivavano dalle Università vicine per portare a termine i loro lavori di dottorato e di abilitazione, costituivano anche una presenza discreta. Pochi gli inglesi e i francesi. E poi vi erano gli italiani, una presenza che all’epoca non era nutrita ma che lo sarebbe divenuta col tempo, tanto da costituire, forse, la comunità più folta e costante. È lì che ho conosciuto -per fare dei nomi di amici e colleghi a cui sono ancora oggi legato- Agatino Cariola, Giuseppe Cataldi, Filippo Donati, Pier Francesco Lotito, Alberto Lucarelli. La caratteristica degli italiani era quella di rimanere per periodi relativamente brevi e poi ritornare subito in Italia.

Io decisi di rimanere più a lungo e ciò mi permise di consolidare rapporti ed amicizie con molti giovani (all’epoca) studiosi, che oggi ricoprono ruoli importanti in università e istituzioni di tutto il mondo. Anche qui ne cito alcuni: Iris Canor, Miguel Angel Cabellos Espierrez, Erika de Wet, Petros Mavroidis, Petros Patronos, José Luis Rodriguez Alvarez.

Dopo qualche tempo, il direttore dell’Istituto a cui facevo riferimento, il prof. Jochen A. Frowein, mi invitò a partecipare alla riunione settimanale che all’epoca si svolgeva ogni lunedì pomeriggio (Referentenbesprechung) e coinvolgeva tutti i giovani referendari. Fu per me l’occasione non solo di osservare un modo diverso di fare ricerca, più partecipato ‘dal basso’, di quanto non accadesse a quell’epoca nelle Università italiane, ma soprattutto di entrare in contatto (e in alcuni casi di stringere amicizia) con i tanti giovani tedeschi che sceglievano di svolgere la loro attività di formazione presso il Max Planck. Molti di loro sono oggi professori in prestigiose università in Germania o impegnati nelle istituzioni europee (Michael Hahn, Matthias Hartwig, Georg Nolte, Stefan Oeter, Jörg Polakiewicz, Andreas Zimmermann).

Di valore ineguagliabile: la biblioteca

Il magazzino della biblioteca[2]

Parlare solo delle relazioni personali e accademiche, che negli anni si sono sviluppate e consolidate, vorrebbe però dire omettere la ragione principale per la quale così tanti giovani ricercatori, proveniente da tutto il mondo, si recavano all’Istituto. E quella ragione era ed è la biblioteca. Il pozzo librario, formatosi a partire dal periodo berlinese, è impressionante. Nel caso specifico, dovendo scrivere una tesi che aveva alle sue radici lo studio dei sistemi federali, l’accesso ai classici del federalismo tedesco, e non solo, era fondamentale. Da quel pozzo emergevano classici stupendi della letteratura giuspubblicistica in argomento (alcuni scritti in lettere gotiche).  Ciò che tuttavia era altrettanto, se non più sorprendente, era la possibilità di avere a disposizione anche la letteratura pubblicistica italiana, non solo quella novecentesca ma anche quella ottocentesca. Ricordo lo stupore dei bibliotecari che si chiedevano (e forse ancora oggi si chiedono) perché mai gli italiani chiedessero in consultazione libri italiani. La risposta sta ovviamente nelle carenze di molte biblioteche universitarie italiane.

Oggi non credo esista più, ma fino alla fine degli anni Novanta del secolo scorso esisteva poi uno schedario cartaceo degli articoli, redatto per soggetti. Un’opera di valore eccezionale, oggi in gran parte travolta da internet (e dal sistema Opac). Ma all’epoca era uno strumento di incomparabile valore per chi volesse condurre una ricerca su un soggetto nuovo oppure volesse perfezionare e svolgere gli ultimi controlli su una determinata materia. E non solo con riguardo alla letteratura tedesca ma a quella mondiale.

E vengo ora alle persone che, negli anni, hanno fatto funzionare la biblioteca. Mi piace dedicare un pensiero al direttore della biblioteca, Joachim Schwietzke, che ancora oggi, per quanto in pensione, mette a disposizione dell’Istituto la sua esperienza e la sua profonda conoscenza della storia dei trattati. Ma un ringraziamento particolare va ai tanti altri addetti alla biblioteca con i quali sono venuto a contatto negli anni: Marianne Kraft, Ali Zakouri, Sandra Berg.

Un istituto rinnovato. Il MPIL dal 2002

Il nuovo edificio dell’Istituto nel 2010[3]

A cavaliere del secolo l’Istituto ha rinnovato i propri vertici, prima con l’arrivo di Armin von Bogdandy, insediatosi come direttore nel 2002 e poi con Anne Peters nel 2013. Con Armin il rapporto è divenuto, col passare del tempo, sempre più amicale. Proprio per questo non sta a me esprimere un giudizio sul come e sul se l’Istituto sia cambiato negli ultimi vent’anni.

Certo è che, da un punto di vista strettamente personale, anche il mio sguardo sull’Istituto è naturalmente cambiato. A partire da un certo momento, i miei soggiorni non sono stati solo di studio per ricerche che nascevano in Italia ma sono divenuti anche occasione di coinvolgimento nelle ricerche dell’Istituto. In ciò ha giocato un ruolo la circostanza che il campo di interesse scientifico di Armin von Bogdandy abbia privilegiato il diritto costituzionale europeo, intercettando così più immediatamente le mie attività di studio. Penso in particolare al coinvolgimento nell’avventura di quell’opus magnum che è stato Jus Publicum Europaeum, coordinato appunto da Armin von Bogdandy, e che mi ha dato l’occasione di entrare in comunicazione con molti colleghi stranieri di grande valore.

Vi è poi un fattore oggettivo che emerge non appena si guardi alla composizione del personale di ricerca in una prospettiva storica (per quanto sempre legata alla mia personale esperienza). Mentre fino alla fine degli anni Novanta del secolo scorso i ricercatori erano per lo più tedeschi, negli ultimi venti anni la presenza di giovani studiosi stranieri, all’interno del personale di ricerca (Mitarbeiter), è senz’altro notevole. A questa evidenza oggettiva va aggiunta una ulteriore notazione, riguardante, più in particolare, la presenza di qualificati giovani studiosi italiani, che negli ultimi anni ho potuto conoscere personalmente. Alcuni sono ritornati in Università italiane, altri hanno trovato spazio in Università straniere, altri hanno scelto la strada delle istituzioni internazionali, a testimonianza che la selezione fatta dall’Istituto è stata svolta guardando esclusivamente alla qualità: Davide Paris, Angelo Junior Golia, Sabrina Ragone, Giacomo Rugge, Valentina Volpe. E forse ne dimentico qualcuno.

Per parte mia, non perdo l’occasione di spronare i giovani che collaborano con me a svolgere periodi più o meno lunghi di studio presso l’Istituto. Si sviluppano così rapporti tra nuove generazioni.

Concludendo questi brevi ricordi personali, verrebbe voglia di parlare di un ‘modello’ Max Planck, e cioè di una struttura di ricerca di eccellenza, aperta da sempre a tutti, in cui chiunque voglia mettersi alla prova viene accolto e messo in condizione di studiare. Un modello che da cento anni viene sostenuto con fondi pubblici, esempio riuscito di cooperazione tra Bund e Länder. Ma questo sarebbe un discorso troppo complesso e forse irritante per noi italiani. Sta di fatto che, come il protagonista di un racconto di Heinrich Böll, continuo ad avere il ‘difetto’ di tornare ad Heidelberg quando posso.

***

[1] Foto: MPIL.

[2] Foto: MPIL.

[3] Foto: MPIL.

Diplomatie, Geschichte, Völkerrecht.

Ellinor von Puttkamer und das KWI

Seit Oktober 2020, und damit erstmals seit seiner Gründung im Jahr 1871, verfügt das Auswärtige Amt (AA) über einen Sitzungssaal, der nach einer Frau benannt ist. Die post-mortem-Würdigung Ellinor von Puttkamers gilt einer Spitzendiplomatin, deren ungewöhnlicher Werdegang bis heute nur wenig bis gar nicht bekannt ist.[1] Das AA beschränkte sich bei Bekanntgabe der Saalbenennung seinerzeit auf die knappe Information, Puttkamer sei die erste Frau auf einem bundesdeutschen Botschafterposten gewesen. Damit fehlte ein Hinweis darauf, dass Puttkamers 1953 beginnender Aufstieg im diplomatischen Dienst eine längere Vorgeschichte hatte, in der ihre Rolle in einflussreichen völkerrechtlichen Netzwerken besonders hervorstach. Trotz eher überschaubarer Forschungslage sind wir über den Lebensweg zumindest in groben Zügen informiert. Geboren 1910 im pommerschen Versin als jüngstes von fünf Kindern, verbrachte sie ihre Kindheits- und Jugendjahre auf dem Gut ihres Vaters, des Generallandschaftsrats Andreas von Puttkamer und seiner Frau Elsbeth, geborene von Zitzewitz. Die weit verzweigte Familie zählte zu den ältesten und politisch einflussreichsten Adelsfamilien Pommerns. Von 1930 bis 1936 studierte Ellinor von Puttkamer Geschichte in Köln, Marburg, Innsbruck und Berlin. Dort schloss sie sich dem Schülerkreis um den Osteuropahistoriker und DNVP-Politiker Otto Hoetzsch an, der 1935 aus politischen Gründen seines Lehrstuhls enthoben und zwangspensioniert wurde. Nach der Promotion[2] stieß Puttkamer 1936 als Nichtjuristin zum Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Felix Lange weist darauf hin, dass sie am Institut zu den wenigen Mitarbeiter:innen auf Referentenebene ohne NSDAP-Parteibuch gehörte.[3] Wohl um ihre Chancen auf eine mögliche akademische Karriere zu wahren, schrieb sie sich 1940 an der Berliner rechtswissenschaftlichen Fakultät ein, brach das Studium jedoch zwei Jahre später ohne Examen ab. Aus einem nach dem Krieg entstandenen Verzeichnis geht hervor, dass Puttkamer am KWI vor allem für die Redaktion der Zeitschrift und die Leitung der Informationsabteilung zuständig war.[4] Bereits vor Kriegsausbruch hatte sie sich dadurch den Ruf erarbeitet, einen guten Überblick zu fachlichen und forschungspolitischen Debatten zu besitzen, die zu dieser Zeit vor allem außerhalb des Deutschen Reichs geführt wurden.

Nach der deutschen Kapitulation zog Puttkamer von Berlin in die amerikanische Besatzungszone und arbeitete zeitweise als Assistentin an der juristischen Fakultät der Universität Mainz. Ab 1947 übernahm sie erste Lehraufträge in Heidelberg, wo sie während der nächsten Jahre auch lebte. Kurz vor Gründung der Bundesrepublik trat die fast Vierzigjährige als Quereinsteigerin in das Rechtsamt des Vereinigten Wirtschaftsgebiets ein, wurde 1950 vom Bundesjustizministerium (BMJ) übernommen und arbeitete danach als Regierungsrätin im Referat für Fragen des Besatzungsrechts und der alliierten Kriegsverbrecherpolitik.[5] Zu vermuten ist, dass ein 1949 erschienener Aufsatz sie für diese Aufgabe empfohlen hatte. Im Einklang mit einer im Nachkriegsdeutschland typischen Abwehr gegen eine alliierte Aufarbeitung von NS-Unrecht waren dort, unter Ausblendung des Menschheitsverbrechens an den europäischen Juden, die alliierte Kriegsverbrecherpolitik nach 1918 und die Nürnberger Prozesse gleichermaßen als völkerrechtswidrig qualifiziert worden.[6] Es folgten die Beförderung zur Oberregierungsrätin und die Habilitation an der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn. Puttkamers Studie zur Geschichte der polnischen Nationaldemokratie und zu dem völkisch-antisemitischen Nationalisten Roman Dmowski war bereits während der vierziger Jahre am KWI fertiggestellt und 1944 in Krakau veröffentlicht worden, dies hatte ihr jedoch seinerzeit nicht den erwünschten akademischen Titel gebracht.[7]

1953 wechselte das gesamte BMJ-Referat zum AA, wo Puttkamer zur Leiterin des Referats Europäische Politische Gemeinschaft (Referat 218 beziehungsweise 216) ernannt wurde. Es folgten Stationen bei der UN-Beobachterstelle in New York, danach übernahm sie, wieder in der Bonner Zentrale, die Leitung des Referats 300 (Vereinte Nationen etc.). 1969 wurde sie schließlich von Willy Brandt, dem sozialdemokratischen Außenminister der Großen Koalition, zur ersten bundesdeutschen Botschafterin und Leiterin der deutschen Vertretung beim Europarat berufen. Bereits sechs Jahre zuvor hatte ihr die Universität Bonn die Würde einer außerplanmäßigen Professur für Osteuropäische Geschichte und vergleichende Verfassungsgeschichte verliehen. Trotz Puttkamers profunder Osteuropa-Expertise wurde sie im Zuge der Neuen Ostpolitik offenbar nie für einen Posten in Warschau oder Moskau in Erwägung gezogen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ihr beruflicher Aufstieg im Nationalsozialismus in der sozial-liberalen Ära als vergangenheitspolitischer Malus angesehen worden wäre.

(K)eine Anknüpfung an die Vorkriegskarriere. Puttkamer und das Heidelberger Institut

Ellinor von Puttkamer mit Erich und Hedwig Kaufmann anlässlich der Amtseinführung von Rudolf Bernhardt im Institut, 1970[8]

In einem 2014 erschienenen Aufsatz hat sich Felix Lange auf breiter Quellengrundlage mit der Institutsneugründung 1949 und den dahinterstehenden Entscheidungsprozessen befasst.[9] Gezeigt wurde nicht nur, warum sich Heidelberg am Ende gegen Berlin durchsetzen konnte, sondern auch, welche Bedeutung die Personalie Carl Bilfingers für die Standortfrage spielte. Während Bilfinger, trotz eines im Ganzen fragwürdigen Entnazifizierungsverfahrens, eine zweite Karriere als Leiter des wiedergegründeten Instituts gelang, endete Puttkamers langjährige Tätigkeit für das KWI letztlich mit ihrer Nichtübernahme und einem schrittweisen Rückzug vom Institut. Letzterer trat ein, obwohl sie maßgeblich an den Vorbereitungen für die Neugründung mitbeteiligt gewesen war. Wie eng Puttkamers Bindungen an das völkerrechtliche KWI noch bis Ende der vierziger Jahre waren, ist durch die vorhandene Aktenlage gut dokumentiert. So ergibt sich aus den überlieferten Korrespondenzen, Reiseberichten und Memoranden, dass sie eine vielgesuchte Ansprechperson in personal- und wissenschaftspolitischen Fragen war und von Anfang an in alle offiziellen und halb-offiziellen Planungen zu Wieder- bzw. Neugründung eingeweiht.

In den letzten Kriegstagen hatte Puttkamer zu den wenigen KWI-Angehörigen gehört, die auf dem Gut Kleisthöhe in der Uckermark, dem letzten Sitz des im Krieg verlagerten Instituts, die Stellung hielten. Sie machte sich Sorgen über den drohenden Verlust der alten ostelbischen Heimat („… es bleibt doch wohl nur Afrika“) und schien von Gewissensbissen geplagt, ihren in Hinterpommern zurückgebliebenen Familienangehörigen nicht rechtzeitig zur Hilfe geeilt zu sein. Einer ihrer letzten Briefe stammt vom Gründonnerstag (29. März) 1945:

„Noch einmal vornehm auf dem alten Institutspapier (wohl das letzte Mal, denn das Institut löst sich bereits langsam in Wohlgefallen auf). Einen Brief ins Blaue! Ob er noch ankommt? Die letzte Entwicklung lässt dies einigermaßen fraglich erscheinen.“[10]

Zurückgeworfen auf ein Leben jenseits aller beruflichen Verpflichtungen und gesellschaftlichen Ablenkungen, erschienen ihr das Institut und dessen Bibliothek als Haltepunkte in einer aus den Fugen geratenen Welt:

„Meine Existenz auf der Kleisthöhe ist äußerst merkwürdig. Einen Zweck hat sie nicht außer dem Privaten. Das Institut ist schon so gut wie aufgeflogen. Es ist uns freigestellt, im ‚Ernstfall‘ zu tun, was wir wollten. Den Besatzungen der Außenstellen sind noch großzügige Erlaubnisse erteilt worden, mit dem Erfolg, dass sie sich alle, außer einer sehr unzuverlässigen Sekretärin und mir, bereits verkrümelt haben. Gehalt haben wir noch bis zum 1.7. bezahlt bekommen. Ich könnte also – theoretisch – auch zu meiner Familie.

Ich tue es nicht, obwohl das vielleicht ganz dumm ist, weil ich das Gefühl habe, dies nicht einfach tun zu können, sondern dann nach Berlin zurück zu müssen, was ich vermeiden möchte. Über kurz oder lang werde ich wohl ganz allein hier übrigbleiben, in einem gut möbilierten Haushalt mit Mädchen, umgeben nicht nur von unserer Bibliothek, sondern auch von den vielen zurückgelassenen Privatsachen der Getürmten. […]

Wenn die Russen nicht schon vorher kommen, werde ich also so lange wie dies gegenüber dem Institut möglich ist, hier ausharren.“[11]

Ungeachtet ihres mutigen Einsatzes konnte Puttkamer letztlich nicht verhindern, dass große Teile der wertvollen KWI-Völkerrechtsbibliothek in den letzten Kriegstagen von sowjetischen Truppen, möglicherweise auch von der SS, niedergebrannt wurden.[12] Dass ihr eine tragende Rolle bei dem ins Auge gefassten Wiederaufbau des Instituts zugedacht war, zeichnete sich schon unmittelbar nach Kriegsende ab. In einer im Nachlass Hermann Moslers befindlichen Personalaufstellung von 1945/46 war sie neben der studierten Lehrerin Cornelia Bruns, die als Übersetzerin eingesetzt werden sollte, die einzige Frau und Nichtjuristin, die als geeignet für eine spätere Verwendung im Wiederaufbaustab angesehen wurde. Konkret war damals daran gedacht, ihr das Ostreferat oder die Informationsabteilung zu übertragen. Jedoch standen beide Aufgabenbereiche schon damals unter dem Vorbehalt einer vermeintlich nicht ausreichend nachgewiesenen akademischen Qualifikation. So knüpfte man ihre künftige Mitarbeit offenbar an die Bedingung, dass es ihr gelänge, quasi „nebenher“ die Habilitation abzuschließen.[13] Ob Puttkamer über die sie betreffenden Auflagen in Kenntnis gesetzt wurde, ist anhand der eingesehenen Akten nicht erkennbar.

Das Saxo-Borussen-Haus in Heidelberg, in dem das Institut von 1949 bis 1954 untergebracht war[14]

Die überlieferten Briefwechsel zwischen Puttkamer und dem späteren Institutsdirektor Mosler lassen darauf schließen, dass zwischen beiden eine freundschaftliche Beziehung bestand, die angesichts Moslers Herkunft aus rheinisch-katholischem Milieu nicht selbstverständlich war. Mosler, der zeitweise der SA angehört hatte und mehreren Parteiorganisationen beigetreten war, hegte offensichtlich einen gewissen Respekt dafür, dass die fast gleichaltrige Puttkamer entgegen aller Opportunitätserwägungen niemals NSDAP-Mitglied wurde. Hinzu kam, dass er in der umtriebigen, stets zuverlässig informierten Kollegin eine Person gefunden hatte, die ihn über alle Vorkommnisse im Umfeld des Instituts auf dem Laufenden hielt.

So meinte er im Mai 1949 gegenüber Angèle Auburtin:

„Über die Institutsangelegenheiten höre ich ab und zu durch Puttchen. Bi[lfinger] wird sich sehr anstrengen müssen, ein konkurrenzfähiges Unternehmen auf die Beine zu stellen. Der Neider und Verständnislosen gibt es genug. Er ist viel lebendiger geworden, rüstiger als er war – aber im Grunde labil. Ohne Grewe wird er auf die Dauer nicht auskommen. Ich halte es deswegen für richtiger, sich mit ihm gut zu stellen. Das Team, das er sich zusammenstellt, wird hoffentlich nicht allzu nationalliberal-treudeutsch ausfallen.

Die einzige wirksame Gegenkraft einer der wenigen noch vorhandenen Antinazis überhaupt – ist Puttchen.“[15]

Wenige Wochen zuvor hatte Mosler noch an Auburtin geschrieben, es sei „zweifelhaft“, ob Puttkamer tatsächlich in Heidelberg „mitmachen“ und dafür ihre Stelle in Frankfurt aufgeben würde. Dieser Skepsis hatte die Genannte selbst Nahrung gegeben. So bat sie Mosler, mit ihr über ihre, wie sie es formulierte, eigene „Endlösung“ zu sprechen, nachdem sie als Regierungsrätin im Rechtsamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets eine Stelle gefunden hatte, die ihr „ausfüllbar“ erschien.[16] Mit dem Wechsel von der Wissenschaft in die Praxis und dem Eintritt in den krisenfesten Verwaltungsdienst eines Bundesministeriums folgte Puttkamer dem Weg ihrer langjährigen KWI-Kollegin Angèle Auburtin.[17] Die zweifach promovierte Juristin und frühere Leiterin des Amerika-Referats war nach Kriegsende Oberregierungsrätin im Kultusministerium von NRW geworden. Es bleibt also die Frage, warum sich Puttkamer 1949, dies vor dem Hintergrund ihres fast fünfjährigen Engagements für ein Weiterbestehen des Instituts, für einen beruflichen Neuanfang und damit für einen zumindest vorläufigen Abschied von der Wissenschaft entschied.

Gruppenbild ohne Dame: Grundsteinlegung des neuen Institutsgebäudes, 24. Juli 1953. Staatsrat Paul Vohwinkel (Mitte) mit (v.l.n.r.) Oberbürgermeister Neinhaus, Oberbaurat Barié, Carl Bilfinger und MPG-Vize-Präsident Erich Regener[18]

Gegen die Deutung, sie habe als Nichtparteimitglied möglicherweise nicht unter dem stark belasteten Bilfinger arbeiten wollen, spricht, dass sowohl sie selbst als auch Mosler diesem während des Entnazifizierungsverfahrens beigesprungen waren. So hatte Puttkamer bereits 1946 gegenüber der Spruchkammer ausgesagt, man habe durch Bilfingers Ernennung 1943 erreichen können, das Institut von „allen Parteieinflüssen“ freizuhalten.[19] Zwar konnte sie kurz nach Kriegsende noch nicht von einer späteren Leitungsposition Bilfingers ausgehen. Grundsätzliche Einwände, wie sie etwa der remigrierte deutsch-jüdische Rechtswissenschaftler Gerhard Leibholz gegen Bilfinger erhob,[20] waren von ihr aber auch zu späterem Zeitpunkt nicht zu hören. Vielmehr war sie noch 1953, also nach ihrem Eintritt in das BMJ, mit einem eigenen Beitrag an der Festschrift zu Bilfingers 75. Geburtstag vertreten.[21]

Man wird daher nach anderen Gründen suchen müssen, um ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Institut zu erklären. Abgesehen davon, dass sie von ihren Kollegen als NS-Gegnerin wahrgenommen wurde, könnte sich paradoxerweise auch ihre Ostexpertise als Hindernis ausgewirkt haben. Dies hatte damit zu tun, dass sich diese Qualifikation im Zeitalter des heranbrechenden Kalten Kriegs zur vielgefragten Ressource einer anwendungsorientierten Politikberatung und männlich konnotierten Cold War Science entwickelte, von denen Wissenschaftlerinnen nicht nur in der Bundesrepublik so gut wie vollständig ausgeschlossen blieben. Darüber hinaus dürfte auch der Einfluss von Krieg, Flucht und Entwurzelung eine gewisse Rolle gespielt haben. Wirkten sich solche lebensweltlichen Umbruchserfahrungen unmittelbar nach Kriegsende noch als Kohäsionsfaktor aus, der die Inklusion von Frauen in Institutionen tendenziell begünstigte, war nach Gründung der Bundesrepublik eher das Gegenteil der Fall. So erwies sich die gleiche Konstellation informeller und personalisierter Beziehungen im Zeichen aufkommender christlich-patriarchaler Geschlechterbilder plötzlich als gewichtiger Nachteil und Ausschlusskriterium, wenn es um berufstätige Frauen und Akademikerinnen ging. Insofern stellt Birgit Kolboske in ihrer 2023 erschienen Untersuchung zur Rolle von Frauen in der Max-Planck-Gesellschaft zu Recht fest, es habe, ungeachtet erster hoffnungsvoller Anzeichen nach 1945, „kein Wissenschaftswunder für Akademikerinnen“ gegeben.[22]

***

[1] Ludwig Biewer, In memoriam Ellinor von Puttkamer, Baltische Studien N. F. 86 (2000), 145–147; Ursula Müller/Christiane Scheidemann (Hrsg.), Gewandt, geschickt und abgesandt. Frauen im Diplomatischen Dienst, München: Olzog 2000, 109–114; Heike Anke Berger, Deutsche Historikerinnen: 1920–1970. Geschichte zwischen Wissenschaft und Politik, Frankfurt a.M.: Campus Verlag 2007.

[2] Ellinor von Puttkamer, Frankreich, Rußland und der polnische Thron 1733. Ein Beitrag zur Geschichte der französischen Ostpolitik, Osteuropäische Forschungen N. F. Bd. 24, Königsberg: Ost-Europa-Verlag 1937.

[3] Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption. Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 262, Heidelberg: Springer 2017, 126.

[4] Aufstellung über in den Westzonen lebende Mitarbeiter des KWI, die bei einer Wiedererrichtung im Rahmen der Max-Planck-Gesellschaft Verwendung finden könnten (o.D.), Archiv der Max-Planck-Gesellschaft [AMPG], Rep. 191, Nr. 20, Bd. 1 (4).

[5] Manfred Görtemaker/Christoph Safferling, Die Akte Rosenburg. Das Bundesministerium der Justiz und die NS-Zeit, München: C.H. Beck 2016, 115.

[6] Ellinor von Puttkamer, Die Haftung der politischen und militärischen Führung des Ersten Weltkriegs für Kriegsurheberschaft und Kriegsverbrechen, Archiv des Völkerrechts 1 (1949), 424–449.

[7] Ellinor von Puttkamer, Die polnische Nationaldemokratie, Schriftenreihe des Instituts für Deutsche Ostarbeit, Sektion Geschichte Bd. 24, Krakau [Kraków]: Burgverlag 1944.

[8] Foto: MPIL.

[9] Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung und die Entscheidung für Heidelberg. Die Gründungsgeschichte des völkerrechtlichen Max-Planck-Instituts nach dem Zweiten Weltkrieg, ZaöRV 74 (2014), 697–731; ferner: Philipp Glahé/Reinhard Mehring/Rolf Rieß (Hrsg.), Der Staats- und Völkerrechtler Carl Bilfinger (1879–1958). Dokumentation seiner politischen Biographie. Korrespondenz mit Carl Schmitt, Texte und Kontroversen, Baden-Baden: Nomos, 2024.

[10] Schreiben von Ellinor von Puttkamer an unbekannten Empfänger, datiert 29.3.1945, AMPG, III, Rep. 124, Nr. 35.

[11] Schreiben von Elinor von Puttkamer (Fn. 10).

[12] Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung (Fn. 9), 703.

[13] Aufstellung (Fn. 4).

[14] Foto: AMPG.

[15] Schreiben von Hermann Mosler an Angèle Auburtin, datiert 29.5.1949, AMPG, Rep. 191, Nr. 20, Bd. 1 (4).

[16] Schreiben von Ellinor von Puttkamer an Herrmann Mosler, datiert Karsamstag [16.4.] 1949, AMPG, Rep. 191, Nr. 20, Bd. 1 (4).

[17] Angèle Auburtin, Amerikanische Rechtsauffassung und die neueren amerikanischen Theorien der Rechtssoziologie und des Rechtsrealismus, ZaöVR 3 (1932/33), 529–567.

[18] Foto: MPIL.

[19] Zitiert nach: Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung (Fn. 9), 726.

[20] Felix Lange, Carl Bilfingers Entnazifizierung (Fn. 9), 721; vgl. auch: Johannes Mikuteit, “Einfach eine sachlich politische Unmöglichkeit“. Die Protestation von Gerhard Leibholz gegen die Ernennung von Carl Bilfinger zum Gründungsdirektor des MPIL, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240408-140804-0.

[21] Ellinor von Puttkamer, Historische Pläne europäischer Verfassungsbildung, in: Carl Bilfinger (Gefeierter), Völkerrechtliche und staatsrechtliche Abhandlungen: Carl Bilfinger zum 75. Geburtstag am 21. Januar 1954 gewidmet von Mitgliedern und Freunden des Instituts, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 29, Köln: Heymann 1954, 345-370.

[22] Einzelne Fortschritte in diesem Bereich seien somit weniger das Ergebnis gezielter Frauenpolitik, sondern eine Folge des Mangels an unbelasteten männlichen Kollegen gewesen: Birgit Kolboske, Hierarchien. Das Unbehagen der Geschlechter mit dem Harnack-Prinzip. Frauen in der Max-Planck-Gesellschaft, Studien zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft Bd. 3, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2023, 165.