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Auf der Suche nach einer *lustvollen* Bibliothek – Vom Aufleuchten und Verglimmen des Raumkonzepts der Institutsbibliothek

„Wenn also die Bibliothek, wie es Borges will, ein Modell des Universums ist,[1] so sollten wir versuchen, sie in ein dem Menschen gemäßes Universum zu verwandeln, und dem Menschen gemäß, ich wiederhole es, heißt auch fröhlich, auch mit der Möglichkeit, einen Kaffee zu trinken, auch mit der Möglichkeit, daß Studentenpärchen einen Nachmittag lang auf dem Sofa sitzen können, nicht um sich dort abzuknutschen, sondern um einen Teil ihres Flirts zwischen Büchern auszuleben, Büchern von wissenschaftlichem Interesse, die sie sich aus den Regalen holen und wieder zurückstellen. Mit einem Wort: eine lustvolle Bibliothek…“

Umberto Eco, Die Bibliothek (1987)

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte einer Institution lädt auch dazu ein, sich mit den Räumen zu befassen, in denen sie gewirkt hat. [2] Wissenschaftliche Arbeit wird von einem Gebäude schließlich nicht nur beherbergt, sondern auch in sich strukturiert[3] und sozialisiert.

Besonders bei geisteswissenschaftlichen Institutionen nehmen dabei die Bibliotheksräume eine besondere Rolle ein. Die Arbeit mit den Büchern ist Grundvoraussetzung und bezeugt die Verbundenheit in der Sache und die Lust an der Sache über die Zeiten hinweg. Aus diesem Grund widmet sich mein Beitrag eben diesen Räumen des heutigen Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (MPIL) im Spiegel seiner hundertjährigen Geschichte.

Die zentrale Bedeutung der Bibliothek für die Arbeit des Instituts war schon immer offenkundig. So war eine umfangreiche Bibliothek von Beginn an Kernbestandteil und Kernanliegen des Instituts und Voraussetzung für seine Arbeitsausrichtung und sein wissenschaftliches Selbstverständnis.[4] Heute zählt die Bibliothek über 700.000 Bände und ist seit den 1970ern einer der Hauptgründe für den regen Besuch von Gastwissenschaftlerinnen, die in ihr bis heute einen einzigartigen Quellenreichtum vorfinden.[5] Dieser Bestand sowie die ausgezeichnete Arbeit der Bibliothekarinnen tragen mit Sicherheit großen Anteil an dem wissenschaftlich bedeutenden Output der letzten einhundert Jahre.

Wir wissen inzwischen aber auch, dass Bibliotheken viel mehr sind als Sammlungen.[6] Sie sind soziale Räume. Umberto Eco unterstreicht dies in seinem Essay „Die Bibliothek“, in dem er immer wieder betont, dass Bibliotheken zum Hauptziel haben sollten, wissenschaftliches Leben[7] zu ermöglichen. Und das ist nicht bloß in einem romantisierenden Sinne zu verstehen. Die Raumsoziologie hat deutlich gemacht, dass materielle Räume und soziale Praktiken sich gegenseitig konstituieren.[8] Dies bedeutet, dass die Arbeitsweise und inhaltliche Ausrichtung der bibliotheksnutzenden Wissenschaftlerinnen im wechselseitigen Verhältnis zur Struktur und Architektur der Bibliothek stehen. Die architektonische Konzeption der Bibliothek und ihre Strukturierung übt so einen Einfluss auf die Arbeit der Wissenschaftlerinnen aus und konditioniert diese sozial. Dieses letzte Element ist, was Eco mit „leben“ in der Bibliothek meint.

Bibliotheken schaffen soziale Räume gemeinsamen Forschens. In ihnen wird der Austausch neben und schon vor der Arbeit grundgelegt. Der Gewinn solcher Räume zeigt sich auch in den Rechtswissenschaften, denn in der Aktualität der andauernden Entwicklungen wächst die Notwendigkeit des in den Räumen der Bibliothek ermöglichten Austauschs. Daran ändert auch der uralte Widerstreit der wissenschaftlichen Temperamente nichts: des einsamen Glücks der einen im ungestörten Büro und der Lust der anderen an der gemeinsamen Arbeit zwischen Büchern, der second thoughts beim Kaffee, dem Gang durch die Bücherkorridore, des Schmökerns durch relevante (oder weniger relevante) Regalabschnitte. In einer perfekten Bibliothek braucht er nicht entschieden zu werden, denn der Profit des einen am anderen liegt auf der Hand.

Kurzum, kaum andere Räume sind so konstitutiv und indikativ für eine wissenschaftliche Kultur, für ihre rituellen Gewohnheiten, wie Bibliotheksräume.[9] Ich meine nicht nur das Phänomen, welches in den Bibliothekswissenschaften unter dem Header „Dritter Ort“ etabliert ist und Bibliotheken als gesellschaftliche Orte begreift.[10]  Grundlegender ist die Bibliothek als Ort der gemeinsamen wissenschaftlichen Praxis. Die geradezu rituelle Bedeutung dieser sozialen Räume für wissenschaftliche Einrichtungen springt ins Auge, wenn man sich Top-Universitäten (Yale, Harvard, Cambridge, Oxford, etc.) und Forschungsreinrichtungen (beispielsweise EUI, Geneva Graduate Institute, Haque Academy of International Law) in ihrem Stolz auf ihre Bibliotheksräume vergegenwärtigt. Sie fungieren nicht nur als Repräsentationsräume des kulturellen und symbolischen Kapitals sondern auch als intellektuelle Lebensräume, als Räume eines wissenschaftlichen Arbeitsethos.[11] Natürlich gibt es beachtliche konzeptionelle Unterschiede und divergierende Bedürfnisse zwischen Universitäts- und Instituts-Bibliotheken. Aber beiden kommt, trotz aller Unterschiede eine soziale Funktion zu.[12]

Die Wahrnehmung der MPIL-Bibliothek vor dem Hintergrund eigener Bibliothekserfahrung(en)

Aus der eigenen Erfahrung kennen wir die Bedeutung dieser sozialen Funktion: Das Arbeiten in Bibliotheken sozialisiert und integriert jede Erstsemesterstudentin nicht weniger in den wissenschaftlichen Betrieb als das Besuchen der ersten Vorlesung/des ersten Seminars. Meine Erfahrungen unterschiedlicher wissenschaftlicher Kontexte sind maßgeblich von Bibliotheken, ihren Räumen und ihren Riten geprägt. Meine intensivsten Studienerinnerungen sind mit den Räumen verbunden, in denen ich mit anderen zwischen Bücherreihen las, lernte und schrieb: Die Bibliothek der Juristischen Fakultät der Humboldt Universität, die winzige aber magische Bibliothek der Maison Heinrich Heine in der Cité Universitaire in Paris, die brutalistische Bibliothek des Institute of Advanced Legal Studies am Russel Square in London und die Bobst Library in New York mit ihrer spektakulären Aussicht nach außen und innen. Die Individualität der Orte begleitet und prägt das wissenschaftliche Leben, und zwar jeweils anders, weshalb das Profil dieser Orte unverzichtbar ist. Im Lichte dieser (meiner) Erfahrungen und Eindrücke, darf dieser Beitrag durchaus als Plädoyer für die räumlich gefasste Lust des lesenden Austauschs am MPIL verstanden sein. Diese ist keine Selbstverständlichkeit, sondern etwas wofür man sich einsetzen muss.

Der library desk heute (2024) mit Sandra Berg[13]

Betritt man das Institut heute, so trifft man nach der Rezeption auf den library desk, der, sehr elegant designed die Kurve der dahinter liegenden Rotunde (hierzu gleich mehr) zitiert und die zentrale Anlaufstelle der Bibliothek darstellt.

Das Magazin[14]

 

Die Bibliothek an sich bleibt dem Besucher von dort aus unsichtbar. Der Großteil der Bücher befindet sich in einem eindrucksvollen unterirdischen Magazin.

 

Lesesaal 1. OG[15]

Nur ein kleiner Teil des Buchbestandes ist oberirdisch untergebracht, wo er um den, im Herzen des Gebäudes befindlichen, Lesesaal herum angeordnet ist. Dieser wiederum ist durch eine Glaswand von den Büchern getrennt.  Im fensterlosen, nur mit Oberlichten und Deckenbeleuchtung erhellten, Lesesaal befinden sich die Arbeitsplätze der Gastwissenschaftlerinnen.

In Anbetracht dieser Fensterlosigkeit, wurde 2019 ein weiterer Lesesaal an der Vorderseite des Instituts, nach Süden heraus, eingerichtet. Zusätzlich zum Anliegen der Schaffung eines lichtdurchfluteten Arbeitsraums für Gastwissenschaftlerinnen war zentrale Idee, zur Straße hin transparent zu machen, was am Institut geschieht und wie dort gearbeitet wird. Interessant ist jedoch, dass diesem Blick von außen die Arbeit mit der primären Ressource, nämlich der Bibliothek, unsichtbar bleibt. Der Lesesaal ist nämlich räumlich von der Bibliothek getrennt und enthält nur eine kleine Anzahl von Büchern.

Der Lesesaal Süd, so wie er von außen wahrgenommen werden kann.[16]

Die institutsangehörigen Wissenschaftlerinnen selber haben keine Arbeitsplätze in den Bibliotheksräumen. Sie genießen den Luxus, in separaten Büros arbeiten zu können und verbuchen die für sie relevanten Bücher aus dem Magazin an ihre Arbeitsplätze. Der Zugang zu dem Magazin, ob über- oder unterirdisch, ist den Angehörigen des Instituts und den Bibliothekarinnen vorbehalten. Seit jüngstem ist allerdings aus Gründen der Arbeitssicherheit die Bibliothek am Wochenende auch für Wissenschaftlerinnen des Instituts geschlossen, sowie unter der Woche nach 19:00 Uhr.[17] Gastwissenschaftlerinnen haben hingegen keinen direkten Zugang zu den Büchern, sondern können sich die gewünschten Bände bestellen und heraussuchen lassen.[18]

Das Resultat ist die räumliche Reduzierung der Bibliothek auf ein einfaches Magazin. Als solches bietet sie keine Möglichkeit, zwischen den Büchern an einem Arbeitsplatz zu lesen. Der Bibliotheksraum selbst kann somit keine soziale Funktion erfüllen, ebenso wenig wie der Lesesaal in ihrer Mitte. Sitzt und arbeitet man dort, fühlt man sich nicht nur von den Büchern ferngehalten, sondern auch eher vom Rest des Instituts abgegrenzt als in seinem Herzstück. Unabhängig von den Schätzen, die die Bibliothek bietet, stellt der Lesesaal deswegen für viele Gastwissenschaftlerinnen einen relativ unattraktiven, da wenig einladenden, Arbeitsplatz dar. Für die Wissenschaftlerinnen des Instituts bedeutet dies zugleich den „Rückzug“ in das eigene, ruhige, vertraute, aber eben auch isolierte, behördenähnliche Büro (oder im Sommer in die klimatisierten Seminarräume). Diese Konzeption der Bibliothek als ausschließliche Magazinbibliothek ist keine neue, sondern zieht sich durch die Geschichte des MPIL und seiner Vorgängerinstitution.

Die Bibliotheksräume des Instituts der letzten einhundert Jahre

Die Bibliothek des KWI 1931[20]

Leider wissen wir nur wenig über die Bibliotheksräume des Kaiser-Wilhelm-Instituts (KWI) im Berliner Schloss. Das wenige Bildmaterial, welches wir auftreiben konnten[19], deutet darauf hin, dass die Anfänge der Bibliothek in den Institutsfluren im Berliner Schloss, von denen die Büros abgingen, untergebracht wurde. Es scheint, als wären die Räume, welche dem Institut nach seiner relativ plötzlichen Gründung zur Verfügung gestellt wurden, nicht für den rasch anwachsenden Bibliotheksbestand ausgelegt gewesen. Es soll zwar auch einen Leseraum im Schloss gegeben haben, den man sich mit dem privatrechtlichen KWI geteilt hat, jedoch konnte kein kohärentes räumliches Bibliotheksgefüge entstehen, welches dem sehr anspruchsvollen Bibliotheksprojekt gerecht werden konnte.[21] Andererseits war die Bibliothek damals durchaus wichtiger Bestandteil des größeren schlossübergreifenden Gefüges, welches zahlreiche wissenschaftliche Einrichtungen mit einem breiten Spektrum an Gemeinschaftsräumen und -einrichtungen umspannte. Damit war die Bibliothek zwar nicht-öffentlich, stand jedoch einem weitgespannten Netzwerk von Juristen zur Verfügung.[22]

Nach der kriegsbedingten Auslagerung der Bibliothek im Herbst 1944, der Zerstörung der Institutsräumlichkeiten im Schloss im Januar 1945 sowie der Vernichtung großer Buchbestände infolge der Kriegshandlungen war die Bibliothek vorübergehend „obdachlos“ geworden.  Ein festes Heim erhielt sie erst wieder 1954 im neuen Institutsgebäude in der Berliner Straße in Heidelberg, nach neun Jahren verschiedener Provisorien. Die Buchbestände waren davor zum Teil weit verstreut. In Heidelberg selbst war ein Teil der Bücher bis 1954 in verschiedenen Gebäuden untergebracht, unter anderem im seinerzeit angemieteten Verbindungshaus der Saxoborussen sowie in Räumlichkeiten am Friedrich-Ebert-Platz, aber auch im Privathaus des Institutsdirektors Carl Bilfinger am Philosophenweg. Ein großer Teil der Bibliothek verblieb noch bis 1960 in der in Dahlem geführten Außenstelle in Berlin.

Das Institutsgebäude 1954. Links der Bücherturm[23]

Das Gebäude in der Berliner Straße war das erste, das eigens für das Institut errichtet wurde und das somit, soweit es die angespannten finanziellen Verhältnisse der Nachkriegszeit erlaubten, auf seine Bedürfnisse zugeschnitten war.

Ludwig Hasslinger, Fräulein Heckmann und Christine Wickenhäuser 1972 im Bücherturm[24]

Das besondere architektonische Merkmal des Instituts war der „Bücherturm“, der die Institutsbibliothek beherbergte. Mit seiner Errichtung wurde nun endgültig die Idee einer Magazinbibliothek festgeschrieben. Auf den Bau eines Lesesaals verzichtete man. Er schien der Arbeitsweise des Instituts nicht zu entsprechen, arbeiteten die Wissenschaftler des Instituts doch weiterhin, wie schon im Berliner Schloss und entsprechend der konzeptionellen Anlehnung des Instituts an die Länderreferatsstruktur des Auswärtigen Amtes, in Büros. Publikumsverkehr gab es seinerzeit keinen am Institut, der Zuschnitt der, einer zweckorientierter Politikberatung ähnelnden, Forschung und die internen Arbeitsabläufe waren behördenhaft strukturiert.

Das Institutsgebäude in den 1970ern. Rechts im Vordergrund der Bücherturm, links im Hintergrund der 1959 angefügte Gebäudeflügel mit Vortragsraum, der ab den 1970ern auch als Lesesaal für Gäste genutzt wurde[25]

Das Institutsgebäude erwies sich schon früh als zu klein. 1959 wurde ein Veranstaltungsraum errichtet, 1970 wurde das gesamte Gebäude um ein zweites Stockwerk mit Büros erweitert. Erst in den 1970er Jahren scheint das Konzept der strikten Magazinbibliothek des Institutsbaus der Berliner Straße zum ersten Mal mit der Notwendigkeit der Erweiterung ihrer sozialen Funktion konfrontiert geworden zu sein, gab es doch in dem „Bücherturm“, und auch sonst im Institut, keine Arbeitsplätze für Gastwissenschaftler, die nun vermehrt das MPIL besuchten.

Vortragssaal 1964, Kolloquium Staatshaftung[26]

Um diesem Problem zu begegnen, wurde der Veranstaltungsraum notgedrungen auch zum Lesesaal konvertiert, wenn auch auf minimalistische Weise, indem lediglich ein paar Tische hineingestellt wurden. Dieser improvisierte „Lesesaal“ enthielt jedoch selbst keinerlei Bücher und befand sich weit von der Magazinbibliothek entfernt, am anderen Ende des Gebäudes.

Eine Bibliothek als Ort des gemeinsamen Forschens gab es somit im Institut der Berliner Straße nicht, was natürlich nicht heißt, dass die Forschung nicht trotzdem intensiv diskutiert wurde. Der eigentliche Begegnungsraum in dieser Hinsicht war die Referentenbesprechung, welche jedoch ein kuratiertes, exklusives, effizientes Veranstaltungsformat darstellte.

Nur das unweit des Instituts gelegene, in den 1970ern erbaute Max-Planck-Haus bot damals einen Lesesaal als Teil einer Bibliothek, inmitten von Büchern. Nur dort konnte die Bibliothek einen tatsächlich sozialen wissenschaftlichen Raum einnehmen, der über die bloße Bücherbereitstellung hinausging. Ursprünglich wurde dieser Lesesaal von dem MPI für medizinische Forschung genutzt, jedoch nach und nach vom MPIL übernommen und zur Unterbringung von langfristigen Gästen genutzt. Zu beachten ist hierbei, dass das Max-Planck-Haus gute 10 Minuten Fußweg vom Institutsgebäude entfernt war, also räumlich komplett von der Institutsbibliothek getrennt war.

Mit dem Neubau von 1996 im Neuenheimer Feld ist ein grundlegender Paradigmenwechsel versucht worden. Erste Anzeichen hierfür finden sich im frühen Stadium der Planungen des Neubaus in den 1980ern. Im Institut aufgefundene Aktenordner sowie Gespräche mit dem ehemaligen Bibliotheksleiter Joachim Schwietzke (1980-2002) belegen, dass man sich bei der Planung des Neubaus intensiv mit der architektonischen Konzipierung der Institutsbibliothek beschäftigte, sowohl auf Seiten der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen als auch auf Seiten der Bibliothek. Insbesondere wurde hierzu Literatur zu vergleichbaren Bibliotheksprojekten von der Bibliotheksleitung zusammengetragen, beispielsweise zur Zentralbibliothek der Universität Bayreuth, zum Bibliotheksneubau der FU und TU in Berlin, der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin, zur Landtagsbibliothek in Hannover, zur Universitätsbibliothek Mannheim oder zum Staatsarchiv Augsburg. Die kurz zuvor entstandenen Bibliotheksneubauten und -konzepte der Schwesterinstitute, dem MPI für Strafrecht in Freiburg und für Rechtsgeschichte in Frankfurt, scheinen hingegen überraschenderweise keine große Rolle gespielt zu haben.

Aus den Unterlagen wird ersichtlich, dass die Bibliotheksräume von den Bibliotheksangestellten auch als Räume mit sozialen Anforderungen begriffen wurden. So finden sich Abhandlungen zu Lesesaalbedürfnissen (wenn auch hauptsächlich in Bezug auf Gäste), Kaffeeküche und sonstigen Aufenthaltsräumen. Dabei wurde nicht nur Wert auf die Beschaffenheit des Magazins gelegt, sondern auch auf die Raumaufteilung insgesamt. So wird schon 1982 festgehalten: „Die Räume der Bibliothek sollten so angeordnet sein, dass die Benutzer und Mitarbeiter der Bibliothek möglichst kurze Wege zurückzulegen haben und die Bücher und die Zeitschriften möglichst wenig bewegt werden.“[27] Aus diesem Zitat wird aber auch klar, dass die Bibliothek weiterhin hauptsächlich als funktionale Magazinbibliothek gedacht wurde und weniger als Ort des gemeinsamen wissenschaftlichen Arbeitens.

1991 wurde erstmals eine fundamental neue Konzeption der Bibliothek an das Institut herangetragen.  Anfang des Jahres hatte das Architekturbüro AS Plan aus Kaiserslautern den Bauwettbewerb um den Neubau des Institutsgebäudes gewonnen, mit einem dezidiert offenen, hellen, Bibliothekskonzept. Auch das Direktorium scheint zu diesem Zeitpunkt von der Bibliothek als „lichtdurchflutetem Kontinuum“ überzeugt gewesen zu sein.

Das Raumkonzept sah vor, dass im Erdgeschoss und im ersten Stock Buchbestände der Bibliothek jeweils in Großräumen aufgestellt werden sollten, in denen auch der Lesesaal und Arbeitsplätze für Wissenschaftlerinnen zwischen den Büchern vorgesehen waren. Weiterhin sahen die Pläne vor, zwei kleine Atrien zwischen erstem und Erdgeschoss, inklusive Deckenlicht für diese Arbeitsplätze, zu schaffen.

Nach außen sollten diese Großräume mit Glaswänden verkleidet werden. Die Büros der Bibliotheksmitarbeiterinnen waren von zwei Seiten um den Glaskubus angeordnet. Die Idee war also, Bibliothek und Wissenschaft architektonisch gegenüberzustellen: Auf der einen Seite der Flügel der Wissenschaft, der sich auf Wunsch des Instituts durch kleinere, introvertierte Büroräume auszeichnen sollte, auf der anderen die Bibliothek als offener Glasbau. Dieser sollte einen lichtdurchfluteten, akademisch-sozialen Raum verkörpern, der durch Regale und Bücher hindurch den Blick ins Grüne freigab und durch Durchbrüche zwischen Erdgeschoß und erstem Stock auch innerhalb des Gebäudes neue vielfältige Perspektiven eröffnete. Rückblickend erscheint dieses Raumkonzept durchaus überzeugend und raffiniert, sah es doch einen großen und hellen, zweistöckigen und durchlässigen Bibliotheksraum mit Arbeitsplätzen zwischen den Bücherregalen vor.

Diese beiden gegenüberliegenden Gebäudeteile waren durch die Rotunde verbunden. Sie stellte das Herz des Instituts dar, zugleich Eingangsbereich, sozialer Kommunikationsraum und Bibliotheksentree. So heißt es in dem Raumkonzept des Architektenbüros: „Die zwischengeschaltete Rotunde ist einerseits Kontrolle (im Erdgeschoss), andererseits Gesamtinformation über die Bibliothek und Drehscheibe im funktionalen Verkehr zwischen beiden Gebäudeteilen.“[30] Hier standen vor allem allgemeine Nachschlagewerke und auch Computer zur Katalogrecherche, was also auch einen inhaltlichen Knotenpunkt und Kommunikationspunkt zwischen Institutsangehörigen, Gästen und Bibliotheksmitarbeiterinnen markierte.

Eingangshalle mit Bibliotheksempfang und Rotunde ca. 2008[31]

Indessen wurde auch schon gegenläufig früh angemerkt:

„Da das Institut erheblichen Publikumsverkehr von Gästen ohne nähere Beziehung zum Institut (und damit ohne Vertrauensbeziehung) aufweist, den auswärtigen Benutzern zuliebe der Lesesaal bis in den Abend hinein geöffnet bleiben sollte, die Bibliothek aber nach 16:00 kaum noch mit Personal besetzt ist, sollten die auswärtigen Gäste im Regelfall von den internen Bibliotheksbereichen ferngehalten werden…. Die im Raumbedarfsplan als „Präsenzbibliothek“ bezeichneten Bereiche sind nicht als echte Benutzerbibliothek mit offenem Zugang der Benutzer zu den Büchern gedacht (wie in modernen Universitätsbibliotheken immer üblicher), sondern als Magazinbereiche mit weniger intensiver Nutzung …“[32]

Gerade auch mit Verweis auf die Bibliothekspraxis in den MPIs in Freiburg und Frankfurt wurde begründet, dass Gästen kein freier Zugang zum Magazin gewährt werden solle und dass die Magazine nach außen hin – aufgrund der Notwendigkeit gleichbleibender Temperatur – abgeschlossen sein sollten.[33] Weiter heißt es an anderer Stelle:

„Leider sind Unehrlichkeit und Diebstahl nicht auszuschließen… Wenn, wie in der jetzt vorliegenden Konzeption aus der Bibliothek ein ‚12-Stunden-Selbstbedienungsladen‘ gemacht wird, werden auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts unter den Folgen zu leiden haben.“ [34]

Aus diesem unglücklich generalisierenden Verdacht heraus entschied man sich, den Lesesaal der Gäste von der übrigen Bibliothek abzugrenzen, tat dies aber auf eine Weise, die der Raumkonzeption an sich noch nicht völlig zuwiderlief, nämlich indem man eine Glaswand zwischen Bibliotheksbestand und Lesesaal errichtete. Der Raum insgesamt wirkte noch in seiner lichtdurchdrungenen Leichtigkeit und Durchlässigkeit (Man entschied sich später gegen die Wendeltreppe, was leider die Verspieltheit des Raumes reduzierte.).

Lesesaal mit Wendeltreppe[35]

Auch wurde an der Rolle der Rotunde nichts geändert. Die Bibliotheksräume empfingen einen somit bereits beim Betreten des Instituts und besaßen so neben ruhigen gemeinsamen Arbeitsplätzen zwischen den Büchern auch einen losgelösteren Vorraum. Kurzum, das Raumkonzept der Bibliothek berücksichtigte eindeutig ihre soziale Funktion über die einer einfachen Magazinbibliothek hinaus.

Die Rotunde ca. 2010[36]

Jedoch regte sich nach und nach Widerstand gegen dieses Bibliothekskonzept, mit der Folge, dass die Bibliotheksräume immer weiter zurückgedrängt wurden. Hierfür wurden insbesondere zwei Argumente angeführt: Zum einen der steigende Bedarf an Büroflächen und zum anderen die Notwendigkeit effizienterer Lüftungssysteme für den Bücherbestand. Das führte zu einer de facto Aufgabe der Bibliotheksräume über ein reines Magazin hinaus. Diese Entwicklung geschah jedoch etappenweise.

Nach und nach wurde so die Fensterfront der Bibliothek mit Büroräumen belegt. Dies erfolgte zu Beginn nur durch durchsichtige Glaswände, später dann mit Milchglaswänden. Auch blieben zunächst Arbeitsplätze der Bibliothek ganz am Eck des gläsernen Bibliothekskubus erhalten. Sie behielten zudem ihr besonders offenes Raumgefühl durch ihren Atriums-Charakter.

Die endgültige Aufgabe dieses Raumkonzepts der Bibliothek erfolgte jedoch im Zuge der großangelegten Umbauten von 2012 bis 2019, deren größtes Ziel die Erweiterung des Instituts um ein Verwaltungsgebäude, sowie die Errichtung zweier neuer, repräsentativer Seminarräume war. Im Zuge dieses Umbaus wurde auch der Eingang des Instituts verlegt, was unweigerlich eine Veränderung der Rolle der Rotunde bedeutete. Früher zugleich Entrée und lebendige Schaltzentrale zwischen Wissenschaft und Bibliothek, verformte der Umbau ihre soziale Funktion erheblich. Das letztendlich umgesetzte Konzept nahm der Rotunde nicht nur ihre Funktion als Eingangsbereich, sondern auch – gewollt oder nicht – einen Großteil ihrer Bibliotheksfunktionen und damit der Bibliothek einen zentralen Raum des sozialen Austauschs. Die verbliebenen Arbeitsflächen und vereinzelten Sitzmöglichkeiten verlieren sich in der leeren Weite des Raums.

Diskursive Intimität. Schaffung sozialer Räume abseits der Bibliothek

Wie im Institutsgebäude in der Berliner Straße wurden also Seminarräume als hauptsächliche Orte des wissenschaftlichen Austauschs begriffen und als geistige Gemeinschaftsräume konzipiert – nicht auch die Bibliothek.

Im Zuge dieser Umbauten wurde auch die innovative Konzeption der Bibliothek selbst endgültig aufgegeben. Zur besseren Temperaturkontrolle und mit Rücksicht auf die Energiekosten wurde schließlich eine massive Wand zwischen Bibliotheksräumen und den Büros an der Fensterfront im Erdgeschoss und im ersten Stock eingezogen. Damit war die Idee des lichtdurchfluteten, offenen Bibliothekraums endgültig dahin. Die Bibliothek und der Lesesaal erhalten nunmehr natürliches Licht nur über Deckenfenster. Auch die Glaswand zwischen Bibliothek und Lesesaal wird dadurch spürbarer, lauert die Bibliothek doch oft in unangenehmer Dunkelheit hinter der Glaswand.

Führt man sich diese Entwicklung vor Augen, wird klar, dass, so zentral die Bibliothek als Sammlung und als Ressource für das Selbstverständnis des Instituts war und ist, ihre räumliche Einbeziehung in den wissenschaftlichen Habitus trotz eines entsprechenden Neubaus immer prekär war. So unausgegoren das Bibliothekskonzept des neuen Gebäudes hinsichtlich der Berücksichtigung des Bürobedarfs und der Energieeffizienz gewesen sein mag, so innovativ und produktiv war es in der Sache, und so überraschend ist deshalb, dass der ursprünglich innovativste Teil des Neubaus im Neuenheimer Feld nach kaum 20 Jahren als verlorene Hoffnung erscheint.

Das ideelle Raumkonzept der umwelt-offenen, lichtdurchfluteten, sozialen Bibliothek mit Arbeitsplätzen wurde aber nicht alternativlos aufgegeben. Unter der Überschrift der diskursiven Intimität wurde versucht, das verlorengegangene soziale Raumgefüge der Bibliothek durch im Institut verteilte Räume der sozialen Interaktion aufzufangen. So fungieren beispielsweise die gemeinsamen Küchen als Orte sozialen Austauschs oder auch die unlängst wieder eingeführte Kaffee-Lounge, welche an die Rotunde anschließt.

Wie die Bilder unterstreichen, wird in diesen Räumen ihrerseits auf die Bibliothek angespielt. Die Konzeption sozialer Räume kommt nämlich an einem geisteswissenschaftlichen Institut wie dem MPIL nicht aus, ohne die Bibliothek zumindest indirekt zu zitieren. So finden sich in diesen Räumen vereinzelte Teile der Bibliothek ausgestellt, mal glücklicher und anregender wie die schwarze Reihe in der Kaffee-Lounge, mal verlorener und rein dekorativ wie die Primärquellen der UN Treaty Series und der Italienischen Gazzetta Ufficiale des Corte Costituzionale in der Küche im ersten Stock.

So begrüßenswert und willkommen diese Versuche an die soziale Funktion von Bibliotheksräumen anzuknüpfen sind, so können sie doch nur bedingt gelingen, leiden sie doch an der grundlegend fehlenden räumlichen Einbindung der Bibliothek. Unter dem Verschwinden des sozialen Bibliothekraums leiden architektonisch also nicht nur die Bibliothek selbst und die Rotunde, die nun, ihrer sozialen Funktion beraubt, wie verloren wirkt, sondern eben auch die neueren Versuche, die so wichtigen sozialen Räume wiederzubeleben.

Alles in allem bleibt die Idee der diskursiven Intimität deshalb noch immer eine Hoffnung in statu nascendi. Vielmehr lastet auf ihr das historische Erbe der räumlichen Konzeption des Instituts:

„Das gegenwärtige Gebäude begünstigt folglich eher kommunikationslose Arbeit oder ausschließlich ‚ritualisierte Kommunikation‘ in entfernten Gruppenräumen“.[42] Diese Einschätzung, ursprünglich in Bezug auf die Bielefelder Universitätsarchitektur formuliert, scheint im Ergebnis sowohl auf vorherigen Wirkungsstätten des Instituts als auch (noch) auf das jetzige MPIL-Gebäude übertragbar zu sein. Die Form der wertvollen und höchst produktiv organisierten Kommunikation, als wiederkehrender fester Bestandteil des Institutskalenders eingebunden, ist in der Geschichte des Instituts tief verankert, nicht zuletzt in Form der legendären Referentenbesprechung (jetzt Montagsrunde) und später der Dienstagsrunden (Forschungsseminare des Direktoriums). Architektonisch ist diese kommunikative Form in den repräsentativen Seminarräumen des Instituts auffindbar. Sie gründet in der Berliner Zeit des KWI, geprägt von einer funktionalen und personellen Nähe des KWI zum Auswärtigen Amt, welche nicht nur eine behördenähnliche Personal- und Bürostruktur, sondern eben auch eine praxisnahe Forschungskultur zur Folge hatte. Wie oben angedeutet, scheint auch das institutionell tief verankerte Verständnis der Bibliothek als Magazinbibliothek dort seinen Ursprung zu haben.

Interessant ist, Stand jetzt, dass die veränderte Arbeitsweise des Instituts hin zu einer eher universitären und geisteswissenschaftlich orientierten Grundlagenforschung sich zwar in bedeutsamen Veränderungen in den Diskussionsformaten sowie in der Forschungskultur (unter anderem mit Aufgabe der Länderreferate) niedergeschlagen hat, nicht jedoch in seiner Bibliothekskonzeption.

Gleichzeitig wurde jedoch mit der Idee der diskursiven Intimität als Teil des Um- und Neubaukonzepts begonnen, die Absenz der sozialen Funktion der Bibliothek aufzufangen. Und ein noch gelungenerer diskurs-offener Raum – wie Ihn das MPIL verdient – scheint greifbar, sollte sich die Idee der diskursiven Intimität für ein Verständnis der sozialen Funktion der Bibliothek weiter öffnen.

Ein schillernder Lichtblick bleibt zudem jetzt schon: Allen widrigen räumlichen Umständen zum Trotz unterstützen die Bibliothekarinnen an der Ausleihe nicht nur die Wissenschaftlerinnen des Instituts, sondern vor allem auch die Gastwissenschaftlerinnen auf unglaublich fachkundige und herzliche Art und Weise. Dazu kommen die übrigen Mitarbeiterinnen der Bibliothek, die unermüdlich den Wissenschaftlerinnen bei Ihrer Forschung zur Seite stehen. Man wagt kaum zu erträumen, was sie erst mit einem sozialen Bibliotheksraum anzufangen wüssten.

***

[1] Jorge Luis Borges, Die Bibliothek von Babel, 1941.

[2] Dieser Beitrag ist das Ergebnis langer Gespräche mit Philipp Glahé und das Produkt einer langen gemeinsamen Faszination. Neben ihm möchte ich vor allem Sandra Berg für Ihre Eindrücke und die Bildersuche, Joachim Schwietzke für seine Einblicke in die Bibliothekswelt des Instituts an der Berliner Straße und Herrn Mikuteit für seine Anmerkungen danken.

[3] Karl Peter Grotemeyer, Grußwort zur Ausstellung, in: Klaus Köpke et al (Hrsg.), Bauen in der industriellen Welt. Eine Dokumentation zur Architektur des Universität Bielefeld, Bielefeld: Kunsthalle Bielefeld 1975, 7; Umfassender: Heidrun Friese/Peter Wagner, Der Raum des Gelehrten. Eine Topographie akademischer Praxis, Berlin: Edition Sigma 1993.

[4] Ferner: Joachim Schwietzke, Die Bibliothek, in: Rudolf Bernhardt/Karin Oellers-Frahm (Hrsg.), Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Geschichte und Entwicklung von 1949 bis 2013, Heidelberg: Springer 2018, 125-142.

[5] Über die Begeisterung der Gastwissenschaftlerinnen über den Bibliotheksbestand, der bis heute andauert: Erika de Wet, Mein Aufenthalt am MPIL: Der Beginn einer Weltreise, MPIL100.de: „Ein weiterer einzigartiger Aspekt des Instituts war und ist der legendäre Bibliotheksbestand, sowohl in Bezug auf das vergleichende öffentliche Recht als auch auf das Völkerrecht. Wissenschaftler (sowohl junge als auch etablierte) aus ganz Europa und darüber hinaus besuchten die Bibliothek vor allem in den Sommermonaten, was zu einer sehr lebendigen Gemeinschaft von Wissenschaftlern des öffentlichen Rechts und des Völkerrechts führte, die zu dieser Zeit wahrscheinlich einzigartig in Europa war.“

[6] Für eine Andeutung dessen in der Geschichte des MPIL, siehe: Joachim Schwietzke, Bibliothekar der ersten Stunde: Curt Blass, MPIL100.de: „Wenn das Forschungsgebiet des Instituts die Systematik der Bibliothek bestimmt hatte, so hat umgekehrt die den Wissenschaftlern zugängliche Präsenzbibliothek die dokumentarischen Veröffentlichungen des Instituts ermöglicht, die Eigenart seiner Forschungen mitbestimmt und wohl die juristische Denkweise manches Mitarbeiters geformt.“

[7] Eco spricht an verschiedenen Stellen von leben in der Bibliothek (als Wissenschaftler), unter anderem von einer „dem Menschen gemäßen Bibliothek, in der ich […] froh bin zu leben“: Umberto Eco, Die Bibliothek (1987), 34.

[8] Grundlegend: Martina Löw, Raumsoziologie, Berlin: Suhrkamp 2000.

[9] Zur rituellen Nutzung von Bibliotheken: Terry Plum, Academic Libraries and the Rituals of Knowledge, RQ 33 (1994), 496–508. Dementsprechend verwundert es nicht, dass zahlreiche Bibliotheken architektonisch Kirchenbauen zitieren (besonders einleuchtend, die Sterling Memorial Library in Yale).

[10] Hierzu überblicksartig: Jonas Fansa, Die Bibliothek als physischer Raum, in: Konrad Umlauf/Stefan Gradmann (Hrsg.), Handbuch Bibliothek, Heidelberg: J.B. Metzler 2012, 59.

[11] Bildlich greifbar wird diese soziale Funktion des Bibliothekraums beispielhaft in den umwerfenden Photographien von Candida Höfer, die es schaffen eben diese soziale Dimension des Bibliotheksraumes mancher Bibliotheken einzufangen: Candida Höfer/Umberto Eco, Bibliotheken, München: Schirmer/Mosel, 2005.

[12] An dieser Funktion ändert auch der Wandel der Rolle von Bibliotheken im Zeitalter der Digitalisierung nichts. Im Gegenteil, Bibliotheken sind beliebt wie nie, wenn vielleicht nicht mehr primär als Sammlung und physische Ressource, dann jedoch umso mehr als sozialer Raum des gemeinschaftlichen Forschens und Lernens. Für einen lohnenden Überblick der Entwicklung des Bibliothekraums, siehe Fansa (Fn. 10); Für eine praxisorientiertere Auseinandersetzung, siehe: Eva-Christina Edinger, Wissensraum, Labyrinth, symbolischer Ort: Die Universitätsbibliothek als Sinnbild der Wissenschaft, univ. Diss., Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2015.

[13] Foto: MPIL.

[14] Foto: MPIL.

[15] Foto: MPIL.

[16] Foto: MPIL.

[17] In dem oben erwähnten Essay zählt Eco übrigens auch eine Reihe von Charakteristika auf, die für Ihn eine schlechte Bibliothek ausmachen. Hierzu zählt auch: „14) Die Öffnungszeiten müssen genau mit den Arbeitszeiten zusammenfallen, also vorsorglich mit den Gewerkschaften abgestimmt werden: totale Schließung an allen Samstagen, Sonntagen, abends und während der Mittagspausen.“, Umberto Eco, Die Bibliothek (1987), 18.

[18] Wieder ganz nach Umberto Eco: „Allein der Bibliothekar hat das Recht, sich im Labyrinth der Bücher zu bewegen, er allein weiß, wo die einzelnen Bände zu finden sind“: Umberto Eco, Der Name der Rose, München: Deutscher Taschenbuchverlag, 52; Dabei sei natürlich angemerkt, dass das MPIL hierbei nicht alleine ist. Viele andere Forschungseinrichtungen haben ähnliche, wenn nicht sogar noch restriktivere Zugangsbeschränkungen.

[19] Und mit wir meine ich hier hauptsächlich den schier unermüdlichen Phillipp Glahé sowie Alexandra Kemmerer und die Kolleginnen aus der Bibliothek.

[20] Foto: Ullstein Bild.

[21] Zudem war die Bibliothek nicht öffentlich zugänglich. In diesem Kontext ist besonders interessant, dass die allgemeine Abteilung der Bibliothek, die in dieser Zeit angelegt wurde, nichtsdestotrotz sehr breit und sehr repräsentativ angelegt wurde.

[22] Ich danke Alexandra Kemmerer für diesen Hinweis.

[23] Foto: AMPG.

[24] Foto: MPIL.

[25] Foto: AMPG.

[26] Foto: MPIL.

[27] Joachim Schwietzke, Raumbedarf der Bibliothek: Übersicht (Stand 1.2.1982), 11.

[28] Abbildungen: Bauabteilung der Max-Planck-Gesellschaft, Bauten der Max-Planck-Gesellschaft. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Heidelberg, o.D., 4-5.

[29] Fotos: MPIL.

[30] Erläuterungsbericht zum Realisierungswettbewerb der Gewinner Ermel/Horinek/Weber, AS-Plan.

[31] Foto: MPIL.

[32] Stefan Oeter, Vermerk: Neubau – Zusammenfassung der Anregungen aus der Bibliothek, 6.6.1991, 2 (Hervorhebung durch den Autor des Beitrags).

[33] Schreiben von Joachim Schwietzke an Jochen Frohwein, Zweite Stellungnahme zum Entwurf für den Neubau, datiert 5.4.1991.

[34]  Schreiben von Mitarbeiterinnen der Bibliothek an Joachim Schwietzke, Betreff: Bibliotheksbereich – öffentlicher Bereich im Neubau, datiert 6.3.1991.

[35] Foto: Bauabteilung der Max-Planck-Gesellschaft, Bauten der Max-Planck-Gesellschaft. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Heidelberg, o.D., 8-9.

[36] Fotos: MPIL.

[37] Fotos: MPIL.

[38] Fotos: MPIL.

[39] Fotos: MPIL.

[41] Foto: MPIL.

[41] Foto: MPIL.

[42]Friese/Wagner (Fn. 3), 80.

Zwei Welten. Von der Gärtnerstochter zur Verwaltungsleiterin

Between Two Worlds. From a Gardener’s Daughter to Head of Administration

Deutsch

Margarete Noll, geborene Vogel, (1931-2023) war von 1953 bis 1964 am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (MPIL) beschäftigt. Von 1953 bis 1955 war sie als Fremdsprachensekretärin tätig, von 1955 bis 1959 als Verwaltungssekretärin und von 1959 bis 1964 als Verwaltungsleiterin. Ihre Tätigkeit am Institut beendete sie nach der Familiengründung. Ihre Zeit am MPIL empfand Margarete Noll zeitlebens als prägend, wie sie in einem undatierten, von ihr selbst redigierten autobiographischen Bericht festhielt.[1]

Aufgewachsen bin ich in einer Gärtnerei weit draußen im Handschuhsheimer Feld. Wir lebten dort in völliger Einsamkeit und in sehr einfachen Verhältnissen. Der einzige Luxus, der uns zur Verfügung stand, war fließendes Wasser. Die Leitung war von unserem Vater in Eigenarbeit über eine Entfernung von 500 bis 600 Meter frostfrei, das heißt mindestens 80cm tief, gelegt worden. Trotzdem haben wir am Wasser gespart. Es gab nämlich keine Kanalisation, und das Entleeren des betonierten „Sickerloches“ war mühsam. Gas und Strom waren nicht vorhanden. Bei Einbruch der Dunkelheit wurde die Petroleumlampe – wir nannten sie Petroleumfunzel – angezündet. Später gab es dann eine etwas hellere Spirituslampe. Telefon wurde im Zweiten Weltkrieg über eine Hochleitung (hohe Masten) installiert. Eine elektrische Hochleitung versorgte uns ab Ende 1946 mit Strom. Gas gab es nie.

Nach der Grundschule, damals hieß das: nach den ersten vier Klassen der Volksschule – durfte ich ins Gymnasium. Das war nicht selbstverständlich, denn die „Hendsemer“ Gärtnerskinder gingen da nicht hin, die arbeiteten im elterlichen Betrieb mit. Das taten meine Schwester, die später auch ins Gymnasium durfte, und ich trotz Schule auch. Einmal stand in meinem Zeugnis: „Gute Leistungen, obwohl der häusliche Fleiß zu wünschen übrig lässt“. Der „häusliche Fleiß“ erstreckte sich halt nicht unbedingt auf die Schularbeiten. Vor allem im Frühjahr hieß es bei uns morgens um vier/fünf: Raus aus den Federn und Erdbeeren pflücken oder Salat ernten. Um 7.00 Uhr wurden wir dann zum „Frischmachen“ und Frühstücken ins Haus geschickt und dann ging es in die Schule. In der Zeit, in der unser Vater wegen seiner [kriegsbedingten] Gehirnverletzung wochenlang im Krankenhaus lag und wir mehr noch als gewöhnlich „Einsatz leisteten“, kam es schon vor, dass uns in der Schule die Augen zufielen. Trotzdem hatten wir auch viel Spaß. Wenn Freunde mit uns ins Schwimmbad oder sonst wohin wollten, stellten wir sie erst einmal zur Mithilfe bei der Blumenkohl-, Weißkraut- oder Tomatenernte an, wozu sie immer gern bereit waren.

Chancenungleichheit der 1950er Jahre. Verhindertes Studium und Dolmetscher-Ausbildung

Nach dem Abitur hätte ich gern Physik und Mathematik studiert, aber Professor Bothe (Nobelpreisträger)[2], der oft zu uns in die Gärtnerei kam, meinte: „Haben die Schülerinnen gute Noten in Mathematik, meinen sie, sie seien begabt. Aber diese Noten in einer Mädchenschule besagen gar nichts. Lassen Sie das bleiben.“ Ich war nicht selbstbewusst genug, mich gegen seine Meinung zu stellen. Damals ging es auch meinem Vater sehr schlecht, so dass ich unsere Mutter in der Gärtnerei unterstützen wollte. Ich wusste ganz genau, dass ich, wenn ich mit der Lösung eines mathematischen Problems beschäftigt gewesen wäre, für sonst nichts Zeit gehabt hätte. Also besuchte ich am Englischen Institut die Dolmetscherkurse für Englisch. Die Kurse fanden nur nachmittags statt. Am Vormittag konnte ich mich in der Gärtnerei nützlich machen.

Nach dem zweiten Trimester war mein Aufenthalt in Cheltenham/England ein Ausflug in die große weite Welt. Meine Mutter hatte ihn über eine jüdische Familie organisiert. Sie meinte: „Die Sprache lernt man am besten vor Ort.“ Ein halbes Jahr lang hörte ich dort kein einziges deutsches Wort. Die englische Familie ermöglichte mir, nicht nur die Sprache, sondern auch Land und Leute kennenzulernen, so sorgten sie dafür, dass ich, relativ kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges als Deutsche auch die Houses of Parliament – Unter- und Oberhaus – besichtigen durfte.

Nach der Dolmetscherprüfung bewarb ich mich als Fremdsprachensekretärin bei einem Verlag. Der mich interviewende Mensch war mir so unsympathisch, dass ich schon während des Gesprächs beschloss: Da arbeite ich nicht. Man hat mich auch nicht genommen mit der Begründung: Man könne keine Anfängerin einstellen. Weshalb man mich dann aufgefordert hatte, mich vorzustellen, war nicht logisch, denn aus meinen Bewerbungsunterlagen ging ganz klar hervor, dass ich keine Berufserfahrung hatte.

Onkel Hermann sei Dank. Beginn am Institut 1953

Danach war ich drauf und dran, es vielleicht doch mit der Mathematik und der Physik zu versuchen. Aber ehe es dazu kam, teilte mir ein Bruder meiner Mutter mit, auf den sie große Stücke hielt, am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht sei die Stelle einer Fremdsprachensekretärin zu besetzen. Ich solle mich da melden. Ich hatte keine große Lust, aber meine Mutter meinte: „Wenn der Onkel Hermann sich die Mühe gemacht hat, an dich zu denken, solltest du immerhin mal hingehen. Du brauchst die Stelle ja nicht anzunehmen.“

Der Philosophenweg 13. Privatvilla Carl Bilfingers und von 1949 bis 1954 Hauptsitz des Instituts[3]

Mit gemischten Gefühlen machte ich mich auf den Weg zum Philosophenweg 13. Dort im Privathaus des Direktors [Carl Bilfinger][4] war damals die Institutsleitung untergebracht. Auf mein Läuten öffnete eine ältere Dame. Sie bat mich in ein großes Zimmer und hieß mich, hinter einem großen Schreibtisch Platz zu nehmen. Sie selbst nahm hinter einem anderen Schreibtisch Platz. In den Raum gab es außerdem einen Flügel und eine geräumige Sesselecke und an den Wänden unglaublich beeindruckende Bilder. Wie ich später erfuhr, handelte es sich durchweg um Originale Alter Meister. Das Bild über dem Flügel war ein großer Caravaggio [sic].[5] Die Dame erklärte mir, ich müsse warten, die Herren seien noch in einer Besprechung. Aber sie stellte mir doch einige Fragen, und dann wollte sie wissen, ob ich die hiesige Sprache verstünde. Ich war zunächst ratlos. Was meinte sie denn? Natürlich verstehe ich Deutsch, dachte ich, aber das musste sie doch gemerkt haben. Es stellte sich heraus, dass sie den Heidelberger Dialekt meinte. Sie erklärte mir, sie habe oft mit Handwerkern zu telefonieren und verstünde da kein Wort. Als ich ihr versicherte, dass mir der Dialekt keine Schwierigkeiten bereiten würde, hatte ich den Eindruck, sie hätte mich deswegen am liebsten gleich eingestellt. Fräulein Greinert, so hieß die Dame, kam von der Insel Ösel[6] und sprach mit einem ostpreußischen Akzent.

Verwaltungsleiter Hans Ballreich (rechts) anlässlich der Eröffnung des Institutsneubaus 1954[7]

Und dann flogen die Flügeltüren zum Nebenzimmer auf und herein stürmte ein Herr, an den sich die Dame wandte: „Diese junge Dame bewirbt sich um die Stelle.“ – „Na, dann kommen Sie mal mit.“ Und schon war er verschwunden durch die Tür, durch die ich anfangs hereingekommen war. Ich musste erst um den Schreibtisch herumgehen, und als ich dann draußen vor der Tür stand, war guter Rat teuer. Der Herr war nicht mehr zu sehen. Wo sollte ich hin? Ich entdeckte eine weitere Tür, aber die musste eigentlich zu dem Raum führen, in dem gerade die Besprechung stattgefunden hatte. Da sollte ich doch sicher nicht hin. Ich probierte es an einer anderen Tür, aber dahinter befand sich eine Küche. Dann hörte ich ein Geräusch, das von weiter oben kam. Ich stieg die Treppe hinauf. In der nächsten Etage waren alle Türen geschlossen. Dann vernahm ich ein Rascheln von noch weiter oben. Ich stieg also weiter. Im Dachgeschoss stand tatsächlich eine Tür offen, und in dem Raum dahinter sah ich den Herrn, der unten an mir vorbeigerauscht war. Er bat mich hinein und unterhielt sich eine Weile mit mir. Nach meinem Erlebnis mit den nicht vorhandenen Berufserfahrungen wies ich mehrmals daraufhin, dass meine Steno- und Schreibmaschinenkenntnisse bescheiden seien. Trotzdem fragte der Herr Dr. Ballreich[8] nach relativ kurzer Zeit: „Können Sie am Montag anfangen?“ Ich stotterte: „Aber wollen Sie denn nicht meine Zeugnisse sehen?“ Er: „Die interessieren mich nicht. Wenn Professor Bilfinger, der Direktor, einverstanden ist, dann fangen Sie am Montag an.“ Professor Bilfinger war einverstanden. Ich fing am drauffolgenden Montag an und blieb im Institut, bis ich nach fast 12 Jahren aus familiären Gründen jegliche Berufsarbeit aufgab. Ich bewegte mich fortan in zwei Welten: Das Zuhause war geprägt von praktischer Arbeit, im Institut atmete ich Wissenschaft und hatte das große Glück, sehr viele bedeutende Menschen hautnah zu erleben.

„Machen Sie sich kundig“. Eine Verwaltungskarriere ohne Vorkenntnisse

Am Montagmorgen, an meinem ersten Arbeitstag, sagte die Dame, deren Stelle ich einnehmen sollte, ich hätte neben anderen Aufgaben auch die Buchhaltung zu führen. Von Buchhaltung hatte ich nun überhaupt keine Ahnung. Sie erklärte mir: Einnahmen auf weiße Blätter, Ausgaben auf rote Blätter und Durchgangsposten auf blaue Blätter und alles auf das große Journalblatt durchschreiben. Das kann ja nicht allzu schwierig sein, dachte ich. Als ich aber in der folgenden Woche alleine vor all den Blättern saß und auch alles fein säuberlich verbucht hatte, erklärte mir Fräulein Greinert, nun müsse ich die Journalseite „abstimmen“, die rechten und linken Seiten müssten übereinstimmen. Ich addierte munter darauf los. Aber dann: Von wo aus gesehen galt rechts und links? Es gab da so viele Spalten, dass ich ganz verwirrt war. Ich rechnete und rechnete, und siehe da: Irgendwann hatte ich zwei gleich hohe Beträge.

Später, als ich für die gesamte Buchhaltung alleine verantwortlich war, sah ich den Prüfungen durch die Revisoren der Max-Planck-Gesellschaft und den Steuerprüfungen durch das Finanzamt mit einigermaßen gemischten Gefühlen entgegen. Nicht dass ich fürchtete, Fehler begangen zu haben. Ich war unsicher, weil ich die buchhalterischen Fachausdrücke nicht beherrschte. Ich half mir dann mit einem Trick, indem ich immer auf die fraglichen Zahlen mit dem Finger deutete, wenn die Herren eine Auskunft haben wollten. Später allerdings hatte ich dann ein Problem, als ich die Kosten für den Institutsanbau „nach den geltenden Richtlinien“ abrechnen sollte. Ich hatte von diesen Richtlinien keine Ahnung. Dr. Ballreich legte mir eine Loseblattsammlung auf den Tisch mit den Worten: „Da steht alles drin. Machen Sie sich kundig.“ Ich machte mich kundig und erstellte eine Kostenrechnung. Es handelte sich immerhin um 300.000 DM, in der damaligen Zeit eine beachtliche Summe. Beanstandungen hat es von keiner Seite gegeben.

Margarete Noll (rechts) mit Fräulein Peukert und Hilde Kahlich, 1959 vor dem Institut[9]

Später plante die Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft in der Buchhaltung das Hollerith-System einzuführen. Es wurde ein Institut gesucht, das bereit war, in der Versuchsphase ein ganzes Jahr sowohl mit Journal als auch mit Hollerith zu arbeiten. Ich war bereit, mich darauf einzulassen. Die Hollerith-Karten mussten nach bestimmten Vorgaben mit einem Graphitstift markiert werden. Dann wurden die Karten nach Göttingen geschickt, wo sich die Hollerith-Abteilung befand. Dort wurden die Karten maschinell gestanzt, in einer weiteren Maschine wurden die Löcher gelesen und die Buchungen auf große Blätter gedruckt. Diese Blätter wurden dann nach Heidelberg geschickt. Es war natürlich herrlich, dass die Maschine nach Bedarf verschiedene Auswertungen „ausspuckte“. Aber das ständige Hin- und Herschicken und das Warten, bis man das Monatsergebnis wieder auf dem Schreibtisch hatte, war lästig. Das Hollerith-System wurde von der Gesellschaft (für die Buchhaltung) nicht übernommen.

Ich war vielleicht gerade einmal zehn Tage im Institut, da bat mich Fräulein Greinert: „Bitte, gehen Sie jetzt zur Bank und holen 10.000 DM.“ Ich bekam einen Riesenschreck: „Wo soll ich das Geld denn hintun?“ – „Ach, das stecken Sie einfach in Ihre Tasche.“ Ich fuhr also los, meine Tasche – eine Beuteltasche, die man oben zuziehen konnte – hängte ich an die Lenkstange meines Fahrrades. Der Hinweg über die Brücke war schnell zurückgelegt. Ich bekam das Geld in der gewünschten Aufteilung und steckte es in den Beutel. Dann machte ich mich auf den Rückweg. Ängstlich schaute ich ständig nach rechts und links und gelegentlich auch hinter mich, um zu sehen, ob mich jemand beobachtete. Ich hatte den Eindruck, jedermann könne dem Beutel ansehen, was er beinhalte. Ich kam aber ganz unbehelligt wieder am Philosophenweg an. Fräulein Greinert verteilte dann das Geld auf verschiedene Umschläge: Es handelte sich um die monatliche Gehaltszahlung, die sie persönlich allen Mitarbeitern des Instituts aushändigte. Einige Wissenschaftler des Instituts arbeiteten am Philosophenweg. Da brauchte sie nur in die verschiedenen Stockwerke zu gehen. Die Institutsbibliothek mit allen ihren Mitarbeitern aber war in der Friedrich-Ebert-Anlage im Saxo-Borussen-Haus untergebracht. Dorthin begab sich Fräulein Greinert mit den restlichen Umschlägen. Diese Prozedur wiederholte sich an jedem Monatsende, bis das Institut in den Neubau an der Frankfurter- (später Berliner) Straße umzog. Erst dann wurden die Gehälter überwiesen.

Unter „älteren Herrschaften“. Arbeiten als junge Frau am Institut

Bis Fräulein Greinert zwei Jahre später aus Altersgründen aus dem Institut ausschied, arbeiteten wir im selben Raum, erst oben am Philosophenweg 13 und später im Institutsneubau. Immer wieder erzählte sie mir Begebenheiten aus der Berliner Zeit, von den Ereignissen im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 (der Bruder des Attentäters war Institutsmitglied[10]) und dem tragischen Tod eines „Halbjuden“, den das Institut bis Kriegsende „geschützt“ hatte und der dann von den Russen erschossen wurde, als er den „Befreiern“ freudestrahlend entgegenlief.[11] Sie hat mich aber auch beeindruckt durch ihre Haltung. Sie ermahnte uns junge Mädchen, als wir bei einer Einladung des Direktors emsig helfen wollten: „Bitte, meine Damen, zu einer Zeit bitte nur eine Dame aufstehen. Sonst entsteht zu viel Unruhe.“ Als Professor Bilfinger vor der Feier seines 75. Geburtstages fragte: „Was werden die Damen tragen?“, gab sie zur Antwort: „Herr Professor, wir werden Sie durch unsere Kleidung zu ehren wissen.“

Einige Monate nach meinem Eintritt schied eine Sekretärin aus. Auf die Stellenanzeige meldeten sich etwas 20 bis 30 Bewerberinnen verschiedenen Alters. Dr. Ballreich warf mir alle Bewerbungsschreiben auf den Tisch mit der Bemerkung: „Suchen Sie sich eine aus.“ Ich las alle Papiere aufmerksam durch und entschied mich dann für eine junge Dame, die nur wenig älter war als ich. Als ich ihm meine „Entscheidung“ mitteilte, meinte er: „Die können wir nicht einstellen. Sie arbeitet im Klinikbaubüro, das brauchen wir nötig für den Neubau, da können wir niemanden abwerben.“ Aber gegen alle anderen Bewerberinnen hatte ich Einwände. Schließlich erhielt ich die Erlaubnis, die Dame zu einem Vorstellungsgespräch zu bitten, falls es mir gelänge, sie persönlich zu erreichen (sie hatte nur die Telefonnummer des Klinikbaubüros angegeben). Es gelang, sie wurde eingestellt, und wir sind noch nach mehr als 50 Jahren miteinander befreundet.

Carl Bilfinger in seinem Haus,1950er[12]

Hilde Kahlich, so hieß die Neue damals, und ich waren unter den „älteren Herrschaften“ die einzigen jungen Menschen im Haus Philosophenweg 13. Professor Bilfinger, der erst einige Monate zuvor seine Frau[13] verloren hatte, lud uns öfter ein, mit ihm das Mittagessen einzunehmen. Es machte ihm sichtlich Spaß, mit uns danach auch Kunstbetrachtungen vorzunehmen. Er war ein großer Kunstliebhaber und Sammler Alter Meister.[14] Bei einer dieser Betrachtungen war er fassungslos, weil wir beide nicht wussten, wer die Hexe von Endor[15] war. Damals haben wir begriffen, dass man ohne Bibelkenntnisse viele Alte Meister nicht verstehen kann. Professor Bilfinger hat uns aber auch viele Geschichten „von früher“ erzählt, zum Beispiel dass sein Vater, Pfarrer am Ulmer Münster,[16] ihn und seinen Bruder aufforderte, vor dem Generalfeldmarschall von Moltke stramm zu stehen, als dieser das Münster besuchte.

Gelegentlich kam Prälat Schreiber in das Institut[17]. Er war Senator der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. und Päpstlicher Hausprälat – zu erkennen an einem violetten Rand an seinem weißen Kragen. Vor Abschluss des Konkordats mit dem Vatikan war er Zentrumspolitiker gewesen, danach durfte er politisch nicht mehr tätig sein. Wenn er erschien, fegte ein Tornado durch die Räume. Meist wollte er dann auch eine Schreibkraft zur Verfügung haben. Hilde Kahlich und ich wechselten uns [mit]einander ab, aber am liebsten hätten wir immer beide „gekniffen“. Einmal diktierte er mir (ins Stenogramm) einen ganzen Festschriftaufsatz. Es ging alles ganz gut, bis er plötzlich „Habakuk“ diktierte. Ich kannte den Namen nicht. Er war sehr ungehalten über so viel Bibelunkenntnis. Nach einer Weile ging der Text lateinisch weiter. Da hob er an, mir jedes Wort einzeln zu buchstabieren. Als ich schüchtern vorbrachte, ich könne lateinische Wörter nach Diktat schreiben, war er plötzlich die Liebenswürdigkeit in Person. Ein anderes Mal, als ich wieder einmal „dran“ war, bestellte er mich in das Hotel Ritter, wo er immer zu übernachten pflegte. Ich wurde in sein Zimmer gebeten, musste mich an einen Schreibtisch setzen und dann schloss er die Tür ab. Es war mir schon unheimlich, mit einem hohen katholischen Geistlichen in einem Hotelzimmer eingeschlossen zu werden. Aber er wollte bloß beim Diktieren nicht gestört werden. Einmal allerdings hat er mich doch ziemlich in Verlegenheit gebracht. Im Hause Bilfinger wollte er sich im Nebenzimmer etwas ausruhen. Er bat mich, seinen Kragen zu lösen. Irgendwie habe ich das dann auch geschafft.

„‘Normale‘ Menschen kommen da nicht hin“. Einblicke in die höhere Gesellschaft

Tagung der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht im Institut, 1965[18]

Nach einer Sitzung der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht in Heidelberg, wo ich Protokoll führen musste, brachte mich einer der illustren Herren in Verlegenheit. Er wollte wissen, was ich verdiente. Musste ich ihm das sagen? Eigentlich fand ich die Frage ziemlich indiskret. Ich bedauerte, ich sei nicht nur Sekretärin, sondern auch in der Verwaltung beschäftigt und deshalb zur Geheimhaltung verpflichtet. Mit einem Lächeln meinte er: „Ich sehe schon, mit wem ich es zu tun habe.“ Er bohrte nicht weiter.

Sehr aufregend waren alljährlich die Kuratoriumssitzungen, bei denen ich einmal wegen der Finanzen dabei war, vor allem aber, weil ich jeweils das Protokoll zu schreiben hatte. Alle anwesenden Herren – ich war immer das einzige weibliche Wesen – waren mehr als doppelt oder dreimal so alt wie ich, und alle waren angesehene Wissenschaftler oder bedeutende Männer aus der Wirtschaft. Einmal fand die Sitzung im Sitzungsraum der Karlsruher Lebensversicherung statt, den ihr Vorsitzender Alex Möller[19] – später Bundesfinanzminister – dem Institut zur Verfügung gestellt hatte. Während der Sitzung fiel mir auf, dass er eine geradezu gewaltige Armbanduhr trug. Ich dachte, dass er Geld hat, müsste er eigentlich nicht auf diese Weise zur Schau tragen. Aber dann beobachtete ich, wie weit er sich mit seinem Kopf über sein Handgelenk beugte, als er einmal auf die Uhr sehen wollte. Da wurde mir klar, dass er mit seinen Augen vermutlich nur ein überdimensionales Ziffernblatt lesen konnte. Es war mir eine Lehre, nicht vorschnell zu urteilen.

Einmal fand die Kuratoriumssitzung im Sitzungszimmer des BASF-Vorstandes[20] in der höchsten Etage des BASF-Hochhauses statt. „Normale“ Menschen kommen da nicht hin. Der Ausblick über die gesamte BASF und die weitere Umgebung war fantastisch. Das Essen im Anschluss an die Sitzung fand dann im Feierabendhaus statt. Dort hatte ich ein großes Problem. Alle Herren warteten, bis ich mit dem Essen begann. Ich aber war mir nicht sicher, wie ich auf die mir völlig unbekannte Vorspeise „losgehen“ sollte. Ich habe mich dann sehr vorsichtig mit dem Besteck beschäftigt, bis ich beobachten konnte, wie ich vorzugehen hatte. Ein anderes Mal hat der Präsident des Bundesverfassungsgerichts[21] im Anschluss an die Sitzung zum Essen eingeladen. Durch Flüsterpropaganda wurde darauf aufmerksam gemacht, dass bei der Bestellung à la carte Zurückhaltung angebracht sei, der Präsident liebe die Sparsamkeit. Beim Essen wies man mir den Platz neben ihm an. Ich konnte beobachten, dass er sich sehr zurückhielt. Unangenehm in Erinnerung geblieben ist mir das Essen nach einer Kuratoriumssitzung, die auf dem Privatsitz des Vorstandsvorsitzenden der Goldschmidt-AG[22] in Seeheim stattfand. Ich saß neben dem Prälaten, wir waren gerade beim Hauptgericht, da wurde ich ins Bein gestochen. Ich verspürte einen sehr heftigen Schmerz, traute mich aber nicht, unter den Tisch zu kriechen und nachzuschauen, was für ein Untier mich attackiert hatte. Am nächsten Morgen war mein Bein dick geschwollen, vom Knöchel bis zur Leiste war es steinhart, so dass ich mich schleunigst in ärztliche Behandlung begab. Eine sehr schmerzhafte Calciumspritze und absolute Bettruhe versetzten mein Bein allmählich wieder in den Normalzustand.

Es gab natürlich nicht nur Sitzungen, gelegentlich wurden auch Feste mit großen Empfängen gefeiert. Dabei habe ich auch den gewaltigen Banker [Hermann Josef] Abs[23] erlebt, der in der Bundesrepublik der Nachkriegszeit als Bundesbankpräsident das Bankwesen bestimmte. Im Kreise der zahlreichen Akademiker war es ihm offenbar ein Bedürfnis darauf hinzuweisen, dass man es auch ohne Abitur zu etwas bringen könne; denn er begann seine Rede mit den Worten: „Jetzt redet einer, der in diesem Kreise eigentlich keine Berechtigung hat zu sprechen, ich habe nämlich nicht studiert.“

In der Biografie von Otto Hahn[24] habe ich einmal gelesen, dass er ein Leben lang es als Manko empfunden hat, keine „humanistische Bildung“ genossen zu haben. Auch er hat es auch „trotzdem“ zu etwas gebracht und ist dabei ein bescheidener Mensch geblieben. Als ich einmal dienstlich in der Generalverwaltung in Göttingen war, hat man mir auch das Dienstzimmer des Präsidenten gezeigt. Ich war verwundert, wie bescheiden es eingerichtet war. Man erklärte mir, Otto Hahn habe sich bei seinem Dienstantritt als Präsident der Max- Planck-Gesellschaft jede Änderung der Möblierung verbeten. Er brauche einen Raum zum Arbeiten und kein Repräsentationszimmer.

Manchmal habe ich noch der Mathematik und der Physik nachgetrauert. Aber täglich im Schatten großer Persönlichkeiten zu arbeiten, ständig menschliche Größe hautnah zu erleben und die gelegentliche Möglichkeit, mehreren Nobelpreisträgern und anderen großen Geistern die Hand zu schütteln, war ein Leben, das mich reichlich entschädigte.

***

[1] Wir danken Familie Noll für die freundliche Überlassung des Textes für den Blog. Zur besseren Lesbarkeit wurden Zwischenüberschriften und Fußnoten, sowie die Fotos, nachträglich eingefügt.

[2] Walther Bothe (1891-1957) erhielt 1954 den Nobelpreis für Physik.

[3] Fotos: AMPG.

[4] Carl Bilfinger (1879-1958), von 1944 bis 1946 und von 1949 bis 1954 Direktor des Instituts. Zu Bilfinger siehe: Philipp Glahé/Reinhard Mehring/Rolf Rieß (Hrsg.), Der Staats- und Völkerrechtler Carl Bilfinger (1879–1958). Dokumentation seiner politischen Biographie. Korrespondenz mit Carl Schmitt, Texte und Kontroversen, Baden-Baden: Nomos 2024; ferner auf diesem Blog erschienen: Reinhard Mehring, Vom Berliner Schloss zur Heidelberger „Zweigstelle“. Carl Bilfingers politische Biographie und seine strategischen Entscheidungen von 1944, MPIL100.de; Johannes Mikuteit, “Einfach eine sachlich politische Unmöglichkeit“. Die Protestation von Gerhard Leibholz gegen die Ernennung von Carl Bilfinger zum Gründungsdirektor des MPI, MPIL100.de.

[5] Vermutlich handelte es sich um einen Canaletto, siehe: Philipp Glahé, Kunst und Distinktion. Carl Bilfinger als Sammler, in: Philipp Glahé/Reinhard Mehring/Rolf Rieß (Fn. 4), 445-470.

[6] Heute Saaremaa, Estland. Ellinor Greinert Ellinor Greinert (1894-66) war gebürtige Baltendeutsche und von 1928 bis 1955 am Institut tätig, zunächst als Fremdsprachensekretärin, schließlich als Direktionssekretärin.

[7] Foto: MPIL.

[8] Hans Ballreich (1913-1998), von 1949 bis 1955 Referent, schließlich Verwaltungsleiter des Instituts. Von 1962 bis 1966 Generalsekretär der Max-Planck-Gesellschaft (MPG).

[9] Foto: Familie Noll.

[10] Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944) war von 1929 bis zu seiner Hinrichtung 1944 als Referent am Institut tätig. Als Bruder von Claus von Stauffenberg, welcher am 20. Juli 1944 das gescheiterte Bombenattentat gegen Hitler ausführte, war er enger Mitwisser und Förderer der Widerstandsbewegung.

[11] Joachim-Dieter Bloch (1906-1945) war von 1927 bis 1945 Referent am KWI. Laut NS-Rasseideologie galt er als „Vierteljude“, wurde aber anders als die als „Volljuden“ verfolgten Institutsmitglieder Erich Kaufmann (1880-1972) und Marguerite Wolff (1883-1964) nicht aus dem Institut entlassen und in die Emigration gedrängt.

[12] Foto: Magarete Noll.

[13] Margarethe Bilfinger, geborene Schuler (1887-1951).

[14] Siehe hierzu: Glahé (Fn. 5).

[15] Biblische Figur aus dem Alten Testament (1 Sam 28).

[16] Adolf von Bilfinger (1846-1902).

[17] Prälat Georg Schreiber (1882-1963), Senator der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) von 1926 bis 1933 und der MPG ab 1946, ab 1960 Ehrensenator. Mitbegründer der „Trierer Außenstelle“ des KWI (1925-1933), sowie wissenschaftliches Mitglied des MPIL, siehe hierzu: Martin Otto, Das KWI und die Katholische Kirche. Eine „special relationship“?, MPIL100.de.

[18] Foto: MPIL.

[19] Alex Möller (1903-1985), war von 1962 bis 1966 Vorsitzender der SPD Baden-Württemberg, von 1969 bis 1971 Bundesfinanzminister.

[20] Wolfgang Heintzeler (1908-1990), Stellvertretender Vorstand der BASF, Mitglied des Kuratoriums des Instituts.

[21] Gebhard Müller (1900-1990), von 1959 bis 1971 Präsident des Bundesverfassungsgerichts.

[22] Theo Goldschmidt (1883-1965), Unternehmer und Aufsichtsratsvorsitzender des Chemie-Unternehmens Goldschmidt AG.

[23] Hermann Josef Abs (1901-1994), Bankier und Vorstandsmitglied der Deutschen Bank.

[24] Otto Hahn (1879-1968), Chemiker und ab 1946 der letzte Präsident der KWG sowie von 1948 bis 1960 der erste Präsident der aus der KWG hervorgegangenen MPG.

English

Margarete Noll, born as Margarete Vogel, (1931-2023) was an employee of the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law (MPIL) from 1953 to 1964. From 1953 to 1955 she worked as a foreign language secretary. From 1955 to 1959 she then occupied a position as an administrative secretary, before in 1959 becoming head of administration, a role in which she remained until 1964, when she left the Institute to start a family. Throughout her life, Margarete Noll considered her time at the Institute as formative, as she described in this undated autobiographical report that she edited herself.[1]

I grew up in a market garden on the outskirts of Handschuhsheimer Feld. We lived there in complete isolation and very modestly. The sole luxury available to us was running water. Our father had laid the pipe himself over a distance of about 500‑600 metres and made sure it was protected against frost by burying it at least 80 cm deep in the ground. Nevertheless, we stinted on water, as the house was not connected to a sewer and emptying the concrete cess pit was a strenuous task. We did not have gas or electricity. At nightfall, the paraffin lamp – which we referred to as the “paraffin dimmer”– was lit. At some point, we upgraded to a somewhat brighter spirit lamp. During the Second World War a telephone was installed via an overhead line. An overhead electric line supplied us with electricity from the end of 1946. We never had gas.

After finishing primary school, which in those days meant four years of basic education, I was allowed to attend grammar school. This was not to be taken for granted: Children of “Hendsemer” gardeners did not usually attend secondary school; they helped in their parents’ business. My sister, who was also later allowed to go to grammar school, did so, and, in spite of school, so did I. On one occasion, my report card read: “Good achievements, although her at‑home diligence leaves much to be desired”. Well, my “at‑home diligence” did not necessarily extend to schoolwork. Especially in spring, the order of business was to get up at four or five in the morning to pick strawberries or harvest lettuce. At 7 a.m. we would then be sent into the house to “freshen up” and to have breakfast before setting off to school. When our father had to stay in hospital for weeks because of a brain injury [he had sustained in the war] and we were put to work even more than usual, we did sometimes struggle to keep our eyes open at school. Yet, we also had a lot of fun. When our friends wanted to go to the swimming pool or the like with us, we would first employ their help in picking cauliflower, white cabbage or tomatoes, and they always happily obliged.

Unequal Opportunities in the 1950s: Prevented from Studying at University and Training as an Interpreter

After graduating from school, I would have liked to study physics and maths, however, Professor Bothe (a Nobel Prize winner)[2], who often visited our market garden, warned me against this: “When girls get good grades in maths, it leads them to believe that they’re gifted. But achieving these grades in a girls’ school doesn’t mean anything. You’d do best to just forget it.” I didn’t have the self‑confidence to go against his opinion. Additionally, my father was in a very bad condition at the time, so I wanted to help support my mother with the business. I was very aware that if I had been busy solving a maths problem, I would have had little time for anything else. So instead, I chose to attend English interpreting courses at the English Institute. The courses only took place in the afternoons, leaving the mornings free to make myself useful at home.

After the second trimester, my stay in Cheltenham, England was a venture into the big wide world. My mother had organised the trip through a Jewish family. “Languages are best studied in the place where they are spoken”, she said. For the entire six months I was there, I didn’t hear a single word of German. The English family not only enabled me to study the language, but also the country and its people: For instance, they made sure that, not long after the end of the Second World War, I, as a German, could visit the Houses of Parliament – the House of Commons and House of Lords.

After my final exam, I applied for a job as a foreign language secretary at a publishing house. However, the person interviewing me was so unpleasant that, while the interview was still going on, I had already decided: I wouldn’t work there. In any case, they didn’t offer me the job; a decision which they justified on the grounds that they couldn’t employ a beginner. This made little sense to me, though, as it seemed illogical to have even asked me to interview in the first place when my application documents very clearly showed that I had no professional experience.

Thanks to Uncle Hermann. Starting Off at the Institute in 1953

After all that, I was about to pursue maths and physics after all. Before it ever came to this, though, one of my mother’s brothers, who she thought very highly of, told me that there was a vacancy for a foreign language secretary at the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law, and that I should apply for the position. Personally, I wasn’t very enthusiastic about the opportunity, but my mother was adamant: “If uncle Hermann has taken the trouble to think of you, you should at least give it a go. Nobody is saying you have to accept the job.”

Philosophenweg 13. Private Residence of Carl Bilfinger and the Institute’s headquarters from 1949 to 1954[3]

With mixed feelings, I made my way to number 13 Philosophenweg. At the time, the Institute’s administration was housed there, in the private home of the Institute Director [Carl Bilfinger][4]. When I rang the bell, an elderly lady answered the door. She invited me into a large room and instructed me to take a seat behind a large desk. She then took a seat herself behind another desk. The room was furnished with a grand piano and a spacious seating area as well as some unbelievably impressive paintings on the walls. I learnt later that they were all originals by the Old Masters. The painting above the grand piano, for instance, was a large Caravaggio [sic].[5] The lady explained to me that I would have to wait, as the gentlemen were still in a meeting. She did, however, ask me a few questions and in particular wanted to know if I could understand the local language. I was at a loss at first. What did she mean by that? Of course, I speak German, I thought, but surely, she had noticed that already. As it turned out, she was actually referring to the Heidelberg dialect. She explained to me that she often had to speak to craftsmen on the phone but couldn’t understand a word of what they were saying. When I assured her that the local dialect wouldn’t cause me any problems, I got the impression that she would have liked to hire me on the spot. Miss Greinert, as the lady was called, came from the island of Oesel[6] and spoke with an East Prussian accent.

Head of Administration Hans Ballreich (right) on the occasion of the new Institute building’s inauguration in 1954[7]

Shortly thereafter, the double doors from the adjoining room flew open and a man rushed in, to whom the lady turned and said: “This young lady is applying for the job.” “Well, come along then” he said, before disappearing out the door through which I had previously entered. I had to navigate getting around the desk first, and by the time I was standing outside the door, I was up the creek. The man was nowhere to be seen. Where was I supposed to go? I found another door, but it led to the room where the meeting had just taken place. Surely, I wasn’t meant to go in there. I tried a different door, but behind it lay a kitchen. At this point I heard a noise coming from further up in the house. So, I climbed the stairs. On the next floor, all the doors were closed. Then, I heard a rustling noise from even higher up, so I climbed further. On the top floor I finally found an open door, and in the room behind it, I saw the gentleman who had rushed past me downstairs. He invited me in, and we talked for a while. After what had gone down before concerning my lack of professional experience, I pointed out several times that I was only modestly proficient in stenography and typewriting. Nevertheless, not long into our discussion, Dr Ballreich[8] asked: “Can you start on Monday?” I stuttered: “But don’t you want to see my certificates?” Ballreich: “I’m not interested in them. If Professor Bilfinger, the director, agrees, you can start on Monday.” Professor Bilfinger did agree. I started the following Monday and remained at the institute for almost 12 years until I gave up all professional work for family reasons. From then on, I moved in two worlds: My home was characterized by practical work, while at the institute I lived and breathed science and had the great privilege of meeting many important people in person.

“Make Yourself Familiar with It”. A Self-Made Career in Administration

On Monday morning, on my first day at work, the lady whose job I was to take over told me that along with my other tasks, I would also be responsible for keeping the institute’s accounts. I had absolutely no experience of bookkeeping. She explained: Income was to be put on white sheets, expenses on red sheets and pass‑through items on blue sheets, with everything being copied onto the large journal sheet. That can’t be so difficult, I thought to myself. Yet, the following week when I found myself sitting alone in front of all the sheets and had entered everything nice and neatly, Miss Greinert explained to me that I now had to “reconcile” the journal page: The right and left pages had to match. And so, blithely, I totted up the figures. Yet: Left and right, from where exactly? There were so many columns that I was utterly lost. I calculated and calculated, and lo and behold, at some point I ended up with two equal amounts.

Later, when I became solely responsible for all the bookkeeping, I had somewhat mixed feelings about the internal audits by the Max Planck Society and the tax audits by the tax office. It was not that I was afraid of having made mistakes, but rather that I wasn’t confident in my knowledge of a lot of the technical accounting terms. To make it easier for myself, I had a little trick where I would just use a finger to point out the figures the auditors asked about. However, I later encountered a problem when I was tasked with handling the billing for the institute’s extension “in accordance with the applicable guidelines” – I had no idea what these guidelines were. Dr Ballreich simply placed a loose‑leaf binder on my desk and said: “It’s all in there. Make yourself familiar with it.” I did my research and drew up a cost calculation. It amounted to 300,000 DM, which was a considerable sum at the time. Nobody voiced any objections.

Margarete Noll (on the right) with Miss Peukert and Hilde Kahlich, in front of the institute in 1959[9]

Later, the General Administration of the Max Planck Society made plans to introduce the Hollerith system into their standard accounting procedure. They were looking for an institute that was prepared to work with both Journal and Hollerith for an entire year during the trial phase. I was prepared to get involved. The Hollerith cards had to be marked with a graphite pencil according to certain specifications. The cards were then sent to Göttingen, where the Hollerith department was located. There, the cards were punched by machine, the resulting holes were read in another machine and the bookings were printed on large sheets of paper. These sheets were then sent to Heidelberg. Of course, it was superb that the machine could “spit out” different analyses as required. But the constant sending back and forth and waiting to have the monthly result back on one’s desk was tiresome. The association didn’t end up adopting the Hollerith system (for accounting).

I had been at the institute for perhaps just ten days when Miss Greinert asked me: “Please, go to the bank now and withdraw DM 10,000.” I was stunned: “Where am I supposed to put the money?” – “Oh, just put it in your bag.” And so, I set off, hanging my bag – a bucket bag that could be closed with drawstrings at the top – on the handlebars of my bike. It didn’t take me long to complete the short journey across the bridge. I collected the desired amount and stashed it in my bag. Then I made my way back. Anxiously, I was constantly checking both sides and occasionally behind me to see if anyone was watching. I couldn’t help feeling like everyone could tell what was in the bag. Yet, I arrived back at Philosophenweg completely unscathed. Miss Greinert distributed the money – which was for the monthly salary payments – into various envelopes, which she would then personally hand to all the employees of the institute. Some of the institute’s researchers worked at the house on Philosophenweg; so, in their case, it was simply a matter of going to a different floor. The Institute library with all its staff, however, was located in the house of Corps Saxo-Borussia in Friedrich-Ebert-Anlage. Miss Greinert would make the journey over there with the remaining envelopes. This procedure was repeated at the end of each month until the institute moved into the new building on Frankfurter Straße (later called Berliner Straße). Only then salaries started to be paid via bank transfer.

Among “Older Gentlemen”. Working at the Institute as a Young Woman.

Until her departure from the institute two years later (for reasons of age), Miss Greinert and I worked in the same room; first upstairs at 13. Philosophenweg and later in the new institute building as well. She would often tell me stories from Berlin times, for instance, about the events surrounding July 20, 1944 (the brother of the assassin was a member of the institute[10]) or the tragic death of a “half‑jew”, who had been “protected” by the institute until the end of the war, and then been shot by the Russians as he ran beaming towards the “liberators”.[11] But she also impressed me with her attitude. She admonished us young girls when we were eager to help at a dinner at the director’s house: “Please, ladies, only one lady should get up at a time. There will be too much commotion otherwise.” When, before the celebration of his 75th birthday, Professor Bilfinger asked: “What will the ladies be wearing?”, she replied: “Professor, we will know what to wear to honour you on the occasion.”

A few months after I joined, one of the secretaries left the institute. Some 20‑30 applicants of various ages responded to the job advertisement. Dr Ballreich dumped all the letters of application on my desk and said: “Take your pick.” I read through all the applications carefully and then decided on a young lady who was only slightly older than me. But upon telling him my “decision”, he said: “We can’t hire her. She works in the hospital construction office, the support of which we need for the new building – we can’t poach anyone from there.” However, I had objections to all the other applicants. Eventually, I was given permission to ask the lady for an interview – if I could reach her in person, that was (she had only given the telephone number of the hospital construction office). I succeeded; she was hired, and we are still friends more than 50 years later.

Carl Bilfinger at his home, 1950s[12]

Hilde Kahlich, as the new secretary was called, and I were the only young people among the “older gentlemen” in the house at 13. Philosophenweg. Professor Bilfinger, who had lost his wife[13] just a few months earlier, often invited us to have lunch with him. He clearly enjoyed showing us his paintings afterwards and discussing them. He was a great art lover and collector of the Old Masters.[14] During one of these discussions, he was stunned because none of us knew who the Witch of Endor[15] was. It was then that we realized that one cannot understand many of the Old Masters without knowledge of the Bible. Professor Bilfinger also told us many stories “from back then”; for instance, that his father, a priest at Ulm Minster,[16] had ordered him and his brother to stand at attention before Field Marshal von Moltke when he visited the minster.

Occasionally, prelate Schreiber[17] would visit the institute. He was a senator of the Max Planck Society for the Advancement of Science and a papal house prelate – recognizable by the purple trim on his white collar. Before the Concordat with the Vatican was signed, he had been a Centre Party politician, afterwards he was no longer allowed to be politically active. Each time he appeared, it was as though a tornado had struck the institute. He usually wanted to have a typist at his disposal as well. Hilde Kahlich and I took turns, but we’d both have always preferred to duck out. On one occasion, he dictated an entire commemorative essay to me (into shorthand). Everything was going quite well until he suddenly dictated “Habakkuk”. I was not familiar with the name. My biblical ignorance irritated him greatly. After a while, the text continued in Latin. He then began to individually spell out each word for me. When I shyly suggested that I could indeed spell Latin words from dictation, he was suddenly kindness personified. Another time, when it was my “turn” again, he summoned me to the Hotel Ritter, where he always stayed. I was asked into his room, made to sit down at a desk, and then he locked the door. It felt quite unsettling to be locked in a hotel room with a high‑ranking catholic priest. But he simply didn’t want to be disturbed while dictating. One time, however, he did put me in quite an uncomfortable situation. He wanted to get some rest in an adjoining room at the Bilfinger house and asked me to loosen his collar for him. Somehow, I eventually found it in myself to do that.

“’Normal’ People Don’t Get to Be There.” A Sneak Peek into High Society

Meeting of the German Society for International Law at the Institute, 1965[18]

After a meeting of the German Society for International Law in Heidelberg, where I had to take the minutes, one of the illustrious gentlemen embarrassed me. He wanted to know how much I earned. Did I have to tell him? Actually, I found the question rather indiscreet. I told him that unfortunately, as I was not just a secretary but also employed in the administration, I was obliged to maintain secrecy. With a smile, he said: “I can see who I’m dealing with” and probed no further.

The annual Board of Trustees meetings were very exciting. I attended partly because of the finances, but mainly because I had to write the minutes. All the gentlemen present – I was always the only female entity there- were more than twice or even three times my age, and all were respected scholars or important businessmen. On one occasion, the meeting took place in the board room of the Karlsruher Lebensversicherung, which its chairman Alex Möller[19] – later to become the Federal Minister of Finance – had made available to the Institute. During the meeting, I noticed that he was wearing a huge wristwatch. He really doesn’t have to show off his wealth like that, I thought to myself. However, I then noticed how far he would bend his head over his wrist when he tried to look at his watch. It was then I realized that, with the state of his vision, he was probably only able read an oversized watch face. It was a lesson to me not to be too quick to judge.

Another time, the Board of Trustees meeting took place in the BASF Board of Executive Directors’[20] meeting room on the top floor of the BASF building. “Normal” people don’t get to be there, usually. The view over the whole of BASF and the surrounding area was fantastic. The meal following the meeting took place in the BASF’s Feierabendhaus, where I found myself facing a big problem. All the gentlemen were waiting for me to start eating; however, I wasn’t quite sure how to “go about” the first course, which was completely foreign to me. I handled the cutlery very hesitantly until I could observe how to proceed. Another time, the President of the Federal Constitutional Court[21] invited everybody to dinner after the meeting. Whispered cautions were issued around the room to alert people that restraint was advisable when ordering à la carte, as the President was fond of parsimony. During the meal, I was seated next to him and noticed that he was indeed very parsimonious. I do, however, have one unpleasant memory of a meal after a meeting of the Board of Trustees, which took place at the private residence of the Chairman of the Board of Goldschmidt-AG[22] in Secheim. I was sitting next to the prelate, and we were just finishing the main course when something bit my leg. I felt a very sharp pain, but didn’t dare to crawl under the table to see what kind of beast had attacked me. The next morning, my leg was swollen and rock‑hard from my ankle to my groin, so I immediately sought medical treatment. A very painful calcium injection and absolute bed rest gradually brought my leg back to normal.

Of course, there were not only meetings; occasionally we also had celebrations with large receptions. During one such event, I got to meet the prodigious banker [Hermann Josef] Abs[23], who, as president of the German Federal Bank, ruled over the banking system of post‑war Germany. In the company of so many academics, he seemed to feel the need to point out that it was indeed possible to succeed even without higher education, as he began his speech with the words: “Now, somebody is going to speak, who, by rights, is not allowed to do so, in this circle. After all, I did not attend university.”

I once read in Otto Hahn’s[24] biography that throughout his life he considered it a deficiency not to have enjoyed a “humanistic education”. Yet, he achieved success “in spite of this” and has always remained a modest person. When I once visited the General Administration in Göttingen on business, I was shown around the president’s office. I was amazed at how modestly it was furnished and learned that Otto Hahn had forbidden any changes to the furnishings when he took up his post as President of the Max Planck Society. He needed a room to work in, not a representation room.

Now and then I had regrets about not pursuing maths and physics. But, working in the midst of eminent personalities on a daily basis, constantly experiencing human greatness up close as well as having the occasional opportunity to shake hands with Nobel Prize winners and other great minds was a life that thoroughly compensated for this.

Translation from the German original: Sarah Gebel/Callum Hanks

***

[1] We would like to thank the Noll family for kindly allowing the publication of this text on the blog. To improve legibility, subheadings and footnotes, as well as the photos, have been added by the editor.

[2] Walther Bothe (1891-1957) received the Nobel Prize for Physics in 1954.

[3] Photos: AMPG.

[4] Carl Bilfinger (1879-1958), Director of the Institute from 1944 to 1946 and from 1949 to 1954. On Bilfinger, see: Philipp Glahé/Reinhard Mehring/Rolf Rieß (eds), Der Staats- und Völkerrechtler Carl Bilfinger (1879–1958). Dokumentation seiner politischen Biographie. Korrespondenz mit Carl Schmitt, Texte und Kontroversen, Baden-Baden: Nomos 2024; also, published on this blog: Reinhard Mehring, Vom Berliner Schloss zur Heidelberger „Zweigstelle“. Carl Bilfingers politische Biographie und seine strategischen Entscheidungen von 1944, MPIL100.de; Johannes Mikuteit, Gerhard Leibholz’s Protest Against the Appointment of Carl Bilfinger as Founding Director of the MPIL, MPIL100.de.

[5] Presumably it was a Canaletto, see: Philipp Glahé, Kunst und Distinktion. Carl Bilfinger als Sammler, in: Philipp Glahé/Reinhard Mehring/Rolf Rieß (fn. 4), 445-470.

[6] Today Saaremaa, Estonia. Ellinor Greinert Ellinor Greinert (1894-1966) was a native Baltic German and worked at the institute from 1928 to 1955, first as a foreign language secretary and then as a secretary to the directorate.

[7] Photo: MPIL.

[8] Hans Ballreich (1913-1998), from 1949 to 1955 a research fellow, then head of administration at the Institute. From 1962 to 1966 Secretary General of the Max Planck Society (MPG).

[9] Photo: Noll family.

[10] Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944) was a research fellow at the institute from 1929 until his execution in 1944. As the brother of Claus von Stauffenberg, who carried out the failed bomb attack against Hitler on 20 July 1944, he was a close confidant and supporter of the resistance movement.

[11] Joachim-Dieter Bloch (1906-1945) was a research fellow at the KWI from 1927 to 1945. According to Nazi racial ideology, he was considered a ‘quarter Jew’, but unlike the institute members Erich Kaufmann (1880-1972) and Marguerite Wolff (1883-1964), who were persecuted as ‘full Jews’, he was not dismissed from the institute and forced to emigrate.

[12] Photo: Magarete Noll.

[13] Margarethe Bilfinger, born as Margarethe Schuler, (1887-1951).

[14] See on this: Glahé (fn. 5)

[15] A biblical figure from the Old Testament (1 Sam 28).

[16] Adolf von Bilfinger (1846-1902).

[17] Prelate Georg Schreiber (1882-1963), senator of the Kaiser Wilhelm Society (KWG) from 1926 to 1933 and of the MPG from 1946, honorary senator from 1960. Co-founder of the ‘Trier branch’ of the KWI (1925-1933), as well as scientific member of the MPIL, see: Martin Otto, The KWI and the Catholic Church. A “Special Relationship”?, MPIL100.de.

[18] Photo: MPIL.

[19] Alex Möller (1903-1985), was Chairman of the Social Democratic Party of Germany in Baden-Württemberg from 1962 to 1966 and Federal Minister of Finance from 1969 to 1971.

[20] Wolfgang Heintzeler (1908-1990), Deputy Chairman of BASF, member of the Institute’s Board of Trustees.

[21] Gebhard Müller (1900-1990), President of the Federal Constitutional Court from 1959 to 1971.

[22] Theo Goldschmidt (1883-1965), entrepreneur and Chairman of the Supervisory Board of the chemical company Goldschmidt AG.

[23] Hermann Josef Abs (1901-1994), banker and member of the Management Board of Deutsche Bank.

[24] Otto Hahn (1879-1968), chemist and from 1946 the last President of the KWG as well as from 1948 to 1960 the first President of the MPG, which emerged from the KWG.

Eine (un)sichtbare Geschichte? Die Max-Planck-Büste Walther Wolffs

History Hidden in Plain Sight. The Max Planck Bust by Walther Wolff

Deutsch

Betritt man das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (MPIL), so fallen im Eingangsbereich drei Kunstwerke auf. Linker Hand hängt das großformatige, 6,3 x 2,3 Meter messende Triptychon von H. D. Tylle Der 9. November 1989 in Deuna, am Morgen danach. Rechter Hand stehen zwei Bronze-Büsten. Die erste zeigt den Namensgeber des Instituts und der gleichnamigen Forschungsgesellschaft, den Physiker und Nobelpreisträger Max Planck (1858-1947), die zweite stellt den Widerstandskämpfer und ehemaligen Institutsangehörigen Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944) dar. Thematisiert das Gemälde von Tylle den Fall der Mauer und die deutsche Einheit – die „deutsche Frage“ war über 40 Jahre lang eines der dominierenden Themen am Institut –, stehen die Büsten für zwei Männer, die für die institutionelle Erinnerungskultur beziehungsweise das Selbstverständnis der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) von Bedeutung sind. Alle drei Kunstobjekte stehen der Form ihrer Anordnung nach in einer Sichtachse und sind, gleich einem Schaufenster, über die bodentiefen Fensterfronten auch von außerhalb des Instituts sichtbar.

Der Eingangsbereich des MPIL. Links das Gemälde von H.D. Tylle, rechts die Büsten von Max Planck und Berthold von Stauffenberg[1]

Wenngleich die Geschichte ihrer Aufstellung im Foyer auf den ersten Blick eher zufällig erscheinen mag, korrespondieren die Büsten und das Gemälde inhaltlich und formell miteinander und zitieren sich auch als Kunstform gegenseitig:  So zeigt auch der linke Flügel von Tylles Triptychon eine Büste. Es ist die mannshohe Büste Wladimir Iljitsch Lenins, demontiert und als Altmetall auf dem Hinterhof eines Immobilienunternehmens vor sich hin rostend, vom Unkraut des Vergessens überwuchert.

Somit stellt sich im Eingangsbereich des Instituts ein Schnellabriss der deutschen Geschichte dar, zumindest wie sie sich aus Sicht des Instituts bzw. der MPG präsentiert. Die Spannbreite zwischen den Werken ist breit, changiert sie zwischen abgesetzten Helden der Verlierer-Ideologie des Sozialismus und historischen Bekenntnisfiguren von Institut und MPG.[2] Zwischen den beiden Extremen der deutschen Geschichte steht politisch wie ideologisch unverdächtig Max Planck, ein Physiker, der nicht viel, um nicht zu sagen nichts, mit den Forschungsthemen des Instituts gemein hat. Zwischen 1930 und 1937, sowie von 1945 bis 1946 war Planck Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), innerhalb derer das Institut 1924 ins Leben gerufen worden war. Nach ihrer Neugründung 1948 wurde Planck zum Namensgeber der Forschungsorganisation. Fast jedes der 84 Institute besitzt eine Büste Plancks, viele von ihnen sind, wie diejenige des MPIL, Abgüsse der Büste Walther Wolffs.[3] Max Planck zählt nicht nur zu den bedeutendsten deutschen Naturwissenschaftlern, er war auch ein einflussreicher Wissenschaftsmanager. Seine kommissarische Übernahme des Präsidentenamtes 1945 bedeutete eine personelle wie ideelle Anknüpfung an die Vorkriegsforschung der KWG. Zugleich machte die Umbenennung der Forschungsgesellschaft, die die Briten zur Grundbedingung ihrer Fortführung gemacht hatten, deutlich, dass man sich vom preußischen Militarismus, für den Kaiser Wilhelm II. stand, distanzieren wollte. Die Max-Planck-Büste steht somit für das Ideal der „reinen Forschung“, für Integrität und Spitzenwissenschaft.

Die Büsten von Max Planck und Berthold von Stauffenberg am MPIL, fotografiert 2024 mit starkem Blitz. Kein ästhetisierender Schattenwurf, sondern dokumentarischer Darstellungsmodus. Links Lenin-Büste, Bilddetail H.D. Tylle[4]

Doch stehen die Büste, der Künstler, der sie angefertigt hat, sowie der Portraitierte in einer komplexen historischen Beziehung zueinander, die inzwischen in Vergessenheit geraten ist. Dieser Beitrag möchte einen neuen Blick auf ein altes und viel zu oft übersehenes Objekt werfen: die Max-Planck-Büste. Hierbei möchte er am Beispiel der Büste als Kunstform Schlaglichter werfen auf das historische Selbstverständnis des Instituts und der MPG und auf die Kontinuität von Wissenschaftsnetzwerken über die Systembrüche der neueren deutschen Geschichte.

„Thinking through things“. Objektbiographie und “material turn”

Objekte, insbesondere Kunstgegenstände, haben eine soziale und symbolische Funktion. In den sogenannten „materialbezogenen Wissenschaften“ wie der Archäologie, Volkskunde oder Kunstgeschichte wird das Objekt, im Sinne eines Artefaktes, als ein dem Text gleichrangiges historisches Dokument betrachtet.[5] In Fortführung des „linguistic turn“ erfolgte in den 1980er Jahren der „material turn“, der „Objekte zu unverzichtbaren Instrumenten der Erkenntnis“ erhebt.[6] In der Geschichts- und Literaturwissenschaft wird das „thinking through things“ zwar bis heute kontrovers diskutiert, ist jedoch kaum mehr wegzudenken.[7] Auch die Völkerrechtswissenschaft versucht seit geraumer Zeit, diesen Ansatz für sich nutzbar zu machen.[8]

Was der „material turn“ deutlich in den Fokus gerückt hat, ist die Zentralität des (kulturkonstituierenden) Verhältnisses von Mensch und Objekt.[9] Da Objekte in unauflösbarer Wechselwirkung mit den Menschen stehen, die sich mit ihnen umgeben, können sie auch als Spiegel beziehungsweise Projektionsfläche von Wertvorstellungen, Geschichtsbildern und Selbstverständnissen betrachtet werden. Judy Attfield zufolge haben sie auch eine eigene Biographie, die sich aus der materiellen Geschichte des Gegenstandes, seiner Herstellung und Nutzung und der sich im Laufe der Zeit wechselnden Bedeutungszuschreibung erschließt.[10] Möchte man beim Beispiel der Büste bleiben, so ergibt sich ihre Interpretation und Bedeutungszuschreibung aus dem Zusammenspiel der Betrachtung des Dargestellten, des Darstellungsmodus, der Wahl des Materials und des ästhetischen Zuschnitts. Hinzu kommen externe Faktoren wie die „Genealogie“ der Besitzer oder der Zustand des Materials, die Aufschluss geben über die Nutzung, Aufstellung und Behandlung des Kunstobjektes.

Dies gilt auch für die Max-Planck-Büste, die man als Objekt der Instituts- beziehungsweise der deutschen Wissenschaftsgeschichte begreifen kann. Der Ort ihrer Aufstellung und ihre (Nicht-) Einbindung in den Institutsalltag können einen Aufschluss über den Wandel des historischen Selbstverständnisses der Institution wie der Forschungsgesellschaft, der sie angehört, geben. Doch was genau sagt die Max-Planck-Büste aus, über sich selbst und mehr noch über diejenigen, die sie aufgestellt haben?

„Arbeiten par coeur“. Walther Wolff zwischen Impressionismus und Klassizismus

Nahezu in Vergessenheit geraten ist der Erschaffer der Max-Planck-Büste, der Bildhauer Walther Wolff (1887-1966). Sein Werk weist eine große Spannbreite im Stil, jedoch auch in seiner politisch-ideologischen Anpassung an die Erwartungen seiner Zeit auf. Geboren wurde Wolff in eine wohlhabende Elberfelder Fabrikantenfamilie.[11] Nach dem Studium der Malerei und Bildhauerei in München ging er von 1910 bis 1912 nach Paris. Dort lernte er Auguste Rodin kennen, mit welchem sich eine enge Freundschaft entwickelte, wie auch mit Aristide Maillol und Henry Matisse.[12] Weitere wichtige Prägungen erfuhr Wolff durch Cézanne, van Gogh, Gauguin, Munch, Picasso und Braque, deren Werke er in Paris intensiv rezipierte. Als Wolff 1912 die Einladung des neoklassizistischen Bildhauers Louis Tuaillon zur Meisterschüler-Ausbildung erhielt, ging er zu diesem nach Berlin. In der Folge zeigte sich in Wolff eine lebenslang andauernde Zerrissenheit zwischen der „Lust des spontanen Zupackens und Hinsetzens der Form ohne Glattmacherei“, wie er es bei Rodin gelernt hatte, und der akademischen Strenge wie „formalen Vollendung“, wie er sie bei Tuaillon und Georg Kolbe an der Kunstakademie in Berlin vermittelt bekam.[13]

Wolffs künstlerische Karriere erlebte nach dem Ersten Weltkrieg ihren Aufschwung. Einen Namen machte er sich mit Portraitköpfen von Künstlern und Industriellen. Ebenfalls große Aufmerksamkeit brachten Wolff seine großformatigen Kriegerehrenmale ein, die auf verschiedenen Soldatenfriedhöfen aufgestellt wurden. Während Wolffs Denkmäler im neoklassizistischen Stil gehalten sind und zwischen antikisierender Ästhetisierung des Kriegshelden sowie der unüberhöhten Darstellung von Sterben, Tod, Trauer und Leid schwanken, sind seine Büsten impressionistische Werke.[14]

Wolffs Schaffensweise, die er selbst als „arbeiten par coeur“ bezeichnete, charakterisiert sich durch Spontaneität und Schnelligkeit.[15] Für seine Büsten fertigte er, entweder nach Modell oder aus dem Gedächtnis heraus, vorbereitende Skizzen, nach denen er seine Tonköpfe formte, nach denen wiederum seine Bronzen gegossen wurden.[16] Misslang ein Tonkopf im ersten Versuch, arbeitete Wolff ihn nicht nach, sondern formte ihn komplett neu. „Es ist eine Absage an alles Geglättete und Gefeilte, an eine vordergründige Harmonie“, die Wolffs Werk laut dem Kunsthistoriker Hans Wille charakterisiere und welche die Individualität der Dargestellten und ihre „psychologische Durchdringung“ durch den Bildhauer ganz besonders gut zum Ausdruck bringe.[17]

„Vertreter der botmäßigen Kunst“. Walter Wolff im Nationalsozialismus

Die Max-Planck-Büste auf der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ 1939 (rot umrandet)[18]

Doch nicht nur die Nachkriegskunstkritik lobte Wolffs Gabe zur Erfassung der von ihm Dargestellten – das NS-Regime tat es auch.[19] Denn: Walther Wolff portraitierte ab 1933 mit Vorliebe und Erfolg Protagonisten der völkisch-künstlerischen Avantgarde des „Dritten Reiches“, so Alfred Cortot, Walter Gieseking, Wilhelm Furtwängler und Paul Graener. Der Dirigent Furtwängler und der Pianist Graener gehörten zu jenen 1000 Kulturschaffenden, die 1944 als unverzichtbar für die NS-Ideologie in die „Gottbegnadeten-Liste“ Josef Goebbels‘ aufgenommen worden waren.[20] Doch Walter Wolff begnügte sich nicht mit Darstellungen von Künstlern. Auch nationalsozialistische Politiker wurden von ihm portraitiert, wie der Reichsführer der Deutschen Arbeitsfront Robert Ley und der SA-Führer Viktor Lutze.[21] 1933 schuf Wolff die zu Propagandazwecken verbreitete „Ehrenplakette des Führers“, welche das Konterfei Hitlers zeigte.[22] Überdies fertigte Wolff Büsten Adolf Hitlers und Hermann Görings an.[23] Wolffs Hitler-Büsten fanden Eingang in die offizielle NS-Propaganda und wurden in Schulbüchern zur Indoktrinierung der Jugend verwendet. Das Allgemeine Künstlerlexikon sieht in Wolff einen der führenden Künstler des „Dritten Reichs“, denn seine Arbeiten „zählten neben Arno Brekers Hitlerbüsten zu den bekanntesten ‚Führer‘-Köpfen und prägten das öff[entliche] Bild Hitlers ikonografisch.“[24] Auch der Soziologe Joachim S. Hohmann scheut den Vergleich mit „Hitlers Hofkünstler“ Arno Breker nicht:

 „Breker wie Wolff unterfangen sich, den Ausdruck von seherischem Ernst und übernatürlicher Entscheidungskraft zu treffen – allein der verfinsterte Blick bei Breker und die überbetonte Augenpartie bei Wolff zeigen, daß es den Vertretern der botmäßigen Kunst nicht um die bloß naturalistische Darstellung Hitlers getan war, sondern sich beide bestrebt zeigen wollten, die ‚Führerpersönlichkeit‘ hervorzuheben.“[25]

Anders als Wolff wendet sich Breker jedoch dem klassizistischen Schönheitsideal zu. Mit seinen monumentalen Plastiken und Figuren, die das „arische“ Menschenbild verkörperten und propagierten, gelang Breker ein beispielloser Aufstieg auf dem nationalsozialistischen Kunstmarkt.[26] Wolff konnte damit nicht mithalten. Wenngleich seine Büsten belegen, dass auch er mit seiner Kunst das Regime unterstützte, diente er sich nicht der völkischen Ästhetik an. Stattdessen behielt er seinen, teils jedoch abgeschwächten, impressionistischen Stil bei, der ihm auch im „Dritten Reich“ große Anerkennung, jedoch keine führende Rolle im Kunstbetrieb brachte.

Detail-Ansicht der Büste[27]

Die von Wolff angefertigte Büste Max Plancks kann als sinnbildlich für die komplexe Stellung des Bildhauers im NS-Kunstbetrieb gelten. Entstanden ist die Bronze-Büste im Jahre 1939. Nähere Hintergründe hierzu haben sich nicht finden lassen. Es ist nicht bekannt, ob die Büste eine Auftragsarbeit ist, und auch nicht, ob Wolff sie, wie viele seiner Werke, aus dem Gedächtnis formte oder ob Max Planck ihm Portrait saß. Auch die Darstellung Plancks ist impressionistischer Machart: Die Oberfläche der Büste ist rau, das Alter des damals schon über 80-jährigen Planck tritt deutlich hervor. Wolffs Planck-Büste fand in der NS-Kunstkritik hohes Lob, zeige sie doch „die starke Einfühlungskraft des Künstlers, der das seelisch-geistige Moment im Dargestellten mit seiner Innerlichkeit sichtbar werden läßt.“[28] Dass die Büste 1939 auf der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ ausgestellt wurde –  zusammen mit der Büste Robert Leys – belegt, für wie bedeutsam sie gehalten wurde.[29] Die „Große Deutsche Kunstausstellung“ fand zwischen 1937 und 1944 jährlich in München statt und kann als wichtigste nationalsozialistische Kunstveranstaltung gelten. Wolff war 1937, 1939, 1942 und 1943 auf ihr vertreten.[30]

Max Planck ist kein Vertreter der NS-Ideologie gewesen. Dennoch stand der Nobelpreisträger von 1918 dem Regime lange Zeit loyal gegenüber und wurde von diesem als Aushängeschild deutscher Spitzenforschung wahrgenommen. Als Präsident der KWG trug Planck nach 1933 fast alle antisemitischen und antidemokratischen Säuberungsmaßnahmen der Nationalsozialisten in der KWG mit, wenngleich ohne große innere Überzeugung.[31] Gegen Ende der 1930er wurde er, wie viele Intellektuelle, dem „Dritten Reich“ gegenüber kritischer, suchte aber keinen Bruch. Im Gegenteil blieb Planck auch nach dem Ende seiner Amtszeit 1938 dem Regime gegenüber loyal.[32]

„Für die Ehre der deutschen Wissenschaft“. Der Schenker Heinrich Hörlein

Heinrich Hörlein als Angeklagter im I.G.-Farben-Prozess ca. 1948[33]

Die Planck-Büste wurde, vermutlich im Nachgang der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ 1939 vom Chemiker Heinrich Hörlein (1882-1954) erworben.[34] Hörlein war im „Dritten Reich“ kein unbeschriebenes Blatt. Das Vorstandsmitglied der I.G. Farben war 1933 der NSDAP beigetreten und wurde 1941 zum Wehrwirtschaftsführer ernannt.[35] Von 1933 bis 1941 Leiter des I.G.-Farben-Werkes in Elberfeld, fiel die Entwicklung von Kampfstoffen, insbesondere der Nervengase Tabun und Sarin, unter seine Verantwortung. Darüber hinaus war er Mitglied des Aufsichtsrates der Deutschen Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung („Degesch“), die das Giftgas Zyklon B herstellte.[36] Als Senator (ab 1937) bekleidete er in der KWG hohe Ehrenämter: Von 1937 bis 1941 war er stellvertretender beziehungsweise erster Schatzmeister der KWG und Mitglied des Verwaltungsausschusses des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Chemie.[37] 1945 wurde er von den Amerikanern verhaftet und zwei Jahre später im I.G.-Farben-Prozess wegen Planung und Vorbereitung eines Angriffskrieges, Raub und Plünderung von öffentlichem und privatem Eigentum, Sklaverei und Massenmord sowie Teilnahme an verbrecherischen medizinischen Versuchen und Verschwörung zur Begehung von Verbrechen gegen den Frieden angeklagt, jedoch freigesprochen.[38] Es konnte ihm nicht nachgewiesen werden, dass er von der vom Zweck der Verwendung des Zyklon B und von medizinischen Versuchen in den Konzentrationslagern gewusst hatte.[39] Hörlein selbst sah sich als zu Unrecht verfolgt an und bekannte in seinem Schlussplädoyer vor Gericht, er habe stets „für die Menschheit, für die Ehre der deutschen Wissenschaft“ gearbeitet.[40] Prominente Unterstützung im Prozess erhielt Hörlein vom damaligen Präsidenten der KWG Otto Hahn und dem Nobelpreisträger und späteren MPG-Präsidenten Adolf Butenandt, die dem KWG-Senator und Chemiker unpolitische Grundlagenforschung bescheinigten.[41] Nach 1948 wieder Senator in der neu gegründeten Max-Planck-Gesellschaft, vermachte Hörlein 1952 der MPG anlässlich seines 70. Geburtstages die Büste Plancks als Geschenk.

Ein Kultobjekt? Die Max-Planck-Büste in MPG und MPIL

In der Wahrnehmung der Büste standen jedoch weder ihr Erschaffer noch ihr Schenker im Vordergrund, sondern der Dargestellte. Er hatte sich im „Dritten Reich“ nicht kompromittiert, genoss auch im Ausland hohes Ansehen und stellte eine wichtige personelle und intellektuelle Kontinuität in die Vorkriegszeit dar.[42] Dies sahen auch die britischen Besatzungsbehörden so, die wie Otto Hahn 1946 notierte, „sehr glücklich“ über die Wahl Plancks waren. „Auch empfehlen sie das Anbringen einer Planck-Büste, sofern eine solche vorhanden ist.“[43]

An Büsten sollte es der MPG im Folgenden nicht mangeln. Max Planck hatte schon zu Lebzeiten einen nahezu popkulturellen Status und wurde von zahllosen Künstlern in Gemälden aber auch in Bronze- und Marmorbüsten festgehalten, die vielfach der MPG gestiftet worden waren.[44] Insbesondere jedoch die Büste Walther Wolffs avancierte zu einem der „Kultobjekte“ innerhalb der Forschungsgemeinschaft. Das Original wurde im Büro des MPG-Präsidenten in Göttingen platziert, zudem war es bis in die 2000er Jahre Brauch, die Büste Walther Wolffs bei den Generalversammlungen der MPG aufzustellen.[45]

Hubert Markl, Präsident der MPG von 1996 bis 2002, anlässlich der Hauptversammlung der MPG mit Max-Planck-Büste von Walther Wolff (Foto undatiert)[46]

Abgüsse wurden bis Mitte der 1960er Jahre im Rahmen von Festakten von der Generalverwaltung an die neu- beziehungsweise wiedergegründeten Institute überreicht.[47] Das Heidelberger Institut erhielt seine Büste (einen Abguss von 1951) 1954 anlässlich der Einweihung des neuen Institutsgebäudes von MPG-Präsidenten Otto Hahn. Hahn überreichte Institutsdirektor Carl Bilfinger die Büste mit den Worten:

„Die Max-Planck-Gesellschaft schenkt dem Institut zur Einweihung die Büste unseres hochverehrten Max Planck, geschaffen von der Meisterhand des Bildhauers Walther Wolff, des grossen Gelehrten und Menschen Max Planck, der unser Präsident war und dessen Namen zu tragen wir die Ehre haben.“[48]

Die Büste im alten Institutsgebäude: Otto Hahn und Carl Bilfinger bei der Einweihung des Institutsneubaus, 25.06.1954; die Büste im Instituts-Treppenhaus 1954 und 1971[49]

Aufgestellt wurde der Kopf im damaligen Institutsgebäude in der Berliner Straße an zentraler Stelle direkt im Treppenhaus beim Haupteingang, anders als die Büste Berthold von Stauffenbergs, die Institutsdirektor Hermann Mosler aufgrund Stauffenbergs damaliger politischer Umstrittenheit zunächst gar nicht im Institut aufstellen wollte und dies erst 1975, weitab im zweiten Stock, tat.[50] Max Planck indes wurde unpolitisch gelesen. Und dies war natürlich nicht nur im Institut der Fall. Die Bedeutung Plancks als intellektuelle Referenzfigur und Vorbild politischer und menschlicher Integrität ist in der MPG vielfach bis heute ungebrochen, wobei auch kritische, historisch kontextualisierende Töne zur Rolle Plancks als Wissenschaftsakteur spätestens seit der von 1999 bis 2005 eingesetzten Präsidentenkommission zur Geschichte der KWG im Nationalsozialismus hörbar sind.[51]

Für das MPIL selbst ist Planck als Physiker von indirekter Bedeutung, verkörpert er vor allem den auch für dieses Institut geltenden Anspruch wissenschaftlicher Exzellenz und Neutralität. Doch die räumliche Zentralität blieb Planck auch beim Umzug in das aktuelle Institutsgebäude im Neuenheimer Feld 1996 erhalten, auch nach dem Umbau des Eingangsbereiches. Dennoch wandelte sich die Einbeziehung der Büste in den Institutsalltag. Zeitzeugenaussagen zufolge klangen Institutsfeierlichkeiten im alten Gebäude in der Berliner Straße vielfach zu fortgeschrittener Stunde beim Zusammensitzen und gemeinschaftlichen Singen im Treppenhaus aus, wobei man sich gerne um die Planck-Büste gruppierte.[52] Im Neubau war die Büste, die im Ausleihbereich am Haupteingang aufgestellt wurde, bis zum Umbau stark in den Alltag der Bibliothek integriert, „wachte“ sie doch über Bibliotheksmitarbeitende, Gäste und Bücher.

Die Max-Planck-Büste im Ausleih-Bereich des früheren Haupteinganges (ca. 2010) mit den Bibliothekarinnen Dana Zatopkowa und Anna Lamparter[53]

Auch heute hat die Büste einen zentralen Platz im Institut, ihre Wahrnehmbarkeit scheint indes gesunken zu sein. Die räumlichen Gegebenheiten laden weniger zum geselligen wie informellen Beisammensein um die Büste herum ein, zudem wird der Bronzekopf von vielen (internationalen) Gästen kaum erkannt oder an einem juristischen Forschungsinstitut dem Physiker Planck zugeordnet. Gegenüber dem monumentalen Triptychon H.D. Tylles nimmt sich die Büste recht bescheiden aus. Nicht selten stiehlt ihr der deutlich jüngere (und ins Attraktivere idealisierte) Stauffenberg die Show, der im Gegensatz zur Planck-Büste namentlich beschriftet ist und gerne mit dem weitaus populäreren Claus von Stauffenberg verwechselt wird. Durch die neue Anordnung der beiden Büsten erhält diejenige Max Plancks (zumindest für historisch Kundige) einen neuen interpretativen Bezug: Plancks Sohn Erwin(1893-1945) hatte, wie auch Berthold von Stauffenberg, der Widerstandsbewegung des 20. Juli 1944 angehört und war im Januar 1945 von den Nationalsozialisten ermordet worden.

Dennoch: Trotz ihrer gesunkenen Wahrnehmung bleibt die Planck-Büste zentral. Jeder Gast, jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter passiert Max Planck tagtäglich mehrfach, sei es beim morgendlichen Betreten oder abendlichen Verlassen des Instituts oder auf dem Weg zu den Montags- oder Dienstagsrunden in den Konferenzräumen 037/038. Üblicher Treffpunkt für gemeinsame Mittagessen in der Uni-Mensa im Neuenheimer Feld unter Institutsangehörigen und Gastforschenden ist zudem der Eingangsbereich des MPIL. Während man auf seine Kolleginnen und Kollegen wartet, wartet man also auch immer mit Max Planck zusammen. Früher oder später bemerkt man den Bronzekopf dann doch und mag sich fragen: Wer ist das eigentlich?

Fazit

Die Büste Walther Wolffs bewegt sich in einem komplexen historischen Spannungsfeld. In ihrer Form am Impressionismus des späten 19. Jahrhunderts orientiert, stellt sie mit dem theoretischen Physiker Max Planck einen vermeintlich unpolitischen Wissenschaftler dar, der als moralische Vorbildfigur und Vertreter deutscher Spitzenforschung wahrgenommen wird. Die Büste selbst gibt wenig Aufschluss über den historisch belasteten Kontext ihrer Entstehung im „Dritten Reich“, ihrer Rezeption durch die NS-Kunstkritik und der Begleitumstände ihrer Schenkung an die MPG. Der Umstand, dass der Nobelpreisträger Planck im Kaiserreich, der Weimarer Republik, dem „Dritten Reich“ und der Bundesrepublik als gleichermaßen anknüpfungsfähiger Referenzpunkt für Wissenschaftlichkeit, Objektivität und Spitzenforschung gilt, ist eine Erkenntnis, die die Büste übermittelt. Dass die MPG in den 1950ern in ihren Instituten Abgüsse eines NS-belasteten Künstlers fertigen und verteilen ließ, ist Ausdruck der gesellschaftlichen Ambivalenzen und Selbstwahrnehmung der frühen Nachkriegszeit. Seine Andienung an das Regime wurde als gleichermaßen vernachlässigbar angesehen, wie die eines Großteils der Forscherinnen und Forscher der KWG, die wenige Jahre zuvor selbiges getan hatten. Die Geschichte der Büste gibt somit Einblicke (wissenschaftliche) Netzwerke, ästhetische Geschmackspräferenzen und Selbstbilder innerhalb der deutschen Elite und vor allem in der MPG.

[1] Fotos: MPIL.

[2] Die komplexe und wechselhafte Geschichte der Wahrnehmung Berthold von Stauffenbergs und der Widerstandsbewegung des 20. Juli 1944 von „Vaterlandsverrätern“ in den 1950ern zu verklärter Heldenverehrung kann an dieser Stelle nicht ausgeführt werden. Hierzu ist ein separater Blogbeitrag des Verfassers in Vorbereitung. Zur Verortung der juristischen KWI in der deutschen Widerstandsgeschichte: Rolf-Ulrich Kunze, Nische oder Relais? Das Schwester-KWI für ausländisches und internationales Privatrecht, 1933 bis 1939, mit Blick auf das KWI für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, MPIL100.de.

[3] Nicht alle im Besitz der MPG und ihrer Institute befindlichen Büsten stammen jedoch von Walther Wolff: Lorenz Friedrich Beck (Hrsg.), Max Planck und die Max-Planck-Gesellschaft. Zum 150. Geburtstag am 23. April 2008 aus den Quellen, Berlin: Archiv der Max-Planck-Gesellschaft 2008, 219, 287-289. Nachweislich überreicht wurde die Max-Planck-Büste Walther Wolffs an das MPI für Physik der Stratosphäre und der Ionosphäre, das MPI für Biochemie, das MPI für medizinische Forschung, das MPI für Eiweiß- und Lederforschung, das MPI für ausländisches und internationales Privatrecht und das MPI für Spektroskopie, siehe: Schreiben von Otto Benecke an Walter Dieminger, datiert 19.August 1957, AMPG, II 066 0042 0146; Schreiben von Hans Seeliger an Adolf Butenandt, datiert 18. Juni 1957, AMPG, II 066 0619 m2 0201; Beschreibung des Instituts für medizinische Forschung, AMPG, II 066 1066 m1 0157; Schreiben von Hans Seeliger an das MPI für Eiweiß- und Lederforschung, datiert 27. April 1957, AMPG, II 066 1066 m1 0240; Schreiben von Otto Benecke an Kurt Glässing, datiert 16. Oktober 1956, AMPG, II 066 3659 m1 0088; Aktennotiz von Adolf Butenandt, datiert 02. Mai 1966, AMPG, II 066 4100 0016. Ein Schreiben Kurt Pfuhls legt nahe, dass bis Mitte der 1960er noch mehr MPIs mit Büsten Walther Wolffs ausgestattet worden sein könnten: Schreiben von Kurt Pfuhl an Reinhold von Sengbusch, datiert 17. Dezember 1965, AMPG, II 066 2121 m1 0158.

[4] Fotos: Maurice Weiss.

[5] Peter J. Bräunlein, Material Turn, in: Georg-August-Universität Göttingen (Hrsg.), Dinge des Wissens. Die Sammlungen, Museen und Gärten der Universität Göttingen, Göttingen: Wallstein Verlag 2012, 30-44, 31.

[6] Bräunlein, (Fn. 5), 31.

[7] Andreas Ludwig, Materielle Kultur, Version: 2.0, Docupedia-Zeitgeschichte, 01.10.2020.

[8] Daniel Ricardo Quiroga-Villamarìn, Beyond Texts? Towards a Material Turn in the Theory and History of International Law, JHIL 23 (2021), 466-500, 467, 470; Jessie Hohmann, The Lives of Objects, in: Jessie Hohmann, Daniel Joyce (Hrsg.), International Law’s Objects, Oxford: Oxford University Press 2018, 30-46, 34; Carl Landauer, The Stuff of International Law, EJIL 32 (2021), 1049-1077, 1052.

[9] Ludwig, (Fn. 7).

[10] Judy Attfield, Wild Things. The Material Culture of Everyday Life, Oxford: Bloombury 2000, 3.

[11] Marie-Luise Baum, Walther Wolff (1887-1966), in: Marie-Luise Baum (Hrsg.): Wuppertaler Biographien, Folge 6 (= Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde des Wuppertals, Bd. 14), Wuppertal: Polyphen 1966, 123-131, 124-125; Hertha Schwarz, Eintrag „Wolff, Walther“, in: Andreas Beyer/Bénédicte Savoy/Wolf Tegethoff (Hrsg.), Allgemeines Künstlerlexikon, Berlin: K. G. Saur 2022.

[12] Baum (Fn. 11), 127; Marie-Luise Baum, Blick auf ein erfülltes Werk. Der Bildhauer Walther Wolff-Ossiach wird 75 Jahre alt, Unsere Bergische Heimat 11 (1962), o. S.

[13] Baum, (Fn. 11), 128.

[14] Hans Wille, Der Bildhauer Walther Wolff, Romerike Berge 11 (1962), 129-135, 130.

[15] Baum, (Fn. 11), 130.

[16] Baum, (Fn. 11), 130.

[17] Wille (Fn. 14), 133.

[18] Foto: GDK 1939 35 02, Jaeger und Goergen, 1939, Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek.

[19] Werner Rittich, Monumentale Bildplastik, Die Kunst im Dritten Reich 2 (1938), 16-23, 21-22.

[20] Andreas Domann, „Führer aller schaffenden Musiker“. Paul Graener als nationalsozialistischer Kulturpolitiker, in: Albrecht Riethmüller/Michael Custodis (Hrsg.), Die Reichsmusikkammer. Kunst im Bann der Nazi-Diktatur, Köln: Böhlau 2015, 69-86; Ernst Waeltner, Gieseking, Walter Wilhelm, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 6, Berlin: Dunker und Humblot 1964, 384-385; Jörg Osterloh, „Ausschaltung der Juden und des jüdischen Geistes“. Nationalsozialistische Kulturpolitik 1920-1945, Frankfurt am Main: Campus Verlag 2020, 553.

[21] Katalog Große Deutsche Kunstausstellung 1939. Im Haus der Deutschen Kunst zu München, München: Knorr & Hirth 1939, 93; Katalog Große Deutsche Kunstausstellung 1942 im Haus der Deutschen Kunst zu München, München: Bruckmann Verlag 1942, 80.

[22] Schwarz (Fn. 11); Sammlung Deutsches Historisches Museum Berlin, Metallplatte: Porträt Adolf Hitler.

[23] Claudia Schmölders, Hitlers Gesicht. Eine physiognomische Biographie, München: C. H. Beck 2000, 129; Patrick Rößler, Exil daheim. Die neue Linie und der braune Geist – Beobachtungen zur Avantgarde im Nazi-Deutschland, in: Markus Behmer (Hrsg.), Deutsche Publizistik im Exil 1933 bis 1945. Personen – Positionen – Perspektiven, Münster: LIT Verlag 2000, 261-281.

[24] Schwarz (Fn. 11).

[25] Joachim Stephan Hohmann, Bauern-, Krieger-, Führertum – Abbildungen im faschistischen Deutschlesebuch, in: Joachim Stephan Hohmann (Hrsg.), Erster Weltkrieg und nationalsozialistische „Bewegung“ im deutschen Lesebuch 1933–1945, Frankfurt am Main: Peter Lang 1988, 161-165, 165

[26] Björn Thomann, Arno Breker, Internetportal Rheinische Geschichte.

[27] Foto: MPIL.

[28] Bruno E. Werner, Die Deutsche Plastik der Gegenwart, Berlin: Rembrandt-Verlag 1940, 65.

[29] Katalog Große Deutsche Kunstausstellung 1939 (Fn. 21), 93.

[30] Robert Thoms, Die Künstler der Großen Deutschen Kunstausstellung München 1937-1944. Gesamtverzeichnis, Berlin: Neuhaus Verlag 2018, 252. Leider ist der Aufstellung nicht zu entnehmen, mit welchen Werken Wolff vertreten war.

[31] Dieter Hoffmann, Max Planck. Die Entstehung der modernen Physik, München: C. H. Beck 2008, 87.

[32] Diese Einstellung Plancks zum „Dritten Reich“ gilt für viele führende Akteure der Wissenschaft, vgl. Rüdiger Hachtmann, Das Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 1924 bis 1945, MPIL100.de.

[33] Bild: gemeinfrei.

[34] Schreiben von Hans Seeliger an das MPI für Eiweiß- und Lederforschung, datiert 27.04.1957, AMPG, II 066 1066 m1 0240.

[35] Eintrag „Philipp Heinrich Hörlein“, Wollheim-Memorial.de.

[36] Helmut Maier, Chemiker im „Dritten Reich“. Die Deutsche Chemische Gesellschaft und der Verein Deutscher Chemiker im NS-Herrschaftsapparat, Weinheim: Wiley VCH-Verlag 2015, 79.

[37] Eintrag „Philipp Heinrich Hörlein“ (Fn. 35); Helmut Maier, Forschung als Waffe. Rüstungsforschung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung 1900-1945/48, Göttingen: Wallstein 2007, 448; Florian Schmaltz, Kampfstoffforschung im Nationalsozialismus. Zur Kooperation von Kaiser-Wilhelm-Instituten, Militär und Industrie, Göttingen: Wallstein, 437-447.

[38] Maren Zummersch, Heinrich Hörlein (1882-1954). Wissenschaftler, Manager und Netzwerker in der pharmazeutischen Industrie. Eine Schlüsselfigur der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung bei Bayer, Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2019, 285.

[39] Eintrag „Philipp Heinrich Hörlein“, (Fn. 35).

[40] Plädoyer Hörlein, zitiert nach: Zummersch (Fn. 38), 302.

[41] Wolfgang Schieder, Spitzenforschung und Politik. Adolf Butenandt in der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“, in: Wolfgang Schieder/Achim Tunk (Hrsg.), Adolf Butenandt und die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Wissenschaft, Industrie und Politik im „Dritten Reich“, Göttingen: Wallstein 2004, 23-77, 73; Michael Schüring, Minervas verstoßene Kinder. Vertriebene Wissenschaftler und die Vergangenheitspolitik der Max-Planck-Gesellschaft, Göttingen: Wallstein 2006, 271.

[42] Zugleich sollte die Umbenennung auch eine Abkehr vom deutschen Militarismus und Nationalismus darstellen, wie ihn Wilhelm II. verkörperte und der auch die KWG in die aktive Unterstützung zweier Weltkriege und des „Dritten Reiches“ geführt hatte.

[43] Zitiert nach: Hubert Markl, Zum Geleit, in: Eckhart Henning (Hrsg.), Max Planck (1858-1947). Zum Gedenken an seinen 50. Todestag am 4. Oktober 1997, München: Max-Planck-Gesellschaft 1997, 7-9, 8.

[44] Einen Einblick in die umfangreiche Büsten-Sammlung, die neben Walther Wolff auch Büsten weiterer politisch belasteter, wie unbelasteter Künstler enthält, findet sich bei Beck, (Fn. 3), 284-289.

[45] Schreiben von Otto Benecke an Kurt Glässing, datiert 16.10.1956, AMPG, II 066 3659 m1 0088.

[46] Foto: AMPG, VI. Abt., Rep. 1, Nr. Markl, Hubert I/76.B

[47] Neben dem MPIL haben mindestens weitere fünf MPIs einen Abguss der Max-Planck-Büste Walther Wolffs von 1939 erhalten: Schreiben von Hans Seeliger an das MPI für Eiweiß- und Lederforschung, datiert 27.04.1957, AMPG, II 066 1066 m1 0240.

[48] Entwurf Rede Otto Hahn zur Einweihung des Neubaus in Heidelberg am 25.06.1954, AMPG, II 066 4510 m2 0060.

[49] Fotos 1 und 2: Fotosammlung Hausarchiv MPIL; Foto 3: Susanne Uebele, Institute im Bild, Teil II. Bauten der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Berlin: Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft 1998, 255.

[50] Hierzu sei auf den noch erscheinenden Beitrag zur Stauffenberg-Büste verwiesen.

[51] Das Bild Max Plancks im „Dritten Reich“ wurde von Seiten der MPG jedoch zugleich immer wieder gegen kritische Wertungen energisch verteidigt und weiterhin stilisiert, vgl: Beck, (Fn. 3); Eckhart Henning (Hrsg.), Max Planck (1858-1947). Zum Gedenken an seinen 50. Todestag am 4. Oktober 1997, München: Max-Planck-Gesellschaft 1997.

[52] Persönliche Mitteilung Gerda Wallenwein, langjährige Mitarbeiterin und Verwaltungsleiterin, an den Verfasser.

[53] Foto: MPIL.

English

Upon entering the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law (MPIL), one is immediately confronted by three artworks in the foyer. To the left: a large triptych by H. D. Tylle, measuring 6.3 x 2.3 metres, titled Der 9. November 1989 in Deuna, am Morgen danach(the title translates to: “9 November 1989 in Deuna, the Morning After”); to the right: two bronze busts. The first depicts the namesake of both the institute and the wider research association, renowned physicist and Nobel laureate Max Planck (1858-1947), the second portrays the resistance fighter and former institute member Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944). While Tylle’s painting addresses the fall of the Berlin Wall and German reunification – a subject that dominated the Institute’s agenda for over 40 years – the busts pay homage to two figures integral to the institutional memory and identity of the Max Planck Society (MPG). All three artworks are aligned along a visual axis, visible, much like in a showcase, even from outside the institute through the floor-to-ceiling windows. Although the history of the placement of these works in the foyer may initially seem rather coincidental, they are interrelated both thematically and formally, quoting each other, not least in terms of genre: The left panel of Tylle’s triptych features a bust. It is a larger-than-life bust of Vladimir Ilyich Lenin, displaced and turned into scrap metal in the backyard of a real estate company, overgrown by the weeds of disregard.

The MPIL Foyer. Left: The painting by H.D. Tylle; right: the busts of Max Planck and Berthold von Stauffenberg[1]

Thus, the entrance area of the MPIL serves as a snapshot of German history, at least as conceived of by the Institute and the MPG. The works span a wide range – from a deposed hero of the defeated socialist ideology to historical figures emblematic of the Institute and the MPG.[2] Situated between these two extremes of German history is the politically and ideologically uncontroversial figure of Max Planck – a physicist who had little, if anything, to do with the MPIL’s field of activity. Between 1930 and 1937, and again from 1945 to 1946, Planck served as President of the Kaiser Wilhelm Society (Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, KWG), within which the Institute was established in 1924. Following its re-establishment in 1948, Planck became the namesake of the research organisation. Nearly all of the 84 institutes possess a bust of Planck, many of which, including the one at the MPIL, are casts of the original bust by Walther Wolff.[3] Max Planck is not only known as one of Germany’s most distinguished scientists; he was also a highly influential scientific manager. His provisional re‑assumption of the presidency in 1945 signalled personnel and ideological continuity with the KWG’s pre-war activities. At the same time, the renaming of the research association , which the British had made a basic condition for its continuation, made it clear that the association wanted to distance itself from the Prussian militarism that Kaiser Wilhelm II had stood for. The Max Planck bust thus represents the ideal of “pure research”, integrity and scientific excellence.

The busts of Max Planck and Berthold von Stauffenberg at the MPIL, photographed in 2024 with heavy flash: no aestheticizing shadowing, but a documentary mode of representation; right: bust of Lenin, detail of the picture by H.D. Tylle[4]

However, the bust, its creator, and the subject it portrays exist within a complex historical context that has largely faded from collective memory. This contribution aims to cast new light on an old and far too frequently overlooked object: the Max Planck bust. Using the bust as an art piece as an example, it seeks to illuminate some aspects of the historical self-conception of the institute and the MPG, as well as the continuity of scientific networks across the ruptures of recent German history.

“Thinking through Things” Object Biography and the “Material Turn” 

Objects, especially works of art, serve a social and symbolic function. In the so-called “material‑focused sciences” like archaeology, ethnology, and art history, objects, in the sense of artefacts, are considered historical documents on par with texts.[5] Following the “linguistic turn”, the “material turn” of the 1980s elevated “objects to indispensable tools of knowledge”[6]. In history and literary studies, the concept of “thinking through things” remains controversial but has become nearly indispensable.[7] International law, too, has since sought to harness this approach.[8]

The “material turn” has highlighted the centrality of the relationship between humans and objects, which constitutes culture.[9] Since objects are inextricably linked with the people who surround themselves with them, they can act as mirrors or projections of values, historical narratives, and self‑perceptions. According to Judy Attfield, objects also have their own biography, which emerges from their material history, production, and usage, as well as the changing meanings attributed to them over time.[10] In the case of a bust as an artwork, its interpretation and the meaning attributed to it is shaped by the interplay of the subject depicted, the mode of representation, the choice of material, and the aesthetic choices that have been made. Additionally, external factors, such as the “genealogy” of owners or the condition of the material, provide insights into the use, placement, and treatment of the art piece.

All of this can be applied to the Max Planck bust, which can be understood as an object of the history of the Institute and the German scientific landscape more broadly. Its placement, presentation, and integration (or lack thereof) into the daily life of the Institute offer insights into the evolution of the institution’s historical self-perception and that of the research association to which it belongs. But what exactly does the Max Planck bust reveal about itself and, more importantly, about those who installed it?

“Working Par Coeur”. Walther Wolff Between Impressionism and Classicism 

The sculptor who created the Max Planck bust, Walther Wolff (1887-1966), has largely faded into obscurity. Wolff’s work is characterised by a wide range in style but also by its political and ideological adaption to the expectations of the time. Born into a wealthy industrialist family in Elberfeld,[11] Wolff studied painting and sculpture in Munich before living in Paris from 1910 to 1912, where he met Auguste Rodin, with whom he developed a close friendship, as well as with Aristide Maillol and Henri Matisse.[12] Wolff was also deeply influenced by Cézanne, van Gogh, Gauguin, Munch, Picasso, and Braque, whose works he avidly absorbed in Paris. In 1912, Wolff accepted an invitation from the neo-classical sculptor Louis Tuaillon to study as a master pupil in Berlin. This marked the beginning of Wolff’s lifelong struggle between the “pleasure of spontaneously seizing and setting the form without smoothing it out,” as he had learned from Rodin, and the academic rigour and “formal perfection” imparted by Tuaillon and Georg Kolbe at the Berlin Academy of Fine Arts.[13]

Wolff’s artistic career took off after the First World War, when he gained recognition for his portrait heads of artists and industrialists. His large-scale war memorials, which were installed in various soldiers’ cemeteries, also garnered significant attention. Wolff’s monuments adhere to a neo‑classical style, oscillating between an aestheticization of the war hero, akin to motives of classical antiquity, and an unadorned portrayal of death, mourning, and suffering. His busts, on the other hand, are impressionistic works.[14]

Wolff’s creative process, which he described as “working par coeur”, was characterised by spontaneity and speed.[15] For his busts, he prepared sketches, either from models or from memory, after which he shaped his clay heads, which were then cast in bronze.[16] If a clay head did not turn out as imagined on the first attempt, Wolff would not rework it but start afresh. According to art historian Hans Wille, Wolff’s work was defined by a “rejection of anything smoothed or polished, of a superficial harmony” which remarkably expressed the individuality of the subjects and the sculptor’s “psychological penetration” of them.[17]

“Proponent of Dutiful Art”: Walther Wolff Under National Socialism 

>Die Max-Planck-Büste auf der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ 1939 (rot umrandet)[18]

Yet, Wolff’s ability to capture the essence of his subjects was not only praised by post-war art critics but also by the Nazi regime.[19] After all, from 1933 onwards, Wolff enthusiastically and successfully portrayed leading figures of the völkisch-artistic avant-garde of the so-called “Third Reich”, including Alfred Cortot, Walter Gieseking, Wilhelm Furtwängler, and Paul Graener. Both Furtwängler, a conductor, and Graener, a pianist, were among the 1,000 cultural figures deemed indispensable to the Nazi ideology and listed in Joseph Goebbels’ 1944 “God-gifted list” (Gottbegnadeten-Liste, also known as “Important Artist Exempt List”).[20] However, Wolff did not limit himself to portraying artists; he also created portraits of Nazi politicians such as the leader of the German Labour Front (Deutsche Arbeitsfront) Robert Ley and the leader of the Sturmabteilung (SA) Viktor Lutze.[21] In 1933, Wolff produced the “Honor Plaque of the Führer” (Ehrenplakette des Führers) which featured Hitler’s likeness and was circulated for propaganda purposes.[22] Additionally, Wolff sculpted busts of Adolf Hitler and Hermann Göring,[23] with the former being used in official Nazi propaganda and included in school textbooks for youth indoctrination. The Allgemeines Künstlerlexikon (title translates to: “General Encyclopaedia of Artists”) identifies Wolff as one of the leading artists of the “Third Reich”, noting that his works “were among the most famous Führer busts, alongside those of Arno Breker, and helped shape Hitler’s public image iconographically.”[24] Similarly, sociologist Joachim S. Hohmann does not shy away either from comparing Wolff to “Hitler’s court artist” Arno Breker:

“Breker and Wolff both sought to capture an expression of prophetic seriousness and supernatural decisiveness – only the darkened gaze in Breker’s work and the exaggerated eye area in Wolff’s piece show that both exponents of dutiful art aimed for not merely a naturalistic depiction of Hitler, but sought to show their commitment to highlighting the Führer-personality.”[25]

However, unlike Wolff, Breker adhered to a classical ideal of beauty. With his monumental sculptures and figures embodying and propagating the “Aryan” ideal, Breker achieved an unprecedented success on the National Socialist art market.[26] Wolff could not compete with this: Although his busts demonstrated his support of the regime through his art, he did not embrace völkisch aesthetics. Instead, he retained his impressionistic style, albeit at times in in a diluted form, which secured him great recognition in the “Third Reich”, but not a leading role in the art world.

Detail view of the bust[27]

The bronze bust of Max Planck created by Wolff can be seen as emblematic of the sculptor’s complex position in the Nazi art scene. It was produced in 1939. Little is known about the circumstances of its creation; it remains unclear whether the bust was commissioned and whether Wolff, as with many of his works, crafted it from memory or whether Max Planck sat for the portrait. In any case, the portrayal of Planck, too, is impressionistic: Its surface is rough, clearly emphasising the advanced age of the subject, who was already an octogenarian at the time. The bust received high praise from National Socialist art critics for showcasing “the strong empathetic ability of the artist, who makes the spiritual and mental momentum of the subject visible through his inwardness [Innerlichkeit].”[28] The bust’s inclusion in the 1939 Great German Art Exhibition (Große Deutsche Kunstausstellung), alongside the bust of Robert Ley, attests to its perceived significance.[29] The Great German Art Exhibition, held annually in Munich from 1937 to 1944, can be considered the most important National Socialist art event. Wolff’s work was featured in the exhibition in 1937, 1939, 1942, and 1943.[30]

Max Planck was not a devotee of Nazi ideology. However, the 1918 Nobel laureate did remain loyal to the regime for a long time and was viewed by it as a figurehead of German scientific excellence. As President of the KWG, Planck went along with almost all of the Nazi regime’s anti-Semitic and anti‑democratic purges within the KWG after 1933, albeit without great personal conviction.[31] By the late 1930s, like many intellectuals, he grew more critical of the “Third Reich”, but did not seek to distance himself from it. On the contrary, Planck remained loyal to the regime, even after the end of his term in 1938.[32]

“For the Honour of German Science”. The Donor Heinrich Hörlein

Heinrich Hörlein as a defendant in the IG Farben Trial, ca. 1948[33]

The Planck bust was acquired, likely following the 1939 Great German Art Exhibition, by the chemist Heinrich Hörlein (1882-1954).[34] Hörlein was far from an unknown figure in the “Third Reich”. A member of the management board of German chemical and pharmaceutical conglomerate IG Farben, he joined the National Socialist Party in 1933 and was appointed Wehrwirtschaftsführer (a title given to business executives of companies central to the war effort, giving them quasi-military status) in 1941.[35] As head of the IG Farben plant in Elberfeld from 1933 to 1941, Hörlein was responsible for the development of chemical weapons, particularly the nerve gases tabun and sarin. He was also a member of the supervisory board of the Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung (roughly: “German Corporation for Pest Control”, also known as “Degesch”), which produced the infamous pesticide Zyklon B.[36] As a senator (from 1937), he held high honorary positions within the KWG: From 1937 to 1941, he served as its deputy- and first treasurer and as a member of the administrative committee of the Kaiser Wilhelm Institute for Chemistry.[37] In 1945, he was arrested by the Americans and, two years later, charged in the IG Farben Trial with the planning and preparation of a war of aggression, plundering and spoliation of public and private property, slavery and mass murder, as well as participating in the conduction of criminal medical experiments, and conspiracy to commit crimes against peace. However, he was acquitted,[38] as it could not be proven that he was aware of the use of Zyklon B for the purpose of mass murder in the Shoah or the medical experiments in concentration camps.[39] Hörlein himself saw his prosecution as unjust, declaring in his closing statement that he had always worked “for humanity, for the honour of German science”.[40] He received prominent support during the trial from the then-president of the KWG Otto Hahn and Nobel laureate Adolf Butenandt, who would later go on to become KWG President himself. They attested to Hörlein’s commitment to apolitical basic research.[41] After 1948, Hörlein once again became a senator of the association, which had since been re-established as MPG and, on the occasion of his 70th birthday in 1952, gifted it with the Planck bust.

A Cult Object? The Max Planck Bust in the MPG and the MPIL 

However, neither the creator, nor the donor of the bust, but rather its subject, has been the focal point of its perception. Max Planck had not compromised himself during the “Third Reich”, enjoyed high esteem in Germany and abroad, and represented an important personnel and intellectual continuity with the pre-war period.[42] This was also the view of the British occupation authorities, which, as Otto Hahn noted in 1946, were “very happy” with the choice of Planck: “They also recommend the instalment of a bust of Planck, should one be available.”[43]

Busts of Max Planck would soon abound in the MPG. Already during his lifetime, Planck had achieved a somewhat pop cultural status and was immortalised by numerous artists in paintings, as well as bronze and marble busts, many of which were donated to the MPG.[44] However, it was Walther Wolff’s bust in particular that became one of the “cult objects” within the research association. The original was placed in the MPG President’s office in Göttingen, and, until the 2000s, it was customarily displayed at the MPG’s General Assemblies.[45]

Hubert Markl, President of the MPG from 1996 to 2002, at the MPG General Assembly with the Max Planck Bust by Walther Wolff, undated photograph[46] 

Until the mid-1960s, casts of Wolff’s bust were presented by the General Administration to newly and re-established institutes at ceremonial events.[47] The Heidelberg Institute received its bust (a 1951 cast) in 1954, during the official opening of its new building. Then-president of the MPG Otto Hahn handed the bust to the then-director of the institute Carl Bilfinger with the following words:

“The Max Planck Society presents the Institute, on the occasion of its inauguration, with the bust of our highly esteemed Max Planck – created by the master hand of sculptor Walther Wolff – of the great scholar and man Max Planck, who was our president and whose name we are honoured to bear.”[48]

The bust in the old institute building: Otto Hahn and Carl Bilfinger at the inauguration of the new institute building, 25 June 1954; the bust in the institute’s staircase, 1954 and 1971[49] 

The bust was given a prime position in the stairway near the main entrance of the old institute building on Berliner Straße, in contrast to the bust of Berthold von Stauffenberg, which then-director Hermann Mosler initially, due to the political controversy surrounding Stauffenberg at the time, did not want to place in the Institute at all, and only eventually placed in a far-off spot on the second floor in 1975.[50] Max Planck, however, was seen as an apolitical figure – a perception that was not limited to the Institute, of course. Planck’s significance as an intellectual reference figure and as a model of political and moral integrity remains largely unchallenged within the MPG until today, although critical, historically contextualising perspectives on Planck’s role have become more prominent, especially since the Presidential Commission on the History of the KWG in the National Socialist Era, which was active from 1999 to 2005.[51]

For the MPIL itself, Planck, as a physicist, is of indirect significance, embodying first and foremost the commitment to scientific excellence and neutrality upheld by the Institute. Yet, Planck’s spatial centrality was preserved during the move to the current institute building on the Neuenheimer Feld campus in 1996 and even after the remodelling of the entrance area. Nevertheless, the bust’s integration into the institute’s daily life has changed. According to contemporary witnesses, Institute celebrations in the old building on Berliner Straße often concluded late at night, with staff and guests singing together, gathered around the Planck bust in the staircase.[52] In the new building as well, the bust, located, until the renovation, in the library loan area near the main entrance, was deeply integrated into the daily life of the library, “watching over” the library staff, visitors, and books.

The Max Planck Bust in the library loan area of the former main entrance, with librarians Dana Zatopkowa and Anna Lamparter, ca. 2010[53]

Today, the bust still holds a central place in the Institute, but its visibility seems to have diminished. The spatial conditions are less conducive to informal gatherings around the bust, and many international guests do not recognise the bronze head or make the connection to the physicist Planck and at Institute conducting legal research. Compared to the monumental triptych by H.D. Tylle, the bust appears quite modest. It is often overshadowed by the much younger (and more attractively idealised) Stauffenberg, who’s bust is, unlike that of Planck, labelled by name, but is nevertheless often mistaken for a depiction of the much more famous Claus von Stauffenberg. The new arrangement of the two busts gives that of Max Planck a new interpretative context (at least for those familiar with history): Planck’s son Erwin (1893-1945), like Berthold von Stauffenberg, was involved in the 20 July 1944 resistance movement and was murdered by the Nazis in January 1945.

Nevertheless, despite its diminished visibility, the Planck bust remains central. Every guest, every staff member, passes by Max Planck multiple times a day, when entering the institute in the morning, leaving in the evening, or attending the Monday and Tuesday meetings in conference rooms 037/038. Furthermore, the foyer is also a common meeting point for going to lunch in the university canteen among institute members and visiting researchers. While waiting for colleagues, one inevitably finds oneself standing alongside Max Planck. Eventually, one notices the bronze head and cannot help but wonder: Who is that?

Final Thoughts

Walther Wolff’s bust is situated in a complex historical field of tension. Formally tied in with late 19th century impressionism, it depicts the theoretical physicist Max Planck, a supposedly apolitical scientist who is perceived as a moral role model and representative of German top-level research. The bust itself provides little information about the historically charged conditions of its creation during the “Third Reich”, its reception by National Socialist art critics, and the circumstances surrounding its donation to the MPG. One finding that can be derived from reflecting on the artwork, is that the Nobel laureate Planck was widely accepted as a reference point for scientific rigor, excellence, and objectivity in the German Empire, the Weimar Republic, the “Third Reich”, and the Federal Republic of Germany, despite all ruptures of recent German history. The fact that the MPG commissioned casts of the busts and distributed them in its institutes in the 1950s, despite the artist’s entanglement with National Socialism, is an expression of the social ambivalences and the mode of self-perception of the early post-war period. Wolff’s service to the regime was seen as equally negligible as that of the majority of KWG researchers who had acted in a similar way a few years before. The history of the bust thus provides insights into (scientific) networks, as well as aesthetic preferences and self-images within the German elite, especially within the MPG.

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Photos: MPIL.

[2] The complex and changing history of the perception of Berthold von Stauffenberg and the resistance movement of 20 July 1944 from ‘traitors to the fatherland’ in the 1950s to glorified heroes cannot be detailed here. A separate blog post on this by the author is in preparation. On the relationship of the legal research KWI with German resistance: Rolf-Ulrich Kunze, Niche or Relay? The “Sister” KWI for Comparative and International Private Law, 1933 to 1939, with a View to the KWI for Comparative Public Law and International Law, MPIL100.de.

[3] However, not all busts in the possession of the MPG and its institutes are by Walther Wolff: Lorenz Friedrich Beck (ed.), Max Planck und die Max-Planck-Gesellschaft. Zum 150. Geburtstag am 23. April 2008 aus den Quellen, Berlin: Archiv der Max-Planck-Gesellschaft 2008, 219, 287-289. The Max Planck bust of Walther Wolff was verifiably presented to the MPI for Stratosphere and Ionosphere Physics, the MPI of Biochemistry, the MPI for Medical Research, the MPI for Protein and Leather Research, the MPI for Comparative and International Private Law and the MPI for Spectroscopy, see: letter from Otto Benecke to Walter Dieminger, dated 19 August 1957, AMPG, II 066 0042 0146; letter from Hans Seeliger to Adolf Butenandt, dated 18 June 1957, AMPG, II 066 0619 m2 0201; description of the Institute for Medical Research, AMPG, II 066 1066 m1 0157; letter from Hans Seeliger to the MPI for Protein and Leather Research, dated 27 April 1957, AMPG, II 066 1066 m1 0240; letter from Otto Benecke to Kurt Glässing, dated 16 October 1956, AMPG, II 066 3659 m1 0088; file note from Adolf Butenandt, dated 02 May 1966, AMPG, II 066 4100 0016. A letter from Kurt Pfuhl suggests that even more MPIs have been furnished with busts by Walther Wolff by the mid-1960s: Letter from Kurt Pfuhl to Reinhold von Sengbusch, dated 17 December 1965, AMPG, II 066 2121 m1 0158.

[4] Photos: Maurice Weiss.

[5] Peter J. Bräunlein, Material Turn, in: Georg-August-Universität Göttingen (ed.), Dinge des Wissens. Die Sammlungen, Museen und Gärten der Universität Göttingen, Göttingen: Wallstein Verlag 2012, 30-44, 31.

[6] Bräunlein, (fn. 5), 31. This and all following direct quotes from German sources have been translated by the editor.

[7] Andreas Ludwig, Materielle Kultur, Version: 2.0, Docupedia-Zeitgeschichte, 01.10.2020.

[8] Daniel Ricardo Quiroga-Villamarìn, Beyond Texts? Towards a Material Turn in the Theory and History of International Law, JHIL 23 (2021), 466-500, 467, 470; Jessie Hohmann, The Lives of Objects, in: Jessie Hohmann, Daniel Joyce (eds.), International Law’s Objects, Oxford: Oxford University Press 2018, 30-46, 34; Carl Landauer, The Stuff of International Law, EJIL 32 (2021), 1049-1077, 1052.

[9] Ludwig, (fn. 7).

[10] Judy Attfield, Wild Things. The Material Culture of Everyday Life, Oxford: Bloombury 2000, 3.

[11] Marie-Luise Baum, Walther Wolff (1887-1966), in: Marie-Luise Baum (ed.): Wuppertaler Biographien, Folge [Volume] 6 (= Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde des Wuppertals, Vol. 14), Wuppertal: Polyphen 1966, 123-131, 124-125; Hertha Schwarz, Entry „Wolff, Walther“, in: Andreas Beyer/Bénédicte Savoy/Wolf Tegethoff (eds.), Allgemeines Künstlerlexikon, Berlin: K. G. Saur 2022.

[12] Baum (fn. 11), 127; Marie-Luise Baum, Blick auf ein erfülltes Werk. Der Bildhauer Walther Wolff-Ossiach wird 75 Jahre alt, Unsere Bergische Heimat 11 (1962), o. S.

[13] Baum (fn. 11), 128.

[14] Hans Wille, Der Bildhauer Walther Wolff, Romerike Berge 11 (1962), 129-135, 130.

[15] Baum (fn. 11), 130.

[16] Baum (fn. 11), 130.

[17] Baum (fn. 11), 133.

[18] Photo: GDK 1939 35 02, Jaeger und Goergen, 1939, Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Photothek.

[19] Werner Rittich, Monumentale Bildplastik, Die Kunst im Dritten Reich 2 (1938), 16-23, 21-22.

[20] Andreas Domann, „Führer aller schaffenden Musiker“. Paul Graener als nationalsozialistischer Kulturpolitiker, in: Albrecht Riethmüller/Michael Custodis (eds.), Die Reichsmusikkammer. Kunst im Bann der Nazi-Diktatur, Cologne: Böhlau 2015, 69-86; Ernst Waeltner, Gieseking, Walter Wilhelm, in: Neue Deutsche Biographie, Vol. 6, Berlin: Dunker und Humblot 1964, 384-385; Jörg Osterloh, „Ausschaltung der Juden und des jüdischen Geistes“. Nationalsozialistische Kulturpolitik 1920-1945, Frankfurt am Main: Campus Verlag 2020, 553.

[21] Katalog Große Deutsche Kunstausstellung 1939. Im Haus der Deutschen Kunst zu München, Munich: Knorr & Hirth 1939, 93; Katalog Große Deutsche Kunstausstellung 1942 im Haus der Deutschen Kunst zu München, Munich: Bruckmann Verlag 1942, 80.

[22] Schwarz (fn. 11); Sammlung Deutsches Historisches Museum Berlin, Metallplatte: Porträt Adolf Hitler.

[23] Claudia Schmölders, Hitlers Gesicht. Eine physiognomische Biographie, Munich: C. H. Beck 2000, 129; Patrick Rößler, Exil daheim. Die neue Linie und der braune Geist – Beobachtungen zur Avantgarde im Nazi-Deutschland, in: Markus Behmer (ed.), Deutsche Publizistik im Exil 1933 bis 1945. Personen – Positionen – Perspektiven, Münster: LIT Verlag 2000, 261-281.

[24] Schwarz (fn. 11); translation and italics added by the editor.

[25] Joachim Stephan Hohmann, Bauern-, Krieger-, Führertum – Abbildungen im faschistischen Deutschlesebuch, in: Joachim Stephan Hohmann (ed.), Erster Weltkrieg und nationalsozialistische „Bewegung“ im deutschen Lesebuch 1933–1945, Frankfurt am Main: Peter Lang 1988, 161-165, 165

[26] Björn Thomann, Arno Breker, Internetportal Rheinische Geschichte.

[27] Photo: MPIL.

[28] Bruno E. Werner, Die Deutsche Plastik der Gegenwart, Berlin: Rembrandt-Verlag 1940, 65.

[29] Katalog Große Deutsche Kunstausstellung 1939 (fn. 21), 93.

[30] Robert Thoms, Die Künstler der Großen Deutschen Kunstausstellung München 1937-1944. Gesamtverzeichnis, Berlin: Neuhaus Verlag 2018, 252. Unfortunately, it is not clear from the list which works Wolff was represented with.

[31] Dieter Hoffmann, Max Planck. Die Entstehung der modernen Physik, Munich: C. H. Beck 2008, 87.

[32] Planck’s attitude towards the “Third Reich” applies to many leading figures in science, see: Rüdiger Hachtmann, The Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law 1924 to 1945, MPIL100.de.

[33] Photo: Public Domain.

[34] Letter by Hans Seeliger to the MPI for Protein and Leather Research, dated 27.04.1957, AMPG, II 066 1066 m1 0240.

[35] Entry „Philipp Heinrich Hörlein“, Wollheim-Memorial.de.

[36] Helmut Maier, Chemiker im „Dritten Reich“. Die Deutsche Chemische Gesellschaft und der Verein Deutscher Chemiker im NS-Herrschaftsapparat, Weinheim: Wiley VCH-Verlag 2015, 79.

[37] Entry „Philipp Heinrich Hörlein“ (fn. 35); Helmut Maier, Forschung als Waffe. Rüstungsforschung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung 1900-1945/48, Göttingen: Wallstein 2007, 448; Florian Schmaltz, Kampfstoffforschung im Nationalsozialismus. Zur Kooperation von Kaiser-Wilhelm-Instituten, Militär und Industrie, Göttingen: Wallstein, 437-447.

[38] Maren Zummersch, Heinrich Hörlein (1882-1954). Wissenschaftler, Manager und Netzwerker in der pharmazeutischen Industrie. Eine Schlüsselfigur der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung bei Bayer, Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2019, 285.

[39] Entry „Philipp Heinrich Hörlein“ (fn. 35).

[40] Pleading by Hörlein, cited after: Zummersch (fn. 38), 302.

[41] Wolfgang Schieder, Spitzenforschung und Politik. Adolf Butenandt in der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“, in: Wolfgang Schieder/Achim Tunk (eds), Adolf Butenandt und die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Wissenschaft, Industrie und Politik im „Dritten Reich“, Göttingen: Wallstein 2004, 23-77, 73; Michael Schüring, Minervas verstoßene Kinder. Vertriebene Wissenschaftler und die Vergangenheitspolitik der Max-Planck-Gesellschaft, Göttingen: Wallstein 2006, 271.

[42] At the same time, the renaming was also intended to represent a renunciation of German militarism and nationalism, as embodied by Wilhelm II, which had led the KWG to actively support two world wars and the “Third Reich”.

[43] Cited after: Hubert Markl, Zum Geleit, in: Eckhart Henning (ed.), Max Planck (1858-1947). Zum Gedenken an seinen 50. Todestag am 4. Oktober 1997, Munich: Max-Planck-Gesellschaft 1997, 7-9, 8.

[44] For an insight into the extensive collection of busts, which in addition to Walther Wolff also includes busts of other politically charged as well as uncharged artists, see Beck (fn. 3), 284-289.

[45] Letter from Otto Benecke to Kurt Glässing, dated 16.10.1956, AMPG, II 066 3659 m1 0088.

[46] Photo: AMPG, VI. Abt., Rep. 1, Nr. Markl, Hubert I/76.B.

[47] In addition to the MPIL, at least five other MPIs have received a cast of Walther Wolff’s Max Planck bust from 1939: Letter from Hans Seeliger to the MPI Protein and Leather Research, dated 27.04.1957, AMPG, II 066 1066 m1 0240.

[48] Draft speech by Otto Hahn on the occasion of the inauguration of the new institute building in Heidelberg on 25.06.1954, AMPG, II 066 4510 m2 0060.

[49] Photos 1 and 2: Photo collection, MPIL Archive; Photo 3: Susanne Uebele, Institute im Bild, Teil II. Bauten der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Berlin: Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft 1998, 255.

[50] On this, please refer to the forthcoming article on the Stauffenberg bust.

[51] At the same time, the MPG vigorously defended Max Planck’s image in the ‘Third Reich’ against critical assessments and continued to idealise it, see: Beck (fn. 3); Eckhart Henning (ed.), Max Planck (1858-1947). Zum Gedenken an seinen 50. Todestag am 4. Oktober 1997, Munich: Max-Planck-Gesellschaft 1997.

[52] Personal communication from Gerda Wallenwein, long-time employee and head of administration to the author.

[53] Photo: MPIL.

Von Völkerrecht und Diplomatie. Das Institut als Sprungbrett und Wegbegleiter im Auswärtigen Dienst

On International Law and Diplomacy. The Institute as a Stepping Stone and Patron in the Foreign Service

Deutsch

“Ihnen ist schon bewusst, dass Sie bei Ihrer Tätigkeit im Ausland nicht nur mit Wissenschaftlern und Professoren zu tun haben werden? Dass das tägliche Leben an Härteposten oder in Krisensituationen ganz anders aussehen kann?” Mit dieser Frage versuchte die Vorsitzende der Auswahlkommission für den 38. Attaché‑Lehrgang mich aus der Reserve zu locken.

Es war November 1982 und ich hatte erfolgreich die schriftliche Prüfung für die Aufnahme in den Höheren Auswärtigen Dienst hinter mich gebracht. Jetzt war der mündliche Teil dran, eine Woche mit jeder Menge Tests und Interviews in Bonn. In der ersten Begegnung mit der Auswahlkommission sollte ich meine Motivation erläutern und begründen, warum ich mich für den Auswärtigen Dienst geeignet sähe. Dabei verwies ich auch auf meine Erfahrungen bei internationalen wissenschaftlichen Konferenzen und mit ausländischen Gästen, die ich im Rahmen meiner langjährigen Tätigkeit am Max-Planck-Institut gemacht hatte.

Offensichtlich habe ich mich durch die Frage der Vorsitzenden nicht verunsichern lassen und konnte Anfang April 1983 mit der Attaché‑Ausbildung beginnen. Und dann entwickelte sich meine Karriere doch so, dass die in Aussicht gestellten Herausforderungen mir weitgehend erspart blieben und es, zu meiner großen Freude, immer wieder Gelegenheiten und Möglichkeiten gab, sowohl inhaltlicher wie vor allem persönlicher Art, an meine Zeit am Heidelberger Institut anzuknüpfen.

Die Dissertation am Institut. Prägend, jedoch nicht in Richtung Wissenschaft

Der Autor mit seiner Frau Dagmar Berg, sowie Norbert Wühler und Angela Scheuerbrandt, auf der Festveranstaltung zur Einführung von Karl Doehring und Jochen Abr. Frowein als Direktoren 1981[1]

Diese begann am 1. Juli 1975. Mit einem Prädikatsexamen ausgestattet und mit dem Wahlfach Völkerrecht/Europarecht hatte ich mich bei Professor Rudolf Bernhardt, einem der beiden Direktoren damals, um eine Promotion beworben. In unserem Gespräch verwies ich unter anderem auf meine Kenntnisse der skandinavischen Sprachen, die ich im Rahmen meiner Dissertation einbringen wollte. Professor Bernhardt schlug mir vor, mir den Nordischen Rat und den Nordischen Ministerrat als Thema vorzunehmen. Und bot mir, zu meiner Überraschung, eine Assistentenstelle an, mit dem Schwerpunkt Nordische Länder, die im Bereich der Rechtsvergleichung eine nicht unwichtige Rolle spielten.

Die Tätigkeit am Institut wurde für mich prägend. Aber im Laufe der Zeit musste ich mir eingestehen, dass ich für eine wissenschaftliche Karriere nicht wirklich prädestiniert war, von den damaligen beruflichen Aussichten einmal ganz abgesehen. Sicher gab es eine ganze Reihe von Veröffentlichungen zu den verschiedensten Themen, bei denen ich meine völkerrechtliche Qualifikation hatte nachweisen können. Aber allein das ständige Aufschieben der Dissertation war Indikator genug, auch an Alternativen zu denken.

Dass ich mit einer langjährigen Tätigkeit am Institut die besten Voraussetzungen für eine Bewerbung im Auswärtigen Amt mitbrachte, wurde mir erst nach und nach klar. Als ich irgendwann einmal Einblick in meine amtsinternen Bewerbungsakten nehmen konnte, fand ich es dann auch schwarz auf weiß bestätigt. Und im Institut hatte offensichtlich keiner wirkliche Zweifel gehabt, dass es klappen würde. Kaum, dass ich meine Bewerbung in den Briefkasten geworfen hatte, wurde ich schon vorgestellt: “Das ist Herr Berg, er geht demnächst nach Bonn zum Auswärtigen Amt.”

Von Heidelberg nach Peking. Beginn einer diplomatischen Karriere

Das frühere Institutsgebäude von der Berliner Straße aus gesehen, mit Blick auf den Bücherturm, 1972[2]

Was macht man mit einem ausgewiesenen Völkerrechtler, der noch nie in Asien war? Klar, er wird bei seinem ersten Posten als Wirtschaftsreferent an die Botschaft Peking versetzt. Und im Nachhinein hätte mir nichts Besseres passieren können. Alles war neu, ungewohnt, fremd. Die drei Jahre dort, von 1986 bis 1989, waren die beste Vorbereitung für spätere Posten. Lernen, Erfahrungen sammeln, sich auf Herausforderungen einstellen, flexibel bleiben, das stand im Vordergrund. Nicht nur für mich, sondern auch für die Familie, meine Frau mit den beiden Töchtern im Vorschulalter.

Schon damals war Peking ein viel frequentiertes Ziel deutscher Besucher aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Bundeskanzler Helmut Kohl, Außenminister Hans‑Dietrich Genscher und Verhandlungen zum Kraftwerkbau mit Siemens waren einige der Highlights. Auch der Wissenschaftsaustausch war rege. Und obwohl dies eigentlich nicht in meine Zuständigkeit fiel, wurde ich freundlicherweise zum Abendessen anlässlich des Aufenthalts einer Delegation des MPIL unter der Leitung meines Doktorvaters, Professor Bernhardt, eingeladen. Es war, ich werde es nicht vergessen, im traditionellen Peking-Ente-Restaurant. Der Besuch muss eine Folge der China-Reise gewesen sein, über die Robert Heuser auf diesem Blog berichtet hat.

Meine Freude war groß, gleich auf dem ersten Posten wieder die Verbindung zu meiner Tätigkeit am Heidelberger Institut aufzunehmen. Der für mich viel aufregendere Teil ergab sich aber erst anschließend. Professorin Sheng Yu von der Peking‑Universität, die Gastgeberin des Treffens, bat mich anschließend um ein Gespräch, informell und außerhalb des Botschaftsbetriebs, um meine Hilfe in einer völkerrechtswissenschaftlichen Angelegenheit zu erbitten. Es stellte ich heraus, dass ihr Institut damit begonnen hatte, bekannte völkerrechtliche Werke und Aufsätze aus dem Ausland ins Chinesische zu übersetzen. Für Deutschland war es die Festschrift für Hermann Mosler Völkerrecht als Rechtsordnung, internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte.[3]

Nun waren offensichtlich die Übersetzer dieser Arbeit, aus dem Deutschen ins Chinesische, weder Völkerrechtler noch mit den Feinheiten wissenschaftlichen Schreibens vertraut. Fußnoten, offizielle oder sprachliche Abkürzungen, Art und Weise des Zitierens, all dies, aber auch inhaltliche Fragen, verursachten immer wieder Probleme. So setzten wir, Professorin Sheng und ich, uns einen langen Nachmittag zusammen und ich versuchte, auf Englisch, die zahlreichen Fragen, die sie hatte, zu klären. Als Dankeschön gab es ein Abendessen bei ihr zuhause – das einzige Mal, dass ich in Peking privat eingeladen war.

Begegnungen am East River. New York als Karriere-Highlight früherer MPIL’ler

A room with a view. Arbeitsplatz des Autors im 40. Stockwerk in der damaligen Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen, um 1990[4]

Von Anfang an war es mein Wunsch gewesen, an eine unserer Vertretungen bei Internationalen Organisationen versetzt zu werden. Es war die multilaterale Diplomatie, die mich besonders reizte und ich konnte mir gut vorstellen, irgendwann vom Auswärtigen Dienst ins internationale Geschäft zu wechseln. Das Amt meinte es gut mit mir und schickte mich im April 1989 nach New York an die Ständige Vertretung bei den Vereinten Nationen. Aber nicht nur das, ich wurde noch dazu Vertreter im 6. Ausschuss, dem Rechtsausschuss der Vereinten Nationen, ein Traumposten für einen Ehemaligen des MPIL.

Für mich ist dieser Posten, auch im Vergleich mit all den anderen großartigen Aufgaben, die anschließend kamen, der beruflich aufregendste und befriedigendste geblieben. Das hing einerseits mit den historischen Umständen zusammen: Fall der Mauer und Wiedervereinigung einerseits, die Ermächtigung zu Zwangsmaßnahmen gegen Irak nach der Besetzung Kuweits gemäß Kapitel VII und die Beschlüsse zum Folgeregime andererseits. Erstmals schienen die Vereinten Nationen den von der Satzung vorgegebenen Ansprüchen umfassend nachzukommen.

Gleichzeitig war New York der Ort (in den drei Jahren, die ich dort verbrachte) mit den meisten über das MPIL vermittelten Kontakten. “Mein” Botschafter war, für die ersten eineinhalb Jahre, Hans Otto Bräutigam, der Ende der fünfziger-, Anfang der sechziger Jahre am Institut und Assistent bei Professor Mosler war, was uns natürlich miteinander verband.

Als der für Rechtsfragen zuständige Referent an der Ständigen Vertretung war mein Hauptansprechpartner bei den Vereinten Nationen der Legal Counsel des Secretary General, Under-Secretary-General Carl‑August Fleischhauer. Und mehr noch als die Tatsache, dass er vor dieser Tätigkeit Leiter der Rechtsabteilung im Auswärtigen Amt gewesen war, hatten wir durch die gemeinsame Tätigkeit am Heidelberger Institut einen direkten Draht zueinander. Ich hatte, so darf ich heute sagen, einen sicher nicht exklusiven, aber doch besonders vertrauensvollen, Zugang zu den Dossiers, mit denen er befasst war. Dies gab mir wiederum die Möglichkeit, interessante Einzelheiten nach Bonn zu berichten.

Der Autor in seinem Büro am MPIL, 1980[5]

Eine weitere persönliche, mit dem Institut verbundene Begegnung war die mit Christian Tomuschat, damals Professor in Bonn. Ich hatte ihn in Heidelberg verschiedentlich am Institut getroffen. 1991 kandidierte er erneut für die International Law Commission und ich war vor Ort für seine Wiederwahl verantwortlich, sein Wahlkampfchef sozusagen! Natürlich hatte das Auswärtige Amt eine weltweite Demarchen-Aktion in allen VN‑Mitgliedstaaten durchgeführt und für Tomuschat geworben. Doch nicht überall sind die Stränge zwischen den Außenministerien und ihren Vertretungen in New York so eng, so zuverlässig, wie bei uns in Deutschland. Oft wird diesen vor Ort die Entscheidung überlassen, für wen sie stimmen wollen. So war ich in den Wochen vor der Wahl ständig im Gespräch mit den Delegationen, von denen wir noch keine zuverlässige Rückmeldung über ihre Wahlabsichten bekommen hatten. Und ich organisierte, in der Form von Mittagessen, mehrere Treffen mit ausgewählten Vertretern und Vertreterinnen von Mitgliedstaaten, bei denen diese Tomuschat persönlich kennenlernen und befragen konnten.

Es war ein harter Wahlkampf. Denn es gab in der Western European and Others Group (WEOG), soweit ich mich erinnern kann, zwölf Kandidaten für acht Plätze. Und es waren teilweise höchst gewichtige Konkurrenten. Ich erinnere mich bis heute, wie ich, in der General Assembly Hall sitzend, das Ergebnis vernahm: Tomuschat war mit gleicher Stimmenzahl wie der französische und der amerikanische Kandidat auf den vierten Platz  gewählt worden.

Zu den dienstlichen Kontakten kamen die Besuche von alten “Max‑Planckern”. Professor Jochen Abr. Frowein nahm, außerhalb von New York, an einem Seminar der American Society of International Law zu Fact-Finding teil; ich war auch dort und wir trafen uns anschließend noch mal in Manhattan, wo er mich zu seiner Luncheon-Speech an der Columbia University eingeladen hatte. Auch Torsten Stein kam und wir trafen uns zu einem angeregten Abend in einem schicken Restaurant in Downtown Manhattan, wo ihm zu seinem Leidwesen das Rauchen der Pfeife nach dem köstlichen Essen verwehrt wurde.

„Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen“. Wie die wissenschaftliche Ausbildung am Institut meine praktische Arbeit bereicherte

Sondertreffen der OSZE, der Autor mit der amerikanischen Botschafterin Julie Finley und dem albanischen Botschafter Zef Mazi, um 2007[6]

Die Vereinten Nationen waren auch der Ort, an dem ich den Wechsel von der Theorie zur Praxis nochmal ganz unmittelbar erfahren durfte: Hatte ich in meinem am Institut verfassten und in der Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV) erschienen Bericht Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1979 auch umfassend und aus der Ferne die Aktivitäten und Stellungnahmen im Rahmen der Vereinten Nationen berücksichtigt, so saß ich nun selbst am Ort des Geschehens.

Als ich 1992 nach Bonn zurückkehrte, wurde ich dem Planungsstab zugeteilt – erneut eine Tätigkeit, bei der ich auf meine früheren Tätigkeiten am Institut zurückgreifen konnte. Wie sonst hätte ich mit fachkundigem Selbstvertrauen einen Namensartikel für den damaligen Außenminister Klaus Kinkel zum europäischen Menschenrechtsschutz schreiben können. In meiner Zuständigkeit für die Vereinten Nationen durfte ich auch wieder zur deutschen Völkerrechtspraxis beitragen und an der Abfassung der VN-Rede eben jenes Ministers mitwirken.

Den vielleicht unmittelbarsten Bezug zur Schaffung von Völkerrecht selbst, nicht nur völkerrechtlicher Praxis, gab es für mich, als ich im Jahre 2000 den Arbeitsstab für die Verhandlungen zum Nizza‑Vertrag leiten durfte. Auch wenn das Ergebnis, wie wir alle wissen, weit hinter den Erwartungen oder Hoffnungen zurückblieb, hatte ich die einmalige Gelegenheit mitzuerleben, wie sich ein völkerrechtlicher Vertrag entwickelt, von den ersten Entwürfen über umfangreiche und strittige Verhandlungen auf allen Ebenen, bis hin zur Verabschiedung auf Gipfelebene. Über die Begleitung der Verhandlungen hinaus, war ich mit der innerstaatlichen Koordinierung befasst, der Abstimmung mit den anderen Ressorts, dem Bundestag und nicht zuletzt den Ländern, und, last but not least, mit dem innerstaatlichen Ratifizierungsverfahren.

2005 wurde ich Ständiger Vertreter Deutschlands bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE/OSCE), einer Organisation, über deren Stellenwert man bis heute geteilter Meinung sein kann. Das 2004 eingesetzte Panel of Eminent Persons war eine der vielfältigen Bemühungen unter dem Schlagwort “Strengthening the Effectiveness of the OSCE”. In seinem Abschlussbericht empfahl das Panel den Teilnehmerstaaten, unter anderem, für die OSZE eine konkrete Satzung oder Charter zu entwickeln.

In Umsetzung dieser Empfehlung beauftragte mich 2007 der damalige OSZE-Vorsitz, mein belgischer Kollege als Vorsitzender des Ständigen Rats, eine Arbeitsgruppe einzurichten und diese dazu zu instruieren, erste Vorschläge zu präsentieren. Bei der Auswahl der Mitglieder entschied ich mich für meinen Schweizer Freund aus Heidelberger Tagen, Professor Daniel Thürer (von 1976 bis 1979 als Referent am Institut), was uns nach vielen Jahren wieder einige sehr anregende Begegnungen ermöglichte, die wir auf meinem nächsten Posten als deutscher Botschafter in der Schweiz fortsetzen konnten.

Im September 2015 – ich war Botschafter in Norwegen – bekam ich von Wolfgang Münch, langjähriger Gast am Institut und in New York mein Kollege an der Ständigen Vertretung, einen Anruf. Die European Society of International Law habe gerade ihre Annual Conference in Oslo – ob ich nicht Lust auf einen Kaffee mit noch anderen Freunden von damals hätte? Wie groß war meine Freude, später am Nachmittag Norbert Wühler und Rainer Hofmann, mit denen ich viele Jahre am Institut zusammengearbeitet hatte, zu treffen. Als ich im Laufe des Gesprächs erwähnte, dass ich im Hinblick auf meinen baldigen Ruhestand mit meinen ganzen Mitgliedschaften etwas aufräumen müsste und deshalb aus der Deutschen Vereinigung für Internationales Recht (DVIR) austreten würde, bekam ich von Rainer Hofmann einen strengen Verweis. Dies käme überhaupt nicht in Frage, schließlich könne es sein, dass er nächstes Jahr Präsident werde. Ein so wertvoller Rat!

Die Fortsetzung meiner Mitgliedschaft in der DVIR, die ich 1982 noch am Institut begonnen hatte, bringt mir nicht nur neue Erfahrungen, etwa ganz aktuell als Mitglied des Komitees zu “Comparative Diplomatic and Consular Immunities Privileges and Inviolabilities”. Sie ermöglicht auch, nach meiner aktiven Zeit die Verbindung zum MPIL weiter aufrecht zu erhalten, die Leitung, Professorin Anne Peters und Professor Armin von Bogdandy kennengelernt zu haben, die alten wie die neuen Freundschaften und Kontakte auf den Jahresversammlungen zu pflegen und zu vertiefen. Und wenn ich es nur irgendwie ermöglichen kann, bin ich, als langjähriges Mitglied und Alumnus, bei den jährlichen Treffen der Heidelberger Gesellschaft für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht dabei und gehe zu den immer spannenden und anregenden Veranstaltung in Berlin!

[1] Foto: MPIL.

[2] Foto: MPIL.

[3] Rudolf Bernhardt (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung, Internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte. Festschrift für Hermann Mosler, Heidelberg: Springer 1983.

[4] Foto: Axel Berg.

[5] Foto: Axel Berg.

[6] Foto: Axel Berg.

English

“You do realise that in your work abroad you won’t only be dealing with academics and professors. That daily life in tough posts or in crisis situations can be very different?” With this question, the chairwoman of the selection committee for the 38th attaché class tried to break through my reserve.

It was November 1982, and I had just passed the written part of the examination for admission to the Higher Foreign Service (Höherer Auswärtiger Dienst). Now it was time for the oral examination, a week full of tests and interviews in Bonn. In my first meeting with the selection committee, I had to explain my motivation and why I thought I was suitable for the Foreign Service. Among other things, I referred to my experience at international academic conferences and with foreign guests, which I had gained during my many years at the Max Planck Institute.

Clearly, I had not been unnerved too much by the chairwoman’s question, as I was able to start my attaché training in early April 1983. After all, with the way my career went on to develop, I was largely spared the challenges I had been warned against and, to my great delight, there were always opportunities and possibilities, to, professionally and, above all, on a personal level, build on my time at the Heidelberg Institute.

My Dissertation at the Institute. A Milestone, but not one on the Path to Academia

The author and his wife Dagmar Berg, with Norbert Wühler and Angela Scheuerbrandt, at the inauguration of Karl Doehring and Jochen Abr. Frowein as directors in 1981[1]

It had begun on 1 July, 1975. After I had graduated from law school with honours, specialising in international law/European law, I went on to apply to write my dissertation with Professor Rudolf Bernhardt, one of the two directors at the time. In our conversation, I referred to my knowledge of Scandinavian languages, which I wanted to make use of. Professor Bernhardt suggested that I focus on the Nordic Council and the Nordic Council of Ministers. To my surprise, he then also offered me a position as a research assistant at the Institute, specialising in the Nordic countries, which played a fairly significant role in the field of comparative law.

My work at the Institute had a formative influence on me. But over time, I had to admit to myself that I was not really cut out for a career in academia, not to mention the professional prospects at the time. With a fair number of publications on a wide variety of topics, I would have been able to prove my qualifications in international law, but the constant postponement of my dissertation alone was enough to make me consider alternative routes.

I only gradually realised to what degree my yearslong work at the Institute qualified me for applying to the Foreign Service. When I, some years later, was able to take a look at the files containing the internal evaluation of my application, I found it confirmed in black and white. And at the institute, nobody seemed to have any real doubts that it would work out. I had only just sent out my application and was already introduced as “Mr Berg, who’s joining the Federal Foreign Office in Bonn soon.”

From Heidelberg to Beijing. Beginnings of a Career in Diplomacy

The former Institute building, view from Berliner Straße, 1972[2]

What does one do with an international law scholar who has never been to Asia? Send him to the embassy in Beijing as economic advisor for his first posting, obviously. And in retrospect, that was perfect: Everything was new, unfamiliar, and foreign to me. My three years there, from 1986 to 1989, were an ideal preparation for later posts. Learning, gaining experience, rising to challenges, remaining flexible – that was the main focus. Not just for me, but also for my family, my wife and our two daughters of pre-school age.

Just like today, Beijing back then was a popular destination for German visitors from the realms of politics, business, and culture. Visits by Chancellor Helmut Kohl and Foreign Minister Hans‑Dietrich Genscher and negotiations on the construction of a power plant with Siemens were some of the highlights. There was also a lively scientific exchange. And although this was not part of my official responsibilities, I was kindly invited to a dinner during the visit of an MPIL-delegation led by my doctoral supervisor, Professor Bernhardt. It was held- I will never forget that- at a traditional Peking duck restaurant. The visit must have been related to the trip to China that Robert Heuser has written about on this blog.

I was delighted to be able to immediately connect back to my work at the Heidelberg Institute at my very first post, but the part that was much more exciting for me was yet to come: Professor Sheng Yu of Beijing University, the host of the meeting, asked me for a chat afterwards, informally and away from the daily business of the embassy, to request my help in a matter of international law scholarship. It ttranspired that her institute had started translating well-known foreign monographs and essays on international law into Chinese. For Germany, a jubilee publication (Festschrift) for Hermann Mosler entitled Völkerrecht als Rechtsordnung, internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte (“International Law as a Legal Order, International Jurisdiction, Human Rights”) had been chosen. [3]

It was obvious however, that whoever had been entrusted with the translation of this work from German to Chinese was neither an expert in international law, nor familiar with the subtleties of academic writing. Footnotes, official and linguistic abbreviations, citation style, all this, but also questions of content, repeatedly caused problems. So, we – Professor Sheng and I – spent a long afternoon trying to clarify, in English, the numerous questions she had. As a thank you, we had dinner at her home – the only private invitation I ever received in Beijing.

Encounters at the East River. New York as a Career Highlight for Former Members of the MPIL

A room with a view. The author’s workplace on the 40th floor of Germany’s Permanent Mission to the United Nations, ca. 1990[4]

I had always hoped to be transferred to a Permanent Mission to an international organisation. It was multilateral diplomacy that particularly appealed to me, and I entertained the idea of switching from the Foreign Service to the realm of international institutions at some point. The Foreign Office was kind enough to send me to the Permanent Mission to the United Nations in New York in April 1989. But not just that, I also became the representative on the 6th Committee, the Legal Committee of the United Nations- a dream position for a former MPIL member.

For me, even compared to all the other great tasks that followed, this post has remained the most professionally exciting and satisfying. In part, this was due to the historical circumstances: The fall of the Berlin Wall and German reunification on the one hand, the authorisation of coercive measures under Chapter VII against Iraq following the occupation of Kuwait, and the resolutions on the successor regime, on the other. It seemed like, for the first time, the United Nations could truly fulfil its goals as set out in the Charter.

At the same time, New York was the place (in the three years I spent there) with the most contacts made through the MPIL. ‘My’ ambassador for the first year and a half was Hans Otto Bräutigam, who had been at the Institute and an assistant to Professor Mosler in the late 1950s and early 1960s, which naturally fostered a connection between us.

As the officer responsible for legal matters at the Permanent Mission, my main contact at the United Nations was the Legal Counsel to the Secretary General, Under‑Secretary‑General Carl‑August Fleischhauer. Not only had he been head of the Legal Department at the Federal Foreign Office before this appointment, but we were also able to connect over our joint work at the Heidelberg Institute. I can say today that I had a degree of access to the dossiers he was dealing with, which was certainly not exclusive, but nevertheless testament to an outstanding level of trust. This, in turn, gave me the opportunity to report interesting details to Bonn.

The author in his office at the MPIL, 1980[5]

Another Institute-related personal encounter was with Christian Tomuschat, who was a professor in Bonn at the time. I had met him several times at the Institute in Heidelberg. In 1991, he again ran for the International Law Commission, and I was responsible for his re-election, his campaign manager at the United Nations so to speak! Of course, the Federal Foreign Office had sent out demarches to all UN member states to advocate for Mr. Tomuschat. But the connections between foreign ministries and their missions in New York are not always as close, and reliable, as they are in the case of Germany. The Permanent Missions are often left to decide independently on who they want to vote for. So, in the weeks leading up to the election, I was in constant dialogue with delegations from whom we had not yet received reliable feedback on their voting intentions. I organised several meetings, in the form of lunches, with selected representatives of member states, where they were able to meet and question Mr. Tomuschat personally.

It was a tough election campaign. There were, as far as I can remember, twelve candidates for eight seats in the Western European and Others Group (WEOG). And some of them were very strong contenders. To this day I remember sitting in the General Assembly Hall and hearing the result: Tomuschat had been elected in fourth place with the same number of votes as the French and American candidates.

In addition to the official contacts, there were visits from old “Max Planckers”. Professor Frowein took part in a seminar on fact-finding organised by the American Society of International Law outside of New York; I was there too, and we met up again in Manhattan afterwards, where he had invited me to his luncheon speech at Columbia University. Torsten Stein also joined us and we met for a lively evening in a smart restaurant in downtown Manhattan where, to his chagrin, he was not allowed to smoke his pipe after the delicious meal.

“Insight Must Precede Application”. How my Academic Education at the Institute Aided my Practical Work

Special meeting of the OSCE, the author with United States Ambassador Julie Finley and Albanian Ambassador Zef Mazi, ca. 2007[6]

The United Nations was also where I was able to once again experience first hand the differences between theory and practice: In my report on the “International Law Practice of the Federal Republic of Germany in 1979” (Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1979, including an English-language survey), written at the Institute and published in Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV, English title: Heidelberg Journal of International Law, HJIL), I had covered the activities and statements of the the Federal Government within the United Nations extensively, but from a distance. Now I found myself in the middle of it all.

When I returned to Bonn in 1992, I was assigned to the planning staff – another post in which I was able to draw on my previous work at the institute. How else could I have confidently written an article on European human rights protection, to be published in the name of then Foreign Minister Klaus Kinkel? In my responsibility for the United Nations, I was again able to contribute to German international law practice and help draft the UN speech of that very minister.

Perhaps the most direct connection I had to the creation of international law, not just its practice, occurred when I was allowed to lead the task force for the negotiations on the Treaty of Nice in 2000. Even though, as we all know, the outcome fell far short of expectations and hopes, I had the unique opportunity to witness the development of an international treaty, from the first drafts, through extensive and contentious negotiations on all levels, to its adoption at the summit level. In addition to supporting the negotiations, I was also involved in domestic coordination, liaising with other ministries, the parliament, the federal states, and, last but not least, in the domestic ratification process.

In 2005, I became Germany’s Permanent Representative to the Organisation for Security and Cooperation in Europe (OSCE), an organisation whose relevance is still a matter of debate today. The Panel of Eminent Persons set up in 2004 was one of the many endeavours to “Strengthen the Effectiveness of the OSCE”. In its final report, the panel recommended, among other things, that the participating states develop a concrete statute or charter for the OSCE.

Implementing this recommendation, in 2007, the then OSCE Chairmanship, namely my Belgian colleague as Chairman of the Permanent Council, asked me to set up a working group and instruct it to present initial proposals. When selecting the members, I decided in favour of my Swiss friend from my Heidelberg days, Professor Daniel Thürer (who had been a research fellow at the institute from 1976 to 1979), which enabled us to meet again after many years and have some very stimulating conversations, which we were able to continue during my next post as German Ambassador to Switzerland.

In September 2015, when I was Ambassador to Norway, I received a call from Wolfgang Münch, a long-time guest at the institute and my former colleague at the Permanent Mission in New York. The European Society of International Law was holding its Annual Conference in Oslo at the moment, and he asked if I would like to have a coffee, together with some other old friends. I was delighted to meet Norbert Wühler and Rainer Hofmann, with whom I had worked at the institute for many years, later that afternoon. When I mentioned that, in view of my imminent retirement, I would have to sort through all my memberships and would therefore resign from the German Association for International Law (DVIR), I received a stern reprimand from Rainer Hofmann. This was out of the question, he said, after all, he was hoping to become the association’s president the next year. This was very valuable advice!

Continuing my membership in the DVIR, which I took on during my time at the institute, in 1982, has not only brought me new experiences, very recently, for example, as a member of the Committee on Comparative Diplomatic and Consular Immunities Privileges and Inviolabilities. It also enables me to keep in touch with the MPIL, allowed me to get to know the current directors, Professor Anne Peters and Professor Armin von Bogdandy, and to maintain and deepen old and new friendships and contacts at the annual meetings. And, as a long-standing member and alumnus, whenever possible, I attend the annual meetings of the Heidelberg Society for Comparative Public Law and International Law and the exciting and stimulating events in Berlin!

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Photo: MPIL.

[2] Foto: MPIL.

[3] Rudolf Bernhardt (ed.), Völkerrecht als Rechtsordnung, Internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte. Festschrift für Hermann Mosler, Heidelberg: Springer 1983; English title as translated by the editor.

[4] Photo: Axel Berg.

[5] Photo: MPIL.

[6] Foto: Axel Berg.

Das Institut und die internationale Gerichtsbarkeit

The Institute and International Jurisdiction

Deutsch

Personeller und intellektueller Input von KWI und MPI im Friedenspalast von Den Haag

Wie Jan Klabbers in seinem Blogbeitrag[1] zutreffend bemerkt hat, kann sowohl das Kaiser‑Wilhelm‑Institut (KWI) als auch das Max‑Planck‑Institut (MPI) für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht als Schmiede für die Besetzung hochrangiger völkerrechtsrelevanter Posten im internationalen und nationalen Bereich angesehen werden. Daher ist es nicht überraschend, dass sich auch unter den Richtern internationaler Gerichte seit jeher zahlreiche Personen finden, die aus dem Institut hervorgegangen sind.

In diesem Beitrag soll dies mit Blick auf den Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag und seinen Vorgänger, den Ständigen Internationalen Gerichtshof (StIGH), gezeigt werden. Die Wechselbeziehung zwischen diesen Institutionen ist einerseits deswegen im Rahmen der 100‑Jahrfeier interessant, weil beide aus etwa derselben Zeit stammen und auf das damals noch im Dornröschenschlaf liegende Völkerrecht fokussiert sind, zum anderen, weil meine eigene Tätigkeit am Institut immer auch auf diesen Bereich konzentriert war (dazu unten mehr). Dabei ist der erste Ansatz natürlich die Frage danach, ob deutsche Richter in diesen Institutionen aus dem KWI/MPI kamen (I.). An zweiter Stelle ist von großer Bedeutung dann aber auch die Beteiligung deutscher Völkerrechtler als Verfahrensvertreter in streitigen Fällen und Gutachten vor dem StIGH und IGH. Dieser Aspekt ist natürlich deutlich schwieriger zu beleuchten und kann hier nur exemplarisch dargestellt werden, da eine detaillierte Untersuchung den Charakter des Blogs sprengen würde (II.). An dritter Stelle soll noch kurz ein Blick auch auf den „wissenschaftlichen Input“ des Instituts zum StIGH und IGH geworfen werden (III.).

I. Deutsche Juristen als Richter am StIGH und IGH

Sowohl der StIGH als auch der IGH bestanden beziehungsweise bestehen bekanntlich aus 15 permanenten Richtern, die für jeweils neun Jahre gewählt werden und die alle über eine unterschiedliche Staatsangehörigkeit verfügen müssen. Hinzukommen können noch ad hoc Richter, die von Streitparteien, die keinen Richter ihrer Nationalität auf der Richterbank haben (Art. 31 IGH-Statut), für die Zwecke dieses Streitfalls ernannt werden können. Zudem können alle Mitgliedstaaten des Gerichts in Gutachtenverfahren ihre Stellungnahme zur vorgelegten Rechtsfrage abgeben (Art. 66 IGH-Statut).

Walther Schücking (links) und Viktor Bruns in Den Haag, undatiert[2]

Angesichts der Tatsache, dass die Vereinten Nationen mittlerweile 193 Mitgliedstaaten haben und der Gerichtshof „eine Vertretung der großen Kulturkreise und der hauptsächlichen Rechtssysteme der Welt gewährleisten“ soll, kommt der Wahl der Richter entscheidende Bedeutung zu. Ohne hier in die Details zu gehen, die in Art. 2-19 des Statuts geregelt sind, ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen deutsche Juristen Richter im Gerichtshof werden können. Dabei ist vor allem die Frage nach dem Zustandekommen der Kandidatenlisten von Interesse. Die auf den ersten Blick naheliegende Lösung, dass die Staaten Kandidaten benennen, ist mit guten Gründen nicht übernommen worden. Ausschlaggebend war, dass die Liste der Kandidaten soweit wie möglich unabhängig von politischen Einflussnahmen sein soll. Das führte zu der Regelung, dass die Richterkandidaten aus einer in einem komplizierten Verfahren aufgestellten Liste von Personen vorgeschlagen werden; diese wird von den jeweiligen nationalen Gruppen des Ständigen Schiedshofs erstellt.[3] Die Wahl erfolgt durch den Sicherheitsrat und die Generalversammlung gleichzeitig in getrennten Wahlgängen (ohne Vetorecht im Sicherheitsrat), wobei alle drei Jahre ein Drittel der Richter gewählt wird.[4] Eine Wiederwahl ist zulässig. Auch wenn dies nirgends ausdrücklich vorgesehen ist, hat jedes ständige Mitglied im Sicherheitsrat traditionell einen Richter im Gerichtshof.[5] Die restlichen zehn Richter werden auf der Grundlage von Quoten gewählt, die den einzelnen Regionalen Gruppen, die seit 1963 im Rahmen der VN bestehen, zugeteilt sind. Seit 2017 sieht die Verteilung unter Einschluss der Richter mit Staatsangehörigkeit eines ständigen Mitglieds des Sicherheitsrats folgendermaßen aus: Westeuropa und andere Staaten (WEOC) wird durch vier Richter vertreten, Osteuropa durch zwei Richter, Lateinamerika ebenfalls durch zwei Richter, Asien durch vier Richter und Afrika schließlich durch drei Richter. Da zur WEOC auch die Vereinigten Staaten zählen, bleibt für diese Gruppe nur eine Richterstelle, die „frei“ besetzt werden kann, da grundsätzlich drei der Posten durch Staatsangehörige eines ständigen Mitglieds des Sicherheitsrats vorgegeben sind: die USA, Frankreich und Großbritannien. Allerdings ist das Vereinigte Königreich 2017 erstmals mit einer Kandidatur gescheitert, so dass derzeit die USA und Frankreich einen Richterposten besetzen und die übrigen beiden WEOC-Positionen von Australien (Charlesworth) und Deutschland (Nolte) besetzt sind.

Der StIGH, der 1922 gegründet wurde und das erste internationale ständige Gericht überhaupt war, datiert vor der Gründung des KWI und hatte im Laufe seines Bestehens nur einen Richter deutscher Nationalität; das war Walther Schücking, der damalige Direktor des Kieler Instituts für Völkerrecht, des heutigen Walther‑Schücking‑Instituts. Seit 1921 stand er auf der Liste der möglichen ad hoc Richter und 1931 wurde er zum Richter berufen. Allerdings konnte er seine Amtszeit nicht ausschöpfen, da er schon 1935 verstarb. Seine Richterstelle wurde nicht wieder durch einen deutschen Juristen gefüllt, nachdem das Deutsche Reich im Jahr 1933 nicht nur aus dem Völkerbund ausgetreten war, sondern auch das Statut des StIGH gekündigt hatte.[6]

Als ad hoc Richter wirkten drei Deutsche in Verfahren vor dem StIGH mit: Viktor Bruns,[7] Ernst Rabel,[8] und der bereits erwähnte Walther Schücking.[9] Aus dem KWI war Viktor Bruns somit der erste deutsche Jurist, der am StIGH als Richter, genauer als ad hoc Richter, eingebunden war.

Am IGH gab/gibt es bisher vier deutsche Richter: Hermann Mosler (1976 bis 1985), Carl-August Fleischhauer (1994 bis 2003), Bruno Simma (2003 bis 2012) sowie Georg Nolte (seit 2021). Bei Hermann Mosler führte der Weg zum Richteramt über die Funktion als ad hoc Richter im Fall North Sea Continental Shelf.[10] Auch Carl-August Fleischhauer und Bruno Simma haben als ad hoc Richter vor dem IGH gewirkt, allerdings erst nach Beendigung ihres Amts als Richter. Fleischhauer, dessen Amtszeit am IGH 2003 geendet hatte,  wurde direkt im Anschluss als deutscher ad hoc Richter im Fall Certain Property ernannt, der seit 2001 vor dem Gericht anhängig war.[11] Zwar war zu dieser Zeit, 2003, Bruno Simma als deutscher Richter im Gericht tätig, da er aber bereits zuvor als Mitglied des völkerrechtlichen Beirats des Auswärtigen Amtes mit der zugrundeliegenden Rechtsfrage  befasst gewesen war, trat er nach Art. 17 Abs. 2 IGH-Statut von der Teilnahme an diesem Fall zurück. Bruno Simma war jedoch später als von Costa Rica nominierter ad hoc Richter im Fall Maritime Delimitation in the Caribbean Sea and the Pacific Ocean tätig.[12] Außerdem wirkte er als von Chile benannter ad hoc Richter im Fall Dispute over the Status and Use of the Waters of the Silala[13], sowie für Costa Rica im Fall Land Boundary in the Northern Part of the Isla Portillo[14] mit.

Zu den genannten drei Personen, die, teils vor (so Hermann Mosler), teils nach ihrer Amtszeit, als Richter auch als ad hoc Richter wirkten, ist als einziger weiterer ad hoc Richter deutscher Nationalität Rüdiger Wolfrum, ehemaliger Direktor am MPI, aufgetreten, der nicht am IGH, aber am Internationalen Seegerichtshof als Richter tätig war. Vor dem IGH ist er momentan in zwei Fällen als ad hoc Richter tätig.[15]

Bis auf Bruno Simma, der zwar zu keiner Zeit offizieller Mitarbeiter am Institut, diesem jedoch stets eng verbunden war,[16] gingen alle genannten Richter aus dem MPI hervor. Hermann Mosler war, als er zum Richter gewählt wurde, Direktor des Instituts. Carl‑August Fleischhauer war nach seinem zweiten Juristischen Staatsexamen ab 1960 Referent am Institut, wo er unter Hermann Mosler seine Dissertation schrieb. 1961 promovierte er dann an der Heidelberger Universität.[17] Kurz darauf beendete er seine Zeit am Institut bereits wieder und begann ab 1962 eine beeindruckende Karriere im Auswärtigen Amt, bevor er später stellvertretender Generalsekretär der Vereinten Nationen und deren Rechtsberater wurde. Dem Institut blieb er jedoch durch seine Mitgliedschaft im Kuratorium von 1975‑2002 verbunden.

Georg Nolte, dessen Amtszeit als Richter am IGH im Jahr 2021 begann, war in seiner wissenschaftlichen Laufbahn dem MPI sehr eng verbunden und ist es weiterhin durch seine Tätigkeit im Kuratorium des Instituts. Von 1984 bis 1990 war er neben der juristischen Referendarzeit als Doktorand wissenschaftlicher Mitarbeiter und von 1992-1999 Referent am MPI. 1991 promovierte er unter seinem akademischen Lehrer Jochen Abr. Frowein, seinerzeit Direktor am Institut, [18] und 1998 habilitierte er sich, ebenfalls bei Frowein.[19]

Sieht man sich diese Bilanz an und stellt sie in Zusammenhang zu der Tatsache, dass jeweils nur ein Richter am IGH aus Europa neben den Staatsangehörigen der Vetomächte USA und Frankreich (und bis 2017 Großbritannien) dem Gerichtshof angehören kann, so ist auch hier ein starker Einfluss des MPI als Wegbereiter für höchste Karrieren nicht zu verkennen.

II. Institutsmitarbeiter als Parteivertreter in Verfahren vor dem Gerichtshof

Wie in nationalen Verfahren, werden auch vor internationalen Gerichten die Parteien durch „Anwälte“ vertreten, wobei es keine der Zulassung von Anwälten im nationalen Recht vergleichbare Voraussetzung gibt. Art. 42 des Statuts legt nur fest, dass Staaten durch „agents“ vertreten werden (das sind die „Ansprechpartner“ des IGH; im konkreten Fall und aus praktischen Gründen handelt es sich in der Regel um die diplomatischen oder konsularischen Vertreter in Den Haag). Diese können – und das geschieht auch regelmäßig – durch „counsels or advocates“ unterstützt werden, die anwaltlich die Belange der Parteien in Form der Ausarbeitung der Schriftsätze und der Plädoyers in der mündlichen Verhandlung vertreten. Weder im Statut noch in der Verfahrensordnung wird Näheres zur erforderlichen Qualifikation dieser Personen vorgegeben. Man geht von der allgemeinen Erwartung aus, dass Staaten nur „entsprechend qualifizierte Personen“ bestellen werden, was natürlich in ihrem eigenen Interesse liegt und daher in der Praxis grundsätzlich auch erfolgt ist. Und hier kommen dann wieder das KWI und das MPI in den Blick, mit ihrem besonderen Fokus auf das Völkerrecht, das immer Gegenstand der Fälle vor dem Internationalen Gerichtshof ist.

Aus dem KWI, dessen Gründung in die Anfangsjahre des StIGH fällt, war nur Viktor Bruns, der, wie oben erwähnt, in mehreren Fällen vor dem StIGH als ad hoc Richter fungierte, auch als Vertreter Deutschlands in zwei Fällen eingesetzt.[20]

Viktor Bruns (links) als Prozessvertreter, undatiert.[21]

Aus den Informationen über andere Mitarbeiter des KWI lässt sich nur für Carlo Schmid und Berthold Schenk Graf von Stauffenberg ein Hinweis auf eine Beteiligung in Verfahren vor dem StIGH entnehmen. Beide wurden in den zwei genannten Fällen von Bruns in dessen Vertretung des Deutschen Reichs vor dem Gericht einbezogen.[22] Erich Kaufmann, der von 1927 bis 1934 als wissenschaftlicher Berater des KWI fungierte,[23] und sein Assistent Friedrich Berber,[24] waren auch als Parteivertreter vor dem StIGH tätig, waren aber nicht als Mitarbeiter aus dem Institut hervorgegangen.

Vor dem IGH waren und sind Juristen (ehemalige und aktuelle) aus dem MPI in weit größerem Maße als counsel, und zwar nicht nur für Deutschland, vertreten. So ist Professor Frowein im Fall „Liechtenstein gegen Deutschland“ für die Bundesregierung tätig geworden und im Fall „Kamerun gegen Nigeria“ war er eingebunden, hat jedoch sein Mandat vor Beendigung des Verfahrens niedergelegt; im Gutachten zur Unabhängigkeit des Kosovo hat er die Rechtsauffassung Albaniens vorgetragen. Die jetzige Direktorin Anne Peters war Teil des deutschen Teams zur Vertretung der deutschen Rechtsauffassung im Fall „Nicaragua gegen Deutschland“,[25] in dem bisher erst eine einstweilige Anordnung ergangen ist, so dass sie weiter im Verfahren eingebunden ist.

Agents der deutschen Seite im Verfahren „Nicaragua gegen Deutschland“ (v.l.n.r.): Paolo Palchetti, Samuel Wordsworth, Anne Peters, Christian J. Tams[26]

Von den ehemaligen Mitarbeitern wurde Michael Bothe 2003/2004 zur Vertretung der Rechtsansichten der Arabischen Liga im Gutachten zum Bau der israelischen Sperranlagen im besetzten palästinensischen Gebiet herangezogen[27] und Christian Tomuschat hat Deutschland im Immunitätsstreit zwischen Italien und Deutschland vertreten[28]. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Instituts beeindruckt in diesem Zusammenhang ganz besonders, da er in 16 Fällen als Vertreter einer Partei tätig war, beziehungsweise noch ist, und somit als Teil der bar angesehen wird, der „ständigen Anwaltschaft“ vor dem IGH, von der man oft spricht, obwohl es sie offiziell nicht gibt: Andreas Zimmermann. Es würde zu weit führen, hier alle Fälle zu nennen und mag daher genügen, auf die noch anhängigen Fälle und erst kürzlich abgeschlossenen Verfahren hinzuweisen: das laufende „Gutachten zum Klimawandel“, den (zweiten) „Immunitätsfall Italien v. Deutschland“ und das Streitverfahren „Guyana gegen  Venezuela“ (bei dem, wie erwähnt, Rüdiger Wolfrum der von Guyana benannte ad hoc Richter ist; beide noch anhängig), sowie das kürzlich abgeschlossene Gutachtenverfahren zum Rechtsstatus des besetzten palästinensischen Gebiets.[29]

Imposant: Die Eröffnung der Verhandlung im Fall „Bahrain, Ägypten, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate gegen Katar“, 2019[30]

Jeder dieser counsel hat zum Teil andere Mitarbeiter des Instituts (oder seines Lehrstuhls) bei der Ausarbeitung der Schriftsätze und der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung miteingebunden und bisweilen sogar zu den Verhandlungen mit nach Den Haag genommen, was für die Betroffenen natürlich jeweils ein absolutes Highlight war. Aus eigener Erfahrung[31] kann ich sagen, dass die Teilnahme an einem Fall in den imposanten Räumlichkeiten des Friedenspalasts in Den Haag ein unvergessliches Erlebnis darstellt. Zudem beeindruckt insbesondere auch das konkrete Vorgehen: So wird, zum Beispiel, größter Wert auf die Verhinderung jedes Kontakts der Parteien und ihrer Vertreter mit den Richtern und den Parteivertretern der Gegenseite gelegt, was einige Vorkehrungen für den Aufenthalt, etwa bezüglich Kaffeepausen, Zuteilung von Arbeitsräumen und Ähnlichem, mit sich bringt. Außerdem wird umfassender Einsatz verlangt, da nach dem mündlichen Vortrag der Gegenpartei oder auch auf Fragen der Richter nach dem eigenen Plädoyer in der Regel nur die Abend- und Nachtstunden zur angemessenen Vorbereitung der Reaktion verfügbar sind.

III. Wissenschaftlicher Input für die Arbeit des Gerichtshofs

Abschließend sei noch kurz, wie oben angekündigt, ein Wort zum „geistigen“ Input des KWI und MPI zum (Ständigen) Internationalen Gerichtshof gesagt. Hierbei kann es aber nicht um die unzähligen wissenschaftlichen Arbeiten gehen, die sich mit dem Gericht und seiner Rechtsprechung befassen, sondern es soll nur auf eine Publikation hingewiesen werden, die nach Aussagen aus dem Gerichtshof offenbar auf keinem Schreibtisch der Richter fehlt: Den Kommentar zum Statut des Gerichts, der auf die Initiative der Unterzeichnenden und Andreas Zimmermann während ihrer gemeinsamen Zeit am Institut beruht. Wie alle juristischen Texte, sind auch das Statut und die Verfahrensordnung des Gerichts interpretationsfähig und -bedürftig. Daher ist es erforderlich, dass die Auslegung der Bestimmungen durch den Gerichtshof selbst dokumentiert und kritisch begleitet wird. Dabei hilft bekanntlich besonders ein Kommentar, der diese Fragen kontinuierlich aufarbeitet und analysiert, eine Publikationsart, für die deutsche Juristen allgemein bekannt sind. Und in dieser Tradition stand dann auch bereits der erste Kommentar zum Statut und der Verfahrensordnung des StIGH, der im Jahre 1934 vom KWI herausgegeben wurde. Nur im Vorwort erfährt man, dass die Hauptarbeit dieses Werks von Berthold Graf Schenk von Stauffenberg geleistet worden ist, der aber nicht als Autor erscheint und diese Arbeit im Wesentlichen während seiner Zeit als Mitarbeiter der Kanzlei des StIGH vorgenommen hat.

In dieser Ausgabe des Statut-Kommentars aus dem MPIL-Bestand verweist nicht nur das Vorwort, sondern auch eine handschriftliche Notiz auf Berthold Graf Schenk von Stauffenberg, wenn auch mit einem fehlenden „f“.

Dieser erste Kommentar ist noch auf Französisch verfasst, einer der beiden offiziellen Sprachen des Gerichts. Er umfasst 498 Seiten und bearbeitet und kommentiert die einzelnen Bestimmungen des Statuts sowie der jeweils einschlägigen Vorschriften der Verfahrensordnung, wobei immer zunächst ein Blick in die Geschichte der Vorschrift geworfen und dann die praktische Anwendung anhand der einschlägigen Rechtsprechung analysiert wird. Dieser Kommentar – und das ist bemerkenswert – war überwiegend von nur einem Wissenschaftler allein erarbeitet worden und hat lange auf einen Nachfolger warten müssen. Als Hermann Mosler zum Richter am IGH berufen wurde, brachte er den Gedanken ins Gespräch, dass das MPI die Tradition fortsetzen sollte und trug diese Idee insbesondere an die Verfasserin dieses Beitrags heran, die damals hauptamtlich für das Referat IGH zuständig war.[32] Es war aber sofort klar, dass eine einzelne Person diese Arbeit nicht mehr durchführen konnte, sondern dass ein größeres Team eingesetzt werden musste. Der Gedanke blieb präsent und konnte erst verwirklicht werden, als Andreas Zimmermann ein Konzept für das Vorgehen entwickelte, in welchem die Publikation nicht mehr vom MPI als Hauptverantwortlichen getragen wurde, sondern als „freie“ Publikation in der Verantwortung der Herausgeber erarbeitet wurde. Die erste Auflage[33] erschien 2006, also mit einem beachtlichen Abstand zum Werk von Stauffenberg. Insgesamt etwa 50 Autoren aus aller Welt konnten verpflichtet werden, die Kommentierung der Artikel anhand der Rechtsprechung des IGH zu übernehmen und das daraus resultierende Werk, das bei Oxford University Press in englischer Sprache erschien, umfasste knapp 1580 Seiten. Seitdem erscheint im Abstand von etwa fünf Jahren eine Neuauflage – die bislang letzte, die dritte, im Jahr 2019[34] – und Vorüberlegungen für eine vierte Auflage werden derzeit angestellt. Der Herausgeberkreis hat sich im Lauf der Zeit geändert, wobei die konstante treibende und organisatorisch unermüdlich aktive Kraft Andreas Zimmermann geblieben ist. In diesem Zusammenhang darf natürlich auch sein hervorragendes Team an der Universität Potsdam nicht unerwähnt bleiben, das unschätzbare Leistungen bei der Fertigstellung dieser Publikation erbringt.

IV. Schlussbemerkung

Dieser summarische Überblick über die nicht unbedeutende Rolle, die frühere und gegenwärtige Mitarbeiter des KWI und MPI im StIGH und IGH gespielt haben und noch spielen, belegt die Bedeutung der Vermittlung intensiver Kenntnisse in allen Bereichen des Völkerrechts, die nach wie vor neben den Universitäten vor allem auch von einer wissenschaftlichen Institution wie dem heutigen MPI geleistet werden kann. Angesichts der Ausweitung des Völkerrechts auf Bereiche, die einst als rein innerstaatliche Angelegenheiten betrachtet wurden, ist diese Aufgabe wichtiger denn je und zeigt Auswirkungen nicht nur mit Blick auf den IGH, sondern auch auf die Präsenz von Mitarbeitern des MPI in anderen internationalen Gerichten wie dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof und dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem Seegerichtshof und zahlreichen internationalen Schiedsgerichten. Dass diese Tradition erhalten bleibt, ist von größter Bedeutung, angesichts der heutigen Weltlage, in der das Völkerrecht eine immer größere Rolle spielt und damit insbesondere auch die Organe, die eingesetzt sind, um seine Beachtung sicherzustellen.

[1] Jan Klabbers, Gazing at Europe: The Epistemic Authority of the MPIL, MPIL100.de.

[2] Foto: AMPG, Bruns, Viktor, II_1.

[3] Der Ständige Schiedshof, der in der Konvention von 1899 zur Friedlichen Beilegung von Streitigkeiten gegründet wurde, besteht im Wesentlichen aus einer Liste von Juristen, auf die jeder Mitgliedstaat vier Personen setzen kann, auf die als Richter in Schiedsverfahren zurückgegriffen werden kann. Diesen Personen ist das Vorschlagsrecht der IGH-Richter-Kandidaten übertragen, wobei jede Gruppe vier Personen vorschlagen kann, von denen nur zwei die Staatsangehörigkeit der Gruppe haben dürfen. Für Staaten, die nicht Partei des PCA sind, ist eine entsprechende alternative Lösung vorgesehen.

Die deutsche nationale Gruppe besteht derzeit aus Doris König, Stefan Oeter (früher Referent am MPIL), Anne Peters (derzeit Direktorin des MPIL) sowie Andreas Zimmermann (ebenfalls vormals Referent am MPIL).

[4] Auch ad hoc Richter, die von Parteien eines Streits benannt werden können, die keinen Richter ihrer Nationalität auf der Richterbank haben, sollen „vorzugsweise“ (Art. 31 Abs.2 Statut) aus dieser Liste gewählt werden. Allerdings ist es nicht zwingend, dass sie die Nationalität des Staates haben, der sie benannt hat.

[5] Eine Ausnahme davon gab es jedoch 2017, als der Kandidat des Vereinigten Königreichs nicht gewählt wurde und 2023, als der Kandidat aus Russland nicht gewählt wurde.

[6] Bemerkenswert ist, dass Walther Schücking sich danach gegenüber der Reichsregierung geweigert hat, seine Rechtsposition aufzugeben.

[7] StIGH,  Jurisdiction of the Courts of Danzig (Pecuniary Claims of Danzig Railway Officials who have Passed into the Polish Service, against the Polish Railways Administration), Advisory Opinion vom 3. März 1928, PCIJ Reports, Series B, No. 15; StIGH, Access to, or Anchorage in, the Port of Danzig of Polish Vessels, Advisory Opinion vom 11. Dezember 1931, PCIJ Reports Series A/B, No. 43; StIGH, Treatment of Polish Nationals and other Persons of Polish Origin or Speech in the Danzig Territory, Advisory Opinion vom 4. Februar 1932, PCIJ Reports Series A/B, No. 44.

[8] PCIJ, Certain German Interests in Polish Upper Silesia (Germany v Poland), Urteil vom 25. August 1925, Preliminary Objections, PCIJ Reports Series A, No. 6 und Urteil vom 25. Mai 1926, Merits, PCIJ Report Series A, No. 7; StIGH, Factory of Chorzów (Germany v Poland), Urteil vom 16. Dezember 1927, Measure of Interim Protection, PCIJ Reports Series A, No. 13 und Urteil vom 13. September 1928, Merits, PCIJ Reports Series A, No. 17.

[9] StIGH, S.S. Wimbledon (United Kingdom, France, Italy & Japan v. Germany), Urteil vom 17. August 1923, PCIJ Reports Series A, No. 1; StIGH, Rights of Minorities in Upper Silesia (Minority Schools) (Germany v Poland), Urteil vom 26. April 1928, PCIJ Reports Series A, No. 15.

[10] IGH, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany /Netherlands), (Federal Republic of Germany /Denmark), Urteil vom 20. Februar 1969.

[11] IGH, Certain Property (Liechtenstein v Germany), Preliminary Objections, Urteil vom 10.02.2005, ICJ Reports 2005, 6.

[12] IGH, Certain Activities Carried out by Nicaragua in the Border Area (Costa Rica v Nicaragua), Compensation, Urteil vom 02.02.2018, ICJ Reports 2018, 15.

[13] IGH, Dispute Over the Status and Use of the Waters of the Silala (Chile v Bolivia), Merits, including counter-claims of Bolivia, Urteil vom 01.12.2022, ICJ Reports 2022, 614.

[14] ICJ, Costa Rica v Nicaragua (Fn. 12), Rn. 15.

[15] Im Fall Arbitral Award of 3 August 1899 (Guyana v Venezuela) für Guyana und im Fall Legal and Maritime Delimitation and Sovereignty over Islands (Gabon v Equatorial Guinea) für Equatorial Guinea.

[16] Er war von 2003-2008 Mitglied im Fachbeitrat des Instituts, und von 2010- 2023 Mitglied im Kuratorium.

[17] Carl-August Fleischhauer, Die Grenzen der sachlichen Zuständigkeit des Bundeserfassungsgerichts bei der Kontrolle der gesetzgebenden Gewalt, der Staatsleitung und den politischen Parteien, Heidelberg 1960. Das Promotionsrecht steht bekanntlich nur den Universitäten zu, was aber für das MPI kein Problem darstellt, weil alle Direktoren auch immer offiziell in die Universitätslehre eingebunden sind.

[18] Georg Nolte, Beleidigungsschutz in der freiheitlichen Demokratie / Defamation Law in Democratic States, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 105, Heidelberg: Springer 1999.

[19] Georg Nolte, Eingreifen auf Einladung: Zur völkerrechtlichen Zulässigkeit des Einsatzes fremder Truppen in internen Konflikten auf Einladung der Regierung, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 136, Heidelberg: Springer 1999.

[20] 1931 im Streit über die deutsch-österreichische Zollunion und 1933 zur polnischen Agrarreform.

[21] Foto: Privatarchiv Rainer Noltenius.

[22] Siehe: Carlo Schmid, Erinnerungen, 2. Aufl., Stuttgart: Hirzel 2008, 131; Petra Weber, Carlo Schmid. Eine Biographie, Berlin: Suhrkamp 1996, 66 ff. Schmid hatte den StIGH auch zum Thema seiner Habilitationsschrift gemacht: Karl [damals noch dieser Name] Schmid, Die Rechtsprechung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs, Stuttgart: Ferdinand Enke 1932. Von Stauffenberg war von 1929 -1931 Referent am KWI und von 1931-1933 „redigierender“ Sekretär in der Kanzlei des StIGH. 1933 kehrte er ans KWI zurück. Siehe zu Stauffenberg unten Punkt III.

[23] Siehe: Reinhard Rürup/Michael Schüring, Schicksale und Karrieren. Gedenkbuch für die von den Nationalsozialisten aus der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vertriebenen Forscherinnen und Forscher, Göttingen: Wallstein 2008, 239-240.

[24] Friedrich Berber war nur für einen befristeten Aufenthalt am KWI beschäftigt, aber kein Mitarbeiter des Instituts. Siehe: Fritz [Friedrich] Berber, Sicherheit und Gerechtigkeit. Eine gemeinverständliche Einführung in die Hauptprobleme der Völkerrechtspolitik, Berlin: Carl Heymanns Verlag, 1934; Friedrich Berber, Zwischen Macht und Gewissen. Lebenserinnerungen, herausgegeben von Ingrid Strauss, München: C.H. Beck: 1986, 68-69; siehe auch: Katharina Rietzler, Friedrich Berber and the Politics of International Law, MPIL100.de.

[25] IGH, Alleged Breaches of Certain International Obligations in respect of the Occupied Palestinian Territory, Provisional measures, Order vom 30.04.2024.

[26] Foto: Anne Peters.

[27] IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Gutachten vom 09.06.2004, ICJ Reports 2004, 136.

[28] IGH, Jurisdictional Immunities of the State (Germany v. Italy: Greece intervening), Urteil vom 03.02.2012, ICJ Reports 2012, 99.

[29] IGH, Legal Consequences arising from the policies and practices of Israel in the Occupied Palestinian Territory, Including East Jerusalem, Gutachten vom 19.07.2024.

[30] Foto: UN Photo/ICJ-CIJ/Frank van Beek. Bereitgestellt für die editorische Nutzung durch den IGH.

[31] Prof. Frowein hatte mich im Fall Certain Property (Liechtenstein v Germany) bei der Vorbereitung des von ihm zu behandelnden Aspekts der Zuständigkeit des Gerichtshofs einbezogen. In dem Fall ging es bekanntlich um angebliche Entscheidungen Deutschlands, Eigentum von Liechtensteiner Staatsangehörigen, das zu Reparationszwecken nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet worden war, ohne Zusicherung von Entschädigung als deutsches Vermögen zu behandeln. Liechtenstein bezog sich zur Stützung seiner Anträge auf die Benes- Dekrete von 1945, auf deren Grundlage deutsches Vermögen enteignet worden war, das auf dem Staatsgebiet der damaligen Tschechoslowakei belegen war. Vor deutschen Gerichten, insbesondere vor dem Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 28. Januar 1998, war immer die Zulässigkeit der Klage verneint worden mit Blick auf Art. 3 Abs.3 Teil VI des Vertrags über die Regelung von aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen vom 26. Mai 1952. Vor dem IGH scheiterte die Klage Liechtensteins an der Unzuständigkeit des Gerichtshofs. Als Zuständigkeitsgrundlage hatte Liechtenstein sich auf das Europäische Übereinkommen zur Friedlichen Beilegung von Streitigkeiten von 1957 berufen. Da nach diesem Abkommen die Zuständigkeit des IGH nur für Streitigkeiten gilt, die nach Inkrafttreten des Abkommens zwischen den Parteien entstanden sind, im konkreten Fall der 18. Februar 1980. Da der Streit aber auf die Benes-Dekrete von 1945 und nicht auf die spätere deutsche Rechtsprechung zurückging, wies der IGH die Klage wegen mangelnder Zuständigkeit ab.

[32] Wie in mehreren Blogs bereits erwähnt, hatte jeder Referent des Instituts sog. Referatsgebiete zu betreuen, die natürlich regelmäßig wechselten. Dazu gehörte in der Regel mindestens ein Staat und eine internationale Organisation oder Institution. Aufgabe war es, über jede Entwicklung in diesen Referatsgebieten regelmäßig in der montäglichen Besprechung  vorzutragen, was den enormen Vorteil hatte, dass alle Mitarbeiter auf dem neusten Stand von Verfassungsänderungen oder anderen öffentlich-rechtlichen Entwicklungen in nahezu allen Staaten der Welt informiert waren und ebenso über Aktivitäten und Entwicklungen internationaler Organisationen.

[33] Herausgeber waren A. Zimmermann, C. Tomuschat und K. Oellers-Frahm.

[34] Herausgeber dieser Auflage sind A. Zimmermann und C. Tams mit einem Umfang von inzwischen nahezu 2000 Seiten: Die 2. Auflage erschien 2012, herausgegeben von A. Zimmermann, C. Tomuschat, K. Oellers-Frahm und C.J. Tams mit einem Umfang von etwa 1750 Seiten.

English

Personnel and Intellectual Input of the KWI and MPI into the Peace Palace at The Hague

As Jan Klabbers has rightly underlined in his contribution[1], the Kaiser‑Wilhelm‑Institute (KWI) as well as the Max‑Planck‑Institute (MPI) for Comparative Public Law and International Law can be regarded as reservoirs for filling high ranking positions in the international and national domain. Therefore, it does not come as a surprise that among the judges of international courts and tribunals, numerous persons can be found who have been (or are) related to the institute. This blog will investigate this phenomenon with regard to the International Court of Justice (ICJ) and its predecessor, the Permanent Court of International Justice (PCIJ). In the context of the institute’s 100-year anniversary, the relationship between these institutions is of relevance for a number of reasons. On the one hand, they were founded within a very short period of one another and are both devoted to international law, which, at that time, only played a modest role. On the other hand, there is my own personal connection, as the primary focus of my research at the institute centered around this topic. In light of this, I would like to begin by addressing the question of whether judges of these institutions came from the KWI/MPI (I). Subsequently, this article will investigate whether German international lawyers from the institute have acted as counsel or agent in contentious cases or advisory opinions before the PCIJ and the ICJ. This aspect is more difficult to analyze, and can only be presented here exemplarily, since a detailed investigation would go beyond the limits of this blog (II). And thirdly and finally, the “intellectual input” of the institute to the work of the PCIJ and ICJ will briefly be touched on (III).

I. German Lawyers as Judges at the PCIJ and the ICJ

The PCIJ and the ICJ are both composed of 15 permanent judges, each elected for a term of nine years, and no two of whom may be nationals of the same state. (Art. 3, para. 1 of the Statute). In addition, judges ad hoc may be chosen for a particular case by a party which has no judge of its nationality on the bench (Art. 31 Statute). Moreover, all members of the Court (that’s to say all member states of the UN) can present their legal position to a question presented to the Court for delivering an advisory opinion (Art. 66 Statute).

Walther Schücking (left) and Viktor Bruns in Den Haag (undated photo)[2]

With a view to the fact that the United Nations consists of 193 member states, and that the International Court shall assure “the representation of the main forms of civilization and of the principal legal systems of the world” (Art. 9 Statute), the election of the judges is of utmost importance. Without going too heavily into the election details laid down in Arts. 2-19 of the Statute, it remains nevertheless important to explain the preconditions under which German lawyers may be elected to the Court. In this respect, the question of how to achieve candidacy in the first place is highly relevant. The idea that states should present their own candidates, which seems at first glance the most obvious approach, was not accepted (and with good reason), namely, this is because the list of candidates is intended to be, to the highest degree possible, independent from political influence. Accordingly, the agreed upon regulation stipulates that candidates are to be nominated on the basis of a list, that is established by a complicated procedure by the national groups of the Permanent Court of Arbitration (PCA).[3] The election then takes place simultaneously in the Security Council and General Assembly independently of one another (without application of the right of veto in the Security Council). Every three years, one third of the judges are elected, and with re-election being possible (Art. 13).[4] Although no provision exists in this regard, each permanent member of the Security Council has a judge of its nationality on the bench.[5] The remaining ten judges are elected on the basis of quotas, which are accorded to the regional groups determined in the framework of the United Nations in 1963. Since 2017, the allocation of seats, including the judges of the nationality of one of the permanent members of the Security Council, is as follows: Western Europe and Other Countries (WEOC) is represented by four judges, Eastern Europe by two judges, Latin America also by two judges, Asia by four judges and Africa by three judges. As the United States of America are part of the WEOC, only one seat remains for this group to be filled by “free” choice: Three places in this group are reserved to nationals of the permanent members of the Security Council: namely the United States of America, France and the United Kingdom. In 2017, however, the candidate from the United Kingdom was not elected, meaning only the United States and France currently have a judge of their nationality on the bench. The remaining two seats are filled by Australia (Charlesworth) and Germany (Nolte).

The PCIJ, founded in 1922, was the first permanent international court ever. It dates thus earlier than the KWI. During its existence there was only one judge of German nationality on its Bench, namely Walther Schücking, the then Director of the Institute for International Law at Kiel, nowadays the Walther‑Schücking‑Institute. Since 1921 he was listed in the PCA as an eligible ad hoc judge, and in 1931 he was elected judge of the PCIJ. He was unable, however, to fulfill his term of office, because he died in 1935. His seat was not filled by a German lawyer, because Germany had not only left the League of Nations in 1933, but also cancelled its membership in the statute of the PCIJ.[6]

There have been three German lawyers working as judges ad hoc in procedures before the PCIJ: Viktor Bruns[7], Ernst Rabel[8]  and the already mentioned Walther Schücking[9]. Thus, Viktor Bruns was the first German lawyer from the KWI engaged as judge, or, more precisely, judge ad hoc in the PCIJ.

So far, there have been four judges of German nationality at the ICJ: Hermann Mosler (1976 – 1985); Carl‑August Fleischhauer (1994 – 2003); Bruno Simma (2003-2012) and Georg Nolte (since 2021). In the case of Hermann Mosler, his route to judgeship came via his role as a judge ad hoc in the case North Sea Continental Shelf.[10] Similarly, Carl‑August Fleischhauer and Bruno Simma acted before the Court in the capacity of judges ad hoc, but only after their term of office as judge. Fleischhauer, whose term as judge of the ICJ had ended in 2003, was directly afterwards nominated as judge ad hoc by Germany in the case Certain Property, which had been pending before the Court since 2001.[11] At this time, Bruno Simma was already sitting on the bench, but as he had been previously involved in the question at stake in his function as member of the Council for International Law of the Foreign Office, he was prevented from sitting on the bench by Art. 17, para 2 of the Statute. Bruno Simma was later nominated by Costa Rica as judge ad hoc in the case Maritime Delimitation in the Caribbean Sea and the Pacific Ocean.[12] Furthermore, he acted as judge ad hoc nominated by Chile in the case Dispute over the Status and Use of the Waters of the Silala[13] and also, as judge ad hoc nominated by Costa Rica, in the case Land Boundary in the Northern Part of the Isla Portillo.[14]

Besides the three persons who also acted before (as Hermann Mosler did) or after their term of office in the Court as judge ad hoc, the only other lawyer from the MPI to appear acting in the same capacity is Rüdiger Wolfrum, who did not serve as a judge at the ICJ but instead at the International Tribunal of the Law of the Sea. He is currently sitting as judge ad hoc in two cases before the ICJ.[15]

With the exception of Bruno Simma who had never been an official employee of the institute, although he was always closely related to it[16], the other three judges referred to above all came from the institute. When Hermann Mosler was elected as judge of the ICJ, he was also Director of the institute. Carl‑August Fleischhauer had, after passing the second State Examination, served from 1960 onwards as a research fellow at the MPI where he wrote his doctoral thesis. In 1961 he was conferred a doctorate degree at the University of Heidelberg[17].  Shortly afterwards he terminated his employment at the MPI and began an impressive career in the Foreign Office, before, sometime later, he became Under Secretary‑General and Legal Counsel of the United Nations. He remained closely associated with the MPI through his membership in the Kuratorium from 1975 to 2002.

The academic career of Georg Nolte, whose term of office as judge in the ICJ started in 2021, was closely linked to the MPI, a relationship which has continued through his activity in the Kuratorium of the Institute. From 1984 to 1990, alongside his legal preparatory service (Referendarzeit), he also worked on his doctoral thesis and was employed at the institute, where he served from 1992 to 1999 as a research fellow. In 1991, he obtained his doctoral degree under the supervision of his academic mentor Jochen Abr. Frowein, then Director at the institute[18], and, in 1998, was awarded his habilitation degree, once more under the supervision of Frowein.[19]

In light of this information and in the context of the fact that usually only one European lawyer can be elected as judge at the ICJ (besides the three judges of the nationality of the veto-powers United States, France and (until 2017) the United Kingdom), the significant impact of the MPI in forming international lawyers qualified for the highest offices is undeniable.

II. Members of the Institute Acting as Counsel in Proceedings Before the International Court

As is also the case with national legal procedures, the parties in cases before international courts and tribunals are represented by “advocates”, although there is no requirement comparable to the admission of lawyers under national law. Art. 42 of the Statutes states simply that “the parties shall be represented by agents”: These are the contact persons for the Court, and are – for practical reasons -, as a rule, the diplomatic or consular representatives of the parties at The Hague. The agents can – and in general always do – have “the assistance of counsel or advocates” who represent the parties by drafting the pleadings and presenting the parties’ argument in the oral proceedings. Neither the Statute nor the Rules of Procedure of the Court stipulate any details concerning the qualification of these persons. The basic assumption is that states will only entrust this function to “adequately qualified persons”, which, of course, lies in their own interest and has therefore generally been the case in practice. It is at this point that the KWI and the MPI once again come into view, because of their particular focus on international law that is the subject matter of all cases before the International Court.

Among the members of the KWI, which was founded two years after the creation of the PCIJ, it was only Viktor Bruns who served, as mentioned above, in several cases as a judge ad hoc before the PCIJ, and who also acted in two other cases as counsel for Germany.[20]

Viktor Bruns (left) acting as a counsel (undated photo)[21]

From the information on other KWI employees, only Carlo Schmid and Berthold Schenk Graf von Stauffenberg can be identified as having been involved in cases before the PCIJ. Both were involved by Viktor Bruns in the cases referred to above, in which he acted as counsel for Germany.[22] Erich Kaufmann, who served from 1927 to 1934 as academic counsel of the KWI[23], and his assistant Friedrich Berber[24],  also acted as counsel before the PCIJ, but had no official affiliation to the KWI.

Coming now to the involvement of former (and current) lawyers from the MPI as counsel (not just for Germany) in procedures before the ICJ, the situation is more impressive. Prof. Frowein, for example, has acted as counsel for Germany in the case Certain Property (Liechtenstein v. Germany) and was involved in the case Land and Maritime Boundary Between Cameroon and Nigeria (Cameroon v Nigeria), but resigned from his appointment during the proceedings. In the advisory opinion concerning the question of the independence of Kosovo he presented the legal position of Albania. The present director of the MPI, Anne Peters, was part of the team representing the legal position of Germany in the case Nicaragua v Germany[25]; in which until now, only an order on the request for interim protection has been delivered, meaning she remains involved in this case.

Agents of Germany in the case „Nicaragua v Germany“ (from left to right): Paolo Palchetti, Samuel Wordsworth, Anne Peters, Christian J. Tams[26]

With regard to former members of the institute, mention has to be made of Michael Bothe, who represented in 2003/2004 the League of Arab States in the advisory opinion on the Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory[27].

Equally of note, is Christian Tomuschat, who acted as counsel for Germany in the Immunities case between Italy and Germany[28].  There is, however, a former member of the MPI who occupies an outstanding position in this respect: He acted (or continues to act) in 16 cases as counsel for one of the parties and is thus regarded as a member of the “bar”, the “permanent advocacy” of the ICJ, which does, however, not exist as an “official” organ. It would be going too far to list here all these cases, and may thus be sufficient to name only those that are still pending or have been decided very recently. Noteworthy are the still‑pending advisory opinion concerning the Obligations of States in respect of Climate Change; the (second) case concerning Questions of jurisdictional Immunities of the State and Measures of Constraint against State-owned Property (Italy v Germany); as well as the case concerning the Arbitral Award of 3 October 1899 (Guyana v Venezuela). Both are still pending, with the latter being the case in which, as was already mentioned, Rüdiger Wolfrum is the judge ad hoc nominated by Guyana. Finally, the only recently concluded very important advisory opinion on the Legal Consequences arising from the Policies and Practices of Israel in the Occupied Palestinian Territory, Including East Jerusalem,[29] in which Andreas Zimmermann acted as counsel for the government of the State of Palestine.

Impressive: The opening of the hearings in the case “Bahrain, Egypt, Saudi Arabia and United Arab Emirates v Qatar” in 2019[30]

Typically, the counsels are assisted by researchers from the institute (or their chair) in drafting pleadings and memorials and preparing for the oral proceedings. Sometimes, they even have the privilege of accompanying the counsel to the oral proceedings in The Hague, which is, of course, a real highlight for those involved. From my own experience[31], I can say that participating in a case in the impressive premises of the Peace Palace at The Hague is an unforgettable experience. Equally impressive are the details of the actual proceedings: For example, great emphasis is placed on maintaining a strict separation between the parties and their counsels and the representatives and agents of the other party, which, for example, entails taking certain precautions for coffee breaks, office allocations, and so on. Furthermore, full commitment is required because, as a rule, only the evening and night hours are available for preparing an adequate response after the oral presentation of the opposing party or to questions from the judges after one’s own pleading.

III. Intellectual Input Towards the Work of the International Court

Finally, mention should be made of the “intellectual input” of the KWI and MPI to the work of the (Permanent) Court of International Justice. It would be impossible here, however, to address the countless academic publications devoted to the Court and its jurisprudence, so instead I wish only to draw attention to one publication in particular, which, according to information from the Court, is obviously present on the desk of every judge: Namely, the Commentary on the Statute of the Court, a publication that Andreas Zimmermann and myself developed during our common time at the institute. Like all legal texts, the Statute and the Rules of Procedure of the Court are not only open to, but also in need of interpretation. Therefore, it is important that the interpretation of the provisions by the Court itself is documented and critically analyzed. In this respect, it is well known that commentaries are a particularly effective means of continuously updating and analyzing these developments, and are, moreover, a form of publication that German legal academia is renowned for. The first commentary on the Statute and Rules of Procedure of the Permanent Court of International Justice was published in 1934 by the KWI and also follows this tradition. Only in the preface is it mentioned that the bulk of the work of the publication was done by Berthold Graf Schenk von Stauffenberg, who is, however, not mentioned as the author of the commentary, and who essentially carried out this work during his time as an associate in the Registry of the PCIJ.

In this edition of the commentary from the MPIL library, not just the preface, but also a handwritten note points to Berthold Graf Schenk von Stauffenberg, even if his name is misspelled with only one “f”.

This first commentary was published in French, one of the two official languages of the Court. It is 498 pages long and analyzes the provisions of the Statute and the related Rules of Procedure by first referring always to the history of the provisions, and then to the practical application in the jurisprudence of the Court. This commentary was written essentially by only one person alone – a fact that remains truly remarkable. It was a long time before the 1934 publication found a successor. When Hermann Mosler was elected judge at the ICJ, he raised the idea that the MPI should continue the tradition of publishing a commentary, addressing myself in particular, as at that time I was officially responsible for the “ReferatInternational Court of Justice.[32] It was, however, immediately obvious that a single person alone could not execute this task, and it would instead require a larger team to manage the project. The idea remained on the agenda but could only be realized when Andreas Zimmermann developed an idea for its implementation, whereby the MPI would no longer be held as the main responsible organ, and the commentary would instead be enacted as a “free” publication under the responsibility of the editors. The first edition[33] appeared in 2006, a remarkably long time after Stauffenberg’s commentary. Altogether, nearly 50 authors from all over the world could be engaged to comment on the articles of the Statute on the basis of the jurisprudence of the Court. The outcome was a book edited by Oxford University Press in English counting roughly 1580 pages. Since then, a new edition was published about every five years, the most recent of which is the third edition from 2019[34]. Work on the fourth edition is already underway. The team of editors has changed over time, but the permanent active driving force is still Andreas Zimmermann. In this regard, mention should also be made of his excellent team at the University of Potsdam, who do an inestimable job in the production of the manuscript.

IV. Final Remark

This summary of the rather remarkable role that former and present researchers of the KWI and MPI have played – and still play – in the PCIJ and the ICJ demonstrates the importance of procuring knowledge in all fields of international law, a task that can be performed by universities, but is most effectively carried out by research institutions like the MPI. In light of the expansion of international law into areas that were once considered purely domestic affairs, the role of institutions like the MPI is more important than ever before. The activities of such organizations have an impact not only with regard to the ICJ, but also through the role of researchers from the MPI sitting in other international courts and tribunals, such as the European Court of Human Rights, the European Court of Justice, the International Tribunal for the Law of the Sea and numerous international arbitral tribunals. That this tradition of the MPI be continued seems of utmost significance in the present world: International law is playing an increasingly important role on the global stage and, as a consequence, so too are the organs created for guaranteeing its implementation.

Translation from the German original: Karin Oellers-Frahm/Callum Hanks.

[1] Jan Klabbers, Gazing at Europe: The Epistemic Authority of the MPIL, MPIL100.de

[2] Photo: AMPG, Bruns, Viktor, II_1.

[3] The Permanent Court of Arbitration, which was founded by the Convention of 1899 on the Peaceful Settlement of Disputes, is essentially made up of a list of lawyers to which each member State may nominate four persons who may be called upon to sit as judge in an arbitration procedure. These national groups have the right to propose candidates to be elected as judge at the International Court. Each national group may propose four persons, only two of whom may be of the nationality of the proposing group. For those states that are not parties to the Permanent Court of Arbitration, a corresponding alternative solution has been provided for.The German national group is currently composed of Doris König, Stefan Oeter (a former researcher at the Institute), Anne Peters (current Director at the MPIL), and Andreas Zimmermann (also a former researcher at the MPIL).

[4] Also, judges ad hoc who are nominated by a state which has no judge of its nationality on the bench in a particular case, should “preferably” be chosen from among the persons of the national groups of the PCA (Art. 31 para 2 Statute). It is, however, not required that they are of the nationality of the nominating State.

[5] An exception to this tradition occurred, however, in 2017 when the candidate of the United Kingdom was not elected, and again in 2023, when the Russian candidate was not elected.

[6] It is interesting to note, in this context, that Walther Schücking resisted the government’s request to give up his seat.

[7] PCIJ,  Jurisdiction of the Courts of Danzig (Pecuniary Claims of Danzig Railway Officials who have Passed into the Polish Service, against the Polish Railways Administration), Advisory Opinion of 3 March 1928, PCIJ Reports, Series B, No. 15; PCIJ, Access to, or Anchorage in, the Port of Danzig of Polish Vessels, Advisory Opinion of 11 December 1931, PCIJ Reports Series A/B, No. 43; PCIJ, Treatment of Polish Nationals and other Persons of Polish Origin or Speech in the Danzig Territory, Advisory Opinion of 4 February 1932, PCIJ Reports Series A/B, No. 44.

[8] PCIJ, Certain German Interests in Polish Upper Silesia (Germany v Poland), Judgement of 25 August 1925, Preliminary Objections, PCIJ Reports Series A, No. 6 and Judgement of 25 May 1926, Merits, PCIJ Report Series A, No. 7; PCIJ, Factory of Chorzów (Germany v Poland), Judgement of 16 December 1927, Measure of Interim Protection, PCIJ Reports Series A, No. 13 and Judgement of 13 September 1928, Merits, PCIJ Reports Series A, No. 17.

[9] PCIJ, S.S. Wimbledon (United Kingdom, France, Italy & Japan v. Germany), Judgment of 17 August 1923, PCIJ Reports Series A, No. 1; PCIJ, Rights of Minorities in Upper Silesia (Minority Schools) (Germany v Poland), Judgement of 26 April 1928, PCIJ Reports Series A, No. 15.

[10] ICJ, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany v Netherlands) and (Federal Republic of Germany v Denmark), Judgment of 20.02.1969, ICJ Reports 1969, 3.

[11] ICJ, Certain Property (Liechtenstein v Germany), Preliminary Objections, Judgment of 10.02.2005, ICJ Reports 2005, 6.

[12] ICJ, Certain Activities Carried out by Nicaragua in the Border Area (Costa Rica v Nicaragua), Compensation, Judgment of 02.02.2018, ICJ Reports 2018, 15.

[13] ICJ, Dispute Over the Status and Use of the Waters of the Silala (Chile v Bolivia), Merits, including counter-claims of Bolivia, Judgment of 01.12.2022, ICJ Reports 2022, 614.

[14] ICJ, Costa Rica v Nicaragua (Fn. 12), para. 15.

[15] In the cases Arbitral Award of 3 August 1899 (Guyana v Venezuela), nominated by Venezuela, and in Legal and Maritime Delimitation and Sovereignty over Islands (Gabon v Equatorial Guinea), nominated by Equatorial Guinea.

[16] From 2003 to 2008 he was member of the Fachbeirat of the Institute, and from 2010 to 2023 a member of the Kuratorium.

[17] Carl-August Fleischhauer, Die Grenzen der sachlichen Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts bei der Kontrolle der gesetzgebenden Gewalt, der Staatsleitung und den politischen Parteien, Heidelberg: Univ. Diss. 1960. The right to confer doctoral degrees is conferred to the universities alone, which does not, however, constitute a problem for the MPIL, because its directors are always officially integrated into the University.

[18] Georg Nolte, Beleidigungsschutz in der freiheitlichen Demokratie / Defamation Law in Democratic States, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Vol. 105, Heidelberg: Springer 1999.

[19] Georg Nolte, Eingreifen auf Einladung: Zur völkerrechtlichen Zulässigkeit des Einsatzes fremder Truppen in internen Konflikten auf Einladung der Regierung, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Vol. 136, Heidelberg: Springer 1999.

[20] 1931 in the case concerning the Customs Regime Between Germany and Austria; 1933 in the case concerning the Polish Agrarian Reform.

[21] Photo: Private Archive of Rainer Noltenius.

[22] Cf. Carlo Schmid, Erinnerungen, 2nd. Edition, Stuttgart: Hirzel 2008, 131; Petra Weber, Carlo Schmid. Eine Biographie, Berlin: Suhrkamp 1996, 66 ff. Schmid had also chosen the PCIJ as the subject of his doctoral thesis: Karl [in those days he still used this name] Schmid, Die Rechtsprechung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs, Stuttgart: Ferdinand Enke 1932. Von Stauffenberg served from 1929 to 1931 as Research Fellow at the KWI and from 1931 to 1933 as “editing” Secretary in the Registry of the PCIJ. 1933 he returned to the KWI. See also infra III.

[23] Cf. Reinhard Rürup/Michael Schüring, Schicksale und Karrieren. Gedenkbuch für die von den Nationalsozialisten aus der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vertriebenen Forscherinnen und Forscher, Göttingen: Wallstein 2008, 239-240.

[24] Friedrich Berber was only employed at the KWI for a limited period, but never had an official function at the KWI. Cf. Fritz [Friedrich] Berber, Sicherheit und Gerechtigkeit. Eine gemeinverständliche Einführung in die Hauptprobleme der Völkerrechtspolitik, Berlin: Carl Heymanns Verlag, 1934; Friedrich Berber, Zwischen Macht und Gewissen. Lebenserinnerungen, edited by Ingrid Strauss, Munich: C.H. Beck: 1986, 68-69. Cf., also, Katharina Rietzler, Friedrich Berber and the Politics of International Law, MPIL100.de.

[25] ICJ, Alleged Breaches of Certain International Obligations in respect of the Occupied Palestinian Territory, Provisional measures, Order of 30.04.2024.

[26] Photo: Anne Peters.

[27] ICJ, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Advisory Opinion of 09.06.2004, ICJ Reports 2004, 136.

[28] ICJ, Jurisdictional Immunities of the State (Germany v. Italy: Greece intervening), Judgment of 03.02.2012, ICJ Reports 2012, 99.

[29] ICJ, Legal Consequences arising from the policies and practices of Israel in the Occupied Palestinian Territory, Including East Jerusalem, Advisory Opinion of 19.07.2024.

[30] Photo: UN Photo/ICJ-CIJ/Frank van Beek. Made available for editorial use by the ICJ.

[31] I had the privilege of assisting Prof. Frowein in the case Certain Property (Liechtenstein v Germany) in preparing the memorial and the oral pleading on the aspect attributed to him, namely the question of the jurisdiction of the Court. The case concerned alleged decisions of Germany to treat certain property of Liechtenstein nationals as German assets having been seized after the Second World War for the purposes of reparation without ensuring any compensation. Liechtenstein based its claims on the Benes Decrees of 1945 according to which German property located on the territory of what was then Czechoslovakia, was seized. Before German courts, and in particular before the German Constitutional Court in its judgment of 28 January 1998, the claims were regularly dismissed as inadmissible on the basis of Art. 3, para 3, Part VI, of the Convention on the Settlement of Matters Arising out of the War and the Occupation of 26 May 1952. The claim was dismissed by the ICJ for lack of jurisdiction. As its jurisdictional bases Liechtenstein invoked the European Convention for the Peaceful Settlement of Disputes of 29 April 1957. As, according to this Convention, the jurisdiction of the Court only exists for disputes related to facts or situations that arose after the entry into force of the Convention between the parties, namely 18 February 1980. The Court dismissed the case because the real cause of the dispute was not to be found in the German Courts’ decisions, but in the Benes Decrees and the Settlement Convention dating before the entry into force of the Settlement Convention between Germany and Liechtenstein.

[32] As has already been mentioned in several contributions, each research fellow of the MPIL was responsible for so-called Referate, which, of course, changed from time to time. As a rule, the Referate covered at least one state as well as an international organization or institution. Their task was to present during the Monday sessions, any relevant development in their fields, which had the very welcome side effect for all researchers at the Institute of being kept up to date with the newest constitutional developments (or other aspects of public law) of nearly all countries globally as well as of the activities and developments in international organizations.

[33] Edited by A. Zimmermann, C. Tomuschat and K. Oellers-Frahm.

[34] The editors of this edition are A. Zimmermann and C. J. Tams; the volume has nearly 2000 pages. The second edition was published in 2012, edited by A. Zimmermann, C. Tomuschat, K. Oellers-Frahm and C.J. Tams counting some 1750 pages.

Das Institut und das Auswärtige Amt: Ein Blick in die Akten des Politischen Archivs für die Jahre 1924-1994

Eine „enge langjährige Beziehung“.[1] So bezeichnete der damalige Leiter der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes (AA) in einem Schreiben vom 5. August 1974 die Beziehung seines Hauses zum Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (heute abgekürzt mit dem seit etwa 2005 geläufigen Akronym „MPIL“, das auch in diesem Text gelegentlich, und zuweilen unter bewusster Inkaufnahme von Anachronismen, zur Bezeichnung des Instituts verwendet wird). Mit seinem Brief an die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in New York wollte Carl August Fleischhauer die Beziehung zwischen AA und MPIL noch einen weiteren Schritt vertiefen. Nachdem Deutschland im Jahr zuvor den Vereinten Nationen (VN) beigetreten war, bestand in der Rechtsabteilung ein erhöhter Bedarf, die Praxis der Vereinten Nationen genauer zu verfolgen und zu systematisieren. Wie bereits häufiger in der Vergangenheit erachtete das Amt das Institut als ideale Institution für diese Aufgabe. Daher ersuchte Abteilung V, die Rechtsabteilung, die Ständige Vertretung in New York, relevante Dokumente der VN unmittelbar an das MPIL zur weiteren Bearbeitung zu übermitteln. Das Ersuchen wurde zwar von der Ständigen Vertretung abgelehnt, da man selbst zu wenige physische Kopien der relevanten Beschlüsse und Dokumente erhielt.[2] Der Vorgang zeigt jedoch die wesentliche Bedeutung des MPIL im außenpolitischen Handlungsgefüge Deutschlands und die gegenseitige Wertschätzung von Rechtsabteilung des AA und MPIL.

Die Beziehung zwischen Amt und Institut soll hier auf mehreren Ebenen aufgearbeitet und anhand verschiedener Beispiele dargelegt werden. Hierzu wurden die relevanten Akten aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes gesichtet. Der Beitrag beginnt daher mit einer Zusammenfassung der Quellenlage (I.). Darauf folgt eine aktenbasierte Analyse der verschiedenen Kooperationsfelder über die Zeitläufte der Jahrzehnte bis 1994. Untersucht werden die Beratungs- und Forschungstätigkeit des MPIL im Auftrag des AA (II.), die Kompilation, Archivierung und Systematisierung von völkerrechtlichen Dokumenten durch das MPIL (III.) und die Wissenschaftsaußenpolitik (IV.). Dabei stellt sich im Rahmen der verschiedenen Kooperationsfelder immer wieder die Frage, inwiefern das MPIL vom AA unabhängige Forschung betrieb beziehungsweise betreiben konnte und welche Natur die Beziehungen zwischen AA und MPIL hatten. Ein gesonderter Abschnitt widmet sich daher dieser Frage im Querschnitt (V.). Abschließend soll ein Ausblick dazu erfolgen, welche Aspekte der historischen Beziehung zwischen MPIL und AA für die zukünftige Beziehung bedeutsam sind (VI.).

I. Quellenlage: Das Politische Archiv des Auswärtigen Amts

Das Auswärtige Amt in der Wilhelmstraße (1937)[3]

Für den Zeitraum 1924 bis 1940 wurde im Politischen Archiv durchgehend eine Akte zum Institut für ausländisches öffentliches Recht beziehungsweise (ab 1935) Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht geführt (Az.: R 54245 (1924-1933); R 54246 (1933-1937); R 43147 (1937-1940); R 43148 (1940)). Dort finden sich die gebündelte Kommunikation mit dem Institut und die relevanten Dokumente des Instituts, wie zum Beispiel die Denkschriften zu seiner Gründung und die Protokolle des akademischen Beirats. Für den Zeitraum zwischen 1941 und 1945 sind keine Akten aufzufinden. Hierfür konnte ich keine Erklärung finden – eine Vernichtung oder sonstiger Verlust der Akten sind nicht vermerkt worden.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde nicht mehr eine beständige Akte zum MPIL geführt. Die Kommunikation mit dem MPIL taucht vielmehr themenbezogen in unterschiedlichen Gebieten auf. Die jüngste Akte reicht bis 1994.

II. Beratungs- und Forschungstätigkeit im Auftrag des AA

Institutsdirektor Viktor Bruns an seinem Schreibtisch im Institut 1936[4]

Aus Perspektive des AA bilden völkerrechtliche Beratungstätigkeit des MPIL und beauftragte Forschungsarbeit die zentralen Aspekte der Zusammenarbeit. Bereits in der Denkschrift zur Errichtung eines Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht von Staatsminister a.D. Friedrich Saemisch wird das zu gründende Institut als zentrale Stelle für den völkerrechtlichen Bedarf der Reichsministerien konzipiert.[5] Der Standort Berlin sei deshalb unerlässlich. Das Institut sollte als zentrale Institution dienen, um bei der „Abwehr unberechtigter Kriegsansprüche“ die Ministerien und insbesondere das AA in ihrer Praxis zu beraten.[6]

In Erfüllung dieses Auftrags wurden am Institut insbesondere Gutachten zu verschiedenen Fragen des Völkerrechts verfasst, die für die außenpolitische Praxis Deutschlands relevant waren. Dabei vertrat das Institut in dem hier untersuchten Zeitraum (1924 bis 1994) in der Regel staatsnahe Thesen, die den außenpolitischen Interesse Deutschlands weitestgehend entsprachen. Die genaue Anzahl an Gutachten ist nicht bekannt. Diese wurden auch nicht einheitlich, sondern themenbezogen im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts archiviert und konnten daher nicht umfassend ausgewertet werden. Einige Kolleginnen und Kollegen haben auf diesem Blog bereits einzelne Gutachten näher erörtert.[7]

Einen wesentlichen Aspekt der Beratungstätigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg bildete die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Das Institut war direkt von Beginn der Verhandlung an in die Pläne der Schuman-Kommission eingeweiht. Alle relevanten Dokumente wurden unmittelbar an das Institut weitergeleitet, das diese aufarbeiten und systematisieren sollte.[8] Im Zuge dessen fragte das AA immer wieder einzelne Aspekte nach. Zum Beispiel bat Hermann Mosler, der damalige Leiter der Rechtsabteilung, im Jahr 1952 den seinerzeitigen Direktor Carl Bilfinger um die Zusammenstellung und Übersendung der relevanten Dokumente und wissenschaftlichen Beiträge zur Montanunion.[9]

Ein zweiter Aspekt der Beratungstätigkeit in der Nachkriegszeit war die Abwehr von Entschädigungsansprüchen und Strafverfolgung für die Verbrechen des Deutschen Reichs. Im Auftrag des AA erstellte Carl Bilfinger mehrere Berichte über die aktuellen Entwicklungen in Großbritannien zum Strafausschließungsgrund des Handelns auf Befehl.[10] Weiterhin erstellte Carl Bilfinger ein Gutachten dazu, weshalb Maßnahmen gegen das deutsche Eigentum in Palästina rechtswidrig seien.[11]

III. Kompilation, Archivierung und Systematisierung von völkerrechtlichem Material

Eng mit der Beratungsfunktion ist die Kompilations- und Archivierungsfunktion des MPIL verbunden. Das Institut begann unmittelbar nach seiner Errichtung damit, die völkerrechtliche Praxis des Deutschen Reiches und später der Bundesrepublik Deutschland (BRD) zu dokumentieren. Ein wesentlicher Teil der Aktenbestände im Politischen Archiv sind Anfragen der jeweiligen Direktoren an die Rechtsabteilung mit der Bitte um Übersendung von völkerrechtlich relevantem Material.[12] Diesen Anfragen wurde durchgehend entsprochen.

Die Kompilationsarbeit wurde von einer Systematisierungsarbeit begleitet. In der Denkschrift des ersten Direktors Viktor Bruns zur Institutsgründung wird die Unübersichtlichkeit der „tausenden Staatsverträge“ hervorgehoben, die durch das Institut geordnet werden sollen.[13]

Die Ergebnisse dieser Systematisierung wurden mit dem AA geteilt. Im Jahr 1940 – dem zweiten Kriegsjahr – wurden in regelmäßigen Abständen Berichte über das Prisenrecht und die wirtschaftlichen Maßnahmen gegen Deutschland übersandt.[14] Es ist anzunehmen, dass diese Berichterstattung auch nach 1940 fortgeführt wurde. Für diesen Zeitraum liegen jedoch keine Akten vor.

Die bedeutendste Zusammenarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg war das große Systematisierungsprojekt zur Erfassung und Auswertung der deutschen völkerrechtlichen Praxis. Nachdem Hermann Mosler aus dem AA an das Institut gewechselt war, begannen Arbeiten zur Aufarbeitung der völkerrechtlichen Praxis.[15] Diese war laut Mosler notwendig, da durch die zwei Jahrzehnte der Weltkriege eine Systematisierung nicht habe verfolgt werden können.[16] Mit der Nachholung dieser Erfassung strebte Hermann Mosler eine Reintegration Deutschlands in die Staatengemeinschaft an, wie sie Felix Lange eingehend beschrieben hat.[17] Staatssekretär Walter Hallstein bekundete, nicht überraschend, persönliches Interesse an diesem Projekt und förderte es entsprechend.[18] Das systematische Werk zur deutschen völkerrechtlichen Praxis sollte ein wichtiger Beitrag zur deutschen Außenpolitik sein.

Walter Hallstein, Hermann Mosler, Hans Dölle 1961 am Institut anlässlich Hallsteins Vortrag „Die EWG politisch gesehen“ [19]

Der Vertrag hierzu zwischen Amt und Institut wurde am 15. Juli 1955 unterzeichnet.[20] Das Institut erhielt für seine Dienste einen monatlichen Betrag und eine Referentenstelle. Ein wesentlicher Aspekt der Systematisierungsarbeit war die Auswertung von völkerrechtlichem Material im AA.[21] Hierzu wurde stets ein Mitarbeiter des Instituts nach Bonn gesandt, der die Akten auswertete und für das Heidelberger Institut rezipierte.[22] Weiterhin wurden die Auslandsvertretungen per Runderlass V 1 – 89.07/2 darum gebeten, die völkerrechtlichen Verträge ihrer Gaststaaten zu sammeln und über die Rechtsabteilung an das Institut zu übersenden.[23]

Im Verlauf des Projekts gab es dabei immer wieder Koordinationsbedarf. Das Institut fragte zwischenzeitlich nach mehr Personal.[24] Zeitweise war die Freigabe bestimmter Dokumente kompliziert.[25]

Mehrfach wurde das Projekt verlängert.[26] 1969 wurde die Kompilierung von Verträgen durch die Auslandsvertretungen jedoch eingestellt, da die zur Erfassung vorgesehene Vertragskartei im MPIL nicht funktionierte und es daher nicht zu einer Auswertung und Systematisierung der Verträge im Institut kam.[27] Das Systematisierungsprojekt wurde indes niemals förmlich beendet. Eine vorgesehene Abschlusspublikation über die völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik wurde nie erstellt. Zwar erschienen über einen geraumen Zeitraum hinweg wiederkehrende Aufsätze über die völkerrechtliche Praxis der BRD in der Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Diese entsprachen jedoch nicht der ursprünglich anvisierten Publikation einer umfassenden Monographie.

IV. Wissenschaftsaußenpolitik

Rudolf Dolzer mit einer Ausgabe der Enzyklopädie 1982[28]

Das Institut wurde auch jenseits seiner wissenschaftlichen Rolle und Bedeutung als einflussreicher Akteur im außenpolitischen Handlungsgefüge des Deutschen Reichs und der BRD tätig. Diese Wissenschaftsaußenpolitik erstreckte sich auf mehrere Felder.

Zunächst vermittelte das Institut Kontakte zwischen dem AA und ausländischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Im Jahr 1927 stellte Viktor Bruns beispielsweise den amerikanischen Völkerrechtler Manley O. Hudson im AA vor.[29] Auch der Bibliothek kam eine bedeutende Rolle in der Kontaktpflege und der Verbreitung deutscher Staatenpraxis zu. Durch ihre Kontakte mit ausländischen Bibliotheken übermittelte sie deutsche Noten und Verträge zur dortigen Erforschung. Insbesondere die Beziehung zur Widener Library an der Harvard University veranlasste regelmäßige Nachfragen beim AA zur Überlassung von deutschen Stellungnahmen und Verträgen.[30] Diese wurden über die Institutsbibliothek an deren Partnerinstitutionen weitergeleitet.

Ein weiteres zentrales Instrument der Wissenschaftsaußenpolitik war die Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV). Die Zeitschrift besteht seit 1929 und untersucht in breitem Umfang Fragen des Völkerrechts und des ausländischen öffentlichen Rechts. Seit den ersten Bänden zeigte das AA großes Interesse an ihrer Verbreitung auch im Ausland. Mit Runderlass V 5183 vom 18. Dezember 1930 machte das AA seine Auslandsvertretungen auf die neue Publikation aufmerksam und regte ihre Verbreitung an.[31] In Reaktion auf den Runderlass baten die Auslandsvertretungen in Stockholm, Budapest, Zürich, Madrid, Washington, London, Chicago und Bukarest um die Überlassung von Probeexemplaren und gaben teilweise Adressen und Kontaktpersonen in ihren Gaststaaten an, um die direkte Übersendung zu ermöglichen.

Aufgrund dieser wissenschaftsdiplomatischen Bedeutung nahm das Auswärtige Amt bereits früh auf die Publikationsgrundsätze der Zeitschrift Einfluss. Mit Schreiben vom 25. August 1930 wurde Direktor Bruns darum gebeten, das AA zu konsultieren, bevor zu schwierigen Fragen in der ZaöRV publiziert wird.[32]

Die wissenschaftsdiplomatische Rolle der ZaöRV intensivierte sich nach 1933. Mit dem Ziel, die Zeitschrift und damit auch deutsches völkerrechtliches Denken im Ausland zu verbreiten, wurde die ZaöRV ab Juli 1934 durch das AA subventioniert.[33] Vorherige Anfragen nach einer Subventionierung waren noch abgelehnt worden.[34] Nun konnte der Verlag De Gruyter die Kosten pro Heft absenken. In seiner Ankündigung der Preissenkung an die Leserschaft vom 27. September 1934 wurde auf die Subvention durch das AA jedoch nicht hingewiesen.[35] Die Subventionierung wurde bis mindestens 1940 fortgesetzt.[36] Entsprechend intensivierten sich auch die Einwirkungen auf die Publikationslinie. Auf Nachfrage von Viktor Bruns vom 23. Oktober 1935 sprach sich das AA gegen die Veröffentlichung eines Manuskripts zu Fragen der deutschen Minderheit in Südtirol aus. Als Begründung wurde seitens des AA vorgetragen, dass die darin vertretene Auffassung Deutschland schade.[37]

Das AA förderte auch Forschungsreisen einzelner Institutsmitglieder, sowohl durch seine Auslandsvertretungen als auch finanziell. Die Botschaften in Stockholm[38] und London[39] vermittelten bereits in den späten 1920er Jahren Kontakte an Institutsmitglieder, die sich zur Erforschung der dortigen Rechtslage länger im Ausland aufhielten.

Carl August Fleischhauer als Referent im Institut. Mit Bundesverfassungsgerichtspräsident Gebhard Müller, Hermann Mosler bei dem Kolloquium „Verfassungsgerichtsbarkeit der Gegenwart“ 1961 im Institut[40]

1976 reiste der damalige Referent Michael Bothe nach Argentinien und Paraguay. Seine Vortragsreise wurde durch die DFG finanziert, nachdem das AA durch den Abteilungsleiter Fleischhauer auf Bitten von Bothe für diese Finanzierung geworben hatte.[41] In Argentinien hatte Anfang 1976 ein Putsch stattgefunden, sodass im August 1976 eine Militärregierung amtierte. Die wissenschaftlichen Kontakte waren daher eine der wenigen Formen, um auch mit der Zivilgesellschaft zu interagieren. Auf Veranlassung der Rechtsabteilung[42] gaben die Botschafter in Buenos Aires und Asunción Abendessen für Bothe. Der Botschafter in Argentinien berichtete daraufhin von dem gelungenen Abend und der gewinnbringenden Interaktion mit den Wissenschaftler*innen vor Ort.[43]

Weiterhin begrüßte das AA die Teilnahme von Institutsmitgliedern an internationalen Konferenzen. Das AA erbat sich regelmäßige Berichte über die jeweiligen Konferenzen, wenn Institutsmitglieder diese mit Kenntnis des Amtes besuchten. So zum Beispiel hinsichtlich einer Konferenz zum Humanitären Völkerrecht im Nachgang der Genfer Konvention[44] oder einer Konferenz zum HVR in den 1970er Jahren.[45]

Das Institut wurde zudem auch aktiv in die Vorbereitung von diplomatischen Konferenzen einbezogen, wie zum Beispiel im Vorfeld der Wiener Vertragsrechtskonvention. Insbesondere wurden Publikationstätigkeiten der Referenten angeregt. Nachdem die Völkerrechtskommission im Jahr 1966 einen Entwurf für die spätere WVK vorstellte, fand am 27. Februar 1967 eine Besprechung zwischen dem AA und dem MPIL statt.[46] Seitens des AA wurden Publikation und eingehende Analyse des Vertragsentwurfs angeregt. Die Aufsatzentwürfe sollten dem AA vorab zugeleitet werden, sodass die Regierungsstellungnahme hierauf aufbauend vorbereitet werden könnte. Dieser Bitte kamen die damaligen Referenten Rudolf Bernhardt, Christian Tomuschat, Michael Bothe, Jochen Frowein, Karl Doehring und Wilhelm Karl Geck nach. Bereits am 24. Januar 1967 hatten das AA und das Institut gemeinsame Bearbeitungsgrundsätze für diese Zusammenarbeit festgehalten.[47] Die Themenvorschläge durch die MPIL-Referenten wurden durch das AA kommentiert und Hinweise gegeben. Die Publikationen erfolgten daraufhin überwiegend in der ZaöRV und teilweise auch in anderen internationalen Fachzeitschriften.

Darüber hinaus wurde die Max Planck Encyclopedia of Public International Law (MPEPIL), die von Rudolf Bernhardt begründete und durch das Institut herausgegebene Enzyklopädie des Völkerrechts, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs vielfach als Gastgeschenk auf Reisen des AA verschenkt. Bekannt sind dezidierte Anfragen der Botschaften in Luanda[48] und Tirana[49], die erbaten, dass im Rahmen von Besuchsreisen die MPEPIL verschenkt werden sollte. In den Akten wird jedoch darauf verwiesen, dass es in den frühen 1990er Jahren ohnehin durchaus üblich war, dass die Enzyklopädie als offizielles Geschenk übergeben wurde.

V. Grad der Wissenschaftsfreiheit

Die Unabhängigkeit des Instituts vom Staat und insbesondere vom AA war bereits zu Beginn seiner Tätigkeit eine herausragende Frage. Einem Vermerk vom 11. Februar 1925 über ein Gespräch zur Institutsfinanzierung im Reichsfinanzministerium ist dabei zu entnehmen, dass das AA grundsätzlich eine Autonomie des Instituts annahm: Auf die Aufforderung, mehr Geld für das Institut aus dem AA-Budget bereitzustellen, erwiderte das AA, dass das Institut unabhängige wissenschaftliche Arbeit leisten und sich daher autonomer finanzieller Quellen bedienen solle.[50] Eine zu starke finanzielle Abhängigkeit vom AA sei daher abzulehnen.

Diese Linie institutioneller Distanz wurde jedoch spätestens ab Ende der 1920er Jahre nicht mehr eingehalten. In einem Vermerk über die Kuratoriumssitzung des Instituts vom 18. Juli 1930 erläutert der zuständige Referent im AA, dass er die Interessen des AA bekannt gemacht habe. Er habe: „in vorsichtiger Form die Bitte ausgesprochen, bei Themen von aktueller politischer Bedeutung mit dem Amt Fühlung zu nehmen.“[51] In Vollzug dessen wurde beispielsweise mit Schreiben vom 17. November 1932 darauf hingewiesen, dass ein ZaöRV-Beitrag an zwei Stellen falsch sei („Ich möchte aber nicht unterlassen, Ihnen gegenüber zum Ausdruck zu bringen, daß mir zwei Stellen darin nicht angenehm aufgefallen sind.“)[52] Das AA regte an, dass im Vorfeld kritischer Äußerungen zur Regierungspraxis des Deutschen Reichs das Amt konsultiert werden solle.

Ab 1933 wurden die Beeinflussungsmechanismen stärker. Beispielsweise ließ sich Viktor Bruns ein Antwortschreiben an einen amerikanischen Kollegen über den Ypiranga-Fall, der die Blockade eines deutschen Schiffs betraf, vor Übersendung durch das AA genehmigen.[53]   Darüber hinaus wurde die Neuauflage eines in der Schriftenreihe des Instituts herausgegeben Buches eines jüdischen Autors von Bruns abgelehnt, nachdem das AA dieser Publikation widersprochen hatte.[54] Die ZaöRV wurde in dieser Zeit, wie oben skizziert, gezielt zur Verbreitung nationalsozialistischer Völkerrechtsideen eingesetzt.

Mit Blick auf das große Systematisierungsprojekt der Nachkriegszeit kam die Frage nach der Unabhängigkeit wieder auf. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen unterbreitete das AA dabei den Vorschlag, dass die Bearbeitungen vor ihrer Publikation dem AA vorgelegt werden sollten. Nach langer Überlegung widersprach Hermann Mosler diesem Vorschlag, unter Verweis auf die Wissenschaftsfreiheit.[55] Eine klassische Vorlagepflicht wäre mit der Unabhängigkeit des wissenschaftlichen Projekts nicht vereinbar, so Mosler.

In diesem Sinne hat sich das Institut im Laufe der Zeit deutlich vom AA distanziert und seine Wissenschaftsfreiheit stärker reflektiert und forciert. Anhand der Akten des Poltischen Archivs ist diese Entwicklung jedoch nicht umfassend nachvollziehbar, da es keine zentrale Sammlung des Schriftverkehrs mit dem MPIL für die Zeit ab 1945 gibt.

VI. Eine enge langjährige Beziehung

Alte Bekannte: Erich Kaufmann, Ellinor von Puttkamer und Hedwig Kaufmann 1970 anlässlich der Amtseinführung von Rudolf Bernhardt im Institut. Puttkamer wurde 1969 als erste deutsche Frau zur Botschafterin ernannt. Von 1936 bis 1945 war sie Referentin am KWI. Kaufmann war von 1927 bis 1933 Wissenschaftliches Mitglied des KWI gewesen und parallel Rechtsberater des Auswärtigen Amtes wie abermals von 1950 bis 1958[56]

Die Beziehung zwischen AA und MPIL spiegelt zu einem gewissen Grad die deutsche Geschichte und die Entwicklung der Wissenschaftsfreiheit in Deutschland. Das Institut wurde sehr staatsnah gegründet und sollte mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden und Publikationen die außenpolitischen Ziele Deutschlands fördern. Die zentralen Institutstätigkeiten waren in der Anfangsphase eng darauf ausgerichtet. Dies zeigt sich insbesondere in der Publikationstätigkeit der ZaöRV, die stark durch das AA beeinflusst war und sich nicht zu problematischen Fragen verhielt, sofern dies potentiell im Widerspruch zur Auffassung der Reichsregierung stand. Diese Entwicklungen verschärften sich nach 1933. In dieser Zeit wurde das Institut im Rahmen der Kriegsvorbereitung und Kriegsführung beratend tätig und seine Zeitschrift zu Propagandazwecken im Ausland eingesetzt. Für die Jahre 1940-45 fehlen jedoch die Akten, was eine kritische Aufarbeitung dieser Phase der Institutsgeschichte erschwert.

Die Staatsnähe setzte sich grundsätzlich nach 1945 fort. Allerdings wurden bereits bei den ersten großen Projekten von MPIL und AA wichtige Trennlinien zwischen Regierung und Wissenschaft gezogen. Die Autonomie der wissenschaftlichen Tätigkeit rückte für das Institut verstärkt in den Mittelpunkt und wurde vom AA zunehmend respektiert. Einwirkungen auf die wissenschaftliche Tätigkeit wurden geringer. Gleichwohl fungierte das MPIL über weite Teile des 20. Jahrhunderts weiterhin als essentielles Glied im außenpolitischen Handlungsgefüge der Bundesrepublik. Seine Referent*innen waren an wichtigen außenpolitischen Vorhaben beratend beteiligt. Die Publikationen und Auftritte seiner Wissenschaftler*innen wurden vom AA fortlaufend gefördert und punktuell in außenpolitische Vorhaben eingebunden.

Der im Politischen Archiv für die Forschung zugängliche relevante Aktenbestand endet derzeit im Jahr 1994. Aufgrund der dezentralen Aktenführung ist jedoch davon auszugehen, dass Interaktionen zwischen AA und MPIL auch an anderen Stellen dokumentiert und so bereits heute in jüngeren Aktenbeständen nachvollziehbar sind.

Der Archivbestand im Politischen Archiv des AA verdeutlich die „enge langjährige Beziehung“ zwischen MPIL und AA, auf die Carl August Fleischhauer bereits 1974 verwies. Die konkrete Ausgestaltung dieser Beziehung hat sich im Verlauf der Jahre geändert und war stark von den jeweils herrschenden politischen Verhältnissen und Thematiken abhängig. Die grundlegende Bedeutung eines völkerrechtlichen Forschungsinstituts, das auch als Ansprechpartner von Bundesbehörden und insbesondere des AA fungiert, blieb hingegen unverändert.

Wie auch in anderen Blogbeiträgen deutlich wird, scheint sich diese Tradition auch nach 1994 fortzusetzen. Mittlerweile stehen indessen neue Kooperationsformate im Mittelpunkt. Die gutachterliche Tätigkeit ist weitestgehend zum Erliegen gekommen. Weiterhin wirkt aber stets ein Mitglied des Direktoriums im völkerrechtlichen Beirat des AA mit. Im Verfahren zwischen Deutschland und Nicaragua vor dem Internationalen Gerichtshof hat Anne Peters zur Jahreswende 2023/24 die Bundesregierung beraten und vertreten. Vom Institut und der Abteilung V des AA wird seit 2016 (in der Regel jährlich) ein Gemeinsamer Workshop organisiert, der als Forum des Austauschs über jeweils im Tätigkeitsbereich des AA besonders relevante  völkerrechtliche Fragen dient und vom 2015 eingerichteten Berliner Büro des Instituts kuratiert wird. Vom AA werden in diese Begegnungen regelmäßig auch Vertreter weiterer Bundesministerien, des Bundeskanzleramtes und der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages einbezogen. Die Beziehung zwischen Amt und Institut ist weiterhin eng, auch wenn sie mittlerweile auf anderen Grundsätzen aufbaut und sich in anderen Formaten verwirklicht als in früheren Jahren.

[1] Schreiben von Carl August Fleischhauer, datiert 5. August 1974, Politisches Archiv, B 80 Ref. 500 1382.

[2] Schreiben datiert 28. August 1974, Politisches Archiv, B 80 Ref. 500 1382.

[3] Foto: BArch, Bild 183-C11812 / CC-BY-SA 3.0.

[4] Foto: Privatarchiv Rainer Noltenius.

[5] Staatsminister a.D. Friedrich Saemisch, Denkschrift zur Errichtung eines Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 31. Dezember 1924, Politisches Archiv, R 54245.

[6] Saemisch (Fn. 5).

[7] Lea Berger, Der Weg in die Europäische Union. Ein zeitloses Gutachten Hermann Moslers

 MPIL100; Philipp Sauter, Das Institut im Kampf gegen Massenvernichtungswaffen. Rechtsberatung in Fragen des Verbotes chemischer und biologischer Waffen in den 1970er Jahren, MPIL100.

[8] Schreiben von Herman Meyer-Lindenberg, datiert 11. November 1958, Politisches Archiv, B 80 – Band 468.

[9] Schreiben von Hermann Mosler an Carl Bilfinger, datiert 22. September 1952, Politisches Archiv, B80 – Band 35.

[10] Schriftwechsel zwischen Hermann Mosler und Carl Bilfinger, datiert 7. Oktober 1952, Politisches Archiv, B 80 – Band 35.

[11] Carl Bilfinger, Gutachten, 10. Juli1952, Politisches Archiv, B86 – Band 16.

[12] Schreiben von Viktor Bruns, „Frage zum Ypiranga Fall“ datiert 20. März 1933, Politisches Archiv, R 54246; Schreiben von Viktor Bruns, datiert 24 Juli 1933 mit der Bitte um Übersendung aller Dokumente zum Austritt aus dem Völkerbund, Politisches Archiv, R 54246; Schreiben des MPIL, datiert 28. Mai 1954, Politisches Archiv, B80 – Band 35.

[13] Viktor Bruns, Denkschrift zur Gründung und Bedeutung des Instituts, 30. Oktober 1925, Politisches Archiv, R 54245.

[14] Siehe: Politisches Archiv, R 43147.

[15] Hermann Mosler, Denkschrift, 18. Januar 1955, Politisches Archiv, B 81 Ref. 501/V2 – Band 275.

[16] Schreiben von Hermann Mosler, datiert 12. Oktober 1954, Politisches Archiv, B 80 – Band 35.

[17]Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption. Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd. 262, Berlin: Springer 2017.

[18] Schriftwechsel, datiert 10. Januar 1956, Politisches Archiv, B 80 Band 468.

[19] Foto: MPIL.

[20] Vertrag vom 15. Juli 1955, Politisches Archiv, B 80 – Band 468.

[21] Vermerk vom 1. März1955, B 81 Ref. 501/V2 – Band 275.

[22] Siehe: Politisches Archiv, B 80 – Band 468.

[23] Runderlass V 1 – 89.07/2, Politisches Archiv, B 80 – Ref. 500/VI/V8 1203.

[24] Juli 1959, B 80 – Band 468.

[25] Schreiben, datiert 17. März 1958, Politisches Archiv, B 80 – Band 468.

[26] Schreiben datiert 12. Dezember 1961, Politisches Archiv, B 80 – Band 468.

[27] Schriftwechsel datiert zwischen 8. Mai 1973 und 7. Dezember 1974, Politisches Archiv, B 87 ZA 165800.

[28] Foto: MPIL.

[29] Vermerk vom 29. Juni 1927, Politisches Archiv, R 54245.

[30] Schreiben datiert 24. November1927, Politisches Archiv, R 54245; Schreiben datiert 4. Juli 1933, R 54246.

[31] Runderlass V 5183, 18. Dezember 1930, Politisches Archiv, R 54245.

[32] Schreiben, datiert 25. August 1930, Politisches Archiv, R 54245.

[33] Schreiben, datiert16. Juni 1934, Politisches Archiv, R 54246.

[34] Schreiben des De Gruyter Verlags, datiert24. November 1930, Politisches Archiv, R 54246.

[35] Schreiben des De Gruyter Verlags, datiert 27. September 1934, Politisches Archiv, R 54246.

[36] Schreiben, datiert 31. August 1937; Schreiben datiert 30. Mai 1938; Schreiben datiert 20. Juli 1939, Politisches Archiv R 43147; Schreiben datiert11. März 1940, Politisches Archiv R 43148.

[37] Schreiben, datiert 23. Oktober1935; Antwortschreiben, datiert 19.10.1935, Politisches Archiv, R 54246.

[38] Schreiben, datiert 9. Mai 1930, Politisches Archiv, R 54245.

[39] Schreiben, datiert 8. März1929, Politisches Archiv, R 54245.

[40] Foto: MPIL.

[41] Schreiben von Michael Bothe, datiert 21. Juni 1976, Schreiben von Carl August Fleischhauer, datiert 1. Juli 1976, Schreiben der DFG, datiert26. Juli 1976, Poltisches Archiv B 80 – 500.96/213 // B 80 Ref. 500 1382.

[42] Schreiben, datiert 6. August 1976, B 80 – 500.96/213 // B 80 Ref. 500 1382.

[43] Bericht der Botschaft Buenos Aires, 26. August 1976, Politisches Archiv, B 80 – 500.96/213 // B 80 Ref. 500 1382.

[44] Schriftwechsel zwischen Helmut Strebel und VLR Haeften, datiert 9. Februar 1952, Politisches Archiv, B 80 – Band 35.

[45] Schreiben, datiert 6. August 1976, Politisches Archiv, B 80 – 500.96/213 // B 80 Ref. 500 1382.

[46] Bericht vom 27. Februar 1967, Politisches Archiv, B 80 – Band 735.

[47] Bericht vom 27. Februar 1967 (Fn.46).

[48] Schreiben, datiert 14. Februar 1990, Politisches Archiv, B 80 Ref. 500 1379.

[49] Schreiben, datiert 2. Mai 1990, Politisches Archiv, B 80 Ref. 500 1379.

[50] Vermerk vom 11. Februar 1925, Politisches Archiv, R 54245.

[51] Bericht über Kuratoriumssitzung vom 18. Juli 1930, Politisches Archiv, R 54245.

[52] Schreiben an Viktor Bruns, datiert17. November 1932, Politisches Archiv R 54245.

[53] Schreiben, datiert 29. März 1933, Politisches Archiv, R 54246.

[54] Schreiben, datiert14. Juli 1935, Politisches Archiv, R 54246.

[55] Schreiben von Hermann Mosler, datiert 9. Mai 1955, Politisches Archiv B 81 Ref. 501/V2 – Band 275.

[56] Foto: MPIL.

Von Bücherregalen, Schubladen und anderen Narrativen

On Bookshelves, Boxes, and Other Narratives

Deutsch

Die völkerrechtsgeschichtlichen Altbestände des MPIL

„Der Westfälische Frieden ist eine der Geburtsstunden des modernen Völkerrechts, grundlegende Konzepte, wie die Gleichheit und Souveränität der Staaten, wurden hier das erste Mal in einem großen Friedensabkommen verhandelt. Dieses Erbe müssen wir bewahren.“[1]

Mit diesem engagierten Appell führte Annalena Baerbock in einem Interview im Vorfeld des Treffens der G-7-Außenministerinnen und -Außenminister in Münster 2022 explizit den genius loci der vormaligen ‚Friedensstadt‘ ins Feld, um ein Signal des Friedenswillens auszusenden. Angesichts der Konflikthäufung im frühen 21. Jahrhundert sind vergleichbare Allusionen, rhetorische Beschwörungen und – aus geschichtswissenschaftlicher Sicht – anachronistische Aufladungen des Westfälischen Friedens omnipräsent. Sie mindern jedoch nicht die rezeptive Bedeutungskraft des Friedensschlusses, mit dem am 24. Oktober 1648 die Gesandten Frankreichs und Schwedens, des Kaisers und der Stände des Heiligen Römischen Reiches den Dreißigjährigen Krieg (1618‑1648) beendeten. Mitte September 2023 fanden sich in Münster erneut Diplomat*innen und Sicherheitspolitiker*innen aus aller Welt ein, um sich in der Westfälischen Friedenskonferenz gemeinsamer Standpunkte zu versichern. Weder Ort noch Name sind Zufall, schrieb sich die Veranstaltung damit doch in ein Narrativ ein, welches eine vermeintlich seit 1648 bestehende völkerrechtliche Ordnung beschwört, zu deren Erhaltung man sich verpflichtet sieht.

Die völkerrechtliche Ordnung bedarf dieser Versicherungen aktuell ohne Zweifel – und die Verbindung zum Westfälischen Frieden und seiner Chiffre „1648“ ist alles andere als eine Modeerscheinung. Sie ist auch Institutionen wie dem Heidelberger MPIL eingebrannt. Biegt man nämlich im weit verzweigten Magazin des Instituts an der richtigen Stelle ab, steht man bald vor einer eindrucksvollen Sammlung von Separata, Büchern also, die vor 1800 gedruckt und seit 2002 in einer eigenen Abteilung des Magazins gebündelt wurden. Fata habent sua libelli – der oft bemühte Spruch gilt auch für diesen Altbestand „Völkerrecht“ der MPIL-Bibliothek. Denn das Bücherregal ist für sich genommen eine Schublade, in der sich – so man sie öffnet – eine geradezu typische, im 20. Jahrhundert geprägte geschichtswissenschaftliche und rechtswissenschaftliche Narrativbildung über die historische Entwicklung des Völkerrechts findet. Die kritische Auseinandersetzung mit dieser Narrativbildung ist Aufgabe, aber – wie zu zeigen sein wird – auch Begegnungsfläche beider Disziplinen.

Westfälischer Frieden(skongress) als Völkerrecht?

Gerard ter Borch: Allegorie auf Hugo Grotius und den Westfälischen Frieden, um 1648[2]

Nach den Wurzeln des modernen Völkerrechts zu fragen, führt meist ins 17. Jahrhundert. Zwei Meilensteine – eine Person und ein Ereignis – stechen hierbei heraus: der Niederländer Hugo Grotius (1583‑1645) und der Westfälische Friedenskongress (1643‑1649), auf dem besagter Friede in einem bis dato nicht gewesenen multilateralen Miteinander verhandelt wurde. Beide Linien sind verwoben in einem Gemälde aus der Schule Gerard ter Borchs, auf dem in die berühmte Szene der Beschwörung des Friedens von Münster zwischen Spanien und den Niederlanden das Epitaph des verstorbenen Rechtsgelehrten Grotius eingesetzt ist.[3] Völkerrechtsliteratur und Völkerrechtspraxis rücken hier bildlich zusammen. Ist erstere durch Grotius repräsentiert, findet die zweite Ausdruck in der symbolischen Darstellung des Westfälischen Friedenskongresses, der den Frieden von Münster (Januar 1648) und den Westfälischen Frieden (Oktober 1648) zum Ergebnis hatte. Der Dreißigjährige Krieg mit seiner Vielzahl von Parteien und Konflikten ließ in vielen gescheiterten beziehungsweise ungehaltenen Friedensfindungsversuchen die Erkenntnis zur multilateralen Verhandlung („Universalfrieden“) wachsen: Kongresse waren fortan das Organ völkerrechtlicher Verständigung im Sinne des ius inter gentes. Der Westfälische Frieden war damit epochenbildend, weil sich europäische Kriege nach 1648 de facto nur noch auf multilateralen Kongressen lösen ließen. Beispielhaft genannt seien die Kongresse bzw. Friedensschlüsse von Aachen 1668, Nijmegen 1678/79, Rijswijk 1697, Utrecht 1713/14, Aachen 1748 und Teschen 1779. Diese Reihe ist klassischer Ausdruck eines zeitgenössisch noch in statu nascendi befindlichen „Staatensystems“, in dem sich gegenseitig anerkennende Fürstenstaaten und Republiken als Völkerrechtssubjekte gleichberechtigt gegenübertreten. Das Gemälde der friedensschaffenden Gesandten um das Epitaph Grotius‘ zeigt, was heute in Vergessenheit zu geraten droht: Die vorrangige Bedeutung des Westfälischen Friedens liegt in seinem Zustandekommen und weniger in seinen Rechtsinhalten, die heute vielfach mit Toleranzbegriffen, Souveränitätsideen oder Globalisierungsgedanken missverständlich angefüllt werden.

Von Bücherregalen: Der Altbestand „Völkerrecht“ im MPIL

Die Separata-Sammlung heute[4]

Dieser duale, die Völkerrechtspraxis bei Kongressen wie auch die Völkerrechtsliteratur einbeziehende, Blick auf die frühneuzeitliche Völkerrechtsgeschichte spiegelt sich im Altbestand „Völkerrecht“ der MPIL-Bibliothek. Mit geschichtswissenschaftlicher Perspektive darauf geblickt wird deutlich, dass der Westfälische Friedenskongress chronologischer Ausgangspunkt der Sammlung ist: Im Regal finden sich vor allem die lange maßgebenden Akteneditionen des 18. Jahrhunderts, darunter Johann Gottfried von Meierns sechsbändige Acta Pacis Westphalicae publica, die französischen Négociations de Munster et d’Osnabruck oder die von Nicolas Clément 1710 herausgegebenen Briefeditionen zwischen Kardinal Mazarin und den französischen Gesandten in Münster, Mémoires et négociations secrètes de la cour de France, touchant la paix de Munster, um nur einige Beispiele zu nennen. Neben den klassischen Akteneditionen finden sich vormoderne Überblickswerke zum Westfälischen Frieden, wie die Histoire des traités de Westphalie und Drucke von Aufzeichnungen beteiligter Akteure, wie die anekdotenreichen Geschichtensammlung des reichsständischen Gesandten Adam Adami, die mehrbändigen Négociations de M. d’Avaux zum französischen Gesandten Claude de Mesmes, Comte d’Avaux, oder das Gesandtschaftsdiarium des kaiserlichen Gesandten Isaak Volmar im Corpus iuris publici sacri Romani imperii Germanici von 1710.

Neben den stark repräsentierten wichtigen älteren Quellenwerken zum Westfälischen Frieden und Friedenskongress setzt sich die Reihe der gedruckten Aktenwerke anhand der oben skizzierten Kongresskette fort: Die Verhandlungen zum Frieden von Nijmegen 1678/79 finden darin ebenso ihre Aktenpublikation wie der Frieden von Rijswijk 1697 (oder die Actes de la Paix d’Utrecht für den Kongress von 1711 bis 1713). Die Liste an vormodernen Akteneditionen zur Friedens- und Vertragsgeschichte der Vormoderne im Altbestand ließe sich problemlos erweitern.

Neben den völkerrechtlichen Beständen erscheinen hier auch stattliche Bestände von „Diplomatenspiegeln“ – Best‑practice‑Veröffentlichungen von Praktikern der internationalen Beziehungen, den „Diplomaten“ avant la lettre. Neben den in der Diplomatiegeschichte gängigen Klassikern von François de CallièresL’art de négocier” von 1716, Vera y Zúñigas Le parfait Ambassadeur” von 1642 oder einer Ausgabe von Abraham de Wicqueforts Botschafterspiegel von 1677 fallen zudem die Buchrücken diplomatischer Selbstzeugnisse und Memoiren entscheidender Akteure auf dem Verhandlungsparkett des Ancien Régime in den Blick: Hierzu gehören die posthum veröffentlichten Memoiren des „Außenministers“ Ludwigs XIV., Jean Baptiste Colbert de Torcy, oder die Briefe des französischen Verhandlungsführers vom Friedenskongress in Nijmegen, dem Maréchal d‘Éstrades.

Kurzum: Das reichhaltige Material zeigt, dass im Heidelberger Max‑Planck‑Institut nicht allein frühneuzeitliche Völkerrechtsliteratur gesammelt wurde, sondern neben den theoretischen Klassikern die praktische Seite der Kongresse, der Verhandler (Memoiren und Briefe) und der diplomatischen Praktiken, der art de négocier“, Berücksichtigung fanden.

Von Schubladen: Der Westfälische Frieden als Völkerrechtsgrundlage?

Die in diesem Bücherregal abgebildete Bedeutung des Westfälischen Friedens und der folgenden europäischen Friedenskongresse ließe sich leichthin in eine in der medialen Berichterstattung und in Politiker*innenreden beliebte Schublade stecken: Sie wird als Westphalian System bezeichnet und beschreibt die Vorstellung, dass mit dem Friedensschluss vom Oktober 1648 ein Souveränitäts-, Territorialitäts- und Egalitätsprinzip zwischen Staaten etabliert worden sei, das nachfolgend die „internationale Ordnung“ gleichberechtigter Staaten reguliert hätte. Dieses Denkmodell wurde in der älteren Völkerrechts- und Politikgeschichtswissenschaft teilweise langfristig mythologisiert[5]und – sei es in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen oder in medialen Berichterstattungen zum Friedensjubiläum – auch heute noch gepflegt.[6]

Doch nichts davon steht in den Westfälischen Friedensinstrumenten oder beschriebe zutreffend die internationale Ordnung bis ins 19. Jahrhundert. Die beständigen Dekonstruktionen des „Westfälischen Systems“ aus der Frühneuzeit-Geschichtswissenschaft oder der Völkerrechtsgeschichte vermögen dieses Bild auch nicht zu korrigieren. Dabei steht nicht die völkerrechtsgeschichtliche Bedeutung des Westfälischen Friedens grundsätzlich zur Disposition, vielmehr aber die Wirkmacht dieser Bedeutung: Diese gilt nämlich nicht, weil seit 1648 ein Ist-Zustand unmittelbar festgeschrieben gewesen wäre, sondern weil der Westfälische Frieden noch bis in die Revolutionszeit um 1800 als Referenzfriede Grundlage jeder weiteren internationalen Ordnung in einem „Droit des gens contracté“ wurde.[7] Wiederum – so könnte man dies thesenartig zuspitzen – ist es nicht der geschriebene Vertrag, sondern seine Wirkmacht in der longue durée, die seinen Zäsurcharakter für die Völkerrechtsentwicklung ausmacht.

In der Forschung wurde bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass die Idee vom Westfälischen Frieden als einer „Grundverfassung des Staatensystems“ durchaus schon im 18. Jahrhundert ihren Ursprung nahm. 1648 wurde durch Völkerrechtstheoretiker und -praktiker zu einer völkerrechtsgeschichtlichen Zäsur, und erst nach 1806 verlor der Friedensschluss von 1648 „in der deutschsprachigen Welt“, so der Marburger Historiker Christoph Kampmann, „angesichts des wachsenden Einflusses nationalstaatlichen Denkens seinen Nimbus“,[8] nicht aber im französisch- und englischsprachigen Raum. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die neuere Völkerrechtsgeschichte und das in den Politikwissenschaften/International Relations prädominante Narrativ vom „Westfälischen System“ eine neue Schublade aufmachen. Seitdem verfestigte sich der Aufstieg des Narrativs vom „Westfälischen System“, der internationalen Staatenordnung auf den Prinzipien von entkonfessionalisierter Souveränität und Gleichberechtigung. Stilbildend war der Aufsatz des Völkerrechtlers und Völkerbund-Diplomaten Leo Gross im American Journal of International Law von 1948,[9] dessen Verständnis vom Gegenwartsbezug des Westfälischen Friedens sich bis heute in verschiedenen Disziplinen, medialen und politischen Äußerungen hält.[10]

Von anderen Narrativen: Ernst Reibsteins ‚Heidelberger‘ Rezeption des Westfälischen Friedens

Ernst Reibstein und Ulrich Scheuner auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht im Institut, 25.-27. April 1965[11]

Allzu leicht wäre es nun festzustellen, dass auch die Völkerrechtsgeschichte am Heidelberger MPIL diesem Zug folgte, um dann schulmeisterlich die Frühe Neuzeit, „wie sie eigentlich gewesen“, korrektiv einzubringen. Doch bezeichnenderweise blieb diese Schublade vom „Westfälischen System“ im Heidelberger MPIL verschlossen.

Zumindest bietet sich dieser Befund, wenn man auf die Forschungen des Heidelberger Völkerrechtshistorikers Ernst Reibstein (1901‑1966) blickt, der nicht nur vielfach in der Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV) publiziert hat, sondern – als Privatgelehrter ohne Beschäftigungsverhältnis am Institut[12]– ein häufiger Nutzer[13] und womöglich auch Kompilator[14] des besagten Altbestands war. Ernst Reibstein, der mit seinen zahlreichen Studien zur Geschichte des Völkerrechts am Heidelberger Institut akademisch herausstach, widmete sich in seinen Schaffensjahren in den Jahrzehnten vor und nach 1960 häufig der vormodernen Völkerrechtsentwicklung und insbesondere auch dem Westfälischen Frieden. Seine Beschäftigung mit der Materie ragt dabei in besonderer Weise heraus: Denn Reibsteins Einordnung des Westfälischen Friedens, der Friedenskongresse und Verträge in die Geschichte des Völkerrechts – kurz gesagt: sein Blick auf die im Heidelberger Altbestand abgebildeten Werke – war geprägt von Gabriel Bonnot de Mably (1709‑1785) und seinem Hauptwerk Droit public de l‘Europe fondé sur les traités depuis la paix de Westphalie jusqu’à nos jours (erstmals 1748). Mably sah im Westfälischen Frieden 1648 einen Wendepunkt im völkerrechtlichen Vertragsrecht und gehörte damit zu den völkerrechtlichen Denkern, bei denen Kampmann jüngst die Ursprungserzählung vom „Westfälischen System“ verortet hat.

Eine der am MPIL vorhandenen Ausgaben von Gabriel Bonnot de Mablys Droit public de l‘Europe fondé sur les traités depuis la paix de Westphalie jusqu’à nos jours von 1776

Reibstein beschäftigte sich ausführlich mit Mably.[15] Mittlerweile sind die Mably-Forschung und deren Wiederentdeckung reiflich fortgeschritten, doch entscheidend scheint an dieser Stelle vielmehr Reibsteins Rezeption in den 1950er Jahren, die dieser jüngeren Mably-Rezeption[16] vorausging. Denn, indem Reibstein nach 1945 auf Mably aufbaute, gelangte er zwar zu einem ähnlichen Urteil über die Bedeutung des Westfälischen Friedens wie das „Westfälische-System“-Narrativ, wobei er dieses jedoch an eine völkerrechtsgeschichtliche Tradition anschloss, die zwischen 1806 und 1945 im deutschen Wissenschaftsbereich als verloren galt. Reibstein stellte sich allein auf die Füße der Tradition, die im 18. Jahrhundert den Westfälischen Frieden zur Zäsur eines völkerrechtsbasierten Staatensystems erhoben hatte.

„Indem der Westfälische Frieden das Verfassungsrecht des Deutschen Reiches in den Zusammenhang der allgemein europäischen Staatenbeziehungen stellte, schuf er den Begriff des droit public de l’Europe.“[17]

Die Ergebnisse mögen ähnlich klingen, doch entscheidend ist der jeweilige Argumentationsweg: Wie schon Mably, der im Dienste des französischen Außenministers als Sekretär manchen Vertrag selbst verhandelt hatte, rückt Reibstein nämlich neben der theoretischen Literatur die völkerrechtliche Praxis in den Mittelpunkt seiner völkerrechtsgeschichtlichen Überblicke, also genau jene Kongresse, Diplomaten und diplomatischen Praktiken, die der Altbestand des Instituts so mustergültig abbildet. In seinem Überblick reproduziert Reibstein das Mably’sche Bild der völkerrechtlichen Ordnung vor 1806, in der „die großen Friedenskongresse der folgenden Jahrzehnte Europa nach Art des Corpus Germanicum in ein mit Garantien umgebenes Gleichgewicht der Kräfte zu bringen suchten und gewisse territoriale, dynastische oder konstitutionelle Interessen als politische und zugleich völkerrechtliche Doktrinen unter den Schutz des droit public stellten“.[18] Für dieses droit public seien, so Reibstein, „die Briefsammlungen oder Memoiren der beteiligten Monarchen, Staatsmänner und Diplomaten von größerem Interesse als die zahlreichen, zu den Einzelproblemen erschienenen juristischen Untersuchungen […]“[19]Das Völkerrecht bleibt damit kein Produkt philosophischer Naturrechtsetzung, sondern ist wie schon bei Mably kasuistisch und zugleich mit den Brillen der geschichtswissenschaftlichen wie auch der rechtswissenschaftlichen Disziplin zu lesen.[20]

Doch nicht nur die historisierende Lesart der Völkerrechtsgeschichte und der Bezug auf Mably heben Reibsteins Darstellung von seinen Zeitgenossen ab. Auch seine Urteilsfindung differenziert: Denn wo Mably die auch vom „Westfälischen-System“-Narrativ stark gemachte Gleichheit souveräner Staaten nach 1648, die bis in die Epoche der Mitlebenden andauere und zu der die Frühneuzeitforschung heute nur die Augen verdreht, betont, hält Reibstein fest: „Die ‚gekrönten Häupter der Christenheit‘ oder ,Potentaten in Europa‘ verstanden ihr gegenseitiges Verhältnis auch nach dem Westfälischen Frieden als eine Hierarchie, über deren Stufen freilich weder Klarheit noch Einigkeit herrschte“.[21]

Fata habent sua libelli – Interdisziplinarität durch „Regalstudien“

Foto: Volker Lannert/Universität Bonn.

Die Quellendichte des Heidelberger Altbestands und Reibsteins Rezeption der Kasuistik Mablys grenzen seine Darstellung der Völkerrechtsgeschichte ab von Beschreibungsversuchen, die ein „Westfälisches System“ aus der Taufe hoben. Reibstein nahm eine Völkerrechtstradition auf, die neben Literatur mit frühneuzeitlicher diplomatischer Praxis argumentierte und die gerade in der deutschsprachigen Forschung weitgehend unbeachtet geblieben ist – aber eben nicht in Heidelberg.

In diesem Lichte steht der völkerrechtsgeschichtliche Altbestand des MPIL für eine gleichsam geschichts- und rechtswissenschaftliche Herangehensweise an das Völkerrecht, die in Quellen und methodisch erschlossener diplomatischer Praxis fundiert. Zeitgenössisch zu Reibsteins Darstellungen ergänzt sich diese Sicht auf die Geschichte des Völkerrechts durch eine weitere Absetzungsbewegung vom „Westfälischen System“ in den 1950er Jahren: Noch zur Mitte dieses Jahrzehnts entstand unter der Ägide des Bonner Historikers Max Braubach und in enger Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium die Idee, die großen Friedensprozesse und -kongresse der Neuzeit in kritischen Quelleneditionen besser zu ergründen. Geboren war damit eine Historikerkommission unter dem breit angelegten Namen der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte, in deren Erbe noch heute am Bonner Zentrum für Historische Friedensforschung Grundlagenforschung zum Westfälischen Frieden betrieben wird. Völkerrechtshistoriker*innen können 2024 auf mittlerweile 48 Bände kritischer Aktenedition zurückgreifen – ein moderner Editionsbestand, der sich glücklicherweise ebenfalls in der Bibliothek des MPIL findet und zum Großteil auch digital verfügbar ist.

Die Buchdeckelreihen im Altbestand des MPIL präsentieren die Kongresse und die diplomatische Praxis der Vormoderne als Gestaltungsräume völkerrechtlicher Ordnung, in denen geregeltes Miteinander sich verdichtender Staatswesen entstand. So wie Geschichtswissenschaft hier aus der Völkerrechtsgeschichte Rückschlüsse ziehen kann, so macht dieser Befund auch – im Sinne Reibsteins – deutlich, dass die diplomatische Praxis, das Zustandekommen und Funktionieren der Kongresse, wie es die Historische Friedensforschung untersucht, ihre gleichwertige Relevanz für die Völkerrechtsgeschichte haben.

Dieses fatum der Bücher im Altbestand am MPIL ist auch noch im vierten Jahrhundert des Westfälischen Friedens ernst zu nehmen und verweist auf die Notwendigkeit, Narrative quellenkritisch auf den Prüfstand zu stellen. Nur mit diesen Fundierungen lässt sich den heutigen Bedeutungen der Vertragswerke gerecht werden, und nur so werden Bemühungen der Politik um Anknüpfungsversuche, wie zum Beispiel im Zuge der Debatte über ein Westphalia for the Middle East, des Treffens der G7-Außenminister*innen im Münsteraner Friedenssaal 2022 oder auch der dortigen „Westfälischen Friedenskonferenz“ 2023, zu wirklich nachhaltigen und eindrücklichen Symbolakten.

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Ergänzende Auswahlbibliographie

Randall Lesaffer, War, Peace, Interstate Friendship and the Emergence of the ius publicum Europaeum, in: Ronald G. Asch/Wulf Eckart Voß/Martin Wrede (Hrsg.): Der Frieden. Rekonstruktion einer europäischen Vision, 2. Bd.: Frieden und Krieg in der Frühen Neuzeit. Die europäische Staatenordnung und die außereuropäische Welt, München: Wilhelm Fink Verlag 2001, 87–113.

Andreas Osiander, „This Solemn, And Ever Memorable and Sacred Treaty“: Perceptions of the Peace of Westphalia in the later Ancien Régime, Manuskript o.O., 2009.

Heinhard Steiger, Der Westfälische Frieden – Grundgesetz für Europa, in: Duchhardt, Heinz (Hrsg.): Der Westfälische Friede: Diplomatie – Politische Zäsur – Kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte, Historische Zeitschrift, Beiheft 26, München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag,  33–80.

[1] Claudia Kramer-Santel/Andreas Fier, Symbolischer Ort in schwieriger Zeit. Außenministerin Annalena Baerbock im Interview mit den Westfälischen Nachrichten zum Treffen der G7-Außenministerinnen und Außenminister in Münster, Auswärtiges Amt Newsroom, von Claudia Kramer-Santel und Andreas Fier, 2. November 2022.

[2] Bild: gemeinfrei.

[3] Heinz Schilling, Konfessionalisierung und Staatinteresse. Internationale Beziehungen 1559- 1660, Handbuch der Geschichte der internationalen Beziehungen Bd. 2, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2007.

[4] Foto: MPIL.

[5] Siehe: Paolo Amorosa, Rewriting the History of the law of Nations. How James Brown Scott made Francisco de Vitoria the Founder of International Law, Oxford: Oxford University Press 2019.

[6] Vgl. bspw.: Tom Ginsburg, Eastphalia as the Perfection of Westphalia, Indiana Journal of Global Legal Studies 17 (2010), 27–45; Reinhard Meyers, From Westphalia to Westfailure? Internationale Akteure und die Fallstricke Humanitäter Intervention, in: Joachim Gardemann/ Franz-Josef Jakobi/ Bernadette Spinnen (Hrsg.): Humanitäre Hilfe und staatliche Souveränität, Münster: Aschendorff 2012, 83–102; siehe: Jonas Bechtold, A Web of Peaces: Twitter Narratives on the Peace of Westphalia, in: Florian Helfer et al., Overcoming Conflict. History Teaching – Peacebuilding – Reconciliation, Wiesbaden: Springer 2023, 235–258; Michael Rohrschneider, Zum 375. Jubiläum des Westfälischen Friedens. Lernen aus der Geschichte?, Forschung und Lehre 30 (2023), 862–863.

[7] Benjamin Durst, Archive des Völkerrechts. Gedruckte Sammlungen europäischer Mächteverträge in der Frühen Neuzeit, Colloquia Augustana Bd. 34, München: De Gruyter 2016.

[8] Christoph Kampmann, Der Westfälische Friede als Fundament von Völkerrecht und Staatenpolitik. Präfigurationen des „Westfälischen Systems“ im 18. Jahrhundert, in: Friedrich Kießling/Caroline Rothauge (Hrsg.), Außenbeziehungen und Erinnerung. Funktionen, Dynamiken, Reflexionen, München: De Gruyter 2021, 21–36, 35.

[9] Leo Gross, The peace of Westphalia 1648–1948, American Journal of International Law 42 (1948), 20–41.

[10] Peter M.R. Stirk, The Westphalian model and sovereign equality, in: Review of International Studies 38 (2012), 641–660; Benjamin de Carvalho/Jorg Kustermans, The modern Westphalian Peace Impasse in International Relations and what to do about it, in: Dorothée Goetze/Lena Oetzel (Hrsg.), Warum Friedenschließen so schwer ist. Frühneuzeitliche Friedensfindung am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses, Schriftenreihe zur Neueren Geschichte Bd. 39, Neue Folge 2, Münster: Aschendorff 2019, 93–106.

[11] Foto: MPIL.

[12] Hermann Mosler, Nachruf auf Ernst Reibstein, ZaöRV 26 (1966), 493–494.

[13] Zumindest kann für den Überblicksaufsatz Reibsteins zum Völkerrecht vor 1806 festgehalten werden, dass ein Großteil der angeführten Werke im Altbestand des MPIL vorhanden ist. Der wissenschaftliche Nachlass Reibsteins befindet sich noch heute im MPIL.

[14] Die einzelnen Provenienzen und Ankäufe der Separata sind nicht systematisch erfasst. Die Möglichkeit, dass Reibstein an der Zusammenstellung beteiligt war, ist jedoch nicht auszuschließen. Wir danken dem freundlichen Hinweis von Joachim Schwietzke und Philipp Glahé.

[15] Ernst Reibstein, Völkerrecht. Eine Geschichte seiner Ideen in Lehre und Praxis, Bd. I: Von der Antike bis zur Aufklärung, Freiburg/München: Karl Alber 1957, 534-553; Ernst Reibstein, Die Völkerrechtskasuistik des Abbé de Mably, ZaöRV 18 (1957/58), 229–260.

[16] Hans Erich Bödeker/ Peter Friedemann (Hrsg.): Gabriel Bonnot de Mably: Politische Texte 1751–1783, Baden-Baden: Nomos 2000; Kampmann (Fn. 8).

[17] Ernst Reibstein, Das „Europäische Öffentliche Recht“ 1648–1815. Ein institutionengeschichtlicher Überblick, Archiv des Völkerrechts 8 (1960), 385–420, 386.

[18] Reibstein, Das Europäische Öffentliche Recht (Fn. 17), 386.

[19] Reibstein, Das Europäische Öffentliche Recht (Fn. 17), 386.

[20] Vgl. Reibstein, Völkerrechtskasuistik (Fn. 15), 259.

[21] Reibstein, Das Europäische Öffentliche Recht (Fn. 17), 390.

English

The MPIL’s Historical Collection in the 375th Year of the Peace of Westphalia

“The Peace of Westphalia is a cradle of modern international law; it is where fundamental concepts such as the equality and sovereignty of states were negotiated for the very first time in a major peace agreement. We must preserve this heritage.” [1]

With this fierce plea, German Foreign Minister Annalena Baerbock, in an interview in the run-up to the meeting of G7 foreign ministers in Münster in 2022, explicitly invoked the genius loci of the former ‘City of Peace’ to signal commitment to peace. In the face of the multitude of conflicts in the early 21st century, similar allusions, rhetorical invocations and – from a historiographical perspective – anachronistic charges of the Peace of Westphalia are omnipresent. However, they do not diminish the receptive significance of the peace treaty, with which the envoys of France and Sweden, the Emperor and the Imperial Estates of the Holy Roman Empire ended the Thirty Years’ War (1618‑1648) on 24 October 1648. In mid‑September 2023, diplomats and security policy experts from all over the world gathered again in Münster to agree on common positions at the Westphalian Peace Conference. Neither the location nor the name are a coincidence, as with them, the event positioned itself as part of a narrative, conjuring up an international legal order, supposedly existing since 1648 which one feels obliged to preserve.

There is no doubt that the international legal order is currently in need of this reassurance – and the invocation of the Peace of Westphalia and its cipher “1648” is anything but a fad. Not least, it is ingrained in institutions, including the Heidelberg MPIL. If one finds the way through the extensive library of the institute, an impressive collection of separata, i.e. books  printed before 1800, which have been compiled in a separate section since 2002, can be discovered. Fata habent sua libelli – the oft-quoted saying also applies to this historical collection under the signature “International Law” in the MPIL library. Here, the development of public international law has been shelved – figuratively as well as literally – in a way that is representative of a historical and legal narrative construed in the 20th century. The critical examination of this narrative formation is a task, but – as will be shown – also a common ground of both disciplines.

The Westphalian Peace (Congress) as International Law?

Gerard ter Borch: Allegory of Hugo Grotius and the Peace of Westphalia, circa 1648 [2]

The search for the roots of modern international law usually leads back to the 17th century. Here, two milestones – one person and one event – stand out: the Dutchman Hugo Grotius (1583‑1645) and the Peace Congress of Westphalia (1643‑1649), where the aforementioned peace treaty was negotiated in unprecedented multilateral co-operation. Both threads are interwoven in a painting from the school of Gerard ter Borch, in which the epitaph of the deceased legal scholar Grotius is inserted into the famous scene of the confirmation of the Peace of Münster between Spain and the Netherlands by oath.[3] Here, scholarly literature on international law and its practice are metaphorically connected. The former is represented by Grotius, the latter by a symbolic depiction of the Peace Congress of Westphalia, which resulted in the Peace of Münster (January 1648) and the Peace of Westphalia (October 1648). The Thirty Years’ War, with its multitude of parties and conflicts, as well as many unsuccessful and unrealized attempts at peace-making, led to a growing awareness of the need for multilateral negotiations (“universal peace”): from then on, congresses became the means of finding consensus on international law, in the sense of a ius inter gentes. The Peace of Westphalia was thus epoch-making; after 1648 European wars could de facto only be resolved at multilateral congresses. The congresses and peace treaties of Aachen in 1668, Nijmegen in 1678/79, Rijswijk in 1697, Utrecht in 1713/14, Aachen in 1748 and Teschen in 1779 are examples of this. This series is a classic expression of a “state system”, still in statu nascendi at the time, in which monarchies and republics recognized each other as subjects of international law on equal footing. The painting of the peace-making envoys gathered around Grotius‘ epitaph points to a fact that tends to be forgotten today: the primary significance of the Peace of Westphalia lies in its genesis, while its legal content, which today is often misleadingly associated with concepts of tolerance, sovereignty, or globalisation, is secondary.

On Bookshelves: The MPIL’s Historical “International Law” Collection

The collection of Separata today [4]

This dual view of the history of international law in the early modern period, which takes into account the practice of international law at congresses as well as the scholarly literature on international law, is reflected in the MPIL historical “International Law” collection. When examining these holdings from a historiographical perspective, the Peace Congress of Westphalia emerges as its chronological starting point: The shelf contains primarily the long authoritative 18th century editions of legal acts, including Johann Gottfried von Meiern‘s six-volume Acta Pacis Westphalicae publica, the French Négociations de Munster et d’Osnabruck or the editions of letters between Cardinal Mazarin and the French envoys in Münster published by Nicolas Clément in 1710, Mémoires et négociations secrètes de la cour de France, touchant la paix de Munster, to name just a few examples. In addition to the classic editions of documents, there are also pre-modern overviews of the Peace of Westphalia, such as the Histoire des traités de Westphalie and printed records of those involved, such as the anecdote-rich collection of stories by the imperial envoy Adam Adami, the multi-volume Négociations de M. d’Avaux on the French envoy Claude de Mesmes, Comte d’Avaux, or the legation diary of the imperial envoy Isaak Volmar in the Corpus iuris publici sacri Romani imperii Germanici of 1710.

In addition to the well-represented major editions of primary sources on the Peace of Westphalia and the Peace Congress, the series of compiled records continues along the series of congresses outlined above: the publication of records of the negotiations for the Peace of Nijmegen 1678/79 can be found, as can be the Peace of Rijswijk 1697 (or the Actes de la Paix d’Utrecht for the congress from 1711 to 1713); the list of pre-modern editions of documents on the history of peace treaties of the pre-modern period in the historical collection goes on.

In addition to these scholarly publications on international law, there is also an impressive collection of Manuals of Diplomacy (so-called Diplomatenspiegel), best-practice-manuals published by practitioners of international relations, the “diplomats” avant la lettre. In addition to the classics of diplomatic history such as François de CallièresL’art de négocier from 1716, Vera y Zúñiga‘s Le parfait Ambassadeur from 1642 or an edition of Abraham de Wicquefort‘s Mirror for Ambassadors from 1677, editions of diplomatic self-testimonies and memoirs of key players on the negotiating floor of the Ancien Régime can be found: These include the posthumously published memoirs of Louis XIV’s ‘foreign minister’, Jean Baptiste Colbert de Torcy, or the letters of the French chief negotiator at the peace congress in Nijmegen, the Maréchal d’Éstrades.

In short, the rich collection of material shows that the Max Planck Institute in Heidelberg not only collected scholarly literature on international law from the early modern era, but also considered its practical side, congresses, negotiators (memoirs and letters) and diplomatic practices, the “art de négocier”, in addition to the theoretical classics.

Of Boxes: The Peace of Westphalia as the Foundation of International Law?

The significance of the Peace of Westphalia and the subsequent European peace congresses reflected in this bookshelf could easily be put in a box commonly opened up for media coverage and political speeches: it is referred to as the Westphalian system and describes the idea that the peace treaty of October 1648 established the principles of sovereignty, territoriality and equality between states that would subsequently regulate the “international order” of states on equal footing. This interpretation was long mythologised[5] in large parts of traditional international law and political history scholarship and – in various academic disciplines as well as media reports on the peace anniversary – is still cultivated today.[6]

Yet, it is not conducive with the actual Westphalian peace instruments or accurately describes the international order up to the 19th century. The constant deconstructions of the “Westphalian system” in the historiography of the early modern era and the history of international law are not helping to correct this narrative either. It is not the significance of the Peace of Westphalia in the history of international law that is at issue, but rather the power of this significance: that power is not due to the actual and direct establishment of a new status quo in 1648, but came about as the Peace of Westphalia became the reference of every new international order in a “Droit des gens contracté” up until the revolutionary period around 1800.[7] Again – condensed to a thesis- it is not the treaty as a piece of writing but its effects in the longue durée that constitute a caesura for the development of international law.

Research has repeatedly pointed out that the idea of the Peace of Westphalia as a “constitution of the state system” has its origins as early as the 18th century. 1648 was made into a caesura in the history of international by its theorists and practitioners, and it was only after 1806 that the peace treaty of 1648 “lost its nimbus in the German-speaking world”, according to Marburg historian Christoph Kampmann, “due to the growing influence of a nation‑state‑centric approach”;[8] but it did not in French- and English-speaking countries. After the Second World War, the modern history of international law dusted off the box labelled “Westphalian system”, widely used in political science and international relations. The rise of the narrative of the “Westphalian system”, an international order based on the principles of secularised sovereignty and equality of states, has been consolidated, not least influenced by an essay by international law expert and League of Nations diplomat Leo Gross in the American Journal of International Law in 1948,[9] whose understanding of the contemporary relevance of the Peace of Westphalia influences various disciplines, the media and political declarations to this day.[10]

On Other Narratives: Ernst Reibstein’s ‘Heidelberg’ Reception of the Peace of Westphalia

Ernst Reibenstein and Ulrich Scheuner at the Annual Conference of the German Society of International Law at the MPIL, 25.-27. April 1965 [11]

It would be all too easy to conclude that the approach taken at the Heidelberg MPIL to the history of international law simply followed this trend, only to then deconstruct it by schoolmasterly introducing the early modern period “as it actually was”. Interestingly, however, the “Westphalian-system”-box remained closed at the Heidelberg MPIL.

At least this is to be concluded from the writings of Heidelberg historian of international law Ernst Reibstein (1901‑ 1966), who not only published several articles in the in-house journal Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV; English title: Heidelberg Journal of International Law, HJIL), but – as a private scholar without a paid position at the institute[12] – was a also a frequent user[13] and possibly even a compiler[14] of the historical collection in question.

Ernst Reibstein, whose numerous studies on the history of international law were unique at the Heidelberg Institute, devoted his academic career in the decades before and after 1960 to the study of the pre-modern development of international law and the Peace of Westphalia in particular. His thinking on the subject matter is remarkable as Reibenstein’s historical classification of the Peace of Westphalia and the subsequent peace congresses and treaties – in short: his view of the works depicted in the Heidelberg historical collection- was influenced by Gabriel Bonnot de Mably (1709‑ 1785) and his principal work Droit public de l’Europe fondé sur les traités depuis la paix de Westphalie jusqu’à nos jours (first published in 1748). Mably saw the Peace of Westphalia of 1648 as a turning point in international treaty law and was therefore one of the international law scholars Kampmann recently attributed the original narrative of the “Westphalian system” to.

One of the MPIL’s editions of Gabriel Bonnot de Mably’s Droit public de l’Europe fondé sur les traités depuis la paix de Westphalie jusqu’à nos jours from 1776

Reibstein studied Mably extensively.[15] Recently, research on and rediscovery of Mably have made considerable progress, but Reibstein’s work in the 1950s, which preceded this more recent Mably reception[16], is more significant here, as he, by building on Mably after 1945, arrived at a similar conception of the significance of the Peace of Westphalia as the “Westphalian system” narrative, yet connected it to a tradition of international law history that had been considered lost in German scholarship between 1806 and 1945. Reibstein placed himself solely in the tradition that had in the 18th century elevated the Peace of Westphalia to a caesura of a state system based on international law.

“By placing the constitutional law of the German Empire in the context of general European state relations, the Peace of Westphalia created the concept of a droit public de l’Europe.”[17]

The conclusions arrived at may sound similar, but the decisive difference lies in  the respective line of argument: like Mably, who had himself taken part in a number of treaty negotiations as secretary in the service of the French foreign minister, Reibstein not only considers scholarly literature, but also the practice of international law in his historical overviews, i.e. precisely the congresses, diplomats, and diplomatic practices that the Institute’s historical collection depicts so exemplarily. In his overview, Reibstein reproduces Mably’s view of the international legal order before 1806, in which “the great peace congresses of the following decades sought to bring about a balance of powers in Europe, supported by mutual guarantees, modelled after the Corpus Germanicum and placed certain territorial, dynastic, or constitutional interests as political and international law doctrines under the protection of the droit public“.[18] According to Reibstein, for this droit public “the collections of letters or memoirs of the monarchs, statesmen, and diplomats involved are of greater interest than the numerous legal treatises on its individual problems […]”.[19] International law is thus, for Reibenstein, not to be understood as the product of the philosophical search for the norms of natural law, but rather, as for Mably, must be viewed casuistically and through the eyes of both, historical and legal scholarship. [20]

But it is not only the historicised reading of the history of international law and the reference to Mably that set Reibstein’s account apart from his contemporaries. Beyond that, his judgement is nuanced: where Mably emphasises the equality of sovereign states after 1648, which supposedly lasted well into his era, as also cited in the “Westphalian system” narrative, but considered refuted by modern scholarship on the early modern period, Reibstein states: “The ‘crowned heads of Christendom’ or ‘potentates in Europe’, even after the Peace of Westphalia, saw their relationships as a system of hierarchies, the nature of which was, of course, disputed an unclear.” [21]

Fata habent sua libelli – Interdisciplinarity through “Shelf Studies”

Photo: Volker Lannert/ Bonn University

The multiplicity of sources in Heidelberg’s historical collection and Reibstein’s reception of Mably’s casuistry set his account of the history of international law apart from approaches seeking to contrive a “Westphalian system”. Reibstein referenced a tradition that took into account not only scholarly literature, but also early modern diplomatic practice and which, particularly in German-language research, has remained largely unnoticed – but not in Heidelberg.

In this light, the MPIL’s historic collection represents an approach to international law that is both historical and jurisprudential, based on sources and the methodological analysis of diplomatic practice. This view of the history of international law is complemented by another conceptional alternative to the narrative of the “Westphalian system”, contemporary to Reibstein’s accounts: In the mid-1950s, under the aegis of the Bonn historian Max Braubach and in close coordination with the Federal Ministry of the Interior, the idea emerged to foster a better understanding of the major peace-making processes and congresses of the early modern period via critical editions of sources. This gave birth to a commission of historians under the broad name of the Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte (“Association for the Study of Modern History”), in whose tradition today’s Zentrum für Historische Friedensforschung (“Centre for Historical Peace Studies”) in Bonn conducts basic research on the Peace of Westphalia. Today, historians of international law can draw on 48 volumes of critical editions of sources – which fortunately can be found in the MPIL library and, for the most part, are even available online.

The MPIL’s historical collection present the congresses and diplomatic practice of the pre-modern era as windows opportunity for the development of an international legal order, fostering the emergence of a regulated coexistence of modernizing national states. Just as historians can draw conclusions from the history of international law, this finding also makes it clear – in the sense of Reibstein – that diplomatic practice, the establishment and functioning of congresses, as analysed by historical peace research, are equally relevant to the history of international law.

This fatum of the books in the MPIL’ historic collection is to be taken seriously, even in the fourth century of the Peace of Westphalia, and points to the need to question predominant narratives from a perspective of critical source analysis. Only based on this foundation, justice can be done to the relevance of historical treaties in today’s day and age, and only in this way can their invocation in the field of politics, such as in the course of the debate on a Westphalia for the Middle East, the meeting of the G7 foreign ministers in 2022, or the “Westphalian Peace Conference” in the Münster Peace Hall in 2023, be truly sustained and convincing.

Translation from the German original: Sarah Gebel

Selected bibliography

Randall Lesaffer, War, Peace, Interstate Friendship and the Emergence of the ius publicum Europaeum, in: Ronald G. Asch/Wulf Eckart Voß/Martin Wrede (eds): Der Frieden. Rekonstruktion einer europäischen Vision, Vol. 2: Frieden und Krieg in der Frühen Neuzeit. Die europäische Staatenordnung und die außereuropäische Welt, Munich: Wilhelm Fink Verlag 2001, 87–113.

Andreas Osiander, „This Solemn, And Ever Memorable and Sacred Treaty“: Perceptions of the Peace of Westphalia in the later Ancien Régime, unpublished manuscript, 2009.

Heinhard Steiger, Der Westfälische Frieden – Grundgesetz für Europa, in: Heinz Duchhardt, (ed.): Der Westfälische Friede: Diplomatie – Politische Zäsur – Kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte, Historische Zeitschrift, Beiheft 26, Munich: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 33–80.

[1] Claudia Kramer-Santel/Andreas Fier, A symbolic location for our meeting in difficult times. Foreign Minister Annalena Baerbock in an interview with the newspaper Westfälische Nachrichten, Auswärtiges Amt [Federal Foreign Office] Newsroom, 2 November 2022.

[2] Image: public domain.

[3] Heinz Schilling, Konfessionalisierung und Staatinteresse. Internationale Beziehungen 1559- 1660, Handbuch der Geschichte der internationalen Beziehungen Vol. 2, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2007.

[4] Photo: MPIL.

[5] See: Paolo Amorosa, Rewriting the History of the law of Nations. How James Brown Scott made Francisco de Vitoria the Founder of International Law, Oxford: Oxford University Press 2019.

[6] Cf. e.g.: Tom Ginsburg, Eastphalia as the Perfection of Westphalia, Indiana Journal of Global Legal Studies 17 (2010), 27-45; Reinhard Meyers, From Westphalia to Westfailure? Internationale Akteure und die Fallstricke Humanitäter Intervention, in: Joachim Gardemann/ Franz-Josef Jakobi/ Bernadette Spinnen (eds.): Humanitäre Hilfe und staatliche Souveränität, Münster: Aschendorff 2012, 83-102; see: Jonas Bechtold, A Web of Peaces: Twitter Narratives on the Peace of Westphalia, in: Florian Helfer et al, Overcoming Conflict. History Teaching – Peacebuilding – Reconciliation, Wiesbaden: Springer 2023, 235-258; Michael Rohrschneider, Zum 375. Jubiläum des Westfälischen Friedens. Lernen aus der Geschichte?, Forschung und Lehre 30 (2023), 862-863.

[7] Benjamin Durst, Archive des Völkerrechts. Gedruckte Sammlungen europäischer Mächteverträge in der Frühen Neuzeit, Colloquia Augustana Vol. 34, Munich: De Gruyter 2016.

[8] Christoph Kampmann, Der Westfälische Friede als Fundament von Völkerrecht und Staatenpolitik. Präfigurationen des „Westfälischen Systems“ im 18. Jahrhundert, in: Friedrich Kießling/Caroline Rothauge (eds.), Außenbeziehungen und Erinnerung. Funktionen, Dynamiken, Reflexionen, Munich: De Gruyter 2021, 21–36, 35; translated by the editor.

[9] Leo Gross, The peace of Westphalia 1648-1948, American Journal of International Law 42 (1948), 20-41.

[10] Peter M.R. Stirk, The Westphalian model and sovereign equality, in: Review of International Studies 38 (2012), 641-660; Benjamin de Carvalho/Jorg Kustermans, The modern Westphalian Peace Impasse in International Relations and what to do about it, in: Dorothée Goetze/Lena Oetzel (eds.), Warum Friedenschließen so schwer ist. Frühneuzeitliche Friedensfindung am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses, Schriftenreihe zur Neueren Geschichte Vol. 39, Neue Folge [New Series] 2, Münster: Aschendorff 2019, 93-106.

[11] Photo: MPIL.

[12] Hermann Mosler, Nachruf auf Ernst Reibstein, HJIL 26 (1966), 493-494.

[13] At least for Reibstein’s overview essay on international law from before 1806, it can be stated that most of the works cited are available in the old holdings of the MPIL. Reibstein’s academic estate can still be found at the MPIL today.

[14] The individual provenances and purchases of the seperata are not systematically recorded. An involvement of Reibstein in the compilation cannot be ruled out, however. We would like to thank Joachim Schwietzke and Philipp Glahé for kindly providing information on this.

[15] Ernst Reibstein, Völkerrecht. Eine Geschichte seiner Ideen in Lehre und Praxis, Vol. I: Von der Antike bis zur Aufklärung, Freiburg/Munich: Karl Alber 1957, 534-553; Ernst Reibstein, Die Völkerrechtskasuistik des Abbé de Mably, HJIL 18 (1957/58), 229-260.

[16] Hans Erich Bödeker/Peter Friedemann (eds.): Gabriel Bonnot de Mably: Politische Texte 1751-1783, Baden-Baden: Nomos 2000; Kampmann (fn. 7).

[17] Ernst Reibstein, Das „Europäische Öffentliche Recht“ 1648–1815. Ein institutionengeschichtlicher Überblick, Archiv des Völkerrechts 8 (1960), 385–420, 386, translated by the editor.

[18] Reibenstein, Das Europäische Öffentliche Recht (Fn. 15), 386, translated by the editor.

[19] Reibenstein, Das Europäische Öffentliche Recht (fn. 15), 386, translated by the editor.

[20] Cf. Reibenstein, Völkerrechtskasuistik (fn. 13), 259.

[21] Reibenstein, Das Europäische Öffentliche Recht (fn. 15), 390, translated by the editor.

Im Spiegel des Mauerfalls. Die Identität des Instituts im „Der 9. November 1989 in Deuna, am Morgen danach“

Die Niederlagen im Ersten und im Zweiten Weltkrieg bilden critical junctures, von denen aus sich der deutsche Weg im 20. Jahrhundert und damit die Existenz, die Positionen und die Forschung des Instituts verstehen. Wenig zeigt die Prägekraft dieser Niederlagen anschaulicher als die 40-jährige Teilung Deutschlands, die eine Unmenge an Fragen im Forschungsfeld des Instituts generierte: der Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik für Deutschland, der Status von Berlin West als Teil der Bundesrepublik, die Rechtsnatur der DDR, die Ost‑ und Entspannungspolitik, die westdeutsche Eingliederung in die europäische Integration, in die NATO, in den von den USA geführten Westen, sowie dann nach dem Mauerfall die vielen Fragen der deutschen und europäischen Einigung und einer neuen Weltordnung.

Aus diesem Grund eröffnet ein Bild, das den Moment fasst, an dem diese Teilung zu enden beginnt, einen guten Weg, um sich mit der Identität des Instituts auseinander zu setzen. Das gilt insbesondere, wenn das Bild so detailreich und symbolträchtig ist wie H.D. Tylles „Der 9. November 1989 in Deuna, am Morgen danach“.

Mit seinen 630 x 230 cm dominiert das Bild den Eingangsbereich des Instituts. Die Monika Marlene und Max Dietrich Kley Stiftung hat es dem Institut als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Es dominiert zurecht, denn es vermittelt eine Idee der Forschung, die das Institut in den letzten 70 Jahren beschäftigt hat, und enthält sogar eine Idee für künftige Forschung zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerecht.

Das Bild hing unter anderem bereits im Deutschen Historischen Museum und in der Mannheimer Kunsthalle. Klaus Schönmetzler und Eckard Wagner haben das Bild beschrieben. Meine Interpretation schöpft daraus, fügt aber zwei Interpretationen hinzu: das Wahrheitsverständnis, das ich in Tylles Realismus sehe, und, wichtiger noch, was der Clou ist, wie die eigentliche Botschaft des Bildes lautet.

Auf dem Bild wird ein historischer Moment festgehalten, der 9. November 1989. Heute wird dieser Tag als so bedeutend verstanden wie der Friedensschluss von Münster und Osnabrück 1648 oder der Sturm auf die Bastille 1789: ein Ereignis, an dem man einen Epochenübergang festmacht: vom Kalten Krieg zur unipolaren liberalen Weltordnung. Insofern handelt es sich um ein Historienbild ähnlich „Die Freiheit führt das Volk“ von Eugène Delacroix, das an die französische Julirevolution von 1830 erinnert. Tylle zitiert es heiter und ironisch.

Es handelt sich bei Tylle sich um ein sogenanntes Historienbild im Stil des Realismus. Nun hat das, was wir auf dem Bild sehen, so nie stattgefunden. Die Szene ist eine Erfindung des Malers, so wie bei Delacroix. Allerdings gibt es einen erheblichen Unterschied: Bei Delacroix ist klar, dass es so nicht stattgefunden hat. Anders hier: Es sieht so aus, als hätte es genauso stattgefunden. Hat es aber nicht: Es handelt sich um eine Fiktion.

Es handelt sich nun um eine ganz bestimmte Form von Fiktion, nämlich eine Fiktion im Dienste der Wahrheit. Es ist eine Erfindung, wie sie Siegfried Lenz im Nachwort zu seinem Erzählband „So zärtlich war Suleyken“ beschreibt:

 „Suleyken, wie es hier vorkommt, hat es natürlich nie und nirgendwo gegeben; es ist eine Erfindung. Aber ist es von Wichtigkeit, ob dieses Dörfchen bestand oder nicht? Ist es nicht viel entscheidender, dass es möglich gewesen wäre? Gewiss, das ist zugegeben, wird in dieser Geschichte ein wenig übertrieben – aber immerhin, es wird methodisch übertrieben. Und zwar in der Weise, dass das besonders Einzigartige hervorgehoben und das besonders Charakteristische zum Vorschein kommt. Insofern steht das bewährte Mittel der Übertreibung ganz im Dienst der Wahrheitsfindung“,[1]

das allerdings nur der Kunst, nicht aber in der Wissenschaft erlaubt ist. Umso wichtiger erscheint es, im Prozess wissenschaftlichen Erkenntnisstrebens die künstlerischen Methoden mit ihrem spezifischen Potential zu berücksichtigen.

Wir sehen hier ein Historienbild im Stil des Realismus, das eine Realität zeigt, die kein Foto abgebildet hat und wahrscheinlich nie so hätte abbilden können. Denn so viele Symbole können zufällig kaum zusammentreffen. Darin finden wir einen Maßstab der Beurteilung: Das Bild muss sich daran messen lassen, dass es irgendwie realer ist, als es ein Foto je hätte sein können.

Der Maler nimmt es mit der Wahrheit ganz genau: Die Autos, die Kleidung, die Landschaft, die Fabrik, der Playboy, der TUI-Katalog. So wurde die Autoschlange 1999 mit einem Trabi-Club in historischer Kleidung nachgestellt. Jedes Detail ist genau recherchiert, aber das Ganze, auf das es letztlich ankommt, ist Fiktion.

Was sehen wir? Tylle nutzt die mittelalterliche Form eines Triptychons, also eines dreigeteilten Gemäldes. Seine Dreigliederung erlaubt, unterschiedliche Aussagen zusammenzubringen. Die Mitte gilt dem 10. November 1989 auf einer Straße bei Deuna (Thüringen), rechts und links eine Situation aus der Nähe jenes Ortes zehn Jahre später.

In der Horizontalen sehen wir das Zementwerk und den Ort Deuna. Das Zementwerk bringt es auf einen Kilometer kompromisslose Industrieskyline. Da es so nah an der Mauer steht, darf man annehmen, dass es Zement für die Mauer produzierte. Insofern symbolisiert dieses Zementwerk die Teilung Deutschlands fast so gut wie ein Wachturm an der Grenze. Neben dem Werk schließt sich das Dorf Deuna mit seiner Kirche an, geduckt, so wie das soziale Leben in der DDR es wohl oft war. Davor sehen wir ein abgeerntetes Feld als Ausdruck der öden industriellen DDR-Landwirtschaft und einen kahlen Baum.

Es ist die Stimmung eines Herbsttages, ganz real, aber auch symbolisch: Etwas ist erschöpft und geht zu Ende. Dahinter rechts die bewaldeten Höhen des Dün, und darüber ganz viel Himmel. Das viele Licht, dem dunkle Wolken Platz machen müssen, zeigt, dass es nach dem Ende hoffnungsfroh weiter geht.

In der Vertikalen gibt es nur ein beherrschendes Motiv: der Metallgittermast. Warum nur ein einziges so herausgehobenes Objekt in dieser Dimension, wo doch der Maler in den beiden anderen Dimensionen wirklich nicht sparsam ist? Weil, so scheint mir, dieser Mast die zentrale Botschaft des Bildes auf den Punkt bringt. Man erinnert: Es ist ein Triptychon! Da liegt es doch auf der Hand, worum es geht.

Zuvor jedoch zur Horizontalen. Hier sieht man die Straße, auf der das eigentliche Ereignis stattfindet. Es ist kinderleicht zu erfassen. Es ist der Aufbruch vieler DDR-Bürgerinnen und -Bürger in den Westen, nachdem sie in der Nacht die Nachricht vom Mauerfall erreicht hat.

Auf dieser Straße wird es nun ganz symbolträchtig, und zwar auf eine heitere und freundlich ironische Art, die den deutschen Charakter und die deutsche Kunst im Allgemeinen nicht charakterisieren. Tylles heitere Ironie ist wahrhaftig und glaubwürdig, weil er in DDR-Zeiten mit Künstlern in der DDR zusammengearbeitet hat und einen ehrlichen Respekt vor den Leistungen der Menschen jenseits der Mauer bezeugt.

Der 9. November war ein Aufbruch. Und was sehen wir? DDR-Fahrzeuge im Stau. Der Aufbruch realisierte sich in einem epischen Stau. Die Leute sind ausgestiegen, und die Szene ist voller Symbole. Nehmen wir nur die junge Frau auf dem Dach des Trabis mit der Fahne.

In ihr wird ein wichtiger Aspekt der zentralen Botschaft des Bildes besonders deutlich vermittelt. Erinnern wir das ikonische Bild von Delacroix „Die Freiheit führt das Volk“: Eine junge Frau mit Fahne dominiert das Bild. Unerschrocken, mit Jakobinermütze und wehender Fahne steigt sie über tote Schergen des Regimes hinweg, am Kopf einer bewaffneten Bürgertruppe.

Eugène Delacroix, Die Freiheit führt das Volk (1830)[2]

Gegenüber diesem berühmten Bild wird eine große Botschaft deutlich: Hier, 1989, ist alles friedlich. Alle warten geduldig, und auch die Fahne bläht sich nur müde auf. Kein Wunder bei dem Loch, den Hammer und Zirkel gelassen haben.

Tylles Bild atmet Friedlichkeit. Es war eine echte Revolution, aber eben eine friedliche. Das gilt es zu erinnern, denn: Diese Friedlichkeit war ein Wunder! Wer hätte 1988 geglaubt, dass der Sowjetkommunismus friedlich aufgeben würde? Das Bild erzählt also von einem großen Wunder. Das bleibt zu deuten, wobei der Mast uns hilft. Dazu sogleich, zuvor noch ein volleres Verständnis von der Bedeutung des Ereignisses.

Vorne rechts sehen wir ein parkendes Auto, das bereits zurückkehrt, mit Bananen, Alditüte, TUI-Katalog, Playboy. Damit identifiziert Tylle die Insignien der Freiheit für viele Menschen: gutes Essen (Bananen), schöne Reisen (TUI), Informations- sowie Meinungsfreiheit und Libido (Playboy), günstiges Einkaufen von guten Waren (Aldi). Und: Freiheit von Angst.

Der Tag ist ein Aufbruch in die Freiheit, und das heißt zunächst einmal, dass ein angsteinflößendes Regime seine Autorität verloren hat. Hierzu finden sich besonders viele ironisch-heitere Symbole: das zerrissene Bild von Erich Honecker, vor dem sich ein kleiner Junge erleichtert, das zerfetzte Plakat vom 40. Jahrestag der DDR-Gründung, das niemanden interessiert, und vor allem: die „geschändete“ Fahne, deren öffentliches Schwenken als Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole verfolgt werden könnte (§ 90a StGB). Der Autoritätsverlust der DDR ist so total und die neue Freiheit fehlender Angst vor den Schergen des Regimes ist so vollendet, dass die anderen sich noch nicht einmal drum kümmern.

Der Aufbruch ist hoffnungsfroh. Wir empfinden unter den Menschen eine gute Stimmung. Das Licht bestätigt uns in dieser Empfindung: Es gibt noch graue Wolken, aber dahinter leuchtendes Licht.Was wurde draus? Das sehen wir rechts und links, die Szenen zehn Jahre später zeigen. Tylle hält sichere Distanz zu Apologeten jeder Couleur. Wir sehen keine blühenden Landschaften, aber auch keine BRD-Besatzungstruppen, die kaltherzig sozialistische Errungenschaften zerschlagen. Die Wahrheit kommt in leiseren Tönen. Rechts sehen wir einen Neuanfang.

Die Fassade renoviert und leuchtend in freundlichem Sonnenlicht. Ein neues Fenster, eine Satellitenschüssel, die kleine USA-Fahne, das Firmenschild deuten auf eine neue Selbständigkeit. Man sieht nicht viel, aber gewinnt den Eindruck, dass dort jemand lebt, der sich ein bescheidenes, aber sinnvolles und lichterfülltes Leben hat aufbauen können.

Links sieht es anders aus: ein unrenovierter Hinterhof, eine Immobilienfirma des Typus, mit dem viele schlechte Erfahrungen gemacht haben, und der große Leninkopf. Der Autoritarismus ist abgeräumt, aber nicht weg, wie zahlreiche Studien zu den östlichen Bundesländern immer wieder bestätigen. Viele Dinge sind zu beobachten, weshalb das Werk so gut im Foyer des Instituts hängt: man findet immer wieder etwas Neues und kann darüber ein Gespräch anknüpfen, das leicht zu Forschungsfragen führt, die das Institut beschäftigen.

Das Bild ist voller Botschaften. Was bringt all diese Botschaften zusammen? Diese Frage führt uns zu dem Mast zurück. Erinnern wir uns an die Form: das Triptychon, also eine klassische Form der Darstellung religiöser Aussagen. Besser gesagt: christlicher Aussagen. Und eigentlich geht es auch nicht um „Aussagen“ im Plural, sondern um die eine zentrale Aussage des Christentums. In meiner Lesart nimmt das Bild in seiner Form und allen Details die Aussage auf und führt sie im Hauptbild zusammen in dem ikonischen christlichen Symbol.

Natürlich malt Tylle kein Kreuz. Aber er malt einen Mast, und zwar ziemlich genau da, wo bei einem mittelalterlichen Triptychon das Kreuz steht. Was kann nun das Kreuz symbolisieren?

Es ist das Versprechen der Erlösung!

Der 9. November war vieles, aber er war vor allem für viele Menschen ein Tag der Erlösung, der Erlösung von einem Regime, das seine Bürgerinnen und Bürger am Weglaufen hindern musste. Wer war aber da der Erlöser? Oder: Was hat die Menschen erlöst? Tylle zeigt es uns nicht. Es oder er oder sie sind über dem Bild.

Vieles kommt in Betracht: Ronald Reagan, der den Sowjetkommunismus totgerüstet hat, Michail Gorbatschow, der den friedlichen Kollaps des Sowjetkommunismus erlaubt hat, der westliche liberale Kapitalismus, der dem Sowjetkommunismus in jeder Hinsicht überlegen war und ihm damit alle Legitimation entzogen hat, das normative Programm des freiheitlichen Westen aus Grundgesetz,  Europäischen Verträgen,  Europäischer Menschenrechtskonvention bis zur UN-Charta, also der Forschungsgegenstand des Instituts, der Mut der Menschen der DDR, und die Umsicht, in der sie ihre Revolution gestaltet haben, oder vielleicht doch: die Gnade Gottes?

Nun mögen manche einwenden: Jetzt übertreibt er. In der Tat: In den Ohren vieler mag diese religiöse Dimension als absurd erscheinen. Aber man vergesse nicht: Jeden Sonntag lesen Tausende von Menschen in den Kirchen Fürbitten, und vor 1989 in vielen Kirchen in Ost und West mit der Anrufung, dass die Konfrontation zwischen Ost und West, die das Leben auf dem Planeten auszulöschen drohte, überwunden werde. Solche Fürbitten enden stets in dem Anruf: „Herr, unser Gott, wir bitten dich, erhöre uns“. Alles Spinner? Sogar die Linke sagt: Die friedliche Revolution war ein Geschenk des Himmels.

H. D. Tylle hat nicht verraten, was der obere Teil des Mastes jenseits der Bildgrenze trägt. Denn dann würde er seinem Bild die ultimative Botschaft nehmen, mit dem ich die Deutung des Bildes nun abschließen werde.

Was können wir als die ultimative Botschaft des Mastes nehmen, dessen Spitze wir nicht sehen können? Dank dieser Gestaltung kann jeder seinen Erlöserglauben in das Bild hineinprojektieren und oben am Mast jenseits des Bildrandes verankern. Wie jedes weltgeschichtliche Ereignis speist die deutsche Einheit viele Deutungen und Erzählungen. Aber jeder, der etwas Phantasie hat, wird verstehen, dass der Mast auch einen anderen Erlöserglauben symbolisieren kann. Und wird verstehen, dass es kein Mittel gibt herauszubekommen, wer Recht hat. Und dieser Selbstzweifel und die Einsicht in die Berechtigung abweichender Meinungen ist die stärkste Grundlage der Freiheit, wie wir sie verstehen. Und deshalb ist für mich der eigentliche Clou dieses Realismus, dass er das Wichtigste verbirgt.

Der Mauerfall liegt inzwischen mehr als eine Generation zurück. Wie kann Tylles Bild die weitere Forschung des Instituts inspirieren, allgemeiner: Wie kann man die Lehren der zwei verlorenen Kriege in eine ungewisse Zukunft verdauern? Wo soll es hingehen? Die Losung des Bildes ist zurückhaltend, aber eindeutig: nach Westen. Bei allen Gefahren in den USA und auch in Frankreich bleibt der Westen doch symbolisch sicher mit der Idee der freiheitlichen Demokratie. Und was ist dabei besonders wichtig? Das führt uns zu der Hauptaussage des Bildes zurück: der stete Zweifel an den eigenen Ergebnissen und die Einsicht, dass die bisweilen so ärgerlichen Ideen der anderen einen berechtigten, ja unerlässlichen Platz haben könnten.

[1] Siegfried Lenz, So zärtlich war Suleyken. Masurische Geschichten, Frankfurt am Main: Fischer 1976, 118.

[2] Bild: gemeinfrei.

***

Bildausschnitte des Gemäldes: ©Maurice Weiss/Ostkreuz

Der Beitrag basiert auf einer Ansprache, gehalten am 14. Februar 2020.

Das KWI und die Katholische Kirche. Eine „special relationship“?

The KWI and the Catholic Church. A "Special Relationship"?

Deutsch

1. Die vergessene „Außenstelle Trier“

Die Außenstelle des Kaiser-Wilhelm-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht für „Besatzungs-, Saar- und Konkordatsrecht“ in Trier wurde am 24. Juli 1925 gegründet.[1] Weder das genaue Datum der Eröffnung, der tatsächliche Beginn der Arbeiten in Trier, noch der Standort lassen sich exakt bestimmen; ab 1926 findet sich die Außenstelle in den damals verbreiteten Nachschlagewerken verzeichnet.[2] Hinweise auf eine genaue Anschrift oder ein Gebäude finden sich aber nicht, auch kein Verzeichnis der Mitarbeiter, die abgesehen von dem Leiter Ludwig Kaas (1881‑1952) ungenannt bleiben. Auch über die genaue Größe der Außenstelle sind also nur Mutmaßungen möglich. Deutlich umschrieben ist allerdings das Arbeitsgebiet der beinahe obskuren Einrichtung: Elsass-Lothringen, Belgien, Luxemburg, Besatzungs- und Konkordatsrecht.[3] Gegenüber der katholischen Tageszeitung Germania benannte Institutsdirektor Viktor Bruns (1884‑1943) 1932 die Auslegung des Versailler Vertrags, das Recht der „abgetretenen Gebiete und des Saargebiets“ sowie das Staatskirchenrecht des Auslands als die Schwerpunkte der Arbeit der Zweigstelle.[4] Allerdings waren auch die zeitgenössischen Angaben keineswegs durchgehend einheitlich; in einem internen Dokument, nämlich der „Etatdenkschrift“ der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) von 1931, wurden die Aufgaben der „von Prof. Kaas […] unterhalten[en]“ Zweigstelle nur mit „Konkordatsrecht“ bezeichnet.[5] Das legt nahe, dass ein Schwerpunkt der Arbeit der Zweigstelle die Vorbereitung eines Konkordats zwischen dem Deutschen Reich und dem Heiligen Stuhl war; Vorarbeiten dazu hatten bereits 1920/21 unter Beteiligung des Reichstagsabgeordneten Georg Schreiber (1882-1963) begonnen.[6] Auch Veröffentlichungen, die ausdrücklich auf die Außenstelle Trier Bezug nehmen, sind spärlich; in Bibliotheken nachweisbar ist eine Arbeit von Theodor Grentrup (1879-1967), ein an rechtlichen Fragen interessierter Priester der Steyler Missionare, über Die Missionsfreiheit nach den Bestimmungen des geltenden Völkerrechts von 1928[7] mit einem Vorwort von Ludwig Kaas. Die Arbeit behandelte ein im Rahmen des Völkerrechts eher randständiges, für die katholische Kirche aber wichtiges Thema: Deutsche Missionsgesellschaften waren von Artikel 438 des Versailler Vertrages betroffen, der ihr Eigentum und Personal in den Missionsgebieten der Kontrolle der Alliierten unterstellte.[8] Innerhalb der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft kam der Zweigstelle eine besondere Rolle zu, insbesondere durch ihre dezidiert katholische Ausrichtung und den Standort in Trier, damals in erster Linie eine Bischofsstadt von 1925 gerade 57.341 Einwohnern (51.165 Katholiken, 5.562 Evangelische, 625 Konfessionsjuden)[9] und Sitz eines preußischen Regierungspräsidiums. Wissenschaftliche Bibliotheken und Forschungseinrichtungen, mit denen ein Kaiser-Wilhelm-Institut gewöhnlich zusammenarbeitete, waren dagegen nicht vorhanden

2. „Grenzlandförderung“ und Konfessionspolitik

Trier war die äußerste Peripherie des Deutschen Reichs. Bis zur Grenze nach Luxemburg in Wasserbillig waren es gerade einmal 15 Kilometer, nach Belgien, zu dem unter Völkerbundsmandat stehenden Saargebiet und auch nach Frankreich war es nicht viel weiter. In die Reichshauptstadt Berlin waren es dagegen 563 Kilometer. Zwar war die Grenze nie völlig undurchlässig, es bestanden familiäre Beziehungen über die Grenzen hinweg, konfessionell war diesseits wie jenseits der Grenze die katholische Kirche in der Bevölkerung tief verwurzelt und das lokale Moselfränkisch wurde auch im Alltag gesprochen und verstanden, die Folgen des Versailler Vertrages waren hier aber besonders greifbar. Das sehr nahe Großherzogtum Luxemburg, bis 1866 noch Mitglied des Deutschen Bundes, gehörte nicht mehr zum deutschen Zollgebiet. Trier war von seinem westlichen Hinterland durch eine neue Zollgrenze getrennt, die auch das traditionell an Trier orientierte Hinterland der Stadt an der Saar betraf. Auch der Verlust von Elsass-Lothringen an Frankreich und Eupen-Malmedy an Belgien ließen Trier näher an eine durch den Krieg ohnehin belastete Westgrenze heranrücken. Diese Veränderungen, die das Leben in Trier während der Weimarer Republik prägten und belasteten, verschärften aber nur eine ohnehin periphere Situation, die nicht allein auf die Geografie beschränkt und bereits in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg angelegt war. Die Katholiken stellten damals zwar mehr als ein Drittel der Bevölkerung des mehrheitlich protestantischen Kaiserreichs und wurden nicht rechtlich diskriminiert, doch waren sie in vielen Bereichen unterrepräsentiert, darunter auch den akademischen Milieus.[10] Der von Bismarck mit Härte geführte Kulturkampf gegen die katholische Kirche war im Raum Trier besonders virulent. Der Bischof Matthias Eberhard (1815‑1876) war 1874 mehrere Monate inhaftiert; als er 1876 verstarb, befand sich der Kulturkampf auf seinem Höhepunkt; im Bistum Trier wurden 250 Priester vor Gericht gestellt, 230 von 731 Pfarreien waren nicht besetzt. Von 1876 bis 1881 war auch der Bischofsstuhl in Trier aus politischen Gründen, einer fehlenden Zustimmung der preußischen Behörden, unbesetzt. Der seit 1881 amtierende Bischof Michael Felix Korum (1840-1921), dessen Episkopat mit seinem Tode 1921 bereits in der Weimarer Republik endete, stammte aus dem Elsass und war ein wichtiger Förderer von Ludwig Kaas. Der Kulturkampf lag in der Weimarer Republik, die von der katholischen Zentrumspartei aktiv gestaltet wurde, zwar lange zurück, aber gerade in einer geistlich geprägten Stadt wie Trier waren diese Folgen noch zu bemerken. Staatsrechtlich hatte sich die Situation für die Katholiken allerdings nicht nur in Trier seit der Weimarer Reichsverfassung gebessert. Insbesondere der protestantische Kirchenrechtler Wilhelm Kahl (1849‑1932) als Abgeordneter der Deutschen Volkspartei (DVP) und der katholische Priester Joseph Mausbach (1861‑1931) als Abgeordneter der Zentrumspartei hatten sich in der Weimarer Nationalversammlung für den staatskirchenrechtlichen Kompromiss der Weimarer Reichsverfassung eingesetzt, die einerseits den Grundsatz „Es besteht keine Staatskirche“ enthielt, aber eine „hinkende Trennung“ von Staat und Kirche einführte.[11]

3. Wissenschaftsstandort Trier

Nicht alle Katholiken standen aber vorbehaltlos hinter der sie eigentlich begünstigenden Republik, bekannt ist die antirepublikanische Distanz des Münchner Kardinals Michael von Faulhaber (1869‑1952) auf dem 62. Deutschen Katholikentag 1922 in München. Und noch immer standen Katholiken in der protestantisch geprägten Hochschullandschaft unter dem Verdikt der Rückständigkeit. Das war eine Überzeichnung, aber das Bildungsangebot in Trier, das über das Gymnasium hinausging, war tatsächlich überschaubar. Es gab 1925 als einzige größere außerschulische Bildungseinrichtung ein 1773 gegründetes bischöfliches Priesterseminar,[12] ohnehin von der Universitätstheologie argwöhnisch betrachtet, mit gerade einmal 200 Hörern, zu dessen Lehrkörper bis Anfang der 1920er Jahre Ludwig Kaas als Dozent für Kirchenrecht gehörte,[13] und ein kleines „Wissenschaftliches Institut für Pädagogik“, das ohne universitären Anspruch Lehrkräfte für katholische Volksschulen ausbildete, zudem eine „Provinzial-Lehranstalt für Weinbau, Obstbau und Landwirtschaft“ mit insgesamt sieben Lehrkräften, Zu den Aktiva gehörte allerdings die 1876 gegründete katholische „Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaften“, die 1925 ihre Hauptversammlung in Trier abhielt. Wer studieren wollte, ging in erster Linie nach Bonn, wieder eine trotz ihrer katholischen Fakultät stark protestantisch geprägte Universität.

Das Gebäude der Trierer Außenstelle, die ehemalige Kurie Eltz[14]

Bei der Außenstelle handelte es sich zunächst um eine wenig verklausulierte Grenzlandförderung, wie sie für die Weimarer Republik keineswegs untypisch war. Aber auf den zweiten Blick finden sich dann doch Hinweise auf eine Verortung der Außenstelle in Trier. 1926 wurde hinter der 1726 erbauten Kurie Eltz, Großer Eulenpfütz 1, in der sich auch die Pfarrwohnung von Kaas befand, ein rückwärtiger Anbau im Heimatstil durch Dombaumeister Julius Wirtz (1875-1952) errichtet.[15] Kaas hatte im Gegenzug der Außenstelle seine umfangreiche Bibliothek zur Verfügung gestellt, die er 1933 dem Institut schenkte;[16] viele Bücher aus diesem Bestand befinden sich noch heute in der Bibliothek des MPIL in Heidelberg. Die Außenstelle besaß einen Etat von 25.000 Reichsmark jährlich, davon 10.000 Reichsmark für Kaas.[17] Sie war, sozusagen in einer personalen Überspitzung des Harnack-Prinzips, um die Person von Ludwig Kaas gegründet worden, um diesem „eine besondere Wirkungsstätte“ zu verschaffen.[18] Es war also auch die Förderung eines einzelnen Wissenschaftlers; die Zweigstelle war im Wesentlichen das Institut von Kaas, Hinweise auf weitere Mitarbeiter finden sich nicht. Der Initiator als Mann im Hintergrund[19] war mit Georg Schreiber ein weiterer katholischer Priester im Grenzbereich zwischen Kirche und Politik.[20] Kaas und Schreiber waren aktive Mitglieder der Görres-Gesellschaft, die etwa auch während der Hauptversammlung 1925 in Trier in Erscheinung traten.

4. Der Mann im Hintergrund: Georg Schreiber

Georg Schreiber (links) anlässlich der Verleihung des großen Bundesverdienstkreuzes an Carl Bilfinger (vierter von links) am 24. Juli 1953 in Heidelberg[21]

Geboren 1882 in Rüdenshausen im hannoverschen unteren Eichsfeld, wurde Schreiber 1905 zum Priester geweiht und 1909 in Berlin zum Dr. phil. Promoviert,[22] erst einige Jahre später 1913 in besonderer Nähe zum evangelischen Kirchenrechtler Ulrich Stutz (1868-1938) zum Dr. theol. in Freiburg (Br.)[23] und im gleichen Jahr Privatdozent für Kirchengeschichte in Münster. 1915 wurde Schreiber außerordentlicher Professor für Kirchenrecht sowie bayerisches Staats- und Verwaltungsrecht am Königlich-Bayerischen Lyceum in Regensburg, dann 1917 Ordinarius für Kirchengeschichte und historische Caritaswissenschaft an der Universität Münster. Von 1920 bis 1933 war Schreiber für den Wahlkreis „Westfalen-Nord“ Abgeordneter der Zentrumspartei im Reichstag. Er war ein einflussreicher Parlamentarier, galt als „Reichsprälat“ mit einem besonderen Interesse an der „Auslandskunde“; von 1926 bis 1933 war er Senator der KWG und konnte hier auch im Sinne einer „katholischen“ Zweigstelle in Trier erfolgreich tätig werden.[24] Ab 1933 häuften sich Konflikte mit der NSDAP, die 1936 zu seiner Emeritierung führten. Nach 1945 wurde Schreiber der von den Briten eingesetzte erste Nachkriegsrektor der Universität Münster[25] und konnte seine bildungspolitische Tätigkeit in der Bundesrepublik fortsetzen; in seinen letzten Lebensjahren förderte er etwa noch den Historiker Rudolf Morsey (1927-2024).[26] 1963 verstarb Schreiber in Münster. In der Außenstelle hielt sich Schreiber jedoch im Hintergrund, hier gab der Ludwig Kaas den Ton an, ein dem fast gleichalten Schreiber gleichrangiger „politischer Priester“.

5. Harnack-Prinzip konfessionell: Ludwig Kaas

Zum Nachklang des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund. Die deutsche Delegation im Park des Hotels “Metropol“ in Genf 1926. Vordere Reihe die Führer der Delegation von rechts nach links: Staatssekretär Karl von Schubert, Gustav Stresemann, Staatssekretär Robert Weissmann, Prälat Ludwig Kaas.[27]

Vor dem Hintergrund der Biographie von Kaas[28] überrascht auch die Standortentscheidung für Trier nicht; hier wurde Kaas 1881 als Sohn eines Kaufmanns geboren, hier besuchte er das Gymnasium und begann auch sein Theologiestudium an der Philosophisch-Theologischen Fakultät, das er aber in Rom und Bonn fortsetzen sollte. In Bonn hörte er den evangelischen Kirchenrechtler Ulrich Stutz[29], als dessen Schüler sich Kaas auch verstand. Nachdem Kaas von 1910 bis 1918 das Waisenhaus „Kemperhof“ und eine angeschlossene Höhere Schule in Koblenz leitete, wurde er 1919 Professor für Kirchenrecht an der katholisch-theologischen Fakultät in Bonn. Im gleichen Jahr wurde er für den Wahlkreis Koblenz-Trier in die verfassungsgebende Nationalversammlung gewählt, dem Reichstag gehörte er, wie sein Fraktionskollege Schreiber, von 1920 bis 1933 ohne Unterbrechung an. Er war von 1928 bis 1933 Vorsitzender der Partei, auf Wahlplakaten war er neben Heinrich Brüning (1885-1970) als „Führer der deutschen Zentrumspartei“ abgebildet.

Wahlplakat Heinrich Brüning und Ludwig Kaas 1930[30]

Ab 1917 arbeitete der Kirchenrechtler mit dem Diplomaten Eugenio Pacelli (1876‑1958), damals Nuntius in München, später Papst Pius XII., zusammen, während der „Rheinischen Republik“ ließ er, darin Adenauer nicht unähnlich, separatistische Sympathien für einen „Rheinstaat“ erkennen, allerdings im Verband des Reichs.[31] Am 8. Mai 1929 hielt Kaas auf der 17. Generalversammlung der KWG in Berlin den Vortrag Zur völkerrechtlichen Sonderstellung der Rheinlande nach der Räumung.[32] Darin bezog er sich unter anderem zustimmend auf den damals noch im Milieu der Zentrumspartei verorteten Carl Schmitt (1888-1985), insbesondere dessen 1928 gehaltenen Vortrag Völkerrechtliche Probleme im Rheingebiet.[33] Zwar bestanden gemeinsame Publikationspläne mit Schmitt,[34] aber auch wechselseitiges Misstrauen; 1925 hatte Schmitt einen Vortrag auf der Hauptversammlung der Görres-Gesellschaft in Trier zurückgezogen, weil er von Kaas und Schreiber nicht für ein geplantes „Spanisches Institut“ berücksichtigt worden war.[35] Am 14. Juni 1929 unterzeichnete der Freistaat Preußen ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl;[36] die Vorarbeiten von Kaas hierzu können kaum unterschätzt werden, und auch die Zweigstelle in Trier war hier ein wichtiger Ort. Kaas galt häufig als katholischer politischer Kompromisskandidat, auch bei seiner Wahl zum Parteivorsitzenden;[37] umstritten ist, inwieweit Kaas ab 1930 auf eine Koalition mit der NSDAP hinarbeitete. Carl Schmitt wurde von Kaas aber wegen seiner Unterstützung der Notstandspläne der Reichskanzler Papen und Schleicher im Januar 1933 öffentlich scharf angegriffen.[38] Im April 1933 ging er als Priester nach Rom und lebte im Vatikan; am 20. Juli 1933 war er bei der Unterzeichnung des Reichskonkordats anwesend, das er auf Seiten des Vatikans mit ausgehandelt hatte.[39] In das nationalsozialistische Deutschland kehrte Kaas nicht zurück, auch nach 1945 blieb er im Schutz des Vatikans. Er starb 1952 in Rom. Zu diesem Zeitpunkt ragte er bereits aus einer anderen Zeit heraus, der „politische Priester“ war in der Bundesrepublik, die den Katholiken eine noch komfortablere Rolle einräumen sollte, unbekannt;[40] dafür hatte Kaas allerdings selbst mit dem Reichskonkordat gesorgt.

6. Protestantische Einflüsse

Tatsächlich war Kaas in mancher Hinsicht weniger katholisch, als es zunächst den Anschein hat. So war er Schüler des protestantischen Völkerrechtlers Ulrich Stutz, eines reformierten Christen, der auch die Habilitation in Bonn mit betreut hatte.[41] Der fromme Positivist, der insbesondere in Bonn und Berlin wirkte, war ein borussophiler Schweizer, auf den in der kirchlichen Rechtsgeschichte insbesondere die „Eigenkirche“ zurückführt.[42] Über seine Netzwerke, zu denen auch seine taktisch eingesetzten Schwiegersöhne gehörten, war Stutz zeitweilig einer der einflussreichsten Professoren des Kaiserreichs. Er war Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften und auch mit dem Kirchenrechtler Rudolph Sohm (1841-1917) befreundet,[43] besaß als Experte des kanonischen Rechts aber besonders gute Beziehungen zur katholischen Kirche. In Bonn arbeitete er eng mit dem Kirchen- und Völkerrechtler Philipp Zorn (1850-1928) zusammen, der viele Schüler besaß und für einen etatistischen Ansatz im Kirchenrecht stand.[44] Auf die katholische Kirche war dies nicht ohne weiteres übertragbar, aber Zorn, der auch katholische Schüler wie Heinrich Pohl (1883-1931) besaß, [45]  war ein kulturkämpferischer Ansatz fremd; auf der anderen Seite sollte Kaas eine besondere Koordination der katholischen Kirche mit dem Staat suchen, wie sie etwa im Preußenkonkordat und unter nationalsozialistischen Vorzeichen im Reichskonkordat von 1933 Ausdruck finden sollte. Ein Kritiker wie Eugen Rosenstock‑Huessy (1888-1973) bezeichnete Stutz später als „der blinde und taube Papst der Rechtsgeschichte“.[46]

7. Die Aufgaben: Begleitung der Konkordate und Beratung der Politik

Ludwig Kaas 1930 im Reichstag[47]

Viel deutete darauf hin, dass die Außenstelle in erster Linie gegründet wurde, um ein Reichskonkordat und weitere staatliche Verträge mit der katholischen Kirche zu begleiten und aktiv zu fördern, weit über eine katholische Form der Politikberatung hinaus. Insofern war Trier eine „katholische“ Außenstelle in der noch immer protestantisch geprägten KWG. Dafür sorgten auch Männer im Hintergrund wie Friedrich Glum (1891‑1974)[48] als Generalsekretär der KWG, und der umtriebige preußische Kultusminister Carl Heinrich Becker (1876-1933),[49] ein Bonner Professorenkollege von Stutz und Zorn, der mit einem anderen Bonner Professorenkollegen, Rudolf Smend (1882-1975), im preußischen Kultusministerium[50] eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Staat und Religionsgemeinschaften auf vertraglicher Basis vorbereitete, wie sie in den Konkordaten Ausdruck finden sollte. Kaas kam hier als kirchenrechtlich hochqualifizierter katholischer Stimme in einem weitgehend protestantischen, aber nicht antikatholischen Umfeld eine besondere Bedeutung zu. Dieses Vorgehen war nicht ohne wissenschaftliche Gegner; insbesondere der traditionellen Positivisten, die sehr stark eine Rolle der Kirche als Religionsanstalt unter Staatsaufsicht betonten. So hatte Gerhard Anschütz (1867‑1948) im Zusammenhang der bayerischen Kirchenverträgen von 1925, die vom Freistaat mit der katholischen und der evangelischen Kirche geschlossen wurden, die Begriffe „Anklagebank“ und „schiefe Ebene“ gebraucht[51] und davor gewarnt, dass der Staat mit der Kirche gleichrangige Verträge schließt. Das nicht immer offen benannte Vorbild für die auf Konkordate hinarbeitende Politikberatung von Ludwig Kaas war allerdings das faschistische Italien mit dem Lateranvertrag von 1929. 1932 hatte Ludwig Kaas als wissenschaftliches Mitglied des Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, in der Institutszeitschrift eine Eloge Der Konkordatstyp des faschistischen Italien geschrieben.[52] Aus damaliger katholischer Sicht war Italien ein bis 1922 gegen die große Mehrheit seiner katholischen Bevölkerung antiklerikal regiertes Land, in dem Benito Mussolini, der in den 1920er Jahren keineswegs nur auf politisch rechts Stehende eine Faszination ausübte, spätestens mit den Lateranverträgen ein historischer Ausgleich gelungen war. Auch ein führender deutscher Protestant wie der eng mit Smend zusammenarbeitende preußische Generalsuperintendent Otto Dibelius (1880‑1967) fand es bereits vor den Lateranverträgen beachtlich, dass der Duce über Rom das Kreuz errichtet habe[53] und stellte 1932 in einem Zeitungsartikel fest: „Immerhin: grundsätzlich bejaht der Faschismus Christentum und Kirche!“[54]

8. Ein Erfolg?

„Christi treuer und kluger Diener“. Grabstätte Ludwig Kaas auf dem Campo Santo Teutonico[55]

Das Reichskonkordat von 1933 war in vieler Hinsicht eine Antwort auf die italienischen Lateranverträge und vielleicht der größte Erfolg der Außenstelle in Trier, die auf dieses Konkordat hin gegründet wurde. Ohne Kaas als ihren Leiter, um den herum sie nach der ungeschriebenen Tradition der KWG gegründet wurde, wäre dieses Konkordat wohl nicht zustande gekommen. Als es unterzeichnet wurde, hatte Kaas den Zenit seines Wirkens, nicht nur am Kaiser-Wilhelm-Institut, überschritten und musste sich für den Rest seines Lebens fern von Trier, nicht ganz freiwillig, in Rom aufhalten.

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[1] Rudolf Bernhardt/Karin Oellers-Frahm, Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Geschichte und Entwicklung von 1949 bis 2013, Berlin: Springer 2018, 6.

[2] Gerhard Lüdtke (Hrsg.), Minerva. Jahrbuch der gelehrten Welt, Jahrgang 30, Bd. 1, Berlin: De Gruyter 1930, 285; dort unter „Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft e.V.“ in Berlin auch aufgeführt: „Wiss. Mitglied u. Leiter der Zweigstelle Trier: Domkapitular, päpstl. Hausprälat [d.i. Monsignore] Dr. Ludwig Kaas, M.d.R. [Trier]“; in dem Eintrag zu Trier ist die Zweigstelle bezeichnenderweise nicht aufgeführt. Ähnliche Angaben („Wissenschaftliches Mitglied und Leiter der Zweigstelle Trier“) in: Preußisches Staatsministerium (Hrsg.), Handbuch über den Preußischen Staat für das Jahr 1930, 136. Jahrgang, Berlin: Decker 1930, 243; auch hier fehlen Angaben zum Sitz in Trier.

[3] Georg May, Ludwig Kaas. Der Priester, der Politiker und der Gelehrte aus der Schule von Ulrich Stutz, Bd. 2, Amsterdam: B.R. Grüner 1982, 302.

[4] Nelly Keil, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Gefahr, in: Germania ‑ Zeitung für das Deutsche Volk, 25. Dezember 1932, hier zitiert nach May (Fn. 3).

[5] Georg Schreiber, Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Reichsetat und Reichsgeschehen, Jahrbuch Max-Planck-Gesellschaft 1951, 60-107,77; dort ist von einer „fehlerhafte[n] Notiz“ die Rede (76). Schreiber erwähnte als weitere Aufgaben „völkerrechtliche Stellung und Gesetzgebung von Elsaß-Lothringen, von Luxemburg und Belgien“ und „Besatzungsrecht“ (ebd.).

[6] Georg Schreiber, Der erste Entwurf des Reichskonkordats 1920/21, in: Hermann Conrad (Hrsg.), Gegenwartsprobleme des Rechts. Beiträge zum Staats-, Völker- u. Kirchenrecht sowie zur Rechtsphilosophie. Godehard Josef Ebers zur Vollendung seines 70. Lebensjahres gewidmet von seinen Freunden und Schülern, Bd. 2, Paderborn: Schoeningh 1950, 159-196.

[7] Theodor Grentrup, Die Missionsfreiheit nach den Bestimmungen des geltenden Völkerrechts. Mit einem Vorwort von Ludwig Kaas, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd. 5, Berlin: De Gruyter 1928.

[8] Artikel 438 Versailler Vertrag regelte, dass „religiöse christliche Missionen“ (Christian religious missions bzw. missions religieuses chrétiennes) deutscher Gesellschaften „weiter für Missionszwecke verwendet werden soll.“ Die „alliierten und assoziierten Regierungen“ übten „eine vollständige Aufsicht“ über die Leiter dieser Missionen aus und wahren die Interessen dieser Missionen, Deutschland musste seine „Zustimmung zu jeder Anordnung, welche die beteiligten alliierten und assoziierten Regierungen zwecks Erfüllung des Werkes der genannten Missionen oder Handelsgesellschaften erlassen haben oder erlassen“ erklären und „auf jeden Einwand dagegen“ verzichten.

[9] Angaben nach Brockhaus, 15. Auflage, Leipzig 1934, Bd. 19, 73; Zahlen nach der Volkszählung vom 16. Juni 1925.

[10] Martin Otto, Konfessionen: Allgemein, Kirchliche Organisation und Konfessionen zwischen Kirche und Milieu, in: Rüdiger Voigt (Hrsg.), Weltmacht auf Abruf. Nation, Staat und Verfassung des Deutschen Kaiserreichs, Baden-Baden: Nomos 2023, 393-416.

[11] Hans Michael Heinig, „Es besteht keine Staatskirche.“ Das Verhältnis von Staat und Religion, in:  Horst Dreier/Christian Waldhoff (Hrsg.), Weimars Verfassung. Eine Bilanz nach 100 Jahren, Göttingen: Wallstein 2020, 265-274; Ludwig Richter, Kirche und Schule in den Beratungen der Weimarer Nationalversammlung, Düsseldorf: Droste 1996.

[12] Angaben hier und im Folgenden nach: Lüdtke (Fn. 2), Bd. 2, 2801-2801.

[13] Noch aufgeführt in: Richard Kukula/Karl Ignaz Trübner (Hrsg.), Minerva. Jahrbuch der gelehrten Welt, Jahrgang 26, Berlin: De Gruyter 1923, 1191; Nachfolger wurde „Dr. Wehr“, d.i. Matthias Wehr (1892-1967), von 1951 bis 1966 Bischof von Trier.

[14] Foto: Helge Rieder.

[15] Vgl. Rheinland-Pfalz – Generaldirektion Kulturelles Erbe (Hrsg.), Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler: Kreisfreie Stadt Trier, Mainz 2024, 18.

[16] Karin Schnauff, Erinnerung an Ludwig Kaas. Zum 20. Todestag am 25. April 1972, Pfullingen: Neske 1972, 28; Arthur Wynen, Ludwig Kaas. Aus seinem Leben und Wirken, Trier: Paulinus 1953, 21.

[17] May (Fn. 3), 302; Friedrich Glum, Zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Erlebtes und Erdachtes in 4 Reichen, Bonn: Bouvier 1964, 328.

[18] Glum (Fn. 17), 328.

[19] Schreiber (Fn. 5), 77; Glum (Fn. 17), 328.

[20] Rudolf Morsey, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 23, Berlin: Duncker& Humblot 2007, 529-530.; vgl. auch Paul Mikat (Hrsg.), Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, 6. Aufl., Bd. 11 (3. Ergänzungsband), Freiburg: Herder 1970, 150.

[21] Mit:  Professor Bauer (?), Hermann Weinkauff, Gerhard Anschütz, Georg Jellinek; Foto: MPIL.

[22] Georg Schreiber, Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert. Studien zur Privilegierung, Verfassung und besonders zum Eigenkirchenwesen der vorfranziskanischen Orden vornehmlich auf Grund der Papsturkunden von Paschalis II. bis auf Lucius III. (1099-1181), Stuttgart: Ferdinand Enke 1910.

[23] Georg Schreiber, Untersuchungen zum Sprachgebrauch des mittelalterlichen Oblationenwesens. Ein Beitrag zur Geschichte des kirchlichen Abgabenwesens und des Eigenkirchenrechts, Dissertation, Freiburg im Breisgau: Wörrishofen 1913.

[24] May (Fn. 3), 302.

[25] Bernd Haunfelder, Die Rektoren, Kuratoren und Kanzler der Universität Münster 1826–2016. Ein biographisches Handbuch, Münster: Aschendorff 2020, 224–228.

[26] Hans Christof Kraus, Was in den Akten steht, kam durch ihn in die Welt. Unbeirrbarer Korrektor der Geschichte der Bundesrepublik: Zum Tod von Rudolf Morsey, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. Mai 2024.

[27] Foto: BArch, Bild 102-03169/ Pahl, Georg.

[28] Herrman A. L. Degener (Hrsg.), Degeners Wer ist’s, X. Aufl., Verlag Herrmann Degener Berlin 1935, 771; Karl Otmar von Aretin, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 10, Berlin: Duncker& Humblot 1974, 713-714; in diesem Zusammenhang besonders wichtig: Georg Schreiber, in: Paul Mikat (Hrsg.), Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, , 7. Aufl., Bd. 4, Freiburg: Herder 1988, 747-750.

[29] Andreas Thier, Ulrich Stutz, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 25, Berlin: Duncker& Humblot 2013, 659; näher auch Martin Otto, Von der Eigenkirche zum Volkseigenen Betrieb. Erwin Jacobi (1884-1965). Arbeits-, Staats- und Kirchenrecht zwischen Kaiserreich und DDR, Tübingen: Mohr Siebeck 2018, 20-22.

[30] Urheberangabe „Görres-Druckerei Koblenzer Volksstimme“; Bild: Konrad-Adenauer-Stiftung/Archiv für christlich-demokratische Politik, Plakatsammlung Weimarer Republik/NS-Zeit 10-043, CC-BY-SA 3.0 DE.

[31] Philipp Bender, Eine Rheinische Republik? Die ersten Rheinstaatsbestrebungen 1918/19 in Zeiten des völker- und verfassungsrechtlichen Umbruchs, Berlin: De Gruyter 2019.

[32] Ludwig Kaas, Zur völkerrechtlichen Sonderstellung der Rheinlande nach der Räumung, in: Europäische Geschichte. Hamburger Monatshefte für auswärtige Politik 7 (1929), 222-231. Gleichzeitig veröffentliche Kaas besatzungskritische Briefe an den Minister für die besetzten Gebiete und zeitweiligen Reichskanzler Joseph Wirth (Zentrum): Vgl. Jon Jacobson, Locarno Diplomacy. Germany and the West. 1925-1929, Princeton: Princeton University Press 1972, 297.

[33] Carl Schmitt, Völkerrechtliche Probleme im Rheingebiet, hier zitiert nach: Carl Schmitt, Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles, 3. Aufl., Berlin: Duncker& Humblot 1994, 111-123. Es handelt sich um einen Vortrag, den Schmitt im Oktober 1928 auf der Tagung des Verbandes Deutscher Geschichtslehrer in Heppenheim (Bergstraße) gehalten hatte.

[34] Carl Schmitt, Tagebücher 1925 bis 1929, herausgegeben von Martin Tielke und Gerd Giesler, Berlin: Duncker& Humblot 2018, 224 (Eintrag vom 31. Oktober 1928: „will mit Kaas zusammen meinen Aufsatz veröffentlichen“).

[35] Schmitt, Tagebücher (Fn. 34), 4. Das „Spanische Institut“ wäre ein Auslandsinstitut der Görres-Gesellschaft gewesen, ein Gegenstück zu dem 1888 gegründeten Institut in Rom. Schmitt hatte den Vortrag Staat und Souveränität im Zeitalter des modernen Imperialismus zurückgezogen.

[36] Werner Weber, Die deutschen Konkordate und Kirchenverträge der Gegenwart, Bd. 1, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1962, 67-89.

[37] Ulrich von Hehl, Ein vergessener Nothelfer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. November 2023.

[38] Hier nach: Reinhard Mehring, Carl Schmitt. Aufstieg und Fall. Eine Biographie, München: C.H. Beck 2009, 304. Kaas hatte einen entsprechenden Artikel in der katholischen Tageszeitung „Germania“ am 29. Januar 1933 veröffentlicht.

[39] Thomas Brechenmacher (Hrsg.), Das Reichskonkordat 1933. Forschungsstand, Kontroversen, Dokumente, Paderborn: Schönigh 2007.

[40] Christian Schulze Pellengahr, Das Verbot der politischen Betätigung für Geistliche nach katholischem und evangelischem Kirchenrecht sowie im geltenden Staatskirchenrecht. Unter Berücksichtigung der Staaten- und Verfassungsgeschichte Deutschlands und Österreichs, Dissertation, Schriften zum Staatskirchenrecht Bd. 45, Frankfurt am Main: Peter Lang 2009.

[41] Ludwig Kaas, Die geistliche Gerichtsbarkeit der katholischen Kirche in Preußen in Vergangenheit und Gegenwart mit besonderer Berücksichtigung des Westens der Monarchie, Stuttgart: Enke 1915/16 (zwei Bände).

[42] Katrin Bayerle, Ulriche Stutz. Von der Eigenkirche zur „hinkenden Trennung zwischen Kirche und Staat“, in: Thomas Holzner/Hannes Ludyga (Hrsg.), Entwicklungstendenzen des Staatskirchen- und Religionsverfassungsrechts. Ausgewählte begrifflich-systematische, historische, gegenwartsbezogene und biographische Beiträge, Paderborn: Schöningh 2013, 505-518; Ulrich Stutz, Die Eigenkirche als Element des mittelalterlich-germanischen Kirchenrechtes, Berlin 1895.

[43] Gary Lease, Der Nachlass Rudolph Sohms, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Kanonistische Abteilung 92 (1975), 348-376.

[44] Martin Otto, Philipp Zorn, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 28, Berlin: Duncker& Humblot 2024, 746-748; Julia Schmid, Konservative Staatsrechtslehre und Friedenspolitik. Leben und Werk Philipp Zorns, Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung Bd. 85, Ebelsbach: Aktiv Druck & Verlag GmbH 2001; insgesamt hierzu auch: Martin Otto, In der „protestantischen Ebene“. Ernst Rudolf Huber als evangelischer Kirchenrechtler, in: Ewald Grothe (Hrsg.), Ernst Rudolf Huber. Staat – Verfassung – Geschichte, Baden-Baden: Nomos 2015, 121-145, 124.

[45] Martin Otto, Heinrich Pohl, in: Maria Magdalena Rückert (Hrsg.), Württembergische Biographien, Bd. II, Stuttgart: Kohlhammer 2011, 216-219.

[46] Eugen Rosenstock-Huessy, Ja und Nein. Autobiographische Fragmente, Heidelberg: Lambert Schneider 1968, 121 (Postskript eines gewesenen Rechtshistorikers); Martin Otto, „Habilitandenjahrgang 1912“ – Wege und Wirkungen einer rechtshistorischen Generation, Jahrbuch Simon-Dubnow-Institut XIV (2015), 297-323, 321-323.

[47] Foto: Erich Salomon, public domain.

[48] Bernhard vom Brocke, Friedrich Glum (1891–1974), in: Kurt A. Jeserich/Helmut Neuhaus (Hrsg.): Persönlichkeiten der Verwaltung. Biographien zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1648–1945, Stuttgart: Kohlhammer 1991, 449–454; Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3: Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur 1914-1945, München: C.H. Beck 1999, 257.

[49] Ronald Lambrecht, Carl Heinrich Becker als Kultuspolitiker in der Weimarer Republik, in: Kristina Michaelis/ Ulf Morgenstern (Hrsg.), Kaufleute, Kosmopoliten, Kunstmäzene. Die Gelnhäuser Großbürgerfamilien Becker und Schöffer, Hamburg: Verlag am goldenen Fuß 2013, 82-85.

[50] Die Tätigkeit von Smend im preußischen Kultusministerium ist belegt, im Schrifttum finden sich aber kaum Hinweise; allerdings: Helmuth Plessner, Selbstdarstellung, in: Tilman Allert/Joachim Fischer (Hrsg.), Plessner in Wiesbaden, Wiesbaden: Springer 2014, 13-40 (22); auch Otto, In der „protestantischen Ebene“ (Fn. 44), 124.

[51] Gerhard Anschütz, Die bayerischen Kirchenverträge von 1925, Berlin: Loewenthal 1925, 5.

[52] Ludwig Kaas, Der Konkordatstyp des faschistischen Italien, ZaöRV 3 (1933), 488–522.

[53] Otto Dibelius, Das Jahrhundert der Kirche. Betrachtung, Umschau und Ziele, Berlin: Furche-Verlag 1927.

[54] Otto Dibelius, in: Berliner Evangelisches Sonntagsblatt, 13. November 1932, hier zitiert nach: Dietrich Bronder, Bevor Hitler kam, 2. Aufl., Hannover: Lühe 1975, 415. Zu Dibelius nunmehr Hartmut Fritz, Otto Dibelius. Ein Kirchenmann in der Zeit zwischen Monarchie und Diktatur, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1998.

[55] Foto: Alexandra Kemmerer.

English

1. The Forgotten “Trier Branch”

The branch office of the Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law for “the Law of Occupation, the Saar Region and Concordats” in Trier was founded on 24 July 1925.[1] Neither the exact date of the opening or of the start of operations in Trier nor the location can be determined precisely. From 1926 onwards, the branch office is listed in the common directories of the time.[2] However, no indication of an exact address or building is given and no employees, apart from the director Ludwig Kaas (1881-1952), are named. We can therefore only speculate about the exact size of the branch office. The remit of the almost obscure organisation is clearly described, however: Alsace-Lorraine, Belgium, Luxembourg, the law of occupation and of concordats.[3] In an interview with the Catholic newspaper Germania in 1932, Institute Director Viktor Bruns (1884-1943) named the interpretation of the Treaty of Versailles, the law of the “ceded territories and the Saar region” and foreign state‑church law as the focal points of the branch’s work.[4] Yet, the specifications given were by no means uniform: in an internal document, namely the Kaiser Wilhelm Society’s “Budget Exposé” of 1931, the area of activity of the branch office “run by Prof. Kaas” was only described as “law of concordats”.[5] This suggests that one focus of the branch office’s work was the preparation of a concordat between the German Reich and the Holy See; preliminary work on this had already begun in 1920/21, with the participation of member of parliament Georg Schreiber (1882‑1963).[6] Furthermore, publications explicitly referring to the Trier branch are sparse; procurable in libraries is a work by Theodor Grentrup (1879-1967), a priest of the Steyel missionaries interested in legal issues, on “The Freedom of Mission According to the Rules of Existing International Law” (Die Missionsfreiheit nach den Bestimmungen des geltenden Völkerrechts) from 1928[7] with a foreword by Ludwig Kaas. The work deals with a topic rather marginal in international law scholarship but important to the Catholic Church: German missionary communities were affected by Article 438 of the Treaty of Versailles, which mandated their property and personnel in the mission areas to be put under Allied control.[8] The branch office had a unique position within the Kaiser Wilhelm Society, particularly due to its decidedly Catholic orientation and its location in Trier, which was at the time primarily an episcopal city with a population of just 57,341 in 1925 (51,165 Catholics, 5,562 Protestants, 625 denominational Jews)[9] and the seat of a Prussian regional council. Scientific libraries and organizations, with which Kaiser Wilhelm Institutes would usually cooperate, were not available there.

2. “Borderland Subsidies” and the Politics of Denomination

Trier was in the outermost periphery of the German Reich, located just 15 kilometres from the border with Luxembourg in Wasserbillig and not much further from Belgium, the Saar region, standing under a League of Nations mandate, and France. The capital of the Reich, Berlin, however, was 563 kilometres away. The border was never completely impermeable, there were family relationships across the border, the Catholic Church was deeply rooted in the population on both sides of it, and the local Moselle-Franconian language was spoken and understood in everyday life. Yet, the consequences of the Treaty of Versailles were particularly tangible here. The nearby Grand Duchy of Luxembourg, which had been part of the Deutscher Bund (German Confederation) until 1866, was no longer part of the German customs territory. Trier was separated from its western hinterland by a new customs boundary, which also affected the hinterland of the city on the Saar, which was traditionally orientated towards Trier. The loss of Alsace-Lorraine to France and Eupen-Malmedy to Belgium also brought Trier closer to a western border already strained by the war. These changes, which characterised and burdened life in Trier during the Weimar Republic, exacerbated the marginalisation, not only due to geographical factors, which had already been established in the years before the First World War. Catholics made up more than a third of the population of the predominantly Protestant German Reich at the time and were not discriminated against legally, but they were underrepresented in many fields, including in academia.[10] Bismarck’s fiercely fought Kulturkampf against the Catholic Church had been particularly virulent in the Trier region. Bishop Matthias Eberhard (1815‑1876) had been incarcerated for several months in 1874 and when he died in 1876, the Kulturkampf was at its height: in the diocese of Trier, 250 priests faced trial and 230 out of 731 parishes were unoccupied. From 1876 to 1881, even the episcopal see in Trier was vacant due to political reasons, namely the Prussian authorities refusing assent. Bishop Michael Felix Korum (1840-1921), who had been in office since 1881 and whose episcopate ended with his death in 1921, during the Weimar Republic, came from Alsace and was an important mentor to Ludwig Kaas. Despite the Weimar Republic being actively shaped by the Catholic Centre Party (Deutsche Zentrumspartei) and the temporal distance, the Kulturkampf and its consequences were still noticeable, especially in a city like Trier, intensely shaped by the clergy. In terms of constitutional law, however, the situation for Catholics had improved with the Weimar Constitution. Protestant scholar of canon law Wilhelm Kahl (1849‑1932), a member of parliament for the German People’s Party (Deutsche Volkspartei), and Catholic priest Joseph Mausbach (1861‑1931), a member of parliament for the Centre Party, in particular had campaigned in the Weimar National Assembly for the inclusion of a compromise on state‑church law in the Weimar Constitution, which ended up containing the principle “There is no state church”, yet only introduced an incomplete, “limping”, separation of state and church.[11]

3. Trier as an Academic Centre

Despite their emancipation, not all Catholics unreservedly supported the republic. Catholics still stood under the verdict of backwardness in the Protestant-dominated university landscape. That was an exaggeration, but educational institutions beyond the high school level were in fact sparse in Trier. In 1925, the only such institutions were an episcopal seminary, already viewed with suspicion by university theology, founded in 1773[12], with just 200 students, where Ludwig  Kaas was a lecturer in canon law until the early 1920s[13] , a small “Scientific Institute for Pedagogy” without university status, which trained teachers for Catholic primary schools, and a “Provincial Teaching Institute for Viticulture, Fruit Growing and Agriculture” with a total of seven teaching staff. The academic assets of the city did however include the Catholic “Görres Society for the Advancement of Science”, founded in 1876, which held its general meeting in Trier in 1925. Those searching higher education mostly went to the University of Bonn, which had a strong Protestant character despite its Catholic faculty.

The former Kurie Eltz which housed the Trier branch office[14]

At first glance, the branch office was a little-disguised subsidy programme for the borderland, which was by no means unusual in the Weimar Republic. At second glance, however, there are more profound rationales behind the branch office’s location. In 1926, a rear extension to Kurie Eltz at Großer Eulenpfütz 1, which dated back to 1726 and housed Kaas’s parsonage, was built in Heimatstil historicist style by master cathedral architect Julius Wirtz (1875-1952).[15] In return, Kaas made his extensive library, which he finally donated to the institute in 1933,[16] available to the branch office. Many books from this collection can still be found in the MPIL’s library in Heidelberg today. The branch office had an annual budget of 25,000 Reichsmark, 10,000 Reichsmark of which was just for Kaas.[17] It was, in what could be called a personalist exaggeration of the Harnack principle, founded around the person of Ludwig Kaas, in order to provide him with “a special place of activity”.[18] Accordingly, it served not least the promotion of a singular scientist. The branch was essentially Kaas’ institute; there are no references to other employees. The initiator and man in the background[19] was Georg Schreiber, another Catholic priest operating on the borderline between church and politics.[20] Both Kaas and Schreiber were active members of the Görres Society and made an appearance at its general meeting in Trier in 1925.

4. The Man in the Background: Georg Schreiber

Georg Schreiber (on the left) on the occasion of the conferment of the Great Cross of Merit of the Federal Republic of Germany (Großes Bundesverdienstkreuz) to Carl Bilfinger (fourth from the right) in Heidelberg on 24 July 1953.[21]

Born in Rüdenshausen in the lower Eichsfeld region near Hanover in 1882, Schreiber was ordained as a priest in 1905 and received his doctorate in Berlin in 1909[22]. Only a few years later in 1913, in close proximity to the Protestant canon lawyer Ulrich Stutz (1868-1938), he was awarded a doctorate in theology in Freiburg im Breisgau[23] and in the same year became a private lecturer in church history in Münster. In 1915, Schreiber became associate professor of canon law and Bavarian constitutional and administrative law at the Royal Bavarian Lyceum in Regensburg, then in 1917 full professor of church history and the historical study of caritas at the University of Münster. From 1920 to 1933, Schreiber was a member of parliament for the Centre Party representing the constituency Westfalen-Nord (“Northern Westphalia”). He was an influential parliamentarian and regarded as a “Reich prelate” with a special interest in “foreign studies”; from 1926 to 1933 he was a senator of the Kaiser Wilhelm Society and was, among other things, able to successfully advocate for a “Catholic” branch in Trier.[24] From 1933 onwards, conflicts with Hitler’s National Socialist German Workers’ Party (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) became more frequent, which led to his resignation in 1936. After 1945, Schreiber was appointed by the British as the first post-war rector of the University of Münster[25] and was able to continue his activities in the field of educational policy in the Federal Republic; in the final years of his life, for example, he supported historian Rudolf Morsey (1927-2024).[26] Schreiber died in Münster in 1963. In the branch office however, Schreiber remained in the background. Here, Ludwig Kaas, a “political priest” of almost the same age as Schreiber, set the tone.

5. The Harnack Principle in Terms of Denomination: Ludwig Kaas

The German delegation in the gardens of Metropol hotel in Geneva, commemorating Germany’s accession to the League of Nations in 1926. Standing in the front row are the heads of the delegation, from right to left: State Secretary Karl von Schubert, Gustav Stresemann, State Secretary Robert Weissmann, Prelate Ludwig Kaas.[27]

Against the backdrop of Kaas’ biography,[28]  the choice of Trier as a location is not surprising; Kaas, the son of a merchant, was born there in 1881, graduated from high school and also began his theological studies at the Faculty of Philosophy and Theology in Trier, but then went on with them Rome and Bonn. In Bonn, he visited lectures by the Protestant canon law expert Ulrich Stutz[29], as whose student Kaas came to identify himself. After Kaas had been head of the orphanage Kemperhof and an affiliated secondary school in Koblenz from 1910 to 1918, he became a professor of canon law at the Catholic theological faculty in Bonn in 1919. In the same year, he was elected to the National Assembly as a representative for the Koblenz-Trier constituency and, like his party colleague Schreiber, was a member of parliament from 1920 to 1933 without interruption. He was party chairman from 1928 to 1933; on election posters, he was depicted alongside Heinrich Brüning (1885-1970) as a “Leader of the German Centre Party”.

Election Poster depicting Heinrich Brüning and Ludwig Kaas, 1930.[30]

From 1917, the canon law expert worked with the diplomat Eugenio Pacelli (1876‑1958), who was nuncio in Munich at the time and later went on to become Pope Pius XII. During the “Rhenish Republic”, he, not unlike Adenauer,  showed separatist sympathies for a “Rhine state” but within the association of the German Empire.[31] On 8 May 1929, Kaas gave a lecture at the 17th General Assembly of the Kaiser Wilhelm Society in Berlin entitled “On the Special Status under International Law of the Rhineland after Evacuation” (Zur völkerrechtlichen Sonderstellung der Rheinlande nach der Räumung)[32], in which he referred approvingly to Carl Schmitt (1888‑1985), who was still considered part of the Centre Party milieu at the time, in particular to his 1928 lecture “International Law Problems in the Rhine Region” (Völkerrechtliche Probleme im Rheingebiet)[33]. Although Kaas and Schmitt made plans for a joint publication[34], there was a mutual mistrust; in 1925, Schmitt had withdrawn a lecture intended to be held at the general meeting of the Görres Society in Trier because he had not been considered by Kaas and Schreiber for a prospective “Spanish Institute”.[35] On 14 June 1929, the Free State of Prussia signed a concordat with the Holy See;[36] Kaas’ preparatory work for this can hardly be underestimated, and the branch office in Trier also played an important role. Kaas was often regarded as a Catholic compromise candidate, including when he was elected party chairman.[37] It remains disputed to what extent he, from 1930 onwards, worked towards a coalition with the National Socialists. In any case, in January 1933, Kaas publicly attacked Carl Schmitt for his support of the declaration of a state of emergency by Chancellors Papen and Schleicher.[38] In April 1933, he went to Rome as a priest and lived in the Vatican from then on; on 20 July 1933, he was present at the signing of the Reichskonkordat, the concordat between the Holy See and the German Reich, which he had helped to negotiate on behalf of the Vatican.[39] Kaas did not return to National Socialist Germany and, even after 1945, remained under the protection of the Vatican. He died in Rome in 1952. By this time, he already constituted a relict of a different time; the “political priest” was unknown in the Federal Republic, which was to grant Catholics an even more comfortable role;[40] yet it was Kaas himself who had made sure of this with the Reichskonkordat.

6. Protestant Influences

In fact, Kaas was, in some respects, “less Catholic” than it initially appears. He was a student of the Protestant international law expert Ulrich Stutz, a Reformed Christian who had also co-supervised his habilitation in Bonn.[41] The pious Christian and legal positivist, who mainly worked in Bonn and Berlin, was a Borussophile Swiss, to whom in clerical legal history, among other things, owes basic research on the Eigenkirche (the institution of proprietary churches).[42] By power of his networks, Stutz was temporarily one of the most influential professors in the German Empire. He was a member of the Prussian Academy of Sciences and was friends with the canon lawyer Rudolph Sohm (1841‑1917)[43] , but as an expert in canon law, he had particularly good relations with the Catholic Church. In Bonn, he worked closely with Philipp Zorn (1850-1928), a scholar of canon and international law, who had many students and stood for a statist approach to canon law.[44] This was not directly applicable to the Catholic Church, but Zorn, who also had Catholic students such as Heinrich Pohl (1883-1931)[45], was alien to a culture war approach. In any case, Kaas was to seek out an unparalleled coordination of the Catholic Church with the state, as expressed in the Prussian Concordat and, under National Socialist auspices, in the Reichskonkordat of 1933. Eugen Rosenstock-Huessy (1888-1973) later critically labelled Stutz “the blind and deaf pope of legal history”. [46]

7. The Tasks: Monitoring the Concordats and Political Advisory

Ludwig Kaas speaking at the Reichstag in 1930.[47]

There are many indications that the branch office was founded primarily to support and actively promote a concordat and other state treaties with the Catholic Church, going far beyond a Catholic form of political advisory. In this respect, Trier was a “Catholic” branch of the Kaiser Wilhelm Society, which was still characterised by Protestantism. This was also ensured by men in the background such as Friedrich Glum (1891‑1974)[48] as Secretary General of the Kaiser Wilhelm Society, and the enterprising Prussian Minister of Culture Carl Heinrich Becker (1876‑1933)[49], a fellow Bonn professor of Stutz and Zorn, who, together with another colleague, Rudolf Smend (1882-1975), worked towards the establishment of an equal co-operation between the state and the religious communities founded upon a contractual basis,[50] as was to be manifested in the concordats. Kaas, highly qualified in state‑church law, was of particular importance here, as a Catholic voice in a largely Protestant, but not anti‑Catholic environment. This approach was not without scholarly opposition, particularly from traditional positivists, who strongly emphasised the role of the church as a religious institution under state supervision. Gerhard Anschütz (1867‑1948), for example, had used the terms “dock” and “slippery slope” in connection with the Bavarian church treaties of 1925, concluded between the Free State and the Catholic and Protestant churches,[51] and warned against the conclusion of equal treaties with the church on the federal level. The model for Ludwig Kaas’ political advisory on concordats was however, despite not always being openly named, fascist Italy with the Lateran Treaty of 1929. Ludwig Kaas, as an academic member of the Institute for Comparative Public Law and International Law, wrote an eulogy on “The Concordat Type of Fascist Italy” (Der Konkordatstyp des faschistischen Italien) in the Institute’s journal in 1932.[52] From the Catholic perspective of the time, Italy had been, despite the vast majority of its population being Catholic, ruled in an anti-clerical manner until 1922 and Benito Mussolini, who in the 1920s was a source of fascination, by no means only for those on the political right, had succeeded in achieving a historical equalisation with the Lateran Treaties, at the latest. Even a leading German Protestant such as the Prussian Superintendent General Otto Dibelius (1880-1967), who worked closely with Smend, found it remarkable even before the Lateran Treaties that the Duce had erected the cross over Rome[53] and stated in a newspaper article in 1932: “At least: Fascism generally affirms Christianity and the Church!”[54]

8. A Success?

“A faithful and wise follower of Christ”: Ludwig Kaas’ grave at Campo Santo Teutonico[55]

The Reichskonkordat of 1933 was in many respects a response to the Italian Lateran Treaties and perhaps the greatest success of the Trier branch, which was founded to work towards this concordat. Without Kaas as its director, around whom it was founded according to the unwritten tradition of the Kaiser Wilhelm Society, this concordat probably would not have come about. By the time it was signed, Kaas had passed the zenith of his influence, not only at the Kaiser Wilhelm Institute, and was to spend the rest of his life, not entirely voluntarily, far away from Trier, in Rome.

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Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Rudolf Bernhardt/Karin Oellers-Frahm, Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Geschichte und Entwicklung von 1949 bis 2013, Berlin: Springer 2018, 6; direct quotations here and in the following: translated by the editor.

[2] Gerhard Lüdtke (ed.), Minerva. Jahrbuch der gelehrten Welt, Jahrgang 30, Vol. 1, Berlin: De Gruyter 1930, 285; listed under „Institute for Comparative Public Law and International Law of the Kaiser Wilhelm Society“ in Berlin: „Scientific member and head of the Trier branch: Canon, papal house prelate [i.e. Monsignore] and member of parliament Dr. Ludwig Kaas [Trier]”, interestingly, the branch office is not mentioned in the listing for Trier. Similar specifications („scientific member and head of the Trier branch“) can be found in: Preußisches Staatsministerium (ed), Handbuch über den Preußischen Staat für das Jahr 1930, 136. Edition, Berlin: Decker 1930, 243; there is also no mention of the branch office’s location in Trier here either.

[3] Georg May, Ludwig Kaas. Der Priester, der Politiker und der Gelehrte aus der Schule von Ulrich Stutz, Vol. 2, Amsterdam: B.R. Grüner 1982, 302.

[4] Nelly Keil, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Gefahr, in: Germania ‑ Zeitung für das Deutsche Volk, 25 December 1932, quoted after May (fn.3)

[5] Georg Schreiber, Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Reichsetat und Reichsgeschehen, Jahrbuch Max-Planck-Gesellschaft 1951, 60-107,77; here, this is described as a „incorrect note“ (76). Schreiber mentions the „position under international law of Alsace-Lorraine, Luxembourg and Belgium“ and „law of occupation“ (76).

[6] Georg Schreiber, Der erste Entwurf des Reichskonkordats 1920/21, in: Hermann Conrad (ed), Gegenwartsprobleme des Rechts. Beiträge zum Staats-, Völker- u. Kirchenrecht sowie zur Rechtsphilosophie. Godehard Josef Ebers zur Vollendung seines 70. Lebensjahres gewidmet von seinen Freunden und Schülern, Vol. 2, Paderborn: Schoeningh 1950, 159-196.

[7] Theodor Grentrup, Die Missionsfreiheit nach den Bestimmungen des geltenden Völkerrechts. Mit einem Vorwort von Ludwig Kaas, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Vol. 5, Berlin: De Gruyter 1928.

[8] Article 438 of the Treaty of Versailles stipulated that “Christian religious missions” (“missions religieuses chrétiennes”) of German communities “shall continue to be devoted for missionary purposes.” The “Allied and Associated Governments” exercised “full control” over the heads of these missions and safeguarded the interests of these missions; Germany had to agree “to accept all arrangements made or to be made by the Allied or Associated Government concerned for carrying on the work of the said missions or trading societies” and waive “all claims on their behalf”.

[9] Data according to Brockhaus, 15. ed., Leipzig 1934, Vol. 19, 73; Numbers of the16 June 1925 census.

[10] Martin Otto, Konfessionen: Allgemein, Kirchliche Organisation und Konfessionen zwischen Kirche und Milieu, in: Rüdiger Voigt (ed), Weltmacht auf Abruf. Nation, Staat und Verfassung des Deutschen Kaiserreichs, Baden-Baden: Nomos 2023, 393-416.

[11] Hans Michael Heinig, „Es besteht keine Staatskirche.“ Das Verhältnis von Staat und Religion, in:  Horst Dreier/Christian Waldhoff (eds.), Weimars Verfassung. Eine Bilanz nach 100 Jahren, Göttingen: Wallstein 2020, 265-274; Ludwig Richter, Kirche und Schule in den Beratungen der Weimarer Nationalversammlung, Düsseldorf: Droste 1996.

[12] Data here and below according to Lüdtke (fn. 2), Vol. 2, 2801-2801.

[13] Still listed in: Richard Kukula/Karl Ignaz Trübner (eds.), Minerva. Jahrbuch der gelehrten Welt, Jahrgang 26, Berlin: De Gruyter 1923, 1191; his successor was „Dr. Wehr“, i.e. Matthias Wehr (1892-1967), Bishop of Trier from 1951 to 1966.

[14] Photo: Helge Rieder.

[15] Cf. Rheinland-Pfalz – Generaldirektion Kulturelles Erbe (ed), Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler: Kreisfreie Stadt Trier, Mainz 2024, 18.

[16] Karin Schnauff, Erinnerung an Ludwig Kaas. Zum 20. Todestag am 25. April 1972, Pfullingen: Neske 1972, 28; Arthur Wynen, Ludwig Kaas. Aus seinem Leben und Wirken, Trier: Paulinus 1953, 21.

[17] May (fn. 3), 302; Friedrich Glum, Zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Erlebtes und Erdachtes in 4 Reichen, Bonn: Bouvier 1964, 328.

[18] Glum (fn. 17), 328.

[19] Schreiber (fn. 5), 77; Glum (fn. 17), 328.

[20] Rudolf Morsey, in: Neue Deutsche Biographie, Vol. 23, Berlin: Duncker& Humblot 2007, 529-530.; cf. Also Paul Mikat (ed.), Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, 6. ed., Vol. 11 (subsidiary volume 3), Freiburg: Herder 1970, 150.

[21] With:  Professor Bauer (?), Hermann Weinkauff, Gerhard Anschütz, Georg Jellinek; Photo: MPIL.

[22] Georg Schreiber, Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert. Studien zur Privilegierung, Verfassung und besonders zum Eigenkirchenwesen der vorfranziskanischen Orden vornehmlich auf Grund der Papsturkunden von Paschalis II. bis auf Lucius III. (1099-1181), Stuttgart: Ferdinand Enke 1910.

[23] Georg Schreiber, Untersuchungen zum Sprachgebrauch des mittelalterlichen Oblationenwesens. Ein Beitrag zur Geschichte des kirchlichen Abgabenwesens und des Eigenkirchenrechts, Dissertation, Freiburg im Breisgau: Wörrishofen 1913.

[24] May (fn. 3), 302.

[25] Bernd Haunfelder, Die Rektoren, Kuratoren und Kanzler der Universität Münster 1826–2016. Ein biographisches Handbuch, Münster: Aschendorff 2020, 224–228.

[26] Hans Christof Kraus, Was in den Akten steht, kam durch ihn in die Welt. Unbeirrbarer Korrektor der Geschichte der Bundesrepublik: Zum Tod von Rudolf Morsey, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27 May 2024.

[27] Photo: BArch, Bild 102-03169/ Pahl, Georg.

[28] Herrman A. L. Degener (ed), Degeners Wer ist’s, X. ed., Verlag Herrmann Degener Berlin 1935, 771; Karl Otmar von Aretin, in: Neue Deutsche Biographie, Vol. 10, Berlin: Duncker& Humblot 1974, 713-714; especially relevant in this context: Georg Schreiber, in: Paul Mikat (ed), Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, 7. ed., Vol. 4, Freiburg: Herder 1988, 747-750.

[29] Andreas Thier, Ulrich Stutz, in: Neue Deutsche Biographie, Vol. 25, Berlin: Duncker& Humblot 2013, 659; more information: Martin Otto, Von der Eigenkirche zum Volkseigenen Betrieb. Erwin Jacobi (1884-1965). Arbeits-, Staats- und Kirchenrecht zwischen Kaiserreich und DDR, Tübingen: Mohr Siebeck 2018, 20-22.

[30] Copyright Indication: “Görres-Druckerei Koblenzer Volksstimme”; Image: Konrad-Adenauer-Stiftung/Archiv für christlich-demokratische Politik, Plakatsammlung Weimarer Republik/NS-Zeit 10-043, CC-BY-SA 3.0 DE.

[31] Philipp Bender, Eine Rheinische Republik? Die ersten Rheinstaatsbestrebungen 1918/19 in Zeiten des völker- und verfassungsrechtlichen Umbruchs, Berlin: De Gruyter 2019.

[32] Ludwig Kaas, Zur völkerrechtlichen Sonderstellung der Rheinlande nach der Räumung, in: Europäische Geschichte. Hamburger Monatshefte für auswärtige Politik 7 (1929), 222-231. At the same time, Kaas published letters to the Minister of the Occupied Territories and temporary Reich Chancellor Joseph Wirth (Centre Party) criticizing the occupation: Cf. Jon Jacobson, Locarno Diplomacy. Germany and the West. 1925-1929, Princeton: Princeton University Press 1972, 297.

[33] Carl Schmitt, Völkerrechtliche Probleme im Rheingebiet, quoted after: Carl Schmitt, Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles, 3. ed., Berlin: Duncker& Humblot 1994, 111-123. This lecture was held by Carl Schmitt in October 1928 at a conference of the Association of German History Teachers (Verband Deutscher Geschichtslehrer) in Heppenheim (Bergstraße).

[34] Carl Schmitt, Tagebücher 1925 bis 1929, edited by Martin Tielke und Gerd Giesler, Berlin: Duncker& Humblot 2018, 224 (entry of 31 October 1928: „I want to publish my article together with Kaas“).

[35] Schmitt, Tagebücher (fn. 34), 4. The “Spanish Institute” would have been a foreign institute of the Görres‑Gesellschaft, a counterpart to the institute founded in Rome in 1888. Schmitt had withdrawn his lecture on “The State and Sovereignty in the Age of Modern Imperialism” (Staat und Souveränität im Zeitalter des modernen Imperialismus).

[36] Werner Weber, Die deutschen Konkordate und Kirchenverträge der Gegenwart, Vol. 1, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1962, 67-89.

[37] Ulrich von Hehl, Ein vergessener Nothelfer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27 November 2023.

[38] Reinhard Mehring, Carl Schmitt. Aufstieg und Fall. Eine Biographie, Munich: C.H. Beck 2009, 304. Kaas had published an article to this effect in the Catholic newspaper Germania on 29 January 1933.

[39] Thomas Brechenmacher (ed.), Das Reichskonkordat 1933. Forschungsstand, Kontroversen, Dokumente, Paderborn: Schönigh 2007.

[40] Christian Schulze Pellengahr, Das Verbot der politischen Betätigung für Geistliche nach katholischem und evangelischem Kirchenrecht sowie im geltenden Staatskirchenrecht. Unter Berücksichtigung der Staaten- und Verfassungsgeschichte Deutschlands und Österreichs, dissertation, Schriften zum Staatskirchenrecht Vol. 45, Frankfurt am Main: Peter Lang 2009.

[41]Ludwig Kaas, Die geistliche Gerichtsbarkeit der katholischen Kirche in Preußen in Vergangenheit und Gegenwart mit besonderer Berücksichtigung des Westens der Monarchie, Stuttgart: Enke 1915/16 (two volumes).

[42] Katrin Bayerle, Ulriche Stutz. Von der Eigenkirche zur „hinkenden Trennung zwischen Kirche und Staat“, in: Thomas Holzner/Hannes Ludyga (eds.), Entwicklungstendenzen des Staatskirchen- und Religionsverfassungsrechts. Ausgewählte begrifflich-systematische, historische, gegenwartsbezogene und biographische Beiträge, Paderborn: Schöningh 2013, 505-518; Ulrich Stutz, Die Eigenkirche als Element des mittelalterlich-germanischen Kirchenrechtes, Berlin 1895.

[43] Gary Lease, Der Nachlass Rudolph Sohms, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Kanonistische Abteilung 92 (1975), 348-376.

[44] Martin Otto, Philipp Zorn, in: Neue Deutsche Biographie, Vol. 28, Berlin: Duncker& Humblot 2024, 746-748; Julia Schmid, Konservative Staatsrechtslehre und Friedenspolitik. Leben und Werk Philipp Zorns, Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung Vol. 85, Ebelsbach: Aktiv Druck & Verlag GmbH 2001; cf. on this generally: Martin Otto, In der „protestantischen Ebene“. Ernst Rudolf Huber als evangelischer Kirchenrechtler, in: Ewald Grothe (ed), Ernst Rudolf Huber. Staat – Verfassung – Geschichte, Baden-Baden: Nomos 2015, 121-145, 124.

[45] Martin Otto, Heinrich Pohl, in: Maria Magdalena Rückert (ed), Württembergische Biographien, Vol. II, Stuttgart: Kohlhammer 2011, 216-219.

[46] Eugen Rosenstock-Huessy, Ja und Nein. Autobiographische Fragmente, Heidelberg: Lambert Schneider 1968, 121 (Postskript eines gewesenen Rechtshistorikers); Martin Otto, „Habilitandenjahrgang 1912“ – Wege und Wirkungen einer rechtshistorischen Generation, Jahrbuch Simon-Dubnow-Institut XIV (2015), 297-323, 321-323.

[47] Photo: Erich Salomon, public domain.

[48] Bernhard vom Brocke, Friedrich Glum (1891–1974), in: Kurt A. Jeserich/Helmut Neuhaus (ed): Persönlichkeiten der Verwaltung. Biographien zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1648–1945, Stuttgart: Kohlhammer 1991, 449–454; Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Vol. 3: Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur 1914-1945, Munich: C.H. Beck 1999, 257.

[49] Ronald Lambrecht, Carl Heinrich Becker als Kultuspolitiker in der Weimarer Republik, in: Kristina Michaelis/ Ulf Morgenstern (ed), Kaufleute, Kosmopoliten, Kunstmäzene. Die Gelnhäuser Großbürgerfamilien Becker und Schöffer, Hamburg: Verlag am goldenen Fuß 2013, 82-85.

[50] Smend’s activity in the Prussian Ministry of Culture is documented but there are hardly any references to it in scientific literature; however: Helmuth Plessner, Selbstdarstellung (“self-description”), in: Tilman Allert/Joachim Fischer (ed), Plessner in Wiesbaden, Wiesbaden: Springer 2014, 13-40 (22); also: Otto, In der „protestantischen Ebene“ (fn. 44), 124.

[51] Gerhard Anschütz, Die bayerischen Kirchenverträge von 1925, Berlin: Loewenthal 1925, 5.

[52] Ludwig Kaas, Der Konkordatstyp des faschistischen Italien, HJIL 3 (1933), 488–522.

[53] Otto Dibelius, Das Jahrhundert der Kirche. Betrachtung, Umschau und Ziele, Berlin: Furche-Verlag 1927.

[54] Otto Dibelius, in: Berliner Evangelisches Sonntagsblatt, 13. November 1932, quoted after: Dietrich Bronder, Bevor Hitler kam, 2. ed., Hannover: Lühe 1975, 415. On Dibelius: Hartmut Fritz, Otto Dibelius. Ein Kirchenmann in der Zeit zwischen Monarchie und Diktatur, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1998.

[55] Photo: Alexandra Kemmerer.

Vom Kriegsgefangenen-Lager zum Völkerrechts-Colloquium: Drei Schlaglichter auf die Biographie Rudolf Bernhardts im Kontext der Institutsgeschichte nach 1945

Die berufliche Laufbahn meines Vaters Rudolf Bernhardt (1925-2021) war in vielfältiger Weise mit dem MPIL verbunden, arbeitete er doch hier zunächst von 1954 bis 1965 als Referent, dann von 1970 bis zu seiner Emeritierung 1993 als einer der Direktoren und blieb dem Institut auch danach eng verbunden.[1] Dieser Beitrag deutet anhand von drei Lebensausschnitten – der Kriegsgefangenschaft 1945-47, der Zeit der Studentenbewegung der späten 1960er Jahre sowie der Völkerrechtskolloquien mit Polen ab 1974 – schlaglichtartig an, wie sich einige seiner persönlichen und wissenschaftspolitischen Positionen im zeitgeschichtlichen Kontext herausbildeten und artikulierten. Solche individuellen Werdegänge und Sichtweisen haben, wie bereits für andere Führungspersönlichkeiten am Institut, zum Beispiel Hermann Mosler und Karl Doehring, gezeigt wurde,[2] die Entwicklung des MPIL nicht unwesentlich geprägt. Neben den hier präsentierten drei „Schlaglichtern“, die vorrangig aus den privaten Tagebüchern nachgezeichnet werden, ließen sich natürlich zahlreiche weitere anführen, die in anderen Artikeln dieses Blogs auch gestreift werden.[3] Dass der vorliegende Beitrag aus meiner sehr speziellen Perspektive als Sohn Rudolf Bernhardts und professioneller Zeithistoriker geschrieben ist, wird am Schluss kurz reflektiert.

1. Eindrücke aus der Kriegsgefangenschaft

Die gut zwei Jahre in sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1945-1947 hat mein Vater als junger Mann mehrfach nur mit viel Glück und äußerst knapp überlebt. Sein 1948 dazu niedergeschriebener detaillierter Erfahrungsbericht, der erstmals 76 Jahre später im April 2024 im Franz-Steiner Verlag veröffentlicht wurde,[4] gewährt drastische Einblicke in seine Erlebnisse in den sowjetischen Arbeitslagern nordöstlich von Moskau. Immerhin waren ihm in der Kriegszeit eine persönliche Verwicklung in Kampfhandlungen und damit die traumatischen Kriegserfahrungen vieler Altersgenossen, insbesondere an der „Ostfront“, erspart geblieben. Als 18-Jähriger am 1. Juli 1943 zur Reichswehr einberufen, hatte er in seiner zweijährigen Soldatenzeit bis Kriegsende eine Fliegerausbildung an mehreren „Fliegerhorsten“ bzw. Flugschulen im „Altreich“, wie zum Beispiel in Oschatz und Werder an der Havel, absolviert. Von dort aus war er auch periodisch zu Aufräumarbeiten nach Bombenangriffen in Städte wie Nürnberg und Berlin abgeordnet und am 1. Mai 1945 bei Potsdam von sowjetischen Truppen festgenommen worden.[5]

Vier markante Aussagen aus dem genannten Bericht von 1948 reflektieren wichtige Erfahrungen und Schlussfolgerungen des 22-jährigen Rudolf Bernhardt:
Erstens und vor allem schildert der Bericht die extremen Lebensbedingungen in den sowjetischen Arbeitslagern, in denen mein Vater härteste Waldarbeit verrichten und wiederholt lebensgefährliche Gefahrensituationen und Erkrankungen überstehen musste. Zweitens übte er aus der Perspektive eines jungen, einfachen Gefangenen vom untersten Ende der brutalen Lagerhierarchie scharfe Kritik am Regime der als „Brigadeleiter“ fungierenden, vielfach privilegierten deutschen Offiziere, die er verantwortlich machte für zahlreiche willkürliche Gewaltexzesse und vermeidbare Todesfälle von Mitgefangenen. Drittens artikulierte er, in der einfachen Diktion eines 22-Jährigen, in kategorischer Abgrenzung zum NS- und zum sowjetischen Regime eine emphatische Ablehnung von „Militarismus“ und jedwedem „Nationalismus“. Viertens schließlich erörterte er, in kritischer, aber relativ nüchterner Diktion, weitere Seiten des Sowjetregimes, dem er zwar gewisse Erfolge bei der Alphabetisierung und Industrialisierung zugestand, dessen Wirtschaftssystem, massive Propaganda und brutale Unterdrückung der Zivilgesellschaft er aber strikt ablehnte.[6]

Wie wirkten nun diese Erlebnisse und Wertungen des 22-Jährigen in seiner späteren Laufbahn als Völkerrechtler, Direktor am MPIL und Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nach? Auf den ersten Blick – scheinbar gar nicht: In seinen zwei veröffentlichten berufsbiographischen Skizzen widmet er ihnen nur wenige, zurückhaltende Sätze,[7] im Familiengespräch wurden sie kaum thematisiert,[8] eine direkte Einwirkung auf berufliche Richtungsentscheidungen – von der Wahl des Studienfachs, des Promotionsthemas oder der Forschungsschwerpunkte Völkerrecht und Menschenrechte bis zur Tätigkeit als Richter am EGMR – ist nicht dokumentiert, teilweise sogar auszuschließen.[9]
Jedoch formten diese frühen Erlebnisse zweifellos persönliche Grundhaltungen, die in seine Berufstätigkeit als ein Faktor unter mehreren einflossen, so zum Beispiel in kollegiale Beziehungen und wissenschaftspolitische Positionierungen. Zu diesen Grundhaltungen gehörten eine geringe Affinität zum militärischen Habitus und Denken – auch weil ihm der „Krieg als Primärerfahrungsraum“ [10] vieler Altersgenossen erspart geblieben war –, eine entschieden transnationale Orientierung,[11] eine nüchtern-distanzierte Haltung gegenüber der Sowjetunion sowie eine lebensbejahende und humanistische Weltsicht. Einen Beleg für diese These eines unterschwelligen, aber prägenden Nachwirkens der Erfahrungen aus der Kriegsgefangenschaft  findet sich in einer prägnanten Bemerkung seines amerikanischen Kollegen und Freundes Thomas Buergenthal in der Laudatio zum 80. Geburtstag meines Vaters 2005:

„I developed great affection to him, no doubt also influenced by the fact that his years as prisoner of war and mine in a concentration camp have given us a shared appreciation of the joy of being alive and a profound belief in the need to promote laws and institutions capable of contributing to a world in which future generations are spared the suffering our generation and that of our parents had to endure.” [12]

Generationengeschichtliche Konstellationen

In einer erweiterten historischen Sicht auf die ersten Nachkriegsjahre in der Bundesrepublik ist zu erkennen, dass die Grundhaltungen meines Vater sich erfahrungs- und generationengeschichtlich stark mit denen der sogenannten „Flakhelfer“-Generation der Jahrgänge 1926 bis 1930 deckten, die Heinz Bude als Träger- und Aufstiegsgeneration der Bundesrepublik untersucht und entschieden von der nur wenig älteren „Kriegsgeneration“ des Zweiten Weltkriegs abgegrenzt hat.[13] Ohne hier auf Details einzugehen ist festzuhalten, dass die Angehörigen der Flakhelfer-Generation, so auch mein Vater, als Jugendliche der massiven Indoktrination des NS-Systems ausgesetzt gewesen waren und dessen Niederlage auch als Zusammenbruch einer sie prägenden Weltanschauung erlebten. Für die darauf gemünzte, bekannte zeitgenössische Diagnose des Soziologen Helmut Schelsky von der gegenüber politisch-ideologischen Großentwürfen „skeptische(n) Generation“ (1957)[14] enthält der Erfahrungsbericht meines Vaters von 1948 zahlreiche charakteristische Formulierungen.[15] Eine vergleichende generationengeschichtliche  Analyse unter Einschluss der anderen Führungspersönlichkeiten des MPIL, wie für die gesamte Belegschaft, könnte aufschlussreiche Einblicke in personelle Konstellationen und sozialkulturelle Wandlungsprozesse im Institut liefern.

Geburtsjahr und Amtszeiten der Direktoren des MPIL 1954-2002. Es ist ersichtlich, dass alle in dieser Zeit amtierenden Direktoren den Nationalsozialismus bewusst erlebt haben, jedoch war nur einer (Karl Doehring) als Militär in Kriegshandlungen aktiv.

Wenn Bude, wie auch andere, die Rezeption zeitgenössischer belletristischer Literatur als einen der prägenden wie abgrenzenden Indikatoren zwischen den Nachkriegs-Generationen anführt und für die „Flakhelfer-Generation“ Namen wie Günter Grass, Hans-Magnus Enzensberger, Martin Walser oder Ingeborg Bachmann nennt,[16] so bestimmten diese Autoren tatsächlich auch den frühen Lektürekanon meines Vaters. Im Rahmen seines Jurastudiums an der Universität Frankfurt am Main ab dem Wintersemester 1948 hat er neben den Seminaren in seinem Kernfach auch Veranstaltungen anderer Fächer besucht, so zum Beispiel des Philosophen Max Horkheimer sowie zur Philosophie- und Literaturgeschichte. Dazu exzerpierte er auf hunderten von Seiten den klassischen Philosophie- und Literaturkanon, von Platon und Sophokles über Kant und Schiller bis zu Balzac und Tolstoi.[17] Die Stillung eines aufgestauten Lesehungers hat er in den ersten Nachkriegsjahren buchstäblich als zweite Befreiung erlebt, ebenso wie private Fahrten nach West- und Südeuropa. Letztere verankerten und festigten früh, zusammen mit den ersten beruflichen Auslandsreisen 1953 zum „Salzburg Seminar in American Studies“ und 1959 an die Harvard Law School in den USA, seine „transnationale“ Orientierung.[18]

Salzburg Seminar in American Studies 1953, Gruppenfoto (Rudolf Bernhardt dritte Reihe von unten ganz rechts)[19]

2. Die Zeit der „Studentenunruhen“

Bekanntlich trat mein Vater nach seiner Promotion bei Hermann Mosler 1954 in das MPIL ein und arbeitete dort für gut zehn Jahre als Wissenschaftlicher Referent, bis er 1965 auf das Ordinariat „Öffentliches Recht IV“ an der Juristischen Fakultät der Universität Frankfurt berufen wurde.[20] Als relativ junger Professor, der sich auf der „liberal-konservativen“ Seite des politischen Spektrums verortete und just beim Beginn der Studentenrevolte 1967/68 die Würde und Bürde des Dekans der juristischen Fakultät übertragen bekam, fand er sich in der Folgezeit generationell und hochschulpolitisch zwischen allen Stühlen wieder.

Protestaktionen der Studierenden einerseits, wie Sitzblockaden – bei deren Überwinden ihn ein bekanntes zeitgenössisches Foto zeigt – und die Erwartungen konservativer Kollegen sowie Gespräche mit dem Konrektor der Universität andererseits, erzeugten hochschulpolitische und alltagskulturelle Zerreißproben. Sie werden in den Tagebuchaufzeichnungen aus dieser Zeit deutlich: „Demagogisch aufgehetzte Studentenmengen in der Universität, Belagerungen von Konzil und Senat (…), systematische Störungen von Veranstaltungen und verabredeten Diskussionen, durch radikale, ideologisch und praktisch begabte Minderheiten (…)“. [21] „Als gerade gekürter Dekan hatte ich mich nach allen Seiten zur Wehr zu setzen, auch gegen manche Kollegen“.[22] „Unter den Professoren erzkonservative und auch (ehrlich oder opportunistisch) radikal-progressive Exemplare, die Mitte wird zerschlissen“. [23]

Studentische Sitzblockade an der Universität Frankfurt a.M. 1968 (Rudolf Bernhardt hinten Mitte rechts)[24]

Anhand seiner Auseinandersetzung mit den politisch hoch umstrittenen „Notstandsgesetzen“ lässt sich die vielfach widersprüchliche Entwicklung in diesen Jahren andeuten. Begonnen hatte mein Vater die fachwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema bereits in den frühen 1960er Jahren noch als Referent im MPIL, offensichtlich im Gespräch oder zumindest zeitlich parallel zu Hermann Mosler und Karl Doehring. Alle drei teilten die rechtsvergleichende Sicht auf das Sujet, das mein Vater bereits im Herbst 1963 in einem Vortrag auf einer Tagung der Österreichischen und Deutschen Gesellschaft für Rechtsvergleichung in Wien ansprach.[25] Im Herbst 1965 wählte er es auch als Gegenstand seiner Antrittsvorlesung an der Universität Frankfurt. Obwohl sich zu dieser Zeit die öffentliche Kontroverse über die geplante Novelle des Grundgesetzes bereits zuspitzte,[26] konnte man, nach seinen Aufzeichnungen, vor dem „Ausbruch der Unruhen“ 1967 „über die geplante ‚Notstandsverfassung‘ (…), auch bei dem sozialistischen Studentenbund, noch ungestört referieren und diskutieren“.[27] In seiner Antrittsvorlesung zur sogenannten Notstandsverfassung, die am 22. Februar 1966 in der FAZ abgedruckt wurde, plädierte Rudolf Bernhardt dezidiert für eine „knappe, griffige Notstandsformel“.

Beitrag Rudolf Bernhardts zur „Notstandsverfassung“ in der FAZ vom 22. Februar 1966

Die kurz zuvor im Sommer 1965 vom Bundestag diskutierte Fassung „in Bausch und Bogen als Anschlag auf die Demokratie abzulehnen“, zeige „Unkenntnis“ oder „abgrundtiefes Mißtrauen gegenüber den (…) demokratisch gewählten politischen Kräften unseres Landes“. Andererseits kritisierte er scharf die sieben bereits 1965 vom Bundestag verabschiedeten „einfachen Notstandsgesetze“ als „grotesken Perfektionismus“ von „überbordender Regelungswut“ und als teilweise verfassungswidrig. Das Fazit des FAZ-Beitrags lautete: „In Kenntnis des Risikos muss man auf ein Höchstmaß an Sicherheit verzichten, um mehr als ein Mindestmaß an Freiheit zu erhalten“.[28] Es wäre interessant, aus rechtsgeschichtlich kompetenter Sicht – die mir fehlt – die juristischen Positionen und einzelnen Argumente meines Vaters mit denen von Hermann Mosler und Karl Doehring in ihren ausführlichen Statements in der Sitzung des Rechts- und des Innenausschusses des Bundestages am 7. Dezember 1967 abzugleichen.[29] Zugleich ließe sich am Beispiel der „Notstandsgesetze“ exemplarisch die für das Verständnis der Arbeitsweise des Instituts zentrale Frage zum Verhältnis von arbeitsteiliger Wissensproduktion (etwa durch auf einzelne Länder spezialisierte Referenten), Synthese,  Publikation und Transfer der Ergebnisse in den politischen Raum reflektieren, [30] auch im Hinblick auf Fragen von Autorenschaft und „geistigem Eigentum“ an den Forschungsresultaten.

Für viele Leser*innen sicherlich überraschend war es, dass mein Vater mit einem Aufsatz zu den Notstandsgesetzen wider Willen auch zu einem Buch beitrug, das die ZEIT rückblickend als „gefeierte(n) Klassiker der 68er Generation“ apostrophierte, der zugleich „geschmäht [wurde] von denen, die sich damals angegriffen fühlten“.[31] Es handelte sich um den von seinem Frankfurter Fakultätskollegen Rudolf Wiethölter konzipierten Band „Rechtswissenschaft“ in der Reihe „Funkkolleg“ des Fischer Taschenbuch Verlags, der nach seinem Erscheinen 1968 innerhalb von knapp fünf Jahren vier Auflagen mit einer Gesamtzahl von 45.000 gedruckten Exemplaren erreichte.[32] Wiethölter stellte im Vorwort klar, die dem Buch zugrunde liegende Vorlesungsreihe für das „Funkkolleg“ des Hessischen Rundfunks sei „aus Unruhe als Bürgerpflicht“ entstanden, das Ziel sei die „Entzauberung des Rechts“ als „politisches Alibi und Verheißung“, um „mitzuwirken an der Entlarvung eines deutschen Götzendienstes: Dienst für den ‚General Dr. von Staat‘ (Thomas Mann)“.[33]

Funkkolleg Rechtswissenschaft (1968)

Von den insgesamt 20 „Kollegs“ (Rundfunk-Vorträgen) wurden jeweils zwei von Erhard Denninger und meinem Vater übernommen.[34] Wenig überraschend trugen die Beiträge meines Vaters über die „Entwicklung zum demokratischen Rechts- und Sozialstaat“ sowie zum „Notstandsrecht“ nichts zu Wiethölters Mission der „Entzauberung des Rechts“ oder der von der ZEIT diagnostizierten späteren Karriere des „vor allem von linken und liberalen Juristen geliebten“ Buches bei. Hintergrund der besonderen Konstellation war, dass mein Vater ebenso wie Denninger kollegialer Weise für den erkrankten Wiethölter kurzfristig eingesprungen war, ohne seine Beiträge auf Wiethölters Programm auszurichten.[35] Die erstaunliche, kaum bekannte Rolle meines Vaters als Mitautor eines „68er Klassikers“ zeigt, dass zu dieser Zeit die Gräben zwischen den hochschulpolitischen „Lagern“ zuweilen noch fluide waren und durch kollegiale Praktiken punktuell überwunden wurden, so dass spezielle inhaltliche „Melangen“ wie das „Funkkolleg“- Buch entstehen konnten. Es sei aber nachdrücklich festgehalten, dass sich mein Vater im Grundsatz zu den Forderungen und Aktionen der Studentenbewegungen, mit ihnen sympathisierender Kollegen sowie der Umsetzung der Hochschulreform sehr kritisch beziehungsweise ablehnend positionierte.[36]

3. Die Völkerrechtskolloquien der 1970er und 1980er Jahre

Die Zeit der Rückkehr meines Vaters an das MPIL 1970 als Co-Direktor von Hermann Mosler war nicht nur von den anhaltenden Spannungen an den Universitäten geprägt, sondern auch von den politischen Kontroversen um die „neue Ostpolitik“. Zu dieser bestand auch unter den führenden Wissenschaftlern am Institut eine breite Meinungsvielfalt. Hier hatte sich der Institutsmitarbeiter Fritz Münch, der seit 1955 Leiter der 1960 aufgelösten Außenstelle des MPIL in Berlin gewesen war, frühzeitig besonders exponiert. Schon 1965 hatte er ein juristisches Gutachten mit verfasst, in dem er die Rechtsgültigkeit des Münchener Abkommens von 1938 zur Einverleibung des Sudentenlandes in das nationalsozialistische Deutsche Reich feststellte.[37] In der Folgezeit hatte sich Münch nicht nur in daraus hervorgegangene gerichtliche und publizistische Kontroversen verwickelt, sondern wechselte im Sommer 1972 von der CDU zur NPD, für die er im November 1972 auch bei den Bundestagswahlen kandidierte.[38] Im Institut vertrat er neben Karl Doehring, Hartmut Schiedermair, Helmut Steigenberger und Hermann Mosler eine kritische Sicht auf die Ostverträge,[39] während Jochen Frowein und mein Vater sie eher unterstützen. An einer ersten, im Januar 1972 von der Theodor-Heuß-Akademie in Gummersbach organisierten Konferenz deutscher und polnischer Völkerrechtler nahmen von Seiten des MPIL Fritz Münch und mein Vater teil,[40] der dazu in seinem Tagebuch notierte:

„Es war sehr aufschlussreich und verlief im großen und ganzen ganz angenehm. Natürlich lässt sich die Geschichte der jüngeren Vergangenheit nicht vergessen, sie wirkt in die Gegenwart hinein, aber es sind vielleicht doch Chancen für mehr Verstehen und eine begrenzte Kooperation vorhanden.“[41]

Deutsch-polnisches Völkerrechtskolloquium in Gummersbach 1972. Rudolf Bernhardt fünfter von links.[42]

Die in der Folgezeit von meinem Vater federführend mit organisierte Serie deutsch-polnischer Völkerrechts-Kolloquien, deren erstes 1974 bei Warschau und zweites 1976 in Heidelberg stattfand, flankierte mit der Klärung von Rechtsfragen faktisch die Ostpolitik der sozialliberalen Regierung und enthielte somit natürlich eine allgemein- und wissenschaftspolitische Komponente. So wurde der Konferenz 1974 in Warschau explizit „auch eine politische Bedeutung beigemessen“ (…). „Bei einem Empfang des deutschen Botschafters in Warschau aus Anlass des Treffens war eine größere Anzahl polnischer Gäste u.a. aus verschiedenen Ministerien anzutreffen“. [43] Ausweislich der Tagungsprogramme nahm die rechtliche Seite wirtschaftlicher Kooperation eine herausgehobene Stellung ein, aber auch kontroverse Themen wurden diskutiert, zum Beispiel auf der Tagung 1974 Fragen des polnischen Staatsangehörigkeitsrechts.[44]

Empfang beim deutsch-polnischen völkerrechtlichen Kolloquium 1984 in München. Rudolf Bernhardt zweiter von rechts.[45]

Die zwischen 1982 und 1990 durchgeführten bilateralen Konferenzen mit sowjetischen Völkerrechtlern, die ebenfalls von meinem Vater mit angestoßen wurden, waren politisch und organisatorisch noch komplizierter und erforderten eine manchmal mühsame Abstimmung mit Stellen im Auswärtigen Amt und der Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft.[46]
Die Initiative für die Kolloquien und die privaten Aufzeichnungen machen unter anderem deutlich, dass mein Vater einerseits keine Berührungsängste gegenüber Kollegen aus sozialistischen Staaten hegte, noch etwa aus seiner Kriegsgefangenschaft herrührende Ressentiments gegenüber der Sowjetunion. Vielmehr förderte er den fachlichen Austausch, der mit polnischen Kollegen zu vertrauensvoller Zusammenarbeit gedieh, sich hingegen mit den Gesprächspartnern aus der Sowjetunion beziehungsweise Russland wegen grundlegender fachlich-rechtspolitischer Differenzen letztlich in Grenzen hielt.

Fazit

Insgesamt belegen die hier beleuchteten drei „Schlaglichter“ die auch von Kollegen erinnerte eher zurückhaltende, abwägende und dialogorientierte Haltung meines Vaters auch über grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten hinweg.[47] Und offensichtlich war die gemeinsame Erforschung des Völkerrechts am Institut inhaltlich wie fachkulturell tragfähig genug, die sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten und konträren Positionen in den hier betrachteten bewegten Zeiten der 1950er bis 1980er Jahre zusammenzuhalten.
Die Fragestellungen und Ergebnisse dieses Beitrags sind primär aus meiner Perspektive als Geschichtswissenschaftler formuliert und fußen wesentlich auf schriftlichen Dokumenten, kaum jedoch auf direkten mündlichen Auskünften zu Lebzeiten meines Vaters. Die andere, hier nicht verfolgte Perspektive meiner privaten Erinnerungen als Sohn Rudolf Bernhardts, aber auch die von Partner*innen und Kindern anderer Institutsmitarbeiter – immerhin eine Gruppe von mehreren hundert bis tausend Personen über inzwischen viele Jahrzehnte hinweg – würden andere, ebenfalls interessante Facetten der Institutsgeschichte eröffnen. Das Erleben und Erinnern von Arbeitsbelastungen, Ortswechseln, am Familientisch kurz angesprochenen Namen, Institutionen, Sachverhalten und Konflikten ließen sich zu einem ganz eigenen Wörterbuch von Institutsthemen und Erfahrungen zusammenführen.

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Der vorliegende Beitrag schreibt meine Vorträge zum gleichen Thema auf der Akademischen Gedenkfeier für meinen Vater am 23. Oktober 2022 und auf dem Seminar Kriegsfolgenbewältigung und Westintegration der Seminarreihe 100 Jahre öffentliches Recht am 22. Februar 2024 (beide am MPIL) sowie den in Fußnote 6 genannten Aufsatz fort.

[1] Vgl. die autobiographische Skizze Rudolf Bernhardt, Staatsrecht im internationalen Verbund, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart58 (2010), 337-351; jetzt auch: Eckart Klein, Rudolf Bernhardt (1925-2021), in: Michael Kilian/Heinrich Amadeus Wolff/Peter Häberle (Hrsg.), Staatsrechtslehrer des 20. Jahrhunderts. Nachtragsband Deutschland-Österreich-Schweiz, Berlin: De Gruyter 2024, 35-57.

[2] Vgl. Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzepte. Herman Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Berlin: Springer 2017; Karl Doehring, Von der Weimarer Republik zur Europäischen Union – Erinnerungen, Berlin: Wolf Jobst Siedler Verlag 2008.

[3] Vgl. z.B. den Beitrag von Frank Schorkopf, Grundrechtsschutz in den Gemeinschaften, MPIL100.de.

[4] Rudolf Bernhardt, Tagebuchaufzeichnungen aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1945-1947, herausgegeben und mit einem Nachwort von Christoph Bernhardt, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2024.

[5] Notizen im Tagebuch, Sammlung Rudolf Bernhardt, Familienarchiv Bernhardt.

[6] Vgl. Bernhardt, Tagebuchaufzeichnungen (Fn. 4), 103-106; Christoph Bernhardt, Die Tagebuchaufzeichnungen Rudolf Bernhardts aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft 1945-1947, in: Bernhardt, Tagebuchaufzeichnungen (Fn. 4), 127-145, 136.

[7] Bernhardt, Tagebuchaufzeichnungen (Fn. 4), 142.

[8] Eine solche „Nicht-Thematisierung“ oder jahrzehntelang verzögerte Verarbeitung ist nach den Erkenntnissen der Forschung durchaus typisch für den Umgang vieler Kriegsgefangener mit Ihren Erlebnissen, vgl. Bernhardt, Tagebuchaufzeichnungen (Fn. 4), 138-139.

[9] Bernhardt, Tagebuchaufzeichnungen (Fn. 4), 138-139.

[10] So die Formulierung von Rebenich über die persönliche Verarbeitung der Kriegserlebnisse der prominenten Historiker und Altersgenossen meines Vaters Karl Christ und Reinhard Koselleck: Stefan Rebenich, Karl Christs Lebensmosaik. Die Schreie der Niedergewalzten gellten noch lange, FAZ 19.12.2023.

[11] So vertrat er auch nachdrücklich die Überzeugung, „dass die Völkerrechtswissenschaft keine nationale, sondern eine internationale Wissenschaft sei“: Rudolf Bernhardt/Karin Oellers-Frahm, Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Geschichte und Entwicklung von 1949 bis 2013, Beiträge zum öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd. 270, Berlin: Springer 2018, 148.

[12] Thomas Buergenthal, Laudatio: Rudolf Bernhardt – Leben und Werk, ZaöRV 65 (2005), 519–524, 519.

[13] Heinz Bude, Deutsche Karrieren. Lebenskonstruktionen sozialer Aufsteiger aus der Falkhelfer-Generation, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1987.

[14] Helmut Schelsky, Die skeptische Generation. Eine Soziologie der deutschen Jugend, Düsseldorf/Köln: Eugen Diederichs Verlag 1957; vgl. auch Bude (Fn. 13), 43.

[15] Vgl. Bernhardt, Tagebuchaufzeichnungen (Fn. 4), 102-103.

[16] Bude (Fn. 13), 33; vgl. auch Rebenich (Fn. 10).

[17] Notizheft Rudolf Bernhardt: Exzerpte aus dem Wintersemester 1948/49, Familienarchiv Bernhardt.

[18] Vgl. Bernhardt, Staatsrecht (Fn. 1), 339-340.

[19] Foto: Familienarchiv Bernhardt.

[20] Bernhardt, Staatsrecht (Fn. 1), 339-340.

[21] Rudolf Bernhardt, Notiz vom 22.1.1968, Tagebuch II, Familienarchiv Bernhardt.

[22] Bernhardt, Staatsrecht (Fn. 1), 339.

[23] Rudolf Bernhardt, Notiz vom 14.8.1969, Tagebuch III, Familienarchiv Bernhardt; vgl. als Rückblick zur Situation an der Fakultät aus der Sicht des 1967 als Professor für Bürgerliches Recht und Rechtsgeschichte berufenen Bernhard Diestelkamp, Schmerzhafter Umbruch. 1968 im Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität, Forschung Frankfurt.  Das Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität 1 (2018), 27-30.

[24] Die Bildrechte haben sich trotz intensiver Recherche u.a. bei der Deutschen Universitätszeitung und dem Foto-Archiv der Süddeutschen Zeitung nicht klären lassen. Für weitere Hinweise wären wir dankbar.

[25] Rudolf Bernhardt, Eigenheiten und Ziele der Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht, ZaöRV 24 (1964), 431-452, 444.

[26] Vgl. Alexandra Kemmerer, Praktiker des Wortes. Fritz Bauer und die Kritische Justiz, in: Katharina Rauschenberger/Sybille Steinbacher (Hrsg.), Fritz Bauer und ‘Achtundsechzig’. Positionen zu den Umbrüchen in Justiz, Politik und Gesellschaft, Studien zur Geschichte und Wirkung des Holocaust, Bd. 3, Göttingen: Wallstein 2020, 121-142,123ff.

[27] Bernhardt, Staatsrecht (Fn. 1), 339.

[28] Rudolf Bernhardt, Notstand und Verfassung. Wer soll in welcher Situation welche Maßnahmen ergreifen dürfen?, FAZ 22.2.1966, 9-10.

[29] Vgl. Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, Protokoll 4: öffentliche Informationssitzung des Rechtsausschusses und des Innenausschusses am 7. Dezember 1967; ich danke Tim Wihl, dass er mir diese Quellen zugänglich gemacht hat.

[30] Vgl. dazu die auf einen anderen Fall bezogene Anmerkung von Frank Schorkopf, Grundrechtsschutz in den Gemeinschaften, MPIL100.de, sowie die Sichtweise meines Vaters auf diesen Sachverhalt in: Rudolf Bernhardt, Gruppenarbeit und Einzelleistung in Völkerrecht und Rechtsvergleichung, Mitteilungen der Max-Planck-Gesellschaft (1970), 301-313.

[31] Wiethölter wieder zu kaufen: Kritik des Rechts, ZEIT 18/1986, 25.4.1986, zitiert nach ZEIT Online.

[32] Rudolf Wiethölter, Rechtswissenschaft, unter Mitarbeit von Rudolf Bernhardt und Erhard Denninger, Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1968.

[33] Wiethölter (Fn. 32), 9-10.

[34] Vgl. die Ausführungen zu Wiethölter, Denninger und dem Funkkolleg-Band bei Diestelkamp (Fn. 23), 27-28.

[35]  Diestelkamp (Fn. 23), 27-28.

[36] Vgl. als Zwischenbilanz mit dem Fokus auf der Reform der Universitäten: Rudolf Bernhardt: Reform oder Anarchie? Zur Situation an den deutschen Universitäten, Zeitwende. Kultur, Theologie, Politik 43 (1972), 215-227.

[37] Vgl. Otto Köhler, Schweine und Esel, Der Spiegel 21 (1961).

[38] So jedenfalls der Eintrag in der Wikipedia-Enzyklopädie zu Münch, letzter Aufruf 23.5.2024; der Nachruf von Karl Doehring in der ZaöRV spricht diese Sachverhalte nicht an:  Karl Doehring, Fritz Münch 1906-1995, ZaöRV 55 (1995), 949-950.

[39] So, nach Lange, Armin von Bogdandy/Philipp Glahé, Alles ganz einfach? Zwei verlorene Weltkriege als roter Faden der Institutsgeschichte, MPIL100.de.

[40] Vgl.: Liste der Teilnehmer von deutscher Seite in Kolloquium polnischer und deutscher Völkerrechtler, 14.-16.1.1972, Ordner „Polen“, Nachlass Rudolf Bernhardt, Max-Planck-Archiv Berlin, III. Abteilung, ZA 221.

[41] Rudolf Bernhardt, Notiz vom 18.1.1972, Tagebuch III, Familienarchiv Bernhardt.

[42] Foto: Familienarchiv Bernhardt. Zur Tagung selbst: Deutsch-polnisches Völkerrechtskolloquium 1972. Referate deutscher und polnischer Völkerrechtler auf der Tagung vom 14. bis 16. Januar 1972 in der Theodor-Heuss-Akademie, Frankfurt am Main: Athenäum Verlag 1972.

[43] Vgl.: Rudolf Bernhardt, Bericht über den Verlauf des Treffens polnischer und deutscher Juristen vom 16.-19. September in Radziejowice bei Warschau, 9.10.1974, Ordner „Polen“, Nachlass Rudolf Bernhardt, Max-Planck-Archiv Berlin, III. Abteilung, ZA 221, 3-4.

[44] Bernhardt, Bericht (Fn. 43), 1-2.

[45] Foto: Familienarchiv Bernhardt. Außerdem haben sich auf dem Foto, dank Jerzy Kranz, identifizieren lassen: links neben Bernhardt: Janusz Łętowski, Marian Rybicki (fünfter von rechts), Miroslaw Wyrzykowski (dritter von links).

[46] Vgl. die Schriftwechsel im Ordner „Sowjetunion“, Nachlass Rudolf Bernhardt, Max-Planck-Archiv Berlin, III. Abteilung, ZA 221.z.B

[47] Vgl. etwa die Kurznotiz „Rudolf Bernhardt 90“, FAZ 29.4.2015.