Kategorie: Blog

Von Völkerrecht und Diplomatie. Das Institut als Sprungbrett und Wegbegleiter im Auswärtigen Dienst

On International Law and Diplomacy. The Institute as a Stepping Stone and Patron in the Foreign Service

Deutsch

“Ihnen ist schon bewusst, dass Sie bei Ihrer Tätigkeit im Ausland nicht nur mit Wissenschaftlern und Professoren zu tun haben werden? Dass das tägliche Leben an Härteposten oder in Krisensituationen ganz anders aussehen kann?” Mit dieser Frage versuchte die Vorsitzende der Auswahlkommission für den 38. Attaché‑Lehrgang mich aus der Reserve zu locken.

Es war November 1982 und ich hatte erfolgreich die schriftliche Prüfung für die Aufnahme in den Höheren Auswärtigen Dienst hinter mich gebracht. Jetzt war der mündliche Teil dran, eine Woche mit jeder Menge Tests und Interviews in Bonn. In der ersten Begegnung mit der Auswahlkommission sollte ich meine Motivation erläutern und begründen, warum ich mich für den Auswärtigen Dienst geeignet sähe. Dabei verwies ich auch auf meine Erfahrungen bei internationalen wissenschaftlichen Konferenzen und mit ausländischen Gästen, die ich im Rahmen meiner langjährigen Tätigkeit am Max-Planck-Institut gemacht hatte.

Offensichtlich habe ich mich durch die Frage der Vorsitzenden nicht verunsichern lassen und konnte Anfang April 1983 mit der Attaché‑Ausbildung beginnen. Und dann entwickelte sich meine Karriere doch so, dass die in Aussicht gestellten Herausforderungen mir weitgehend erspart blieben und es, zu meiner großen Freude, immer wieder Gelegenheiten und Möglichkeiten gab, sowohl inhaltlicher wie vor allem persönlicher Art, an meine Zeit am Heidelberger Institut anzuknüpfen.

Die Dissertation am Institut. Prägend, jedoch nicht in Richtung Wissenschaft

Der Autor mit seiner Frau Dagmar Berg, sowie Norbert Wühler und Angela Scheuerbrandt, auf der Festveranstaltung zur Einführung von Karl Doehring und Jochen Abr. Frowein als Direktoren 1981[1]

Diese begann am 1. Juli 1975. Mit einem Prädikatsexamen ausgestattet und mit dem Wahlfach Völkerrecht/Europarecht hatte ich mich bei Professor Rudolf Bernhardt, einem der beiden Direktoren damals, um eine Promotion beworben. In unserem Gespräch verwies ich unter anderem auf meine Kenntnisse der skandinavischen Sprachen, die ich im Rahmen meiner Dissertation einbringen wollte. Professor Bernhardt schlug mir vor, mir den Nordischen Rat und den Nordischen Ministerrat als Thema vorzunehmen. Und bot mir, zu meiner Überraschung, eine Assistentenstelle an, mit dem Schwerpunkt Nordische Länder, die im Bereich der Rechtsvergleichung eine nicht unwichtige Rolle spielten.

Die Tätigkeit am Institut wurde für mich prägend. Aber im Laufe der Zeit musste ich mir eingestehen, dass ich für eine wissenschaftliche Karriere nicht wirklich prädestiniert war, von den damaligen beruflichen Aussichten einmal ganz abgesehen. Sicher gab es eine ganze Reihe von Veröffentlichungen zu den verschiedensten Themen, bei denen ich meine völkerrechtliche Qualifikation hatte nachweisen können. Aber allein das ständige Aufschieben der Dissertation war Indikator genug, auch an Alternativen zu denken.

Dass ich mit einer langjährigen Tätigkeit am Institut die besten Voraussetzungen für eine Bewerbung im Auswärtigen Amt mitbrachte, wurde mir erst nach und nach klar. Als ich irgendwann einmal Einblick in meine amtsinternen Bewerbungsakten nehmen konnte, fand ich es dann auch schwarz auf weiß bestätigt. Und im Institut hatte offensichtlich keiner wirkliche Zweifel gehabt, dass es klappen würde. Kaum, dass ich meine Bewerbung in den Briefkasten geworfen hatte, wurde ich schon vorgestellt: “Das ist Herr Berg, er geht demnächst nach Bonn zum Auswärtigen Amt.”

Von Heidelberg nach Peking. Beginn einer diplomatischen Karriere

Das frühere Institutsgebäude von der Berliner Straße aus gesehen, mit Blick auf den Bücherturm, 1972[2]

Was macht man mit einem ausgewiesenen Völkerrechtler, der noch nie in Asien war? Klar, er wird bei seinem ersten Posten als Wirtschaftsreferent an die Botschaft Peking versetzt. Und im Nachhinein hätte mir nichts Besseres passieren können. Alles war neu, ungewohnt, fremd. Die drei Jahre dort, von 1986 bis 1989, waren die beste Vorbereitung für spätere Posten. Lernen, Erfahrungen sammeln, sich auf Herausforderungen einstellen, flexibel bleiben, das stand im Vordergrund. Nicht nur für mich, sondern auch für die Familie, meine Frau mit den beiden Töchtern im Vorschulalter.

Schon damals war Peking ein viel frequentiertes Ziel deutscher Besucher aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Bundeskanzler Helmut Kohl, Außenminister Hans‑Dietrich Genscher und Verhandlungen zum Kraftwerkbau mit Siemens waren einige der Highlights. Auch der Wissenschaftsaustausch war rege. Und obwohl dies eigentlich nicht in meine Zuständigkeit fiel, wurde ich freundlicherweise zum Abendessen anlässlich des Aufenthalts einer Delegation des MPIL unter der Leitung meines Doktorvaters, Professor Bernhardt, eingeladen. Es war, ich werde es nicht vergessen, im traditionellen Peking-Ente-Restaurant. Der Besuch muss eine Folge der China-Reise gewesen sein, über die Robert Heuser auf diesem Blog berichtet hat.

Meine Freude war groß, gleich auf dem ersten Posten wieder die Verbindung zu meiner Tätigkeit am Heidelberger Institut aufzunehmen. Der für mich viel aufregendere Teil ergab sich aber erst anschließend. Professorin Sheng Yu von der Peking‑Universität, die Gastgeberin des Treffens, bat mich anschließend um ein Gespräch, informell und außerhalb des Botschaftsbetriebs, um meine Hilfe in einer völkerrechtswissenschaftlichen Angelegenheit zu erbitten. Es stellte ich heraus, dass ihr Institut damit begonnen hatte, bekannte völkerrechtliche Werke und Aufsätze aus dem Ausland ins Chinesische zu übersetzen. Für Deutschland war es die Festschrift für Hermann Mosler Völkerrecht als Rechtsordnung, internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte.[3]

Nun waren offensichtlich die Übersetzer dieser Arbeit, aus dem Deutschen ins Chinesische, weder Völkerrechtler noch mit den Feinheiten wissenschaftlichen Schreibens vertraut. Fußnoten, offizielle oder sprachliche Abkürzungen, Art und Weise des Zitierens, all dies, aber auch inhaltliche Fragen, verursachten immer wieder Probleme. So setzten wir, Professorin Sheng und ich, uns einen langen Nachmittag zusammen und ich versuchte, auf Englisch, die zahlreichen Fragen, die sie hatte, zu klären. Als Dankeschön gab es ein Abendessen bei ihr zuhause – das einzige Mal, dass ich in Peking privat eingeladen war.

Begegnungen am East River. New York als Karriere-Highlight früherer MPIL’ler

A room with a view. Arbeitsplatz des Autors im 40. Stockwerk in der damaligen Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen, um 1990[4]

Von Anfang an war es mein Wunsch gewesen, an eine unserer Vertretungen bei Internationalen Organisationen versetzt zu werden. Es war die multilaterale Diplomatie, die mich besonders reizte und ich konnte mir gut vorstellen, irgendwann vom Auswärtigen Dienst ins internationale Geschäft zu wechseln. Das Amt meinte es gut mit mir und schickte mich im April 1989 nach New York an die Ständige Vertretung bei den Vereinten Nationen. Aber nicht nur das, ich wurde noch dazu Vertreter im 6. Ausschuss, dem Rechtsausschuss der Vereinten Nationen, ein Traumposten für einen Ehemaligen des MPIL.

Für mich ist dieser Posten, auch im Vergleich mit all den anderen großartigen Aufgaben, die anschließend kamen, der beruflich aufregendste und befriedigendste geblieben. Das hing einerseits mit den historischen Umständen zusammen: Fall der Mauer und Wiedervereinigung einerseits, die Ermächtigung zu Zwangsmaßnahmen gegen Irak nach der Besetzung Kuweits gemäß Kapitel VII und die Beschlüsse zum Folgeregime andererseits. Erstmals schienen die Vereinten Nationen den von der Satzung vorgegebenen Ansprüchen umfassend nachzukommen.

Gleichzeitig war New York der Ort (in den drei Jahren, die ich dort verbrachte) mit den meisten über das MPIL vermittelten Kontakten. “Mein” Botschafter war, für die ersten eineinhalb Jahre, Hans Otto Bräutigam, der Ende der fünfziger-, Anfang der sechziger Jahre am Institut und Assistent bei Professor Mosler war, was uns natürlich miteinander verband.

Als der für Rechtsfragen zuständige Referent an der Ständigen Vertretung war mein Hauptansprechpartner bei den Vereinten Nationen der Legal Counsel des Secretary General, Under-Secretary-General Carl‑August Fleischhauer. Und mehr noch als die Tatsache, dass er vor dieser Tätigkeit Leiter der Rechtsabteilung im Auswärtigen Amt gewesen war, hatten wir durch die gemeinsame Tätigkeit am Heidelberger Institut einen direkten Draht zueinander. Ich hatte, so darf ich heute sagen, einen sicher nicht exklusiven, aber doch besonders vertrauensvollen, Zugang zu den Dossiers, mit denen er befasst war. Dies gab mir wiederum die Möglichkeit, interessante Einzelheiten nach Bonn zu berichten.

Der Autor in seinem Büro am MPIL, 1980[5]

Eine weitere persönliche, mit dem Institut verbundene Begegnung war die mit Christian Tomuschat, damals Professor in Bonn. Ich hatte ihn in Heidelberg verschiedentlich am Institut getroffen. 1991 kandidierte er erneut für die International Law Commission und ich war vor Ort für seine Wiederwahl verantwortlich, sein Wahlkampfchef sozusagen! Natürlich hatte das Auswärtige Amt eine weltweite Demarchen-Aktion in allen VN‑Mitgliedstaaten durchgeführt und für Tomuschat geworben. Doch nicht überall sind die Stränge zwischen den Außenministerien und ihren Vertretungen in New York so eng, so zuverlässig, wie bei uns in Deutschland. Oft wird diesen vor Ort die Entscheidung überlassen, für wen sie stimmen wollen. So war ich in den Wochen vor der Wahl ständig im Gespräch mit den Delegationen, von denen wir noch keine zuverlässige Rückmeldung über ihre Wahlabsichten bekommen hatten. Und ich organisierte, in der Form von Mittagessen, mehrere Treffen mit ausgewählten Vertretern und Vertreterinnen von Mitgliedstaaten, bei denen diese Tomuschat persönlich kennenlernen und befragen konnten.

Es war ein harter Wahlkampf. Denn es gab in der Western European and Others Group (WEOG), soweit ich mich erinnern kann, zwölf Kandidaten für acht Plätze. Und es waren teilweise höchst gewichtige Konkurrenten. Ich erinnere mich bis heute, wie ich, in der General Assembly Hall sitzend, das Ergebnis vernahm: Tomuschat war mit gleicher Stimmenzahl wie der französische und der amerikanische Kandidat auf den vierten Platz  gewählt worden.

Zu den dienstlichen Kontakten kamen die Besuche von alten “Max‑Planckern”. Professor Jochen Abr. Frowein nahm, außerhalb von New York, an einem Seminar der American Society of International Law zu Fact-Finding teil; ich war auch dort und wir trafen uns anschließend noch mal in Manhattan, wo er mich zu seiner Luncheon-Speech an der Columbia University eingeladen hatte. Auch Torsten Stein kam und wir trafen uns zu einem angeregten Abend in einem schicken Restaurant in Downtown Manhattan, wo ihm zu seinem Leidwesen das Rauchen der Pfeife nach dem köstlichen Essen verwehrt wurde.

„Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen“. Wie die wissenschaftliche Ausbildung am Institut meine praktische Arbeit bereicherte

Sondertreffen der OSZE, der Autor mit der amerikanischen Botschafterin Julie Finley und dem albanischen Botschafter Zef Mazi, um 2007[6]

Die Vereinten Nationen waren auch der Ort, an dem ich den Wechsel von der Theorie zur Praxis nochmal ganz unmittelbar erfahren durfte: Hatte ich in meinem am Institut verfassten und in der Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV) erschienen Bericht Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1979 auch umfassend und aus der Ferne die Aktivitäten und Stellungnahmen im Rahmen der Vereinten Nationen berücksichtigt, so saß ich nun selbst am Ort des Geschehens.

Als ich 1992 nach Bonn zurückkehrte, wurde ich dem Planungsstab zugeteilt – erneut eine Tätigkeit, bei der ich auf meine früheren Tätigkeiten am Institut zurückgreifen konnte. Wie sonst hätte ich mit fachkundigem Selbstvertrauen einen Namensartikel für den damaligen Außenminister Klaus Kinkel zum europäischen Menschenrechtsschutz schreiben können. In meiner Zuständigkeit für die Vereinten Nationen durfte ich auch wieder zur deutschen Völkerrechtspraxis beitragen und an der Abfassung der VN-Rede eben jenes Ministers mitwirken.

Den vielleicht unmittelbarsten Bezug zur Schaffung von Völkerrecht selbst, nicht nur völkerrechtlicher Praxis, gab es für mich, als ich im Jahre 2000 den Arbeitsstab für die Verhandlungen zum Nizza‑Vertrag leiten durfte. Auch wenn das Ergebnis, wie wir alle wissen, weit hinter den Erwartungen oder Hoffnungen zurückblieb, hatte ich die einmalige Gelegenheit mitzuerleben, wie sich ein völkerrechtlicher Vertrag entwickelt, von den ersten Entwürfen über umfangreiche und strittige Verhandlungen auf allen Ebenen, bis hin zur Verabschiedung auf Gipfelebene. Über die Begleitung der Verhandlungen hinaus, war ich mit der innerstaatlichen Koordinierung befasst, der Abstimmung mit den anderen Ressorts, dem Bundestag und nicht zuletzt den Ländern, und, last but not least, mit dem innerstaatlichen Ratifizierungsverfahren.

2005 wurde ich Ständiger Vertreter Deutschlands bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE/OSCE), einer Organisation, über deren Stellenwert man bis heute geteilter Meinung sein kann. Das 2004 eingesetzte Panel of Eminent Persons war eine der vielfältigen Bemühungen unter dem Schlagwort “Strengthening the Effectiveness of the OSCE”. In seinem Abschlussbericht empfahl das Panel den Teilnehmerstaaten, unter anderem, für die OSZE eine konkrete Satzung oder Charter zu entwickeln.

In Umsetzung dieser Empfehlung beauftragte mich 2007 der damalige OSZE-Vorsitz, mein belgischer Kollege als Vorsitzender des Ständigen Rats, eine Arbeitsgruppe einzurichten und diese dazu zu instruieren, erste Vorschläge zu präsentieren. Bei der Auswahl der Mitglieder entschied ich mich für meinen Schweizer Freund aus Heidelberger Tagen, Professor Daniel Thürer (von 1976 bis 1979 als Referent am Institut), was uns nach vielen Jahren wieder einige sehr anregende Begegnungen ermöglichte, die wir auf meinem nächsten Posten als deutscher Botschafter in der Schweiz fortsetzen konnten.

Im September 2015 – ich war Botschafter in Norwegen – bekam ich von Wolfgang Münch, langjähriger Gast am Institut und in New York mein Kollege an der Ständigen Vertretung, einen Anruf. Die European Society of International Law habe gerade ihre Annual Conference in Oslo – ob ich nicht Lust auf einen Kaffee mit noch anderen Freunden von damals hätte? Wie groß war meine Freude, später am Nachmittag Norbert Wühler und Rainer Hofmann, mit denen ich viele Jahre am Institut zusammengearbeitet hatte, zu treffen. Als ich im Laufe des Gesprächs erwähnte, dass ich im Hinblick auf meinen baldigen Ruhestand mit meinen ganzen Mitgliedschaften etwas aufräumen müsste und deshalb aus der Deutschen Vereinigung für Internationales Recht (DVIR) austreten würde, bekam ich von Rainer Hofmann einen strengen Verweis. Dies käme überhaupt nicht in Frage, schließlich könne es sein, dass er nächstes Jahr Präsident werde. Ein so wertvoller Rat!

Die Fortsetzung meiner Mitgliedschaft in der DVIR, die ich 1982 noch am Institut begonnen hatte, bringt mir nicht nur neue Erfahrungen, etwa ganz aktuell als Mitglied des Komitees zu “Comparative Diplomatic and Consular Immunities Privileges and Inviolabilities”. Sie ermöglicht auch, nach meiner aktiven Zeit die Verbindung zum MPIL weiter aufrecht zu erhalten, die Leitung, Professorin Anne Peters und Professor Armin von Bogdandy kennengelernt zu haben, die alten wie die neuen Freundschaften und Kontakte auf den Jahresversammlungen zu pflegen und zu vertiefen. Und wenn ich es nur irgendwie ermöglichen kann, bin ich, als langjähriges Mitglied und Alumnus, bei den jährlichen Treffen der Heidelberger Gesellschaft für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht dabei und gehe zu den immer spannenden und anregenden Veranstaltung in Berlin!

[1] Foto: MPIL.

[2] Foto: MPIL.

[3] Rudolf Bernhardt (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung, Internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte. Festschrift für Hermann Mosler, Heidelberg: Springer 1983.

[4] Foto: Axel Berg.

[5] Foto: Axel Berg.

[6] Foto: Axel Berg.

English

“You do realise that in your work abroad you won’t only be dealing with academics and professors. That daily life in tough posts or in crisis situations can be very different?” With this question, the chairwoman of the selection committee for the 38th attaché class tried to break through my reserve.

It was November 1982, and I had just passed the written part of the examination for admission to the Higher Foreign Service (Höherer Auswärtiger Dienst). Now it was time for the oral examination, a week full of tests and interviews in Bonn. In my first meeting with the selection committee, I had to explain my motivation and why I thought I was suitable for the Foreign Service. Among other things, I referred to my experience at international academic conferences and with foreign guests, which I had gained during my many years at the Max Planck Institute.

Clearly, I had not been unnerved too much by the chairwoman’s question, as I was able to start my attaché training in early April 1983. After all, with the way my career went on to develop, I was largely spared the challenges I had been warned against and, to my great delight, there were always opportunities and possibilities, to, professionally and, above all, on a personal level, build on my time at the Heidelberg Institute.

My Dissertation at the Institute. A Milestone, but not one on the Path to Academia

The author and his wife Dagmar Berg, with Norbert Wühler and Angela Scheuerbrandt, at the inauguration of Karl Doehring and Jochen Abr. Frowein as directors in 1981[1]

It had begun on 1 July, 1975. After I had graduated from law school with honours, specialising in international law/European law, I went on to apply to write my dissertation with Professor Rudolf Bernhardt, one of the two directors at the time. In our conversation, I referred to my knowledge of Scandinavian languages, which I wanted to make use of. Professor Bernhardt suggested that I focus on the Nordic Council and the Nordic Council of Ministers. To my surprise, he then also offered me a position as a research assistant at the Institute, specialising in the Nordic countries, which played a fairly significant role in the field of comparative law.

My work at the Institute had a formative influence on me. But over time, I had to admit to myself that I was not really cut out for a career in academia, not to mention the professional prospects at the time. With a fair number of publications on a wide variety of topics, I would have been able to prove my qualifications in international law, but the constant postponement of my dissertation alone was enough to make me consider alternative routes.

I only gradually realised to what degree my yearslong work at the Institute qualified me for applying to the Foreign Service. When I, some years later, was able to take a look at the files containing the internal evaluation of my application, I found it confirmed in black and white. And at the institute, nobody seemed to have any real doubts that it would work out. I had only just sent out my application and was already introduced as “Mr Berg, who’s joining the Federal Foreign Office in Bonn soon.”

From Heidelberg to Beijing. Beginnings of a Career in Diplomacy

The former Institute building, view from Berliner Straße, 1972[2]

What does one do with an international law scholar who has never been to Asia? Send him to the embassy in Beijing as economic advisor for his first posting, obviously. And in retrospect, that was perfect: Everything was new, unfamiliar, and foreign to me. My three years there, from 1986 to 1989, were an ideal preparation for later posts. Learning, gaining experience, rising to challenges, remaining flexible – that was the main focus. Not just for me, but also for my family, my wife and our two daughters of pre-school age.

Just like today, Beijing back then was a popular destination for German visitors from the realms of politics, business, and culture. Visits by Chancellor Helmut Kohl and Foreign Minister Hans‑Dietrich Genscher and negotiations on the construction of a power plant with Siemens were some of the highlights. There was also a lively scientific exchange. And although this was not part of my official responsibilities, I was kindly invited to a dinner during the visit of an MPIL-delegation led by my doctoral supervisor, Professor Bernhardt. It was held- I will never forget that- at a traditional Peking duck restaurant. The visit must have been related to the trip to China that Robert Heuser has written about on this blog.

I was delighted to be able to immediately connect back to my work at the Heidelberg Institute at my very first post, but the part that was much more exciting for me was yet to come: Professor Sheng Yu of Beijing University, the host of the meeting, asked me for a chat afterwards, informally and away from the daily business of the embassy, to request my help in a matter of international law scholarship. It ttranspired that her institute had started translating well-known foreign monographs and essays on international law into Chinese. For Germany, a jubilee publication (Festschrift) for Hermann Mosler entitled Völkerrecht als Rechtsordnung, internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte (“International Law as a Legal Order, International Jurisdiction, Human Rights”) had been chosen. [3]

It was obvious however, that whoever had been entrusted with the translation of this work from German to Chinese was neither an expert in international law, nor familiar with the subtleties of academic writing. Footnotes, official and linguistic abbreviations, citation style, all this, but also questions of content, repeatedly caused problems. So, we – Professor Sheng and I – spent a long afternoon trying to clarify, in English, the numerous questions she had. As a thank you, we had dinner at her home – the only private invitation I ever received in Beijing.

Encounters at the East River. New York as a Career Highlight for Former Members of the MPIL

A room with a view. The author’s workplace on the 40th floor of Germany’s Permanent Mission to the United Nations, ca. 1990[4]

I had always hoped to be transferred to a Permanent Mission to an international organisation. It was multilateral diplomacy that particularly appealed to me, and I entertained the idea of switching from the Foreign Service to the realm of international institutions at some point. The Foreign Office was kind enough to send me to the Permanent Mission to the United Nations in New York in April 1989. But not just that, I also became the representative on the 6th Committee, the Legal Committee of the United Nations- a dream position for a former MPIL member.

For me, even compared to all the other great tasks that followed, this post has remained the most professionally exciting and satisfying. In part, this was due to the historical circumstances: The fall of the Berlin Wall and German reunification on the one hand, the authorisation of coercive measures under Chapter VII against Iraq following the occupation of Kuwait, and the resolutions on the successor regime, on the other. It seemed like, for the first time, the United Nations could truly fulfil its goals as set out in the Charter.

At the same time, New York was the place (in the three years I spent there) with the most contacts made through the MPIL. ‘My’ ambassador for the first year and a half was Hans Otto Bräutigam, who had been at the Institute and an assistant to Professor Mosler in the late 1950s and early 1960s, which naturally fostered a connection between us.

As the officer responsible for legal matters at the Permanent Mission, my main contact at the United Nations was the Legal Counsel to the Secretary General, Under‑Secretary‑General Carl‑August Fleischhauer. Not only had he been head of the Legal Department at the Federal Foreign Office before this appointment, but we were also able to connect over our joint work at the Heidelberg Institute. I can say today that I had a degree of access to the dossiers he was dealing with, which was certainly not exclusive, but nevertheless testament to an outstanding level of trust. This, in turn, gave me the opportunity to report interesting details to Bonn.

The author in his office at the MPIL, 1980[5]

Another Institute-related personal encounter was with Christian Tomuschat, who was a professor in Bonn at the time. I had met him several times at the Institute in Heidelberg. In 1991, he again ran for the International Law Commission, and I was responsible for his re-election, his campaign manager at the United Nations so to speak! Of course, the Federal Foreign Office had sent out demarches to all UN member states to advocate for Mr. Tomuschat. But the connections between foreign ministries and their missions in New York are not always as close, and reliable, as they are in the case of Germany. The Permanent Missions are often left to decide independently on who they want to vote for. So, in the weeks leading up to the election, I was in constant dialogue with delegations from whom we had not yet received reliable feedback on their voting intentions. I organised several meetings, in the form of lunches, with selected representatives of member states, where they were able to meet and question Mr. Tomuschat personally.

It was a tough election campaign. There were, as far as I can remember, twelve candidates for eight seats in the Western European and Others Group (WEOG). And some of them were very strong contenders. To this day I remember sitting in the General Assembly Hall and hearing the result: Tomuschat had been elected in fourth place with the same number of votes as the French and American candidates.

In addition to the official contacts, there were visits from old “Max Planckers”. Professor Frowein took part in a seminar on fact-finding organised by the American Society of International Law outside of New York; I was there too, and we met up again in Manhattan afterwards, where he had invited me to his luncheon speech at Columbia University. Torsten Stein also joined us and we met for a lively evening in a smart restaurant in downtown Manhattan where, to his chagrin, he was not allowed to smoke his pipe after the delicious meal.

“Insight Must Precede Application”. How my Academic Education at the Institute Aided my Practical Work

Special meeting of the OSCE, the author with United States Ambassador Julie Finley and Albanian Ambassador Zef Mazi, ca. 2007[6]

The United Nations was also where I was able to once again experience first hand the differences between theory and practice: In my report on the “International Law Practice of the Federal Republic of Germany in 1979” (Völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1979, including an English-language survey), written at the Institute and published in Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV, English title: Heidelberg Journal of International Law, HJIL), I had covered the activities and statements of the the Federal Government within the United Nations extensively, but from a distance. Now I found myself in the middle of it all.

When I returned to Bonn in 1992, I was assigned to the planning staff – another post in which I was able to draw on my previous work at the institute. How else could I have confidently written an article on European human rights protection, to be published in the name of then Foreign Minister Klaus Kinkel? In my responsibility for the United Nations, I was again able to contribute to German international law practice and help draft the UN speech of that very minister.

Perhaps the most direct connection I had to the creation of international law, not just its practice, occurred when I was allowed to lead the task force for the negotiations on the Treaty of Nice in 2000. Even though, as we all know, the outcome fell far short of expectations and hopes, I had the unique opportunity to witness the development of an international treaty, from the first drafts, through extensive and contentious negotiations on all levels, to its adoption at the summit level. In addition to supporting the negotiations, I was also involved in domestic coordination, liaising with other ministries, the parliament, the federal states, and, last but not least, in the domestic ratification process.

In 2005, I became Germany’s Permanent Representative to the Organisation for Security and Cooperation in Europe (OSCE), an organisation whose relevance is still a matter of debate today. The Panel of Eminent Persons set up in 2004 was one of the many endeavours to “Strengthen the Effectiveness of the OSCE”. In its final report, the panel recommended, among other things, that the participating states develop a concrete statute or charter for the OSCE.

Implementing this recommendation, in 2007, the then OSCE Chairmanship, namely my Belgian colleague as Chairman of the Permanent Council, asked me to set up a working group and instruct it to present initial proposals. When selecting the members, I decided in favour of my Swiss friend from my Heidelberg days, Professor Daniel Thürer (who had been a research fellow at the institute from 1976 to 1979), which enabled us to meet again after many years and have some very stimulating conversations, which we were able to continue during my next post as German Ambassador to Switzerland.

In September 2015, when I was Ambassador to Norway, I received a call from Wolfgang Münch, a long-time guest at the institute and my former colleague at the Permanent Mission in New York. The European Society of International Law was holding its Annual Conference in Oslo at the moment, and he asked if I would like to have a coffee, together with some other old friends. I was delighted to meet Norbert Wühler and Rainer Hofmann, with whom I had worked at the institute for many years, later that afternoon. When I mentioned that, in view of my imminent retirement, I would have to sort through all my memberships and would therefore resign from the German Association for International Law (DVIR), I received a stern reprimand from Rainer Hofmann. This was out of the question, he said, after all, he was hoping to become the association’s president the next year. This was very valuable advice!

Continuing my membership in the DVIR, which I took on during my time at the institute, in 1982, has not only brought me new experiences, very recently, for example, as a member of the Committee on Comparative Diplomatic and Consular Immunities Privileges and Inviolabilities. It also enables me to keep in touch with the MPIL, allowed me to get to know the current directors, Professor Anne Peters and Professor Armin von Bogdandy, and to maintain and deepen old and new friendships and contacts at the annual meetings. And, as a long-standing member and alumnus, whenever possible, I attend the annual meetings of the Heidelberg Society for Comparative Public Law and International Law and the exciting and stimulating events in Berlin!

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Photo: MPIL.

[2] Foto: MPIL.

[3] Rudolf Bernhardt (ed.), Völkerrecht als Rechtsordnung, Internationale Gerichtsbarkeit, Menschenrechte. Festschrift für Hermann Mosler, Heidelberg: Springer 1983; English title as translated by the editor.

[4] Photo: Axel Berg.

[5] Photo: MPIL.

[6] Foto: Axel Berg.

Das Institut und die internationale Gerichtsbarkeit

The Institute and International Jurisdiction

Deutsch

Personeller und intellektueller Input von KWI und MPI im Friedenspalast von Den Haag

Wie Jan Klabbers in seinem Blogbeitrag[1] zutreffend bemerkt hat, kann sowohl das Kaiser‑Wilhelm‑Institut (KWI) als auch das Max‑Planck‑Institut (MPI) für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht als Schmiede für die Besetzung hochrangiger völkerrechtsrelevanter Posten im internationalen und nationalen Bereich angesehen werden. Daher ist es nicht überraschend, dass sich auch unter den Richtern internationaler Gerichte seit jeher zahlreiche Personen finden, die aus dem Institut hervorgegangen sind.

In diesem Beitrag soll dies mit Blick auf den Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag und seinen Vorgänger, den Ständigen Internationalen Gerichtshof (StIGH), gezeigt werden. Die Wechselbeziehung zwischen diesen Institutionen ist einerseits deswegen im Rahmen der 100‑Jahrfeier interessant, weil beide aus etwa derselben Zeit stammen und auf das damals noch im Dornröschenschlaf liegende Völkerrecht fokussiert sind, zum anderen, weil meine eigene Tätigkeit am Institut immer auch auf diesen Bereich konzentriert war (dazu unten mehr). Dabei ist der erste Ansatz natürlich die Frage danach, ob deutsche Richter in diesen Institutionen aus dem KWI/MPI kamen (I.). An zweiter Stelle ist von großer Bedeutung dann aber auch die Beteiligung deutscher Völkerrechtler als Verfahrensvertreter in streitigen Fällen und Gutachten vor dem StIGH und IGH. Dieser Aspekt ist natürlich deutlich schwieriger zu beleuchten und kann hier nur exemplarisch dargestellt werden, da eine detaillierte Untersuchung den Charakter des Blogs sprengen würde (II.). An dritter Stelle soll noch kurz ein Blick auch auf den „wissenschaftlichen Input“ des Instituts zum StIGH und IGH geworfen werden (III.).

I. Deutsche Juristen als Richter am StIGH und IGH

Sowohl der StIGH als auch der IGH bestanden beziehungsweise bestehen bekanntlich aus 15 permanenten Richtern, die für jeweils neun Jahre gewählt werden und die alle über eine unterschiedliche Staatsangehörigkeit verfügen müssen. Hinzukommen können noch ad hoc Richter, die von Streitparteien, die keinen Richter ihrer Nationalität auf der Richterbank haben (Art. 31 IGH-Statut), für die Zwecke dieses Streitfalls ernannt werden können. Zudem können alle Mitgliedstaaten des Gerichts in Gutachtenverfahren ihre Stellungnahme zur vorgelegten Rechtsfrage abgeben (Art. 66 IGH-Statut).

Walther Schücking (links) und Viktor Bruns in Den Haag, undatiert[2]

Angesichts der Tatsache, dass die Vereinten Nationen mittlerweile 193 Mitgliedstaaten haben und der Gerichtshof „eine Vertretung der großen Kulturkreise und der hauptsächlichen Rechtssysteme der Welt gewährleisten“ soll, kommt der Wahl der Richter entscheidende Bedeutung zu. Ohne hier in die Details zu gehen, die in Art. 2-19 des Statuts geregelt sind, ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen deutsche Juristen Richter im Gerichtshof werden können. Dabei ist vor allem die Frage nach dem Zustandekommen der Kandidatenlisten von Interesse. Die auf den ersten Blick naheliegende Lösung, dass die Staaten Kandidaten benennen, ist mit guten Gründen nicht übernommen worden. Ausschlaggebend war, dass die Liste der Kandidaten soweit wie möglich unabhängig von politischen Einflussnahmen sein soll. Das führte zu der Regelung, dass die Richterkandidaten aus einer in einem komplizierten Verfahren aufgestellten Liste von Personen vorgeschlagen werden; diese wird von den jeweiligen nationalen Gruppen des Ständigen Schiedshofs erstellt.[3] Die Wahl erfolgt durch den Sicherheitsrat und die Generalversammlung gleichzeitig in getrennten Wahlgängen (ohne Vetorecht im Sicherheitsrat), wobei alle drei Jahre ein Drittel der Richter gewählt wird.[4] Eine Wiederwahl ist zulässig. Auch wenn dies nirgends ausdrücklich vorgesehen ist, hat jedes ständige Mitglied im Sicherheitsrat traditionell einen Richter im Gerichtshof.[5] Die restlichen zehn Richter werden auf der Grundlage von Quoten gewählt, die den einzelnen Regionalen Gruppen, die seit 1963 im Rahmen der VN bestehen, zugeteilt sind. Seit 2017 sieht die Verteilung unter Einschluss der Richter mit Staatsangehörigkeit eines ständigen Mitglieds des Sicherheitsrats folgendermaßen aus: Westeuropa und andere Staaten (WEOC) wird durch vier Richter vertreten, Osteuropa durch zwei Richter, Lateinamerika ebenfalls durch zwei Richter, Asien durch vier Richter und Afrika schließlich durch drei Richter. Da zur WEOC auch die Vereinigten Staaten zählen, bleibt für diese Gruppe nur eine Richterstelle, die „frei“ besetzt werden kann, da grundsätzlich drei der Posten durch Staatsangehörige eines ständigen Mitglieds des Sicherheitsrats vorgegeben sind: die USA, Frankreich und Großbritannien. Allerdings ist das Vereinigte Königreich 2017 erstmals mit einer Kandidatur gescheitert, so dass derzeit die USA und Frankreich einen Richterposten besetzen und die übrigen beiden WEOC-Positionen von Australien (Charlesworth) und Deutschland (Nolte) besetzt sind.

Der StIGH, der 1922 gegründet wurde und das erste internationale ständige Gericht überhaupt war, datiert vor der Gründung des KWI und hatte im Laufe seines Bestehens nur einen Richter deutscher Nationalität; das war Walther Schücking, der damalige Direktor des Kieler Instituts für Völkerrecht, des heutigen Walther‑Schücking‑Instituts. Seit 1921 stand er auf der Liste der möglichen ad hoc Richter und 1931 wurde er zum Richter berufen. Allerdings konnte er seine Amtszeit nicht ausschöpfen, da er schon 1935 verstarb. Seine Richterstelle wurde nicht wieder durch einen deutschen Juristen gefüllt, nachdem das Deutsche Reich im Jahr 1933 nicht nur aus dem Völkerbund ausgetreten war, sondern auch das Statut des StIGH gekündigt hatte.[6]

Als ad hoc Richter wirkten drei Deutsche in Verfahren vor dem StIGH mit: Viktor Bruns,[7] Ernst Rabel,[8] und der bereits erwähnte Walther Schücking.[9] Aus dem KWI war Viktor Bruns somit der erste deutsche Jurist, der am StIGH als Richter, genauer als ad hoc Richter, eingebunden war.

Am IGH gab/gibt es bisher vier deutsche Richter: Hermann Mosler (1976 bis 1985), Carl-August Fleischhauer (1994 bis 2003), Bruno Simma (2003 bis 2012) sowie Georg Nolte (seit 2021). Bei Hermann Mosler führte der Weg zum Richteramt über die Funktion als ad hoc Richter im Fall North Sea Continental Shelf.[10] Auch Carl-August Fleischhauer und Bruno Simma haben als ad hoc Richter vor dem IGH gewirkt, allerdings erst nach Beendigung ihres Amts als Richter. Fleischhauer, dessen Amtszeit am IGH 2003 geendet hatte,  wurde direkt im Anschluss als deutscher ad hoc Richter im Fall Certain Property ernannt, der seit 2001 vor dem Gericht anhängig war.[11] Zwar war zu dieser Zeit, 2003, Bruno Simma als deutscher Richter im Gericht tätig, da er aber bereits zuvor als Mitglied des völkerrechtlichen Beirats des Auswärtigen Amtes mit der zugrundeliegenden Rechtsfrage  befasst gewesen war, trat er nach Art. 17 Abs. 2 IGH-Statut von der Teilnahme an diesem Fall zurück. Bruno Simma war jedoch später als von Costa Rica nominierter ad hoc Richter im Fall Maritime Delimitation in the Caribbean Sea and the Pacific Ocean tätig.[12] Außerdem wirkte er als von Chile benannter ad hoc Richter im Fall Dispute over the Status and Use of the Waters of the Silala[13], sowie für Costa Rica im Fall Land Boundary in the Northern Part of the Isla Portillo[14] mit.

Zu den genannten drei Personen, die, teils vor (so Hermann Mosler), teils nach ihrer Amtszeit, als Richter auch als ad hoc Richter wirkten, ist als einziger weiterer ad hoc Richter deutscher Nationalität Rüdiger Wolfrum, ehemaliger Direktor am MPI, aufgetreten, der nicht am IGH, aber am Internationalen Seegerichtshof als Richter tätig war. Vor dem IGH ist er momentan in zwei Fällen als ad hoc Richter tätig.[15]

Bis auf Bruno Simma, der zwar zu keiner Zeit offizieller Mitarbeiter am Institut, diesem jedoch stets eng verbunden war,[16] gingen alle genannten Richter aus dem MPI hervor. Hermann Mosler war, als er zum Richter gewählt wurde, Direktor des Instituts. Carl‑August Fleischhauer war nach seinem zweiten Juristischen Staatsexamen ab 1960 Referent am Institut, wo er unter Hermann Mosler seine Dissertation schrieb. 1961 promovierte er dann an der Heidelberger Universität.[17] Kurz darauf beendete er seine Zeit am Institut bereits wieder und begann ab 1962 eine beeindruckende Karriere im Auswärtigen Amt, bevor er später stellvertretender Generalsekretär der Vereinten Nationen und deren Rechtsberater wurde. Dem Institut blieb er jedoch durch seine Mitgliedschaft im Kuratorium von 1975‑2002 verbunden.

Georg Nolte, dessen Amtszeit als Richter am IGH im Jahr 2021 begann, war in seiner wissenschaftlichen Laufbahn dem MPI sehr eng verbunden und ist es weiterhin durch seine Tätigkeit im Kuratorium des Instituts. Von 1984 bis 1990 war er neben der juristischen Referendarzeit als Doktorand wissenschaftlicher Mitarbeiter und von 1992-1999 Referent am MPI. 1991 promovierte er unter seinem akademischen Lehrer Jochen Abr. Frowein, seinerzeit Direktor am Institut, [18] und 1998 habilitierte er sich, ebenfalls bei Frowein.[19]

Sieht man sich diese Bilanz an und stellt sie in Zusammenhang zu der Tatsache, dass jeweils nur ein Richter am IGH aus Europa neben den Staatsangehörigen der Vetomächte USA und Frankreich (und bis 2017 Großbritannien) dem Gerichtshof angehören kann, so ist auch hier ein starker Einfluss des MPI als Wegbereiter für höchste Karrieren nicht zu verkennen.

II. Institutsmitarbeiter als Parteivertreter in Verfahren vor dem Gerichtshof

Wie in nationalen Verfahren, werden auch vor internationalen Gerichten die Parteien durch „Anwälte“ vertreten, wobei es keine der Zulassung von Anwälten im nationalen Recht vergleichbare Voraussetzung gibt. Art. 42 des Statuts legt nur fest, dass Staaten durch „agents“ vertreten werden (das sind die „Ansprechpartner“ des IGH; im konkreten Fall und aus praktischen Gründen handelt es sich in der Regel um die diplomatischen oder konsularischen Vertreter in Den Haag). Diese können – und das geschieht auch regelmäßig – durch „counsels or advocates“ unterstützt werden, die anwaltlich die Belange der Parteien in Form der Ausarbeitung der Schriftsätze und der Plädoyers in der mündlichen Verhandlung vertreten. Weder im Statut noch in der Verfahrensordnung wird Näheres zur erforderlichen Qualifikation dieser Personen vorgegeben. Man geht von der allgemeinen Erwartung aus, dass Staaten nur „entsprechend qualifizierte Personen“ bestellen werden, was natürlich in ihrem eigenen Interesse liegt und daher in der Praxis grundsätzlich auch erfolgt ist. Und hier kommen dann wieder das KWI und das MPI in den Blick, mit ihrem besonderen Fokus auf das Völkerrecht, das immer Gegenstand der Fälle vor dem Internationalen Gerichtshof ist.

Aus dem KWI, dessen Gründung in die Anfangsjahre des StIGH fällt, war nur Viktor Bruns, der, wie oben erwähnt, in mehreren Fällen vor dem StIGH als ad hoc Richter fungierte, auch als Vertreter Deutschlands in zwei Fällen eingesetzt.[20]

Viktor Bruns (links) als Prozessvertreter, undatiert.[21]

Aus den Informationen über andere Mitarbeiter des KWI lässt sich nur für Carlo Schmid und Berthold Schenk Graf von Stauffenberg ein Hinweis auf eine Beteiligung in Verfahren vor dem StIGH entnehmen. Beide wurden in den zwei genannten Fällen von Bruns in dessen Vertretung des Deutschen Reichs vor dem Gericht einbezogen.[22] Erich Kaufmann, der von 1927 bis 1934 als wissenschaftlicher Berater des KWI fungierte,[23] und sein Assistent Friedrich Berber,[24] waren auch als Parteivertreter vor dem StIGH tätig, waren aber nicht als Mitarbeiter aus dem Institut hervorgegangen.

Vor dem IGH waren und sind Juristen (ehemalige und aktuelle) aus dem MPI in weit größerem Maße als counsel, und zwar nicht nur für Deutschland, vertreten. So ist Professor Frowein im Fall „Liechtenstein gegen Deutschland“ für die Bundesregierung tätig geworden und im Fall „Kamerun gegen Nigeria“ war er eingebunden, hat jedoch sein Mandat vor Beendigung des Verfahrens niedergelegt; im Gutachten zur Unabhängigkeit des Kosovo hat er die Rechtsauffassung Albaniens vorgetragen. Die jetzige Direktorin Anne Peters war Teil des deutschen Teams zur Vertretung der deutschen Rechtsauffassung im Fall „Nicaragua gegen Deutschland“,[25] in dem bisher erst eine einstweilige Anordnung ergangen ist, so dass sie weiter im Verfahren eingebunden ist.

Agents der deutschen Seite im Verfahren „Nicaragua gegen Deutschland“ (v.l.n.r.): Paolo Palchetti, Samuel Wordsworth, Anne Peters, Christian J. Tams[26]

Von den ehemaligen Mitarbeitern wurde Michael Bothe 2003/2004 zur Vertretung der Rechtsansichten der Arabischen Liga im Gutachten zum Bau der israelischen Sperranlagen im besetzten palästinensischen Gebiet herangezogen[27] und Christian Tomuschat hat Deutschland im Immunitätsstreit zwischen Italien und Deutschland vertreten[28]. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Instituts beeindruckt in diesem Zusammenhang ganz besonders, da er in 16 Fällen als Vertreter einer Partei tätig war, beziehungsweise noch ist, und somit als Teil der bar angesehen wird, der „ständigen Anwaltschaft“ vor dem IGH, von der man oft spricht, obwohl es sie offiziell nicht gibt: Andreas Zimmermann. Es würde zu weit führen, hier alle Fälle zu nennen und mag daher genügen, auf die noch anhängigen Fälle und erst kürzlich abgeschlossenen Verfahren hinzuweisen: das laufende „Gutachten zum Klimawandel“, den (zweiten) „Immunitätsfall Italien v. Deutschland“ und das Streitverfahren „Guyana gegen  Venezuela“ (bei dem, wie erwähnt, Rüdiger Wolfrum der von Guyana benannte ad hoc Richter ist; beide noch anhängig), sowie das kürzlich abgeschlossene Gutachtenverfahren zum Rechtsstatus des besetzten palästinensischen Gebiets.[29]

Imposant: Die Eröffnung der Verhandlung im Fall „Bahrain, Ägypten, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate gegen Katar“, 2019[30]

Jeder dieser counsel hat zum Teil andere Mitarbeiter des Instituts (oder seines Lehrstuhls) bei der Ausarbeitung der Schriftsätze und der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung miteingebunden und bisweilen sogar zu den Verhandlungen mit nach Den Haag genommen, was für die Betroffenen natürlich jeweils ein absolutes Highlight war. Aus eigener Erfahrung[31] kann ich sagen, dass die Teilnahme an einem Fall in den imposanten Räumlichkeiten des Friedenspalasts in Den Haag ein unvergessliches Erlebnis darstellt. Zudem beeindruckt insbesondere auch das konkrete Vorgehen: So wird, zum Beispiel, größter Wert auf die Verhinderung jedes Kontakts der Parteien und ihrer Vertreter mit den Richtern und den Parteivertretern der Gegenseite gelegt, was einige Vorkehrungen für den Aufenthalt, etwa bezüglich Kaffeepausen, Zuteilung von Arbeitsräumen und Ähnlichem, mit sich bringt. Außerdem wird umfassender Einsatz verlangt, da nach dem mündlichen Vortrag der Gegenpartei oder auch auf Fragen der Richter nach dem eigenen Plädoyer in der Regel nur die Abend- und Nachtstunden zur angemessenen Vorbereitung der Reaktion verfügbar sind.

III. Wissenschaftlicher Input für die Arbeit des Gerichtshofs

Abschließend sei noch kurz, wie oben angekündigt, ein Wort zum „geistigen“ Input des KWI und MPI zum (Ständigen) Internationalen Gerichtshof gesagt. Hierbei kann es aber nicht um die unzähligen wissenschaftlichen Arbeiten gehen, die sich mit dem Gericht und seiner Rechtsprechung befassen, sondern es soll nur auf eine Publikation hingewiesen werden, die nach Aussagen aus dem Gerichtshof offenbar auf keinem Schreibtisch der Richter fehlt: Den Kommentar zum Statut des Gerichts, der auf die Initiative der Unterzeichnenden und Andreas Zimmermann während ihrer gemeinsamen Zeit am Institut beruht. Wie alle juristischen Texte, sind auch das Statut und die Verfahrensordnung des Gerichts interpretationsfähig und -bedürftig. Daher ist es erforderlich, dass die Auslegung der Bestimmungen durch den Gerichtshof selbst dokumentiert und kritisch begleitet wird. Dabei hilft bekanntlich besonders ein Kommentar, der diese Fragen kontinuierlich aufarbeitet und analysiert, eine Publikationsart, für die deutsche Juristen allgemein bekannt sind. Und in dieser Tradition stand dann auch bereits der erste Kommentar zum Statut und der Verfahrensordnung des StIGH, der im Jahre 1934 vom KWI herausgegeben wurde. Nur im Vorwort erfährt man, dass die Hauptarbeit dieses Werks von Berthold Graf Schenk von Stauffenberg geleistet worden ist, der aber nicht als Autor erscheint und diese Arbeit im Wesentlichen während seiner Zeit als Mitarbeiter der Kanzlei des StIGH vorgenommen hat.

In dieser Ausgabe des Statut-Kommentars aus dem MPIL-Bestand verweist nicht nur das Vorwort, sondern auch eine handschriftliche Notiz auf Berthold Graf Schenk von Stauffenberg, wenn auch mit einem fehlenden „f“.

Dieser erste Kommentar ist noch auf Französisch verfasst, einer der beiden offiziellen Sprachen des Gerichts. Er umfasst 498 Seiten und bearbeitet und kommentiert die einzelnen Bestimmungen des Statuts sowie der jeweils einschlägigen Vorschriften der Verfahrensordnung, wobei immer zunächst ein Blick in die Geschichte der Vorschrift geworfen und dann die praktische Anwendung anhand der einschlägigen Rechtsprechung analysiert wird. Dieser Kommentar – und das ist bemerkenswert – war überwiegend von nur einem Wissenschaftler allein erarbeitet worden und hat lange auf einen Nachfolger warten müssen. Als Hermann Mosler zum Richter am IGH berufen wurde, brachte er den Gedanken ins Gespräch, dass das MPI die Tradition fortsetzen sollte und trug diese Idee insbesondere an die Verfasserin dieses Beitrags heran, die damals hauptamtlich für das Referat IGH zuständig war.[32] Es war aber sofort klar, dass eine einzelne Person diese Arbeit nicht mehr durchführen konnte, sondern dass ein größeres Team eingesetzt werden musste. Der Gedanke blieb präsent und konnte erst verwirklicht werden, als Andreas Zimmermann ein Konzept für das Vorgehen entwickelte, in welchem die Publikation nicht mehr vom MPI als Hauptverantwortlichen getragen wurde, sondern als „freie“ Publikation in der Verantwortung der Herausgeber erarbeitet wurde. Die erste Auflage[33] erschien 2006, also mit einem beachtlichen Abstand zum Werk von Stauffenberg. Insgesamt etwa 50 Autoren aus aller Welt konnten verpflichtet werden, die Kommentierung der Artikel anhand der Rechtsprechung des IGH zu übernehmen und das daraus resultierende Werk, das bei Oxford University Press in englischer Sprache erschien, umfasste knapp 1580 Seiten. Seitdem erscheint im Abstand von etwa fünf Jahren eine Neuauflage – die bislang letzte, die dritte, im Jahr 2019[34] – und Vorüberlegungen für eine vierte Auflage werden derzeit angestellt. Der Herausgeberkreis hat sich im Lauf der Zeit geändert, wobei die konstante treibende und organisatorisch unermüdlich aktive Kraft Andreas Zimmermann geblieben ist. In diesem Zusammenhang darf natürlich auch sein hervorragendes Team an der Universität Potsdam nicht unerwähnt bleiben, das unschätzbare Leistungen bei der Fertigstellung dieser Publikation erbringt.

IV. Schlussbemerkung

Dieser summarische Überblick über die nicht unbedeutende Rolle, die frühere und gegenwärtige Mitarbeiter des KWI und MPI im StIGH und IGH gespielt haben und noch spielen, belegt die Bedeutung der Vermittlung intensiver Kenntnisse in allen Bereichen des Völkerrechts, die nach wie vor neben den Universitäten vor allem auch von einer wissenschaftlichen Institution wie dem heutigen MPI geleistet werden kann. Angesichts der Ausweitung des Völkerrechts auf Bereiche, die einst als rein innerstaatliche Angelegenheiten betrachtet wurden, ist diese Aufgabe wichtiger denn je und zeigt Auswirkungen nicht nur mit Blick auf den IGH, sondern auch auf die Präsenz von Mitarbeitern des MPI in anderen internationalen Gerichten wie dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof und dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem Seegerichtshof und zahlreichen internationalen Schiedsgerichten. Dass diese Tradition erhalten bleibt, ist von größter Bedeutung, angesichts der heutigen Weltlage, in der das Völkerrecht eine immer größere Rolle spielt und damit insbesondere auch die Organe, die eingesetzt sind, um seine Beachtung sicherzustellen.

[1] Jan Klabbers, Gazing at Europe: The Epistemic Authority of the MPIL, MPIL100.de.

[2] Foto: AMPG, Bruns, Viktor, II_1.

[3] Der Ständige Schiedshof, der in der Konvention von 1899 zur Friedlichen Beilegung von Streitigkeiten gegründet wurde, besteht im Wesentlichen aus einer Liste von Juristen, auf die jeder Mitgliedstaat vier Personen setzen kann, auf die als Richter in Schiedsverfahren zurückgegriffen werden kann. Diesen Personen ist das Vorschlagsrecht der IGH-Richter-Kandidaten übertragen, wobei jede Gruppe vier Personen vorschlagen kann, von denen nur zwei die Staatsangehörigkeit der Gruppe haben dürfen. Für Staaten, die nicht Partei des PCA sind, ist eine entsprechende alternative Lösung vorgesehen.

Die deutsche nationale Gruppe besteht derzeit aus Doris König, Stefan Oeter (früher Referent am MPIL), Anne Peters (derzeit Direktorin des MPIL) sowie Andreas Zimmermann (ebenfalls vormals Referent am MPIL).

[4] Auch ad hoc Richter, die von Parteien eines Streits benannt werden können, die keinen Richter ihrer Nationalität auf der Richterbank haben, sollen „vorzugsweise“ (Art. 31 Abs.2 Statut) aus dieser Liste gewählt werden. Allerdings ist es nicht zwingend, dass sie die Nationalität des Staates haben, der sie benannt hat.

[5] Eine Ausnahme davon gab es jedoch 2017, als der Kandidat des Vereinigten Königreichs nicht gewählt wurde und 2023, als der Kandidat aus Russland nicht gewählt wurde.

[6] Bemerkenswert ist, dass Walther Schücking sich danach gegenüber der Reichsregierung geweigert hat, seine Rechtsposition aufzugeben.

[7] StIGH,  Jurisdiction of the Courts of Danzig (Pecuniary Claims of Danzig Railway Officials who have Passed into the Polish Service, against the Polish Railways Administration), Advisory Opinion vom 3. März 1928, PCIJ Reports, Series B, No. 15; StIGH, Access to, or Anchorage in, the Port of Danzig of Polish Vessels, Advisory Opinion vom 11. Dezember 1931, PCIJ Reports Series A/B, No. 43; StIGH, Treatment of Polish Nationals and other Persons of Polish Origin or Speech in the Danzig Territory, Advisory Opinion vom 4. Februar 1932, PCIJ Reports Series A/B, No. 44.

[8] PCIJ, Certain German Interests in Polish Upper Silesia (Germany v Poland), Urteil vom 25. August 1925, Preliminary Objections, PCIJ Reports Series A, No. 6 und Urteil vom 25. Mai 1926, Merits, PCIJ Report Series A, No. 7; StIGH, Factory of Chorzów (Germany v Poland), Urteil vom 16. Dezember 1927, Measure of Interim Protection, PCIJ Reports Series A, No. 13 und Urteil vom 13. September 1928, Merits, PCIJ Reports Series A, No. 17.

[9] StIGH, S.S. Wimbledon (United Kingdom, France, Italy & Japan v. Germany), Urteil vom 17. August 1923, PCIJ Reports Series A, No. 1; StIGH, Rights of Minorities in Upper Silesia (Minority Schools) (Germany v Poland), Urteil vom 26. April 1928, PCIJ Reports Series A, No. 15.

[10] IGH, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany /Netherlands), (Federal Republic of Germany /Denmark), Urteil vom 20. Februar 1969.

[11] IGH, Certain Property (Liechtenstein v Germany), Preliminary Objections, Urteil vom 10.02.2005, ICJ Reports 2005, 6.

[12] IGH, Certain Activities Carried out by Nicaragua in the Border Area (Costa Rica v Nicaragua), Compensation, Urteil vom 02.02.2018, ICJ Reports 2018, 15.

[13] IGH, Dispute Over the Status and Use of the Waters of the Silala (Chile v Bolivia), Merits, including counter-claims of Bolivia, Urteil vom 01.12.2022, ICJ Reports 2022, 614.

[14] ICJ, Costa Rica v Nicaragua (Fn. 12), Rn. 15.

[15] Im Fall Arbitral Award of 3 August 1899 (Guyana v Venezuela) für Guyana und im Fall Legal and Maritime Delimitation and Sovereignty over Islands (Gabon v Equatorial Guinea) für Equatorial Guinea.

[16] Er war von 2003-2008 Mitglied im Fachbeitrat des Instituts, und von 2010- 2023 Mitglied im Kuratorium.

[17] Carl-August Fleischhauer, Die Grenzen der sachlichen Zuständigkeit des Bundeserfassungsgerichts bei der Kontrolle der gesetzgebenden Gewalt, der Staatsleitung und den politischen Parteien, Heidelberg 1960. Das Promotionsrecht steht bekanntlich nur den Universitäten zu, was aber für das MPI kein Problem darstellt, weil alle Direktoren auch immer offiziell in die Universitätslehre eingebunden sind.

[18] Georg Nolte, Beleidigungsschutz in der freiheitlichen Demokratie / Defamation Law in Democratic States, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 105, Heidelberg: Springer 1999.

[19] Georg Nolte, Eingreifen auf Einladung: Zur völkerrechtlichen Zulässigkeit des Einsatzes fremder Truppen in internen Konflikten auf Einladung der Regierung, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 136, Heidelberg: Springer 1999.

[20] 1931 im Streit über die deutsch-österreichische Zollunion und 1933 zur polnischen Agrarreform.

[21] Foto: Privatarchiv Rainer Noltenius.

[22] Siehe: Carlo Schmid, Erinnerungen, 2. Aufl., Stuttgart: Hirzel 2008, 131; Petra Weber, Carlo Schmid. Eine Biographie, Berlin: Suhrkamp 1996, 66 ff. Schmid hatte den StIGH auch zum Thema seiner Habilitationsschrift gemacht: Karl [damals noch dieser Name] Schmid, Die Rechtsprechung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs, Stuttgart: Ferdinand Enke 1932. Von Stauffenberg war von 1929 -1931 Referent am KWI und von 1931-1933 „redigierender“ Sekretär in der Kanzlei des StIGH. 1933 kehrte er ans KWI zurück. Siehe zu Stauffenberg unten Punkt III.

[23] Siehe: Reinhard Rürup/Michael Schüring, Schicksale und Karrieren. Gedenkbuch für die von den Nationalsozialisten aus der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vertriebenen Forscherinnen und Forscher, Göttingen: Wallstein 2008, 239-240.

[24] Friedrich Berber war nur für einen befristeten Aufenthalt am KWI beschäftigt, aber kein Mitarbeiter des Instituts. Siehe: Fritz [Friedrich] Berber, Sicherheit und Gerechtigkeit. Eine gemeinverständliche Einführung in die Hauptprobleme der Völkerrechtspolitik, Berlin: Carl Heymanns Verlag, 1934; Friedrich Berber, Zwischen Macht und Gewissen. Lebenserinnerungen, herausgegeben von Ingrid Strauss, München: C.H. Beck: 1986, 68-69; siehe auch: Katharina Rietzler, Friedrich Berber and the Politics of International Law, MPIL100.de.

[25] IGH, Alleged Breaches of Certain International Obligations in respect of the Occupied Palestinian Territory, Provisional measures, Order vom 30.04.2024.

[26] Foto: Anne Peters.

[27] IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Gutachten vom 09.06.2004, ICJ Reports 2004, 136.

[28] IGH, Jurisdictional Immunities of the State (Germany v. Italy: Greece intervening), Urteil vom 03.02.2012, ICJ Reports 2012, 99.

[29] IGH, Legal Consequences arising from the policies and practices of Israel in the Occupied Palestinian Territory, Including East Jerusalem, Gutachten vom 19.07.2024.

[30] Foto: UN Photo/ICJ-CIJ/Frank van Beek. Bereitgestellt für die editorische Nutzung durch den IGH.

[31] Prof. Frowein hatte mich im Fall Certain Property (Liechtenstein v Germany) bei der Vorbereitung des von ihm zu behandelnden Aspekts der Zuständigkeit des Gerichtshofs einbezogen. In dem Fall ging es bekanntlich um angebliche Entscheidungen Deutschlands, Eigentum von Liechtensteiner Staatsangehörigen, das zu Reparationszwecken nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet worden war, ohne Zusicherung von Entschädigung als deutsches Vermögen zu behandeln. Liechtenstein bezog sich zur Stützung seiner Anträge auf die Benes- Dekrete von 1945, auf deren Grundlage deutsches Vermögen enteignet worden war, das auf dem Staatsgebiet der damaligen Tschechoslowakei belegen war. Vor deutschen Gerichten, insbesondere vor dem Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 28. Januar 1998, war immer die Zulässigkeit der Klage verneint worden mit Blick auf Art. 3 Abs.3 Teil VI des Vertrags über die Regelung von aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen vom 26. Mai 1952. Vor dem IGH scheiterte die Klage Liechtensteins an der Unzuständigkeit des Gerichtshofs. Als Zuständigkeitsgrundlage hatte Liechtenstein sich auf das Europäische Übereinkommen zur Friedlichen Beilegung von Streitigkeiten von 1957 berufen. Da nach diesem Abkommen die Zuständigkeit des IGH nur für Streitigkeiten gilt, die nach Inkrafttreten des Abkommens zwischen den Parteien entstanden sind, im konkreten Fall der 18. Februar 1980. Da der Streit aber auf die Benes-Dekrete von 1945 und nicht auf die spätere deutsche Rechtsprechung zurückging, wies der IGH die Klage wegen mangelnder Zuständigkeit ab.

[32] Wie in mehreren Blogs bereits erwähnt, hatte jeder Referent des Instituts sog. Referatsgebiete zu betreuen, die natürlich regelmäßig wechselten. Dazu gehörte in der Regel mindestens ein Staat und eine internationale Organisation oder Institution. Aufgabe war es, über jede Entwicklung in diesen Referatsgebieten regelmäßig in der montäglichen Besprechung  vorzutragen, was den enormen Vorteil hatte, dass alle Mitarbeiter auf dem neusten Stand von Verfassungsänderungen oder anderen öffentlich-rechtlichen Entwicklungen in nahezu allen Staaten der Welt informiert waren und ebenso über Aktivitäten und Entwicklungen internationaler Organisationen.

[33] Herausgeber waren A. Zimmermann, C. Tomuschat und K. Oellers-Frahm.

[34] Herausgeber dieser Auflage sind A. Zimmermann und C. Tams mit einem Umfang von inzwischen nahezu 2000 Seiten: Die 2. Auflage erschien 2012, herausgegeben von A. Zimmermann, C. Tomuschat, K. Oellers-Frahm und C.J. Tams mit einem Umfang von etwa 1750 Seiten.

English

Personnel and Intellectual Input of the KWI and MPI into the Peace Palace at The Hague

As Jan Klabbers has rightly underlined in his contribution[1], the Kaiser‑Wilhelm‑Institute (KWI) as well as the Max‑Planck‑Institute (MPI) for Comparative Public Law and International Law can be regarded as reservoirs for filling high ranking positions in the international and national domain. Therefore, it does not come as a surprise that among the judges of international courts and tribunals, numerous persons can be found who have been (or are) related to the institute. This blog will investigate this phenomenon with regard to the International Court of Justice (ICJ) and its predecessor, the Permanent Court of International Justice (PCIJ). In the context of the institute’s 100-year anniversary, the relationship between these institutions is of relevance for a number of reasons. On the one hand, they were founded within a very short period of one another and are both devoted to international law, which, at that time, only played a modest role. On the other hand, there is my own personal connection, as the primary focus of my research at the institute centered around this topic. In light of this, I would like to begin by addressing the question of whether judges of these institutions came from the KWI/MPI (I). Subsequently, this article will investigate whether German international lawyers from the institute have acted as counsel or agent in contentious cases or advisory opinions before the PCIJ and the ICJ. This aspect is more difficult to analyze, and can only be presented here exemplarily, since a detailed investigation would go beyond the limits of this blog (II). And thirdly and finally, the “intellectual input” of the institute to the work of the PCIJ and ICJ will briefly be touched on (III).

I. German Lawyers as Judges at the PCIJ and the ICJ

The PCIJ and the ICJ are both composed of 15 permanent judges, each elected for a term of nine years, and no two of whom may be nationals of the same state. (Art. 3, para. 1 of the Statute). In addition, judges ad hoc may be chosen for a particular case by a party which has no judge of its nationality on the bench (Art. 31 Statute). Moreover, all members of the Court (that’s to say all member states of the UN) can present their legal position to a question presented to the Court for delivering an advisory opinion (Art. 66 Statute).

Walther Schücking (left) and Viktor Bruns in Den Haag (undated photo)[2]

With a view to the fact that the United Nations consists of 193 member states, and that the International Court shall assure “the representation of the main forms of civilization and of the principal legal systems of the world” (Art. 9 Statute), the election of the judges is of utmost importance. Without going too heavily into the election details laid down in Arts. 2-19 of the Statute, it remains nevertheless important to explain the preconditions under which German lawyers may be elected to the Court. In this respect, the question of how to achieve candidacy in the first place is highly relevant. The idea that states should present their own candidates, which seems at first glance the most obvious approach, was not accepted (and with good reason), namely, this is because the list of candidates is intended to be, to the highest degree possible, independent from political influence. Accordingly, the agreed upon regulation stipulates that candidates are to be nominated on the basis of a list, that is established by a complicated procedure by the national groups of the Permanent Court of Arbitration (PCA).[3] The election then takes place simultaneously in the Security Council and General Assembly independently of one another (without application of the right of veto in the Security Council). Every three years, one third of the judges are elected, and with re-election being possible (Art. 13).[4] Although no provision exists in this regard, each permanent member of the Security Council has a judge of its nationality on the bench.[5] The remaining ten judges are elected on the basis of quotas, which are accorded to the regional groups determined in the framework of the United Nations in 1963. Since 2017, the allocation of seats, including the judges of the nationality of one of the permanent members of the Security Council, is as follows: Western Europe and Other Countries (WEOC) is represented by four judges, Eastern Europe by two judges, Latin America also by two judges, Asia by four judges and Africa by three judges. As the United States of America are part of the WEOC, only one seat remains for this group to be filled by “free” choice: Three places in this group are reserved to nationals of the permanent members of the Security Council: namely the United States of America, France and the United Kingdom. In 2017, however, the candidate from the United Kingdom was not elected, meaning only the United States and France currently have a judge of their nationality on the bench. The remaining two seats are filled by Australia (Charlesworth) and Germany (Nolte).

The PCIJ, founded in 1922, was the first permanent international court ever. It dates thus earlier than the KWI. During its existence there was only one judge of German nationality on its Bench, namely Walther Schücking, the then Director of the Institute for International Law at Kiel, nowadays the Walther‑Schücking‑Institute. Since 1921 he was listed in the PCA as an eligible ad hoc judge, and in 1931 he was elected judge of the PCIJ. He was unable, however, to fulfill his term of office, because he died in 1935. His seat was not filled by a German lawyer, because Germany had not only left the League of Nations in 1933, but also cancelled its membership in the statute of the PCIJ.[6]

There have been three German lawyers working as judges ad hoc in procedures before the PCIJ: Viktor Bruns[7], Ernst Rabel[8]  and the already mentioned Walther Schücking[9]. Thus, Viktor Bruns was the first German lawyer from the KWI engaged as judge, or, more precisely, judge ad hoc in the PCIJ.

So far, there have been four judges of German nationality at the ICJ: Hermann Mosler (1976 – 1985); Carl‑August Fleischhauer (1994 – 2003); Bruno Simma (2003-2012) and Georg Nolte (since 2021). In the case of Hermann Mosler, his route to judgeship came via his role as a judge ad hoc in the case North Sea Continental Shelf.[10] Similarly, Carl‑August Fleischhauer and Bruno Simma acted before the Court in the capacity of judges ad hoc, but only after their term of office as judge. Fleischhauer, whose term as judge of the ICJ had ended in 2003, was directly afterwards nominated as judge ad hoc by Germany in the case Certain Property, which had been pending before the Court since 2001.[11] At this time, Bruno Simma was already sitting on the bench, but as he had been previously involved in the question at stake in his function as member of the Council for International Law of the Foreign Office, he was prevented from sitting on the bench by Art. 17, para 2 of the Statute. Bruno Simma was later nominated by Costa Rica as judge ad hoc in the case Maritime Delimitation in the Caribbean Sea and the Pacific Ocean.[12] Furthermore, he acted as judge ad hoc nominated by Chile in the case Dispute over the Status and Use of the Waters of the Silala[13] and also, as judge ad hoc nominated by Costa Rica, in the case Land Boundary in the Northern Part of the Isla Portillo.[14]

Besides the three persons who also acted before (as Hermann Mosler did) or after their term of office in the Court as judge ad hoc, the only other lawyer from the MPI to appear acting in the same capacity is Rüdiger Wolfrum, who did not serve as a judge at the ICJ but instead at the International Tribunal of the Law of the Sea. He is currently sitting as judge ad hoc in two cases before the ICJ.[15]

With the exception of Bruno Simma who had never been an official employee of the institute, although he was always closely related to it[16], the other three judges referred to above all came from the institute. When Hermann Mosler was elected as judge of the ICJ, he was also Director of the institute. Carl‑August Fleischhauer had, after passing the second State Examination, served from 1960 onwards as a research fellow at the MPI where he wrote his doctoral thesis. In 1961 he was conferred a doctorate degree at the University of Heidelberg[17].  Shortly afterwards he terminated his employment at the MPI and began an impressive career in the Foreign Office, before, sometime later, he became Under Secretary‑General and Legal Counsel of the United Nations. He remained closely associated with the MPI through his membership in the Kuratorium from 1975 to 2002.

The academic career of Georg Nolte, whose term of office as judge in the ICJ started in 2021, was closely linked to the MPI, a relationship which has continued through his activity in the Kuratorium of the Institute. From 1984 to 1990, alongside his legal preparatory service (Referendarzeit), he also worked on his doctoral thesis and was employed at the institute, where he served from 1992 to 1999 as a research fellow. In 1991, he obtained his doctoral degree under the supervision of his academic mentor Jochen Abr. Frowein, then Director at the institute[18], and, in 1998, was awarded his habilitation degree, once more under the supervision of Frowein.[19]

In light of this information and in the context of the fact that usually only one European lawyer can be elected as judge at the ICJ (besides the three judges of the nationality of the veto-powers United States, France and (until 2017) the United Kingdom), the significant impact of the MPI in forming international lawyers qualified for the highest offices is undeniable.

II. Members of the Institute Acting as Counsel in Proceedings Before the International Court

As is also the case with national legal procedures, the parties in cases before international courts and tribunals are represented by “advocates”, although there is no requirement comparable to the admission of lawyers under national law. Art. 42 of the Statutes states simply that “the parties shall be represented by agents”: These are the contact persons for the Court, and are – for practical reasons -, as a rule, the diplomatic or consular representatives of the parties at The Hague. The agents can – and in general always do – have “the assistance of counsel or advocates” who represent the parties by drafting the pleadings and presenting the parties’ argument in the oral proceedings. Neither the Statute nor the Rules of Procedure of the Court stipulate any details concerning the qualification of these persons. The basic assumption is that states will only entrust this function to “adequately qualified persons”, which, of course, lies in their own interest and has therefore generally been the case in practice. It is at this point that the KWI and the MPI once again come into view, because of their particular focus on international law that is the subject matter of all cases before the International Court.

Among the members of the KWI, which was founded two years after the creation of the PCIJ, it was only Viktor Bruns who served, as mentioned above, in several cases as a judge ad hoc before the PCIJ, and who also acted in two other cases as counsel for Germany.[20]

Viktor Bruns (left) acting as a counsel (undated photo)[21]

From the information on other KWI employees, only Carlo Schmid and Berthold Schenk Graf von Stauffenberg can be identified as having been involved in cases before the PCIJ. Both were involved by Viktor Bruns in the cases referred to above, in which he acted as counsel for Germany.[22] Erich Kaufmann, who served from 1927 to 1934 as academic counsel of the KWI[23], and his assistant Friedrich Berber[24],  also acted as counsel before the PCIJ, but had no official affiliation to the KWI.

Coming now to the involvement of former (and current) lawyers from the MPI as counsel (not just for Germany) in procedures before the ICJ, the situation is more impressive. Prof. Frowein, for example, has acted as counsel for Germany in the case Certain Property (Liechtenstein v. Germany) and was involved in the case Land and Maritime Boundary Between Cameroon and Nigeria (Cameroon v Nigeria), but resigned from his appointment during the proceedings. In the advisory opinion concerning the question of the independence of Kosovo he presented the legal position of Albania. The present director of the MPI, Anne Peters, was part of the team representing the legal position of Germany in the case Nicaragua v Germany[25]; in which until now, only an order on the request for interim protection has been delivered, meaning she remains involved in this case.

Agents of Germany in the case „Nicaragua v Germany“ (from left to right): Paolo Palchetti, Samuel Wordsworth, Anne Peters, Christian J. Tams[26]

With regard to former members of the institute, mention has to be made of Michael Bothe, who represented in 2003/2004 the League of Arab States in the advisory opinion on the Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory[27].

Equally of note, is Christian Tomuschat, who acted as counsel for Germany in the Immunities case between Italy and Germany[28].  There is, however, a former member of the MPI who occupies an outstanding position in this respect: He acted (or continues to act) in 16 cases as counsel for one of the parties and is thus regarded as a member of the “bar”, the “permanent advocacy” of the ICJ, which does, however, not exist as an “official” organ. It would be going too far to list here all these cases, and may thus be sufficient to name only those that are still pending or have been decided very recently. Noteworthy are the still‑pending advisory opinion concerning the Obligations of States in respect of Climate Change; the (second) case concerning Questions of jurisdictional Immunities of the State and Measures of Constraint against State-owned Property (Italy v Germany); as well as the case concerning the Arbitral Award of 3 October 1899 (Guyana v Venezuela). Both are still pending, with the latter being the case in which, as was already mentioned, Rüdiger Wolfrum is the judge ad hoc nominated by Guyana. Finally, the only recently concluded very important advisory opinion on the Legal Consequences arising from the Policies and Practices of Israel in the Occupied Palestinian Territory, Including East Jerusalem,[29] in which Andreas Zimmermann acted as counsel for the government of the State of Palestine.

Impressive: The opening of the hearings in the case “Bahrain, Egypt, Saudi Arabia and United Arab Emirates v Qatar” in 2019[30]

Typically, the counsels are assisted by researchers from the institute (or their chair) in drafting pleadings and memorials and preparing for the oral proceedings. Sometimes, they even have the privilege of accompanying the counsel to the oral proceedings in The Hague, which is, of course, a real highlight for those involved. From my own experience[31], I can say that participating in a case in the impressive premises of the Peace Palace at The Hague is an unforgettable experience. Equally impressive are the details of the actual proceedings: For example, great emphasis is placed on maintaining a strict separation between the parties and their counsels and the representatives and agents of the other party, which, for example, entails taking certain precautions for coffee breaks, office allocations, and so on. Furthermore, full commitment is required because, as a rule, only the evening and night hours are available for preparing an adequate response after the oral presentation of the opposing party or to questions from the judges after one’s own pleading.

III. Intellectual Input Towards the Work of the International Court

Finally, mention should be made of the “intellectual input” of the KWI and MPI to the work of the (Permanent) Court of International Justice. It would be impossible here, however, to address the countless academic publications devoted to the Court and its jurisprudence, so instead I wish only to draw attention to one publication in particular, which, according to information from the Court, is obviously present on the desk of every judge: Namely, the Commentary on the Statute of the Court, a publication that Andreas Zimmermann and myself developed during our common time at the institute. Like all legal texts, the Statute and the Rules of Procedure of the Court are not only open to, but also in need of interpretation. Therefore, it is important that the interpretation of the provisions by the Court itself is documented and critically analyzed. In this respect, it is well known that commentaries are a particularly effective means of continuously updating and analyzing these developments, and are, moreover, a form of publication that German legal academia is renowned for. The first commentary on the Statute and Rules of Procedure of the Permanent Court of International Justice was published in 1934 by the KWI and also follows this tradition. Only in the preface is it mentioned that the bulk of the work of the publication was done by Berthold Graf Schenk von Stauffenberg, who is, however, not mentioned as the author of the commentary, and who essentially carried out this work during his time as an associate in the Registry of the PCIJ.

In this edition of the commentary from the MPIL library, not just the preface, but also a handwritten note points to Berthold Graf Schenk von Stauffenberg, even if his name is misspelled with only one “f”.

This first commentary was published in French, one of the two official languages of the Court. It is 498 pages long and analyzes the provisions of the Statute and the related Rules of Procedure by first referring always to the history of the provisions, and then to the practical application in the jurisprudence of the Court. This commentary was written essentially by only one person alone – a fact that remains truly remarkable. It was a long time before the 1934 publication found a successor. When Hermann Mosler was elected judge at the ICJ, he raised the idea that the MPI should continue the tradition of publishing a commentary, addressing myself in particular, as at that time I was officially responsible for the “ReferatInternational Court of Justice.[32] It was, however, immediately obvious that a single person alone could not execute this task, and it would instead require a larger team to manage the project. The idea remained on the agenda but could only be realized when Andreas Zimmermann developed an idea for its implementation, whereby the MPI would no longer be held as the main responsible organ, and the commentary would instead be enacted as a “free” publication under the responsibility of the editors. The first edition[33] appeared in 2006, a remarkably long time after Stauffenberg’s commentary. Altogether, nearly 50 authors from all over the world could be engaged to comment on the articles of the Statute on the basis of the jurisprudence of the Court. The outcome was a book edited by Oxford University Press in English counting roughly 1580 pages. Since then, a new edition was published about every five years, the most recent of which is the third edition from 2019[34]. Work on the fourth edition is already underway. The team of editors has changed over time, but the permanent active driving force is still Andreas Zimmermann. In this regard, mention should also be made of his excellent team at the University of Potsdam, who do an inestimable job in the production of the manuscript.

IV. Final Remark

This summary of the rather remarkable role that former and present researchers of the KWI and MPI have played – and still play – in the PCIJ and the ICJ demonstrates the importance of procuring knowledge in all fields of international law, a task that can be performed by universities, but is most effectively carried out by research institutions like the MPI. In light of the expansion of international law into areas that were once considered purely domestic affairs, the role of institutions like the MPI is more important than ever before. The activities of such organizations have an impact not only with regard to the ICJ, but also through the role of researchers from the MPI sitting in other international courts and tribunals, such as the European Court of Human Rights, the European Court of Justice, the International Tribunal for the Law of the Sea and numerous international arbitral tribunals. That this tradition of the MPI be continued seems of utmost significance in the present world: International law is playing an increasingly important role on the global stage and, as a consequence, so too are the organs created for guaranteeing its implementation.

Translation from the German original: Karin Oellers-Frahm/Callum Hanks.

[1] Jan Klabbers, Gazing at Europe: The Epistemic Authority of the MPIL, MPIL100.de

[2] Photo: AMPG, Bruns, Viktor, II_1.

[3] The Permanent Court of Arbitration, which was founded by the Convention of 1899 on the Peaceful Settlement of Disputes, is essentially made up of a list of lawyers to which each member State may nominate four persons who may be called upon to sit as judge in an arbitration procedure. These national groups have the right to propose candidates to be elected as judge at the International Court. Each national group may propose four persons, only two of whom may be of the nationality of the proposing group. For those states that are not parties to the Permanent Court of Arbitration, a corresponding alternative solution has been provided for.The German national group is currently composed of Doris König, Stefan Oeter (a former researcher at the Institute), Anne Peters (current Director at the MPIL), and Andreas Zimmermann (also a former researcher at the MPIL).

[4] Also, judges ad hoc who are nominated by a state which has no judge of its nationality on the bench in a particular case, should “preferably” be chosen from among the persons of the national groups of the PCA (Art. 31 para 2 Statute). It is, however, not required that they are of the nationality of the nominating State.

[5] An exception to this tradition occurred, however, in 2017 when the candidate of the United Kingdom was not elected, and again in 2023, when the Russian candidate was not elected.

[6] It is interesting to note, in this context, that Walther Schücking resisted the government’s request to give up his seat.

[7] PCIJ,  Jurisdiction of the Courts of Danzig (Pecuniary Claims of Danzig Railway Officials who have Passed into the Polish Service, against the Polish Railways Administration), Advisory Opinion of 3 March 1928, PCIJ Reports, Series B, No. 15; PCIJ, Access to, or Anchorage in, the Port of Danzig of Polish Vessels, Advisory Opinion of 11 December 1931, PCIJ Reports Series A/B, No. 43; PCIJ, Treatment of Polish Nationals and other Persons of Polish Origin or Speech in the Danzig Territory, Advisory Opinion of 4 February 1932, PCIJ Reports Series A/B, No. 44.

[8] PCIJ, Certain German Interests in Polish Upper Silesia (Germany v Poland), Judgement of 25 August 1925, Preliminary Objections, PCIJ Reports Series A, No. 6 and Judgement of 25 May 1926, Merits, PCIJ Report Series A, No. 7; PCIJ, Factory of Chorzów (Germany v Poland), Judgement of 16 December 1927, Measure of Interim Protection, PCIJ Reports Series A, No. 13 and Judgement of 13 September 1928, Merits, PCIJ Reports Series A, No. 17.

[9] PCIJ, S.S. Wimbledon (United Kingdom, France, Italy & Japan v. Germany), Judgment of 17 August 1923, PCIJ Reports Series A, No. 1; PCIJ, Rights of Minorities in Upper Silesia (Minority Schools) (Germany v Poland), Judgement of 26 April 1928, PCIJ Reports Series A, No. 15.

[10] ICJ, North Sea Continental Shelf (Federal Republic of Germany v Netherlands) and (Federal Republic of Germany v Denmark), Judgment of 20.02.1969, ICJ Reports 1969, 3.

[11] ICJ, Certain Property (Liechtenstein v Germany), Preliminary Objections, Judgment of 10.02.2005, ICJ Reports 2005, 6.

[12] ICJ, Certain Activities Carried out by Nicaragua in the Border Area (Costa Rica v Nicaragua), Compensation, Judgment of 02.02.2018, ICJ Reports 2018, 15.

[13] ICJ, Dispute Over the Status and Use of the Waters of the Silala (Chile v Bolivia), Merits, including counter-claims of Bolivia, Judgment of 01.12.2022, ICJ Reports 2022, 614.

[14] ICJ, Costa Rica v Nicaragua (Fn. 12), para. 15.

[15] In the cases Arbitral Award of 3 August 1899 (Guyana v Venezuela), nominated by Venezuela, and in Legal and Maritime Delimitation and Sovereignty over Islands (Gabon v Equatorial Guinea), nominated by Equatorial Guinea.

[16] From 2003 to 2008 he was member of the Fachbeirat of the Institute, and from 2010 to 2023 a member of the Kuratorium.

[17] Carl-August Fleischhauer, Die Grenzen der sachlichen Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts bei der Kontrolle der gesetzgebenden Gewalt, der Staatsleitung und den politischen Parteien, Heidelberg: Univ. Diss. 1960. The right to confer doctoral degrees is conferred to the universities alone, which does not, however, constitute a problem for the MPIL, because its directors are always officially integrated into the University.

[18] Georg Nolte, Beleidigungsschutz in der freiheitlichen Demokratie / Defamation Law in Democratic States, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Vol. 105, Heidelberg: Springer 1999.

[19] Georg Nolte, Eingreifen auf Einladung: Zur völkerrechtlichen Zulässigkeit des Einsatzes fremder Truppen in internen Konflikten auf Einladung der Regierung, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Vol. 136, Heidelberg: Springer 1999.

[20] 1931 in the case concerning the Customs Regime Between Germany and Austria; 1933 in the case concerning the Polish Agrarian Reform.

[21] Photo: Private Archive of Rainer Noltenius.

[22] Cf. Carlo Schmid, Erinnerungen, 2nd. Edition, Stuttgart: Hirzel 2008, 131; Petra Weber, Carlo Schmid. Eine Biographie, Berlin: Suhrkamp 1996, 66 ff. Schmid had also chosen the PCIJ as the subject of his doctoral thesis: Karl [in those days he still used this name] Schmid, Die Rechtsprechung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs, Stuttgart: Ferdinand Enke 1932. Von Stauffenberg served from 1929 to 1931 as Research Fellow at the KWI and from 1931 to 1933 as “editing” Secretary in the Registry of the PCIJ. 1933 he returned to the KWI. See also infra III.

[23] Cf. Reinhard Rürup/Michael Schüring, Schicksale und Karrieren. Gedenkbuch für die von den Nationalsozialisten aus der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft vertriebenen Forscherinnen und Forscher, Göttingen: Wallstein 2008, 239-240.

[24] Friedrich Berber was only employed at the KWI for a limited period, but never had an official function at the KWI. Cf. Fritz [Friedrich] Berber, Sicherheit und Gerechtigkeit. Eine gemeinverständliche Einführung in die Hauptprobleme der Völkerrechtspolitik, Berlin: Carl Heymanns Verlag, 1934; Friedrich Berber, Zwischen Macht und Gewissen. Lebenserinnerungen, edited by Ingrid Strauss, Munich: C.H. Beck: 1986, 68-69. Cf., also, Katharina Rietzler, Friedrich Berber and the Politics of International Law, MPIL100.de.

[25] ICJ, Alleged Breaches of Certain International Obligations in respect of the Occupied Palestinian Territory, Provisional measures, Order of 30.04.2024.

[26] Photo: Anne Peters.

[27] ICJ, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Advisory Opinion of 09.06.2004, ICJ Reports 2004, 136.

[28] ICJ, Jurisdictional Immunities of the State (Germany v. Italy: Greece intervening), Judgment of 03.02.2012, ICJ Reports 2012, 99.

[29] ICJ, Legal Consequences arising from the policies and practices of Israel in the Occupied Palestinian Territory, Including East Jerusalem, Advisory Opinion of 19.07.2024.

[30] Photo: UN Photo/ICJ-CIJ/Frank van Beek. Made available for editorial use by the ICJ.

[31] I had the privilege of assisting Prof. Frowein in the case Certain Property (Liechtenstein v Germany) in preparing the memorial and the oral pleading on the aspect attributed to him, namely the question of the jurisdiction of the Court. The case concerned alleged decisions of Germany to treat certain property of Liechtenstein nationals as German assets having been seized after the Second World War for the purposes of reparation without ensuring any compensation. Liechtenstein based its claims on the Benes Decrees of 1945 according to which German property located on the territory of what was then Czechoslovakia, was seized. Before German courts, and in particular before the German Constitutional Court in its judgment of 28 January 1998, the claims were regularly dismissed as inadmissible on the basis of Art. 3, para 3, Part VI, of the Convention on the Settlement of Matters Arising out of the War and the Occupation of 26 May 1952. The claim was dismissed by the ICJ for lack of jurisdiction. As its jurisdictional bases Liechtenstein invoked the European Convention for the Peaceful Settlement of Disputes of 29 April 1957. As, according to this Convention, the jurisdiction of the Court only exists for disputes related to facts or situations that arose after the entry into force of the Convention between the parties, namely 18 February 1980. The Court dismissed the case because the real cause of the dispute was not to be found in the German Courts’ decisions, but in the Benes Decrees and the Settlement Convention dating before the entry into force of the Settlement Convention between Germany and Liechtenstein.

[32] As has already been mentioned in several contributions, each research fellow of the MPIL was responsible for so-called Referate, which, of course, changed from time to time. As a rule, the Referate covered at least one state as well as an international organization or institution. Their task was to present during the Monday sessions, any relevant development in their fields, which had the very welcome side effect for all researchers at the Institute of being kept up to date with the newest constitutional developments (or other aspects of public law) of nearly all countries globally as well as of the activities and developments in international organizations.

[33] Edited by A. Zimmermann, C. Tomuschat and K. Oellers-Frahm.

[34] The editors of this edition are A. Zimmermann and C. J. Tams; the volume has nearly 2000 pages. The second edition was published in 2012, edited by A. Zimmermann, C. Tomuschat, K. Oellers-Frahm and C.J. Tams counting some 1750 pages.

Das Institut und das Auswärtige Amt: Ein Blick in die Akten des Politischen Archivs für die Jahre 1924-1994

Eine „enge langjährige Beziehung“.[1] So bezeichnete der damalige Leiter der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes (AA) in einem Schreiben vom 5. August 1974 die Beziehung seines Hauses zum Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (heute abgekürzt mit dem seit etwa 2005 geläufigen Akronym „MPIL“, das auch in diesem Text gelegentlich, und zuweilen unter bewusster Inkaufnahme von Anachronismen, zur Bezeichnung des Instituts verwendet wird). Mit seinem Brief an die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in New York wollte Carl August Fleischhauer die Beziehung zwischen AA und MPIL noch einen weiteren Schritt vertiefen. Nachdem Deutschland im Jahr zuvor den Vereinten Nationen (VN) beigetreten war, bestand in der Rechtsabteilung ein erhöhter Bedarf, die Praxis der Vereinten Nationen genauer zu verfolgen und zu systematisieren. Wie bereits häufiger in der Vergangenheit erachtete das Amt das Institut als ideale Institution für diese Aufgabe. Daher ersuchte Abteilung V, die Rechtsabteilung, die Ständige Vertretung in New York, relevante Dokumente der VN unmittelbar an das MPIL zur weiteren Bearbeitung zu übermitteln. Das Ersuchen wurde zwar von der Ständigen Vertretung abgelehnt, da man selbst zu wenige physische Kopien der relevanten Beschlüsse und Dokumente erhielt.[2] Der Vorgang zeigt jedoch die wesentliche Bedeutung des MPIL im außenpolitischen Handlungsgefüge Deutschlands und die gegenseitige Wertschätzung von Rechtsabteilung des AA und MPIL.

Die Beziehung zwischen Amt und Institut soll hier auf mehreren Ebenen aufgearbeitet und anhand verschiedener Beispiele dargelegt werden. Hierzu wurden die relevanten Akten aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes gesichtet. Der Beitrag beginnt daher mit einer Zusammenfassung der Quellenlage (I.). Darauf folgt eine aktenbasierte Analyse der verschiedenen Kooperationsfelder über die Zeitläufte der Jahrzehnte bis 1994. Untersucht werden die Beratungs- und Forschungstätigkeit des MPIL im Auftrag des AA (II.), die Kompilation, Archivierung und Systematisierung von völkerrechtlichen Dokumenten durch das MPIL (III.) und die Wissenschaftsaußenpolitik (IV.). Dabei stellt sich im Rahmen der verschiedenen Kooperationsfelder immer wieder die Frage, inwiefern das MPIL vom AA unabhängige Forschung betrieb beziehungsweise betreiben konnte und welche Natur die Beziehungen zwischen AA und MPIL hatten. Ein gesonderter Abschnitt widmet sich daher dieser Frage im Querschnitt (V.). Abschließend soll ein Ausblick dazu erfolgen, welche Aspekte der historischen Beziehung zwischen MPIL und AA für die zukünftige Beziehung bedeutsam sind (VI.).

I. Quellenlage: Das Politische Archiv des Auswärtigen Amts

Das Auswärtige Amt in der Wilhelmstraße (1937)[3]

Für den Zeitraum 1924 bis 1940 wurde im Politischen Archiv durchgehend eine Akte zum Institut für ausländisches öffentliches Recht beziehungsweise (ab 1935) Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht geführt (Az.: R 54245 (1924-1933); R 54246 (1933-1937); R 43147 (1937-1940); R 43148 (1940)). Dort finden sich die gebündelte Kommunikation mit dem Institut und die relevanten Dokumente des Instituts, wie zum Beispiel die Denkschriften zu seiner Gründung und die Protokolle des akademischen Beirats. Für den Zeitraum zwischen 1941 und 1945 sind keine Akten aufzufinden. Hierfür konnte ich keine Erklärung finden – eine Vernichtung oder sonstiger Verlust der Akten sind nicht vermerkt worden.

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde nicht mehr eine beständige Akte zum MPIL geführt. Die Kommunikation mit dem MPIL taucht vielmehr themenbezogen in unterschiedlichen Gebieten auf. Die jüngste Akte reicht bis 1994.

II. Beratungs- und Forschungstätigkeit im Auftrag des AA

Institutsdirektor Viktor Bruns an seinem Schreibtisch im Institut 1936[4]

Aus Perspektive des AA bilden völkerrechtliche Beratungstätigkeit des MPIL und beauftragte Forschungsarbeit die zentralen Aspekte der Zusammenarbeit. Bereits in der Denkschrift zur Errichtung eines Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht von Staatsminister a.D. Friedrich Saemisch wird das zu gründende Institut als zentrale Stelle für den völkerrechtlichen Bedarf der Reichsministerien konzipiert.[5] Der Standort Berlin sei deshalb unerlässlich. Das Institut sollte als zentrale Institution dienen, um bei der „Abwehr unberechtigter Kriegsansprüche“ die Ministerien und insbesondere das AA in ihrer Praxis zu beraten.[6]

In Erfüllung dieses Auftrags wurden am Institut insbesondere Gutachten zu verschiedenen Fragen des Völkerrechts verfasst, die für die außenpolitische Praxis Deutschlands relevant waren. Dabei vertrat das Institut in dem hier untersuchten Zeitraum (1924 bis 1994) in der Regel staatsnahe Thesen, die den außenpolitischen Interesse Deutschlands weitestgehend entsprachen. Die genaue Anzahl an Gutachten ist nicht bekannt. Diese wurden auch nicht einheitlich, sondern themenbezogen im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts archiviert und konnten daher nicht umfassend ausgewertet werden. Einige Kolleginnen und Kollegen haben auf diesem Blog bereits einzelne Gutachten näher erörtert.[7]

Einen wesentlichen Aspekt der Beratungstätigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg bildete die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Das Institut war direkt von Beginn der Verhandlung an in die Pläne der Schuman-Kommission eingeweiht. Alle relevanten Dokumente wurden unmittelbar an das Institut weitergeleitet, das diese aufarbeiten und systematisieren sollte.[8] Im Zuge dessen fragte das AA immer wieder einzelne Aspekte nach. Zum Beispiel bat Hermann Mosler, der damalige Leiter der Rechtsabteilung, im Jahr 1952 den seinerzeitigen Direktor Carl Bilfinger um die Zusammenstellung und Übersendung der relevanten Dokumente und wissenschaftlichen Beiträge zur Montanunion.[9]

Ein zweiter Aspekt der Beratungstätigkeit in der Nachkriegszeit war die Abwehr von Entschädigungsansprüchen und Strafverfolgung für die Verbrechen des Deutschen Reichs. Im Auftrag des AA erstellte Carl Bilfinger mehrere Berichte über die aktuellen Entwicklungen in Großbritannien zum Strafausschließungsgrund des Handelns auf Befehl.[10] Weiterhin erstellte Carl Bilfinger ein Gutachten dazu, weshalb Maßnahmen gegen das deutsche Eigentum in Palästina rechtswidrig seien.[11]

III. Kompilation, Archivierung und Systematisierung von völkerrechtlichem Material

Eng mit der Beratungsfunktion ist die Kompilations- und Archivierungsfunktion des MPIL verbunden. Das Institut begann unmittelbar nach seiner Errichtung damit, die völkerrechtliche Praxis des Deutschen Reiches und später der Bundesrepublik Deutschland (BRD) zu dokumentieren. Ein wesentlicher Teil der Aktenbestände im Politischen Archiv sind Anfragen der jeweiligen Direktoren an die Rechtsabteilung mit der Bitte um Übersendung von völkerrechtlich relevantem Material.[12] Diesen Anfragen wurde durchgehend entsprochen.

Die Kompilationsarbeit wurde von einer Systematisierungsarbeit begleitet. In der Denkschrift des ersten Direktors Viktor Bruns zur Institutsgründung wird die Unübersichtlichkeit der „tausenden Staatsverträge“ hervorgehoben, die durch das Institut geordnet werden sollen.[13]

Die Ergebnisse dieser Systematisierung wurden mit dem AA geteilt. Im Jahr 1940 – dem zweiten Kriegsjahr – wurden in regelmäßigen Abständen Berichte über das Prisenrecht und die wirtschaftlichen Maßnahmen gegen Deutschland übersandt.[14] Es ist anzunehmen, dass diese Berichterstattung auch nach 1940 fortgeführt wurde. Für diesen Zeitraum liegen jedoch keine Akten vor.

Die bedeutendste Zusammenarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg war das große Systematisierungsprojekt zur Erfassung und Auswertung der deutschen völkerrechtlichen Praxis. Nachdem Hermann Mosler aus dem AA an das Institut gewechselt war, begannen Arbeiten zur Aufarbeitung der völkerrechtlichen Praxis.[15] Diese war laut Mosler notwendig, da durch die zwei Jahrzehnte der Weltkriege eine Systematisierung nicht habe verfolgt werden können.[16] Mit der Nachholung dieser Erfassung strebte Hermann Mosler eine Reintegration Deutschlands in die Staatengemeinschaft an, wie sie Felix Lange eingehend beschrieben hat.[17] Staatssekretär Walter Hallstein bekundete, nicht überraschend, persönliches Interesse an diesem Projekt und förderte es entsprechend.[18] Das systematische Werk zur deutschen völkerrechtlichen Praxis sollte ein wichtiger Beitrag zur deutschen Außenpolitik sein.

Walter Hallstein, Hermann Mosler, Hans Dölle 1961 am Institut anlässlich Hallsteins Vortrag „Die EWG politisch gesehen“ [19]

Der Vertrag hierzu zwischen Amt und Institut wurde am 15. Juli 1955 unterzeichnet.[20] Das Institut erhielt für seine Dienste einen monatlichen Betrag und eine Referentenstelle. Ein wesentlicher Aspekt der Systematisierungsarbeit war die Auswertung von völkerrechtlichem Material im AA.[21] Hierzu wurde stets ein Mitarbeiter des Instituts nach Bonn gesandt, der die Akten auswertete und für das Heidelberger Institut rezipierte.[22] Weiterhin wurden die Auslandsvertretungen per Runderlass V 1 – 89.07/2 darum gebeten, die völkerrechtlichen Verträge ihrer Gaststaaten zu sammeln und über die Rechtsabteilung an das Institut zu übersenden.[23]

Im Verlauf des Projekts gab es dabei immer wieder Koordinationsbedarf. Das Institut fragte zwischenzeitlich nach mehr Personal.[24] Zeitweise war die Freigabe bestimmter Dokumente kompliziert.[25]

Mehrfach wurde das Projekt verlängert.[26] 1969 wurde die Kompilierung von Verträgen durch die Auslandsvertretungen jedoch eingestellt, da die zur Erfassung vorgesehene Vertragskartei im MPIL nicht funktionierte und es daher nicht zu einer Auswertung und Systematisierung der Verträge im Institut kam.[27] Das Systematisierungsprojekt wurde indes niemals förmlich beendet. Eine vorgesehene Abschlusspublikation über die völkerrechtliche Praxis der Bundesrepublik wurde nie erstellt. Zwar erschienen über einen geraumen Zeitraum hinweg wiederkehrende Aufsätze über die völkerrechtliche Praxis der BRD in der Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Diese entsprachen jedoch nicht der ursprünglich anvisierten Publikation einer umfassenden Monographie.

IV. Wissenschaftsaußenpolitik

Rudolf Dolzer mit einer Ausgabe der Enzyklopädie 1982[28]

Das Institut wurde auch jenseits seiner wissenschaftlichen Rolle und Bedeutung als einflussreicher Akteur im außenpolitischen Handlungsgefüge des Deutschen Reichs und der BRD tätig. Diese Wissenschaftsaußenpolitik erstreckte sich auf mehrere Felder.

Zunächst vermittelte das Institut Kontakte zwischen dem AA und ausländischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Im Jahr 1927 stellte Viktor Bruns beispielsweise den amerikanischen Völkerrechtler Manley O. Hudson im AA vor.[29] Auch der Bibliothek kam eine bedeutende Rolle in der Kontaktpflege und der Verbreitung deutscher Staatenpraxis zu. Durch ihre Kontakte mit ausländischen Bibliotheken übermittelte sie deutsche Noten und Verträge zur dortigen Erforschung. Insbesondere die Beziehung zur Widener Library an der Harvard University veranlasste regelmäßige Nachfragen beim AA zur Überlassung von deutschen Stellungnahmen und Verträgen.[30] Diese wurden über die Institutsbibliothek an deren Partnerinstitutionen weitergeleitet.

Ein weiteres zentrales Instrument der Wissenschaftsaußenpolitik war die Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV). Die Zeitschrift besteht seit 1929 und untersucht in breitem Umfang Fragen des Völkerrechts und des ausländischen öffentlichen Rechts. Seit den ersten Bänden zeigte das AA großes Interesse an ihrer Verbreitung auch im Ausland. Mit Runderlass V 5183 vom 18. Dezember 1930 machte das AA seine Auslandsvertretungen auf die neue Publikation aufmerksam und regte ihre Verbreitung an.[31] In Reaktion auf den Runderlass baten die Auslandsvertretungen in Stockholm, Budapest, Zürich, Madrid, Washington, London, Chicago und Bukarest um die Überlassung von Probeexemplaren und gaben teilweise Adressen und Kontaktpersonen in ihren Gaststaaten an, um die direkte Übersendung zu ermöglichen.

Aufgrund dieser wissenschaftsdiplomatischen Bedeutung nahm das Auswärtige Amt bereits früh auf die Publikationsgrundsätze der Zeitschrift Einfluss. Mit Schreiben vom 25. August 1930 wurde Direktor Bruns darum gebeten, das AA zu konsultieren, bevor zu schwierigen Fragen in der ZaöRV publiziert wird.[32]

Die wissenschaftsdiplomatische Rolle der ZaöRV intensivierte sich nach 1933. Mit dem Ziel, die Zeitschrift und damit auch deutsches völkerrechtliches Denken im Ausland zu verbreiten, wurde die ZaöRV ab Juli 1934 durch das AA subventioniert.[33] Vorherige Anfragen nach einer Subventionierung waren noch abgelehnt worden.[34] Nun konnte der Verlag De Gruyter die Kosten pro Heft absenken. In seiner Ankündigung der Preissenkung an die Leserschaft vom 27. September 1934 wurde auf die Subvention durch das AA jedoch nicht hingewiesen.[35] Die Subventionierung wurde bis mindestens 1940 fortgesetzt.[36] Entsprechend intensivierten sich auch die Einwirkungen auf die Publikationslinie. Auf Nachfrage von Viktor Bruns vom 23. Oktober 1935 sprach sich das AA gegen die Veröffentlichung eines Manuskripts zu Fragen der deutschen Minderheit in Südtirol aus. Als Begründung wurde seitens des AA vorgetragen, dass die darin vertretene Auffassung Deutschland schade.[37]

Das AA förderte auch Forschungsreisen einzelner Institutsmitglieder, sowohl durch seine Auslandsvertretungen als auch finanziell. Die Botschaften in Stockholm[38] und London[39] vermittelten bereits in den späten 1920er Jahren Kontakte an Institutsmitglieder, die sich zur Erforschung der dortigen Rechtslage länger im Ausland aufhielten.

Carl August Fleischhauer als Referent im Institut. Mit Bundesverfassungsgerichtspräsident Gebhard Müller, Hermann Mosler bei dem Kolloquium „Verfassungsgerichtsbarkeit der Gegenwart“ 1961 im Institut[40]

1976 reiste der damalige Referent Michael Bothe nach Argentinien und Paraguay. Seine Vortragsreise wurde durch die DFG finanziert, nachdem das AA durch den Abteilungsleiter Fleischhauer auf Bitten von Bothe für diese Finanzierung geworben hatte.[41] In Argentinien hatte Anfang 1976 ein Putsch stattgefunden, sodass im August 1976 eine Militärregierung amtierte. Die wissenschaftlichen Kontakte waren daher eine der wenigen Formen, um auch mit der Zivilgesellschaft zu interagieren. Auf Veranlassung der Rechtsabteilung[42] gaben die Botschafter in Buenos Aires und Asunción Abendessen für Bothe. Der Botschafter in Argentinien berichtete daraufhin von dem gelungenen Abend und der gewinnbringenden Interaktion mit den Wissenschaftler*innen vor Ort.[43]

Weiterhin begrüßte das AA die Teilnahme von Institutsmitgliedern an internationalen Konferenzen. Das AA erbat sich regelmäßige Berichte über die jeweiligen Konferenzen, wenn Institutsmitglieder diese mit Kenntnis des Amtes besuchten. So zum Beispiel hinsichtlich einer Konferenz zum Humanitären Völkerrecht im Nachgang der Genfer Konvention[44] oder einer Konferenz zum HVR in den 1970er Jahren.[45]

Das Institut wurde zudem auch aktiv in die Vorbereitung von diplomatischen Konferenzen einbezogen, wie zum Beispiel im Vorfeld der Wiener Vertragsrechtskonvention. Insbesondere wurden Publikationstätigkeiten der Referenten angeregt. Nachdem die Völkerrechtskommission im Jahr 1966 einen Entwurf für die spätere WVK vorstellte, fand am 27. Februar 1967 eine Besprechung zwischen dem AA und dem MPIL statt.[46] Seitens des AA wurden Publikation und eingehende Analyse des Vertragsentwurfs angeregt. Die Aufsatzentwürfe sollten dem AA vorab zugeleitet werden, sodass die Regierungsstellungnahme hierauf aufbauend vorbereitet werden könnte. Dieser Bitte kamen die damaligen Referenten Rudolf Bernhardt, Christian Tomuschat, Michael Bothe, Jochen Frowein, Karl Doehring und Wilhelm Karl Geck nach. Bereits am 24. Januar 1967 hatten das AA und das Institut gemeinsame Bearbeitungsgrundsätze für diese Zusammenarbeit festgehalten.[47] Die Themenvorschläge durch die MPIL-Referenten wurden durch das AA kommentiert und Hinweise gegeben. Die Publikationen erfolgten daraufhin überwiegend in der ZaöRV und teilweise auch in anderen internationalen Fachzeitschriften.

Darüber hinaus wurde die Max Planck Encyclopedia of Public International Law (MPEPIL), die von Rudolf Bernhardt begründete und durch das Institut herausgegebene Enzyklopädie des Völkerrechts, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs vielfach als Gastgeschenk auf Reisen des AA verschenkt. Bekannt sind dezidierte Anfragen der Botschaften in Luanda[48] und Tirana[49], die erbaten, dass im Rahmen von Besuchsreisen die MPEPIL verschenkt werden sollte. In den Akten wird jedoch darauf verwiesen, dass es in den frühen 1990er Jahren ohnehin durchaus üblich war, dass die Enzyklopädie als offizielles Geschenk übergeben wurde.

V. Grad der Wissenschaftsfreiheit

Die Unabhängigkeit des Instituts vom Staat und insbesondere vom AA war bereits zu Beginn seiner Tätigkeit eine herausragende Frage. Einem Vermerk vom 11. Februar 1925 über ein Gespräch zur Institutsfinanzierung im Reichsfinanzministerium ist dabei zu entnehmen, dass das AA grundsätzlich eine Autonomie des Instituts annahm: Auf die Aufforderung, mehr Geld für das Institut aus dem AA-Budget bereitzustellen, erwiderte das AA, dass das Institut unabhängige wissenschaftliche Arbeit leisten und sich daher autonomer finanzieller Quellen bedienen solle.[50] Eine zu starke finanzielle Abhängigkeit vom AA sei daher abzulehnen.

Diese Linie institutioneller Distanz wurde jedoch spätestens ab Ende der 1920er Jahre nicht mehr eingehalten. In einem Vermerk über die Kuratoriumssitzung des Instituts vom 18. Juli 1930 erläutert der zuständige Referent im AA, dass er die Interessen des AA bekannt gemacht habe. Er habe: „in vorsichtiger Form die Bitte ausgesprochen, bei Themen von aktueller politischer Bedeutung mit dem Amt Fühlung zu nehmen.“[51] In Vollzug dessen wurde beispielsweise mit Schreiben vom 17. November 1932 darauf hingewiesen, dass ein ZaöRV-Beitrag an zwei Stellen falsch sei („Ich möchte aber nicht unterlassen, Ihnen gegenüber zum Ausdruck zu bringen, daß mir zwei Stellen darin nicht angenehm aufgefallen sind.“)[52] Das AA regte an, dass im Vorfeld kritischer Äußerungen zur Regierungspraxis des Deutschen Reichs das Amt konsultiert werden solle.

Ab 1933 wurden die Beeinflussungsmechanismen stärker. Beispielsweise ließ sich Viktor Bruns ein Antwortschreiben an einen amerikanischen Kollegen über den Ypiranga-Fall, der die Blockade eines deutschen Schiffs betraf, vor Übersendung durch das AA genehmigen.[53]   Darüber hinaus wurde die Neuauflage eines in der Schriftenreihe des Instituts herausgegeben Buches eines jüdischen Autors von Bruns abgelehnt, nachdem das AA dieser Publikation widersprochen hatte.[54] Die ZaöRV wurde in dieser Zeit, wie oben skizziert, gezielt zur Verbreitung nationalsozialistischer Völkerrechtsideen eingesetzt.

Mit Blick auf das große Systematisierungsprojekt der Nachkriegszeit kam die Frage nach der Unabhängigkeit wieder auf. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen unterbreitete das AA dabei den Vorschlag, dass die Bearbeitungen vor ihrer Publikation dem AA vorgelegt werden sollten. Nach langer Überlegung widersprach Hermann Mosler diesem Vorschlag, unter Verweis auf die Wissenschaftsfreiheit.[55] Eine klassische Vorlagepflicht wäre mit der Unabhängigkeit des wissenschaftlichen Projekts nicht vereinbar, so Mosler.

In diesem Sinne hat sich das Institut im Laufe der Zeit deutlich vom AA distanziert und seine Wissenschaftsfreiheit stärker reflektiert und forciert. Anhand der Akten des Poltischen Archivs ist diese Entwicklung jedoch nicht umfassend nachvollziehbar, da es keine zentrale Sammlung des Schriftverkehrs mit dem MPIL für die Zeit ab 1945 gibt.

VI. Eine enge langjährige Beziehung

Alte Bekannte: Erich Kaufmann, Ellinor von Puttkamer und Hedwig Kaufmann 1970 anlässlich der Amtseinführung von Rudolf Bernhardt im Institut. Puttkamer wurde 1969 als erste deutsche Frau zur Botschafterin ernannt. Von 1936 bis 1945 war sie Referentin am KWI. Kaufmann war von 1927 bis 1933 Wissenschaftliches Mitglied des KWI gewesen und parallel Rechtsberater des Auswärtigen Amtes wie abermals von 1950 bis 1958[56]

Die Beziehung zwischen AA und MPIL spiegelt zu einem gewissen Grad die deutsche Geschichte und die Entwicklung der Wissenschaftsfreiheit in Deutschland. Das Institut wurde sehr staatsnah gegründet und sollte mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden und Publikationen die außenpolitischen Ziele Deutschlands fördern. Die zentralen Institutstätigkeiten waren in der Anfangsphase eng darauf ausgerichtet. Dies zeigt sich insbesondere in der Publikationstätigkeit der ZaöRV, die stark durch das AA beeinflusst war und sich nicht zu problematischen Fragen verhielt, sofern dies potentiell im Widerspruch zur Auffassung der Reichsregierung stand. Diese Entwicklungen verschärften sich nach 1933. In dieser Zeit wurde das Institut im Rahmen der Kriegsvorbereitung und Kriegsführung beratend tätig und seine Zeitschrift zu Propagandazwecken im Ausland eingesetzt. Für die Jahre 1940-45 fehlen jedoch die Akten, was eine kritische Aufarbeitung dieser Phase der Institutsgeschichte erschwert.

Die Staatsnähe setzte sich grundsätzlich nach 1945 fort. Allerdings wurden bereits bei den ersten großen Projekten von MPIL und AA wichtige Trennlinien zwischen Regierung und Wissenschaft gezogen. Die Autonomie der wissenschaftlichen Tätigkeit rückte für das Institut verstärkt in den Mittelpunkt und wurde vom AA zunehmend respektiert. Einwirkungen auf die wissenschaftliche Tätigkeit wurden geringer. Gleichwohl fungierte das MPIL über weite Teile des 20. Jahrhunderts weiterhin als essentielles Glied im außenpolitischen Handlungsgefüge der Bundesrepublik. Seine Referent*innen waren an wichtigen außenpolitischen Vorhaben beratend beteiligt. Die Publikationen und Auftritte seiner Wissenschaftler*innen wurden vom AA fortlaufend gefördert und punktuell in außenpolitische Vorhaben eingebunden.

Der im Politischen Archiv für die Forschung zugängliche relevante Aktenbestand endet derzeit im Jahr 1994. Aufgrund der dezentralen Aktenführung ist jedoch davon auszugehen, dass Interaktionen zwischen AA und MPIL auch an anderen Stellen dokumentiert und so bereits heute in jüngeren Aktenbeständen nachvollziehbar sind.

Der Archivbestand im Politischen Archiv des AA verdeutlich die „enge langjährige Beziehung“ zwischen MPIL und AA, auf die Carl August Fleischhauer bereits 1974 verwies. Die konkrete Ausgestaltung dieser Beziehung hat sich im Verlauf der Jahre geändert und war stark von den jeweils herrschenden politischen Verhältnissen und Thematiken abhängig. Die grundlegende Bedeutung eines völkerrechtlichen Forschungsinstituts, das auch als Ansprechpartner von Bundesbehörden und insbesondere des AA fungiert, blieb hingegen unverändert.

Wie auch in anderen Blogbeiträgen deutlich wird, scheint sich diese Tradition auch nach 1994 fortzusetzen. Mittlerweile stehen indessen neue Kooperationsformate im Mittelpunkt. Die gutachterliche Tätigkeit ist weitestgehend zum Erliegen gekommen. Weiterhin wirkt aber stets ein Mitglied des Direktoriums im völkerrechtlichen Beirat des AA mit. Im Verfahren zwischen Deutschland und Nicaragua vor dem Internationalen Gerichtshof hat Anne Peters zur Jahreswende 2023/24 die Bundesregierung beraten und vertreten. Vom Institut und der Abteilung V des AA wird seit 2016 (in der Regel jährlich) ein Gemeinsamer Workshop organisiert, der als Forum des Austauschs über jeweils im Tätigkeitsbereich des AA besonders relevante  völkerrechtliche Fragen dient und vom 2015 eingerichteten Berliner Büro des Instituts kuratiert wird. Vom AA werden in diese Begegnungen regelmäßig auch Vertreter weiterer Bundesministerien, des Bundeskanzleramtes und der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages einbezogen. Die Beziehung zwischen Amt und Institut ist weiterhin eng, auch wenn sie mittlerweile auf anderen Grundsätzen aufbaut und sich in anderen Formaten verwirklicht als in früheren Jahren.

[1] Schreiben von Carl August Fleischhauer, datiert 5. August 1974, Politisches Archiv, B 80 Ref. 500 1382.

[2] Schreiben datiert 28. August 1974, Politisches Archiv, B 80 Ref. 500 1382.

[3] Foto: BArch, Bild 183-C11812 / CC-BY-SA 3.0.

[4] Foto: Privatarchiv Rainer Noltenius.

[5] Staatsminister a.D. Friedrich Saemisch, Denkschrift zur Errichtung eines Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 31. Dezember 1924, Politisches Archiv, R 54245.

[6] Saemisch (Fn. 5).

[7] Lea Berger, Der Weg in die Europäische Union. Ein zeitloses Gutachten Hermann Moslers

 MPIL100; Philipp Sauter, Das Institut im Kampf gegen Massenvernichtungswaffen. Rechtsberatung in Fragen des Verbotes chemischer und biologischer Waffen in den 1970er Jahren, MPIL100.

[8] Schreiben von Herman Meyer-Lindenberg, datiert 11. November 1958, Politisches Archiv, B 80 – Band 468.

[9] Schreiben von Hermann Mosler an Carl Bilfinger, datiert 22. September 1952, Politisches Archiv, B80 – Band 35.

[10] Schriftwechsel zwischen Hermann Mosler und Carl Bilfinger, datiert 7. Oktober 1952, Politisches Archiv, B 80 – Band 35.

[11] Carl Bilfinger, Gutachten, 10. Juli1952, Politisches Archiv, B86 – Band 16.

[12] Schreiben von Viktor Bruns, „Frage zum Ypiranga Fall“ datiert 20. März 1933, Politisches Archiv, R 54246; Schreiben von Viktor Bruns, datiert 24 Juli 1933 mit der Bitte um Übersendung aller Dokumente zum Austritt aus dem Völkerbund, Politisches Archiv, R 54246; Schreiben des MPIL, datiert 28. Mai 1954, Politisches Archiv, B80 – Band 35.

[13] Viktor Bruns, Denkschrift zur Gründung und Bedeutung des Instituts, 30. Oktober 1925, Politisches Archiv, R 54245.

[14] Siehe: Politisches Archiv, R 43147.

[15] Hermann Mosler, Denkschrift, 18. Januar 1955, Politisches Archiv, B 81 Ref. 501/V2 – Band 275.

[16] Schreiben von Hermann Mosler, datiert 12. Oktober 1954, Politisches Archiv, B 80 – Band 35.

[17]Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption. Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd. 262, Berlin: Springer 2017.

[18] Schriftwechsel, datiert 10. Januar 1956, Politisches Archiv, B 80 Band 468.

[19] Foto: MPIL.

[20] Vertrag vom 15. Juli 1955, Politisches Archiv, B 80 – Band 468.

[21] Vermerk vom 1. März1955, B 81 Ref. 501/V2 – Band 275.

[22] Siehe: Politisches Archiv, B 80 – Band 468.

[23] Runderlass V 1 – 89.07/2, Politisches Archiv, B 80 – Ref. 500/VI/V8 1203.

[24] Juli 1959, B 80 – Band 468.

[25] Schreiben, datiert 17. März 1958, Politisches Archiv, B 80 – Band 468.

[26] Schreiben datiert 12. Dezember 1961, Politisches Archiv, B 80 – Band 468.

[27] Schriftwechsel datiert zwischen 8. Mai 1973 und 7. Dezember 1974, Politisches Archiv, B 87 ZA 165800.

[28] Foto: MPIL.

[29] Vermerk vom 29. Juni 1927, Politisches Archiv, R 54245.

[30] Schreiben datiert 24. November1927, Politisches Archiv, R 54245; Schreiben datiert 4. Juli 1933, R 54246.

[31] Runderlass V 5183, 18. Dezember 1930, Politisches Archiv, R 54245.

[32] Schreiben, datiert 25. August 1930, Politisches Archiv, R 54245.

[33] Schreiben, datiert16. Juni 1934, Politisches Archiv, R 54246.

[34] Schreiben des De Gruyter Verlags, datiert24. November 1930, Politisches Archiv, R 54246.

[35] Schreiben des De Gruyter Verlags, datiert 27. September 1934, Politisches Archiv, R 54246.

[36] Schreiben, datiert 31. August 1937; Schreiben datiert 30. Mai 1938; Schreiben datiert 20. Juli 1939, Politisches Archiv R 43147; Schreiben datiert11. März 1940, Politisches Archiv R 43148.

[37] Schreiben, datiert 23. Oktober1935; Antwortschreiben, datiert 19.10.1935, Politisches Archiv, R 54246.

[38] Schreiben, datiert 9. Mai 1930, Politisches Archiv, R 54245.

[39] Schreiben, datiert 8. März1929, Politisches Archiv, R 54245.

[40] Foto: MPIL.

[41] Schreiben von Michael Bothe, datiert 21. Juni 1976, Schreiben von Carl August Fleischhauer, datiert 1. Juli 1976, Schreiben der DFG, datiert26. Juli 1976, Poltisches Archiv B 80 – 500.96/213 // B 80 Ref. 500 1382.

[42] Schreiben, datiert 6. August 1976, B 80 – 500.96/213 // B 80 Ref. 500 1382.

[43] Bericht der Botschaft Buenos Aires, 26. August 1976, Politisches Archiv, B 80 – 500.96/213 // B 80 Ref. 500 1382.

[44] Schriftwechsel zwischen Helmut Strebel und VLR Haeften, datiert 9. Februar 1952, Politisches Archiv, B 80 – Band 35.

[45] Schreiben, datiert 6. August 1976, Politisches Archiv, B 80 – 500.96/213 // B 80 Ref. 500 1382.

[46] Bericht vom 27. Februar 1967, Politisches Archiv, B 80 – Band 735.

[47] Bericht vom 27. Februar 1967 (Fn.46).

[48] Schreiben, datiert 14. Februar 1990, Politisches Archiv, B 80 Ref. 500 1379.

[49] Schreiben, datiert 2. Mai 1990, Politisches Archiv, B 80 Ref. 500 1379.

[50] Vermerk vom 11. Februar 1925, Politisches Archiv, R 54245.

[51] Bericht über Kuratoriumssitzung vom 18. Juli 1930, Politisches Archiv, R 54245.

[52] Schreiben an Viktor Bruns, datiert17. November 1932, Politisches Archiv R 54245.

[53] Schreiben, datiert 29. März 1933, Politisches Archiv, R 54246.

[54] Schreiben, datiert14. Juli 1935, Politisches Archiv, R 54246.

[55] Schreiben von Hermann Mosler, datiert 9. Mai 1955, Politisches Archiv B 81 Ref. 501/V2 – Band 275.

[56] Foto: MPIL.

Von Bücherregalen, Schubladen und anderen Narrativen

On Bookshelves, Boxes, and Other Narratives

Deutsch

Die völkerrechtsgeschichtlichen Altbestände des MPIL

„Der Westfälische Frieden ist eine der Geburtsstunden des modernen Völkerrechts, grundlegende Konzepte, wie die Gleichheit und Souveränität der Staaten, wurden hier das erste Mal in einem großen Friedensabkommen verhandelt. Dieses Erbe müssen wir bewahren.“[1]

Mit diesem engagierten Appell führte Annalena Baerbock in einem Interview im Vorfeld des Treffens der G-7-Außenministerinnen und -Außenminister in Münster 2022 explizit den genius loci der vormaligen ‚Friedensstadt‘ ins Feld, um ein Signal des Friedenswillens auszusenden. Angesichts der Konflikthäufung im frühen 21. Jahrhundert sind vergleichbare Allusionen, rhetorische Beschwörungen und – aus geschichtswissenschaftlicher Sicht – anachronistische Aufladungen des Westfälischen Friedens omnipräsent. Sie mindern jedoch nicht die rezeptive Bedeutungskraft des Friedensschlusses, mit dem am 24. Oktober 1648 die Gesandten Frankreichs und Schwedens, des Kaisers und der Stände des Heiligen Römischen Reiches den Dreißigjährigen Krieg (1618‑1648) beendeten. Mitte September 2023 fanden sich in Münster erneut Diplomat*innen und Sicherheitspolitiker*innen aus aller Welt ein, um sich in der Westfälischen Friedenskonferenz gemeinsamer Standpunkte zu versichern. Weder Ort noch Name sind Zufall, schrieb sich die Veranstaltung damit doch in ein Narrativ ein, welches eine vermeintlich seit 1648 bestehende völkerrechtliche Ordnung beschwört, zu deren Erhaltung man sich verpflichtet sieht.

Die völkerrechtliche Ordnung bedarf dieser Versicherungen aktuell ohne Zweifel – und die Verbindung zum Westfälischen Frieden und seiner Chiffre „1648“ ist alles andere als eine Modeerscheinung. Sie ist auch Institutionen wie dem Heidelberger MPIL eingebrannt. Biegt man nämlich im weit verzweigten Magazin des Instituts an der richtigen Stelle ab, steht man bald vor einer eindrucksvollen Sammlung von Separata, Büchern also, die vor 1800 gedruckt und seit 2002 in einer eigenen Abteilung des Magazins gebündelt wurden. Fata habent sua libelli – der oft bemühte Spruch gilt auch für diesen Altbestand „Völkerrecht“ der MPIL-Bibliothek. Denn das Bücherregal ist für sich genommen eine Schublade, in der sich – so man sie öffnet – eine geradezu typische, im 20. Jahrhundert geprägte geschichtswissenschaftliche und rechtswissenschaftliche Narrativbildung über die historische Entwicklung des Völkerrechts findet. Die kritische Auseinandersetzung mit dieser Narrativbildung ist Aufgabe, aber – wie zu zeigen sein wird – auch Begegnungsfläche beider Disziplinen.

Westfälischer Frieden(skongress) als Völkerrecht?

Gerard ter Borch: Allegorie auf Hugo Grotius und den Westfälischen Frieden, um 1648[2]

Nach den Wurzeln des modernen Völkerrechts zu fragen, führt meist ins 17. Jahrhundert. Zwei Meilensteine – eine Person und ein Ereignis – stechen hierbei heraus: der Niederländer Hugo Grotius (1583‑1645) und der Westfälische Friedenskongress (1643‑1649), auf dem besagter Friede in einem bis dato nicht gewesenen multilateralen Miteinander verhandelt wurde. Beide Linien sind verwoben in einem Gemälde aus der Schule Gerard ter Borchs, auf dem in die berühmte Szene der Beschwörung des Friedens von Münster zwischen Spanien und den Niederlanden das Epitaph des verstorbenen Rechtsgelehrten Grotius eingesetzt ist.[3] Völkerrechtsliteratur und Völkerrechtspraxis rücken hier bildlich zusammen. Ist erstere durch Grotius repräsentiert, findet die zweite Ausdruck in der symbolischen Darstellung des Westfälischen Friedenskongresses, der den Frieden von Münster (Januar 1648) und den Westfälischen Frieden (Oktober 1648) zum Ergebnis hatte. Der Dreißigjährige Krieg mit seiner Vielzahl von Parteien und Konflikten ließ in vielen gescheiterten beziehungsweise ungehaltenen Friedensfindungsversuchen die Erkenntnis zur multilateralen Verhandlung („Universalfrieden“) wachsen: Kongresse waren fortan das Organ völkerrechtlicher Verständigung im Sinne des ius inter gentes. Der Westfälische Frieden war damit epochenbildend, weil sich europäische Kriege nach 1648 de facto nur noch auf multilateralen Kongressen lösen ließen. Beispielhaft genannt seien die Kongresse bzw. Friedensschlüsse von Aachen 1668, Nijmegen 1678/79, Rijswijk 1697, Utrecht 1713/14, Aachen 1748 und Teschen 1779. Diese Reihe ist klassischer Ausdruck eines zeitgenössisch noch in statu nascendi befindlichen „Staatensystems“, in dem sich gegenseitig anerkennende Fürstenstaaten und Republiken als Völkerrechtssubjekte gleichberechtigt gegenübertreten. Das Gemälde der friedensschaffenden Gesandten um das Epitaph Grotius‘ zeigt, was heute in Vergessenheit zu geraten droht: Die vorrangige Bedeutung des Westfälischen Friedens liegt in seinem Zustandekommen und weniger in seinen Rechtsinhalten, die heute vielfach mit Toleranzbegriffen, Souveränitätsideen oder Globalisierungsgedanken missverständlich angefüllt werden.

Von Bücherregalen: Der Altbestand „Völkerrecht“ im MPIL

Die Separata-Sammlung heute[4]

Dieser duale, die Völkerrechtspraxis bei Kongressen wie auch die Völkerrechtsliteratur einbeziehende, Blick auf die frühneuzeitliche Völkerrechtsgeschichte spiegelt sich im Altbestand „Völkerrecht“ der MPIL-Bibliothek. Mit geschichtswissenschaftlicher Perspektive darauf geblickt wird deutlich, dass der Westfälische Friedenskongress chronologischer Ausgangspunkt der Sammlung ist: Im Regal finden sich vor allem die lange maßgebenden Akteneditionen des 18. Jahrhunderts, darunter Johann Gottfried von Meierns sechsbändige Acta Pacis Westphalicae publica, die französischen Négociations de Munster et d’Osnabruck oder die von Nicolas Clément 1710 herausgegebenen Briefeditionen zwischen Kardinal Mazarin und den französischen Gesandten in Münster, Mémoires et négociations secrètes de la cour de France, touchant la paix de Munster, um nur einige Beispiele zu nennen. Neben den klassischen Akteneditionen finden sich vormoderne Überblickswerke zum Westfälischen Frieden, wie die Histoire des traités de Westphalie und Drucke von Aufzeichnungen beteiligter Akteure, wie die anekdotenreichen Geschichtensammlung des reichsständischen Gesandten Adam Adami, die mehrbändigen Négociations de M. d’Avaux zum französischen Gesandten Claude de Mesmes, Comte d’Avaux, oder das Gesandtschaftsdiarium des kaiserlichen Gesandten Isaak Volmar im Corpus iuris publici sacri Romani imperii Germanici von 1710.

Neben den stark repräsentierten wichtigen älteren Quellenwerken zum Westfälischen Frieden und Friedenskongress setzt sich die Reihe der gedruckten Aktenwerke anhand der oben skizzierten Kongresskette fort: Die Verhandlungen zum Frieden von Nijmegen 1678/79 finden darin ebenso ihre Aktenpublikation wie der Frieden von Rijswijk 1697 (oder die Actes de la Paix d’Utrecht für den Kongress von 1711 bis 1713). Die Liste an vormodernen Akteneditionen zur Friedens- und Vertragsgeschichte der Vormoderne im Altbestand ließe sich problemlos erweitern.

Neben den völkerrechtlichen Beständen erscheinen hier auch stattliche Bestände von „Diplomatenspiegeln“ – Best‑practice‑Veröffentlichungen von Praktikern der internationalen Beziehungen, den „Diplomaten“ avant la lettre. Neben den in der Diplomatiegeschichte gängigen Klassikern von François de CallièresL’art de négocier” von 1716, Vera y Zúñigas Le parfait Ambassadeur” von 1642 oder einer Ausgabe von Abraham de Wicqueforts Botschafterspiegel von 1677 fallen zudem die Buchrücken diplomatischer Selbstzeugnisse und Memoiren entscheidender Akteure auf dem Verhandlungsparkett des Ancien Régime in den Blick: Hierzu gehören die posthum veröffentlichten Memoiren des „Außenministers“ Ludwigs XIV., Jean Baptiste Colbert de Torcy, oder die Briefe des französischen Verhandlungsführers vom Friedenskongress in Nijmegen, dem Maréchal d‘Éstrades.

Kurzum: Das reichhaltige Material zeigt, dass im Heidelberger Max‑Planck‑Institut nicht allein frühneuzeitliche Völkerrechtsliteratur gesammelt wurde, sondern neben den theoretischen Klassikern die praktische Seite der Kongresse, der Verhandler (Memoiren und Briefe) und der diplomatischen Praktiken, der art de négocier“, Berücksichtigung fanden.

Von Schubladen: Der Westfälische Frieden als Völkerrechtsgrundlage?

Die in diesem Bücherregal abgebildete Bedeutung des Westfälischen Friedens und der folgenden europäischen Friedenskongresse ließe sich leichthin in eine in der medialen Berichterstattung und in Politiker*innenreden beliebte Schublade stecken: Sie wird als Westphalian System bezeichnet und beschreibt die Vorstellung, dass mit dem Friedensschluss vom Oktober 1648 ein Souveränitäts-, Territorialitäts- und Egalitätsprinzip zwischen Staaten etabliert worden sei, das nachfolgend die „internationale Ordnung“ gleichberechtigter Staaten reguliert hätte. Dieses Denkmodell wurde in der älteren Völkerrechts- und Politikgeschichtswissenschaft teilweise langfristig mythologisiert[5]und – sei es in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen oder in medialen Berichterstattungen zum Friedensjubiläum – auch heute noch gepflegt.[6]

Doch nichts davon steht in den Westfälischen Friedensinstrumenten oder beschriebe zutreffend die internationale Ordnung bis ins 19. Jahrhundert. Die beständigen Dekonstruktionen des „Westfälischen Systems“ aus der Frühneuzeit-Geschichtswissenschaft oder der Völkerrechtsgeschichte vermögen dieses Bild auch nicht zu korrigieren. Dabei steht nicht die völkerrechtsgeschichtliche Bedeutung des Westfälischen Friedens grundsätzlich zur Disposition, vielmehr aber die Wirkmacht dieser Bedeutung: Diese gilt nämlich nicht, weil seit 1648 ein Ist-Zustand unmittelbar festgeschrieben gewesen wäre, sondern weil der Westfälische Frieden noch bis in die Revolutionszeit um 1800 als Referenzfriede Grundlage jeder weiteren internationalen Ordnung in einem „Droit des gens contracté“ wurde.[7] Wiederum – so könnte man dies thesenartig zuspitzen – ist es nicht der geschriebene Vertrag, sondern seine Wirkmacht in der longue durée, die seinen Zäsurcharakter für die Völkerrechtsentwicklung ausmacht.

In der Forschung wurde bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass die Idee vom Westfälischen Frieden als einer „Grundverfassung des Staatensystems“ durchaus schon im 18. Jahrhundert ihren Ursprung nahm. 1648 wurde durch Völkerrechtstheoretiker und -praktiker zu einer völkerrechtsgeschichtlichen Zäsur, und erst nach 1806 verlor der Friedensschluss von 1648 „in der deutschsprachigen Welt“, so der Marburger Historiker Christoph Kampmann, „angesichts des wachsenden Einflusses nationalstaatlichen Denkens seinen Nimbus“,[8] nicht aber im französisch- und englischsprachigen Raum. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die neuere Völkerrechtsgeschichte und das in den Politikwissenschaften/International Relations prädominante Narrativ vom „Westfälischen System“ eine neue Schublade aufmachen. Seitdem verfestigte sich der Aufstieg des Narrativs vom „Westfälischen System“, der internationalen Staatenordnung auf den Prinzipien von entkonfessionalisierter Souveränität und Gleichberechtigung. Stilbildend war der Aufsatz des Völkerrechtlers und Völkerbund-Diplomaten Leo Gross im American Journal of International Law von 1948,[9] dessen Verständnis vom Gegenwartsbezug des Westfälischen Friedens sich bis heute in verschiedenen Disziplinen, medialen und politischen Äußerungen hält.[10]

Von anderen Narrativen: Ernst Reibsteins ‚Heidelberger‘ Rezeption des Westfälischen Friedens

Ernst Reibstein und Ulrich Scheuner auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht im Institut, 25.-27. April 1965[11]

Allzu leicht wäre es nun festzustellen, dass auch die Völkerrechtsgeschichte am Heidelberger MPIL diesem Zug folgte, um dann schulmeisterlich die Frühe Neuzeit, „wie sie eigentlich gewesen“, korrektiv einzubringen. Doch bezeichnenderweise blieb diese Schublade vom „Westfälischen System“ im Heidelberger MPIL verschlossen.

Zumindest bietet sich dieser Befund, wenn man auf die Forschungen des Heidelberger Völkerrechtshistorikers Ernst Reibstein (1901‑1966) blickt, der nicht nur vielfach in der Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV) publiziert hat, sondern – als Privatgelehrter ohne Beschäftigungsverhältnis am Institut[12]– ein häufiger Nutzer[13] und womöglich auch Kompilator[14] des besagten Altbestands war. Ernst Reibstein, der mit seinen zahlreichen Studien zur Geschichte des Völkerrechts am Heidelberger Institut akademisch herausstach, widmete sich in seinen Schaffensjahren in den Jahrzehnten vor und nach 1960 häufig der vormodernen Völkerrechtsentwicklung und insbesondere auch dem Westfälischen Frieden. Seine Beschäftigung mit der Materie ragt dabei in besonderer Weise heraus: Denn Reibsteins Einordnung des Westfälischen Friedens, der Friedenskongresse und Verträge in die Geschichte des Völkerrechts – kurz gesagt: sein Blick auf die im Heidelberger Altbestand abgebildeten Werke – war geprägt von Gabriel Bonnot de Mably (1709‑1785) und seinem Hauptwerk Droit public de l‘Europe fondé sur les traités depuis la paix de Westphalie jusqu’à nos jours (erstmals 1748). Mably sah im Westfälischen Frieden 1648 einen Wendepunkt im völkerrechtlichen Vertragsrecht und gehörte damit zu den völkerrechtlichen Denkern, bei denen Kampmann jüngst die Ursprungserzählung vom „Westfälischen System“ verortet hat.

Eine der am MPIL vorhandenen Ausgaben von Gabriel Bonnot de Mablys Droit public de l‘Europe fondé sur les traités depuis la paix de Westphalie jusqu’à nos jours von 1776

Reibstein beschäftigte sich ausführlich mit Mably.[15] Mittlerweile sind die Mably-Forschung und deren Wiederentdeckung reiflich fortgeschritten, doch entscheidend scheint an dieser Stelle vielmehr Reibsteins Rezeption in den 1950er Jahren, die dieser jüngeren Mably-Rezeption[16] vorausging. Denn, indem Reibstein nach 1945 auf Mably aufbaute, gelangte er zwar zu einem ähnlichen Urteil über die Bedeutung des Westfälischen Friedens wie das „Westfälische-System“-Narrativ, wobei er dieses jedoch an eine völkerrechtsgeschichtliche Tradition anschloss, die zwischen 1806 und 1945 im deutschen Wissenschaftsbereich als verloren galt. Reibstein stellte sich allein auf die Füße der Tradition, die im 18. Jahrhundert den Westfälischen Frieden zur Zäsur eines völkerrechtsbasierten Staatensystems erhoben hatte.

„Indem der Westfälische Frieden das Verfassungsrecht des Deutschen Reiches in den Zusammenhang der allgemein europäischen Staatenbeziehungen stellte, schuf er den Begriff des droit public de l’Europe.“[17]

Die Ergebnisse mögen ähnlich klingen, doch entscheidend ist der jeweilige Argumentationsweg: Wie schon Mably, der im Dienste des französischen Außenministers als Sekretär manchen Vertrag selbst verhandelt hatte, rückt Reibstein nämlich neben der theoretischen Literatur die völkerrechtliche Praxis in den Mittelpunkt seiner völkerrechtsgeschichtlichen Überblicke, also genau jene Kongresse, Diplomaten und diplomatischen Praktiken, die der Altbestand des Instituts so mustergültig abbildet. In seinem Überblick reproduziert Reibstein das Mably’sche Bild der völkerrechtlichen Ordnung vor 1806, in der „die großen Friedenskongresse der folgenden Jahrzehnte Europa nach Art des Corpus Germanicum in ein mit Garantien umgebenes Gleichgewicht der Kräfte zu bringen suchten und gewisse territoriale, dynastische oder konstitutionelle Interessen als politische und zugleich völkerrechtliche Doktrinen unter den Schutz des droit public stellten“.[18] Für dieses droit public seien, so Reibstein, „die Briefsammlungen oder Memoiren der beteiligten Monarchen, Staatsmänner und Diplomaten von größerem Interesse als die zahlreichen, zu den Einzelproblemen erschienenen juristischen Untersuchungen […]“[19]Das Völkerrecht bleibt damit kein Produkt philosophischer Naturrechtsetzung, sondern ist wie schon bei Mably kasuistisch und zugleich mit den Brillen der geschichtswissenschaftlichen wie auch der rechtswissenschaftlichen Disziplin zu lesen.[20]

Doch nicht nur die historisierende Lesart der Völkerrechtsgeschichte und der Bezug auf Mably heben Reibsteins Darstellung von seinen Zeitgenossen ab. Auch seine Urteilsfindung differenziert: Denn wo Mably die auch vom „Westfälischen-System“-Narrativ stark gemachte Gleichheit souveräner Staaten nach 1648, die bis in die Epoche der Mitlebenden andauere und zu der die Frühneuzeitforschung heute nur die Augen verdreht, betont, hält Reibstein fest: „Die ‚gekrönten Häupter der Christenheit‘ oder ,Potentaten in Europa‘ verstanden ihr gegenseitiges Verhältnis auch nach dem Westfälischen Frieden als eine Hierarchie, über deren Stufen freilich weder Klarheit noch Einigkeit herrschte“.[21]

Fata habent sua libelli – Interdisziplinarität durch „Regalstudien“

Foto: Volker Lannert/Universität Bonn.

Die Quellendichte des Heidelberger Altbestands und Reibsteins Rezeption der Kasuistik Mablys grenzen seine Darstellung der Völkerrechtsgeschichte ab von Beschreibungsversuchen, die ein „Westfälisches System“ aus der Taufe hoben. Reibstein nahm eine Völkerrechtstradition auf, die neben Literatur mit frühneuzeitlicher diplomatischer Praxis argumentierte und die gerade in der deutschsprachigen Forschung weitgehend unbeachtet geblieben ist – aber eben nicht in Heidelberg.

In diesem Lichte steht der völkerrechtsgeschichtliche Altbestand des MPIL für eine gleichsam geschichts- und rechtswissenschaftliche Herangehensweise an das Völkerrecht, die in Quellen und methodisch erschlossener diplomatischer Praxis fundiert. Zeitgenössisch zu Reibsteins Darstellungen ergänzt sich diese Sicht auf die Geschichte des Völkerrechts durch eine weitere Absetzungsbewegung vom „Westfälischen System“ in den 1950er Jahren: Noch zur Mitte dieses Jahrzehnts entstand unter der Ägide des Bonner Historikers Max Braubach und in enger Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium die Idee, die großen Friedensprozesse und -kongresse der Neuzeit in kritischen Quelleneditionen besser zu ergründen. Geboren war damit eine Historikerkommission unter dem breit angelegten Namen der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte, in deren Erbe noch heute am Bonner Zentrum für Historische Friedensforschung Grundlagenforschung zum Westfälischen Frieden betrieben wird. Völkerrechtshistoriker*innen können 2024 auf mittlerweile 48 Bände kritischer Aktenedition zurückgreifen – ein moderner Editionsbestand, der sich glücklicherweise ebenfalls in der Bibliothek des MPIL findet und zum Großteil auch digital verfügbar ist.

Die Buchdeckelreihen im Altbestand des MPIL präsentieren die Kongresse und die diplomatische Praxis der Vormoderne als Gestaltungsräume völkerrechtlicher Ordnung, in denen geregeltes Miteinander sich verdichtender Staatswesen entstand. So wie Geschichtswissenschaft hier aus der Völkerrechtsgeschichte Rückschlüsse ziehen kann, so macht dieser Befund auch – im Sinne Reibsteins – deutlich, dass die diplomatische Praxis, das Zustandekommen und Funktionieren der Kongresse, wie es die Historische Friedensforschung untersucht, ihre gleichwertige Relevanz für die Völkerrechtsgeschichte haben.

Dieses fatum der Bücher im Altbestand am MPIL ist auch noch im vierten Jahrhundert des Westfälischen Friedens ernst zu nehmen und verweist auf die Notwendigkeit, Narrative quellenkritisch auf den Prüfstand zu stellen. Nur mit diesen Fundierungen lässt sich den heutigen Bedeutungen der Vertragswerke gerecht werden, und nur so werden Bemühungen der Politik um Anknüpfungsversuche, wie zum Beispiel im Zuge der Debatte über ein Westphalia for the Middle East, des Treffens der G7-Außenminister*innen im Münsteraner Friedenssaal 2022 oder auch der dortigen „Westfälischen Friedenskonferenz“ 2023, zu wirklich nachhaltigen und eindrücklichen Symbolakten.

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Ergänzende Auswahlbibliographie

Randall Lesaffer, War, Peace, Interstate Friendship and the Emergence of the ius publicum Europaeum, in: Ronald G. Asch/Wulf Eckart Voß/Martin Wrede (Hrsg.): Der Frieden. Rekonstruktion einer europäischen Vision, 2. Bd.: Frieden und Krieg in der Frühen Neuzeit. Die europäische Staatenordnung und die außereuropäische Welt, München: Wilhelm Fink Verlag 2001, 87–113.

Andreas Osiander, „This Solemn, And Ever Memorable and Sacred Treaty“: Perceptions of the Peace of Westphalia in the later Ancien Régime, Manuskript o.O., 2009.

Heinhard Steiger, Der Westfälische Frieden – Grundgesetz für Europa, in: Duchhardt, Heinz (Hrsg.): Der Westfälische Friede: Diplomatie – Politische Zäsur – Kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte, Historische Zeitschrift, Beiheft 26, München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag,  33–80.

[1] Claudia Kramer-Santel/Andreas Fier, Symbolischer Ort in schwieriger Zeit. Außenministerin Annalena Baerbock im Interview mit den Westfälischen Nachrichten zum Treffen der G7-Außenministerinnen und Außenminister in Münster, Auswärtiges Amt Newsroom, von Claudia Kramer-Santel und Andreas Fier, 2. November 2022.

[2] Bild: gemeinfrei.

[3] Heinz Schilling, Konfessionalisierung und Staatinteresse. Internationale Beziehungen 1559- 1660, Handbuch der Geschichte der internationalen Beziehungen Bd. 2, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2007.

[4] Foto: MPIL.

[5] Siehe: Paolo Amorosa, Rewriting the History of the law of Nations. How James Brown Scott made Francisco de Vitoria the Founder of International Law, Oxford: Oxford University Press 2019.

[6] Vgl. bspw.: Tom Ginsburg, Eastphalia as the Perfection of Westphalia, Indiana Journal of Global Legal Studies 17 (2010), 27–45; Reinhard Meyers, From Westphalia to Westfailure? Internationale Akteure und die Fallstricke Humanitäter Intervention, in: Joachim Gardemann/ Franz-Josef Jakobi/ Bernadette Spinnen (Hrsg.): Humanitäre Hilfe und staatliche Souveränität, Münster: Aschendorff 2012, 83–102; siehe: Jonas Bechtold, A Web of Peaces: Twitter Narratives on the Peace of Westphalia, in: Florian Helfer et al., Overcoming Conflict. History Teaching – Peacebuilding – Reconciliation, Wiesbaden: Springer 2023, 235–258; Michael Rohrschneider, Zum 375. Jubiläum des Westfälischen Friedens. Lernen aus der Geschichte?, Forschung und Lehre 30 (2023), 862–863.

[7] Benjamin Durst, Archive des Völkerrechts. Gedruckte Sammlungen europäischer Mächteverträge in der Frühen Neuzeit, Colloquia Augustana Bd. 34, München: De Gruyter 2016.

[8] Christoph Kampmann, Der Westfälische Friede als Fundament von Völkerrecht und Staatenpolitik. Präfigurationen des „Westfälischen Systems“ im 18. Jahrhundert, in: Friedrich Kießling/Caroline Rothauge (Hrsg.), Außenbeziehungen und Erinnerung. Funktionen, Dynamiken, Reflexionen, München: De Gruyter 2021, 21–36, 35.

[9] Leo Gross, The peace of Westphalia 1648–1948, American Journal of International Law 42 (1948), 20–41.

[10] Peter M.R. Stirk, The Westphalian model and sovereign equality, in: Review of International Studies 38 (2012), 641–660; Benjamin de Carvalho/Jorg Kustermans, The modern Westphalian Peace Impasse in International Relations and what to do about it, in: Dorothée Goetze/Lena Oetzel (Hrsg.), Warum Friedenschließen so schwer ist. Frühneuzeitliche Friedensfindung am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses, Schriftenreihe zur Neueren Geschichte Bd. 39, Neue Folge 2, Münster: Aschendorff 2019, 93–106.

[11] Foto: MPIL.

[12] Hermann Mosler, Nachruf auf Ernst Reibstein, ZaöRV 26 (1966), 493–494.

[13] Zumindest kann für den Überblicksaufsatz Reibsteins zum Völkerrecht vor 1806 festgehalten werden, dass ein Großteil der angeführten Werke im Altbestand des MPIL vorhanden ist. Der wissenschaftliche Nachlass Reibsteins befindet sich noch heute im MPIL.

[14] Die einzelnen Provenienzen und Ankäufe der Separata sind nicht systematisch erfasst. Die Möglichkeit, dass Reibstein an der Zusammenstellung beteiligt war, ist jedoch nicht auszuschließen. Wir danken dem freundlichen Hinweis von Joachim Schwietzke und Philipp Glahé.

[15] Ernst Reibstein, Völkerrecht. Eine Geschichte seiner Ideen in Lehre und Praxis, Bd. I: Von der Antike bis zur Aufklärung, Freiburg/München: Karl Alber 1957, 534-553; Ernst Reibstein, Die Völkerrechtskasuistik des Abbé de Mably, ZaöRV 18 (1957/58), 229–260.

[16] Hans Erich Bödeker/ Peter Friedemann (Hrsg.): Gabriel Bonnot de Mably: Politische Texte 1751–1783, Baden-Baden: Nomos 2000; Kampmann (Fn. 8).

[17] Ernst Reibstein, Das „Europäische Öffentliche Recht“ 1648–1815. Ein institutionengeschichtlicher Überblick, Archiv des Völkerrechts 8 (1960), 385–420, 386.

[18] Reibstein, Das Europäische Öffentliche Recht (Fn. 17), 386.

[19] Reibstein, Das Europäische Öffentliche Recht (Fn. 17), 386.

[20] Vgl. Reibstein, Völkerrechtskasuistik (Fn. 15), 259.

[21] Reibstein, Das Europäische Öffentliche Recht (Fn. 17), 390.

English

The MPIL’s Historical Collection in the 375th Year of the Peace of Westphalia

“The Peace of Westphalia is a cradle of modern international law; it is where fundamental concepts such as the equality and sovereignty of states were negotiated for the very first time in a major peace agreement. We must preserve this heritage.” [1]

With this fierce plea, German Foreign Minister Annalena Baerbock, in an interview in the run-up to the meeting of G7 foreign ministers in Münster in 2022, explicitly invoked the genius loci of the former ‘City of Peace’ to signal commitment to peace. In the face of the multitude of conflicts in the early 21st century, similar allusions, rhetorical invocations and – from a historiographical perspective – anachronistic charges of the Peace of Westphalia are omnipresent. However, they do not diminish the receptive significance of the peace treaty, with which the envoys of France and Sweden, the Emperor and the Imperial Estates of the Holy Roman Empire ended the Thirty Years’ War (1618‑1648) on 24 October 1648. In mid‑September 2023, diplomats and security policy experts from all over the world gathered again in Münster to agree on common positions at the Westphalian Peace Conference. Neither the location nor the name are a coincidence, as with them, the event positioned itself as part of a narrative, conjuring up an international legal order, supposedly existing since 1648 which one feels obliged to preserve.

There is no doubt that the international legal order is currently in need of this reassurance – and the invocation of the Peace of Westphalia and its cipher “1648” is anything but a fad. Not least, it is ingrained in institutions, including the Heidelberg MPIL. If one finds the way through the extensive library of the institute, an impressive collection of separata, i.e. books  printed before 1800, which have been compiled in a separate section since 2002, can be discovered. Fata habent sua libelli – the oft-quoted saying also applies to this historical collection under the signature “International Law” in the MPIL library. Here, the development of public international law has been shelved – figuratively as well as literally – in a way that is representative of a historical and legal narrative construed in the 20th century. The critical examination of this narrative formation is a task, but – as will be shown – also a common ground of both disciplines.

The Westphalian Peace (Congress) as International Law?

Gerard ter Borch: Allegory of Hugo Grotius and the Peace of Westphalia, circa 1648 [2]

The search for the roots of modern international law usually leads back to the 17th century. Here, two milestones – one person and one event – stand out: the Dutchman Hugo Grotius (1583‑1645) and the Peace Congress of Westphalia (1643‑1649), where the aforementioned peace treaty was negotiated in unprecedented multilateral co-operation. Both threads are interwoven in a painting from the school of Gerard ter Borch, in which the epitaph of the deceased legal scholar Grotius is inserted into the famous scene of the confirmation of the Peace of Münster between Spain and the Netherlands by oath.[3] Here, scholarly literature on international law and its practice are metaphorically connected. The former is represented by Grotius, the latter by a symbolic depiction of the Peace Congress of Westphalia, which resulted in the Peace of Münster (January 1648) and the Peace of Westphalia (October 1648). The Thirty Years’ War, with its multitude of parties and conflicts, as well as many unsuccessful and unrealized attempts at peace-making, led to a growing awareness of the need for multilateral negotiations (“universal peace”): from then on, congresses became the means of finding consensus on international law, in the sense of a ius inter gentes. The Peace of Westphalia was thus epoch-making; after 1648 European wars could de facto only be resolved at multilateral congresses. The congresses and peace treaties of Aachen in 1668, Nijmegen in 1678/79, Rijswijk in 1697, Utrecht in 1713/14, Aachen in 1748 and Teschen in 1779 are examples of this. This series is a classic expression of a “state system”, still in statu nascendi at the time, in which monarchies and republics recognized each other as subjects of international law on equal footing. The painting of the peace-making envoys gathered around Grotius‘ epitaph points to a fact that tends to be forgotten today: the primary significance of the Peace of Westphalia lies in its genesis, while its legal content, which today is often misleadingly associated with concepts of tolerance, sovereignty, or globalisation, is secondary.

On Bookshelves: The MPIL’s Historical “International Law” Collection

The collection of Separata today [4]

This dual view of the history of international law in the early modern period, which takes into account the practice of international law at congresses as well as the scholarly literature on international law, is reflected in the MPIL historical “International Law” collection. When examining these holdings from a historiographical perspective, the Peace Congress of Westphalia emerges as its chronological starting point: The shelf contains primarily the long authoritative 18th century editions of legal acts, including Johann Gottfried von Meiern‘s six-volume Acta Pacis Westphalicae publica, the French Négociations de Munster et d’Osnabruck or the editions of letters between Cardinal Mazarin and the French envoys in Münster published by Nicolas Clément in 1710, Mémoires et négociations secrètes de la cour de France, touchant la paix de Munster, to name just a few examples. In addition to the classic editions of documents, there are also pre-modern overviews of the Peace of Westphalia, such as the Histoire des traités de Westphalie and printed records of those involved, such as the anecdote-rich collection of stories by the imperial envoy Adam Adami, the multi-volume Négociations de M. d’Avaux on the French envoy Claude de Mesmes, Comte d’Avaux, or the legation diary of the imperial envoy Isaak Volmar in the Corpus iuris publici sacri Romani imperii Germanici of 1710.

In addition to the well-represented major editions of primary sources on the Peace of Westphalia and the Peace Congress, the series of compiled records continues along the series of congresses outlined above: the publication of records of the negotiations for the Peace of Nijmegen 1678/79 can be found, as can be the Peace of Rijswijk 1697 (or the Actes de la Paix d’Utrecht for the congress from 1711 to 1713); the list of pre-modern editions of documents on the history of peace treaties of the pre-modern period in the historical collection goes on.

In addition to these scholarly publications on international law, there is also an impressive collection of Manuals of Diplomacy (so-called Diplomatenspiegel), best-practice-manuals published by practitioners of international relations, the “diplomats” avant la lettre. In addition to the classics of diplomatic history such as François de CallièresL’art de négocier from 1716, Vera y Zúñiga‘s Le parfait Ambassadeur from 1642 or an edition of Abraham de Wicquefort‘s Mirror for Ambassadors from 1677, editions of diplomatic self-testimonies and memoirs of key players on the negotiating floor of the Ancien Régime can be found: These include the posthumously published memoirs of Louis XIV’s ‘foreign minister’, Jean Baptiste Colbert de Torcy, or the letters of the French chief negotiator at the peace congress in Nijmegen, the Maréchal d’Éstrades.

In short, the rich collection of material shows that the Max Planck Institute in Heidelberg not only collected scholarly literature on international law from the early modern era, but also considered its practical side, congresses, negotiators (memoirs and letters) and diplomatic practices, the “art de négocier”, in addition to the theoretical classics.

Of Boxes: The Peace of Westphalia as the Foundation of International Law?

The significance of the Peace of Westphalia and the subsequent European peace congresses reflected in this bookshelf could easily be put in a box commonly opened up for media coverage and political speeches: it is referred to as the Westphalian system and describes the idea that the peace treaty of October 1648 established the principles of sovereignty, territoriality and equality between states that would subsequently regulate the “international order” of states on equal footing. This interpretation was long mythologised[5] in large parts of traditional international law and political history scholarship and – in various academic disciplines as well as media reports on the peace anniversary – is still cultivated today.[6]

Yet, it is not conducive with the actual Westphalian peace instruments or accurately describes the international order up to the 19th century. The constant deconstructions of the “Westphalian system” in the historiography of the early modern era and the history of international law are not helping to correct this narrative either. It is not the significance of the Peace of Westphalia in the history of international law that is at issue, but rather the power of this significance: that power is not due to the actual and direct establishment of a new status quo in 1648, but came about as the Peace of Westphalia became the reference of every new international order in a “Droit des gens contracté” up until the revolutionary period around 1800.[7] Again – condensed to a thesis- it is not the treaty as a piece of writing but its effects in the longue durée that constitute a caesura for the development of international law.

Research has repeatedly pointed out that the idea of the Peace of Westphalia as a “constitution of the state system” has its origins as early as the 18th century. 1648 was made into a caesura in the history of international by its theorists and practitioners, and it was only after 1806 that the peace treaty of 1648 “lost its nimbus in the German-speaking world”, according to Marburg historian Christoph Kampmann, “due to the growing influence of a nation‑state‑centric approach”;[8] but it did not in French- and English-speaking countries. After the Second World War, the modern history of international law dusted off the box labelled “Westphalian system”, widely used in political science and international relations. The rise of the narrative of the “Westphalian system”, an international order based on the principles of secularised sovereignty and equality of states, has been consolidated, not least influenced by an essay by international law expert and League of Nations diplomat Leo Gross in the American Journal of International Law in 1948,[9] whose understanding of the contemporary relevance of the Peace of Westphalia influences various disciplines, the media and political declarations to this day.[10]

On Other Narratives: Ernst Reibstein’s ‘Heidelberg’ Reception of the Peace of Westphalia

Ernst Reibenstein and Ulrich Scheuner at the Annual Conference of the German Society of International Law at the MPIL, 25.-27. April 1965 [11]

It would be all too easy to conclude that the approach taken at the Heidelberg MPIL to the history of international law simply followed this trend, only to then deconstruct it by schoolmasterly introducing the early modern period “as it actually was”. Interestingly, however, the “Westphalian-system”-box remained closed at the Heidelberg MPIL.

At least this is to be concluded from the writings of Heidelberg historian of international law Ernst Reibstein (1901‑ 1966), who not only published several articles in the in-house journal Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV; English title: Heidelberg Journal of International Law, HJIL), but – as a private scholar without a paid position at the institute[12] – was a also a frequent user[13] and possibly even a compiler[14] of the historical collection in question.

Ernst Reibstein, whose numerous studies on the history of international law were unique at the Heidelberg Institute, devoted his academic career in the decades before and after 1960 to the study of the pre-modern development of international law and the Peace of Westphalia in particular. His thinking on the subject matter is remarkable as Reibenstein’s historical classification of the Peace of Westphalia and the subsequent peace congresses and treaties – in short: his view of the works depicted in the Heidelberg historical collection- was influenced by Gabriel Bonnot de Mably (1709‑ 1785) and his principal work Droit public de l’Europe fondé sur les traités depuis la paix de Westphalie jusqu’à nos jours (first published in 1748). Mably saw the Peace of Westphalia of 1648 as a turning point in international treaty law and was therefore one of the international law scholars Kampmann recently attributed the original narrative of the “Westphalian system” to.

One of the MPIL’s editions of Gabriel Bonnot de Mably’s Droit public de l’Europe fondé sur les traités depuis la paix de Westphalie jusqu’à nos jours from 1776

Reibstein studied Mably extensively.[15] Recently, research on and rediscovery of Mably have made considerable progress, but Reibstein’s work in the 1950s, which preceded this more recent Mably reception[16], is more significant here, as he, by building on Mably after 1945, arrived at a similar conception of the significance of the Peace of Westphalia as the “Westphalian system” narrative, yet connected it to a tradition of international law history that had been considered lost in German scholarship between 1806 and 1945. Reibstein placed himself solely in the tradition that had in the 18th century elevated the Peace of Westphalia to a caesura of a state system based on international law.

“By placing the constitutional law of the German Empire in the context of general European state relations, the Peace of Westphalia created the concept of a droit public de l’Europe.”[17]

The conclusions arrived at may sound similar, but the decisive difference lies in  the respective line of argument: like Mably, who had himself taken part in a number of treaty negotiations as secretary in the service of the French foreign minister, Reibstein not only considers scholarly literature, but also the practice of international law in his historical overviews, i.e. precisely the congresses, diplomats, and diplomatic practices that the Institute’s historical collection depicts so exemplarily. In his overview, Reibstein reproduces Mably’s view of the international legal order before 1806, in which “the great peace congresses of the following decades sought to bring about a balance of powers in Europe, supported by mutual guarantees, modelled after the Corpus Germanicum and placed certain territorial, dynastic, or constitutional interests as political and international law doctrines under the protection of the droit public“.[18] According to Reibstein, for this droit public “the collections of letters or memoirs of the monarchs, statesmen, and diplomats involved are of greater interest than the numerous legal treatises on its individual problems […]”.[19] International law is thus, for Reibenstein, not to be understood as the product of the philosophical search for the norms of natural law, but rather, as for Mably, must be viewed casuistically and through the eyes of both, historical and legal scholarship. [20]

But it is not only the historicised reading of the history of international law and the reference to Mably that set Reibstein’s account apart from his contemporaries. Beyond that, his judgement is nuanced: where Mably emphasises the equality of sovereign states after 1648, which supposedly lasted well into his era, as also cited in the “Westphalian system” narrative, but considered refuted by modern scholarship on the early modern period, Reibstein states: “The ‘crowned heads of Christendom’ or ‘potentates in Europe’, even after the Peace of Westphalia, saw their relationships as a system of hierarchies, the nature of which was, of course, disputed an unclear.” [21]

Fata habent sua libelli – Interdisciplinarity through “Shelf Studies”

Photo: Volker Lannert/ Bonn University

The multiplicity of sources in Heidelberg’s historical collection and Reibstein’s reception of Mably’s casuistry set his account of the history of international law apart from approaches seeking to contrive a “Westphalian system”. Reibstein referenced a tradition that took into account not only scholarly literature, but also early modern diplomatic practice and which, particularly in German-language research, has remained largely unnoticed – but not in Heidelberg.

In this light, the MPIL’s historic collection represents an approach to international law that is both historical and jurisprudential, based on sources and the methodological analysis of diplomatic practice. This view of the history of international law is complemented by another conceptional alternative to the narrative of the “Westphalian system”, contemporary to Reibstein’s accounts: In the mid-1950s, under the aegis of the Bonn historian Max Braubach and in close coordination with the Federal Ministry of the Interior, the idea emerged to foster a better understanding of the major peace-making processes and congresses of the early modern period via critical editions of sources. This gave birth to a commission of historians under the broad name of the Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte (“Association for the Study of Modern History”), in whose tradition today’s Zentrum für Historische Friedensforschung (“Centre for Historical Peace Studies”) in Bonn conducts basic research on the Peace of Westphalia. Today, historians of international law can draw on 48 volumes of critical editions of sources – which fortunately can be found in the MPIL library and, for the most part, are even available online.

The MPIL’s historical collection present the congresses and diplomatic practice of the pre-modern era as windows opportunity for the development of an international legal order, fostering the emergence of a regulated coexistence of modernizing national states. Just as historians can draw conclusions from the history of international law, this finding also makes it clear – in the sense of Reibstein – that diplomatic practice, the establishment and functioning of congresses, as analysed by historical peace research, are equally relevant to the history of international law.

This fatum of the books in the MPIL’ historic collection is to be taken seriously, even in the fourth century of the Peace of Westphalia, and points to the need to question predominant narratives from a perspective of critical source analysis. Only based on this foundation, justice can be done to the relevance of historical treaties in today’s day and age, and only in this way can their invocation in the field of politics, such as in the course of the debate on a Westphalia for the Middle East, the meeting of the G7 foreign ministers in 2022, or the “Westphalian Peace Conference” in the Münster Peace Hall in 2023, be truly sustained and convincing.

Translation from the German original: Sarah Gebel

Selected bibliography

Randall Lesaffer, War, Peace, Interstate Friendship and the Emergence of the ius publicum Europaeum, in: Ronald G. Asch/Wulf Eckart Voß/Martin Wrede (eds): Der Frieden. Rekonstruktion einer europäischen Vision, Vol. 2: Frieden und Krieg in der Frühen Neuzeit. Die europäische Staatenordnung und die außereuropäische Welt, Munich: Wilhelm Fink Verlag 2001, 87–113.

Andreas Osiander, „This Solemn, And Ever Memorable and Sacred Treaty“: Perceptions of the Peace of Westphalia in the later Ancien Régime, unpublished manuscript, 2009.

Heinhard Steiger, Der Westfälische Frieden – Grundgesetz für Europa, in: Heinz Duchhardt, (ed.): Der Westfälische Friede: Diplomatie – Politische Zäsur – Kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte, Historische Zeitschrift, Beiheft 26, Munich: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 33–80.

[1] Claudia Kramer-Santel/Andreas Fier, A symbolic location for our meeting in difficult times. Foreign Minister Annalena Baerbock in an interview with the newspaper Westfälische Nachrichten, Auswärtiges Amt [Federal Foreign Office] Newsroom, 2 November 2022.

[2] Image: public domain.

[3] Heinz Schilling, Konfessionalisierung und Staatinteresse. Internationale Beziehungen 1559- 1660, Handbuch der Geschichte der internationalen Beziehungen Vol. 2, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2007.

[4] Photo: MPIL.

[5] See: Paolo Amorosa, Rewriting the History of the law of Nations. How James Brown Scott made Francisco de Vitoria the Founder of International Law, Oxford: Oxford University Press 2019.

[6] Cf. e.g.: Tom Ginsburg, Eastphalia as the Perfection of Westphalia, Indiana Journal of Global Legal Studies 17 (2010), 27-45; Reinhard Meyers, From Westphalia to Westfailure? Internationale Akteure und die Fallstricke Humanitäter Intervention, in: Joachim Gardemann/ Franz-Josef Jakobi/ Bernadette Spinnen (eds.): Humanitäre Hilfe und staatliche Souveränität, Münster: Aschendorff 2012, 83-102; see: Jonas Bechtold, A Web of Peaces: Twitter Narratives on the Peace of Westphalia, in: Florian Helfer et al, Overcoming Conflict. History Teaching – Peacebuilding – Reconciliation, Wiesbaden: Springer 2023, 235-258; Michael Rohrschneider, Zum 375. Jubiläum des Westfälischen Friedens. Lernen aus der Geschichte?, Forschung und Lehre 30 (2023), 862-863.

[7] Benjamin Durst, Archive des Völkerrechts. Gedruckte Sammlungen europäischer Mächteverträge in der Frühen Neuzeit, Colloquia Augustana Vol. 34, Munich: De Gruyter 2016.

[8] Christoph Kampmann, Der Westfälische Friede als Fundament von Völkerrecht und Staatenpolitik. Präfigurationen des „Westfälischen Systems“ im 18. Jahrhundert, in: Friedrich Kießling/Caroline Rothauge (eds.), Außenbeziehungen und Erinnerung. Funktionen, Dynamiken, Reflexionen, Munich: De Gruyter 2021, 21–36, 35; translated by the editor.

[9] Leo Gross, The peace of Westphalia 1648-1948, American Journal of International Law 42 (1948), 20-41.

[10] Peter M.R. Stirk, The Westphalian model and sovereign equality, in: Review of International Studies 38 (2012), 641-660; Benjamin de Carvalho/Jorg Kustermans, The modern Westphalian Peace Impasse in International Relations and what to do about it, in: Dorothée Goetze/Lena Oetzel (eds.), Warum Friedenschließen so schwer ist. Frühneuzeitliche Friedensfindung am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses, Schriftenreihe zur Neueren Geschichte Vol. 39, Neue Folge [New Series] 2, Münster: Aschendorff 2019, 93-106.

[11] Photo: MPIL.

[12] Hermann Mosler, Nachruf auf Ernst Reibstein, HJIL 26 (1966), 493-494.

[13] At least for Reibstein’s overview essay on international law from before 1806, it can be stated that most of the works cited are available in the old holdings of the MPIL. Reibstein’s academic estate can still be found at the MPIL today.

[14] The individual provenances and purchases of the seperata are not systematically recorded. An involvement of Reibstein in the compilation cannot be ruled out, however. We would like to thank Joachim Schwietzke and Philipp Glahé for kindly providing information on this.

[15] Ernst Reibstein, Völkerrecht. Eine Geschichte seiner Ideen in Lehre und Praxis, Vol. I: Von der Antike bis zur Aufklärung, Freiburg/Munich: Karl Alber 1957, 534-553; Ernst Reibstein, Die Völkerrechtskasuistik des Abbé de Mably, HJIL 18 (1957/58), 229-260.

[16] Hans Erich Bödeker/Peter Friedemann (eds.): Gabriel Bonnot de Mably: Politische Texte 1751-1783, Baden-Baden: Nomos 2000; Kampmann (fn. 7).

[17] Ernst Reibstein, Das „Europäische Öffentliche Recht“ 1648–1815. Ein institutionengeschichtlicher Überblick, Archiv des Völkerrechts 8 (1960), 385–420, 386, translated by the editor.

[18] Reibenstein, Das Europäische Öffentliche Recht (Fn. 15), 386, translated by the editor.

[19] Reibenstein, Das Europäische Öffentliche Recht (fn. 15), 386, translated by the editor.

[20] Cf. Reibenstein, Völkerrechtskasuistik (fn. 13), 259.

[21] Reibenstein, Das Europäische Öffentliche Recht (fn. 15), 390, translated by the editor.

Im Spiegel des Mauerfalls. Die Identität des Instituts im „Der 9. November 1989 in Deuna, am Morgen danach“

Die Niederlagen im Ersten und im Zweiten Weltkrieg bilden critical junctures, von denen aus sich der deutsche Weg im 20. Jahrhundert und damit die Existenz, die Positionen und die Forschung des Instituts verstehen. Wenig zeigt die Prägekraft dieser Niederlagen anschaulicher als die 40-jährige Teilung Deutschlands, die eine Unmenge an Fragen im Forschungsfeld des Instituts generierte: der Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik für Deutschland, der Status von Berlin West als Teil der Bundesrepublik, die Rechtsnatur der DDR, die Ost‑ und Entspannungspolitik, die westdeutsche Eingliederung in die europäische Integration, in die NATO, in den von den USA geführten Westen, sowie dann nach dem Mauerfall die vielen Fragen der deutschen und europäischen Einigung und einer neuen Weltordnung.

Aus diesem Grund eröffnet ein Bild, das den Moment fasst, an dem diese Teilung zu enden beginnt, einen guten Weg, um sich mit der Identität des Instituts auseinander zu setzen. Das gilt insbesondere, wenn das Bild so detailreich und symbolträchtig ist wie H.D. Tylles „Der 9. November 1989 in Deuna, am Morgen danach“.

Mit seinen 630 x 230 cm dominiert das Bild den Eingangsbereich des Instituts. Die Monika Marlene und Max Dietrich Kley Stiftung hat es dem Institut als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Es dominiert zurecht, denn es vermittelt eine Idee der Forschung, die das Institut in den letzten 70 Jahren beschäftigt hat, und enthält sogar eine Idee für künftige Forschung zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerecht.

Das Bild hing unter anderem bereits im Deutschen Historischen Museum und in der Mannheimer Kunsthalle. Klaus Schönmetzler und Eckard Wagner haben das Bild beschrieben. Meine Interpretation schöpft daraus, fügt aber zwei Interpretationen hinzu: das Wahrheitsverständnis, das ich in Tylles Realismus sehe, und, wichtiger noch, was der Clou ist, wie die eigentliche Botschaft des Bildes lautet.

Auf dem Bild wird ein historischer Moment festgehalten, der 9. November 1989. Heute wird dieser Tag als so bedeutend verstanden wie der Friedensschluss von Münster und Osnabrück 1648 oder der Sturm auf die Bastille 1789: ein Ereignis, an dem man einen Epochenübergang festmacht: vom Kalten Krieg zur unipolaren liberalen Weltordnung. Insofern handelt es sich um ein Historienbild ähnlich „Die Freiheit führt das Volk“ von Eugène Delacroix, das an die französische Julirevolution von 1830 erinnert. Tylle zitiert es heiter und ironisch.

Es handelt sich bei Tylle sich um ein sogenanntes Historienbild im Stil des Realismus. Nun hat das, was wir auf dem Bild sehen, so nie stattgefunden. Die Szene ist eine Erfindung des Malers, so wie bei Delacroix. Allerdings gibt es einen erheblichen Unterschied: Bei Delacroix ist klar, dass es so nicht stattgefunden hat. Anders hier: Es sieht so aus, als hätte es genauso stattgefunden. Hat es aber nicht: Es handelt sich um eine Fiktion.

Es handelt sich nun um eine ganz bestimmte Form von Fiktion, nämlich eine Fiktion im Dienste der Wahrheit. Es ist eine Erfindung, wie sie Siegfried Lenz im Nachwort zu seinem Erzählband „So zärtlich war Suleyken“ beschreibt:

 „Suleyken, wie es hier vorkommt, hat es natürlich nie und nirgendwo gegeben; es ist eine Erfindung. Aber ist es von Wichtigkeit, ob dieses Dörfchen bestand oder nicht? Ist es nicht viel entscheidender, dass es möglich gewesen wäre? Gewiss, das ist zugegeben, wird in dieser Geschichte ein wenig übertrieben – aber immerhin, es wird methodisch übertrieben. Und zwar in der Weise, dass das besonders Einzigartige hervorgehoben und das besonders Charakteristische zum Vorschein kommt. Insofern steht das bewährte Mittel der Übertreibung ganz im Dienst der Wahrheitsfindung“,[1]

das allerdings nur der Kunst, nicht aber in der Wissenschaft erlaubt ist. Umso wichtiger erscheint es, im Prozess wissenschaftlichen Erkenntnisstrebens die künstlerischen Methoden mit ihrem spezifischen Potential zu berücksichtigen.

Wir sehen hier ein Historienbild im Stil des Realismus, das eine Realität zeigt, die kein Foto abgebildet hat und wahrscheinlich nie so hätte abbilden können. Denn so viele Symbole können zufällig kaum zusammentreffen. Darin finden wir einen Maßstab der Beurteilung: Das Bild muss sich daran messen lassen, dass es irgendwie realer ist, als es ein Foto je hätte sein können.

Der Maler nimmt es mit der Wahrheit ganz genau: Die Autos, die Kleidung, die Landschaft, die Fabrik, der Playboy, der TUI-Katalog. So wurde die Autoschlange 1999 mit einem Trabi-Club in historischer Kleidung nachgestellt. Jedes Detail ist genau recherchiert, aber das Ganze, auf das es letztlich ankommt, ist Fiktion.

Was sehen wir? Tylle nutzt die mittelalterliche Form eines Triptychons, also eines dreigeteilten Gemäldes. Seine Dreigliederung erlaubt, unterschiedliche Aussagen zusammenzubringen. Die Mitte gilt dem 10. November 1989 auf einer Straße bei Deuna (Thüringen), rechts und links eine Situation aus der Nähe jenes Ortes zehn Jahre später.

In der Horizontalen sehen wir das Zementwerk und den Ort Deuna. Das Zementwerk bringt es auf einen Kilometer kompromisslose Industrieskyline. Da es so nah an der Mauer steht, darf man annehmen, dass es Zement für die Mauer produzierte. Insofern symbolisiert dieses Zementwerk die Teilung Deutschlands fast so gut wie ein Wachturm an der Grenze. Neben dem Werk schließt sich das Dorf Deuna mit seiner Kirche an, geduckt, so wie das soziale Leben in der DDR es wohl oft war. Davor sehen wir ein abgeerntetes Feld als Ausdruck der öden industriellen DDR-Landwirtschaft und einen kahlen Baum.

Es ist die Stimmung eines Herbsttages, ganz real, aber auch symbolisch: Etwas ist erschöpft und geht zu Ende. Dahinter rechts die bewaldeten Höhen des Dün, und darüber ganz viel Himmel. Das viele Licht, dem dunkle Wolken Platz machen müssen, zeigt, dass es nach dem Ende hoffnungsfroh weiter geht.

In der Vertikalen gibt es nur ein beherrschendes Motiv: der Metallgittermast. Warum nur ein einziges so herausgehobenes Objekt in dieser Dimension, wo doch der Maler in den beiden anderen Dimensionen wirklich nicht sparsam ist? Weil, so scheint mir, dieser Mast die zentrale Botschaft des Bildes auf den Punkt bringt. Man erinnert: Es ist ein Triptychon! Da liegt es doch auf der Hand, worum es geht.

Zuvor jedoch zur Horizontalen. Hier sieht man die Straße, auf der das eigentliche Ereignis stattfindet. Es ist kinderleicht zu erfassen. Es ist der Aufbruch vieler DDR-Bürgerinnen und -Bürger in den Westen, nachdem sie in der Nacht die Nachricht vom Mauerfall erreicht hat.

Auf dieser Straße wird es nun ganz symbolträchtig, und zwar auf eine heitere und freundlich ironische Art, die den deutschen Charakter und die deutsche Kunst im Allgemeinen nicht charakterisieren. Tylles heitere Ironie ist wahrhaftig und glaubwürdig, weil er in DDR-Zeiten mit Künstlern in der DDR zusammengearbeitet hat und einen ehrlichen Respekt vor den Leistungen der Menschen jenseits der Mauer bezeugt.

Der 9. November war ein Aufbruch. Und was sehen wir? DDR-Fahrzeuge im Stau. Der Aufbruch realisierte sich in einem epischen Stau. Die Leute sind ausgestiegen, und die Szene ist voller Symbole. Nehmen wir nur die junge Frau auf dem Dach des Trabis mit der Fahne.

In ihr wird ein wichtiger Aspekt der zentralen Botschaft des Bildes besonders deutlich vermittelt. Erinnern wir das ikonische Bild von Delacroix „Die Freiheit führt das Volk“: Eine junge Frau mit Fahne dominiert das Bild. Unerschrocken, mit Jakobinermütze und wehender Fahne steigt sie über tote Schergen des Regimes hinweg, am Kopf einer bewaffneten Bürgertruppe.

Eugène Delacroix, Die Freiheit führt das Volk (1830)[2]

Gegenüber diesem berühmten Bild wird eine große Botschaft deutlich: Hier, 1989, ist alles friedlich. Alle warten geduldig, und auch die Fahne bläht sich nur müde auf. Kein Wunder bei dem Loch, den Hammer und Zirkel gelassen haben.

Tylles Bild atmet Friedlichkeit. Es war eine echte Revolution, aber eben eine friedliche. Das gilt es zu erinnern, denn: Diese Friedlichkeit war ein Wunder! Wer hätte 1988 geglaubt, dass der Sowjetkommunismus friedlich aufgeben würde? Das Bild erzählt also von einem großen Wunder. Das bleibt zu deuten, wobei der Mast uns hilft. Dazu sogleich, zuvor noch ein volleres Verständnis von der Bedeutung des Ereignisses.

Vorne rechts sehen wir ein parkendes Auto, das bereits zurückkehrt, mit Bananen, Alditüte, TUI-Katalog, Playboy. Damit identifiziert Tylle die Insignien der Freiheit für viele Menschen: gutes Essen (Bananen), schöne Reisen (TUI), Informations- sowie Meinungsfreiheit und Libido (Playboy), günstiges Einkaufen von guten Waren (Aldi). Und: Freiheit von Angst.

Der Tag ist ein Aufbruch in die Freiheit, und das heißt zunächst einmal, dass ein angsteinflößendes Regime seine Autorität verloren hat. Hierzu finden sich besonders viele ironisch-heitere Symbole: das zerrissene Bild von Erich Honecker, vor dem sich ein kleiner Junge erleichtert, das zerfetzte Plakat vom 40. Jahrestag der DDR-Gründung, das niemanden interessiert, und vor allem: die „geschändete“ Fahne, deren öffentliches Schwenken als Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole verfolgt werden könnte (§ 90a StGB). Der Autoritätsverlust der DDR ist so total und die neue Freiheit fehlender Angst vor den Schergen des Regimes ist so vollendet, dass die anderen sich noch nicht einmal drum kümmern.

Der Aufbruch ist hoffnungsfroh. Wir empfinden unter den Menschen eine gute Stimmung. Das Licht bestätigt uns in dieser Empfindung: Es gibt noch graue Wolken, aber dahinter leuchtendes Licht.Was wurde draus? Das sehen wir rechts und links, die Szenen zehn Jahre später zeigen. Tylle hält sichere Distanz zu Apologeten jeder Couleur. Wir sehen keine blühenden Landschaften, aber auch keine BRD-Besatzungstruppen, die kaltherzig sozialistische Errungenschaften zerschlagen. Die Wahrheit kommt in leiseren Tönen. Rechts sehen wir einen Neuanfang.

Die Fassade renoviert und leuchtend in freundlichem Sonnenlicht. Ein neues Fenster, eine Satellitenschüssel, die kleine USA-Fahne, das Firmenschild deuten auf eine neue Selbständigkeit. Man sieht nicht viel, aber gewinnt den Eindruck, dass dort jemand lebt, der sich ein bescheidenes, aber sinnvolles und lichterfülltes Leben hat aufbauen können.

Links sieht es anders aus: ein unrenovierter Hinterhof, eine Immobilienfirma des Typus, mit dem viele schlechte Erfahrungen gemacht haben, und der große Leninkopf. Der Autoritarismus ist abgeräumt, aber nicht weg, wie zahlreiche Studien zu den östlichen Bundesländern immer wieder bestätigen. Viele Dinge sind zu beobachten, weshalb das Werk so gut im Foyer des Instituts hängt: man findet immer wieder etwas Neues und kann darüber ein Gespräch anknüpfen, das leicht zu Forschungsfragen führt, die das Institut beschäftigen.

Das Bild ist voller Botschaften. Was bringt all diese Botschaften zusammen? Diese Frage führt uns zu dem Mast zurück. Erinnern wir uns an die Form: das Triptychon, also eine klassische Form der Darstellung religiöser Aussagen. Besser gesagt: christlicher Aussagen. Und eigentlich geht es auch nicht um „Aussagen“ im Plural, sondern um die eine zentrale Aussage des Christentums. In meiner Lesart nimmt das Bild in seiner Form und allen Details die Aussage auf und führt sie im Hauptbild zusammen in dem ikonischen christlichen Symbol.

Natürlich malt Tylle kein Kreuz. Aber er malt einen Mast, und zwar ziemlich genau da, wo bei einem mittelalterlichen Triptychon das Kreuz steht. Was kann nun das Kreuz symbolisieren?

Es ist das Versprechen der Erlösung!

Der 9. November war vieles, aber er war vor allem für viele Menschen ein Tag der Erlösung, der Erlösung von einem Regime, das seine Bürgerinnen und Bürger am Weglaufen hindern musste. Wer war aber da der Erlöser? Oder: Was hat die Menschen erlöst? Tylle zeigt es uns nicht. Es oder er oder sie sind über dem Bild.

Vieles kommt in Betracht: Ronald Reagan, der den Sowjetkommunismus totgerüstet hat, Michail Gorbatschow, der den friedlichen Kollaps des Sowjetkommunismus erlaubt hat, der westliche liberale Kapitalismus, der dem Sowjetkommunismus in jeder Hinsicht überlegen war und ihm damit alle Legitimation entzogen hat, das normative Programm des freiheitlichen Westen aus Grundgesetz,  Europäischen Verträgen,  Europäischer Menschenrechtskonvention bis zur UN-Charta, also der Forschungsgegenstand des Instituts, der Mut der Menschen der DDR, und die Umsicht, in der sie ihre Revolution gestaltet haben, oder vielleicht doch: die Gnade Gottes?

Nun mögen manche einwenden: Jetzt übertreibt er. In der Tat: In den Ohren vieler mag diese religiöse Dimension als absurd erscheinen. Aber man vergesse nicht: Jeden Sonntag lesen Tausende von Menschen in den Kirchen Fürbitten, und vor 1989 in vielen Kirchen in Ost und West mit der Anrufung, dass die Konfrontation zwischen Ost und West, die das Leben auf dem Planeten auszulöschen drohte, überwunden werde. Solche Fürbitten enden stets in dem Anruf: „Herr, unser Gott, wir bitten dich, erhöre uns“. Alles Spinner? Sogar die Linke sagt: Die friedliche Revolution war ein Geschenk des Himmels.

H. D. Tylle hat nicht verraten, was der obere Teil des Mastes jenseits der Bildgrenze trägt. Denn dann würde er seinem Bild die ultimative Botschaft nehmen, mit dem ich die Deutung des Bildes nun abschließen werde.

Was können wir als die ultimative Botschaft des Mastes nehmen, dessen Spitze wir nicht sehen können? Dank dieser Gestaltung kann jeder seinen Erlöserglauben in das Bild hineinprojektieren und oben am Mast jenseits des Bildrandes verankern. Wie jedes weltgeschichtliche Ereignis speist die deutsche Einheit viele Deutungen und Erzählungen. Aber jeder, der etwas Phantasie hat, wird verstehen, dass der Mast auch einen anderen Erlöserglauben symbolisieren kann. Und wird verstehen, dass es kein Mittel gibt herauszubekommen, wer Recht hat. Und dieser Selbstzweifel und die Einsicht in die Berechtigung abweichender Meinungen ist die stärkste Grundlage der Freiheit, wie wir sie verstehen. Und deshalb ist für mich der eigentliche Clou dieses Realismus, dass er das Wichtigste verbirgt.

Der Mauerfall liegt inzwischen mehr als eine Generation zurück. Wie kann Tylles Bild die weitere Forschung des Instituts inspirieren, allgemeiner: Wie kann man die Lehren der zwei verlorenen Kriege in eine ungewisse Zukunft verdauern? Wo soll es hingehen? Die Losung des Bildes ist zurückhaltend, aber eindeutig: nach Westen. Bei allen Gefahren in den USA und auch in Frankreich bleibt der Westen doch symbolisch sicher mit der Idee der freiheitlichen Demokratie. Und was ist dabei besonders wichtig? Das führt uns zu der Hauptaussage des Bildes zurück: der stete Zweifel an den eigenen Ergebnissen und die Einsicht, dass die bisweilen so ärgerlichen Ideen der anderen einen berechtigten, ja unerlässlichen Platz haben könnten.

[1] Siegfried Lenz, So zärtlich war Suleyken. Masurische Geschichten, Frankfurt am Main: Fischer 1976, 118.

[2] Bild: gemeinfrei.

***

Bildausschnitte des Gemäldes: ©Maurice Weiss/Ostkreuz

Der Beitrag basiert auf einer Ansprache, gehalten am 14. Februar 2020.

Das KWI und die Katholische Kirche. Eine „special relationship“?

The KWI and the Catholic Church. A "Special Relationship"?

Deutsch

1. Die vergessene „Außenstelle Trier“

Die Außenstelle des Kaiser-Wilhelm-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht für „Besatzungs-, Saar- und Konkordatsrecht“ in Trier wurde am 24. Juli 1925 gegründet.[1] Weder das genaue Datum der Eröffnung, der tatsächliche Beginn der Arbeiten in Trier, noch der Standort lassen sich exakt bestimmen; ab 1926 findet sich die Außenstelle in den damals verbreiteten Nachschlagewerken verzeichnet.[2] Hinweise auf eine genaue Anschrift oder ein Gebäude finden sich aber nicht, auch kein Verzeichnis der Mitarbeiter, die abgesehen von dem Leiter Ludwig Kaas (1881‑1952) ungenannt bleiben. Auch über die genaue Größe der Außenstelle sind also nur Mutmaßungen möglich. Deutlich umschrieben ist allerdings das Arbeitsgebiet der beinahe obskuren Einrichtung: Elsass-Lothringen, Belgien, Luxemburg, Besatzungs- und Konkordatsrecht.[3] Gegenüber der katholischen Tageszeitung Germania benannte Institutsdirektor Viktor Bruns (1884‑1943) 1932 die Auslegung des Versailler Vertrags, das Recht der „abgetretenen Gebiete und des Saargebiets“ sowie das Staatskirchenrecht des Auslands als die Schwerpunkte der Arbeit der Zweigstelle.[4] Allerdings waren auch die zeitgenössischen Angaben keineswegs durchgehend einheitlich; in einem internen Dokument, nämlich der „Etatdenkschrift“ der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) von 1931, wurden die Aufgaben der „von Prof. Kaas […] unterhalten[en]“ Zweigstelle nur mit „Konkordatsrecht“ bezeichnet.[5] Das legt nahe, dass ein Schwerpunkt der Arbeit der Zweigstelle die Vorbereitung eines Konkordats zwischen dem Deutschen Reich und dem Heiligen Stuhl war; Vorarbeiten dazu hatten bereits 1920/21 unter Beteiligung des Reichstagsabgeordneten Georg Schreiber (1882-1963) begonnen.[6] Auch Veröffentlichungen, die ausdrücklich auf die Außenstelle Trier Bezug nehmen, sind spärlich; in Bibliotheken nachweisbar ist eine Arbeit von Theodor Grentrup (1879-1967), ein an rechtlichen Fragen interessierter Priester der Steyler Missionare, über Die Missionsfreiheit nach den Bestimmungen des geltenden Völkerrechts von 1928[7] mit einem Vorwort von Ludwig Kaas. Die Arbeit behandelte ein im Rahmen des Völkerrechts eher randständiges, für die katholische Kirche aber wichtiges Thema: Deutsche Missionsgesellschaften waren von Artikel 438 des Versailler Vertrages betroffen, der ihr Eigentum und Personal in den Missionsgebieten der Kontrolle der Alliierten unterstellte.[8] Innerhalb der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft kam der Zweigstelle eine besondere Rolle zu, insbesondere durch ihre dezidiert katholische Ausrichtung und den Standort in Trier, damals in erster Linie eine Bischofsstadt von 1925 gerade 57.341 Einwohnern (51.165 Katholiken, 5.562 Evangelische, 625 Konfessionsjuden)[9] und Sitz eines preußischen Regierungspräsidiums. Wissenschaftliche Bibliotheken und Forschungseinrichtungen, mit denen ein Kaiser-Wilhelm-Institut gewöhnlich zusammenarbeitete, waren dagegen nicht vorhanden

2. „Grenzlandförderung“ und Konfessionspolitik

Trier war die äußerste Peripherie des Deutschen Reichs. Bis zur Grenze nach Luxemburg in Wasserbillig waren es gerade einmal 15 Kilometer, nach Belgien, zu dem unter Völkerbundsmandat stehenden Saargebiet und auch nach Frankreich war es nicht viel weiter. In die Reichshauptstadt Berlin waren es dagegen 563 Kilometer. Zwar war die Grenze nie völlig undurchlässig, es bestanden familiäre Beziehungen über die Grenzen hinweg, konfessionell war diesseits wie jenseits der Grenze die katholische Kirche in der Bevölkerung tief verwurzelt und das lokale Moselfränkisch wurde auch im Alltag gesprochen und verstanden, die Folgen des Versailler Vertrages waren hier aber besonders greifbar. Das sehr nahe Großherzogtum Luxemburg, bis 1866 noch Mitglied des Deutschen Bundes, gehörte nicht mehr zum deutschen Zollgebiet. Trier war von seinem westlichen Hinterland durch eine neue Zollgrenze getrennt, die auch das traditionell an Trier orientierte Hinterland der Stadt an der Saar betraf. Auch der Verlust von Elsass-Lothringen an Frankreich und Eupen-Malmedy an Belgien ließen Trier näher an eine durch den Krieg ohnehin belastete Westgrenze heranrücken. Diese Veränderungen, die das Leben in Trier während der Weimarer Republik prägten und belasteten, verschärften aber nur eine ohnehin periphere Situation, die nicht allein auf die Geografie beschränkt und bereits in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg angelegt war. Die Katholiken stellten damals zwar mehr als ein Drittel der Bevölkerung des mehrheitlich protestantischen Kaiserreichs und wurden nicht rechtlich diskriminiert, doch waren sie in vielen Bereichen unterrepräsentiert, darunter auch den akademischen Milieus.[10] Der von Bismarck mit Härte geführte Kulturkampf gegen die katholische Kirche war im Raum Trier besonders virulent. Der Bischof Matthias Eberhard (1815‑1876) war 1874 mehrere Monate inhaftiert; als er 1876 verstarb, befand sich der Kulturkampf auf seinem Höhepunkt; im Bistum Trier wurden 250 Priester vor Gericht gestellt, 230 von 731 Pfarreien waren nicht besetzt. Von 1876 bis 1881 war auch der Bischofsstuhl in Trier aus politischen Gründen, einer fehlenden Zustimmung der preußischen Behörden, unbesetzt. Der seit 1881 amtierende Bischof Michael Felix Korum (1840-1921), dessen Episkopat mit seinem Tode 1921 bereits in der Weimarer Republik endete, stammte aus dem Elsass und war ein wichtiger Förderer von Ludwig Kaas. Der Kulturkampf lag in der Weimarer Republik, die von der katholischen Zentrumspartei aktiv gestaltet wurde, zwar lange zurück, aber gerade in einer geistlich geprägten Stadt wie Trier waren diese Folgen noch zu bemerken. Staatsrechtlich hatte sich die Situation für die Katholiken allerdings nicht nur in Trier seit der Weimarer Reichsverfassung gebessert. Insbesondere der protestantische Kirchenrechtler Wilhelm Kahl (1849‑1932) als Abgeordneter der Deutschen Volkspartei (DVP) und der katholische Priester Joseph Mausbach (1861‑1931) als Abgeordneter der Zentrumspartei hatten sich in der Weimarer Nationalversammlung für den staatskirchenrechtlichen Kompromiss der Weimarer Reichsverfassung eingesetzt, die einerseits den Grundsatz „Es besteht keine Staatskirche“ enthielt, aber eine „hinkende Trennung“ von Staat und Kirche einführte.[11]

3. Wissenschaftsstandort Trier

Nicht alle Katholiken standen aber vorbehaltlos hinter der sie eigentlich begünstigenden Republik, bekannt ist die antirepublikanische Distanz des Münchner Kardinals Michael von Faulhaber (1869‑1952) auf dem 62. Deutschen Katholikentag 1922 in München. Und noch immer standen Katholiken in der protestantisch geprägten Hochschullandschaft unter dem Verdikt der Rückständigkeit. Das war eine Überzeichnung, aber das Bildungsangebot in Trier, das über das Gymnasium hinausging, war tatsächlich überschaubar. Es gab 1925 als einzige größere außerschulische Bildungseinrichtung ein 1773 gegründetes bischöfliches Priesterseminar,[12] ohnehin von der Universitätstheologie argwöhnisch betrachtet, mit gerade einmal 200 Hörern, zu dessen Lehrkörper bis Anfang der 1920er Jahre Ludwig Kaas als Dozent für Kirchenrecht gehörte,[13] und ein kleines „Wissenschaftliches Institut für Pädagogik“, das ohne universitären Anspruch Lehrkräfte für katholische Volksschulen ausbildete, zudem eine „Provinzial-Lehranstalt für Weinbau, Obstbau und Landwirtschaft“ mit insgesamt sieben Lehrkräften, Zu den Aktiva gehörte allerdings die 1876 gegründete katholische „Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaften“, die 1925 ihre Hauptversammlung in Trier abhielt. Wer studieren wollte, ging in erster Linie nach Bonn, wieder eine trotz ihrer katholischen Fakultät stark protestantisch geprägte Universität.

Das Gebäude der Trierer Außenstelle, die ehemalige Kurie Eltz[14]

Bei der Außenstelle handelte es sich zunächst um eine wenig verklausulierte Grenzlandförderung, wie sie für die Weimarer Republik keineswegs untypisch war. Aber auf den zweiten Blick finden sich dann doch Hinweise auf eine Verortung der Außenstelle in Trier. 1926 wurde hinter der 1726 erbauten Kurie Eltz, Großer Eulenpfütz 1, in der sich auch die Pfarrwohnung von Kaas befand, ein rückwärtiger Anbau im Heimatstil durch Dombaumeister Julius Wirtz (1875-1952) errichtet.[15] Kaas hatte im Gegenzug der Außenstelle seine umfangreiche Bibliothek zur Verfügung gestellt, die er 1933 dem Institut schenkte;[16] viele Bücher aus diesem Bestand befinden sich noch heute in der Bibliothek des MPIL in Heidelberg. Die Außenstelle besaß einen Etat von 25.000 Reichsmark jährlich, davon 10.000 Reichsmark für Kaas.[17] Sie war, sozusagen in einer personalen Überspitzung des Harnack-Prinzips, um die Person von Ludwig Kaas gegründet worden, um diesem „eine besondere Wirkungsstätte“ zu verschaffen.[18] Es war also auch die Förderung eines einzelnen Wissenschaftlers; die Zweigstelle war im Wesentlichen das Institut von Kaas, Hinweise auf weitere Mitarbeiter finden sich nicht. Der Initiator als Mann im Hintergrund[19] war mit Georg Schreiber ein weiterer katholischer Priester im Grenzbereich zwischen Kirche und Politik.[20] Kaas und Schreiber waren aktive Mitglieder der Görres-Gesellschaft, die etwa auch während der Hauptversammlung 1925 in Trier in Erscheinung traten.

4. Der Mann im Hintergrund: Georg Schreiber

Georg Schreiber (links) anlässlich der Verleihung des großen Bundesverdienstkreuzes an Carl Bilfinger (vierter von links) am 24. Juli 1953 in Heidelberg[21]

Geboren 1882 in Rüdenshausen im hannoverschen unteren Eichsfeld, wurde Schreiber 1905 zum Priester geweiht und 1909 in Berlin zum Dr. phil. Promoviert,[22] erst einige Jahre später 1913 in besonderer Nähe zum evangelischen Kirchenrechtler Ulrich Stutz (1868-1938) zum Dr. theol. in Freiburg (Br.)[23] und im gleichen Jahr Privatdozent für Kirchengeschichte in Münster. 1915 wurde Schreiber außerordentlicher Professor für Kirchenrecht sowie bayerisches Staats- und Verwaltungsrecht am Königlich-Bayerischen Lyceum in Regensburg, dann 1917 Ordinarius für Kirchengeschichte und historische Caritaswissenschaft an der Universität Münster. Von 1920 bis 1933 war Schreiber für den Wahlkreis „Westfalen-Nord“ Abgeordneter der Zentrumspartei im Reichstag. Er war ein einflussreicher Parlamentarier, galt als „Reichsprälat“ mit einem besonderen Interesse an der „Auslandskunde“; von 1926 bis 1933 war er Senator der KWG und konnte hier auch im Sinne einer „katholischen“ Zweigstelle in Trier erfolgreich tätig werden.[24] Ab 1933 häuften sich Konflikte mit der NSDAP, die 1936 zu seiner Emeritierung führten. Nach 1945 wurde Schreiber der von den Briten eingesetzte erste Nachkriegsrektor der Universität Münster[25] und konnte seine bildungspolitische Tätigkeit in der Bundesrepublik fortsetzen; in seinen letzten Lebensjahren förderte er etwa noch den Historiker Rudolf Morsey (1927-2024).[26] 1963 verstarb Schreiber in Münster. In der Außenstelle hielt sich Schreiber jedoch im Hintergrund, hier gab der Ludwig Kaas den Ton an, ein dem fast gleichalten Schreiber gleichrangiger „politischer Priester“.

5. Harnack-Prinzip konfessionell: Ludwig Kaas

Zum Nachklang des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund. Die deutsche Delegation im Park des Hotels “Metropol“ in Genf 1926. Vordere Reihe die Führer der Delegation von rechts nach links: Staatssekretär Karl von Schubert, Gustav Stresemann, Staatssekretär Robert Weissmann, Prälat Ludwig Kaas.[27]

Vor dem Hintergrund der Biographie von Kaas[28] überrascht auch die Standortentscheidung für Trier nicht; hier wurde Kaas 1881 als Sohn eines Kaufmanns geboren, hier besuchte er das Gymnasium und begann auch sein Theologiestudium an der Philosophisch-Theologischen Fakultät, das er aber in Rom und Bonn fortsetzen sollte. In Bonn hörte er den evangelischen Kirchenrechtler Ulrich Stutz[29], als dessen Schüler sich Kaas auch verstand. Nachdem Kaas von 1910 bis 1918 das Waisenhaus „Kemperhof“ und eine angeschlossene Höhere Schule in Koblenz leitete, wurde er 1919 Professor für Kirchenrecht an der katholisch-theologischen Fakultät in Bonn. Im gleichen Jahr wurde er für den Wahlkreis Koblenz-Trier in die verfassungsgebende Nationalversammlung gewählt, dem Reichstag gehörte er, wie sein Fraktionskollege Schreiber, von 1920 bis 1933 ohne Unterbrechung an. Er war von 1928 bis 1933 Vorsitzender der Partei, auf Wahlplakaten war er neben Heinrich Brüning (1885-1970) als „Führer der deutschen Zentrumspartei“ abgebildet.

Wahlplakat Heinrich Brüning und Ludwig Kaas 1930[30]

Ab 1917 arbeitete der Kirchenrechtler mit dem Diplomaten Eugenio Pacelli (1876‑1958), damals Nuntius in München, später Papst Pius XII., zusammen, während der „Rheinischen Republik“ ließ er, darin Adenauer nicht unähnlich, separatistische Sympathien für einen „Rheinstaat“ erkennen, allerdings im Verband des Reichs.[31] Am 8. Mai 1929 hielt Kaas auf der 17. Generalversammlung der KWG in Berlin den Vortrag Zur völkerrechtlichen Sonderstellung der Rheinlande nach der Räumung.[32] Darin bezog er sich unter anderem zustimmend auf den damals noch im Milieu der Zentrumspartei verorteten Carl Schmitt (1888-1985), insbesondere dessen 1928 gehaltenen Vortrag Völkerrechtliche Probleme im Rheingebiet.[33] Zwar bestanden gemeinsame Publikationspläne mit Schmitt,[34] aber auch wechselseitiges Misstrauen; 1925 hatte Schmitt einen Vortrag auf der Hauptversammlung der Görres-Gesellschaft in Trier zurückgezogen, weil er von Kaas und Schreiber nicht für ein geplantes „Spanisches Institut“ berücksichtigt worden war.[35] Am 14. Juni 1929 unterzeichnete der Freistaat Preußen ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl;[36] die Vorarbeiten von Kaas hierzu können kaum unterschätzt werden, und auch die Zweigstelle in Trier war hier ein wichtiger Ort. Kaas galt häufig als katholischer politischer Kompromisskandidat, auch bei seiner Wahl zum Parteivorsitzenden;[37] umstritten ist, inwieweit Kaas ab 1930 auf eine Koalition mit der NSDAP hinarbeitete. Carl Schmitt wurde von Kaas aber wegen seiner Unterstützung der Notstandspläne der Reichskanzler Papen und Schleicher im Januar 1933 öffentlich scharf angegriffen.[38] Im April 1933 ging er als Priester nach Rom und lebte im Vatikan; am 20. Juli 1933 war er bei der Unterzeichnung des Reichskonkordats anwesend, das er auf Seiten des Vatikans mit ausgehandelt hatte.[39] In das nationalsozialistische Deutschland kehrte Kaas nicht zurück, auch nach 1945 blieb er im Schutz des Vatikans. Er starb 1952 in Rom. Zu diesem Zeitpunkt ragte er bereits aus einer anderen Zeit heraus, der „politische Priester“ war in der Bundesrepublik, die den Katholiken eine noch komfortablere Rolle einräumen sollte, unbekannt;[40] dafür hatte Kaas allerdings selbst mit dem Reichskonkordat gesorgt.

6. Protestantische Einflüsse

Tatsächlich war Kaas in mancher Hinsicht weniger katholisch, als es zunächst den Anschein hat. So war er Schüler des protestantischen Völkerrechtlers Ulrich Stutz, eines reformierten Christen, der auch die Habilitation in Bonn mit betreut hatte.[41] Der fromme Positivist, der insbesondere in Bonn und Berlin wirkte, war ein borussophiler Schweizer, auf den in der kirchlichen Rechtsgeschichte insbesondere die „Eigenkirche“ zurückführt.[42] Über seine Netzwerke, zu denen auch seine taktisch eingesetzten Schwiegersöhne gehörten, war Stutz zeitweilig einer der einflussreichsten Professoren des Kaiserreichs. Er war Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften und auch mit dem Kirchenrechtler Rudolph Sohm (1841-1917) befreundet,[43] besaß als Experte des kanonischen Rechts aber besonders gute Beziehungen zur katholischen Kirche. In Bonn arbeitete er eng mit dem Kirchen- und Völkerrechtler Philipp Zorn (1850-1928) zusammen, der viele Schüler besaß und für einen etatistischen Ansatz im Kirchenrecht stand.[44] Auf die katholische Kirche war dies nicht ohne weiteres übertragbar, aber Zorn, der auch katholische Schüler wie Heinrich Pohl (1883-1931) besaß, [45]  war ein kulturkämpferischer Ansatz fremd; auf der anderen Seite sollte Kaas eine besondere Koordination der katholischen Kirche mit dem Staat suchen, wie sie etwa im Preußenkonkordat und unter nationalsozialistischen Vorzeichen im Reichskonkordat von 1933 Ausdruck finden sollte. Ein Kritiker wie Eugen Rosenstock‑Huessy (1888-1973) bezeichnete Stutz später als „der blinde und taube Papst der Rechtsgeschichte“.[46]

7. Die Aufgaben: Begleitung der Konkordate und Beratung der Politik

Ludwig Kaas 1930 im Reichstag[47]

Viel deutete darauf hin, dass die Außenstelle in erster Linie gegründet wurde, um ein Reichskonkordat und weitere staatliche Verträge mit der katholischen Kirche zu begleiten und aktiv zu fördern, weit über eine katholische Form der Politikberatung hinaus. Insofern war Trier eine „katholische“ Außenstelle in der noch immer protestantisch geprägten KWG. Dafür sorgten auch Männer im Hintergrund wie Friedrich Glum (1891‑1974)[48] als Generalsekretär der KWG, und der umtriebige preußische Kultusminister Carl Heinrich Becker (1876-1933),[49] ein Bonner Professorenkollege von Stutz und Zorn, der mit einem anderen Bonner Professorenkollegen, Rudolf Smend (1882-1975), im preußischen Kultusministerium[50] eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Staat und Religionsgemeinschaften auf vertraglicher Basis vorbereitete, wie sie in den Konkordaten Ausdruck finden sollte. Kaas kam hier als kirchenrechtlich hochqualifizierter katholischer Stimme in einem weitgehend protestantischen, aber nicht antikatholischen Umfeld eine besondere Bedeutung zu. Dieses Vorgehen war nicht ohne wissenschaftliche Gegner; insbesondere der traditionellen Positivisten, die sehr stark eine Rolle der Kirche als Religionsanstalt unter Staatsaufsicht betonten. So hatte Gerhard Anschütz (1867‑1948) im Zusammenhang der bayerischen Kirchenverträgen von 1925, die vom Freistaat mit der katholischen und der evangelischen Kirche geschlossen wurden, die Begriffe „Anklagebank“ und „schiefe Ebene“ gebraucht[51] und davor gewarnt, dass der Staat mit der Kirche gleichrangige Verträge schließt. Das nicht immer offen benannte Vorbild für die auf Konkordate hinarbeitende Politikberatung von Ludwig Kaas war allerdings das faschistische Italien mit dem Lateranvertrag von 1929. 1932 hatte Ludwig Kaas als wissenschaftliches Mitglied des Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, in der Institutszeitschrift eine Eloge Der Konkordatstyp des faschistischen Italien geschrieben.[52] Aus damaliger katholischer Sicht war Italien ein bis 1922 gegen die große Mehrheit seiner katholischen Bevölkerung antiklerikal regiertes Land, in dem Benito Mussolini, der in den 1920er Jahren keineswegs nur auf politisch rechts Stehende eine Faszination ausübte, spätestens mit den Lateranverträgen ein historischer Ausgleich gelungen war. Auch ein führender deutscher Protestant wie der eng mit Smend zusammenarbeitende preußische Generalsuperintendent Otto Dibelius (1880‑1967) fand es bereits vor den Lateranverträgen beachtlich, dass der Duce über Rom das Kreuz errichtet habe[53] und stellte 1932 in einem Zeitungsartikel fest: „Immerhin: grundsätzlich bejaht der Faschismus Christentum und Kirche!“[54]

8. Ein Erfolg?

„Christi treuer und kluger Diener“. Grabstätte Ludwig Kaas auf dem Campo Santo Teutonico[55]

Das Reichskonkordat von 1933 war in vieler Hinsicht eine Antwort auf die italienischen Lateranverträge und vielleicht der größte Erfolg der Außenstelle in Trier, die auf dieses Konkordat hin gegründet wurde. Ohne Kaas als ihren Leiter, um den herum sie nach der ungeschriebenen Tradition der KWG gegründet wurde, wäre dieses Konkordat wohl nicht zustande gekommen. Als es unterzeichnet wurde, hatte Kaas den Zenit seines Wirkens, nicht nur am Kaiser-Wilhelm-Institut, überschritten und musste sich für den Rest seines Lebens fern von Trier, nicht ganz freiwillig, in Rom aufhalten.

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[1] Rudolf Bernhardt/Karin Oellers-Frahm, Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Geschichte und Entwicklung von 1949 bis 2013, Berlin: Springer 2018, 6.

[2] Gerhard Lüdtke (Hrsg.), Minerva. Jahrbuch der gelehrten Welt, Jahrgang 30, Bd. 1, Berlin: De Gruyter 1930, 285; dort unter „Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft e.V.“ in Berlin auch aufgeführt: „Wiss. Mitglied u. Leiter der Zweigstelle Trier: Domkapitular, päpstl. Hausprälat [d.i. Monsignore] Dr. Ludwig Kaas, M.d.R. [Trier]“; in dem Eintrag zu Trier ist die Zweigstelle bezeichnenderweise nicht aufgeführt. Ähnliche Angaben („Wissenschaftliches Mitglied und Leiter der Zweigstelle Trier“) in: Preußisches Staatsministerium (Hrsg.), Handbuch über den Preußischen Staat für das Jahr 1930, 136. Jahrgang, Berlin: Decker 1930, 243; auch hier fehlen Angaben zum Sitz in Trier.

[3] Georg May, Ludwig Kaas. Der Priester, der Politiker und der Gelehrte aus der Schule von Ulrich Stutz, Bd. 2, Amsterdam: B.R. Grüner 1982, 302.

[4] Nelly Keil, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Gefahr, in: Germania ‑ Zeitung für das Deutsche Volk, 25. Dezember 1932, hier zitiert nach May (Fn. 3).

[5] Georg Schreiber, Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Reichsetat und Reichsgeschehen, Jahrbuch Max-Planck-Gesellschaft 1951, 60-107,77; dort ist von einer „fehlerhafte[n] Notiz“ die Rede (76). Schreiber erwähnte als weitere Aufgaben „völkerrechtliche Stellung und Gesetzgebung von Elsaß-Lothringen, von Luxemburg und Belgien“ und „Besatzungsrecht“ (ebd.).

[6] Georg Schreiber, Der erste Entwurf des Reichskonkordats 1920/21, in: Hermann Conrad (Hrsg.), Gegenwartsprobleme des Rechts. Beiträge zum Staats-, Völker- u. Kirchenrecht sowie zur Rechtsphilosophie. Godehard Josef Ebers zur Vollendung seines 70. Lebensjahres gewidmet von seinen Freunden und Schülern, Bd. 2, Paderborn: Schoeningh 1950, 159-196.

[7] Theodor Grentrup, Die Missionsfreiheit nach den Bestimmungen des geltenden Völkerrechts. Mit einem Vorwort von Ludwig Kaas, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd. 5, Berlin: De Gruyter 1928.

[8] Artikel 438 Versailler Vertrag regelte, dass „religiöse christliche Missionen“ (Christian religious missions bzw. missions religieuses chrétiennes) deutscher Gesellschaften „weiter für Missionszwecke verwendet werden soll.“ Die „alliierten und assoziierten Regierungen“ übten „eine vollständige Aufsicht“ über die Leiter dieser Missionen aus und wahren die Interessen dieser Missionen, Deutschland musste seine „Zustimmung zu jeder Anordnung, welche die beteiligten alliierten und assoziierten Regierungen zwecks Erfüllung des Werkes der genannten Missionen oder Handelsgesellschaften erlassen haben oder erlassen“ erklären und „auf jeden Einwand dagegen“ verzichten.

[9] Angaben nach Brockhaus, 15. Auflage, Leipzig 1934, Bd. 19, 73; Zahlen nach der Volkszählung vom 16. Juni 1925.

[10] Martin Otto, Konfessionen: Allgemein, Kirchliche Organisation und Konfessionen zwischen Kirche und Milieu, in: Rüdiger Voigt (Hrsg.), Weltmacht auf Abruf. Nation, Staat und Verfassung des Deutschen Kaiserreichs, Baden-Baden: Nomos 2023, 393-416.

[11] Hans Michael Heinig, „Es besteht keine Staatskirche.“ Das Verhältnis von Staat und Religion, in:  Horst Dreier/Christian Waldhoff (Hrsg.), Weimars Verfassung. Eine Bilanz nach 100 Jahren, Göttingen: Wallstein 2020, 265-274; Ludwig Richter, Kirche und Schule in den Beratungen der Weimarer Nationalversammlung, Düsseldorf: Droste 1996.

[12] Angaben hier und im Folgenden nach: Lüdtke (Fn. 2), Bd. 2, 2801-2801.

[13] Noch aufgeführt in: Richard Kukula/Karl Ignaz Trübner (Hrsg.), Minerva. Jahrbuch der gelehrten Welt, Jahrgang 26, Berlin: De Gruyter 1923, 1191; Nachfolger wurde „Dr. Wehr“, d.i. Matthias Wehr (1892-1967), von 1951 bis 1966 Bischof von Trier.

[14] Foto: Helge Rieder.

[15] Vgl. Rheinland-Pfalz – Generaldirektion Kulturelles Erbe (Hrsg.), Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler: Kreisfreie Stadt Trier, Mainz 2024, 18.

[16] Karin Schnauff, Erinnerung an Ludwig Kaas. Zum 20. Todestag am 25. April 1972, Pfullingen: Neske 1972, 28; Arthur Wynen, Ludwig Kaas. Aus seinem Leben und Wirken, Trier: Paulinus 1953, 21.

[17] May (Fn. 3), 302; Friedrich Glum, Zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Erlebtes und Erdachtes in 4 Reichen, Bonn: Bouvier 1964, 328.

[18] Glum (Fn. 17), 328.

[19] Schreiber (Fn. 5), 77; Glum (Fn. 17), 328.

[20] Rudolf Morsey, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 23, Berlin: Duncker& Humblot 2007, 529-530.; vgl. auch Paul Mikat (Hrsg.), Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, 6. Aufl., Bd. 11 (3. Ergänzungsband), Freiburg: Herder 1970, 150.

[21] Mit:  Professor Bauer (?), Hermann Weinkauff, Gerhard Anschütz, Georg Jellinek; Foto: MPIL.

[22] Georg Schreiber, Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert. Studien zur Privilegierung, Verfassung und besonders zum Eigenkirchenwesen der vorfranziskanischen Orden vornehmlich auf Grund der Papsturkunden von Paschalis II. bis auf Lucius III. (1099-1181), Stuttgart: Ferdinand Enke 1910.

[23] Georg Schreiber, Untersuchungen zum Sprachgebrauch des mittelalterlichen Oblationenwesens. Ein Beitrag zur Geschichte des kirchlichen Abgabenwesens und des Eigenkirchenrechts, Dissertation, Freiburg im Breisgau: Wörrishofen 1913.

[24] May (Fn. 3), 302.

[25] Bernd Haunfelder, Die Rektoren, Kuratoren und Kanzler der Universität Münster 1826–2016. Ein biographisches Handbuch, Münster: Aschendorff 2020, 224–228.

[26] Hans Christof Kraus, Was in den Akten steht, kam durch ihn in die Welt. Unbeirrbarer Korrektor der Geschichte der Bundesrepublik: Zum Tod von Rudolf Morsey, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. Mai 2024.

[27] Foto: BArch, Bild 102-03169/ Pahl, Georg.

[28] Herrman A. L. Degener (Hrsg.), Degeners Wer ist’s, X. Aufl., Verlag Herrmann Degener Berlin 1935, 771; Karl Otmar von Aretin, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 10, Berlin: Duncker& Humblot 1974, 713-714; in diesem Zusammenhang besonders wichtig: Georg Schreiber, in: Paul Mikat (Hrsg.), Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, , 7. Aufl., Bd. 4, Freiburg: Herder 1988, 747-750.

[29] Andreas Thier, Ulrich Stutz, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 25, Berlin: Duncker& Humblot 2013, 659; näher auch Martin Otto, Von der Eigenkirche zum Volkseigenen Betrieb. Erwin Jacobi (1884-1965). Arbeits-, Staats- und Kirchenrecht zwischen Kaiserreich und DDR, Tübingen: Mohr Siebeck 2018, 20-22.

[30] Urheberangabe „Görres-Druckerei Koblenzer Volksstimme“; Bild: Konrad-Adenauer-Stiftung/Archiv für christlich-demokratische Politik, Plakatsammlung Weimarer Republik/NS-Zeit 10-043, CC-BY-SA 3.0 DE.

[31] Philipp Bender, Eine Rheinische Republik? Die ersten Rheinstaatsbestrebungen 1918/19 in Zeiten des völker- und verfassungsrechtlichen Umbruchs, Berlin: De Gruyter 2019.

[32] Ludwig Kaas, Zur völkerrechtlichen Sonderstellung der Rheinlande nach der Räumung, in: Europäische Geschichte. Hamburger Monatshefte für auswärtige Politik 7 (1929), 222-231. Gleichzeitig veröffentliche Kaas besatzungskritische Briefe an den Minister für die besetzten Gebiete und zeitweiligen Reichskanzler Joseph Wirth (Zentrum): Vgl. Jon Jacobson, Locarno Diplomacy. Germany and the West. 1925-1929, Princeton: Princeton University Press 1972, 297.

[33] Carl Schmitt, Völkerrechtliche Probleme im Rheingebiet, hier zitiert nach: Carl Schmitt, Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles, 3. Aufl., Berlin: Duncker& Humblot 1994, 111-123. Es handelt sich um einen Vortrag, den Schmitt im Oktober 1928 auf der Tagung des Verbandes Deutscher Geschichtslehrer in Heppenheim (Bergstraße) gehalten hatte.

[34] Carl Schmitt, Tagebücher 1925 bis 1929, herausgegeben von Martin Tielke und Gerd Giesler, Berlin: Duncker& Humblot 2018, 224 (Eintrag vom 31. Oktober 1928: „will mit Kaas zusammen meinen Aufsatz veröffentlichen“).

[35] Schmitt, Tagebücher (Fn. 34), 4. Das „Spanische Institut“ wäre ein Auslandsinstitut der Görres-Gesellschaft gewesen, ein Gegenstück zu dem 1888 gegründeten Institut in Rom. Schmitt hatte den Vortrag Staat und Souveränität im Zeitalter des modernen Imperialismus zurückgezogen.

[36] Werner Weber, Die deutschen Konkordate und Kirchenverträge der Gegenwart, Bd. 1, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1962, 67-89.

[37] Ulrich von Hehl, Ein vergessener Nothelfer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. November 2023.

[38] Hier nach: Reinhard Mehring, Carl Schmitt. Aufstieg und Fall. Eine Biographie, München: C.H. Beck 2009, 304. Kaas hatte einen entsprechenden Artikel in der katholischen Tageszeitung „Germania“ am 29. Januar 1933 veröffentlicht.

[39] Thomas Brechenmacher (Hrsg.), Das Reichskonkordat 1933. Forschungsstand, Kontroversen, Dokumente, Paderborn: Schönigh 2007.

[40] Christian Schulze Pellengahr, Das Verbot der politischen Betätigung für Geistliche nach katholischem und evangelischem Kirchenrecht sowie im geltenden Staatskirchenrecht. Unter Berücksichtigung der Staaten- und Verfassungsgeschichte Deutschlands und Österreichs, Dissertation, Schriften zum Staatskirchenrecht Bd. 45, Frankfurt am Main: Peter Lang 2009.

[41] Ludwig Kaas, Die geistliche Gerichtsbarkeit der katholischen Kirche in Preußen in Vergangenheit und Gegenwart mit besonderer Berücksichtigung des Westens der Monarchie, Stuttgart: Enke 1915/16 (zwei Bände).

[42] Katrin Bayerle, Ulriche Stutz. Von der Eigenkirche zur „hinkenden Trennung zwischen Kirche und Staat“, in: Thomas Holzner/Hannes Ludyga (Hrsg.), Entwicklungstendenzen des Staatskirchen- und Religionsverfassungsrechts. Ausgewählte begrifflich-systematische, historische, gegenwartsbezogene und biographische Beiträge, Paderborn: Schöningh 2013, 505-518; Ulrich Stutz, Die Eigenkirche als Element des mittelalterlich-germanischen Kirchenrechtes, Berlin 1895.

[43] Gary Lease, Der Nachlass Rudolph Sohms, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Kanonistische Abteilung 92 (1975), 348-376.

[44] Martin Otto, Philipp Zorn, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 28, Berlin: Duncker& Humblot 2024, 746-748; Julia Schmid, Konservative Staatsrechtslehre und Friedenspolitik. Leben und Werk Philipp Zorns, Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung Bd. 85, Ebelsbach: Aktiv Druck & Verlag GmbH 2001; insgesamt hierzu auch: Martin Otto, In der „protestantischen Ebene“. Ernst Rudolf Huber als evangelischer Kirchenrechtler, in: Ewald Grothe (Hrsg.), Ernst Rudolf Huber. Staat – Verfassung – Geschichte, Baden-Baden: Nomos 2015, 121-145, 124.

[45] Martin Otto, Heinrich Pohl, in: Maria Magdalena Rückert (Hrsg.), Württembergische Biographien, Bd. II, Stuttgart: Kohlhammer 2011, 216-219.

[46] Eugen Rosenstock-Huessy, Ja und Nein. Autobiographische Fragmente, Heidelberg: Lambert Schneider 1968, 121 (Postskript eines gewesenen Rechtshistorikers); Martin Otto, „Habilitandenjahrgang 1912“ – Wege und Wirkungen einer rechtshistorischen Generation, Jahrbuch Simon-Dubnow-Institut XIV (2015), 297-323, 321-323.

[47] Foto: Erich Salomon, public domain.

[48] Bernhard vom Brocke, Friedrich Glum (1891–1974), in: Kurt A. Jeserich/Helmut Neuhaus (Hrsg.): Persönlichkeiten der Verwaltung. Biographien zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1648–1945, Stuttgart: Kohlhammer 1991, 449–454; Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3: Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur 1914-1945, München: C.H. Beck 1999, 257.

[49] Ronald Lambrecht, Carl Heinrich Becker als Kultuspolitiker in der Weimarer Republik, in: Kristina Michaelis/ Ulf Morgenstern (Hrsg.), Kaufleute, Kosmopoliten, Kunstmäzene. Die Gelnhäuser Großbürgerfamilien Becker und Schöffer, Hamburg: Verlag am goldenen Fuß 2013, 82-85.

[50] Die Tätigkeit von Smend im preußischen Kultusministerium ist belegt, im Schrifttum finden sich aber kaum Hinweise; allerdings: Helmuth Plessner, Selbstdarstellung, in: Tilman Allert/Joachim Fischer (Hrsg.), Plessner in Wiesbaden, Wiesbaden: Springer 2014, 13-40 (22); auch Otto, In der „protestantischen Ebene“ (Fn. 44), 124.

[51] Gerhard Anschütz, Die bayerischen Kirchenverträge von 1925, Berlin: Loewenthal 1925, 5.

[52] Ludwig Kaas, Der Konkordatstyp des faschistischen Italien, ZaöRV 3 (1933), 488–522.

[53] Otto Dibelius, Das Jahrhundert der Kirche. Betrachtung, Umschau und Ziele, Berlin: Furche-Verlag 1927.

[54] Otto Dibelius, in: Berliner Evangelisches Sonntagsblatt, 13. November 1932, hier zitiert nach: Dietrich Bronder, Bevor Hitler kam, 2. Aufl., Hannover: Lühe 1975, 415. Zu Dibelius nunmehr Hartmut Fritz, Otto Dibelius. Ein Kirchenmann in der Zeit zwischen Monarchie und Diktatur, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1998.

[55] Foto: Alexandra Kemmerer.

English

1. The Forgotten “Trier Branch”

The branch office of the Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law for “the Law of Occupation, the Saar Region and Concordats” in Trier was founded on 24 July 1925.[1] Neither the exact date of the opening or of the start of operations in Trier nor the location can be determined precisely. From 1926 onwards, the branch office is listed in the common directories of the time.[2] However, no indication of an exact address or building is given and no employees, apart from the director Ludwig Kaas (1881-1952), are named. We can therefore only speculate about the exact size of the branch office. The remit of the almost obscure organisation is clearly described, however: Alsace-Lorraine, Belgium, Luxembourg, the law of occupation and of concordats.[3] In an interview with the Catholic newspaper Germania in 1932, Institute Director Viktor Bruns (1884-1943) named the interpretation of the Treaty of Versailles, the law of the “ceded territories and the Saar region” and foreign state‑church law as the focal points of the branch’s work.[4] Yet, the specifications given were by no means uniform: in an internal document, namely the Kaiser Wilhelm Society’s “Budget Exposé” of 1931, the area of activity of the branch office “run by Prof. Kaas” was only described as “law of concordats”.[5] This suggests that one focus of the branch office’s work was the preparation of a concordat between the German Reich and the Holy See; preliminary work on this had already begun in 1920/21, with the participation of member of parliament Georg Schreiber (1882‑1963).[6] Furthermore, publications explicitly referring to the Trier branch are sparse; procurable in libraries is a work by Theodor Grentrup (1879-1967), a priest of the Steyel missionaries interested in legal issues, on “The Freedom of Mission According to the Rules of Existing International Law” (Die Missionsfreiheit nach den Bestimmungen des geltenden Völkerrechts) from 1928[7] with a foreword by Ludwig Kaas. The work deals with a topic rather marginal in international law scholarship but important to the Catholic Church: German missionary communities were affected by Article 438 of the Treaty of Versailles, which mandated their property and personnel in the mission areas to be put under Allied control.[8] The branch office had a unique position within the Kaiser Wilhelm Society, particularly due to its decidedly Catholic orientation and its location in Trier, which was at the time primarily an episcopal city with a population of just 57,341 in 1925 (51,165 Catholics, 5,562 Protestants, 625 denominational Jews)[9] and the seat of a Prussian regional council. Scientific libraries and organizations, with which Kaiser Wilhelm Institutes would usually cooperate, were not available there.

2. “Borderland Subsidies” and the Politics of Denomination

Trier was in the outermost periphery of the German Reich, located just 15 kilometres from the border with Luxembourg in Wasserbillig and not much further from Belgium, the Saar region, standing under a League of Nations mandate, and France. The capital of the Reich, Berlin, however, was 563 kilometres away. The border was never completely impermeable, there were family relationships across the border, the Catholic Church was deeply rooted in the population on both sides of it, and the local Moselle-Franconian language was spoken and understood in everyday life. Yet, the consequences of the Treaty of Versailles were particularly tangible here. The nearby Grand Duchy of Luxembourg, which had been part of the Deutscher Bund (German Confederation) until 1866, was no longer part of the German customs territory. Trier was separated from its western hinterland by a new customs boundary, which also affected the hinterland of the city on the Saar, which was traditionally orientated towards Trier. The loss of Alsace-Lorraine to France and Eupen-Malmedy to Belgium also brought Trier closer to a western border already strained by the war. These changes, which characterised and burdened life in Trier during the Weimar Republic, exacerbated the marginalisation, not only due to geographical factors, which had already been established in the years before the First World War. Catholics made up more than a third of the population of the predominantly Protestant German Reich at the time and were not discriminated against legally, but they were underrepresented in many fields, including in academia.[10] Bismarck’s fiercely fought Kulturkampf against the Catholic Church had been particularly virulent in the Trier region. Bishop Matthias Eberhard (1815‑1876) had been incarcerated for several months in 1874 and when he died in 1876, the Kulturkampf was at its height: in the diocese of Trier, 250 priests faced trial and 230 out of 731 parishes were unoccupied. From 1876 to 1881, even the episcopal see in Trier was vacant due to political reasons, namely the Prussian authorities refusing assent. Bishop Michael Felix Korum (1840-1921), who had been in office since 1881 and whose episcopate ended with his death in 1921, during the Weimar Republic, came from Alsace and was an important mentor to Ludwig Kaas. Despite the Weimar Republic being actively shaped by the Catholic Centre Party (Deutsche Zentrumspartei) and the temporal distance, the Kulturkampf and its consequences were still noticeable, especially in a city like Trier, intensely shaped by the clergy. In terms of constitutional law, however, the situation for Catholics had improved with the Weimar Constitution. Protestant scholar of canon law Wilhelm Kahl (1849‑1932), a member of parliament for the German People’s Party (Deutsche Volkspartei), and Catholic priest Joseph Mausbach (1861‑1931), a member of parliament for the Centre Party, in particular had campaigned in the Weimar National Assembly for the inclusion of a compromise on state‑church law in the Weimar Constitution, which ended up containing the principle “There is no state church”, yet only introduced an incomplete, “limping”, separation of state and church.[11]

3. Trier as an Academic Centre

Despite their emancipation, not all Catholics unreservedly supported the republic. Catholics still stood under the verdict of backwardness in the Protestant-dominated university landscape. That was an exaggeration, but educational institutions beyond the high school level were in fact sparse in Trier. In 1925, the only such institutions were an episcopal seminary, already viewed with suspicion by university theology, founded in 1773[12], with just 200 students, where Ludwig  Kaas was a lecturer in canon law until the early 1920s[13] , a small “Scientific Institute for Pedagogy” without university status, which trained teachers for Catholic primary schools, and a “Provincial Teaching Institute for Viticulture, Fruit Growing and Agriculture” with a total of seven teaching staff. The academic assets of the city did however include the Catholic “Görres Society for the Advancement of Science”, founded in 1876, which held its general meeting in Trier in 1925. Those searching higher education mostly went to the University of Bonn, which had a strong Protestant character despite its Catholic faculty.

The former Kurie Eltz which housed the Trier branch office[14]

At first glance, the branch office was a little-disguised subsidy programme for the borderland, which was by no means unusual in the Weimar Republic. At second glance, however, there are more profound rationales behind the branch office’s location. In 1926, a rear extension to Kurie Eltz at Großer Eulenpfütz 1, which dated back to 1726 and housed Kaas’s parsonage, was built in Heimatstil historicist style by master cathedral architect Julius Wirtz (1875-1952).[15] In return, Kaas made his extensive library, which he finally donated to the institute in 1933,[16] available to the branch office. Many books from this collection can still be found in the MPIL’s library in Heidelberg today. The branch office had an annual budget of 25,000 Reichsmark, 10,000 Reichsmark of which was just for Kaas.[17] It was, in what could be called a personalist exaggeration of the Harnack principle, founded around the person of Ludwig Kaas, in order to provide him with “a special place of activity”.[18] Accordingly, it served not least the promotion of a singular scientist. The branch was essentially Kaas’ institute; there are no references to other employees. The initiator and man in the background[19] was Georg Schreiber, another Catholic priest operating on the borderline between church and politics.[20] Both Kaas and Schreiber were active members of the Görres Society and made an appearance at its general meeting in Trier in 1925.

4. The Man in the Background: Georg Schreiber

Georg Schreiber (on the left) on the occasion of the conferment of the Great Cross of Merit of the Federal Republic of Germany (Großes Bundesverdienstkreuz) to Carl Bilfinger (fourth from the right) in Heidelberg on 24 July 1953.[21]

Born in Rüdenshausen in the lower Eichsfeld region near Hanover in 1882, Schreiber was ordained as a priest in 1905 and received his doctorate in Berlin in 1909[22]. Only a few years later in 1913, in close proximity to the Protestant canon lawyer Ulrich Stutz (1868-1938), he was awarded a doctorate in theology in Freiburg im Breisgau[23] and in the same year became a private lecturer in church history in Münster. In 1915, Schreiber became associate professor of canon law and Bavarian constitutional and administrative law at the Royal Bavarian Lyceum in Regensburg, then in 1917 full professor of church history and the historical study of caritas at the University of Münster. From 1920 to 1933, Schreiber was a member of parliament for the Centre Party representing the constituency Westfalen-Nord (“Northern Westphalia”). He was an influential parliamentarian and regarded as a “Reich prelate” with a special interest in “foreign studies”; from 1926 to 1933 he was a senator of the Kaiser Wilhelm Society and was, among other things, able to successfully advocate for a “Catholic” branch in Trier.[24] From 1933 onwards, conflicts with Hitler’s National Socialist German Workers’ Party (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) became more frequent, which led to his resignation in 1936. After 1945, Schreiber was appointed by the British as the first post-war rector of the University of Münster[25] and was able to continue his activities in the field of educational policy in the Federal Republic; in the final years of his life, for example, he supported historian Rudolf Morsey (1927-2024).[26] Schreiber died in Münster in 1963. In the branch office however, Schreiber remained in the background. Here, Ludwig Kaas, a “political priest” of almost the same age as Schreiber, set the tone.

5. The Harnack Principle in Terms of Denomination: Ludwig Kaas

The German delegation in the gardens of Metropol hotel in Geneva, commemorating Germany’s accession to the League of Nations in 1926. Standing in the front row are the heads of the delegation, from right to left: State Secretary Karl von Schubert, Gustav Stresemann, State Secretary Robert Weissmann, Prelate Ludwig Kaas.[27]

Against the backdrop of Kaas’ biography,[28]  the choice of Trier as a location is not surprising; Kaas, the son of a merchant, was born there in 1881, graduated from high school and also began his theological studies at the Faculty of Philosophy and Theology in Trier, but then went on with them Rome and Bonn. In Bonn, he visited lectures by the Protestant canon law expert Ulrich Stutz[29], as whose student Kaas came to identify himself. After Kaas had been head of the orphanage Kemperhof and an affiliated secondary school in Koblenz from 1910 to 1918, he became a professor of canon law at the Catholic theological faculty in Bonn in 1919. In the same year, he was elected to the National Assembly as a representative for the Koblenz-Trier constituency and, like his party colleague Schreiber, was a member of parliament from 1920 to 1933 without interruption. He was party chairman from 1928 to 1933; on election posters, he was depicted alongside Heinrich Brüning (1885-1970) as a “Leader of the German Centre Party”.

Election Poster depicting Heinrich Brüning and Ludwig Kaas, 1930.[30]

From 1917, the canon law expert worked with the diplomat Eugenio Pacelli (1876‑1958), who was nuncio in Munich at the time and later went on to become Pope Pius XII. During the “Rhenish Republic”, he, not unlike Adenauer,  showed separatist sympathies for a “Rhine state” but within the association of the German Empire.[31] On 8 May 1929, Kaas gave a lecture at the 17th General Assembly of the Kaiser Wilhelm Society in Berlin entitled “On the Special Status under International Law of the Rhineland after Evacuation” (Zur völkerrechtlichen Sonderstellung der Rheinlande nach der Räumung)[32], in which he referred approvingly to Carl Schmitt (1888‑1985), who was still considered part of the Centre Party milieu at the time, in particular to his 1928 lecture “International Law Problems in the Rhine Region” (Völkerrechtliche Probleme im Rheingebiet)[33]. Although Kaas and Schmitt made plans for a joint publication[34], there was a mutual mistrust; in 1925, Schmitt had withdrawn a lecture intended to be held at the general meeting of the Görres Society in Trier because he had not been considered by Kaas and Schreiber for a prospective “Spanish Institute”.[35] On 14 June 1929, the Free State of Prussia signed a concordat with the Holy See;[36] Kaas’ preparatory work for this can hardly be underestimated, and the branch office in Trier also played an important role. Kaas was often regarded as a Catholic compromise candidate, including when he was elected party chairman.[37] It remains disputed to what extent he, from 1930 onwards, worked towards a coalition with the National Socialists. In any case, in January 1933, Kaas publicly attacked Carl Schmitt for his support of the declaration of a state of emergency by Chancellors Papen and Schleicher.[38] In April 1933, he went to Rome as a priest and lived in the Vatican from then on; on 20 July 1933, he was present at the signing of the Reichskonkordat, the concordat between the Holy See and the German Reich, which he had helped to negotiate on behalf of the Vatican.[39] Kaas did not return to National Socialist Germany and, even after 1945, remained under the protection of the Vatican. He died in Rome in 1952. By this time, he already constituted a relict of a different time; the “political priest” was unknown in the Federal Republic, which was to grant Catholics an even more comfortable role;[40] yet it was Kaas himself who had made sure of this with the Reichskonkordat.

6. Protestant Influences

In fact, Kaas was, in some respects, “less Catholic” than it initially appears. He was a student of the Protestant international law expert Ulrich Stutz, a Reformed Christian who had also co-supervised his habilitation in Bonn.[41] The pious Christian and legal positivist, who mainly worked in Bonn and Berlin, was a Borussophile Swiss, to whom in clerical legal history, among other things, owes basic research on the Eigenkirche (the institution of proprietary churches).[42] By power of his networks, Stutz was temporarily one of the most influential professors in the German Empire. He was a member of the Prussian Academy of Sciences and was friends with the canon lawyer Rudolph Sohm (1841‑1917)[43] , but as an expert in canon law, he had particularly good relations with the Catholic Church. In Bonn, he worked closely with Philipp Zorn (1850-1928), a scholar of canon and international law, who had many students and stood for a statist approach to canon law.[44] This was not directly applicable to the Catholic Church, but Zorn, who also had Catholic students such as Heinrich Pohl (1883-1931)[45], was alien to a culture war approach. In any case, Kaas was to seek out an unparalleled coordination of the Catholic Church with the state, as expressed in the Prussian Concordat and, under National Socialist auspices, in the Reichskonkordat of 1933. Eugen Rosenstock-Huessy (1888-1973) later critically labelled Stutz “the blind and deaf pope of legal history”. [46]

7. The Tasks: Monitoring the Concordats and Political Advisory

Ludwig Kaas speaking at the Reichstag in 1930.[47]

There are many indications that the branch office was founded primarily to support and actively promote a concordat and other state treaties with the Catholic Church, going far beyond a Catholic form of political advisory. In this respect, Trier was a “Catholic” branch of the Kaiser Wilhelm Society, which was still characterised by Protestantism. This was also ensured by men in the background such as Friedrich Glum (1891‑1974)[48] as Secretary General of the Kaiser Wilhelm Society, and the enterprising Prussian Minister of Culture Carl Heinrich Becker (1876‑1933)[49], a fellow Bonn professor of Stutz and Zorn, who, together with another colleague, Rudolf Smend (1882-1975), worked towards the establishment of an equal co-operation between the state and the religious communities founded upon a contractual basis,[50] as was to be manifested in the concordats. Kaas, highly qualified in state‑church law, was of particular importance here, as a Catholic voice in a largely Protestant, but not anti‑Catholic environment. This approach was not without scholarly opposition, particularly from traditional positivists, who strongly emphasised the role of the church as a religious institution under state supervision. Gerhard Anschütz (1867‑1948), for example, had used the terms “dock” and “slippery slope” in connection with the Bavarian church treaties of 1925, concluded between the Free State and the Catholic and Protestant churches,[51] and warned against the conclusion of equal treaties with the church on the federal level. The model for Ludwig Kaas’ political advisory on concordats was however, despite not always being openly named, fascist Italy with the Lateran Treaty of 1929. Ludwig Kaas, as an academic member of the Institute for Comparative Public Law and International Law, wrote an eulogy on “The Concordat Type of Fascist Italy” (Der Konkordatstyp des faschistischen Italien) in the Institute’s journal in 1932.[52] From the Catholic perspective of the time, Italy had been, despite the vast majority of its population being Catholic, ruled in an anti-clerical manner until 1922 and Benito Mussolini, who in the 1920s was a source of fascination, by no means only for those on the political right, had succeeded in achieving a historical equalisation with the Lateran Treaties, at the latest. Even a leading German Protestant such as the Prussian Superintendent General Otto Dibelius (1880-1967), who worked closely with Smend, found it remarkable even before the Lateran Treaties that the Duce had erected the cross over Rome[53] and stated in a newspaper article in 1932: “At least: Fascism generally affirms Christianity and the Church!”[54]

8. A Success?

“A faithful and wise follower of Christ”: Ludwig Kaas’ grave at Campo Santo Teutonico[55]

The Reichskonkordat of 1933 was in many respects a response to the Italian Lateran Treaties and perhaps the greatest success of the Trier branch, which was founded to work towards this concordat. Without Kaas as its director, around whom it was founded according to the unwritten tradition of the Kaiser Wilhelm Society, this concordat probably would not have come about. By the time it was signed, Kaas had passed the zenith of his influence, not only at the Kaiser Wilhelm Institute, and was to spend the rest of his life, not entirely voluntarily, far away from Trier, in Rome.

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Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Rudolf Bernhardt/Karin Oellers-Frahm, Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Geschichte und Entwicklung von 1949 bis 2013, Berlin: Springer 2018, 6; direct quotations here and in the following: translated by the editor.

[2] Gerhard Lüdtke (ed.), Minerva. Jahrbuch der gelehrten Welt, Jahrgang 30, Vol. 1, Berlin: De Gruyter 1930, 285; listed under „Institute for Comparative Public Law and International Law of the Kaiser Wilhelm Society“ in Berlin: „Scientific member and head of the Trier branch: Canon, papal house prelate [i.e. Monsignore] and member of parliament Dr. Ludwig Kaas [Trier]”, interestingly, the branch office is not mentioned in the listing for Trier. Similar specifications („scientific member and head of the Trier branch“) can be found in: Preußisches Staatsministerium (ed), Handbuch über den Preußischen Staat für das Jahr 1930, 136. Edition, Berlin: Decker 1930, 243; there is also no mention of the branch office’s location in Trier here either.

[3] Georg May, Ludwig Kaas. Der Priester, der Politiker und der Gelehrte aus der Schule von Ulrich Stutz, Vol. 2, Amsterdam: B.R. Grüner 1982, 302.

[4] Nelly Keil, Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Gefahr, in: Germania ‑ Zeitung für das Deutsche Volk, 25 December 1932, quoted after May (fn.3)

[5] Georg Schreiber, Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Reichsetat und Reichsgeschehen, Jahrbuch Max-Planck-Gesellschaft 1951, 60-107,77; here, this is described as a „incorrect note“ (76). Schreiber mentions the „position under international law of Alsace-Lorraine, Luxembourg and Belgium“ and „law of occupation“ (76).

[6] Georg Schreiber, Der erste Entwurf des Reichskonkordats 1920/21, in: Hermann Conrad (ed), Gegenwartsprobleme des Rechts. Beiträge zum Staats-, Völker- u. Kirchenrecht sowie zur Rechtsphilosophie. Godehard Josef Ebers zur Vollendung seines 70. Lebensjahres gewidmet von seinen Freunden und Schülern, Vol. 2, Paderborn: Schoeningh 1950, 159-196.

[7] Theodor Grentrup, Die Missionsfreiheit nach den Bestimmungen des geltenden Völkerrechts. Mit einem Vorwort von Ludwig Kaas, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht, Vol. 5, Berlin: De Gruyter 1928.

[8] Article 438 of the Treaty of Versailles stipulated that “Christian religious missions” (“missions religieuses chrétiennes”) of German communities “shall continue to be devoted for missionary purposes.” The “Allied and Associated Governments” exercised “full control” over the heads of these missions and safeguarded the interests of these missions; Germany had to agree “to accept all arrangements made or to be made by the Allied or Associated Government concerned for carrying on the work of the said missions or trading societies” and waive “all claims on their behalf”.

[9] Data according to Brockhaus, 15. ed., Leipzig 1934, Vol. 19, 73; Numbers of the16 June 1925 census.

[10] Martin Otto, Konfessionen: Allgemein, Kirchliche Organisation und Konfessionen zwischen Kirche und Milieu, in: Rüdiger Voigt (ed), Weltmacht auf Abruf. Nation, Staat und Verfassung des Deutschen Kaiserreichs, Baden-Baden: Nomos 2023, 393-416.

[11] Hans Michael Heinig, „Es besteht keine Staatskirche.“ Das Verhältnis von Staat und Religion, in:  Horst Dreier/Christian Waldhoff (eds.), Weimars Verfassung. Eine Bilanz nach 100 Jahren, Göttingen: Wallstein 2020, 265-274; Ludwig Richter, Kirche und Schule in den Beratungen der Weimarer Nationalversammlung, Düsseldorf: Droste 1996.

[12] Data here and below according to Lüdtke (fn. 2), Vol. 2, 2801-2801.

[13] Still listed in: Richard Kukula/Karl Ignaz Trübner (eds.), Minerva. Jahrbuch der gelehrten Welt, Jahrgang 26, Berlin: De Gruyter 1923, 1191; his successor was „Dr. Wehr“, i.e. Matthias Wehr (1892-1967), Bishop of Trier from 1951 to 1966.

[14] Photo: Helge Rieder.

[15] Cf. Rheinland-Pfalz – Generaldirektion Kulturelles Erbe (ed), Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler: Kreisfreie Stadt Trier, Mainz 2024, 18.

[16] Karin Schnauff, Erinnerung an Ludwig Kaas. Zum 20. Todestag am 25. April 1972, Pfullingen: Neske 1972, 28; Arthur Wynen, Ludwig Kaas. Aus seinem Leben und Wirken, Trier: Paulinus 1953, 21.

[17] May (fn. 3), 302; Friedrich Glum, Zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Erlebtes und Erdachtes in 4 Reichen, Bonn: Bouvier 1964, 328.

[18] Glum (fn. 17), 328.

[19] Schreiber (fn. 5), 77; Glum (fn. 17), 328.

[20] Rudolf Morsey, in: Neue Deutsche Biographie, Vol. 23, Berlin: Duncker& Humblot 2007, 529-530.; cf. Also Paul Mikat (ed.), Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, 6. ed., Vol. 11 (subsidiary volume 3), Freiburg: Herder 1970, 150.

[21] With:  Professor Bauer (?), Hermann Weinkauff, Gerhard Anschütz, Georg Jellinek; Photo: MPIL.

[22] Georg Schreiber, Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert. Studien zur Privilegierung, Verfassung und besonders zum Eigenkirchenwesen der vorfranziskanischen Orden vornehmlich auf Grund der Papsturkunden von Paschalis II. bis auf Lucius III. (1099-1181), Stuttgart: Ferdinand Enke 1910.

[23] Georg Schreiber, Untersuchungen zum Sprachgebrauch des mittelalterlichen Oblationenwesens. Ein Beitrag zur Geschichte des kirchlichen Abgabenwesens und des Eigenkirchenrechts, Dissertation, Freiburg im Breisgau: Wörrishofen 1913.

[24] May (fn. 3), 302.

[25] Bernd Haunfelder, Die Rektoren, Kuratoren und Kanzler der Universität Münster 1826–2016. Ein biographisches Handbuch, Münster: Aschendorff 2020, 224–228.

[26] Hans Christof Kraus, Was in den Akten steht, kam durch ihn in die Welt. Unbeirrbarer Korrektor der Geschichte der Bundesrepublik: Zum Tod von Rudolf Morsey, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27 May 2024.

[27] Photo: BArch, Bild 102-03169/ Pahl, Georg.

[28] Herrman A. L. Degener (ed), Degeners Wer ist’s, X. ed., Verlag Herrmann Degener Berlin 1935, 771; Karl Otmar von Aretin, in: Neue Deutsche Biographie, Vol. 10, Berlin: Duncker& Humblot 1974, 713-714; especially relevant in this context: Georg Schreiber, in: Paul Mikat (ed), Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, 7. ed., Vol. 4, Freiburg: Herder 1988, 747-750.

[29] Andreas Thier, Ulrich Stutz, in: Neue Deutsche Biographie, Vol. 25, Berlin: Duncker& Humblot 2013, 659; more information: Martin Otto, Von der Eigenkirche zum Volkseigenen Betrieb. Erwin Jacobi (1884-1965). Arbeits-, Staats- und Kirchenrecht zwischen Kaiserreich und DDR, Tübingen: Mohr Siebeck 2018, 20-22.

[30] Copyright Indication: “Görres-Druckerei Koblenzer Volksstimme”; Image: Konrad-Adenauer-Stiftung/Archiv für christlich-demokratische Politik, Plakatsammlung Weimarer Republik/NS-Zeit 10-043, CC-BY-SA 3.0 DE.

[31] Philipp Bender, Eine Rheinische Republik? Die ersten Rheinstaatsbestrebungen 1918/19 in Zeiten des völker- und verfassungsrechtlichen Umbruchs, Berlin: De Gruyter 2019.

[32] Ludwig Kaas, Zur völkerrechtlichen Sonderstellung der Rheinlande nach der Räumung, in: Europäische Geschichte. Hamburger Monatshefte für auswärtige Politik 7 (1929), 222-231. At the same time, Kaas published letters to the Minister of the Occupied Territories and temporary Reich Chancellor Joseph Wirth (Centre Party) criticizing the occupation: Cf. Jon Jacobson, Locarno Diplomacy. Germany and the West. 1925-1929, Princeton: Princeton University Press 1972, 297.

[33] Carl Schmitt, Völkerrechtliche Probleme im Rheingebiet, quoted after: Carl Schmitt, Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles, 3. ed., Berlin: Duncker& Humblot 1994, 111-123. This lecture was held by Carl Schmitt in October 1928 at a conference of the Association of German History Teachers (Verband Deutscher Geschichtslehrer) in Heppenheim (Bergstraße).

[34] Carl Schmitt, Tagebücher 1925 bis 1929, edited by Martin Tielke und Gerd Giesler, Berlin: Duncker& Humblot 2018, 224 (entry of 31 October 1928: „I want to publish my article together with Kaas“).

[35] Schmitt, Tagebücher (fn. 34), 4. The “Spanish Institute” would have been a foreign institute of the Görres‑Gesellschaft, a counterpart to the institute founded in Rome in 1888. Schmitt had withdrawn his lecture on “The State and Sovereignty in the Age of Modern Imperialism” (Staat und Souveränität im Zeitalter des modernen Imperialismus).

[36] Werner Weber, Die deutschen Konkordate und Kirchenverträge der Gegenwart, Vol. 1, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1962, 67-89.

[37] Ulrich von Hehl, Ein vergessener Nothelfer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27 November 2023.

[38] Reinhard Mehring, Carl Schmitt. Aufstieg und Fall. Eine Biographie, Munich: C.H. Beck 2009, 304. Kaas had published an article to this effect in the Catholic newspaper Germania on 29 January 1933.

[39] Thomas Brechenmacher (ed.), Das Reichskonkordat 1933. Forschungsstand, Kontroversen, Dokumente, Paderborn: Schönigh 2007.

[40] Christian Schulze Pellengahr, Das Verbot der politischen Betätigung für Geistliche nach katholischem und evangelischem Kirchenrecht sowie im geltenden Staatskirchenrecht. Unter Berücksichtigung der Staaten- und Verfassungsgeschichte Deutschlands und Österreichs, dissertation, Schriften zum Staatskirchenrecht Vol. 45, Frankfurt am Main: Peter Lang 2009.

[41]Ludwig Kaas, Die geistliche Gerichtsbarkeit der katholischen Kirche in Preußen in Vergangenheit und Gegenwart mit besonderer Berücksichtigung des Westens der Monarchie, Stuttgart: Enke 1915/16 (two volumes).

[42] Katrin Bayerle, Ulriche Stutz. Von der Eigenkirche zur „hinkenden Trennung zwischen Kirche und Staat“, in: Thomas Holzner/Hannes Ludyga (eds.), Entwicklungstendenzen des Staatskirchen- und Religionsverfassungsrechts. Ausgewählte begrifflich-systematische, historische, gegenwartsbezogene und biographische Beiträge, Paderborn: Schöningh 2013, 505-518; Ulrich Stutz, Die Eigenkirche als Element des mittelalterlich-germanischen Kirchenrechtes, Berlin 1895.

[43] Gary Lease, Der Nachlass Rudolph Sohms, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Kanonistische Abteilung 92 (1975), 348-376.

[44] Martin Otto, Philipp Zorn, in: Neue Deutsche Biographie, Vol. 28, Berlin: Duncker& Humblot 2024, 746-748; Julia Schmid, Konservative Staatsrechtslehre und Friedenspolitik. Leben und Werk Philipp Zorns, Abhandlungen zur rechtswissenschaftlichen Grundlagenforschung Vol. 85, Ebelsbach: Aktiv Druck & Verlag GmbH 2001; cf. on this generally: Martin Otto, In der „protestantischen Ebene“. Ernst Rudolf Huber als evangelischer Kirchenrechtler, in: Ewald Grothe (ed), Ernst Rudolf Huber. Staat – Verfassung – Geschichte, Baden-Baden: Nomos 2015, 121-145, 124.

[45] Martin Otto, Heinrich Pohl, in: Maria Magdalena Rückert (ed), Württembergische Biographien, Vol. II, Stuttgart: Kohlhammer 2011, 216-219.

[46] Eugen Rosenstock-Huessy, Ja und Nein. Autobiographische Fragmente, Heidelberg: Lambert Schneider 1968, 121 (Postskript eines gewesenen Rechtshistorikers); Martin Otto, „Habilitandenjahrgang 1912“ – Wege und Wirkungen einer rechtshistorischen Generation, Jahrbuch Simon-Dubnow-Institut XIV (2015), 297-323, 321-323.

[47] Photo: Erich Salomon, public domain.

[48] Bernhard vom Brocke, Friedrich Glum (1891–1974), in: Kurt A. Jeserich/Helmut Neuhaus (ed): Persönlichkeiten der Verwaltung. Biographien zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1648–1945, Stuttgart: Kohlhammer 1991, 449–454; Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Vol. 3: Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in Republik und Diktatur 1914-1945, Munich: C.H. Beck 1999, 257.

[49] Ronald Lambrecht, Carl Heinrich Becker als Kultuspolitiker in der Weimarer Republik, in: Kristina Michaelis/ Ulf Morgenstern (ed), Kaufleute, Kosmopoliten, Kunstmäzene. Die Gelnhäuser Großbürgerfamilien Becker und Schöffer, Hamburg: Verlag am goldenen Fuß 2013, 82-85.

[50] Smend’s activity in the Prussian Ministry of Culture is documented but there are hardly any references to it in scientific literature; however: Helmuth Plessner, Selbstdarstellung (“self-description”), in: Tilman Allert/Joachim Fischer (ed), Plessner in Wiesbaden, Wiesbaden: Springer 2014, 13-40 (22); also: Otto, In der „protestantischen Ebene“ (fn. 44), 124.

[51] Gerhard Anschütz, Die bayerischen Kirchenverträge von 1925, Berlin: Loewenthal 1925, 5.

[52] Ludwig Kaas, Der Konkordatstyp des faschistischen Italien, HJIL 3 (1933), 488–522.

[53] Otto Dibelius, Das Jahrhundert der Kirche. Betrachtung, Umschau und Ziele, Berlin: Furche-Verlag 1927.

[54] Otto Dibelius, in: Berliner Evangelisches Sonntagsblatt, 13. November 1932, quoted after: Dietrich Bronder, Bevor Hitler kam, 2. ed., Hannover: Lühe 1975, 415. On Dibelius: Hartmut Fritz, Otto Dibelius. Ein Kirchenmann in der Zeit zwischen Monarchie und Diktatur, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1998.

[55] Photo: Alexandra Kemmerer.

Vom Kriegsgefangenen-Lager zum Völkerrechts-Colloquium: Drei Schlaglichter auf die Biographie Rudolf Bernhardts im Kontext der Institutsgeschichte nach 1945

Die berufliche Laufbahn meines Vaters Rudolf Bernhardt (1925-2021) war in vielfältiger Weise mit dem MPIL verbunden, arbeitete er doch hier zunächst von 1954 bis 1965 als Referent, dann von 1970 bis zu seiner Emeritierung 1993 als einer der Direktoren und blieb dem Institut auch danach eng verbunden.[1] Dieser Beitrag deutet anhand von drei Lebensausschnitten – der Kriegsgefangenschaft 1945-47, der Zeit der Studentenbewegung der späten 1960er Jahre sowie der Völkerrechtskolloquien mit Polen ab 1974 – schlaglichtartig an, wie sich einige seiner persönlichen und wissenschaftspolitischen Positionen im zeitgeschichtlichen Kontext herausbildeten und artikulierten. Solche individuellen Werdegänge und Sichtweisen haben, wie bereits für andere Führungspersönlichkeiten am Institut, zum Beispiel Hermann Mosler und Karl Doehring, gezeigt wurde,[2] die Entwicklung des MPIL nicht unwesentlich geprägt. Neben den hier präsentierten drei „Schlaglichtern“, die vorrangig aus den privaten Tagebüchern nachgezeichnet werden, ließen sich natürlich zahlreiche weitere anführen, die in anderen Artikeln dieses Blogs auch gestreift werden.[3] Dass der vorliegende Beitrag aus meiner sehr speziellen Perspektive als Sohn Rudolf Bernhardts und professioneller Zeithistoriker geschrieben ist, wird am Schluss kurz reflektiert.

1. Eindrücke aus der Kriegsgefangenschaft

Die gut zwei Jahre in sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1945-1947 hat mein Vater als junger Mann mehrfach nur mit viel Glück und äußerst knapp überlebt. Sein 1948 dazu niedergeschriebener detaillierter Erfahrungsbericht, der erstmals 76 Jahre später im April 2024 im Franz-Steiner Verlag veröffentlicht wurde,[4] gewährt drastische Einblicke in seine Erlebnisse in den sowjetischen Arbeitslagern nordöstlich von Moskau. Immerhin waren ihm in der Kriegszeit eine persönliche Verwicklung in Kampfhandlungen und damit die traumatischen Kriegserfahrungen vieler Altersgenossen, insbesondere an der „Ostfront“, erspart geblieben. Als 18-Jähriger am 1. Juli 1943 zur Reichswehr einberufen, hatte er in seiner zweijährigen Soldatenzeit bis Kriegsende eine Fliegerausbildung an mehreren „Fliegerhorsten“ bzw. Flugschulen im „Altreich“, wie zum Beispiel in Oschatz und Werder an der Havel, absolviert. Von dort aus war er auch periodisch zu Aufräumarbeiten nach Bombenangriffen in Städte wie Nürnberg und Berlin abgeordnet und am 1. Mai 1945 bei Potsdam von sowjetischen Truppen festgenommen worden.[5]

Vier markante Aussagen aus dem genannten Bericht von 1948 reflektieren wichtige Erfahrungen und Schlussfolgerungen des 22-jährigen Rudolf Bernhardt:
Erstens und vor allem schildert der Bericht die extremen Lebensbedingungen in den sowjetischen Arbeitslagern, in denen mein Vater härteste Waldarbeit verrichten und wiederholt lebensgefährliche Gefahrensituationen und Erkrankungen überstehen musste. Zweitens übte er aus der Perspektive eines jungen, einfachen Gefangenen vom untersten Ende der brutalen Lagerhierarchie scharfe Kritik am Regime der als „Brigadeleiter“ fungierenden, vielfach privilegierten deutschen Offiziere, die er verantwortlich machte für zahlreiche willkürliche Gewaltexzesse und vermeidbare Todesfälle von Mitgefangenen. Drittens artikulierte er, in der einfachen Diktion eines 22-Jährigen, in kategorischer Abgrenzung zum NS- und zum sowjetischen Regime eine emphatische Ablehnung von „Militarismus“ und jedwedem „Nationalismus“. Viertens schließlich erörterte er, in kritischer, aber relativ nüchterner Diktion, weitere Seiten des Sowjetregimes, dem er zwar gewisse Erfolge bei der Alphabetisierung und Industrialisierung zugestand, dessen Wirtschaftssystem, massive Propaganda und brutale Unterdrückung der Zivilgesellschaft er aber strikt ablehnte.[6]

Wie wirkten nun diese Erlebnisse und Wertungen des 22-Jährigen in seiner späteren Laufbahn als Völkerrechtler, Direktor am MPIL und Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nach? Auf den ersten Blick – scheinbar gar nicht: In seinen zwei veröffentlichten berufsbiographischen Skizzen widmet er ihnen nur wenige, zurückhaltende Sätze,[7] im Familiengespräch wurden sie kaum thematisiert,[8] eine direkte Einwirkung auf berufliche Richtungsentscheidungen – von der Wahl des Studienfachs, des Promotionsthemas oder der Forschungsschwerpunkte Völkerrecht und Menschenrechte bis zur Tätigkeit als Richter am EGMR – ist nicht dokumentiert, teilweise sogar auszuschließen.[9]
Jedoch formten diese frühen Erlebnisse zweifellos persönliche Grundhaltungen, die in seine Berufstätigkeit als ein Faktor unter mehreren einflossen, so zum Beispiel in kollegiale Beziehungen und wissenschaftspolitische Positionierungen. Zu diesen Grundhaltungen gehörten eine geringe Affinität zum militärischen Habitus und Denken – auch weil ihm der „Krieg als Primärerfahrungsraum“ [10] vieler Altersgenossen erspart geblieben war –, eine entschieden transnationale Orientierung,[11] eine nüchtern-distanzierte Haltung gegenüber der Sowjetunion sowie eine lebensbejahende und humanistische Weltsicht. Einen Beleg für diese These eines unterschwelligen, aber prägenden Nachwirkens der Erfahrungen aus der Kriegsgefangenschaft  findet sich in einer prägnanten Bemerkung seines amerikanischen Kollegen und Freundes Thomas Buergenthal in der Laudatio zum 80. Geburtstag meines Vaters 2005:

„I developed great affection to him, no doubt also influenced by the fact that his years as prisoner of war and mine in a concentration camp have given us a shared appreciation of the joy of being alive and a profound belief in the need to promote laws and institutions capable of contributing to a world in which future generations are spared the suffering our generation and that of our parents had to endure.” [12]

Generationengeschichtliche Konstellationen

In einer erweiterten historischen Sicht auf die ersten Nachkriegsjahre in der Bundesrepublik ist zu erkennen, dass die Grundhaltungen meines Vater sich erfahrungs- und generationengeschichtlich stark mit denen der sogenannten „Flakhelfer“-Generation der Jahrgänge 1926 bis 1930 deckten, die Heinz Bude als Träger- und Aufstiegsgeneration der Bundesrepublik untersucht und entschieden von der nur wenig älteren „Kriegsgeneration“ des Zweiten Weltkriegs abgegrenzt hat.[13] Ohne hier auf Details einzugehen ist festzuhalten, dass die Angehörigen der Flakhelfer-Generation, so auch mein Vater, als Jugendliche der massiven Indoktrination des NS-Systems ausgesetzt gewesen waren und dessen Niederlage auch als Zusammenbruch einer sie prägenden Weltanschauung erlebten. Für die darauf gemünzte, bekannte zeitgenössische Diagnose des Soziologen Helmut Schelsky von der gegenüber politisch-ideologischen Großentwürfen „skeptische(n) Generation“ (1957)[14] enthält der Erfahrungsbericht meines Vaters von 1948 zahlreiche charakteristische Formulierungen.[15] Eine vergleichende generationengeschichtliche  Analyse unter Einschluss der anderen Führungspersönlichkeiten des MPIL, wie für die gesamte Belegschaft, könnte aufschlussreiche Einblicke in personelle Konstellationen und sozialkulturelle Wandlungsprozesse im Institut liefern.

Geburtsjahr und Amtszeiten der Direktoren des MPIL 1954-2002. Es ist ersichtlich, dass alle in dieser Zeit amtierenden Direktoren den Nationalsozialismus bewusst erlebt haben, jedoch war nur einer (Karl Doehring) als Militär in Kriegshandlungen aktiv.

Wenn Bude, wie auch andere, die Rezeption zeitgenössischer belletristischer Literatur als einen der prägenden wie abgrenzenden Indikatoren zwischen den Nachkriegs-Generationen anführt und für die „Flakhelfer-Generation“ Namen wie Günter Grass, Hans-Magnus Enzensberger, Martin Walser oder Ingeborg Bachmann nennt,[16] so bestimmten diese Autoren tatsächlich auch den frühen Lektürekanon meines Vaters. Im Rahmen seines Jurastudiums an der Universität Frankfurt am Main ab dem Wintersemester 1948 hat er neben den Seminaren in seinem Kernfach auch Veranstaltungen anderer Fächer besucht, so zum Beispiel des Philosophen Max Horkheimer sowie zur Philosophie- und Literaturgeschichte. Dazu exzerpierte er auf hunderten von Seiten den klassischen Philosophie- und Literaturkanon, von Platon und Sophokles über Kant und Schiller bis zu Balzac und Tolstoi.[17] Die Stillung eines aufgestauten Lesehungers hat er in den ersten Nachkriegsjahren buchstäblich als zweite Befreiung erlebt, ebenso wie private Fahrten nach West- und Südeuropa. Letztere verankerten und festigten früh, zusammen mit den ersten beruflichen Auslandsreisen 1953 zum „Salzburg Seminar in American Studies“ und 1959 an die Harvard Law School in den USA, seine „transnationale“ Orientierung.[18]

Salzburg Seminar in American Studies 1953, Gruppenfoto (Rudolf Bernhardt dritte Reihe von unten ganz rechts)[19]

2. Die Zeit der „Studentenunruhen“

Bekanntlich trat mein Vater nach seiner Promotion bei Hermann Mosler 1954 in das MPIL ein und arbeitete dort für gut zehn Jahre als Wissenschaftlicher Referent, bis er 1965 auf das Ordinariat „Öffentliches Recht IV“ an der Juristischen Fakultät der Universität Frankfurt berufen wurde.[20] Als relativ junger Professor, der sich auf der „liberal-konservativen“ Seite des politischen Spektrums verortete und just beim Beginn der Studentenrevolte 1967/68 die Würde und Bürde des Dekans der juristischen Fakultät übertragen bekam, fand er sich in der Folgezeit generationell und hochschulpolitisch zwischen allen Stühlen wieder.

Protestaktionen der Studierenden einerseits, wie Sitzblockaden – bei deren Überwinden ihn ein bekanntes zeitgenössisches Foto zeigt – und die Erwartungen konservativer Kollegen sowie Gespräche mit dem Konrektor der Universität andererseits, erzeugten hochschulpolitische und alltagskulturelle Zerreißproben. Sie werden in den Tagebuchaufzeichnungen aus dieser Zeit deutlich: „Demagogisch aufgehetzte Studentenmengen in der Universität, Belagerungen von Konzil und Senat (…), systematische Störungen von Veranstaltungen und verabredeten Diskussionen, durch radikale, ideologisch und praktisch begabte Minderheiten (…)“. [21] „Als gerade gekürter Dekan hatte ich mich nach allen Seiten zur Wehr zu setzen, auch gegen manche Kollegen“.[22] „Unter den Professoren erzkonservative und auch (ehrlich oder opportunistisch) radikal-progressive Exemplare, die Mitte wird zerschlissen“. [23]

Studentische Sitzblockade an der Universität Frankfurt a.M. 1968 (Rudolf Bernhardt hinten Mitte rechts)[24]

Anhand seiner Auseinandersetzung mit den politisch hoch umstrittenen „Notstandsgesetzen“ lässt sich die vielfach widersprüchliche Entwicklung in diesen Jahren andeuten. Begonnen hatte mein Vater die fachwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema bereits in den frühen 1960er Jahren noch als Referent im MPIL, offensichtlich im Gespräch oder zumindest zeitlich parallel zu Hermann Mosler und Karl Doehring. Alle drei teilten die rechtsvergleichende Sicht auf das Sujet, das mein Vater bereits im Herbst 1963 in einem Vortrag auf einer Tagung der Österreichischen und Deutschen Gesellschaft für Rechtsvergleichung in Wien ansprach.[25] Im Herbst 1965 wählte er es auch als Gegenstand seiner Antrittsvorlesung an der Universität Frankfurt. Obwohl sich zu dieser Zeit die öffentliche Kontroverse über die geplante Novelle des Grundgesetzes bereits zuspitzte,[26] konnte man, nach seinen Aufzeichnungen, vor dem „Ausbruch der Unruhen“ 1967 „über die geplante ‚Notstandsverfassung‘ (…), auch bei dem sozialistischen Studentenbund, noch ungestört referieren und diskutieren“.[27] In seiner Antrittsvorlesung zur sogenannten Notstandsverfassung, die am 22. Februar 1966 in der FAZ abgedruckt wurde, plädierte Rudolf Bernhardt dezidiert für eine „knappe, griffige Notstandsformel“.

Beitrag Rudolf Bernhardts zur „Notstandsverfassung“ in der FAZ vom 22. Februar 1966

Die kurz zuvor im Sommer 1965 vom Bundestag diskutierte Fassung „in Bausch und Bogen als Anschlag auf die Demokratie abzulehnen“, zeige „Unkenntnis“ oder „abgrundtiefes Mißtrauen gegenüber den (…) demokratisch gewählten politischen Kräften unseres Landes“. Andererseits kritisierte er scharf die sieben bereits 1965 vom Bundestag verabschiedeten „einfachen Notstandsgesetze“ als „grotesken Perfektionismus“ von „überbordender Regelungswut“ und als teilweise verfassungswidrig. Das Fazit des FAZ-Beitrags lautete: „In Kenntnis des Risikos muss man auf ein Höchstmaß an Sicherheit verzichten, um mehr als ein Mindestmaß an Freiheit zu erhalten“.[28] Es wäre interessant, aus rechtsgeschichtlich kompetenter Sicht – die mir fehlt – die juristischen Positionen und einzelnen Argumente meines Vaters mit denen von Hermann Mosler und Karl Doehring in ihren ausführlichen Statements in der Sitzung des Rechts- und des Innenausschusses des Bundestages am 7. Dezember 1967 abzugleichen.[29] Zugleich ließe sich am Beispiel der „Notstandsgesetze“ exemplarisch die für das Verständnis der Arbeitsweise des Instituts zentrale Frage zum Verhältnis von arbeitsteiliger Wissensproduktion (etwa durch auf einzelne Länder spezialisierte Referenten), Synthese,  Publikation und Transfer der Ergebnisse in den politischen Raum reflektieren, [30] auch im Hinblick auf Fragen von Autorenschaft und „geistigem Eigentum“ an den Forschungsresultaten.

Für viele Leser*innen sicherlich überraschend war es, dass mein Vater mit einem Aufsatz zu den Notstandsgesetzen wider Willen auch zu einem Buch beitrug, das die ZEIT rückblickend als „gefeierte(n) Klassiker der 68er Generation“ apostrophierte, der zugleich „geschmäht [wurde] von denen, die sich damals angegriffen fühlten“.[31] Es handelte sich um den von seinem Frankfurter Fakultätskollegen Rudolf Wiethölter konzipierten Band „Rechtswissenschaft“ in der Reihe „Funkkolleg“ des Fischer Taschenbuch Verlags, der nach seinem Erscheinen 1968 innerhalb von knapp fünf Jahren vier Auflagen mit einer Gesamtzahl von 45.000 gedruckten Exemplaren erreichte.[32] Wiethölter stellte im Vorwort klar, die dem Buch zugrunde liegende Vorlesungsreihe für das „Funkkolleg“ des Hessischen Rundfunks sei „aus Unruhe als Bürgerpflicht“ entstanden, das Ziel sei die „Entzauberung des Rechts“ als „politisches Alibi und Verheißung“, um „mitzuwirken an der Entlarvung eines deutschen Götzendienstes: Dienst für den ‚General Dr. von Staat‘ (Thomas Mann)“.[33]

Funkkolleg Rechtswissenschaft (1968)

Von den insgesamt 20 „Kollegs“ (Rundfunk-Vorträgen) wurden jeweils zwei von Erhard Denninger und meinem Vater übernommen.[34] Wenig überraschend trugen die Beiträge meines Vaters über die „Entwicklung zum demokratischen Rechts- und Sozialstaat“ sowie zum „Notstandsrecht“ nichts zu Wiethölters Mission der „Entzauberung des Rechts“ oder der von der ZEIT diagnostizierten späteren Karriere des „vor allem von linken und liberalen Juristen geliebten“ Buches bei. Hintergrund der besonderen Konstellation war, dass mein Vater ebenso wie Denninger kollegialer Weise für den erkrankten Wiethölter kurzfristig eingesprungen war, ohne seine Beiträge auf Wiethölters Programm auszurichten.[35] Die erstaunliche, kaum bekannte Rolle meines Vaters als Mitautor eines „68er Klassikers“ zeigt, dass zu dieser Zeit die Gräben zwischen den hochschulpolitischen „Lagern“ zuweilen noch fluide waren und durch kollegiale Praktiken punktuell überwunden wurden, so dass spezielle inhaltliche „Melangen“ wie das „Funkkolleg“- Buch entstehen konnten. Es sei aber nachdrücklich festgehalten, dass sich mein Vater im Grundsatz zu den Forderungen und Aktionen der Studentenbewegungen, mit ihnen sympathisierender Kollegen sowie der Umsetzung der Hochschulreform sehr kritisch beziehungsweise ablehnend positionierte.[36]

3. Die Völkerrechtskolloquien der 1970er und 1980er Jahre

Die Zeit der Rückkehr meines Vaters an das MPIL 1970 als Co-Direktor von Hermann Mosler war nicht nur von den anhaltenden Spannungen an den Universitäten geprägt, sondern auch von den politischen Kontroversen um die „neue Ostpolitik“. Zu dieser bestand auch unter den führenden Wissenschaftlern am Institut eine breite Meinungsvielfalt. Hier hatte sich der Institutsmitarbeiter Fritz Münch, der seit 1955 Leiter der 1960 aufgelösten Außenstelle des MPIL in Berlin gewesen war, frühzeitig besonders exponiert. Schon 1965 hatte er ein juristisches Gutachten mit verfasst, in dem er die Rechtsgültigkeit des Münchener Abkommens von 1938 zur Einverleibung des Sudentenlandes in das nationalsozialistische Deutsche Reich feststellte.[37] In der Folgezeit hatte sich Münch nicht nur in daraus hervorgegangene gerichtliche und publizistische Kontroversen verwickelt, sondern wechselte im Sommer 1972 von der CDU zur NPD, für die er im November 1972 auch bei den Bundestagswahlen kandidierte.[38] Im Institut vertrat er neben Karl Doehring, Hartmut Schiedermair, Helmut Steigenberger und Hermann Mosler eine kritische Sicht auf die Ostverträge,[39] während Jochen Frowein und mein Vater sie eher unterstützen. An einer ersten, im Januar 1972 von der Theodor-Heuß-Akademie in Gummersbach organisierten Konferenz deutscher und polnischer Völkerrechtler nahmen von Seiten des MPIL Fritz Münch und mein Vater teil,[40] der dazu in seinem Tagebuch notierte:

„Es war sehr aufschlussreich und verlief im großen und ganzen ganz angenehm. Natürlich lässt sich die Geschichte der jüngeren Vergangenheit nicht vergessen, sie wirkt in die Gegenwart hinein, aber es sind vielleicht doch Chancen für mehr Verstehen und eine begrenzte Kooperation vorhanden.“[41]

Deutsch-polnisches Völkerrechtskolloquium in Gummersbach 1972. Rudolf Bernhardt fünfter von links.[42]

Die in der Folgezeit von meinem Vater federführend mit organisierte Serie deutsch-polnischer Völkerrechts-Kolloquien, deren erstes 1974 bei Warschau und zweites 1976 in Heidelberg stattfand, flankierte mit der Klärung von Rechtsfragen faktisch die Ostpolitik der sozialliberalen Regierung und enthielte somit natürlich eine allgemein- und wissenschaftspolitische Komponente. So wurde der Konferenz 1974 in Warschau explizit „auch eine politische Bedeutung beigemessen“ (…). „Bei einem Empfang des deutschen Botschafters in Warschau aus Anlass des Treffens war eine größere Anzahl polnischer Gäste u.a. aus verschiedenen Ministerien anzutreffen“. [43] Ausweislich der Tagungsprogramme nahm die rechtliche Seite wirtschaftlicher Kooperation eine herausgehobene Stellung ein, aber auch kontroverse Themen wurden diskutiert, zum Beispiel auf der Tagung 1974 Fragen des polnischen Staatsangehörigkeitsrechts.[44]

Empfang beim deutsch-polnischen völkerrechtlichen Kolloquium 1984 in München. Rudolf Bernhardt zweiter von rechts.[45]

Die zwischen 1982 und 1990 durchgeführten bilateralen Konferenzen mit sowjetischen Völkerrechtlern, die ebenfalls von meinem Vater mit angestoßen wurden, waren politisch und organisatorisch noch komplizierter und erforderten eine manchmal mühsame Abstimmung mit Stellen im Auswärtigen Amt und der Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft.[46]
Die Initiative für die Kolloquien und die privaten Aufzeichnungen machen unter anderem deutlich, dass mein Vater einerseits keine Berührungsängste gegenüber Kollegen aus sozialistischen Staaten hegte, noch etwa aus seiner Kriegsgefangenschaft herrührende Ressentiments gegenüber der Sowjetunion. Vielmehr förderte er den fachlichen Austausch, der mit polnischen Kollegen zu vertrauensvoller Zusammenarbeit gedieh, sich hingegen mit den Gesprächspartnern aus der Sowjetunion beziehungsweise Russland wegen grundlegender fachlich-rechtspolitischer Differenzen letztlich in Grenzen hielt.

Fazit

Insgesamt belegen die hier beleuchteten drei „Schlaglichter“ die auch von Kollegen erinnerte eher zurückhaltende, abwägende und dialogorientierte Haltung meines Vaters auch über grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten hinweg.[47] Und offensichtlich war die gemeinsame Erforschung des Völkerrechts am Institut inhaltlich wie fachkulturell tragfähig genug, die sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten und konträren Positionen in den hier betrachteten bewegten Zeiten der 1950er bis 1980er Jahre zusammenzuhalten.
Die Fragestellungen und Ergebnisse dieses Beitrags sind primär aus meiner Perspektive als Geschichtswissenschaftler formuliert und fußen wesentlich auf schriftlichen Dokumenten, kaum jedoch auf direkten mündlichen Auskünften zu Lebzeiten meines Vaters. Die andere, hier nicht verfolgte Perspektive meiner privaten Erinnerungen als Sohn Rudolf Bernhardts, aber auch die von Partner*innen und Kindern anderer Institutsmitarbeiter – immerhin eine Gruppe von mehreren hundert bis tausend Personen über inzwischen viele Jahrzehnte hinweg – würden andere, ebenfalls interessante Facetten der Institutsgeschichte eröffnen. Das Erleben und Erinnern von Arbeitsbelastungen, Ortswechseln, am Familientisch kurz angesprochenen Namen, Institutionen, Sachverhalten und Konflikten ließen sich zu einem ganz eigenen Wörterbuch von Institutsthemen und Erfahrungen zusammenführen.

***

Der vorliegende Beitrag schreibt meine Vorträge zum gleichen Thema auf der Akademischen Gedenkfeier für meinen Vater am 23. Oktober 2022 und auf dem Seminar Kriegsfolgenbewältigung und Westintegration der Seminarreihe 100 Jahre öffentliches Recht am 22. Februar 2024 (beide am MPIL) sowie den in Fußnote 6 genannten Aufsatz fort.

[1] Vgl. die autobiographische Skizze Rudolf Bernhardt, Staatsrecht im internationalen Verbund, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart58 (2010), 337-351; jetzt auch: Eckart Klein, Rudolf Bernhardt (1925-2021), in: Michael Kilian/Heinrich Amadeus Wolff/Peter Häberle (Hrsg.), Staatsrechtslehrer des 20. Jahrhunderts. Nachtragsband Deutschland-Österreich-Schweiz, Berlin: De Gruyter 2024, 35-57.

[2] Vgl. Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzepte. Herman Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Berlin: Springer 2017; Karl Doehring, Von der Weimarer Republik zur Europäischen Union – Erinnerungen, Berlin: Wolf Jobst Siedler Verlag 2008.

[3] Vgl. z.B. den Beitrag von Frank Schorkopf, Grundrechtsschutz in den Gemeinschaften, MPIL100.de.

[4] Rudolf Bernhardt, Tagebuchaufzeichnungen aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1945-1947, herausgegeben und mit einem Nachwort von Christoph Bernhardt, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2024.

[5] Notizen im Tagebuch, Sammlung Rudolf Bernhardt, Familienarchiv Bernhardt.

[6] Vgl. Bernhardt, Tagebuchaufzeichnungen (Fn. 4), 103-106; Christoph Bernhardt, Die Tagebuchaufzeichnungen Rudolf Bernhardts aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft 1945-1947, in: Bernhardt, Tagebuchaufzeichnungen (Fn. 4), 127-145, 136.

[7] Bernhardt, Tagebuchaufzeichnungen (Fn. 4), 142.

[8] Eine solche „Nicht-Thematisierung“ oder jahrzehntelang verzögerte Verarbeitung ist nach den Erkenntnissen der Forschung durchaus typisch für den Umgang vieler Kriegsgefangener mit Ihren Erlebnissen, vgl. Bernhardt, Tagebuchaufzeichnungen (Fn. 4), 138-139.

[9] Bernhardt, Tagebuchaufzeichnungen (Fn. 4), 138-139.

[10] So die Formulierung von Rebenich über die persönliche Verarbeitung der Kriegserlebnisse der prominenten Historiker und Altersgenossen meines Vaters Karl Christ und Reinhard Koselleck: Stefan Rebenich, Karl Christs Lebensmosaik. Die Schreie der Niedergewalzten gellten noch lange, FAZ 19.12.2023.

[11] So vertrat er auch nachdrücklich die Überzeugung, „dass die Völkerrechtswissenschaft keine nationale, sondern eine internationale Wissenschaft sei“: Rudolf Bernhardt/Karin Oellers-Frahm, Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Geschichte und Entwicklung von 1949 bis 2013, Beiträge zum öffentlichen Recht und Völkerrecht, Bd. 270, Berlin: Springer 2018, 148.

[12] Thomas Buergenthal, Laudatio: Rudolf Bernhardt – Leben und Werk, ZaöRV 65 (2005), 519–524, 519.

[13] Heinz Bude, Deutsche Karrieren. Lebenskonstruktionen sozialer Aufsteiger aus der Falkhelfer-Generation, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1987.

[14] Helmut Schelsky, Die skeptische Generation. Eine Soziologie der deutschen Jugend, Düsseldorf/Köln: Eugen Diederichs Verlag 1957; vgl. auch Bude (Fn. 13), 43.

[15] Vgl. Bernhardt, Tagebuchaufzeichnungen (Fn. 4), 102-103.

[16] Bude (Fn. 13), 33; vgl. auch Rebenich (Fn. 10).

[17] Notizheft Rudolf Bernhardt: Exzerpte aus dem Wintersemester 1948/49, Familienarchiv Bernhardt.

[18] Vgl. Bernhardt, Staatsrecht (Fn. 1), 339-340.

[19] Foto: Familienarchiv Bernhardt.

[20] Bernhardt, Staatsrecht (Fn. 1), 339-340.

[21] Rudolf Bernhardt, Notiz vom 22.1.1968, Tagebuch II, Familienarchiv Bernhardt.

[22] Bernhardt, Staatsrecht (Fn. 1), 339.

[23] Rudolf Bernhardt, Notiz vom 14.8.1969, Tagebuch III, Familienarchiv Bernhardt; vgl. als Rückblick zur Situation an der Fakultät aus der Sicht des 1967 als Professor für Bürgerliches Recht und Rechtsgeschichte berufenen Bernhard Diestelkamp, Schmerzhafter Umbruch. 1968 im Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität, Forschung Frankfurt.  Das Wissenschaftsmagazin der Goethe-Universität 1 (2018), 27-30.

[24] Die Bildrechte haben sich trotz intensiver Recherche u.a. bei der Deutschen Universitätszeitung und dem Foto-Archiv der Süddeutschen Zeitung nicht klären lassen. Für weitere Hinweise wären wir dankbar.

[25] Rudolf Bernhardt, Eigenheiten und Ziele der Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht, ZaöRV 24 (1964), 431-452, 444.

[26] Vgl. Alexandra Kemmerer, Praktiker des Wortes. Fritz Bauer und die Kritische Justiz, in: Katharina Rauschenberger/Sybille Steinbacher (Hrsg.), Fritz Bauer und ‘Achtundsechzig’. Positionen zu den Umbrüchen in Justiz, Politik und Gesellschaft, Studien zur Geschichte und Wirkung des Holocaust, Bd. 3, Göttingen: Wallstein 2020, 121-142,123ff.

[27] Bernhardt, Staatsrecht (Fn. 1), 339.

[28] Rudolf Bernhardt, Notstand und Verfassung. Wer soll in welcher Situation welche Maßnahmen ergreifen dürfen?, FAZ 22.2.1966, 9-10.

[29] Vgl. Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, Protokoll 4: öffentliche Informationssitzung des Rechtsausschusses und des Innenausschusses am 7. Dezember 1967; ich danke Tim Wihl, dass er mir diese Quellen zugänglich gemacht hat.

[30] Vgl. dazu die auf einen anderen Fall bezogene Anmerkung von Frank Schorkopf, Grundrechtsschutz in den Gemeinschaften, MPIL100.de, sowie die Sichtweise meines Vaters auf diesen Sachverhalt in: Rudolf Bernhardt, Gruppenarbeit und Einzelleistung in Völkerrecht und Rechtsvergleichung, Mitteilungen der Max-Planck-Gesellschaft (1970), 301-313.

[31] Wiethölter wieder zu kaufen: Kritik des Rechts, ZEIT 18/1986, 25.4.1986, zitiert nach ZEIT Online.

[32] Rudolf Wiethölter, Rechtswissenschaft, unter Mitarbeit von Rudolf Bernhardt und Erhard Denninger, Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag 1968.

[33] Wiethölter (Fn. 32), 9-10.

[34] Vgl. die Ausführungen zu Wiethölter, Denninger und dem Funkkolleg-Band bei Diestelkamp (Fn. 23), 27-28.

[35]  Diestelkamp (Fn. 23), 27-28.

[36] Vgl. als Zwischenbilanz mit dem Fokus auf der Reform der Universitäten: Rudolf Bernhardt: Reform oder Anarchie? Zur Situation an den deutschen Universitäten, Zeitwende. Kultur, Theologie, Politik 43 (1972), 215-227.

[37] Vgl. Otto Köhler, Schweine und Esel, Der Spiegel 21 (1961).

[38] So jedenfalls der Eintrag in der Wikipedia-Enzyklopädie zu Münch, letzter Aufruf 23.5.2024; der Nachruf von Karl Doehring in der ZaöRV spricht diese Sachverhalte nicht an:  Karl Doehring, Fritz Münch 1906-1995, ZaöRV 55 (1995), 949-950.

[39] So, nach Lange, Armin von Bogdandy/Philipp Glahé, Alles ganz einfach? Zwei verlorene Weltkriege als roter Faden der Institutsgeschichte, MPIL100.de.

[40] Vgl.: Liste der Teilnehmer von deutscher Seite in Kolloquium polnischer und deutscher Völkerrechtler, 14.-16.1.1972, Ordner „Polen“, Nachlass Rudolf Bernhardt, Max-Planck-Archiv Berlin, III. Abteilung, ZA 221.

[41] Rudolf Bernhardt, Notiz vom 18.1.1972, Tagebuch III, Familienarchiv Bernhardt.

[42] Foto: Familienarchiv Bernhardt. Zur Tagung selbst: Deutsch-polnisches Völkerrechtskolloquium 1972. Referate deutscher und polnischer Völkerrechtler auf der Tagung vom 14. bis 16. Januar 1972 in der Theodor-Heuss-Akademie, Frankfurt am Main: Athenäum Verlag 1972.

[43] Vgl.: Rudolf Bernhardt, Bericht über den Verlauf des Treffens polnischer und deutscher Juristen vom 16.-19. September in Radziejowice bei Warschau, 9.10.1974, Ordner „Polen“, Nachlass Rudolf Bernhardt, Max-Planck-Archiv Berlin, III. Abteilung, ZA 221, 3-4.

[44] Bernhardt, Bericht (Fn. 43), 1-2.

[45] Foto: Familienarchiv Bernhardt. Außerdem haben sich auf dem Foto, dank Jerzy Kranz, identifizieren lassen: links neben Bernhardt: Janusz Łętowski, Marian Rybicki (fünfter von rechts), Miroslaw Wyrzykowski (dritter von links).

[46] Vgl. die Schriftwechsel im Ordner „Sowjetunion“, Nachlass Rudolf Bernhardt, Max-Planck-Archiv Berlin, III. Abteilung, ZA 221.z.B

[47] Vgl. etwa die Kurznotiz „Rudolf Bernhardt 90“, FAZ 29.4.2015.

‘Annotated Echoes’: Unveiling the Secrets of Nathaniel Bacon’s Historicall Discourse Copy at MPIL

In the hallowed halls of the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law (MPIL) rests a treasure, a copy of Nathaniel Bacon’s An Historicall Discourse of the Uniformity of the Government of England. The First Part. From the first Times till the Reign of Edward the third. The Continuation of an Historicall Discourse of the Government of England, until the end of the Reign of Queen Elizabeth. With a Preface, being a Vindication of the ancient way of Parliaments in England. This rare find, dating back to 1672, has not only withstood the test of time but has also borne witness to the tumultuous history that surrounded its publication. Nathaniel Bacon, a presbyterian Member of Parliament for Cambridge University during the Long Parliament, penned this historic discourse during a period of intense political strife. Published in two parts, the first covering the early times till the reign of Edward III and the second continuing until the end of Queen Elizabeth’s reign, Bacon’s work stands as a testament to the challenges faced by dissenting voices during this period.

Bacon’s Bold Escape: Navigating Censorship, Prosecutions, and Secret Reprintings in the Battle for Enduring Ideas

Nathaniel Bacon (1593 – 1660)[1]

Bacon’s name is only attributed to the second part, suggesting a strategic move to avoid punishment. In a climate of strong censorship, this was a prudent tactic to protect the book from being seized and burnt. Joseph A. Dane’s insights into the bibliographical history shed light on the deliberate steps taken to safeguard this radical text. The copies of Bacon’s work faced numerous challenges, with attempts by Charles II’s government to suppress it leading to prosecutions of printers like John Starkey: in 1672, a privately reprinted work faced government prosecution upon discovery, leading to the vigorous persecution of both the publisher and the book. The government’s actions resulted in the confiscation and burning of numerous copies. The scarcity of this edition is emphasized in a passage by bookseller Starkey in the preface to the 1689 folio edition. However, despite such efforts of censorship, the work resurfaced through secret reprintings and editions during crucial periods such as the exclusion crisis and the revolution of 1689. Its endurance into the eighteenth century speaks to the enduring impact of Bacon’s ideas.

Bridging Centuries: Unravelling Mysteries Through Annotated Pages – The Enigmatic Legacy of Christopher Alderson Calvert’s Copy of Bacon’s Work

The Institute’s copy, acquired by the MPIL on August 14, 1986, holds a unique significance due to its rich annotations. Previously owned by Christopher Alderson Calvert (1811-1883), a figure intricately woven into Canterbury’s historical fabric, the annotations provide a fascinating window into the intellectual landscape of the nineteenth century. Calvert emerged as a prominent figure recurrently documented in the annals of Canterbury. His multifaceted contributions spanned various pivotal roles, including serving as the Canterbury Association secretary and later assuming the position of registrar of the Canterbury Supreme Court in 1860. Calvert’s annotations cover a broad spectrum, delving into contemporary events of the 19th century. However, the mystery lies in the numerous annotations that extend beyond Calvert’s lifetime, some even reaching into the 1920s. Some annotations appear in pen, although the vast majority are in pencil, at various points other annotators’ handwriting can be seen to differ from Calvert’s. This raises questions about additional readers and their contributions to the discourse surrounding Bacon’s work. As a heavily annotated copy, the MPIL’s volume offers a unique perspective on the evolving interpretations of Bacon’s text over time. The intricate layers of commentary, spanning centuries, enhance the book’s historical richness and contribute to the ongoing dialogue on constitutional history, radical republicanism, and the ‘Whig Interpretation of History’. As we delve into its pages, we are reminded to cross borders, trespass into historical narratives, and go beyond the confines of traditional interpretations.

Unveiling Legal History: Charting Paths for Legal Thought and Practice with the Heisenberg Project

In a manner akin to how Bacon’s treatises serve as a portal to the constitutional and political discourses prevalent in early modern England, Hugo Grotius’ foundational work and landmark seminal On the Rights of War and Peace (De iure belli ac pacis, IBP) established the bedrock for contemporary international law. The Heisenberg Project, titled “The Unseen History of International Law: A Census Bibliography of Hugo Grotius’s De iure belli ac pacis” aims to illuminate a previously unexplored facet of international law’s history through a comprehensive examination of all surviving copies of the first ten editions of Hugo Grotius’ IBP, with the goal of publishing a detailed census bibliography by 2025. This date marks the 400th anniversary of IBP’s inaugural publication, a work that has been foundational to the development of modern international law since its first edition in 1625. By systemizing the annotations made by statesmen, diplomats, and scholars over four centuries, the project seeks to uncover the rich tapestry of engagements with IBP. This endeavour not only promises to shed light on the text’s profound influence and reception but also aims to redefine our understanding of international law’s historical evolution by tracing the dissemination, interpretation, and adaptation of IBP across different epochs and geographies.

The integration of legal scholars’ findings such as those of the Heisenberg Project not only augments our comprehension of Bacon’s contributions, but also embeds them within the broader tapestry of legal historiography. This interplay between continuity and transformation in legal scholarship, and its influence on the development of legal and political institutions, underscores the pivotal role of historical legal documents in both deciphering historical contexts and addressing current legal quandaries and discussions.

Guardians of Legal Heritage: The MPIL Library Separata’s Enduring Role in Preserving and Propelling Legal Scholarship

The MPIL’s rare books collection before 2010[2]

The pivotal role of historical legal documents has long stood at the forefront of legal scholarship at the MPIL, not only through its pioneering research initiatives but also by virtue of its remarkable library. This library, with its extensive collection of over 725,000 volumes, including approximately 1000 precious works printed before the 19th century (stored separately as “Separata”) embodies the Institute’s dedication to the comprehensive study of legal history and its nuances. The acquisition and preservation of antiquarian books, such as the annotated copy of Nathaniel Bacon’s An Historicall Discourse and the foundational texts by Hugo Grotius such as IBP, allow scholars to study and understand the evolution of legal thought from its early modern roots to its contemporary manifestations. The integration of these historical texts into the MPIL’s library collection, particularly those acquired as early as 1926, underscores the Institute’s role in safeguarding the intellectual heritage of legal scholarship. This endeavour is not merely archival but serves as a vital conduit for contemporary legal research and discourse. The presence of works annotated by figures such as Christopher Alderson Calvert, and the continuity in the purchase of antique books evidenced by the library’s evolving stamps, from its early days in Berlin to its current home in Heidelberg, highlight the dynamic interplay between past and present legal thought. The library’s efforts to maintain a collection that spans the breadth of legal history, including the acquisition of early modern books during periods of heightened scholarly interest, reflect an acknowledgment of the profound impact these works have on contemporary legal theory and practice. The MPIL’s library, with its blend of historical and modern legal texts, thus stands as a testament to the enduring relevance of historical legal scholarship and its influence on the ongoing evolution of legal thought and jurisprudence. This expanded focus not only enriches our appreciation of Bacon’s An Historicall Discourse but also situates it within a living tradition of legal scholarship that continues to inform and shape the discourse on constitutional history, radical republicanism, and the interpretation of legal history.

[1] Image: public domain.

[2] Photo: Miriam Aziz.

„Aus dem sozialistischen Paradies verstoßen“. Das Institut und die Sowjetunion

"Cast out of Socialist Paradise". The Institute and the Soviet Union

Deutsch

Das Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht und die Sowjetunion waren praktisch Zeitgenossen. Die Sowjetunion wurde am 30. Dezember 1922 gegründet, das Kaiser‑Wilhelm‑Institut (KWI) nur zwei Jahre später. Da Deutschland zwischen Westeuropa und Russland liegt, war man in Berlin immer auch interessiert daran, wie im Osten Völkerrecht praktiziert und gedacht wurde. Das russische Kaiserreich und später die Sowjetunion haben das weltpolitische Schicksal Deutschlands mehrmals mitbestimmt. Das akademische Interesse am sowjetischen Völkerrecht war somit ernsthaft und keineswegs nur theoretisch: die praktische Relevanz des Forschungsgegenstandes war evident.

In den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern und Entwicklungsphasen des Instituts haben die sowjetische Praxis und Theorie des Völkerrechts die Berliner und später Heidelberger Völkerrechtler oft beschäftigt. In den 1920er-1940er Jahren gehörten zum Institut gleich mehrere Wissenschaftler aus dem ehemaligen Zarenreich: Alexander Makarov (1888-1973), Georg von Gretschaninow (1892-1973), aber auch der Sohn des berühmten russischen Völkerrechtlers Friedrich Martens, Nikolai von Martens (1880-1947). Makarov beispielsweise hat mehrmals in der Haager Akademie Vorlesungen gehalten – vor allem zum internationalen Privatrecht, auch zu dem der UdSSR, die viele alte („bürgerliche“) Rechtsgrundsätze, vor allem bezüglich des Privateigentums, abgelehnt und abgeschafft hatte. Auch in den deutschen Völkerrechtszeitschriften kommentierte Makarov mehrmals die Völkerrechtsentwicklungen in und bezüglich der Sowjetunion – unter anderem, als die Sowjetunion die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen im August 1940 völkerrechtswidrig eingliederte. Die Geheimprotokolle des Hitler-Stalin-Paktes vom 23. August 1939 waren damals noch nicht öffentlich bekannt.

Alexander N. Makarov 1985[1]

In den 1920er und 1930er Jahren entwickelte sich ein Sondergebiet der Rechtswissenschaft in Deutschland – das Ostrecht.  Dieses Forschungsgebiet wurde vom KWI in Berlin kaum als besonders ausgewiesener Forschungsschwerpunkt bearbeitet, hier war das Osteuropa-Institut in Breslau (heute Wroclaw in Polen) führend im deutschsprachigen Raum. Es waren auch meistens Juristen, die im ehemaligen Zarenreich geboren waren, die in den deutschen Forschungsinstituten im Ostrecht führend waren. Zum Beispiel kamen sowohl Axel Freytagh‑Loringhoven (der Leiter des Breslauer Instituts) als auch Boris Meissner (in der Nachkriegszeit Leiter des Kölner Instituts für Ostrecht) aus Estland, dem kleinen Nachfolgestaat des Zarenimperiums an der Ostsee. Meistens hatten diese Professoren wenig Illusionen über das Wesen und die juristische Praxis der Sowjetunion, aber sorgfältig erforscht wurde das juristische Geschehen dennoch. Das KWI hat aber auch bis 1933 mit Jacob Robinson (1889-1977), einem jüdischen Rechtswissenschaftler aus Litauen, der durch seine Forschung des Minderheitenproblems bekannt wurde, zusammengearbeitet.

‘Ostrechtsforschung‘ am MPIL: Theodor Schweisfurth und die sowjetmarxistische Theorie vom Völkerrecht ‚neuen Typs‘

Theodor Schweisfurth in seinem Büro, 1985 [2]

Eines der besten deutschsprachigen wissenschaftlichen Werke zur Theorie des Völkerrechts in der Sowjetunion entstand jedoch am Heidelberger MPIL. Im Jahre 1979 erschien in der Schwarzen Reihe Theodor Schweisfurths Monografie Sozialistisches Völkerrecht? Darstellung – Analyse – Wertung der sowjetmarxistischen Theorie vom Völkerrecht ’neuen Typs’.[3] Das Manuskript wurde als Habilitationsschrift an der Universität Köln verteidigt und vom bereits erwähnten Boris Meissner akademisch betreut. Schweisfurth war aber auch von 1973 bis 1993 am Heidelberger MPIL tätig. Die Hauptfrage, die er in seinem Buch stellt, ist, ob die sowjetische Doktrin des besonderen sozialistischen Völkerrechts ernst zu nehmen sei und welche Bedeutung sie habe. Schweisfurth hatte hierzu in Moskau in sowjetischen wissenschaftlichen Bibliotheken arbeiten können und war insofern fachlich sehr gut vorbereitet. Schweisfurth zeigt in seinem Buch überzeugend, wie die sowjetische Völkerrechtsdoktrin im Grunde immer die Bedürfnisse der sowjetischen Außenpolitik gestützt hat. Als sich die territorialen und machtpolitischen Bedürfnisse Moskaus mit der Zeit änderten, habe meistens auch die völkerrechtliche Doktrin reagiert und sich dementsprechend geändert. Schweisfurth ist sehr gut gelungen, das Wesen der Theorie des ’sozialistischen Völkerrechts’ mit der Hegemoniebildung der Sowjetunion in Ost- und Mitteleuropa zu verknüpfen. Der realpolitische Kern des ’sozialistischen Völkerrechts’ bestand darin, dass die völkerrechtliche Theorie der Sowjetunion es ermöglichte, deren militärische Interventionen in Ungarn (1956) und in der Tschechoslowakei (1968) irgendwie zu rechtfertigen.  Für die sozialistischen Staaten galt ein besonderes Völkerrecht – das sozialistische Völkerrecht – das (aus sowjetischer Sicht) nicht nur Vorrang hatte gegenüber den Normen des universellen Völkerrechts, sondern auch Pflichten beinhaltete. Insbesondere galt die gemeinsame Verpflichtung, zu vermeiden, dass ein sozialistischer Staat in den Kapitalismus ‚zurückfallen‘ könnte. Mit den Normen des universellen Völkerrechts (UN-Charta) waren diese sowjetische Praxis und die damit verbundenen Hegemonieansprüche aber kaum vereinbar, was auch die Konkurrenten der UdSSR, damals sehr deutlich die Volksrepublik China, immer betont haben.

Deutsch-sowjetische Forschungskooperation: die Völkerrechtskolloquien der 1980er Jahre

Ein besonderes Kapitel in der Geschichte des MPIL sind die sowjetisch-deutschen völkerrechtlichen Kolloquien. Die erste dieser Veranstaltungen fand vom 5. bis 10. Juli 1982 in Heidelberg statt; danach wurden sie etwa alle zwei Jahre abwechselnd in der UdSSR (meistens in Moskau) und in Deutschland abgehalten. Mein späterer Doktorvater an der Humboldt‑Universität zu Berlin, damals noch Professor in Bonn, Christian Tomuschat, konnte am ersten Kolloquium nicht teilnehmen. Er drückte in einem persönlichen Brief gegenüber dem Institutsdirektor Rudolf Bernhardt die Hoffnung aus, dass beim Kolloquium ein erfreuliches Arbeitsklima geherrscht habe:

„Auch Sowjetmenschen sind ja letzten Endes von innerer Freude durchdrungen, wenn sie für eine kleine Weile aus dem sozialistischen Paradies verstoßen werden und die Erniedrigung des Menschen im kapitalistischen System auf sich nehmen müssen.“[4]

Das zweite gemeinsame Völkerrechtskolloquium fand schon vom 16. bis 22. Oktober 1984 in Moskau und Leningrad (heute: Sankt Petersburg) statt. Es waren nicht nur führende sowjetrussische Völkerrechtler wie Grigori Tunkin dabei, sondern auch Völkerrechtler, die symbolisch die sonstigen Sowjetrepubliken vertreten sollten – Levan Aleksidze (Georgien), Igor Lukashuk (Ukraine) und Rein Müllerson (Estland). Wilhelm Karl Geck, ein deutscher Teilnehmer schrieb nach dem Kolloquium dem MPIL-Direktor Rudolf Bernhardt in einem persönlichen Brief vom 26. September 1984 anerkennend:

 „Für Sie war die Sache ja auch deshalb besonders anstrengend, weil Sie auf die verschiedenen Reden der sowjetischen Herren reagieren mussten, was bei den obwaltenden Umständen nicht ganz einfach war. Auch im Rückblick glaube ich, dass sich die deutsche Seite gut gehalten hat: Ohne dezidiertes Eingehen auf Details bei sowjetischen Angriffen kam der grundsätzlich andere Standpunkt in wesentlichen Facetten zum Ausdruck.“

Wenn man die sowjetischen Jahrbücher für Völkerrecht der frühen 1980er Jahre (Herausgeber: Grigori Tunkin) durchblättert, sieht man, dass der Kalte Krieg in vollem Gange und die ideologische Gegnerschaft, auch auf dem Gebiet der Völkerrechtstheorie, erbittert war. In seinem 2012 publizierten Tagebuch zählt Tunkin auf, wer von den deutschen Völkerrechtlern dabei war als er das MPIL in Heidelberg besuchte und dort eine Vorlesung hielt; insbesondere erwähnt er auch seine „reaktionären“ Gegner – vor allem Boris Meissner.[5]

Das dritte Kolloquium fand vom 4. bis 8. Mai 1987 in Kiel statt. Bei den ersten beiden Kolloquien war es um diverse Themen des Völkerrechts gegangen, aber jetzt war es wohl der Einfluss des späteren MPIL-Direktors Rüdiger Wolfrum, der dafür sorgte, dass man sich für ein genauer umrissenes Generalthema entschied: Völkerrecht und Landesrecht. Aus dem Kolloquium ist auch ein Sammelband entstanden.[6]

Man kann sich fragen, was die DDR-Völkerrechtler(innen) von den deutsch‑sowjetischen Kolloquien gedacht haben mögen und ob sie so etwas wie eine gewisse politisch‑wissenschaftliche Eifersucht empfunden haben. Führende DDR-Völkerrechtler, wie zum Beispiel Bernhard Graefrath und Peter Alfons Steiniger, hatten wohl keinen Grund, in einer möglichen Annäherung der sowjetischen und westlichen Positionen etwas eindeutig Positives für die DDR zu sehen. Sicherlich hat auch nicht jeder Völkerrechtler in der Sowjetunion mit Freude auf die Kolloquien geblickt – so erschien beispielsweise 1986 in Moskau das kritische Buch des sowjetischen Völkerrechtlers Vladimir Pustogarov mit dem Titel Der westdeutsche Revanchismus und das Völkerrecht.[7]

Die deutsch-sowjetischen Völkerrechtskolloquien gaben den deutschen Teilnehmern die Gelegenheit, von der ersten Reihe aus mitzusehen, wie sich die sowjetische Gesellschaft im Rahmen der Perestroika veränderte. Manche Teilnehmer (Rainer Hofmann)[8] erinnern, wie sich die Machtdynamik und Kraftverhältnisse innerhalb der sowjetischen Delegationen mit der Zeit wandelten und dass die jüngeren sowjetischen Völkerrechtler später den älteren manchmal auch widersprachen, was zuvor wohl unerhört gewesen wäre, zumindest vor den westlichen Kollegen.

Vom 29. Mai bis 4. Juni 1989 traf man sich für ein Kolloquium abermals in Moskau– wobei die Deutschen im „Hotel Ukraina“ unterkamen und ihr Mittagessen im „Restaurant Praha“ einnahmen (Moskau war noch immer die Hauptstadt eines Imperiums!). Knapp ein Jahr später kam die Wiedervereinigung Deutschlands im Oktober 1990.

×

Kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion traf man sich ein letztes Mal in Heidelberg. Vom 17. Bis 18. Oktober 1991 setzte man sich mit dem Thema Föderalismus-Verfassungsgerichtsbarkeit auseinander. In ihrer hochinteressanten Monografie Die Konzepte ’staatliche Einheit’ und ’einheitliche Macht’ in der russischen Theorie von Staat und Recht zeigt Caroline von Gall, dass manche russische juristische Autoren den Deutschen später vorwarfen, die Ideologie des Föderalismus, die damals propagiert wurde, habe den machtpolitischen Interessen Russlands geschadet[9]. Mit dem Scheitern eines echten Föderalismus war aber auch die Entscheidung getroffen, dass die russländische Föderation auch nach der Sowjetunion weiterhin ein Quasi-Imperium bleiben sollte, mit allem Negativen, was daraus resultiert, sowohl für die Nachbarstaaten als auch für politisch andersdenkende Russen.

Das Interesse an Russland und dem dortigen Völkerrecht lebt auch heute fort am MPIL – vor allem in der wissenschaftlichen Arbeit von Matthias Hartwig[10], der inzwischen in den Ruhestand eingetreten ist, aber weiter am Institut forscht. Auch jüngere Völkerrechtler am MPIL haben zu diesem Thema interessante Forschung beigetragen.[11] Im Vergleich zu den früheren Jahrzehnten scheint aber die Erforschung der völkerrechtlichen Theorie und Praxis im Osten heutzutage keine strategische Priorität zu sein – was vielleicht, wenn man unter anderem den jetzigen Krieg Russlands gegen Ukraine betrachtet, ein Versäumnis sein könnte.

Das MPIL hat die Sowjetunion überlebt. Ob es aber die besseren völkerrechtlichen Argumente der Deutschen waren, die am Ende auch die sowjetischen Völkerrechtler überzeugten, oder die besseren Konsumgüter im Westen (oder im Kapitalismus), darüber kann man streiten.

***

Der Autor dankt Philipp Glahé und Alexandra Kemmerer für den Zugang zu den Archiven im MPIL, betreffend die Planung und Durchführung der sowjetisch-deutschen Kolloquien.

[1] Foto: MPIL.

[2] Foto: MPIL.

[3] Theodor Schweisfurth, Sozialistisches Völkerrecht? Darstellung – Analyse – Wertung der sowjetmarxistischen Theorie vom Völkerrecht ‚neuen Typs‘, Berlin: Springer 1979.

[4] Schreiben von Christian Tomuschat an Rudolf Bernhardt, datiert 12. Juli 1982, Ordner “Deutsch-Sowjetisches Kolloquium”, MPIL Archiv.

[5] William Elliott Butler (Hrsg.) The Tunkin Lectures: The Diary and Collected Lectures of G. I. Tunkin at the Hague Academy of International Law, Den Haag: Eleven International Publishing 2012.

[6] J. Enno Harders/Grigory I. Tunkin/Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), International Law and Municipal Law. Proceedings of the German-Soviet Colloqui on International Law at the Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel, 4 to 8 May 1987, Berlin: Duncker und Humblot 1988.

[7] Vladimir V. Pustogarov, Zapadno-germanskii revanshizm i mezhdunarodnoe pravo, Moskau: Nauka, 1986.

[8] Persönliches Gespräch bei der Jahrestagung von American Society of International Law, am 6. April 2024.

[9] Caroline von Gall, Die Konzepte ’staatliche Einheit’ und ’einheitliche Macht’ in der russischen Theorie von Staat und Recht. Der Einfluss des Gemeinschaftsideals auf die russische Verfassungsentwicklung, Berlin: Duncker und Humblot 2010.

[10] Siehe z.B.: Matthias Hartwig, Vom Dialog zum Disput? Verfassungsrecht vs Europäische Menschenrechtskonvention. – Der Fall der Russländischen Föderation, Europäische Grundrechtezeitschrift 44 (2017), 1-23.

[11] Siehe z.B.: Christian Marxsen, The Crimea Crisis. An International Law Perspective, ZaÖRV 74 (2014), 377-391.

English

The Institute for Comparative Public Law and International Law and the Soviet Union were practically contemporaries. The Soviet Union was founded on 30 December 1922, the Kaiser Wilhelm Institute (KWI) only two years later. As Germany is located between Western Europe and Russia, in Berlin, one was always interested in how international law was practiced and thought about in the East. After all, the Russian Empire and later the Soviet Union helped determine Germany’s global political fate on several occasions. Academic interest in Soviet international law was therefore serious and by no means merely theoretical: the practical relevance of the subject was evident.

In the various fields of activity and phases of development of the Institute, Soviet practice and theory of international law often occupied the international law scholars in Berlin and later Heidelberg. In the 1920s-1940s, the Institute housed several academics from the former Tsarist Empire: Alexander Makarov (1888‑1973), Georg von Gretschaninow (1892‑1973), but also the son of the famous Russian international law expert Friedrich Martens, Nikolai von Martens (1880‑1947). Makarov, for example, gave several lectures at the Hague Academy – above all on private international law, including that of the USSR, which had rejected and abolished many old (“bourgeois”) legal principles, especially with regard to private property. Makarov also commented several times in German international law journals on developments in international law in and concerning the Soviet Union – including when the Soviet Union annexed the three Baltic states of Estonia, Latvia, and Lithuania in August 1940 in violation of international law. The secret protocols of the Hitler-Stalin Pact of 23 August 1939 were not yet known to the public at the time.

Alexander N. Makarov 1985[1]

In the 1920s and 1930s, a novel field of legal research developed in Germany – ‘East European Law’ (Ostrecht). The Kaiser Wilhelm Institute in Berlin hardly focused on this field as a special research area. Here, the Osteuropa-Institut in Breslau (now Wroclaw in Poland) was the leading‑edge in the German‑speaking world. It was also mostly lawyers who were born in the former Tsarist Empire who premiered in the German research institutes in East European law. For example, both Axel Freytagh‑Loringhoven (director of the Breslau Institute) and Boris Meissner (director of the Cologne Institute for East European Law in the post-war period) came from Estonia, the small successor state to the Tsarist Empire on the Baltic Sea. For the most part, these professors had few illusions about the nature and legal practice of the Soviet Union, but the legal developments were nevertheless researched carefully. Until 1933, the KWI also collaborated with Jacob Robinson (1889-1977), a Jewish legal scholar from Lithuania who became famous for his research into minority issues.

‘East European Law Research’ at the MPIL: Theodor Schweisfurth and the Soviet-Marxist Theory of a ‘New Type’ of International Law

Theodor Schweisfurth in his office, 1985[2]

However, one of the best German-language academic works on the theory of international law in the Soviet Union was written at the Heidelberg MPIL. In 1979, Theodor Schweisfurth’s monograph Sozialistisches Völkerrecht? Darstellung – Analyse – Wertung der sowjetmarxistischen Theorie vom Völkerrecht ’neuen Typs’ („Socialist International Law? Description – Analysis – Evaluation of the Soviet‑Marxist Theory of ‘New Type’ International Law”)[3] was published. The manuscript was defended as a habilitation thesis at the University of Cologne and academically supervised by the aforementioned Boris Meissner. Schweisfurth worked at the Heidelberg MPIL from 1973 to 1993. The main question that he poses in his book is whether the Soviet doctrine of a novel socialist international law should be taken seriously and what significance it has. Schweisfurth had been able to work on this in Soviet academic libraries in Moscow and was therefore very well informed in this respect. In his book, Schweisfurth convincingly shows how the Soviet doctrine of international law has essentially always supported the needs of Soviet foreign policy. When Moscow’s territorial and power-political needs changed over time, the doctrine of international law usually reacted and changed accordingly. Schweisfurth succeeded in linking the essence of the theory of ‘socialist international law’ with the formation of Soviet hegemony in Eastern and Central Europe. In terms of Realpolitik, ‘socialist international law’ allowed the Soviet Union to somehow justify its military interventions in Hungary (1956) and Czechoslovakia (1968).  According to Soviet doctrine, the socialist states were subject to a novel international law – socialist international law – which (from the Soviet perspective) not only took precedence over the norms of universal international law but also contained obligations: in particular, the common obligation to prevent a socialist state from ‘falling back’ into capitalism. However, this Soviet practice and the associated claims to hegemony were hardly compatible with the norms of universal international law (UN Charter), which the USSR’s competitors – very noticeably at that time, the People’s Republic of China – continually emphasised.

German-Soviet Research Co-operation: the International Law Colloquia of the 1980s

A significant chapter in the history of the MPIL are the Soviet-German Colloquia on International Law, the first of which took place in Heidelberg from 5 to 10 July 1982. Afterwards, they were held alternately in the USSR (usually in Moscow) and in Germany approximately every two years. Christian Tomuschat, who would later be my doctoral supervisor at the Humboldt University in Berlin, then still a professor in Bonn, was unable to attend the colloquium. In a personal letter to the director of the MPIL, Rudolf Bernhardt, he expressed the hope that a pleasant working atmosphere had prevailed at the colloquium:

“Even Soviet people are ultimately imbued with inner joy when they are cast out of socialist paradise for a little while and have to accept the abasement of human beings in the capitalist system.” [4]

The second joint colloquium on international law took place from 16 to 22 October 1984 in Moscow and Leningrad (today: Saint Petersburg). It was attended not only by leading Soviet‑Russian international law experts such as Grigori Tunkin, but also by international law experts who were to symbolically represent the other Soviet republics – Levan Aleksidze (Georgia), Igor Lukashuk (Ukraine) and Rein Müllerson (Estonia). Wilhelm Karl Geck, a German participant, expressed his approval to MPIL director Rudolf Bernhardt after the colloquium, in a personal letter from 26 September 1984:

“For you, the matter was surely particularly strenuous because you had to react to the various speeches by the Soviet gentlemen, which was not easy in the prevailing circumstances. Even in retrospect, I believe that the German side held up well: Without detailed rebuttal of Soviet attacks, the fundamentally different point of view was expressed in its essential facets.”

Leafing through the Soviet Yearbooks of International Law from the early 1980s (edited by Grigori Tunkin), it is obvious that the Cold War was in full swing and ideological conflict was fierce, also in the field of international law theory. In his diary, published in 2012, Tunkin lists which German international lawyers were present when he visited the MPIL in Heidelberg and gave a lecture there; in particular, he mentions his ‘reactionary’ opponents – above all Boris Meissner. [5]

The third colloquium took place in Kiel from 4 to 8 May 1987. The first two colloquia had dealt with various topics of international law, but now it was probably the influence of the later MPIL director Rüdiger Wolfrums that led to the decision in favour of a more precisely defined overarching topic: International Law and Municipal Law. The colloquium also resulted in an anthology.[6]

One might ask oneself what the international law experts of the GDR may have thought of the German-Soviet Colloquia and whether they felt something like a political or scientific jealousy. Leading GDR international law experts, e.g. Bernhard Graefrath and Peter Alfons Steiniger, likely had no reason to see a possible convergence of Soviet and Western positions as something clearly positive for the GDR. Likewise, certainly not every international law expert in the Soviet Union looked forward to the colloquia – for example, Soviet international law expert Vladimir Pustogarov published a critical book entitled ‘West German Revanchism and International Law’ in 1986.[7]

The German-Soviet Colloquia on International Law gave the German participants the opportunity to observe from the front row how Soviet society changed in the context of perestroika. Some participants (Rainer Hofmann)[8] recall how the power dynamics and relations within the Soviet delegations changed over time and that the younger Soviet international law experts would in later years sometimes contradict their older counterparts, which would probably have been unheard of in the past, at least in front of Western colleagues.

From 29 May to 4 June 1989, another colloquium was held in Moscow – where the Germans stayed in the “Hotel Ukraina” and had lunch in the “Restaurant Praha” (Moscow was still the capital of an empire!). Less than a year later came the reunification of Germany in October 1990.

×

The last colloquium, shortly before the collapse of the Soviet Union took place from 17 to 18 October 1991in Heidelberg. Here, one discussed the topic of Federalism – Constitutional Jurisdiction. In her highly interesting monograph Die Konzepte ’staatliche Einheit’ und ’einheitliche Macht’ in der russischen Theorie von Staat und Recht (“The concepts of ‘state unity’ and ‘unitary power’ in the Russian theory of state and law”), Caroline von Gall shows that some Russian legal scholars later denounced the Germans because the ideology of federalism, propagated at the time, had supposedly harmed Russia’s power-political interests[9] . With the failure of genuine federalism, however, the decision was also made that the Russian Federation, even after the Soviet Union, would remain a quasi-empire with all the negative consequence this entails, both for the neighbouring states and for Russians with differing political views.

The interest in Russia and its international law lives on at the MPIL even today – especially in the academic work of Matthias Hartwig[10] , who has recently retired but continues to conduct research at the institute. Younger international law scholars at the MPIL have also contributed interesting research on this topic.[11] Compared to earlier decades, however, research into the theory and practice of international law in the East does not seem to be a strategic priority these days – which may be an omission, considering Russia’s current war against Ukraine, among other things.

The MPIL survived the Soviet Union. But whether it was the Germans’ better international law arguments that ultimately convinced the Soviet international law experts or rather better consumer goods in the West (or in capitalism) is debatable.

***

The author would like to thank Philipp Glahé and Alexandra Kemmerer for their kind support in accessing the archives at the MPIL with regard to the planning and organisation of the Soviet‑German Colloquia.

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Photo: MPIL.

[2] Photo: MPIL.

[3] Theodor Schweisfurth, Sozialistisches Völkerrecht? Darstellung – Analyse – Wertung der sowjetmarxistischen Theorie vom Völkerrecht ‚neuen Typs‘, Berlin: Springer 1979.

[4] Letter by Christian Tomuschat to Rudolf Bernhardt, dated 12 July 1982, Folder “Deutsch-Sowjetisches Kolloquium”, MPIL Archive, translated by the editor.

[5] William Elliott Butler (ed.) The Tunkin Lectures: The Diary and Collected Lectures of G. I. Tunkin at the Hague Academy of International Law, The Hague: Eleven International Publishing 2012.

[6] J. Enno Harders/Grigory I. Tunkin/Rüdiger Wolfrum (eds), International Law and Municipal Law. Proceedings of the German-Soviet Colloqui on International Law at the Institut für Internationales Recht an der Universität Kiel, 4 to 8 May 1987, Berlin: Duncker und Humblot 1988.

[7] Vladimir V. Pustogarov, Zapadno-germanskii revanshizm i mezhdunarodnoe pravo, Moscow: Nauka, 1986.

[8] Personal conversation at the Annual Meeting of the American Society of International Law, 6 April 2024.

[9] Caroline von Gall, Die Konzepte ’staatliche Einheit’ und ’einheitliche Macht’ in der russischen Theorie von Staat und Recht. Der Einfluss des Gemeinschaftsideals auf die russische Verfassungsentwicklung, Berlin: Duncker und Humblot 2010.

[10] See e.g.: Matthias Hartwig, Vom Dialog zum Disput? Verfassungsrecht vs Europäische Menschenrechtskonvention. – Der Fall der Russländischen Föderation, Europäische Grundrechtezeitschrift 44 (2017), 1-23.

[11] See e.g.: Christian Marxsen, The Crimea Crisis. An International Law Perspective, HJIL 74 (2014), 377-391.

Friedrich Berber and the Politics of International Law

Intellectually, there is the closest historical connection between the democratic control of foreign policy and the ways in which international law seeks to control the sovereign state.[1]

Friedrich Berber, Sicherheit und Gerechtigkeit, 1934

Friedrich Berber only had a brief affiliation with the Kaiser Wilhelm Institute for Comparative Public Law and International Law (KWI), serving as research fellow (Referent) in international public law in the mid-1930s.[2] Nonetheless, Berber’s activities as a jurist who supported the Nazi regime illustrate important intellectual developments that connected the world of Nazi international law to wider debates in the emerging academic field of international relations. Like other German international lawyers who put their scholarship at the service of the Third Reich, Berber regarded international law as a weapon to be deployed against those who opposed Germany’s foreign policies. What set him apart were his excellent institutional and intellectual connections to English-speaking activists and scholar-politicians. Berber formulated and disseminated critiques of Anglo-American international law that were taken seriously abroad and stand on their own as a contribution to interwar international democratic theory. Berber’s theorising also underpinned his propagandistic activities which consumed most of his energies after 1935. Yet in the mid-1930s, Berber ensured that Nazi jurists were included in liberal internationalist debates on the problems of world order.

Democracy Beyond the Nation State? Beginnings of an Academic Career

Born to Methodist parents, Friedrich (Fritz) Berber completed a law degree in Munich in 1926 before lecturing for one year at a college run by the religious Society of Friends (Quakers) in Birmingham, England. This sojourn became the inspiration for his doctoral thesis on the international legal dimensions of the British Empire, completed at the University of Erlangen in 1928. In 1927, Berber gave a lecture based on his doctoral research at the Deutsche Hochschule für Politik (“German Academy for Politics”) in Berlin. Published in a volume on the crisis of democracy co-edited by Carl Schmitt, Berber’s contribution used the example of the Commonwealth as a voluntary supranational union to illustrate the workings of democracy at a level beyond the nation state.[3] Berber defined democracy loosely as the attempt to ‘anchor human dignity in political institutions’ and praised Britain’s tendency for slow, organic reform, even if such reform had not yet addressed injustices such as India’s colonial status. Quoting the British socialist Harold Laski, Berber affirmed his own faith in the corrective function of public opinion in political life.[4]

In 1930, Berber moved to Berlin and accepted an offer to teach law at the Deutsche Hochschule für Politik. He also gained valuable diplomatic experience when he assisted the KWI’s scientific advisor Erich Kaufmann with representing Danzig at the Permanent Court of International Justice in a dispute with Poland in 1931.[5] In 1932, Berber became director of the newly-created research division at the Hochschule.[6] This promotion meant that he participated in institution-level decisions which involved American philanthropic foundations, as the research division was funded chiefly by the Rockefeller Foundation and the Carnegie Endowment for International Peace.[7] The foundations, closely linked to U.S. political and intellectual elites, were important transatlantic funders of international relations research, which at the time included international law. German scholars had been part of these transatlantic philanthropic networks from the mid-1920s and were highly regarded both for the calibre of their scholarship and for the way in which they managed to funnel scholarly expertise into the policy-making process.

The KWI, whose jurists furnished legal opinions that helped both the Weimar and the Nazi government to push for a revision of the Versailles system, is a case in point. In the late 1920s, the Institute served as a model for U.S. scholars seeking to persuade their own government to take advantage of academic legal expertise. Edwin M. Borchard, a professor of international law at Yale University, singled out the KWI as the most promising among a dozen institutions for the study of international law and international relations in Europe and North America. In a letter to the U.S. State Department, Borchard highlighted that the KWI conducted research for the German Foreign Office, as well as scientific, business and labor organizations, and argued that the State Department would also benefit from ‘an organization that can be called on for scientific aid in the solution of legal and possibly practical problems.’[8] Borchard’s positive evaluation eventually fed into the 1935 creation of the Yale Institute of International Studies.[9] At the beginning of the 1930s, the Rockefeller Foundation even contemplated making a substantial grant to the KWI and transforming it into a European centre for the study of international law and international relations.[10] While the project never progressed beyond its early stages, the plans highlight the excellent institutional reputation that the KWI enjoyed in the Anglophone world, in addition to the scholarly appreciation that has already been highlighted by Gabriela Frei.

“Security and Justice”. Friedrich Berber and the Third Reich

Neighbours: The Berlin Palace, which housed the Institute, and at the top of the photo, behind the dome, the Bauakademie, premises of the Hochschule für Politik, (photo 1920) [11]

After the Nazis seized power in 1933, the transatlantic connections linking American scholars and foundations to German institutions for the study of international law and international relations were ruptured. Many German scholars went into exile, often with financial assistance from U.S. foundations, while foreign funding for German academic institutions dried up.[12] Berber, although previously not a supporter of the Nazis, decided to stay. He discussed the matter with a Quaker friend during a visit to England in April 1933 and resolved to work with rather than against the regime. After Goebbels’ Propaganda Ministry took over the Hochschule in April 1933, Berber initially lost his position as research director. However, by summer 1934 he was leading a new department for international law and international relations at the Hochschule, the Deutsche Zentralstelle für das Studium der internationalen Beziehungen (“German centre for the study of international relations”). Berber also became a protégé of Joachim von Ribbentrop, and the acting director of the Hamburg Institut für Auswärtige Politik (“Institute for Foreign Policy”) in 1935. On Ribbentrop’s orders, Berber transferred the institute to Berlin in 1937 and merged it with his own research division into the Deutsches Institut für Außenpolitische Forschung (“German Institute for Research on Foreign Policy”), chiefly a propaganda-generating research unit. He also assumed a university chair in Berlin in that year.[13]

Among German jurists who did not lose their academic posts, Berber was far from unique in his support for the expansionist course of the regime. Scholars at the KWI did the same, in close cooperation with the Foreign Office, as Rüdiger Hachtmann has argued. The ethos of the KWI as an advisory office for government officials must have been congenial to Berber whose 1934 monograph Sicherheit und Gerechtigkeit (“Security and Justice”) made the case for an approach to international law that put itself at the service of politicians, developing a ‘politics of international law’ (Völkerrechtspolitik) which would provide rationally justified recommendations for action.[14] Berber consciously wrote his book for a wider audience, both in Nazi Germany and in the Anglophone liberal democracies. He succeeded in gaining recognition for it, even if some Nazi jurists were highly critical ofSicherheit und Gerechtigkeit .[15] But aside from Berber’s political positioning, his book is of interest as a window onto interwar debates on international democratic theory.

Democracy, Sovereignty and Disenchantment in Berber’s International Thought

During World War I, organisations such as the Union of Democratic Control had issued calls for the democratic control of foreign policy, claiming that international democratic institutions and a transparent foreign-policy-making process would prevent future wars.[16] While most such visions were not implemented, Berber argued in Sicherheit und Gerechtigkeit that the war did lead to an existential anxiety among political elites and the associated need for a ‘soteriology’, a doctrine of salvation. As modern Europeans had undergone a centuries-long process of disenchantment, it was unsurprising that they sought salvation not in a new religion but the rationalisation of international politics. The law was the ‘rational human form of organisation’ in this doctrine. If democracy was the attempt to restrict and rationalise the power of the state, and to deprive it of its own rationality, the raison d’état, then the democratisation of foreign policy had to manifest itself in the rationalisation of international politics in the form of a soteriological international law that outlawed war. As Berber put it, ‘intellectually, there is the closest historical connection between the democratic control of foreign policy and the ways in which international law seeks to control the sovereign state’. Thus, the vagaries of world history were ossified into a universalistic international law (Weltgeschichte zu Völkerrecht).[17]

Berber also queried other aspects of international democratic theory, such as the idea that democratic states were peace-loving. On the contrary, he argued, democracy made for a volatile foreign policy which was not the case in authoritarian states such as Italy. Other arguments made by liberal internationalists, for example regarding the importance of peace education and ‘moral disarmament’, were similarly twisted into an apologia for Nazi Gleichschaltung: it was much ‘easier for an authoritarian Führerstaat than for a liberal democracy’ to educate its people about peace, as ‘the former is able to form and educate popular opinion in a much more intensive way.’ He also no longer believed in the corrective effects of public opinion – this was a ‘democratic superstition’.[18] Such sentiments were not necessarily abhorrent to Berber’s international audience. By the mid-1930s, many Anglophone liberals were disappointed with efforts to encourage popular participation in international politics and began to reassess their stance on the admissibility of state-sponsored propaganda.[19] If liberal categories such as ‘moral disarmament’ could only really be applied in an illiberal state which actually had the power to shape public opinion, then where did this leave liberal democracy?

International Intellectual Cooperation in the Service of the Nazi State

Friedrich Berber, 1970s[20]

Berber’s welcome at international conferences indicates how seriously Anglophone liberals took such unsettling questions. Berber’s attendance at the 1935 International Studies Conference in London was actively encouraged by leading scholars and international civil servants such as Arnold Toynbee and Henri Bonnet, even if many years later Toynbee claimed that he was shocked that Berber had made the case for Nazi foreign policy there.[21] Berber not only defended Hitler’s foreign policy but also wrote up the conference’s deliberations for the benefit of his domestic audience, captured in one of his articles written for the KWI’s house journal.[22] The International Studies Conferences were an important fixture in the emerging field of international relations in the interwar years and coordinated by the League of Nation’s International Institute of Intellectual Cooperation. They brought together mostly European and North American scholars across multiple disciplines. After 1933, the German committee, located at the Deutsche Hochschule für Politik, withdrew but Berber revived the link. While praising the high scholarly standard of the contributions (preparatory memoranda reports as well as presentations), Berber also claimed to expose the inherent bias implicit in the conference’s choice of theme, collective security – this was, according to him, an ‘ideological-political decision and definition’, as it uncritically equated collective security with peace-preserving measures.[23]

Nonetheless, Berber highlighted the value of some of the preparatory materials, namely those that analysed public opinion regarding security questions in Britain, France, Canada and the United States. Berber essentially used the conference for open-source intelligence gathering, helping him and his staff gain an accurate understanding of the ‘psychological-political’ conditions in countries that were targeted by Nazi propaganda.[24] This reduced public opinion to a useful category for propagandists, but not much more. Berber’s analysis of other questions discussed at the conference, including different conceptions of neutrality, collective security and the problem of sovereignty, sanctions and what Berber termed the ‘proletarian’ have-not powers, was not uncritical but ended on a positive note: the ‘public opinion at least of the scientific world’ had become much more willing to engage with revisionist politics, signalled by the organisers’ decision to conduct the next conference cycle under the theme of ‘peaceful change’. Berber also highlighted the openness of conference participants such as Toynbee to German perspectives, notably to a ‘realism without illusions’ that was allegedly so characteristic of Nazi foreign policy.[25]

In the following years, Berber became almost completely absorbed in propaganda activities, to the extent that his students called him ‘Little Ribbentrop’. He continued to cultivate his contacts abroad, even as those who had dealings with him became warier. After the fall of France in 1940, Berber pursued an unsuccessful plan to transfer the International Studies Conference to Berlin under his leadership, before moving to Geneva as a legal adviser to the International Committee of the Red Cross, with Ribbentrop’s support. After 1945, he struggled to reintegrate into German academia but managed to do so eventually, via a legal adviser role in India and by downplaying his role in the Third Reich.[26] The intellectual interventions he made while associated with the KWI highlight, however, that Berber managed to bridge, on an intellectual level, the gap between totalitarian dictatorship and liberal democracy, and convinced scholars abroad with his emphasis on the limits of rationalising foreign policy.

[1] ‘Es besteht der engste geistesgeschichtliche Zusammenhang zwischen demokratischer Kontrolle der Außenpolitik und völkerrechtlicher Kontrolle der souveränen Staatsgewalt’: Fritz Berber, Sicherheit und Gerechtigkeit. Eine gemeinverständliche Einführung in die Hauptprobleme der Völkerrechtspolitik, Berlin: Carl Heymanns 1934, 31; this and all following quotations have been translated by the author.

[2] Gideon Botsch, ‘Politische Wissenschaft’ im Zweiten Weltkrieg: Die ‘deutschen Auslandswissenschaften’ im Einsatz, 1940-1945, Paderborn: Schöningh 2006, 263; in his autobiography, Berber claimed that he received a small stipend from the MPI’s director, Viktor Bruns in 1933, which enabled Berber to complete the manuscript of Sicherheit und Gerechtigkeit: Friedrich Berber, Zwischen Macht und Gewissen. Lebenserinnerungen, Munich: C.H. Beck 1986, 68-69; 75. For a reconstruction of Berber’s career during the Third Reich see: Hermann Weber, Rechtswissenschaft im Dienst der NS-Propaganda. Das Institut für Auswärtige Politik und die deutsche Völkerrechtsdoktrin in den Jahren 1933 bis 1945, in: Klaus Jürgen Gantzel (ed.), Wissenschaftliche Verantwortung und Politische Macht, Hamburger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte vol. 2, Berlin: Reimer 1986, 185-425; for an analysis of Berber’s intellectual trajectory, see: Katharina Rietzler, Counter-Imperial Orientalism: Friedrich Berber and the Politics of International Law in Germany and India, 1920s-1960s, Journal of Global History 11 (2016), 113-134.

[3] Friedrich Joseph Berber, Die Rechtsbeziehungen der britischen Dominions zum Mutterland, Ansbach: Brügel 1929; Fritz Berber, Die Dezentralisation des Britischen Reiches als Problem demokratischer Selbstverwaltung, in: Carl Schmitt et al. (eds), Probleme der Demokratie, Berlin: Rothschild 1928, 88-97.

[4] Berber, Rechtsbeziehungen (Fn, 3), 95; 88.

[5] Weber, Rechtswissenschaft (Fn. 2), 380.

[6] Rainer Eisfeld, Ausgebürgert und doch angebräunt: Deutsche Politikwissenschaft, 1920-1945, Baden-Baden: Nomos 1991, 103; 112.

[7] Memorandum of conversation Tracy B. Kittredge (Rockefeller Foundation), Ernst Jäckh, Arnold Wolfers, and Berber, 7 November 1932, Rockefeller Foundation Archives RG 1.1/717 S/19/177.

[8] Letter by Edwin M. Borchard to J. Reuben Clark, dated 11 April 1929, NARA RG 59, 811.43.

[9] Paolo J. B. Ramos, The Role of the Yale Institute of International Studies in the Construction of the United States National Security Ideology, 1935-1951, Ph.D. dissertation, University of Manchester 2003, 97-100.

[10] Katharina Rietzler, Philanthropy, Peace Research and Revisionist Politics: Rockefeller and Carnegie Support for the Study of International Relations in Weimar Germany, Bulletin of the German Historical Institute, Washington D.C., Supplement 5 (2009), 71-72.

[11] Photo: Wikimedia Commons.

[12] Jan Stöckmann, The Architects of International Relations. Building a Discipline, Designing the World, 1914-1940, Cambridge: Cambridge University Press 2022, 251-263.

[13] Geoffrey Carnall, Gandhi’s Interpreter: A Life of Horace Alexander, Edinburgh: Edinburgh University Press 2010, 108; 113; Weber, Rechtswissenschaft (Fn. 2), 250-265; 381.

[14] Berber, Sicherheit und Gerechtigkeit (Fn. 1), 35.

[15] Rietzler, Counter-Imperial Orientalism (Fn. 2), 121-123.

[16] Marvin Swartz, The Union of Democratic Control in British Politics during the First World War, Oxford: Clarendon Press 1971.

[17] Berber, Sicherheit und Gerechtigkeit (Fn. 1), 27-31.

[18] Berber, Sicherheit und Gerechtigkeit (Fn. 1), 148-149; 157; 160: ‘Das zu erreichen, ist freilich für einen autoritären Führerstaat sehr viel leichter als für eine liberale Demokratie, da ersterer in viel intensiverer Weise die Gestaltung und Erziehung der Volksmeinung in der Hand hat. ’

[19] J. Michael Sproule, Propaganda and Democracy: The American Experience of Media and Mass Persuasion, Cambridge: Cambridge University Press 1997, 62-77.

[20] Dieter Blumenwitz/Albrecht Randelzhofer, Festschrift für Friedrich Berber zum 75.Geburtstag, München: C.H.Beck 1973. Despite intensive research, it has not been possible to identify the copyright holder of the photo. We would be grateful for any further information.

[21] Jan Stöckmann, The Architects (Fn. 12), 264-265, n. 84.

[22] Fritz Berber, Die Internationale Studienkonferenz über Kollektive Sicherheit (London, 2. bis 8. Juni 1935), HJIL 5 (1935), 803-818.

[23] Berber, Internationale Studienkonferenz (Fn. 22), 805.

[24] Berber, Internationale Studienkonferenz (Fn. 22), 807.

[25] Berber, Internationale Studienkonferenz (Fn. 22), 806; 817; 818.

[26] Weber, Rechtswissenschaft (Fn. 2), 387-388; 392; 394-396.