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Hermann Mosler – der Befreier

1951 befreite Hermann Mosler das deutsche juristische Denken transnationaler Phänomene aus den Fesseln des staatsrechtlichen Denkens. Medium der Befreiung war die Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV), Anlass der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS).[1]

Konkret legte Mosler einen Weg frei, das Gemeinschaftsrecht, jenseits des staatsrechtlichen Dualismus von Landesrecht und Völkerrecht[2], als eine neue und neuartige Rechtsordnung in föderalen und verfassungsrechtlichen Kategorien zu denken. Er zeigte, dass Schumans und Adenauers politischer Wille zu einer völkervertraglich verfassten Föderation souveräner Staaten kein juristisches Paradoxon war, sondern vielmehr ein Weg in eine bessere Zukunft. Das verlangte allerdings, staatsrechtliche Dogmen zu sprengen.

Sprengen ist ein Begriff Moslers (S. 24), auch für seine eigene Arbeit.[3] Eine solche performative Rechtswissenschaft ist, so Mosler, wissenschaftsadäquat und sogar geboten. Denn zu den Aufgaben der Rechtswissenschaft gehört, politische Verbände „zu regeln“,     „den

Hermann Mosler und das Ehepaar Freudenberg anlässlich der Eröffnung des neuen Institutsgebäudes, 1954[4]

Ausgleich der gesellschaftlich wirksamen Interessen zu fördern“ und dabei „Integration“ voranzubringen (S. 37). Mosler konzipiert das Verhältnis von Rechtswissenschaft und Gesellschaft letztlich als dialektisch. Zum einen muss „die Rechtswissenschaft dem gesellschaftlichen Faktum folgen“, dem „Substrat der rechtlichen Konstruktion“, zum anderen soll sie förderungswürdigen gesellschaftlichen Dynamiken einen Weg bahnen (S. 37). Moslers Beitrag ist ein Werk des rechtswissenschaftlichen Konstruktivismus, auch wenn er es nicht so reflektierte.

Moslers Sprengung bleibt nach 70 Jahren unvollständig, denn der staatsrechtliche Zugang prägt weiter Teile des deutschen Europarechtsdenkens. Gewichtige Stimmen konzipieren das Unionsrecht als ‚Staatsrecht III‘, als ‚delegiert‘ oder als kreisend um die Kontrollkompetenz des Bundesverfassungsgerichts. So bleibt Moslers ZaöRV-Beitrag aktuell, selbst wenn der EGKS-Vertrag wenig erfolgreich war, am 23. Juli 2002 erlosch und bereits die Römischen Verträge auf seinen Leitbegriff verzichteten: die Überstaatlichkeit (supranationalité).

Die Fesseln

Die staatsrechtlichen Fesseln, aus denen Mosler das deutsche öffentlich-rechtliche Denken befreite, zeigen plastisch zeitgenössische Aufsätze in der ZaöRV, etwa die Carl Bilfingers. Ihn kennzeichneten eine tiefe Prägung durch den Wilhelminismus, eine enge Verbindung zu Carl Schmitt und anderen Exponenten etatistischen Denkens, eine bekennende NSDAP-Mitgliedschaft und, dank dieser credentials, sein vorheriges Wirken im Direktorenamt des Kaiser-Wilhelm-Instituts. Insofern markiert dieser Blogbeitrag eine Bruchstelle in der Institutsgeschichte.[5]

Deutlich werden die Fesseln in Bilfingers Aufsatz „Friede durch Gleichgewicht der Macht?“, mit dem Bilfinger 1950 die ‚Abhandlungen‘ der ZaöRV wiederbelebt. Ich habe den tieferen Sinn vieler Passagen dieses gewundenen Beitrags nicht wirklich verstanden, entnehme ihm aber eine Kernaussage: Die Westalliierten sollten zwecks einer stabilen europäischen Friedensordnung mit dem besiegten Deutschland so umgehen wie die Heilige Allianz mit dem besiegten Frankreich auf dem Wiener Kongress.

Die Vier Mächte machten keinen solchen Schritt auf Deutschland zu, wohl aber Frankreich auf die Bundesrepublik. Der war letztlich viel größer und sollte auch zu einem viel größeren Erfolg führen. Frankreich erklärt sich mit der Schuman-Erklärung vom 9. Mai 1950 bereit, gemeinsam mit Deutschland den Weg in eine gemeinsame Föderation aufzunehmen, womit es von seinem ursprünglichen Plan einer dauerhaften Schwächung Abstand nahm (auf amerikanischen Druck). Adenauer erblickte die Chance und machte das Gelingen des Schuman-Plans zu einem Kernanliegen deutscher Außenpolitik.

Es entsprach dem Selbstverständnis der ZaöRV, dieses Projekt prominent zu besprechen, eben durch Bilfinger als Direktor des Instituts.[6] Auch in diesem Aufsatz habe ich den Gedankengang nicht wirklich verstanden. Mir scheint, dass er die Praktikabilität des Schuman-Plans an die Anerkennung eines Vorbehalts knüpft: Es muss den teilnehmenden Staaten eigenmächtiges Handeln erlaubt sein, wenn sie ihre Lebensinteressen betroffen sehen. Ein heutiges Äquivalent heißt ‚Verfassungsidentität‘.

Die Befreiung Moslers

Walter Hallstein, Jean Monnet und Konrad Adenauer in Bonn, 1951[7]

Hermann Mosler schenkt Bilfingers Bemühen um den Schuman-Plan keine Zeile. Das Nachwuchstalent aus dem Berliner Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht kannte sich aus, da Teil der deutschen Verhandlungsdelegation. Das Gelingen des Schuman-Plans war ihm eine „Herzensangelegenheit“.[8] Damit bezog er Position, denn anderen galt der Plan als „Landesverrat“, als Kniefall „vor der amerikanischen Finanzoligarchie“, aber auch als die „Mitteleuropa-Konzeption der deutschen Imperialisten von 1914“.[9] So behandelt Moslers Aufsatz aus einem tiefen Anliegen heraus ein großes und umstrittenes Thema, und das mit enormer Sachkenntnis, politischer Peilung und juristischer Schlagkraft. Das sind die Zutaten großer Beiträge.

Moslers juristisches Denken gilt als ‚pragmatisch‘. Zumindest in diesem Aufsatz kann man es genauer als ‚situativ‘ kennzeichnen: Es lebt aus dem Verständnis der politischen Lage, bezieht Position und wirkt auf sie ein. Die Lage ist Moslers Aufsatz nichts Äußeres, das er, wie viele dogmatische Beiträge, mit ein paar einleitenden Sätzen abhandelt, um sich dann der Pflege des umfriedeten dogmatischen Gartens zu widmen. Die genaue Erfassung der Lage ist vielmehr elementar für die rechtwissenschaftliche ‚Qualifizierung‘ des Vertrags, weit wichtiger als dessen Bestimmungen. So widmet Mosler über die Hälfte seines Beitrags der Lage, dargestellt anhand der politischen Interessen, Konflikte, Positionen, Projekte und Prozesse der Konsensbildung (S.1–23, 27–29). Mosler versteht dies als eine Beschreibung der „Entstehung“, heute spricht man von process tracing.

Gerhard Anschütz und Hermann Mosler am Institut, 1965[10]

Mosler versteht die Lage, für die der EGKS-Vertrag zu entfalten ist, im Grunde wie Schuman: Der Friede in Europa braucht eine neue Form internationaler Ordnung. Allerdings verzichtet Mosler auf den Begriff der Solidarität, dem in der Schuman-Erklärung eine Schlüsselrolle zukommt. Schuman denkt die europäische Einigung wohl mit Durkheims Soziologie solidarischer Vergesellschaftung, ein Ansatz, den Léon Duguit ins Verfassungs- und Verwaltungsrecht und Georges Scelle ins Völkerrecht einbrachten. Das fehlt bei Mosler, ebenso wie jeder Hinweis auf den ähnlich ausgerichteten sozialdemokratischen Europaföderalismus seines früheren Institutskollegen Hermann Heller oder auf den republikanischen Föderalismus des Manifests von Ventotene. Ich frage mich, ob der heutige deutsche Europarechtsdiskurs vertrauter mit dem Prinzip europäischer Solidarität wäre, hätte Mosler, mit Schuman, die europäische Integration als ein Projekt solidarischer Vergesellschaftung begriffen.

Mosler fokussiert ab dem allerersten Satz allein auf die „Große Politik“, also die Politik um Krieg und Frieden, die von einer kleinen Gruppe mächtiger Personen geprägt wird. Er präsentiert die Montanunion als Antwort auf die Dysfunktionalität des UN-Sicherheitsrats (S. 2). Es fehlt damit jeder Hinweis nicht nur auf Fragen der solidarischen Vergesellschaftung, sondern insgesamt auf die sozialen Konflikte der Zwischenkriegszeit, die zu autoritären, totalitären und damit oft aggressiven Regimen geführt hatten, ohne die der Zweite Weltkrieg und der nachfolgende Ost-West-Konflikt kaum zu verstehen sind.

Mosler blendet somit Wichtiges aus, was aber seiner Scharfsichtigkeit nicht schadet. Letztere zeigt seine ungewöhnliche Artikulation der Lage. Es gehe 1951 nicht darum, Westeuropa zu integrieren, so das übliche Verständnis, sondern die Montanunion solle vielmehr seine Desintegration verhindern:

Die Verflechtung der Wirtschaftsinteressen soll die tatsächlichen Voraussetzungen schaffen, die eine erneute politische Desintegration der zur Zeit durch die gemeinsame Bedrohung seitens des Ostblocks verbundenen Mitgliedstaaten unmöglich machen soll.“ (S. 23)

Damit artikuliert er das window of opportunity der ersten Sattelzeit. Dieses Fenster öffnet sich durch, erstens, die militärische, ökonomische, politische und weltanschauliche Abhängigkeit der westeuropäischen Staaten von den Vereinigten Staaten von Amerika, zweitens das amerikanische Bestreben, die europäischen Staaten in ihrer Einflusszone zu föderieren, und drittens die Wahrnehmung sowjetischer Bedrohung. Diese Lage impliziert den Verlust der Weltmachtstellung europäischer Staaten, aber auch eine gewisse Gemeinsamkeit ihrer Gesellschaftsordnung als Teil des sich formierenden geopolitischen Westens (S. 9). Dieser Machtverlust, dieser Gleichklang, diese Abhängigkeit, diese US-Politik und diese militärische Konfrontation bestimmen die Lage, aus der heraus sich die Montanunion versteht. Mosler präsentiert den Schuman-Plan zwar als ein autonomes französisches Projekt, das aber dieser Lage zu verdanken ist (S. 5).

Die ‚Große Politik‘ reagiert mit diversen Projekten auf diese Lage. Sie alle genügen nicht, denn sie bleiben in den Fesseln geschlagen, die in Deutschland das staatsrechtliche Denken artikuliert. Erst der Schuman-Plan „verläßt diese Anschauungswelt“ (S. 8) und bietet, so Mosler, den einzig brauchbaren Weg zu einer belastbaren Friedensordnung. So wiesen Moslers weltpolitischer Realismus und katholischer Idealismus denselben Weg.

Der EGKS-Vertrag verlässt die Anschauungswelt des überkommenen Völkerrechts und damit des überkommenen Staatsrechts. Mosler erschließt dies rechtswissenschaftlich mittels einer kategorialen Verortung seines Wesens im Lichte der Lage. Diese Verortung erfolgt ausgehend vom „Wesen internationaler Zusammenschlüsse im derzeitigen Stadium der Völkerrechtsentwicklung“ (S. 25–26). Eine solche begriffsanalytische „Wesensschau“ juristischer Phänomene konstituiert den Gegenstand rechtswissenschaftlicher Forschung und erfolgt selbstredend mit eigenen Methoden. Mosler reflektiert also die politische Lage, operiert aber unter der Prämisse rechtswissenschaftlicher Autonomie. Solche rechtswissenschaftlichen Operationen sind politisch und gesellschaftsweit bedeutsam, weil sie die soziale Ordnung eigenständig entwickeln (S. 37).

„Der erste Schritt zur Einheit Europas“. Schaubild zur Gründung der EGKS[11]

Mosler bestimmt die „Anschauungswelt“, aus der sich das „Wesen“ internationaler Zusammenschlüsse ergibt, mit dem Begriff der souveränen Gleichheit der Staaten (S. 28).

Seine Befreiung wählt nun nicht den einfachen Weg, staatliche Souveränität als unumschränkte Herrschaftsmacht zu definieren und dann an den scharfen Klippen der Lage als obsolet kentern zu lassen. Vielmehr deutet er den Grundsatz im Lichte der Satzung der Vereinten Nationen, welche diese Lage reflektiert und gleichwohl die souveräne Gleichheit als Grundsatz postuliert (Art. 2 Nr. 1 UN-Charta). Was ist also das befreiende Neue? Mosler fixiert den Schlüsselgedanken in der Lageanalyse. Es ist der Schritt, „ein zentrales wirtschaftliches Problem mit organisatorischen Mitteln zu lösen, die bisher nur dem Zusammenschluss selbständiger Länder zu einem Bundesstaat gedient haben“ (S. 8).

Das erste bundesstaatliche Element findet sich in der öffentlichen Gewalt, die der Vertrag begründet. Die Hohe Behörde, ein Gemeinschaftsorgan, kann einseitig verpflichtende Entscheidungen erlassen, die innerstaatlich gegenüber Behörden wie Privaten wirken. Bei Ungehorsam müssen mitgliedstaatliche Behörden die Entscheidungen vollstrecken, ohne dass es auf nationales Recht dabei ankäme. Dies impliziert die unmittelbare und vorrangige Wirkung der Entscheidungen und damit des Gemeinschaftsrechts, analog einem Bundesrecht (S. 44). Dagegen beanspruchen selbst Entscheidungen des Sicherheitsrats keine innerstaatliche Wirkung.

Die zweite Innovation kreist um die Unabhängigkeit des entscheidenden Organs. Nun setzt bereits der Begriff der internationalen Organisation eine gewisse Verselbständigung gegenüber ihren Mitgliedern voraus. Der Schuman-Plan übertrifft aber diese Verselbständigung, wie der Schlüsselbegriff der Überstaatlichkeit der Hohen Behörde verdeutlicht (‚supranationalité‘, Art. 9 EGKS-Vertrag). Überstaatlichkeit erfordert, dass die Behörde unabhängig entscheidet.

Diverse Bestimmungen dienen solcher Unabhängigkeit. Dazu zählt, dass die Behörde ein handlungsfähiges Gremium ist, per Mehrheit entscheidet und ihre Amtsträger weisungsfrei sind. Zudem müssen sich weder das Organ noch seine Amtsträger vor nationalen Institutionen verantworten, sondern nur vor der EGKS-Versammlung, der Keimzelle des Europäischen Parlaments. Dagegen unterliegen die Entscheidungsträger des UN-Sicherheitsrats staatlichen Weisungen und Verantwortungsstrukturen.

Das dritte Moment ist die Bedeutung der supranationalen Kompetenz. Die Entscheidungen der Hohen Behörde sollen Relevanz für politische Fragen im Sinne der ‚Großen Politik‘ erlangen, für Fragen von Krieg und Frieden. Deshalb hat die Gemeinschaft ein eigenes politisches Gewicht und ist weit mehr als nur eine Verwaltungsunion, wie sie seit dem späten 19. Jahrhundert existierten.

Mosler sieht das Neue, denkt es aber nicht, wie Hallstein und Monnet, als ein werdendes Staatsrecht.[12] Nach seinem Verständnis zielt die ‚Gemeinschaftsidee‘ vielmehr auf eine per Vertrag verfasste Föderation souveräner Mitgliedstaaten (S. 32) und sprengt damit die bisherige Anschauungswelt. Es bleibt die Frage, wie die Rechtswissenschaft diese Sprengung begrifflich nachvollziehen kann.

Die Sprengung

Walter Hallstein (stehend) hält 1962 den Vortrag „Die EWG politisch gesehen“ am Institut. Sitzend: Hermann Mosler, Hans Dölle[13]

Der EGKS-Vertrag etabliert, was staatsrechtlichem Denken ein Paradoxon ist: eine nicht-staatliche und staaten-überspannende haute autorité, also öffentliche Gewalt ohne Staatlichkeit. Mosler reflektiert das nicht im Lichte seiner früheren völkerrechtstheoretischen Konzeption, die Bilfingers Denken nahestand.[14] Man mag das so verstehen, dass mit dem EGKS-Vertrag für das juristische Denken ein neuer Tag begann und, weil die Eule der Minerva eben erst abends fliegt, die Zeit nicht reif war für eine Verfassungstheorie nicht-staatlicher Föderationen. Man kann Moslers Enthaltsamkeit aber auch so deuten, dass er sein früheres Denken nicht konfrontieren wollte.

Moslers rechtswissenschaftlicher Sprengakt implementiert keine politiktheoretische Revolution, sondern den politischen Sprengakt des EGKS-Vertrags, der den Weg in eine verfasste Föderation souveräner Staaten freimachen sollte. Moslers rechtswissenschaftlicher Sprengakt ist darauf kalibriert: Er hat einen juristischen Weg zu dem vermeintlichen juristischen Paradoxon einer verfassten Föderation souveräner Staaten frei zu legen, und gerade nicht zu einem europäischen Bundesstaat. Ginge es um Bundesstaatlichkeit, „so mag dieser Gedanke politisch revolutionär sein, eine schöpferische Rechtskonstruktion indes ist er nicht“ (S. 33).

Diese Sprengung soll also keiner europäischen Integration die Bahn brechen, wie sie etwa Friedrich Naumann nach dem Ersten Weltkrieg propagiert hatte. Naumann zielte auf „die Bildung von ‚Mitteleuropa‘ als des vierten Groß-Staates neben dem Britischen Reich, Rußland und den Vereinigten Staaten“ (S. 45). Das erscheint Mosler als der falsche Weg.

Wenn Staatlichkeit nicht mehr die politische Leitidee ist, dann muss die Rechtswissenschaft ihre überkommene Anschauungswelt verlassen. Nur so kann sie das politische Projekt des EGKS-Vertrags adäquat begleiten, das, als eine „engere Gemeinschaft, die in der Völkerrechtsordnung geläufigen Formen und Einrichtungen sprengt“ (S. 24). Zu konzipieren ist eine politische Föderation (S. 32), die nicht unter dem Telos künftiger Staatlichkeit steht.

Um die alte Anschauungswelt zu verlassen, aber gleichwohl brauchbare Bausteine in die neue Anschauungswelt mitzunehmen, bedarf es einer genau kalibrierten Sprengung. Mosler sprengt deshalb allein das überkommene Dogma der unteilbaren Souveränität (S. 32), indem er sie kurzum als teilbar und partiell fusionierbar setzt (S. 12, 24, 34, 39). So wird es konzeptionell möglich, dass die EGKS-Mitgliedstaaten Teile ihrer Souveränität durch die nationalen Ratifikationen fusionieren und so überstaatliche öffentliche Gewalt begründen.

Mosler reflektiert diesen Prozess mit dem Begriff der Föderation.[15] Dies liegt nahe, denn seit den Federalist Papers sind die Debatten über die Teilbarkeit von Souveränität und über das Wesen von Föderationen eng verbunden. Allerdings rekurriert Mosler nicht auf diese verfassungstheoretische Tradition. Ihm reicht es, dass das juristische Denken mit diesem Schritt Schumans ‚föderale Gemeinschaftsidee‘ grundbegrifflich nachvollziehen kann. Angesichts des offensichtlichen demokratischen Willens bedarf es keiner weiteren theoretischen Legitimation. So konzipiert Mosler das Gemeinschaftsrecht als ein föderales Recht, das sich als Ausdruck fusionierter Souveränität kategorial von einem Staatsrecht wie vom internationalen Recht unterscheidet (vgl. nur S. 9, 24, 34).

Das ist ein großer Schritt, grundbegrifflich wie politisch. Es ist bemerkenswert, dass Mosler ihn nicht nur mit den entsprechenden Positionen in der ‚Großen Politik‘ absichert, sondern zudem auf die öffentliche Meinung rekurriert: Sie wolle diesen Schritt zur Teilbarkeit von Souveränität und deren Fusion in einem nicht-staatlichen Verband (S. 13). Damit dokumentiert er, dass seine grundbegriffliche Arbeit nicht die isolierte Meinung politischer Eliten, sondern eine gesellschaftsweite Auffassung nachvollzieht.

„Einigt endlich Europa“. Pro-europäische Demonstration anlässlich der Konferenz der Außenminister der Montanunion in Baden-Baden, 1953[16]

Der Fusionsgedanke ist folgenreich. So ist in der neuen Anschauungswelt die überstaatliche öffentliche Gewalt nicht mehr, wie in der alten, als eine Beschränkung der mitgliedstaatlichen Souveränität zu verstehen. Denn sie ist ein Produkt der fusionierten mitgliedstaatlichen Souveränitäten, also nichts ihnen Gegenüberstehendes, kein ‚Anderes‘, sondern vielmehr sie selbst in einem neuen Zustand. Just deswegen steht Akten der EGKS kein Souveränitätsvorbehalt entgegen.

Es bleibt die Frage, ob dieser grundbegriffliche Schritt in eine teilbare Souveränität, der eine nichtstaatliche Föderation ermöglicht, elementare Errungenschaften verrät. Die Frage beschäftigt bis heute das europäische Verfassungsrecht. Die heutigen Zweifler fokussieren sich auf die Volkssouveränität und bestreiten, dass die Union ohne ein souveränes, sich selbst bestimmendes Unionsvolk als demokratisch gelten kann. Mosler hat keine Geduld für solche Positionen. Deren Vorstellungswelt erscheint ihm defizitär, weil idiosynkratisch. Es sei eine spezifisch deutsche Blickverengung, Föderation mit Bundesstaatlichkeit gleichzusetzen: „Der Gedanke an die deutsche Vergangenheit der letzten anderthalb Jahrhunderte legt ihm [d.h. dem deutschen Betrachter] die Vorstellung nahe, überstaatliche Zusammenschlüsse nur in etatistischer Form sehen zu können. […. Dies] ist den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft fremd“ (S. 33–34). Damit sieht Mosler den Weg frei, die Souveränität zu teilen und die EGKS als föderal zu begreifen.

Das Theorem der teilbaren und transnational fusionierbaren Souveränität sprengt so den Weg zu neuen begrifflichen Konstruktionen frei. Es erlaubt, die EKGS als Trägerin öffentlicher Gewalt zu konzipieren, die sie gegenüber ihren Gliedern und den Rechtsunterworfenen ausübt. Zur näheren Fassung dieser Gewalt nutzt Mosler bundesstaatliche Begriffe: Rechtserzeugung, Verwaltung und Rechtsprechung (S. 36). Dank seiner begrifflichen Grundoperation impliziert diese Qualifizierung keine Bundesstaatlichkeit. Heute ist es selbstverständlich, das gesamte Arsenal öffentlich-rechtlicher Begriffe auf die Union anzuwenden, ohne damit eine europäische Staatlichkeit zu implizieren. Moslers Beitrag steht am Anfang dieses Verständnisses überstaatlicher öffentlicher Gewalt.

Die Fusionierung der Souveränität für eine überstaatliche Föderation erfolgt durch einen völkerrechtlichen Vertrag. Mosler, seinem sprengfreudigen Impetus weiter folgend, qualifiziert dies als die „Vertragliche Errichtung eines verfassungsrechtlichen Teilgebildes“ (S. 32). Diese verfassungsrechtliche Qualifikation folgt zwanglos aus dem bisherigen Gedanken: Wenn die EGKS dank teilfusionierter Souveränitäten öffentliche Gewalt ausübt, dann klärt es die Rechtsnatur der diese Gewalt konstituierenden Grundbestimmungen, sie in verfassungsrechtlichen Kategorien zu begreifen.

Mehr noch: Da die neue Anschauungswelt demokratische Rechtsstaatlichkeit in Westeuropa schützen soll, ist es geradezu zwingend, ihr konstruktives wie kritisches Potenzial für den neuen Verband zu nutzen. Es entspricht dieser Grundentscheidung, die neue öffentliche Gewalt verfassungsrechtlich zu deuten, eben im Sinne der „notwendigen Bestandteile jeder gesellschaftlichen Ordnung“, die nun auch die EGKS erbringt.

Mosler ist umsichtig: Er unterscheidet den Begriff des Verfassungsrechts, den er adjektivisch für den EGKS-Vertrag verwendet, von dem der Verfassung, den er für den Übergang in eine europäische Staatlichkeit reserviert (S. 39). Damit bringt er zum Ausdruck, dass das, was er als ein verfassungsrechtliches Teilgebilde bezeichnet, nur in Ansätzen dem entspricht, was man im westlichem Erfahrungshorizont unter einer Verfassung versteht.

Mosler unterstreicht, das kritische Potential der verfassungsrechtlichen Rekonstruktion nutzend, die Notwendigkeit verfassungsrechtlicher Weiterentwicklung. Obwohl er keinen republikanischen Föderalismus wie das Manifest von Ventotene vertritt, ist es auch für seinen Föderalismus offensichtlich, dass die EKGS-Versammlung zu einem Parlament auszubauen ist; er spricht sogar von einer europäischen Volksvertretung (S. 43). Die weitere Entwicklung hat zwar kein europäisches Volk generiert, wohl aber, so Art. 2 EUV seit 2009, eine europäische Gesellschaft, welche die Prinzipien des demokratischen Konstitutionalismus charakterisieren. Der Pfad von Moslers Aufsatz zu diesem Art. 2 EUV ist leicht zu ziehen.

Moslers Sprengung dient dem Weg in eine nicht-staatliche Föderation, ihr gilt seine Präferenz. Gleichwohl schließt er den Weg in eine europäische Staatlichkeit nicht aus. Mosler beschreibt die Schwelle in eine europäische Staatlichkeit mit einem Strauß von Gesichtspunkten, die sich um die Begriffe Macht und Schicksal gruppieren. Man kann zum einen Bundesstaatlichkeit aus dem Außenverhältnis erschließen: Europäische Bundesstaatlichkeit ist danach erreicht, wenn die Mitgliedstaaten zu einem einheitlichen politischen Schicksal dergestalt verbunden sind, dass sie gegenüber dritten Mächten eine Einheit darstellen (S. 35–36, 45). Man kann Bundesstaatlichkeit aber auch aus dem föderalen Verhältnis folgern: Danach liegt eine Staatswerdung vor, wenn ein Austritt eines Mitgliedstaats ihm ähnliche Schwierigkeiten bereitet wie der Austritt aus einem Bundesstaat (S. 39), weil die „Lebenssphären“ so eng verbunden sind (S. 44). Ein weiterer Gesichtspunkt ist, ob „die Gemeinschaft die Sezession im Sanktionsweg zu verhindern fähig“ ist (S. 44).

Betrachtet man diese Kriterien im Lichte der finanziellen ‚Nahtoderfahrung‘ griechischer Bürger aufgrund von Entscheidungen der Europäischen Zentralbank im Jahr 2015, der Konvulsionen des Vereinigten Königreichs im Zuge des Brexit, der Positionierung der Union im Ukrainekrieg, von Behauptungen, die Kommissionspräsidentin sei der (ja, der) vielleicht mächtigste Politiker Europas, so erscheint in Moslers Perspektive die Schwelle einer europäischen Staatswerdung in Sichtweite, wenn nicht gar schon erreicht.

Wo also stehen wir heute? Aus einer Distanz von mehr als 70 Jahren bringt mich Moslers Beitrag ins Grübeln über eine elementare Frage des europäischen Verfassungsrechts. Ich sehe darin den ultimativen Beweis seiner Aktualität.

***

Dieser Blogbeitrag beruht auf einem Aufsatz für die ZaöRV 4/2024 unter dem Titel Die Befreiung. Moslers europaföderale Sprengung des staatsrechtlichen Denkens.

[1] Hermann Mosler, Der Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Entstehung und Qualifizierung, ZaöRV 14 (1951), 1–45. Seitenzahlen im Text (S. X) beziehen sich auf diesen Beitrag.

[2] Heinrich Triepel, Völkerrecht und Landesrecht, Leipzig: C.L. Hirschfeld 1899; Carl Schmitt, Über die zwei großen ‚Dualismen‘ des heutigen Rechtssystems. Wie verhält sich die Unterscheidung von Völkerrecht und staatlichem Recht zu der innerstaatlichen Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht?, in: Mélanges Streit [Festschrift für Georgios Streit], Bd. 2, Athen: Pyrsos 1940, 315–328.

[3] Zur Selbstbeschreibung: Hermann Mosler, Begriff und Gegenstand des Europarechts, ZaöRV 28 (1968), 481–502, 500.

[4] Foto: MPIL.

[5] Zu Kontinuitäten von Bruns über Mosler bis zum heutigen Tage: Anne Peters, Völkerrecht als Rechtsordnung: 1929 – 1976 – 2024, MPIL100.de; Armin von Bogdandy/Philipp Glahé, Alles ganz einfach? Zwei verlorene Weltkriege als roter Faden der Institutsgeschichte,MPIL100.de.

[6] Carl Bilfinger, Vom politischen und nicht-politischen Recht in organisatorischen Kollektivverträgen. Schuman-Plan und Organisation der Welt, ZaöRV 13 (1950), 615–659.

[7] Foto: BArch, B145 Bild-F000029-0035.

[8] Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption. Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Berlin: Springer 2017, 173.

[9] Nachweise siehe: Lange (Fn. 9), 177–178.

[10] Foto: MPIL.

[11] Foto: BArch B 285 Plak-022-011

[12] Jean Monnet, Les États-Unis d’Europe ont commencé: la communauté européenne du charbon et de l’acier. Discours et allocutions 1952 – 1954, Paris: Robert Laffont 1955; Walter Hallstein, Der unvollendete Bundesstaat. Europäische Erfahrungen und Erkenntnisse, Düsseldorf: Econ 1969.

[13] Foto: MPIL.

[14] Vgl. seinen 1946 gehaltenen, Bilfinger gewidmeten Habilitationsvortrag: Hermann Mosler, Die Großmachtstellung im Völkerrecht, Heidelberg: Schneider 1949; dazu: Florian Kriener, Das Interventionsverbot in autoritären Kontexten. Hermann Moslers Intervention im Völkerrecht, MPIL100.de.

[15] Näher: Matteo Bozzon, Which Federalism for Europe? A Moslerian Path, MPIL100.de.

[16] Foto: BArch, B 145 Bild-F000812-0011/ Arntz. Prof.

 

Im Spiegel des Mauerfalls. Die Identität des Instituts im „Der 9. November 1989 in Deuna, am Morgen danach“

Die Niederlagen im Ersten und im Zweiten Weltkrieg bilden critical junctures, von denen aus sich der deutsche Weg im 20. Jahrhundert und damit die Existenz, die Positionen und die Forschung des Instituts verstehen. Wenig zeigt die Prägekraft dieser Niederlagen anschaulicher als die 40-jährige Teilung Deutschlands, die eine Unmenge an Fragen im Forschungsfeld des Instituts generierte: der Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik für Deutschland, der Status von Berlin West als Teil der Bundesrepublik, die Rechtsnatur der DDR, die Ost‑ und Entspannungspolitik, die westdeutsche Eingliederung in die europäische Integration, in die NATO, in den von den USA geführten Westen, sowie dann nach dem Mauerfall die vielen Fragen der deutschen und europäischen Einigung und einer neuen Weltordnung.

Aus diesem Grund eröffnet ein Bild, das den Moment fasst, an dem diese Teilung zu enden beginnt, einen guten Weg, um sich mit der Identität des Instituts auseinander zu setzen. Das gilt insbesondere, wenn das Bild so detailreich und symbolträchtig ist wie H.D. Tylles „Der 9. November 1989 in Deuna, am Morgen danach“.

Mit seinen 630 x 230 cm dominiert das Bild den Eingangsbereich des Instituts. Die Monika Marlene und Max Dietrich Kley Stiftung hat es dem Institut als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Es dominiert zurecht, denn es vermittelt eine Idee der Forschung, die das Institut in den letzten 70 Jahren beschäftigt hat, und enthält sogar eine Idee für künftige Forschung zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerecht.

Das Bild hing unter anderem bereits im Deutschen Historischen Museum und in der Mannheimer Kunsthalle. Klaus Schönmetzler und Eckard Wagner haben das Bild beschrieben. Meine Interpretation schöpft daraus, fügt aber zwei Interpretationen hinzu: das Wahrheitsverständnis, das ich in Tylles Realismus sehe, und, wichtiger noch, was der Clou ist, wie die eigentliche Botschaft des Bildes lautet.

Auf dem Bild wird ein historischer Moment festgehalten, der 9. November 1989. Heute wird dieser Tag als so bedeutend verstanden wie der Friedensschluss von Münster und Osnabrück 1648 oder der Sturm auf die Bastille 1789: ein Ereignis, an dem man einen Epochenübergang festmacht: vom Kalten Krieg zur unipolaren liberalen Weltordnung. Insofern handelt es sich um ein Historienbild ähnlich „Die Freiheit führt das Volk“ von Eugène Delacroix, das an die französische Julirevolution von 1830 erinnert. Tylle zitiert es heiter und ironisch.

Es handelt sich bei Tylle sich um ein sogenanntes Historienbild im Stil des Realismus. Nun hat das, was wir auf dem Bild sehen, so nie stattgefunden. Die Szene ist eine Erfindung des Malers, so wie bei Delacroix. Allerdings gibt es einen erheblichen Unterschied: Bei Delacroix ist klar, dass es so nicht stattgefunden hat. Anders hier: Es sieht so aus, als hätte es genauso stattgefunden. Hat es aber nicht: Es handelt sich um eine Fiktion.

Es handelt sich nun um eine ganz bestimmte Form von Fiktion, nämlich eine Fiktion im Dienste der Wahrheit. Es ist eine Erfindung, wie sie Siegfried Lenz im Nachwort zu seinem Erzählband „So zärtlich war Suleyken“ beschreibt:

 „Suleyken, wie es hier vorkommt, hat es natürlich nie und nirgendwo gegeben; es ist eine Erfindung. Aber ist es von Wichtigkeit, ob dieses Dörfchen bestand oder nicht? Ist es nicht viel entscheidender, dass es möglich gewesen wäre? Gewiss, das ist zugegeben, wird in dieser Geschichte ein wenig übertrieben – aber immerhin, es wird methodisch übertrieben. Und zwar in der Weise, dass das besonders Einzigartige hervorgehoben und das besonders Charakteristische zum Vorschein kommt. Insofern steht das bewährte Mittel der Übertreibung ganz im Dienst der Wahrheitsfindung“,[1]

das allerdings nur der Kunst, nicht aber in der Wissenschaft erlaubt ist. Umso wichtiger erscheint es, im Prozess wissenschaftlichen Erkenntnisstrebens die künstlerischen Methoden mit ihrem spezifischen Potential zu berücksichtigen.

Wir sehen hier ein Historienbild im Stil des Realismus, das eine Realität zeigt, die kein Foto abgebildet hat und wahrscheinlich nie so hätte abbilden können. Denn so viele Symbole können zufällig kaum zusammentreffen. Darin finden wir einen Maßstab der Beurteilung: Das Bild muss sich daran messen lassen, dass es irgendwie realer ist, als es ein Foto je hätte sein können.

Der Maler nimmt es mit der Wahrheit ganz genau: Die Autos, die Kleidung, die Landschaft, die Fabrik, der Playboy, der TUI-Katalog. So wurde die Autoschlange 1999 mit einem Trabi-Club in historischer Kleidung nachgestellt. Jedes Detail ist genau recherchiert, aber das Ganze, auf das es letztlich ankommt, ist Fiktion.

Was sehen wir? Tylle nutzt die mittelalterliche Form eines Triptychons, also eines dreigeteilten Gemäldes. Seine Dreigliederung erlaubt, unterschiedliche Aussagen zusammenzubringen. Die Mitte gilt dem 10. November 1989 auf einer Straße bei Deuna (Thüringen), rechts und links eine Situation aus der Nähe jenes Ortes zehn Jahre später.

In der Horizontalen sehen wir das Zementwerk und den Ort Deuna. Das Zementwerk bringt es auf einen Kilometer kompromisslose Industrieskyline. Da es so nah an der Mauer steht, darf man annehmen, dass es Zement für die Mauer produzierte. Insofern symbolisiert dieses Zementwerk die Teilung Deutschlands fast so gut wie ein Wachturm an der Grenze. Neben dem Werk schließt sich das Dorf Deuna mit seiner Kirche an, geduckt, so wie das soziale Leben in der DDR es wohl oft war. Davor sehen wir ein abgeerntetes Feld als Ausdruck der öden industriellen DDR-Landwirtschaft und einen kahlen Baum.

Es ist die Stimmung eines Herbsttages, ganz real, aber auch symbolisch: Etwas ist erschöpft und geht zu Ende. Dahinter rechts die bewaldeten Höhen des Dün, und darüber ganz viel Himmel. Das viele Licht, dem dunkle Wolken Platz machen müssen, zeigt, dass es nach dem Ende hoffnungsfroh weiter geht.

In der Vertikalen gibt es nur ein beherrschendes Motiv: der Metallgittermast. Warum nur ein einziges so herausgehobenes Objekt in dieser Dimension, wo doch der Maler in den beiden anderen Dimensionen wirklich nicht sparsam ist? Weil, so scheint mir, dieser Mast die zentrale Botschaft des Bildes auf den Punkt bringt. Man erinnert: Es ist ein Triptychon! Da liegt es doch auf der Hand, worum es geht.

Zuvor jedoch zur Horizontalen. Hier sieht man die Straße, auf der das eigentliche Ereignis stattfindet. Es ist kinderleicht zu erfassen. Es ist der Aufbruch vieler DDR-Bürgerinnen und -Bürger in den Westen, nachdem sie in der Nacht die Nachricht vom Mauerfall erreicht hat.

Auf dieser Straße wird es nun ganz symbolträchtig, und zwar auf eine heitere und freundlich ironische Art, die den deutschen Charakter und die deutsche Kunst im Allgemeinen nicht charakterisieren. Tylles heitere Ironie ist wahrhaftig und glaubwürdig, weil er in DDR-Zeiten mit Künstlern in der DDR zusammengearbeitet hat und einen ehrlichen Respekt vor den Leistungen der Menschen jenseits der Mauer bezeugt.

Der 9. November war ein Aufbruch. Und was sehen wir? DDR-Fahrzeuge im Stau. Der Aufbruch realisierte sich in einem epischen Stau. Die Leute sind ausgestiegen, und die Szene ist voller Symbole. Nehmen wir nur die junge Frau auf dem Dach des Trabis mit der Fahne.

In ihr wird ein wichtiger Aspekt der zentralen Botschaft des Bildes besonders deutlich vermittelt. Erinnern wir das ikonische Bild von Delacroix „Die Freiheit führt das Volk“: Eine junge Frau mit Fahne dominiert das Bild. Unerschrocken, mit Jakobinermütze und wehender Fahne steigt sie über tote Schergen des Regimes hinweg, am Kopf einer bewaffneten Bürgertruppe.

Eugène Delacroix, Die Freiheit führt das Volk (1830)[2]

Gegenüber diesem berühmten Bild wird eine große Botschaft deutlich: Hier, 1989, ist alles friedlich. Alle warten geduldig, und auch die Fahne bläht sich nur müde auf. Kein Wunder bei dem Loch, den Hammer und Zirkel gelassen haben.

Tylles Bild atmet Friedlichkeit. Es war eine echte Revolution, aber eben eine friedliche. Das gilt es zu erinnern, denn: Diese Friedlichkeit war ein Wunder! Wer hätte 1988 geglaubt, dass der Sowjetkommunismus friedlich aufgeben würde? Das Bild erzählt also von einem großen Wunder. Das bleibt zu deuten, wobei der Mast uns hilft. Dazu sogleich, zuvor noch ein volleres Verständnis von der Bedeutung des Ereignisses.

Vorne rechts sehen wir ein parkendes Auto, das bereits zurückkehrt, mit Bananen, Alditüte, TUI-Katalog, Playboy. Damit identifiziert Tylle die Insignien der Freiheit für viele Menschen: gutes Essen (Bananen), schöne Reisen (TUI), Informations- sowie Meinungsfreiheit und Libido (Playboy), günstiges Einkaufen von guten Waren (Aldi). Und: Freiheit von Angst.

Der Tag ist ein Aufbruch in die Freiheit, und das heißt zunächst einmal, dass ein angsteinflößendes Regime seine Autorität verloren hat. Hierzu finden sich besonders viele ironisch-heitere Symbole: das zerrissene Bild von Erich Honecker, vor dem sich ein kleiner Junge erleichtert, das zerfetzte Plakat vom 40. Jahrestag der DDR-Gründung, das niemanden interessiert, und vor allem: die „geschändete“ Fahne, deren öffentliches Schwenken als Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole verfolgt werden könnte (§ 90a StGB). Der Autoritätsverlust der DDR ist so total und die neue Freiheit fehlender Angst vor den Schergen des Regimes ist so vollendet, dass die anderen sich noch nicht einmal drum kümmern.

Der Aufbruch ist hoffnungsfroh. Wir empfinden unter den Menschen eine gute Stimmung. Das Licht bestätigt uns in dieser Empfindung: Es gibt noch graue Wolken, aber dahinter leuchtendes Licht.Was wurde draus? Das sehen wir rechts und links, die Szenen zehn Jahre später zeigen. Tylle hält sichere Distanz zu Apologeten jeder Couleur. Wir sehen keine blühenden Landschaften, aber auch keine BRD-Besatzungstruppen, die kaltherzig sozialistische Errungenschaften zerschlagen. Die Wahrheit kommt in leiseren Tönen. Rechts sehen wir einen Neuanfang.

Die Fassade renoviert und leuchtend in freundlichem Sonnenlicht. Ein neues Fenster, eine Satellitenschüssel, die kleine USA-Fahne, das Firmenschild deuten auf eine neue Selbständigkeit. Man sieht nicht viel, aber gewinnt den Eindruck, dass dort jemand lebt, der sich ein bescheidenes, aber sinnvolles und lichterfülltes Leben hat aufbauen können.

Links sieht es anders aus: ein unrenovierter Hinterhof, eine Immobilienfirma des Typus, mit dem viele schlechte Erfahrungen gemacht haben, und der große Leninkopf. Der Autoritarismus ist abgeräumt, aber nicht weg, wie zahlreiche Studien zu den östlichen Bundesländern immer wieder bestätigen. Viele Dinge sind zu beobachten, weshalb das Werk so gut im Foyer des Instituts hängt: man findet immer wieder etwas Neues und kann darüber ein Gespräch anknüpfen, das leicht zu Forschungsfragen führt, die das Institut beschäftigen.

Das Bild ist voller Botschaften. Was bringt all diese Botschaften zusammen? Diese Frage führt uns zu dem Mast zurück. Erinnern wir uns an die Form: das Triptychon, also eine klassische Form der Darstellung religiöser Aussagen. Besser gesagt: christlicher Aussagen. Und eigentlich geht es auch nicht um „Aussagen“ im Plural, sondern um die eine zentrale Aussage des Christentums. In meiner Lesart nimmt das Bild in seiner Form und allen Details die Aussage auf und führt sie im Hauptbild zusammen in dem ikonischen christlichen Symbol.

Natürlich malt Tylle kein Kreuz. Aber er malt einen Mast, und zwar ziemlich genau da, wo bei einem mittelalterlichen Triptychon das Kreuz steht. Was kann nun das Kreuz symbolisieren?

Es ist das Versprechen der Erlösung!

Der 9. November war vieles, aber er war vor allem für viele Menschen ein Tag der Erlösung, der Erlösung von einem Regime, das seine Bürgerinnen und Bürger am Weglaufen hindern musste. Wer war aber da der Erlöser? Oder: Was hat die Menschen erlöst? Tylle zeigt es uns nicht. Es oder er oder sie sind über dem Bild.

Vieles kommt in Betracht: Ronald Reagan, der den Sowjetkommunismus totgerüstet hat, Michail Gorbatschow, der den friedlichen Kollaps des Sowjetkommunismus erlaubt hat, der westliche liberale Kapitalismus, der dem Sowjetkommunismus in jeder Hinsicht überlegen war und ihm damit alle Legitimation entzogen hat, das normative Programm des freiheitlichen Westen aus Grundgesetz,  Europäischen Verträgen,  Europäischer Menschenrechtskonvention bis zur UN-Charta, also der Forschungsgegenstand des Instituts, der Mut der Menschen der DDR, und die Umsicht, in der sie ihre Revolution gestaltet haben, oder vielleicht doch: die Gnade Gottes?

Nun mögen manche einwenden: Jetzt übertreibt er. In der Tat: In den Ohren vieler mag diese religiöse Dimension als absurd erscheinen. Aber man vergesse nicht: Jeden Sonntag lesen Tausende von Menschen in den Kirchen Fürbitten, und vor 1989 in vielen Kirchen in Ost und West mit der Anrufung, dass die Konfrontation zwischen Ost und West, die das Leben auf dem Planeten auszulöschen drohte, überwunden werde. Solche Fürbitten enden stets in dem Anruf: „Herr, unser Gott, wir bitten dich, erhöre uns“. Alles Spinner? Sogar die Linke sagt: Die friedliche Revolution war ein Geschenk des Himmels.

H. D. Tylle hat nicht verraten, was der obere Teil des Mastes jenseits der Bildgrenze trägt. Denn dann würde er seinem Bild die ultimative Botschaft nehmen, mit dem ich die Deutung des Bildes nun abschließen werde.

Was können wir als die ultimative Botschaft des Mastes nehmen, dessen Spitze wir nicht sehen können? Dank dieser Gestaltung kann jeder seinen Erlöserglauben in das Bild hineinprojektieren und oben am Mast jenseits des Bildrandes verankern. Wie jedes weltgeschichtliche Ereignis speist die deutsche Einheit viele Deutungen und Erzählungen. Aber jeder, der etwas Phantasie hat, wird verstehen, dass der Mast auch einen anderen Erlöserglauben symbolisieren kann. Und wird verstehen, dass es kein Mittel gibt herauszubekommen, wer Recht hat. Und dieser Selbstzweifel und die Einsicht in die Berechtigung abweichender Meinungen ist die stärkste Grundlage der Freiheit, wie wir sie verstehen. Und deshalb ist für mich der eigentliche Clou dieses Realismus, dass er das Wichtigste verbirgt.

Der Mauerfall liegt inzwischen mehr als eine Generation zurück. Wie kann Tylles Bild die weitere Forschung des Instituts inspirieren, allgemeiner: Wie kann man die Lehren der zwei verlorenen Kriege in eine ungewisse Zukunft verdauern? Wo soll es hingehen? Die Losung des Bildes ist zurückhaltend, aber eindeutig: nach Westen. Bei allen Gefahren in den USA und auch in Frankreich bleibt der Westen doch symbolisch sicher mit der Idee der freiheitlichen Demokratie. Und was ist dabei besonders wichtig? Das führt uns zu der Hauptaussage des Bildes zurück: der stete Zweifel an den eigenen Ergebnissen und die Einsicht, dass die bisweilen so ärgerlichen Ideen der anderen einen berechtigten, ja unerlässlichen Platz haben könnten.

[1] Siegfried Lenz, So zärtlich war Suleyken. Masurische Geschichten, Frankfurt am Main: Fischer 1976, 118.

[2] Bild: gemeinfrei.

***

Bildausschnitte des Gemäldes: ©Maurice Weiss/Ostkreuz

Der Beitrag basiert auf einer Ansprache, gehalten am 14. Februar 2020.

Alles ganz einfach? Zwei verlorene Weltkriege als roter Faden der Institutsgeschichte

Two Defeats in Two World Wars as a Red Thread in the Institute’s History

Deutsch

Die Kapitulationen am Ende des Ersten und des Zweiten Weltkrieg gelten als Niederlagen Deutschlands, nicht nur seiner Armee oder Regierung. Sie bilden tiefe gesellschaftliche Zäsuren und prägen den deutschen Weg bis heute, auch den des Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. Wir verstehen diese Kapitulationen als critical junctures[1] und zeigen, dass sie einen roten Faden bilden, der viele Positionierungen des Instituts verbindet und seine Forschung durchzieht. Eine Kontrastfolie bildet das Genfer Institut de hautes études internationales, das ab 1927 die neue Ordnung aus der Siegerperspektive begleitete.[2]

Der rote Faden der Niederlagen dominiert das Institut der Zwischenkriegszeit und der frühen Bundesrepublik, erschließt aber auch viele Aspekte der jüngeren Institutsgeschichte. Er findet sich in den Studien zur deutschen Einheit und zum Zusammenwachsen Europas nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, zum Völkerrecht als Werteordnung, zum globalen Konstitutionalismus. Gewiss verliert er an Deutungskraft mit der zeitlichen Distanz und mit der personellen Internationalisierung des MPIL. Dieser Beitrag zeigt den roten Faden anhand prägender Positionierungen des Instituts in der Weimarer Republik und seiner Neupositionierung in der jungen Bundesrepublik.

Wohlgemerkt: Der rote Faden besteht allein aus der Deutung der Kapitulationen als prägende deutsche Niederlagen. Nur diese Deutung ist geradezu selbstverständlich, anders als Deutungen der Kriegsursachen, der Kriegsschuld, von Ausmaß und Einzigartigkeit deutscher Verbrechen. Es sei weiter betont, dass diese These nicht monokausal und nicht deterministisch ist.[3] Viele weitere Kräfte haben den Weg des Instituts mitgeprägt. Der rote Faden verläuft zudem alles andere als geradlinig: So zielte das Institut nach der ersten Niederlage auf eine Revision der völkerrechtlichen Nachkriegsordnung, nach der zweiten hingegen auf deren konsequente Entfaltung. Die Behauptung eines roten Fadens behauptet auch keinen Konsens in der Bewertung oder der Konsequenzen, die man zog. Viele Beiträge dieses Blogs zeigen einen bisweilen erstaunlichen Pluralismus, wie innerhalb des Instituts mit den Niederlagen umgegangen wurde. Unser roter Faden kann nur deshalb ein roter Faden sein, weil er vieles offen, ja strittig lässt. Auf den Punkt gebracht: Wir schreiben kein Narrativ.

Eine Verliererinstitution

Die Gründung des Instituts am 19. Dezember 1924 ist eine Folge der Kapitulation. Deutschland musste sich als Verlierer einer neuen internationalen Ordnung beugen und sich in ein von seinen Gegnern dominiertes System einordnen. Die Niederlage stellte das deutsche Völkerrecht, auch als wissenschaftliche Disziplin, vor unerhörte Herausforderungen. Nunmehr stand es allein, ohne eine große Armee an seiner Seite. Die Pariser Vorortverträge, zumal der von Versailles, gaben ihm schwerste Probleme auf, etwa die Gebietsabtrennungen, die Beschränkungen der Souveränität, enorme Reparationszahlungen, die Kriegsschuld, weltpolitische Isolation. Zudem litt das deutsche Völkerrecht an einem Mangel kompetenter Völkerrechtler, von Völkerrechtlerinnen ganz zu schweigen. Der Etatismus des Kaiserreichs hatte wenig Interesse am Völkerrecht gehabt, so dass die Disziplin über Jahrzehnte vernachlässigt worden war.

Die Gründung des Instituts reagierte auf diese Lage. So heißt es in der von dem Generalsekretär der KWG Friedrich Glum und die beiden Berliner Professoren Viktor Bruns und Heinrich Triepel verfasste Denkschrift zu seiner Gründung:

Deutschland wird sich für Jahrzehnte die Pflege internationaler Beziehungen mehr denn je angelegen sein lassen müssen, um sich zu schützen gegen die unberechtigten Ansprüche seiner Kriegsgegner, um seinen Landsleuten in den abgetretenen Gebieten zu helfen und um sich aufs neue Geltung in der Welt zu verschaffen.“[4]

Das Institut begann als „Verlierer-Institution“. Das hatte Folgen, die aber ganz unterschiedlich ausfallen konnten, etwa als ein kritisches oder aber als ein emphatisches Völkerrechtsverständnis. Eine naheliegende Folge wäre ein Verständnis als ein Instrument der Starken zur Unterdrückung der Schwachen gewesen, ‚the strong do what they can and the weak suffer what they must‘. Das Institut entschied sich anders, klüger. Einem Land mit einer Wehrmacht von nur 100.000 Mann nutzt eher ein Völkerrechtsverständnis, wonach das Recht mehr ist als nur die Formalisierung von Macht. Der Interessenlage entspricht ein Verständnis als ein eigenständiges, gerade auch machthemmendes Ordnungssystem. So ist es kein Zufall, dass Bruns‘ Gründungsaufsatz der Institutszeitschrift die Autonomie des Völkerrechts beschwört, „Völkerrecht als Rechtsordnung“.

Diese Art der Verarbeitung der Niederlage durch das KWI war keineswegs zwangsläufig. Das zeigt der Vergleich mit dem 1922 von Albrecht Mendelssohn Bartholdy gegründeten Hamburger „Institut für auswärtige Politik“ und insbesondere dem bereits 1914 ins Leben gerufenen Kieler „Institut für Internationales Recht“, das ab 1926 Walther Schücking leitete. Auch diese beiden Institute verarbeiteten die Niederlage, aber mit einem progressiveren Verständnis des Völkerrechts, das sich zur internationalen Ordnung und Völkerbund bekannte. Solche Bekenntnisse kennzeichneten nicht die Arbeit des KWI. Selbst ‚Völkerrecht als Rechtsordnung‘ erscheint mehr ein Mittel als ein Zweck.  Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte sich diese Offenheit des Umgangs mit der Niederlage sogar intern. Während Carl Bilfinger (1879-1958) als Wiedergründungsdirektor 1950 eine Friedensordnung im Gleichgewicht der Mächte nach dem überkommenen Muster des Wiener Kongresses empfahl, setzte sein Nachfolger Hermann Mosler (1912-2001) konsequent auf eine Westintegration, welche die bisherigen völkerrechtlichen Formen sprengte.

Konkrete Erfahrungen der Niederlagen

Das ausgebrannte Schloss 1946[5]

Die Prägekraft der Niederlagen sei anhand der Institutsangehörigen konkretisiert. Betrachtet man die Personalstruktur des KWI, so war sie „vergleichbar mit der am Auswärtigen Amt: Adlige Herkunft, bürgerliche Tradition und ein gewisser gesellschaftlicher Dünkel dominierten.“[6] Angesichts einer zumeist ausgeprägt nationalen Haltung empfanden viele die Niederlage als besonders schmerzlich. Das ist offensichtlich bei der Leitungsebene des Institutes um seinen Gründer Viktor Bruns (1884-1943), die die wissenschaftlichen Mitglieder bzw. Berater Rudolf Smend (1882-1975), Erich Kaufmann (1880-1972) sowie den zweiten Direktor und Cousin Viktor Bruns‘ Carl Bilfinger (1879-1958) umfasste. Dabei hatte lediglich Erich Kaufmann als mehrfach dekorierter Soldat am Krieg teilgenommen, den er in seiner berühmten, inzwischen berüchtigten Schrift über das „Wesen des Völkerrechts“ geradezu herbei gewünscht hatte.[7] Viktor Bruns und Heinrich Triepel gehörten zu den mehr als 3000 Professoren, die 1914 die nationalistische „Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches“ unterzeichnet und den Krieg dann auch aktiv begleitet hatten.

Als Soldaten am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatten nur wenige Institutsangehörige, wie Hermann Heller (1891-1933), Carlo Schmid (1896-1979) oder Friedrich Berber (1898-1984). Die meisten Referenten hatten den Krieg im Jugendalter und fernab der Front erlebt, so Joachim Dieter Bloch (1906-1945), Karl Bünger (1903-1997), Joachim von Elbe (1902-2000), Herbert Kier (1900-1973), Gerhard Leibholz (1901-1982), Hans-Joachim von Merkatz (1905-1982), Hermann Mosler (1912-2001), Hermann Raschhofer (1905-1979), Helmut Strebel (1911-1992), Ulrich Scheuner (1903-1981), Berthold von Stauffenberg (1905-1944) oder Wilhelm Wengler (1907-1995).[8] Die Angehörigen dieser „Kriegsjugendgeneration“, die ganz im Geiste des deutschen Nationalismus und der Kriegspropaganda aufgewachsen waren, zeichnete eine merkwürdige Verbitterung aus: Sie hatten die Kriegsteilnahme und somit  die nationale Bewährung verpasst, was sie anderweitig zu kompensieren suchten.[9] Die Prägung durch Krieg und Niederlage tritt in autobiographischen Schriften von Institutsangehörigen deutlich zu Tage.[10]

Geteilte Kriegserfahrung: Erich Kaufmann und Carlo Schmid als Offiziere im Ersten Weltkrieg. Fotos: UB der HU zu Berlin, Porträtsammlung: Erich Kaufmann; AdSD 6/FOTA020638.

Die Kollektiv-Erfahrung der Niederlage hatte für das Institut eine bedeutende soziale Funktion: Der „Kampf gegen Versailles“ integrierte die Angehörigen des KWI über ihre politischen Differenzen hinweg. Somit gab es durchaus eine gewisse „Diversität“ im Institut, an dem mit Erich Kaufmann, Hermann Heller und Gerhard Leibholz sogar jüdische Forscher und politische Gegner zusammenfanden. Die Differenzen, die zwischen den Sozialdemokraten Heller und Carlo Schmid auf der einen und Nationalkonservativen wie Kaufmann oder Berthold von Stauffenberg auf der anderen Seite bestanden, bedürfen keiner Erläuterung. Diversität bringen weiter Referentinnen wie Ellinor von Puttkamer, Marguerite Wolff oder Angèle Auburtin. Der Kitt, der diese Gegensätze überbrückte, war die Absicht, die Nachkriegsordnung zu revidieren. Sie erleichterte die Zusammenarbeit, auch über 1933 hinaus. Gewiss hatte die Leitung die jüdischen Mitarbeiter Erich Kaufmann und Marguerite Wolff aus dem Institut verdrängt, gleichwohl gab es bis 1944 ein Miteinander aus völkischen Juristen wie Herbert Kier und Georg Raschhofer mit politisch Unangepassten wie Wilhelm Wengler, Regime-Zweiflern wie Hermann Mosler und später Berthold von Stauffenberg.

Die wissenschaftliche Begleitung des Krieges

Viktor Bruns, Die Schuld am „Frieden“ und das deutsche Recht am Sudentenland, Jahrestagung KWG 1938 (Bruns dritter von rechts, neben Max Planck, zweiter von rechts)[12]

Die positive Haltung des Instituts gegenüber dem Nationalsozialismus versteht sich vor allem aus der Niederlage im Ersten Weltkrieg. Viktor Bruns und seine Mitarbeiter hofften auf die Revision des Versailler Vertrages und die Wiederherstellung einer deutschen Großmachtstellung.[13] So war das Institut schon früh in die Kriegsvorbereitungen des Dritten Reiches involviert. Bereits 1934 schuf Bruns eine eigene Abteilung für Kriegsrecht, der Berthold von Stauffenberg vorstand.[14] Ab 1935 kooperierte das KWI mit der „Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften“, einem NS-Thinktank zu Kriegsfragen. Dessen „Ausschuss für Kriegsrecht“ hatte das Ziel, das heterogene Kriegsrecht zu vereinfachen und – im Hinblick auf einen kommenden Krieg – alle notwendigen Unterlagen zu sammeln, um nach einem siegreichen Abschluß des Krieges die deutschen Interessen (…) möglichst gut vertreten zu können.[15] Neben Viktor Bruns, Hermann Mosler, Ernst Schmitz und Berthold von Stauffenberg waren Angehörige von Auswärtigem Amt, Reichsjustizministerium, Oberkommando der Wehrmacht und der Marine und des Reichsluftfahrtsministeriums beteiligt.[16] Er erarbeitete eine Prisenordnung (hierfür verantwortlich war Berthold von Stauffenberg), eine Prisengerichtsordnung und Teile einer Luftkriegsordnung. Sie waren, das ist ihnen zu Gute zu halten, stark am Kriegsvölkerrecht orientiert.

Es ist festzuhalten, dass das KWI sich an der Vorbereitung eines neuen Krieges beteiligte und damit nationalsozialistische Politik unterstützte, jedoch zumeist im Rahmen des Völkerrechts.[17] Die Grenzen dieser Unterstützung wurden denn auch mit dem Bekanntwerden der grob völkerrechtswidrigen Kriegsführung an der Ostfront erreicht. Wenngleich das Institut deswegen nicht zu einem Zentrum des Widerstands wurde, so haben sich Schmitz, Wengler, Mosler und Stauffenberg doch „strikt für humanitäres Völkerrecht“ bei der Kriegsführung eingesetzt.[18] Die ebenso bedeutende wie komplexe Frage seiner Involvierung beim Attentat vom 20. Juli 1944 kann hier nicht ausgeführt werden.[19]

„Kriegsfolgenforschung“

Auch der verlorene Zweite Weltkrieg war eine Erfahrung, die die Angehörigen der Institution prägte. Die Niederlage mit all‘ ihren Konsequenzen, die Zerstörung des Berliner Schlosses, die dramatische Rettung der Institutsbibliothek, der Tod von Kollegen, ist in Zeitzeugenberichten und Nachrufen in der ZaöRV greifbar.[20]

Bis zu seiner Neu-Gründung durch die Max-Planck-Gesellschaft 1949 in Heidelberg befand sich das Institut in einem höchst prekären Zustand. Teile des Inventars befanden sich bereits in Heidelberg, ein Großteil jedoch noch im zerstörten Berlin, insbesondre im Privathaus der Familie Bruns. In dieser Zeit befassten sich die Institutsmitarbeiter vor allem mit der rechtlichen Erfassung der als „Kriegsfolgen“ verbrämten Niederlage. Carl Bilfinger war als Gutachter in alliierten Kriegsverbrecherprozessen für die I.G.-Farben sowie für die Industriellen Hermann Röchling und Friedrich Flick tätig, Hermann Mosler trat vor dem Internationalen Militärtribunal in Nürnberg für Gustav Krupp und Albert Speer auf.[21] Bis in die 1960er Jahre verfasste das Institut zahlreiche Gutachten zu Fragen des Besatzungsrechtes, Reparationen, des Status von Berlin und der Sowjetischen Besatzungszone.[22]

Boltzmannstraße 1 in Berlin. Die Direktorenvilla des KWI für Biologie beherbergte von 1947 bis 1960 die Berliner Zweigstelle des MPIL [23]

In der ersten Nachkriegsausgabe der ZaöRV 1950 definierte der trotz seiner eindeutigen NS-Belastung als Direktor wiederberufene Carl Bilfinger die Forschungsaufgaben des Instituts. Ohne den Nationalsozialismus, den Zweiten Weltkrieg, die deutschen Verbrechen auch nur zu erwähnen ging es ihm vor allem um eine Kritik der Behandlung Deutschlands durch die Alliierten. Er setzte die Lage 1950 mit der des Berliner Instituts in den 1920ern gleich: „Die Zeitschrift des Instituts befindet sich auch insoweit in einer neuen, zwar schon nach dem ersten Weltkrieg diskutierten, aber nicht voll geklärten Situation gegenüber einer alten Fragestellung.“[24] Als Hauptleistung von Bruns‘ KWI lobte Bilfinger, dieses habe Deutschlands Gegner „zur Demaskierung ihres rein machtpolitischen Standpunktes gezwungen“,[25] womit er das Heidelberger Institut in diese Linie stellte. Bilfinger sah Deutschland als Opfer der Alliierten. Von seiner restaurativen Konzeption der Nachkriegsordnung war bereits die Rede.

Die Alternative: Westintegration

Vordenker der europäischen Integration: Walter Hallstein hält 1962 am MPIL den Vortrag „Die EWG politisch gesehen). Am Tisch Hermann Mosler und Hans Dölle. Links im Hintergrund hört eine Schar junger Referenten zu, dritter von rechts ist Rudolf Bernhardt. [26]

Ganz andere Lehren zog Hermann Mosler aus der deutschen Niederlage. Mosler, Direktor ab 1954, entwickelte ein Verständnis des EGKS-Vertrags, welches das überkommene Völkerrecht im Sinne Schumans sprengte. Auch im Weiteren begleitete er eng die Westintegration Konrad Adenauers. Dem folgten letztlich alle nachfolgenden Direktoren. So hatte der rote Faden eine neue Richtung.

In den 1950ern und 1960ern dominierten am Institut Studien, welche die Westintegration begleiteten. Im Fokus stand die europäische Integration mit ihren vielen Aspekten, Menschenrechte, Verfassungsgerichtsbarkeit sowie die vielen Themen, welche die deutsche Außenpolitik in der Verarbeitung der Niederlage beschäftigten. Als die Ostpolitik ab den späten 1960er Jahren eine weitere Dimension der deutschen Niederlage zu bearbeiten begann, wurde dies selbstredend zu einem zentralen Thema. Zugleich ließ der rote Faden vieles offen: Der Umgang mit der wichtigsten Kriegsfolge, der deutschen Teilung, polarisierte wie kaum ein anderes Thema.[27] Der rote Faden findet sich just darin, dass diese Frage so wichtig war, dass sie polarisieren konnte.

Viele Mitglieder und Mitarbeiter des Instituts, allen voran Karl Doehring, Hartmut Schiedermair, Fritz Münch, aber auch Helmut Steinberger und Hermann Mosler, sahen die Ostverträge, die eine Reihe von Verträgen mit osteuropäischen Staaten, allen voran der UdSSR, Polen und später der DDR umfassten, kritisch.[28] Mit Jochen Frowein und dessen Grundlagenwerk zum „De facto Regime“ hatte das Institut aber zugleich einen Vordenker der neuen Ostpolitik in seinen Reihen.[29] Wir sehen hierin einen Beitrag zu Willy Brandts Nobelpreis. Auf jeden Fall prägte die „deutsche Frage“ als die offensichtlichste Folge der Niederlage Generationen von Wissenschaftlern. So begann auch mit der Wiedervereinigung die Präsenz der Niederlagen sich langsam zu verlieren.

Die Niederlagen im Institut des 21. Jahrhunderts

Fortleben soldatischen Stolzes, Karl Doehring (rechts) im Gespräch mit Gerhard Gutmachter, früherer Richter am Landgericht Heidelberg, anlässlich der Feier von Doehrings 80. Geburtstag am 22.03.1999 im Institut. Das Eiserne Kreuz weist den Gutmacher als hochdekorierten Teilnehmer des Zweiten Weltkrieges aus. [30]

Mit Karl Doehring und Rudolf Bernhardt starben 2011 und 2021 die letzten Direktoren mit Kriegserfahrung.[31] Wo stehen Bewusstsein, Verständnis und Relevanz der beiden Kapitulationen heute? Mit dem Gang der Zeit und der Internationalisierung des Institutspersonals ist ein Verblassen unausweichlich. Zudem haben heute viele Mitarbeitenden in der Wissenschaft, aber auch in der Bibliothek und in der Verwaltung eine Migrationsgeschichte, haben ihre Sozialisation und Ausbildung im Ausland erfahren.

Und doch gilt die Erfahrung, welche der historische Institutionalismus mit den Begriffen der critical juncture und der Pfadabhängigkeit artikuliert. Wir hoffen, mit diesem Beitrag unseren Lesern einen Faden gegeben zu haben, um sich auch auf jüngste Publikationen des Instituts einen Reim zu machen, der zur Lage Deutschlands spricht. Falls der Faden nicht mehr rot oder vielleicht gar nicht mehr auffindbar ist, so ist das auch erkenntnisträchtig. Man mag sich dann nämlich fragen, ob die Wissenschaftlerin, das Institut, Deutschland die Niederlagen vergessen, verwunden oder ‚bewältigt‘ hat, und weiter, ob man dies feiern oder aber bedauern sollte. Für uns gilt letzteres.

[1] Giovanni Capoccia, Critical Junctures, in: Orfeo Fioretos/Tulia G. Falleti/Adam  Sheingate (Hrsg.), The Oxford Handbook of Historical Institutionalism, Oxford: Oxford University Press 2016, 89-106.

[2]  Jan Stöckmann, The Architects of International Relations. Building a Discipline, Designing the World, 1914-1940, Cambridge: Cambridge University Press 2022, 97-98.

[3] Jan-Holger Kirsch, „Wir haben aus der Geschichte gelernt“. Der 8. Mai als politischer Gedenktag in Deutschland, Köln: Böhlau 1999, 8; Reinhart Koselleck, Erfahrungswandel und Methodenwechsel. Eine historisch-anthropologische Skizze (1988), in: Reinhart Koselleck, Zeitschichten. Studien zur Historik, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2000, 27-77; 68-69.

[4] Denkschrift über die Errichtung eines Institutes für internationales öffentliches Recht der Kaiser Wilhelm Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (undatiert, jedoch vor Dezember 1924), BArch, R 1501, pag. 3-10, pag. 3.

[5] Foto: BArch, Bild 183-U0628-501/ Erich O. Krueger.

[6] Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (Hrsg.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandaufnahme und Perspektiven der Forschung, Göttingen: Wallstein 2000, Bd. 2, 490-528, 510.

[7] Erich Kaufmann, Das Wesen des Völkerrechts und die clausula rebus sic stantibus, Tübingen: Mohr 1911.

[8] Michael Wildt, Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg: Hamburger Edition 2002; Ulrich Herbert, Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903–1989, München: Beck 2016.

[9] Siehe: Herbert (Fn. 8) 54; Samuel Salzborn, Zwischen Volksgruppentheorie, Völkerrechtslehre und Volkstumskampf. Hermann Raschhofer als Vordenker eines völkischen Minderheitenrechts, Sozial.Geschichte 21(2006), 29-52, 33.

[10] Carlo Schmid, Erinnerungen, Stuttgart: Hirzel 2008, 40 ff.; Friedrich Berber, Zwischen Macht und Gewissen. Lebenserinnerungen, München: Beck 1986, 13-18; Joachim von Elbe, Unter Preußenadler und Sternenbanner. Ein Leben für Deutschland und Amerika, München: Bertelsmann 1983, 54-57.

[12] Foto:Weltbild Foto Verlag. Das Originalbild war in besserer Ausführung nicht auffindbar. Recherchen im Bundesarchiv, im Bildarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und bei Ullstein Bild und beim Scherl-Archiv/SZ-Foto, die Teile des Weltbild-Bestandes übernommen haben, blieben erfolglos. Für weitere Informationen wären wir dankbar.

[13] Vgl. etwa: Viktor Bruns, Die Schuld am „Frieden“ und das deutsche Recht am Sudetenland, 31.05.1938, in: Ernst Telschow (Hrsg.), Jahrbuch 1939 der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Leipzig: Drugulin 1939, 57-85.

[14] Andreas Toppe, Militär und Kriegsvölkerrecht. Rechtsnorm, Fachdiskurs und Kriegspraxis in Deutschland 1899-1940, München: De Gruyter 2008; 207; Andreas Meyer, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944). Völkerrecht im Widerstand, Berlin: Duncker & Humblot 2001, 60.

[15] Meyer (Fn. 14), 64.

[16] Toppe (Fn, 14), 207.

[17] Ernst Schmitz, Vorlesung Kriegsrecht 1938, unveröffentlichtes Manuskript, in der Bibliothek des MPIL vorhanden unter der Signatur: VR: XVII H: 40; ferner überliefert sind die Gutachten Hermann Moslers, ohne Signatur, MPIL; ferner: Hueck (Fn. 6), 512. Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption. Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Heidelberg: Springer 2017, 76.

[18] Hueck (Fn. 6), 522.

[19] Hueck (Fn. 6), 522..

[20] Die Nachkriegs-ZaöRV, Band 13 im Jahre 1950, beginnt mit sechs Nachrufen. Durch den Krieg kamen Joachim-Dieter Bloch ums Leben, der bei der Befreiung Berlins von Rotarmisten erschossen wurde, Alexander N. Makarov, Joachim-Dieter Bloch (1906-1945), ZaöRV 13 (1950), 16-18; Der 22-jährige Referent Ferdinand Schlüter galt seit 1944 als vermisst. „Die alten Gefährten des Instituts bewahren ihm ein treues Andenken und haben die Hoffnung auf seine Rückkehr noch nicht aufgegeben“, Helmut Strebel, Ferdinand Schlüter (vermißt), ZaöRV 13 (1950), 20-21, 21; Eindrucksvoll der Zeitzeugenbericht der Bibliothekarin Annelore Schulz, Die Rückführung unserer Institutsbibliothek aus der Uckermark nach Berlin-Dahlem, 1946 (unveröffentlicht).

[21] Lange (Fn. 17), 150; Hubert Seliger, Politische Anwälte? Die Verteidiger der Nürnberger Prozesse, Baden-Baden: Nomos 2016, 181; 548; Philipp Glahé/Reinhard Mehring/Rolf Rieß (Hrsg.). Der Staats- und Völkerrechtler Carl Bilfinger (1879-1958). Dokumentation seiner politischen Biographie. Korrespondenz mit Carl Schmitt, Texte und Kontroversen, Baden-Baden: Nomos 2024, 329.

[22] Hierzu siehe umfangreiche Gutachtensammlung im MPIL-Bestand. Die bis 1960 bestehende Berliner Abteilung des Instituts war vor allem dem Kriegsfolgenrecht gewidmet. In den 1950er Jahren wurden ferner zwei bedeutende juristische Archivbestände vom MPI übernommen, das „Heidelberger Dokumentenarchiv“, das einen vollen Satz der Prozessunterlagen der Nürnberger Prozesse umfasst und Teile der Bestände des „Instituts für Besatzungsfragen“, das in Tübingen angesiedelt war und u.a. zu alliierten Besatzungsrechtsverstößen forschte, siehe Bestand im MPIL-Keller; Hermann Mosler, Der Einfluss der Rechtsstellung Deutschlands auf die Kriegsverbrecherprozesse, Süddeutsche Juristenzeitung 2 (1947), 362-370; Hermann Mosler, Die Kriegshandlung im rechtswidrigen Kriege, in: Forschungsstelle für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht der Universität Hamburg/Institut für internationales Recht an der Universität Kiel, Jahrbuch für internationales und ausländisches öffentliches Recht 1948, Bd. 2, Hamburg: Hansischer Gildenverlag 1948, 335-358.

[23] Foto: AMPG.

[24] Carl Bilfinger, Prolegomena, ZaöRV 13 (1950), 22-26, 26.

[25] Carl Bilfinger, Völkerrecht und Historie, in: Boris Rajewski/Georg Schreiber (Hrsg,), Aus der deutschen Forschung der letzten Dezennien. Dr. Ernst Telschow zum 65. Geburtstag gewidmet, Stuttgart: Georg Thieme Verlag 1954, 29-32, 30.

[26] Foto: MPIL.

[27] Hiervon zeugen die überlieferten Protokolle der Referentenbesprechungen.

[28] Felix Lange, Zwischen völkerrechtlicher Systembildung und Begleitung der deutschen Außenpolitik.

Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 1945–2002, in: Thomas Duve/Jasper Kunstreich/Stefan Vogenauer (Hrsg.), Rechtswissenschaft in der Max-Planck-Gesellschaft, 1948–2002, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2023, 26.

[29] Jochen Frowein, Das de facto-Regime im Völkerrecht, Köln: Carl Heymanns Verlag 1968.

[30] Foto: MPIL.

[31] Bernhardt schien sich zeitlebens nicht zu dieser Erfahrung geäußert zu haben, in seiner Privatbibliothek dominierten aber Werke, die sich mit dem Phänomen des Nationalsozialismus auseinandersetzten. Anders: Karl Doehring, Von der Weimarer Republik zur Europäischen Union. Erinnerungen, Berlin: wjs 2008, 71-114. Zu Rudolf Bernhardts Erfahrungen in der Kriegsgefangenschaft: Rudolf Bernhardt, Tagebuchaufzeichnungen aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1945-1947, hrsg. von Christoph Bernhardt, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2024.

English

The capitulations at the end of the First and Second World Wars are regarded as defeats for Germany, not only for its army or government. They represent deep social caesuras and continue to characterise the German path to this day, including that of the Institute for Comparative Public Law and International Law. We perceive these capitulations as critical junctures [1] and will demonstrate that they form a common thread that links many of the Institute’s positions and runs through its research. The Geneva Institut de hautes études internationales, which accompanied the new order from a victor’s perspective from 1927 onwards, forms a contrasting foil.[2] The thread of defeat dominates the Institute in the inter-war period and the early Federal Republic, yet also taps into many aspects of the Institute’s more recent history.  It can be found in the studies on German unity and on European integration after the fall of the iron curtain, on international law as a value-based order, as well as on global constitutionalism. Certainly, it loses some of its interpretative power with increasing historical distance and with the internationalisation of the MPIL. This article opens shows the common thread on the basis of the formative positioning of the institute in the Weimar Republic and its repositioning in the young Federal Republic of Germany.

Please note, we propose as the red thread the interpretation of the capitulations as formative German defeats. This interpretation is almost universally shared, in stark contrast to the understanding of the causes of the wars, war guilt, and the extent and uniqueness of Germany’s crimes. Moreover, our thesis is not monocausal or deterministic: further causes have been shaping the Institute’s path.[3] The red thread we are describing by no means follows a straight path: After the first defeat, the Institute aimed to revise the post-war international legal order, whereas after the second defeat it aimed to for its consistent development. The assertion of a common thread also does not claim a consensus in the assessment or the consequences that were drawn. Many contributions to this blog show the sometimes-astonishing pluralism in how the defeats were dealt with within the Institute. Our common thread can only be a common thread because it leaves many aspects open and up for debate. In a nutshell: we are not writing a narrative.

A Loser’s Institution

The foundation of the institute on 19 December 1924 was a result of the capitulation. Having lost the war, Germany had to submit to a new international order dominated by its opponents. The defeat presented the German international lawyers and the entire discipline with unprecedented challenges. They now stood alone, without a powerful army at their side. Moreover, the Treaty of Versailles confronted Germany with intricate international problems, such as the loss of territory, restrictions on sovereignty, enormous reparations, war debts and political isolation. In addition, Germany suffered from a lack of competent lawyers. The statism of the German Empire had little interest in international law, so the discipline was neglected for decades.

The establishment of the Institute responded to this situation. The founding memorandum, written by KWG Secretary General Friedrich Glum, the eminent Weimar professor Heinrich Triepel and the founding director Viktor Bruns stated:

“In the decades to come, Germany will have to deal more than ever with the cultivation of international relations, in order to protect itself from the unjustified claims of its war enemies, to help its compatriots in the ceded territories and to reassert itself in the world.” [4]

The Institute started a “loser’s institution”. The consequences of this, however, could turn out very differently, leading for example to a critical or an emphatic understanding of international law. One obvious consequence could have been a critical understanding of international law as an instrument of the strong to suppress the weak, ‘the strong do what they can and the weak suffer what they must’. The Institute decided differently, more wisely: a country with a Wehrmacht of only 100,000 men is better served by an understanding of international law according to which law is more than just the formalisation of power. Corresponding to the interests at stake is an understanding as an independent system of order, which also serves to inhibit pure power. It is therefore by no means a coincidence that Bruns’ programmatic first article in the Institute’s newly founded journal theorizes the autonomy of international law: “International Law as a Legal Order“.

The KWI’s approach to the defeat was not the only possible. Consider the Hamburg Institut für auswärtige Politik (“Institute for Foreign Policy”), founded in 1922 by Albrecht Mendelssohn Bartholdy, and the Kiel Institut für Internationales Recht (“Institute for International Law”) under the directorship of Walther Schücking. These two institutes also addressed the defeat, but with a more progressive understanding of international law committed to the international order and the League of Nations. Such commitments do not characterise the work of the KWI. Even ‘international law as a legal order’ appears to be more a means than an end.  After the Second World War, this openness in dealing with the defeat was even evident internally.Whereas Carl Bilfinger (1879-1958), who oversaw the re-foundation of the institute in 1950, , recommended a peace order based on the balance of power according to the traditional model of the Congress of Vienna, his successor Hermann Mosler (1912-2001) focussed on theintegration into the West that ‘detonated’ (“sprengen”) traditional thinking.

Concrete Experiences of Defeat

The burned-out castle in June 1946[5]

The influential power of the defeats can be concretised by looking at the members of the institute. Looking at the staff structure of the KWI, it was “comparable to that at the Federal Foreign Office: aristocratic origins, bourgeois tradition and a certain social arrogance dominated.”[6] Due to an, in many cases, starkly nationalist sentiment, many felt the defeat particularly deeply. This is most evident in the leadership of the Institute, its founder Viktor Bruns (1884-1943),  and the academic members and advisors Rudolf Smend (1882-1975), Erich Kaufmann (1880-1972) and from 1944 onwards by the second director, Carl Bilfinger (1879-1958). Among them, Erich Kaufmann, a highly decorated soldier, was the only one who had served in the war, which he had almost yearned for  in his famous – by now infamous – bellicose essay on the “Nature of International Law” (“Das Wesen des Völkerrechts”).[7] Viktor Bruns and Heinrich Triepel were among the more than 3,000 professors who had signed the nationalistic “Declaration of the Professors of the German Empire” (“Erklärung der Hochschullehrer des Deutschen Reiches”) in 1914 and consequently showed active support of the war.

Among staff members, only a few, such as Hermann Heller (1891-1933), Carlo Schmid (1896-1979) and Friedrich Berber (1898-1984), had fought in the First World War. Most had experienced the war as teenagers, such as Joachim Dieter Bloch (1906-1945), Karl Bünger (1903-1997), Joachim von Elbe (1902-2000), Herbert Kier (1900-1973) and Gerhard Leibholz (1901-1982), Hans-Joachim von Merkatz (1905-1982), Hermann Mosler (1912-2001), Hermann Raschhofer (1905-1979), Helmut Strebel (1911-1992), Ulrich Scheuner (1903-1981), Berthold von Stauffenberg (1905-1944) and Wilhelm Wengler (1907-1995).[8] Yet, educated in the spirit of German nationalism and subject to the war propaganda, they were characterised by a strange bitterness: For not fighting in the war to avoid defeat, they felt to have missed the opportunity to prove themselves to their nation, and many tried to make up in other ways.[9] Some have reported on the experience of defeat in autobiographies.[10]

Shared war experience: Erich Kaufmann in 1918 and Carlo Schmid in 1917 as officers (Photos: UB der HU zu Berlin, Porträtsammlung: Erich Kaufmann; AdSD 6/FOTA020638).

The shared experience of defeat had an important social function for the Institute: the “fight against Versailles” integrated the members of the KWI beyond their political differences. Indeed, there was a certain degree of “diversity” at the Institute. It provided a space for researchers of Jewish origin such as Erich Kaufmann, Hermann Heller and Gerhard Leibholz. There was also political diversity, and the differences between the social democrats Heller and Carlo Schmid on the one hand and conservatives such as Kaufmann or Berthold von Stauffenberg ran deep. It is worth mentioning diversity for female researchers such as Ellinor von Puttkamer, Marguerite Wolff and Angèle Auburtin.

The glue among the members was the intention to revise the post-war order. This shared objective facilitated cooperation among the Institute’s members, even after 1933. It is true that the Jewish members Erich Kaufmann and Marguerite Wolff were forced out. However, until 1944, political nonconformists such as Wilhelm Wengler, regime-sceptics such as Hermann Mosler and, later, the dissident and member of the resistance movement of 20 July 1944 Berthold von Stauffenberg worked with national socialist lawyers such as Herbert Kier and Georg Raschhofer.

Scientific Support of the War

Viktor Bruns, The Guilt of “Peace” and the German Right to the Sudetenland, Annual Conference of theKWG 1938 (Bruns third from right, next to Max Planck, second from right) [12]

The Institute’s support of National Socialism can be explained with the defeat in the First World War, not with deep belief in the regime’s ideology. Viktor Bruns and his staff longed for a revision of the Treaty of Versailles and the restoration of Germany as a great power.[13] With this aim, the Institute became involved in the Third Reich’s war preparations early on. Already in 1934, Bruns set up a department for martial law, headed by Berthold von Stauffenberg.[14] From 1935, the Institute participated in the Deutsche Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften (“German Society for Defence Policy and Defence Sciences”), a Nazi think-tank on war issues. Its Ausschuss für Kriegsrecht (“Committee for the Law of War”) aimed to “simplify the heterogeneous law of war and – in view of a coming war – to collect all the necessary documents in order to be able to represent German interests  as well as possible after the German victory.”[15]  In this think tank, Viktor Bruns, Hermann Mosler, Ernst Schmitz and Berthold von Stauffenberg joined members of the Foreign Office, the Ministry of Justice, the High Command of the Wehrmacht and the Navy, and the Ministry of Aviation.[16] It developeda draft for a prize law (“Prisenordnung”), for which Berthold von Stauffenberg was responsible, as well as a law of admiralty courts and parts of a law on aerial warfare. These were, to their credit, heavily oriented on the international law of war.While the KWI was involved in preparing a new war and supported Nazi policy, it was so mostly within the limits of international law.[17] Thus, its support weakened when the gross violation of international law on the Eastern Front became known. Although the Institute did not become a centre of resistance, there is evidence that Schmitz, Wengler, Mosler and Stauffenberg were “strictly committed to international humanitarian law”. [18] An issue of both great relevance and complexity is Stauffenberg’s involvement in the operation Walküre of 20 July 1944.[19] It can, however, not be discussed here.

Kriegsfolgenforschung” -“Research on the Consequences of the War”

The defeat in the Second World War with all its consequences, the destruction of Berlin Palace, the dramatical rescue of the institute’s library, and the deaths of colleagues, was another experience impacting the institute’s staff. Much of this becomes tangible in the eyewitness accounts and obituaries in the ZaöRV.[20]  Until the Institute’s re-establishment by the newly founded Max Planck Society in Heidelberg in 1949, it was in a most precarious state. Parts had already been moved to Heidelberg where Bilfinger was living, but much of the library and staff were still in Berlin, but in Bruns’ villa. The Institute’s staff was primarily concerned with the legal side of the defeat, euphemistically termed “the law of the consequences of war” (Kriegsfolgenrecht). Carl Bilfinger worked for the industrialists Hermann Röchling and Friedrich Flick in the Allied war crimes trials, while Hermann Mosler appeared on behalf of Gustav Krupp and Albert Speer.[21] Until the 1960s, the Institute was busy with questions of the law of occupation, reparations, and the status of Berlin and the Soviet occupation zone.[22]

Boltzmannstraße 1 in Berlin. The Director’s Villa of the KWI for Biology housed the Berlin branch of the MPIL from 1947 to 1960[23]

In the first post-war issue of the ZaöRV in 1950, Carl Bilfinger, reappointed as director despite his Nazi background, defined the Institute’s research tasks. Without any mentioning National Socialism, the Second World War or German crimes, he was primarily concerned with criticising the treatment of Germany by the Allies. He compared the situation in 1950 with that of the Berlin Institute in the 1920s: “In this respect, the journal of the Institute also finds itself in a new situation, which was already discussed after the First World War, but not fully clarified, in relation to an old question.” [24]  Bilfinger praised the main achievement of Bruns’s KWI as having “forced Germany’s opponents to unmask their purely power-political standpoint”, thus placing the Heidelberg Institute in this line. [25] Bilfinger saw Germany as a victim of the Allies. His restorative conception of the post-war order has already been mentioned.

The Alternative: The Federal Republic’s Integration into the West

Protagonist of European integration: Walter Hallstein gives a lecture on “The EEC seen from a political point of view” at the MPIL in 1962. Hermann Mosler and Hans Dölle at the table. In the background on the left, a group of young researchers listening, third from the right is Rudolf Bernhardt, later director of the Institute.[26]

Hermann Mosler drew very different lessons from Germany’s defeat. Mosler, who took over as director in 1954, developed a new understanding of the ESCS treaty, which transcended traditional international law according to Schuman. Generally, he closely followed and supported Konrad Adenauer’s Western integration. All subsequent directors followed suit, and thus the red thread took on a new direction.

In the 1950s and 1960s, the research agenda of the Institute was dominated by studies accompanying this integration of the West: European integration in its many aspects, human rights, and, on the comparative side, constitutional adjudication and the control of the executive. When, in the late 1960s, the Ostpolitik began to address a further dimension of the German defeat, this naturally became a central issue. At the same time, the red thread left much open, namely how to deal with the most visible consequence of the defeat: the division of Germany and its loss of territory. The issue was a polarising the Institute as it was polarizing the country.[27] The red thread is that the issue was so important that it could polarise the Institute.

Many members and staff of the Institute, above all Karl Doehring, Hartmut Schiedermair, Fritz Münch, but also Helmut Steinberger and Hermann Mosler, rejected the Ostverträge, a series of treaties of the Federal Republic with the Eastern European countries, above all the Soviet Union, Poland and later the German Democratic Republic.[28] But with Jochen Frowein and his fundamental work on the “de facto regime”, the Institute had also produced much of the legal thought of the new Ostpolitik. [29] We see this as a contribution to Willy Brandt’s Nobel Peace Prize. In any case, the “German question”, as the most obvious consequence of the defeat, had a formative influence on generations of researchers. Consequently, with German reunification, the presence of the defeat slowly began to fade.

The Defeats and the Institute in the 21st century

he Continuous Relevance of Military Pride. Karl Doehring (right) in conversation with Gerhard Gutmacher, former judge at the Landgericht Heidelberg, on the occasion of Doehring’s 80th birthday on 22 March 1999 at the Institute. The Iron Cross identifies the guest as a highly decorated participant in the Second World War.[30]

Karl Doehring and Rudolf Bernhardt, the last directors with war experience, died in 2011 and 2021 respectively. [31] What is the awareness, understanding and relevance of Germany’s capitulations today?  With the passage of time and the internationalisation of the MPIL’s staff, fading is inevitable, not least because many of today’s academic, library and administrative staff have a history of migration and were socialised and educated abroad.

And yet, historical institutionalism’s concepts of critical juncture and path dependency express a deep truth. With this article, we hope to have provided our readers with a thread leading towards a grasp of the Institute’s most recent publications, and by that, also of the situation in Germany more broadly. If the thread is no longer red or even has become impossible to find, this is also significant. Then one might ask whether researchers, the institute, and Germany have forgotten, overcome, or coped with the defeats and whether this should be reason for celebration or for regret. For us it would be the latter.

[1] Giovanni Capoccia, Critical Junctures, in: Orfeo Fioretos/Tulia G. Falleti/Adam  Sheingate (eds), The Oxford Handbook of Historical Institutionalism, Oxford: Oxford University Press 2016, 89-106.

[2] Jan Stöckmann, The Architects of International Relations. Building a Discipline, Designing the World, 1914-1940, Cambridge 2022, 97-98.

[3] Jan-Holger Kirsch, „Wir haben aus der Geschichte gelernt“. Der 8. Mai als politischer Gedenktag in Deutschland, Köln: Böhlau 1999, 8; Reinhart Koselleck, Erfahrungswandel und Methodenwechsel. Eine historisch-anthropologische Skizze (1988), in: Reinhart Koselleck, Zeitschichten. Studien zur Historik, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2000, 27-77; 68-69.

[4] Memorandum on the foundation of the Institute for Comparative Public Law and International Law (undated, but drafted before December 1924), BArch, R 1501, 3-10, 3, translated by the authors.

[5] Photo: BArch, Bild 183-U0628-501/ Erich O. Krueger.

[6] Ingo Hueck, Die deutsche Völkerrechtswissenschaft im Nationalsozialismus. Das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, das Hamburger Institut für Auswärtige Politik und das Kieler Institut für Internationales Recht, in: Doris Kaufmann (ed.), Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus. Bestandaufnahme und Perspektiven der Forschung, Göttingen: Wallstein 2000, Vol. 2, 490-528, 510.

[7] Erich Kaufmann, Das Wesen des Völkerrechts und die clausula rebus sic stantibus, Tübingen: Mohr 1911.

[8] Michael Wildt, Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg: Hamburger Edition 2002; Ulrich Herbert, Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903–1989. Munich: C.H. Beck 2016.

[9] Cf. Herbert (fn. 8), 54; Samuel Salzborn, Zwischen Volksgruppentheorie, Völkerrechtslehre und Volkstumskampf. Hermann Raschhofer als Vordenker eines völkischen Minderheitenrechts, Sozial.Geschichte 21 (2006), 29-52, 33.

[10] Carlo Schmid, Erinnerungen, Stuttgart: Hirzel 2008, 40 et seqq; Friedrich Berber, Zwischen Macht und Gewissen. Lebenserinnerungen, Munich: Beck 1986, 13-18; Joachim von Elbe, Unter Preußenadler und Sternenbanner. Ein Leben für Deutschland und Amerika, Munich: Bertelsmann 1983, 54-57.

[11] Photo: University Library of the Humbolt University (Berlin), portrait collection: Erich Kaufmann; AdSD  6/FOTA020638.

[12] Photo: Weltbild Foto Verlag. The original image could not be found in a better version. Searches in the Bundesarchiv (German Federal Archive), the picture archive of the Stiftung Preußischer Kulturbesitz (Prussian Cultural Heritage Foundation) and the archives of Ullstein Bild and Scherl/SZ-Foto, which have taken over parts of the Weltbild collection, were unsuccessful. We would be grateful for any further information.

[13] Cf. Viktor Bruns, Die Schuld am „Frieden“ und das deutsche Recht am Sudetenland, 31.05.1938, in: Ernst Telschow (ed.), Jahrbuch 1939 der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Leipzig: Drugulin 1939, 57-85.

[14] Andreas Toppe, Militär und Kriegsvölkerrecht. Rechtsnorm, Fachdiskurs und Kriegspraxis in Deutschland 1899-1940, Munich: De Gruyter 2008, 207; Andreas Meyer, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944). Völkerrecht im Widerstand, Berlin: Duncker & Humblot 2001, 60.

[15] Meyer (fn. 14), 64, translated by the authors.

[16] Toppe (fn. 14), 207.

[17] Ernst Schmitz, Vorlesung Kriegsrecht [“Lecture on the Law of War”] 1938, unpublished manuscript, in the MPIL’s library under signature: VR: XVII H: 40; there are also legal opinions by Hermann Moslers, without signature, MPIL; see also: Hueck (fn. 6), 512; Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption. Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Heidelberg: Springer 2017, 76.

[18] Hueck (fn. 6), 522.

[19] Hueck (fn. 6), 522.

[20] The post-war issue of the ZaöRV (today also under the English title Heidelberg Journal of International Law, HJIL), vol. 13 of 1950, begins with six obituaries. The war claimed the life of Joachim-Dieter Bloch, who was shot by Red Army soldiers during the liberation of Berlin, Alexander N. Makarov, Joachim-Dieter Bloch (1906-1945), HJIL 13 (1950), 16-18; the 22-year-old lecturer Ferdinand Schlüter had been missing since 1944: “The old companions of the Institute honour his memory faithfully and have not yet given up hope of his return”: Helmut Strebel, Ferdinand Schlüter (vermißt), HJIL 13 (1950), 20-21, 21; Impressive contemporary witness report by librarian Annelore Schulz, Die Rückführung unserer Institutsbibliothek aus der Uckermark nach Berlin-Dahlem [“The repatriation of our institute library from the Uckermark to Berlin-Dahlem”], 1946 (unpublished).

[21] Lange (fn, 17), 150; Hubert Seliger, Politische Anwälte? Die Verteidiger der Nürnberger Prozesse, Baden-Baden: Nomos 2016, 181, 548; Philipp Glahé/Reinhard Mehring/Rolf Rieß (Hrsg.). Der Staats- und Völkerrechtler Carl Bilfinger (1879-1958). Dokumentation seiner politischen Biographie. Korrespondenz mit Carl Schmitt, Texte und Kontroversen, Baden-Baden: Nomos 2024, 329.

[22] See the extensive collection of expert opinions in the MPIL’s holdings. The Institute’s Berlin department, which existed until 1960, was primarily concerned with the legal consequences of the war. In the 1950s, the MPI also took over two important collections of legal archives: the “Heidelberger Dokumentenarchiv”, which contains a complete set of the trial documents of the Nuremberg Trials, and parts of the certificates of the “Institut für Besatzungsfragen”, which was based in Tübingen and researched, among other things, violations of the law of the Allied occupation; see the collection in the basement of the MPIL; Hermann Mosler, Der Einfluss der Rechtsstellung Deutschlands auf die Kriegsverbrecherprozesse, Süddeutsche Juristenzeitung 2 (1947), 362-370; Hermann Mosler, Die Kriegshandlung im rechtswidrigen Kriege, in: Forschungsstelle für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht der Universität Hamburg/Institut für internationales Recht an der Universität Kiel, Jahrbuch für internationales und ausländisches öffentliches Recht 1948, vol. 2, Hamburg: Hansischer Gildenverlag 1948, 335-358.

[23] Photo: AMPG.

[24] Carl Bilfinger, Prolegomena, HJIL 13 (1950), 22-26, translated by the authors.

[25] Carl Bilfinger, Völkerrecht und Historie, in: Boris Rajewski/Georg Schreiber (eds.), Aus der deutschen Forschung der letzten Dezennien. Dr. Ernst Telschow zum 65. Geburtstag gewidmet, Stuttgart: Georg Thieme Verlag 1954, 29-32, 30.

[26] Photo: MPIL.

[27] The surviving minutes of the “Referentenbesprechung” bear witness to this.

[28] Felix Lange, Zwischen völkerrechtlicher Systembildung und Begleitung der deutschen Außenpolitik.

Das Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, 1945–2002, in: Thomas Duve/Jasper Kunstreich/Stefan Vogenauer (eds.), Rechtswissenschaft in der Max-Planck-Gesellschaft, 1948–2002, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2022, 26.

[29] Jochen Frowein, Das de facto-Regime im Völkerrecht, Cologne: Carl Heymanns Verlag 1968.

[30] Photo: MPIL.

[31] Bernhardt does not seem to have commented on this experience throughout his life, but his private library was dominated by works dealing with the phenomenon of National Socialism, unlike Karl Doehring, who wrote extensively about his time as a soldier: Karl Doehring, Von der Weimarer Republik zur Europäischen Union. Erinnerungen, Berlin: wjs Verlag 2008, 71-114. On Rudolf Bernhardt’s experiences as a prisoner of war: Rudolf Bernhardt, Tagebuchaufzeichnungen aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft 1945-1947, ed. by Christoph Bernhardt, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2024.