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„Eine Stelle am MPI lässt man nicht verfallen“ Oder: Eine kleine Hommage an Professor Karl Doehring

Meine Zeit am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (MPIL) in Heidelberg war kurz bemessen, sie währte nur ein halbes Jahr, zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni 1978. Diese interessante Zeit habe ich Professor Karl Doehring zu verdanken.

Professor Doehring war mir ein langjähriger wertvoller und liebenswerter Mentor. Seine Rolle bei einigen Weichenstellungen meines Lebens ist maßgeblich. Ohne sein Interesse an mir und sein Engagement hätte sich mein Leben anders gestaltet; es wäre ärmer gewesen und hätte mir – last but not least – wohl auch nicht den (ein wenig scheue ich mich, dies in diesem Zusammenhang zu erwähnen, muss dies der Ehrlichkeit halber dennoch tun) wirtschaftlichen Erfolg geschenkt, den ich erfahren durfte. Karl Doehring war Staats‑, Verwaltungs‑ und von Herzen besonders auch Völkerrechtler. Seine 2008 unter dem Titel Von der Weimarer Republik zur Europäischen Union erschienenen Erinnerungen[1] sind, auch für Nichtjuristen, höchst lesenswert. Sein Schicksal als Jugendlicher und junger Mann (samt Gestapo-Verfolgung und frühem Tod des Vaters, samt Kriegsdienst und Kriegsgefangenschaft) ist beklemmend, seine Lebensleistung beeindruckend. Bernd Rüthers, der mit seinen Forschungen und Schriften zur Rechtsbeugung im Dritten Reich und zum „Entarteten Recht“ einen unverzichtbaren Beitrag zur Enthüllung und Aufarbeitung dieses Unrechtsstaats geleistet hat, bezeichnet Doehring in seiner Rezension des Memoirenbandes als „eine[n] der bedeutendsten Universitätslehrer des öffentlichen Rechts der Bundesrepublik“.

Karl Doehring in den 1980ern (Foto: MPIL)

Hier ist nicht der Ort und mir steht es nicht zu, die wissenschaftliche Leistung von Karl Doehring zu würdigen. Es geht mir um seine Bedeutung als Mentor, um seine menschliche Seite; im Übrigen habe ich später keinen öffentlich-rechtlichen, sondern einen zivilistischen Berufsweg eingeschlagen. Ich lernte Professor Doehring in seinen Vorlesungen zum Verfassungsrecht und zum Völkerrecht an der Universität Heidelberg kennen, schon ab dem zweiten Semester, meinem ersten Semester in Heidelberg. Und sogleich beeindruckte, faszinierte er mich. Zu einer Zeit, als andere Professoren noch Semester für Semester einfach ihr Skript, sorry: ablasen, hielt er seine Lehrveranstaltungen bereits nach der socratic method, die ich später in den USA, an der Cornell University, so immens und intensiv zu schätzen lernte: Ohne Verzicht auf Wissensvermittlung steht hierbei der Dialog mit den Studenten im Vordergrund. Durch seine Lebensgeschichte geprägt (sein Vater war in der NS-Zeit politisch verfolgt, er selbst konnte wegen Reichsarbeitsdienst, Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft erst elf Jahre nach dem vorgezogenen Abitur sein Jurastudium aufnehmen) war Karl Doehring ein Verfechter der freien Rede. Nicht nur, dass er ein begnadeter Rhetor mit vollvolumiger Stimme war, er war auch ein Ur-Liberaler, der sich durch große Toleranz und stete Diskussionsbereitschaft auszeichnete. Freiheit im Leben und Denken waren ihm Lebensmaxime. Tragisch empfand ich, dass gerade er in der wilden Zeit von SDS und SPK, während der er sich – anders als die meisten seiner Kollegen – dem Dialog und der Diskussion stellte, mit Megaphonen überschrien wurde. Genauso tragisch wie traurig empfand ich dann allerdings auch seine durch diese Erfahrungen, wohl durch seine Wahrnehmung der Ereignisse in den Jahren 1968 ff., sich entwickelnde Verhärtung. Die Grenzen seiner Toleranz wurden enger und traten deutlicher hervor. Diesen Einstellungswandel teilte er allerdings mit anderen Hochschullehrern, in Heidelberg und in der Bundesrepublik überhaupt.

Auch poetisch tätig: Karl Doehring reagiert auf Eierwurf 1969 in der Rhein-Neckar-Zeitung

Doch nun zur Bedeutung von Professor Doehring für mich persönlich. Am Ende einer Vorlesung sprach er mich an, ob ich nicht als Wissenschaftliche Hilfskraft, als „HiWi“, an seinem Lehrstuhl tätig sein wolle; ich hatte wohl während der Vorlesung eine nicht gänzlich dumme Frage gestellt oder Antwort gegeben. Mit Freude nahm ich das Angebot an. Meine Tätigkeit bedeutete die Wahrnehmung von einfachen Rechercheaufträgen und ein wenig administrative Mithilfe. In eher leidvoller Erinnerung ist mir allerdings, dass den Assistenten und HiWis von Professor Doehring bereits am späteren Vormittag in täglich‑netter Runde im Fakultätsseminar ein Gläschen Schnaps zum Verzehr gereicht wurde; die Pflanzen in seinem Büro waren wohl die Hauptleidtragenden dieser Tortur. Auch wird ein Gerücht kolportiert, dass der große, alte Frankfurter Schrank (auch heute noch im Eingangsbereich des MPIL) eine von Professor Doehring gesponserte Minibar enthielt; aus eigener Anschauung vermag ich dieses Gerücht weder zu bestätigen noch aus der Welt zu schaffen. Überhaupt kursieren wohl über kaum einen ehemaligen Direktor mehr Anekdoten als über Professor Doehring; er war eben ein profilierter Charakter.

Professor Doehrings tatkräftiger Unterstützung verdanke ich, dass mir für das akademische Jahr 1976/77 eines der beiden großzügig dotierten, nicht fakultätsgebundenen Direktstipendien im Austausch zwischen der Heidelberger Universität und der Cornell University, Ithaca, New York, zugesprochen wurde. Das Jahr an der Cornell Law School war ein großartiges akademisches und persönlich prägendes Erlebnis. Der dort erworbene LL.M.‑Grad war ein wichtiger Baustein für meinen späteren beruflichen Lebensweg und mein Reüssieren in der internationalen Anwaltssozietät Baker McKenzie.

Doch so weit war es noch nicht. Zunächst hatte ich Gelegenheit, dank eines weiteren Stipendiums – einer Förderung des think-tanks Institute für World Order, natürlich wieder mithilfe eines Referenzschreibens von Professor Doehring – eine dreimonatige Stage bei der Rechtsabteilung der Vereinten Nationen in New York City zu verbringen. Auch dies eine interessante Erfahrung; das intensive Erleben des Big Apple während dieser Zeit, samt eines dreitägigen Blackouts, war flabbergasting. Nochmals intensiviert wurde das Erlebnis, weil ich mich in Cornell in eine griechische Studentin namens Adda verliebt hatte, die ich – wo sonst? – im Völkerrechtskurs kennen‑ und dann lieben gelernt hatte. Wir verbrachten die Zeit in NYC gemeinsam und es reifte der Entschluss, dass wir auch das weitere Leben gemeinsam verbringen wollten, zumindest zunächst in NYC.

Als sich nun meine Zeit bei den Vereinten Nationen ihrem Ende entgegen neigte, hatte ich einen schweren Canossagang vor mir, so schien mir jedenfalls der (zunächst telefonische) Gang nach Heidelberg, um Professor Doehring meine Pläne für die nächste Zukunft zu unterbreiten. Er hatte mir in seiner Eigenschaft als Direktor des MPIL für die Zeit nach meiner Rückkehr aus den USA eine Referentenstelle am Institut vorgehalten. Als ich nun beschlossen hatte, den USA mit Adda eine Chance zu geben und dort eventuell for good zu leben, schien mir diese Stage am MPIL hinfällig. Hier hatte ich mich jedoch profund getäuscht, hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Als ich meinen Mentor aus NYC mit etwas weichen Knien anrief, um ihm diesen Wechsel in meinen Plänen mitzuteilen, schallte es mir umgehend und in no unclear terms ins Ohr: „Aber, lieber Herr Fritzemeyer, eine Stelle am MPIL lässt man nicht verfallen. Sie treten jetzt erst einmal an. Wenn Sie nach einem halben Jahr dann immer noch meinen, in die USA zu sollen, dann machen Sie das halt in Gottes Namen.“ Da gab es nun kein Vertun. Professor Doehring war mir Autorität. Ich war ihm zu großem Dank verpflichtet, war ihm immens dankbar, bin es nach wie vor. Und ihn tief zu enttäuschen, das hätte ich nicht übers Herz gebracht. So habe ich dann meine Zelte in den USA zunächst einmal abgebrochen. Adda und ich mussten eine halbjährige transatlantische Beziehung pflegen – nicht einfach für eine junge Liebe! Ich trat im Januar 1978 meine Stelle an, folgte meinem Mentor aber „in Gottes Namen“ auch insofern, als ich zum 30. Juni 1978 meinen Vertrag mit dem MPIL kündigte und wieder nach New York zurückkehrte, um erneut bei Adda einzuziehen und meine Stelle in einer New Yorker Sozietät anzutreten.

Das klingt nun nach einem etwas sinnlosen Hin und Her. Es stellte sich indessen heraus, dass es dies keineswegs war: Das halbe Jahr im MPIL war mir eine überaus wertvolle Zeit. Nicht nur der Vorarbeiten für meine Doktorarbeit (Thema: Die Intervention vor dem Internationalen Gerichtshof) wegen, sondern weit mehr noch angesichts des Erlebnisses, in solch einer hochkarätigen reinen Forschungsumgebung tätig zu sein. Mein Aufgabenfeld war beschränkt, meine Arbeitslast überschaubar. Es entstanden zwar auch zwei kleinere Publikationen, vor allem jedoch war mir der Umgang mit und das Lernen von den maßgeblichen deutschen Völkerrechtlern ein großes Erlebnis. Ich war zwar der jüngste Referent, dennoch wurde ich mit Wertschätzung aufgenommen und man suggerierte mir, „auf Augenhöhe“ mitarbeiten zu dürfen. Zentrales Erlebnis war es, ehrfurchtsvoll an den wöchentlichen Referentenbesprechungen teilzunehmen. In diesen Besprechungen referierten die Institutsangehörigen über neue Entwicklungen in und Erkenntnisse zu den jeweiligen Sachgebieten, die ihnen zugeteilt waren. Das waren Zuständigkeiten einerseits für einzelne Länder oder Regionen, andererseits für bestimmte Fachgebiete wie beispielsweise die Vereinten Nationen, ihre Unterorganisationen, die völkerrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit oder das Weltraumrecht. Und wenn hier die Professoren Mosler (ehemals Richter am Internationalen Gerichtshof), Doehring (dessen Pfeife auch während dieser Sitzungen nicht ausging!), Bernhardt oder Bothe vortrugen und untereinander oder mit altgedient‑erfahrenen Akademischen Räten diskutierten, war dies ungemein spannend. Jedes Argument schien plausibel, aber auch jedes Gegenargument, nachgerade für einen Jungspund wie mich.

Karl Doehring 1960er (Foto: MPIL)

Die Sachgebiete waren naturgemäß ihrer Bedeutung und der Seniorität der Referenten entsprechend zugeordnet. So war mir denn unter anderem das in der Gesamtschau ungeheuer wichtige Gebiet der frankophonen Staaten Afrikas zugeteilt. Und noch heute bewundere ich die Geduld, mit der diese Koryphäen meinem Einstandsbeitrag zu diesem Thema lauschten, sicher insgeheim amüsiert ob der Ernsthaftigkeit und der Ausdauer, mit der ich ihnen ihre Zeit für wertvolles Forschen stahl. Sowohl intellektuell als auch persönlich war mir die Referententätigkeit ein großer Gewinn. So beendete ich meine Tätigkeit am MPIL doch auch mit einem weinenden Auge, aber das lachende Auge und der Drang zurück in die USA und zu Adda waren doch übermächtig. Auch wenn Professor Doehring über diese, in diesem Fall dann doch irreversible, Entscheidung nicht erbaut war, trug er mir das nicht nach. Und dies, obwohl das MPIL für ihn doch Nabel seiner Völkerrechtswelt war, für dessen Mitarbeiter – insbesondere wenn er sie mochte und diese im Gegenzug, so sagt man, jedenfalls zum peripheren Konsens mit seinen Einstellungen bereit waren – er sich uneingeschränkt engagierte. Seine Sorge ging hin bis zu den Betriebsausflügen, die ihm immer besonders am Herzen gelegen haben sollen: Jeden Ausflugsort habe er zuvor selbst besucht, um sicher zu gehen, dass er sich auch wirklich eigne.

Nach zweieinhalbjähriger Anwaltstätigkeit in NYC und dem Bar Exam dort sowie leider der Erkenntnis seitens Addas und mir, dass wir wohl doch nicht füreinander bestimmt waren (wir sind uns jedoch noch heute freundschaftlich verbunden) und nach einer halbjährigen Weltreise  – dank eines PanAm-Standby-Tickets „Around the World“ für $999! – trat ich eine Assistentenstelle bei Professor Kay Hailbronner, Schüler von Herrn Doehring und selbst langjähriger MPIL‑Mitarbeiter, in Konstanz an. Den Hinweis auf diese Stelle und meine Empfehlung Herrn Hailbronner gegenüber hatte ich – wem wohl? – Professor Doehring zu verdanken. Konstanz, und damit Professor Doehring, verdanke ich schöne zwei Jahre vertrauensvoller Arbeit für und mit Professor Hailbronner, meine Promotion sowie das Kennenlernen einer Assistentenkollegin namens Verena, die meine Frau und Mutter unserer drei Kinder geworden ist.

Karl Doehring in seinem Büro, 1970er. Foto: MPI

Karl Doehring in seinem Büro, 1970er. Foto: MPI

Und noch ein weiteres Mal hat Professor Doehring meinen akademischen Weg unterstützt: „Mit Freude“, so schrieb er mir, habe er eines der beiden Gutachten verfasst, die im Zusammenhang mit meiner Ernennung zum Honorarprofessor der Universität Konstanz erforderlich waren.

Die wohl letzte maßgebliche Begegnung hatten wir als Professor Doehring mir die Freude machte, anlässlich unsres Cornell Weekend 1993 – eines Treffens der deutschen Alumnae und Alumni der Cornell University – in Heidelberg als Referent zur Verfügung zu stehen. War sein Vortrag zum Thema Maastricht – Staat und Verfassung im zusammenwachsenden Europa schon spannend genug, wurde es auch die Diskussion, gegen alle Usancen „sokratisch“ ausufernd: Erst um 1:30 Uhr am frühen Morgen brach er notgedrungen – und  dem leisen Wink seiner lieben Frau (definitiv alles andere als eine Xanthippe!) folgend, es sei nun doch „etwas spät“ geworden – den Heimweg an.

Professor Doehring und ich blieben einander verbunden. Alle die beschriebenen, mir von ihm eröffneten Stationen waren prägend und bedeutungsvoll für mich und mein Leben; ich bin Professor Doehring zu größter Dankbarkeit verpflichtet (Verena und die Kinder natürlich auch!). Ich hoffe, dass ich ihm dies über die Jahre jedenfalls ein wenig deutlich machen konnte. Seine vorgenannte Autobiographie sollte auch denjenigen, die ihn nicht persönlich kennenlernen durften, deutlich machen, dass sich das MPIL glücklich schätzen durfte, einen solch wertvollen, humorigen, bisweilen wohl auch ein wenig kauzigen, sicher kantigen, auf jeden Fall intellektuell ehrlichen und empathischen Menschen in seinen Reihen und als langjährigen Direktor zu haben und zu erleben.

[1] Karl Doehring, Von der Weimarer Republik zur Europäischen Union. Erinnerungen, Berlin: wjs Verlag 2008.

Suggested Citation:

Wolfgang Fritzemeyer, „Eine Stelle am MPI lässt man nicht verfallen“. Oder: Eine kleine Hommage an Professor Karl Doehring, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240327-094310-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

Von Pfeifenrauch und „klingelnden Weckern“. Das Institut in den siebziger und achtziger Jahren

Pipe Smoke and "Ringing Alarm Clocks". The Institute in the Seventies and Eighties

Deutsch

Von Berlin nach Heidelberg. Wie ich 1968 ans Institut kam

Den ersten Kontakt zum Institut hatte ich im Wintersemester 1968/69. Eigentlich hatte ich das erste Staatsexamen an der Freien Universität Berlin ablegen wollen. Dort hatte ich, mit Ausnahme zweier Semester in Heidelberg, die meiste Zeit studiert. Doch die damaligen Studentenunruhen hatten am Ende auch die Juristische Fakultät in Berlin erreicht, sodass ich nach Heidelberg zurückgekehrt war. Viele Lehrveranstaltungen hatte ich nicht mehr zu absolvieren, aber ein völkerrechtliches Seminar von Professor Mosler, dem damaligen Direktor des Instituts, reizte mich. Es wurde dann aber nicht von Mosler geleitet, der als ad hoc Richter im Nordsee-Festlandsockel-Fall an den IGH in Den Haag berufen worden war, sondern von Professor Doehring, und nicht in der Fakultät, sondern in Institut. Die Art, wie Professor Doehring das Seminar leitete, hat mich sehr beeindruckt, und so beschloss ich, auch seine Vorlesung zu besuchen; wohl die einzige, die ich jemals um acht Uhr morgens wahrgenommen habe.

Ich traf Professor Doehring wieder im mündlichen Ersten Staatsexamen im Juni 1970, in dem er zu Beginn den Kandidaten sagte, er wolle nicht seine (bekannte oder vermutete) Meinung hören, sondern würde auch eine andere akzeptieren, sofern sie schlüssig begründet sei. Später hörte ich, dass er auch eine der Klausuren gestellt hatte und ich dachte, dass das wohl auch bei der Benotung gegolten hatte.

Das Institutsgebäude in der Berliner Straße 1975[1]

Nach der mündlichen Prüfung (Endergebnis „gut“ und Platzziffer 3) kam Professor Doehring auf mich zu und fragte: „Was machen Sie jetzt?“ Ich antwortete: „Referendarzeit“. Professor Doehring: „Langweilig.“ Ich meinte dann, vielleicht arbeite ich daneben in einer Anwaltskanzlei, woraufhin er sagte: „Warum kommen Sie nicht ans Institut, das kennen Sie ja schon etwas?“ Da musste ich nicht lange überlegen und wurde zum 1. September 1970 von dem neuen (zusätzlichen) Direktor Professor Bernhardt als Wissenschaftliche Hilfskraft eingestellt.

Über Ostfriesland ins Japan-Referat. Referentenstellen und Länderreferate

Das Institut war in den 1970er und 1980er Jahren noch bedeutend kleiner als heute. Untergebracht war es damals noch im 1954 errichteten Gebäude in der Berliner Straße, erst 1997 wurde das heutige Institut errichtet und durch den 2019 eingeweihten Ergänzungsbau noch einmal bedeutend erweitert. Gibt es heute 24 wissenschaftliche Mitarbeiter und 31 Referenten, waren es seinerzeit nur 21 sogenannte Referentenstellen. Im Unterschied zu heute wurden sie jedoch ganz überwiegend als volle Stellen vergeben, mit Ausnahme der Stellen jener, die parallel den Referendardienst absolvierten. Mit Ablegen des 2. Staatsexamens, spätestens nach erfolgter Promotion, wurden die Stellen entfristet. Folglich gab es nur so viel wissenschaftliche Mitarbeiter wie Stellen.

Das wiederum hatte zur Folge, dass sich alle gut kannten und wussten, woran jeder arbeitete, auf Zuweisung durch die Institutsleitung oder an eigenen Projekten. Wenn man selber auf ein Problem stieß, ging man zu dem entsprechenden Referenten und bat um Rat, der – soweit möglich – immer gegeben wurde.

Zugewiesen wurden den Referenten zur Beobachtung jeweils ein Land und ein völkerrechtliches Sachthema, die in Abständen geändert wurden. Da aus meinem Lebenslauf bekannt war, dass ich die ersten zehn Jahre nach dem Krieg in Ostfriesland sozialisiert wurde, bekam ich als erstes die Niederlande, und da ich zwischen Abitur und Studium zum Reserveoffizier ausgebildet worden war, das Thema der UN-Streitkräfte. Später bekam ich Japan, und als in der Ausstellung neuerworbener Bücher, die man mit einem Zettel zur Ansicht bestellen konnte, eines auf Japanisch enthalten war, habe ich meinen Zettel angehängt. Danach hielt sich lange in der Bibliothek der Eindruck ich sei des Japanischen mächtig.

Das Durchschnittsalter der wissenschaftlichen Mitarbeiter war damals höher als heute. Einige wenige waren bereits habilitiert oder standen kurz davor und wechselten 1971 auf Lehrstühle (Helmut Steinberger, Christian Tomuschat). Andere waren bereits promoviert und arbeiteten an ihrer Habilitation oder bereiteten sich auf die Aufnahmeprüfung in den Auswärtigen Dienst vor.

… auch noch Chefredakteur

So gegen Ende der siebziger Jahre wurde ich gefragt, ob ich mir zutraute, die Redaktion des Instituts zu übernehmen. Ich zögerte etwas, denn ich war mitten in der Arbeit an meiner Habilitationsschrift und war mir im Klaren, dass das deren Abschluss verzögern würde. Letztlich nahm ich aber an, denn mir wurde zugesagt, nach erfolgter Habilitation eine C3-äquivalente Stelle zu bekommen, die ansonsten nur noch der Direktor der Bibliothek hatte.

Mit der Redaktion war ich schon einmal ganz am Anfang meiner Tätigkeit in Berührung gekommen, als es darum ging, das Register für einen umfangreichen rechtsvergleichenden Konferenzband zu erstellen; später nur dann, wenn ich eine Buchbesprechung verfasst hatte, die der langjährige Leiter der Redaktion, Dr. Strebel, zuweilen kräftig umformulierte, bis ich ihm sagte, ich hätte das Buch gelesen, und wenn er die Rezension anders haben wollte, solle er es lesen und besprechen; da hörte das auf.

Hauptaufgabe der Redaktion war die vom Institut herausgegebene „Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV)“, in der von außen angebotene oder im Haus entstandene Artikel in vier Heften pro Jahr veröffentlicht wurden. Reichten die von außen kommenden und angenommenen Beiträge nicht aus, erging ein Aufruf an die Mitarbeiter, zu prüfen, welche Manuskripte sie aus ihrem Arbeitsgebiet beisteuern könnten.

Sämtliche Manuskripte landeten zunächst auf meinem Schreibtisch und ich musste sie gründlich lesen und zudem auch hin und wieder durch einen Blick in die (zitierte) Literatur überprüfen. Offensichtlich ungeeignete Angebote habe ich eigenständig und so höflich wie möglich abgelehnt, es sei denn, es war ein sehr prominenter Kollege; dann habe ich mich der Zustimmung der Direktoren versichert. Einmal habe ich ein überwiegend strafrechtlich-kriminologisches Manuskript von Professor Heike Jung von der Universität des Saarlandes abgelehnt und an „Frau Professor Jung“ geschrieben, mit dem Schwerpunkt würde man den ansonsten interessanten Artikel in der ZaöRV nicht suchen bzw. finden. Als ich nach einiger Zeit im Rahmen einer Bewerberrunde in Saarbrücken einen Vortrag hielt, kam ein großer, kahlköpfiger Mann auf mich zu und sagte: „Ich bin Frau Jung.“ Dass in Süddeutschland Heike auch ein männlicher Vorname war, wusste ich damals nicht. Als es mich dann später nach Saarbrücken verschlug, wurden wir gute Freunde.

Vorstellung des neuen Fontes-Bandes (Sectio 2, nationale Rechtsprechung). Albert Bleckmann, Kay Hailbronner, Werner Morvay und Torsten Stein, 1970er [2]

Beiträge, die ich annehmen wollte, legte ich dem jeweils geschäftsführenden Direktor vor, der fast ausnahmslos zustimmte. Bei Manuskripten aus dem Haus war das nicht immer so. Einige wenige Mitarbeiter wurden grundsätzlich kritisch gesehen und ihr Beitrag nach wenigen Randbemerkungen auf den ersten Seiten abgelehnt. Ich habe dann regelmäßig interveniert und gesagt, sicherlich könne man manches verbessern, aber so schlecht sei das nicht, man müsse es nur zu Ende lesen.

Ich hätte die Habilitation neben der Redaktionsleitung nicht in einer zumutbaren Zeit geschafft ohne die Hilfe der sehr erfahrenen und tüchtigen Damen in der Redaktion: Frau Makarov, Frau Neureither und später auch Frau Schmidt.

Einen „Defekt“ habe ich aus jener Zeit des gründlichen Lesens behalten: Ich finde nahezu jeden Schreib- oder Tippfehler in Büchern oder Tageszeitungen.

Arbeit an den Quellen Fontes Iuris Gentium

Nach Art. 38 Abs.1 d) des Statuts des Internationalen Gerichtshofes (IGH) dienen unter anderem richterliche Entscheidungen der verschiedenen Nationen als Hilfsmittel zur Feststellung von (völkerrechtlichen) Rechtsnormen. Eine kleinere Arbeitsgruppe (fünf bis sechs Mitarbeiter) unter Leitung von Professor Doehring hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Rechtsprechung deutscher oberer und oberster (in Ausnahmefällen auch mal erstinstanzlicher) Gerichte daraufhin zu untersuchen, ob und inwieweit sie als solches Hilfsmittel angesehen werden konnte. Die Sache war recht arbeitsintensiv: Zunächst wurden die amtlichen Entscheidungssammlungen, die oft verzögert erschienen, und die Fachzeitschriften daraufhin durchgesehen, ob sie einschlägige Entscheidungen enthielten, die dann kopiert wurden. Das hatte die Arbeitsgruppe unter sich aufgeteilt und traf sich dann, um zu beraten, ob und welche Aussagen (Leitsätze) daraus entnommen, sachlich geordnet und unter Angabe der Fundstelle in aufwendig gedruckten dicken Bänden sehr viel später veröffentlicht werden sollten. Die Debatten dauerten oft lange, denn eine Erkenntnis war, dass ein erheblicher Teil der Aussagen deutscher Gerichte zum Völkerrecht schlicht falsch war. Das legte die Schlussfolgerung nahe, dass die Einordnung des Völkerrechts als bloßes Wahlfach in der juristischen Ausbildung nicht ausreichend war (und ist). Da der Absatz dieser dicken Bände nicht dem Aufwand für ihre Erstellung entsprach, wurde das Projekt ab den 1980ern nicht weiterverfolgt.

Heidelberger “Kaffeehauskultur“: Das Café Frauenfeld

Die Café-Runde: Albert Bleckmann, Torsten Stein, Werner Morvay und Hartmut Schiedermair (Foto: MPIL)[3]

Jeden Werktag um 10 Uhr machte sich ein kleiner Trupp (Albert Bleckmann, Werner Morvay, Georg Ress, Hartmut Schiedermaier – mich hatten sie adoptiert) auf in das nahegelegene Café Frauenfeld in der Mönchhofstraße (heute ist da die Sparkasse). Dort haben wir bei einem Kaffee oder zwei unsere wissenschaftlichen Projekte reihum diskutiert und oft auch allgemeinpolitische Fragen. Ein besonderes Thema war immer die Dissertation von Werner Morvay. Er war hoch intelligent, sehr belesen und kenntnisreich, aber sich selbst gegenüber sehr kritisch und von wechselnder Gemütslage. So kam es wiederholt vor, dass er auf die Frage nach seiner Arbeit antwortete, er habe alles zerrissen, das genüge seinen Ansprüchen noch nicht. Sein Thema war die Dekolonisierung des Commonwealth.[4] Wir baten ihn dann, uns doch in Kopie zu geben, was er neu zu Papier gebracht hatte, damit wir uns ein Bild machen konnten. So hatten wir am Ende das komplette Manuskript, auch wenn er wieder mal etwas zerrissen hatte. Schließlich reichte er es unter unserer Aufsicht ein und wurde damit an der Heidelberger Fakultät promoviert; wenn ich es richtig erinnere: summa cum laude. Das zeigt, jenseits der bloßen Kollegialität, die besondere Kameradschaft, die nicht zwischen allen, aber doch einigen herrschte.

Die Referentenbesprechung und danach

Jeden Montag von 16 bis 18 Uhr fand die Referentenbesprechung statt, die 2022 in Montagsrunde / Monday Meeting unbenannt wurde. Die Teilnahme war ungeschriebene Pflicht. Sie diente den berichtenswerten Mitteilungen aus den Sach- und Länderreferaten der Referenten. Themen aus eigenen Projekten oder Gastvorträge waren die eher seltene Ausnahme. So waren alle über die Entwicklungen in den anderen Zuständigkeitsbereichen informiert. Die Dauer war auf jeweils 15 Minuten begrenzt, damit möglichst viele zu Wort kamen. Wer deutlich überzog, bekam unauffällig die Zeichnung eines „heftig klingelnden Weckers“ durchgereicht, was in den allermeisten Fällen zu kurzen Schlussworten führte. Nachdem Professor Frowein 1981 als Direktor in das Institut eingetreten war, erübrigte sich der „Wecker“. Wenn jemand überzog, klopfte er tonlos, aber unübersehbar auf seinen Siegelring.

Lange Zeit durfte während der Referentenbesprechung geraucht werden. Da waren die Pfeifenraucher an vorderster Front: Michael Bothe, Karl Doehring, Helmut Steinberger und auch ich selbst. Als das abgeschafft wurde, war die Luft anders, aber nicht unbedingt besser.

Nach der Referentenbesprechung gingen viele, aber nicht alle, in ein Handschuhsheimer Lokal, mal das „Alt Hendesse“, mal das „Lamm“, und diskutierten intensiv den einen oder anderen Beitrag des Nachmittags oder andere aktuelle völkerrechtliche Fragen bei Bier oder Wein und etwas zu Essen. Professor Mosler war nie dabei, Professor Doehring immer, Professor Bernhardt oft und Professor Frowein hin und wieder. Diese „Nachsitzungen“ haben wesentlich zum Zusammengehalt beigetragen. Leider kamen sie in den späten achtziger Jahren mehr und mehr außer Mode.

Was war anders damals? Ob seiner geringeren Größe und dem Engagement seiner Mitglieder war das Institut so etwas wie eine wissenschaftliche Familie.

 

[1] Foto: Max-Planck-Gesellschaft (Hrsg.), Berichte und Mitteilungen. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Heidelberg 2 (1975), S. 9.

[2] Foto: MPIL.

[3] Foto: MPIL.

[4] 1974 in der „Schwarzen Reihe“ erschienen: Werner Morvay, Souveränitätsübergang und Rechtskontinuität im Britischen Commonwealth. Ein Beitrag zur Lehre von der Staatensukzession, Heidelberg: Springer 1974.

Suggested Citation:

Torsten Stein, Von Pfeifenrauch und „klingelnden Weckern“. Das Institut in den siebziger und achtziger Jahren, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240404-211138-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

English

From Berlin to Heidelberg. How I Joined the Institute in 1968

I first came into contact with the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law in the winter semester of 1968/69. Originally, I had intended on taking my first state examination at Freie Universität Berlin. With the exception of two semesters in Heidelberg, I had studied there for most of my degree. However, the student riots at the time had also reached the Faculty of Law in Berlin, and so I had decided to return to Heidelberg. I did not have to attend a lot of courses anymore, but I was intrigued by an international law seminar by Professor Mosler, the director of the institute at the time. The seminar was, however, not led by Mosler, after all, as he had been appointed as an ad hoc judge in the North Sea Continental Shelf case at the ICJ in The Hague, but instead by Professor Doehring; and it was not held at the faculty, but at the Institute. I was very impressed by the way Professor Doehring conducted the seminar, and so I decided to join his lecture too; probably the only one I have ever attended at eight o’clock in the morning.

I met Professor Doehring again in my oral state examination in June 1970, which he opened by telling the candidates he did not want to hear his (known or assumed) own opinion, but would gladly accept a different one, if it was conclusively justified. I later heard that he had also set one of the exams and I figured that this had probably also been applied in the grading.

The institute building in the Berliner Straße 1975[1]

After the oral exam (final result “good” and rank number 3), Professor Doehring came up to me and asked: “What are you doing now?”;I replied: “my legal clerkship [Referendariat]”;Professor Doehring: “Boring”. I stated that I might be doing side work in a law firm, to which he replied: “Why don’t you come to the institute, since you already know it a bit?”. I didn’t have to think twice and was hired as a research assistant (wissenschaftliche Hilfskraft) by the new (additional) director, Professor Bernhardt, on 1 September 1970.

Via East Frisia to the Japan Department. Lecturer Positions and Country Departments

In the 1970s and 1980s, the institute was significantly smaller than it is today. At that time, it was still housed in the building in Berliner Straße from 1954; the current institute was not built until 1997 and was significantly expanded once again with the extension inaugurated in 2019.  While today there are 24 scientific employees and 31 research fellows, back then there were only 21 so-called research fellow positions. Unlike today, however, most of these were full-time positions, with the exception of those who were absolving their legal clerkship at the same time. Once they had passed the second state examination, or at the latest after completing their doctorate, the positions were made permanent. As a result, there were only as many scientific employees as there were posts.

This, in turn, meant that everyone knew each other well and knew what everyone was working on, either on assignment by the directors or on their own projects. Whenever anyone encountered a problem, they went to the relevant researcher and asked for advice, which – as far as possible – was always given.

The research fellows were each assigned a country and an international law topic to observe, which were changed periodically. As it was known from my CV that I was socialised in East Frisia (in North-West Germany) for the first ten years after the war, I was first given the Netherlands, and as I had been trained as a reserve officer between high school and university, the topic of the UN armed forces. Later I got Japan, and when the collection of newly acquired books, which you could order with a note, included one in Japanese, I attached mine to it. After that, the impression that I spoke Japanese persisted in the library for a long time.

The average age of the scientific employees was higher back then than it is today. A few had already completed their habilitation or were about to do so and moved on to department chairs in 1971 (Helmut Steinberger, Christian Tomuschat). Others had already obtained their doctorate and were working on their habilitation or preparing for the admission examination to the Foreign Service.

…  Editor-In-Chief to Boot

Towards the end of the seventies, I was asked whether I thought I was capable of taking over the editorial department of the Institute. I hesitated a little because I was in the middle of writing my habilitation thesis and realised that this would delay its completion. In the end, however, I accepted because I was promised a C3-equivalent position after completing my habilitation, which otherwise only the director of the library had.

I had already come into contact with the editorial department once, at the very beginning of my work, while compiling the index for a comprehensive comparative law conference volume; later on, only when I had written a book reviews, which the long‑standing head of the editorial team, Dr Strebel, often reformulated considerably, until I told him that I had read the book and if he wanted the review to be different, he should read and discuss it himself; that’s when that stopped.

The main task of the editorial team was the “Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV;English Title: Heidelberg Journal of International Law, HJIL) published by the Institute, in which articles offered from outside or written in-house were published in four issues per year. If the articles submitted and accepted from outside were not sufficient, a call went out to the staff to check which manuscripts they could contribute from their field of work.

All manuscripts landed on my desk first and I had to read them thoroughly and occasionally double‑check them by looking at the (cited) literature. I rejected obviously unsuited offers independently and as politely as possible, unless they came from a very prominent colleague; then I made sureto get the directors’ assent. . I once turned down a manuscript, which was mainly focussed on criminal law and criminology, by Professor Heike Jung from Saarland University and wrote to “Frau Professor Jung” to say that the otherwise interesting article would not be looked for or found in the ZaöRV. Sometime later, when I was giving a presentation as part of an application process in Saarbrücken, a tall, bald man came up to me and said “I am Mrs Jung”. I didn’t realise at the time that Heike is a first name also common for men in Southern Germany. When I later moved to Saarbrücken, we became good friends.

Presentation of the new Fontes Edition (Sectio 2, national case law): Albert Bleckmann, Kay Hailbronner, Werner Morvay and Torsten Stein, 1970s [2]

Contribution I wanted to accept were submitted to the managing director, who mostly agreed. This was not always the case with manuscripts from within the Institute. A few employees were generally viewed critically and their contributions were rejected after a few marginal comments on the first few pages. I would then regularly intervene and say that while some things could certainly be improved, the article was not that bad, you just had to read it to the end.

I would not have been able to complete my habilitation in a reasonable amount of time without the help of the very experienced and capable women in the editorial team: Mrs Makarov, Mrs Neureither, and later also Mrs Schmidt.

I have retained one “defect” from those days of thorough reading: I spot almost every spelling mistake or typo in books and newspapers.

Working with the Sources. Fontes Iuris Gentium

According to Art. 38 para. 1 d) of the Statute of the ICJ, judicial decisions from different nations, among other things, serve as subsidiary means for the determination of international legal norms. A small working group (five to six staffers) headed by Professor Doehring had set out to analyse the case law of the German upper and federal courts (and in exceptional cases also of the lower courts) to determine whether and to what extent it could function as such an aid. The task was quite labour-intensive: First, the official collections of decisions, which were often published with a delay, and the specialist journals were examined to see whether they contained relevant decisions, which were then copied. The working group divided this up among themselves and subsequently met to discuss whether and which guiding principles (Leitsätze) should be extracted from them, organised materially and finally published, citing the relevant source, in lavishly printed, thick volumes, much later. The debates often dragged on for a long time, as one insight was that a considerable portion of the statements made by German courts on international law were simply wrong. This suggested that the categorisation of international law as a mere elective subject in legal education was (and is) insufficient. As the sales of these thick volumes did not match the effort required to produce them, the project was discontinued in the 1980s.

“Coffee House Culture” in Heidelberg. Café Frauenfeld

The café circle: Albert Bleckmann, Torsten Stein, Werner Morvay and Hartmut Schiedermair [3]

Every weekday at 10 a.m., a small group (Albert Bleckmann, Werner Morvay, Georg Ress, Hartmut Schiedermaier – I was adopted by them) set off for the nearby Café Frauenfeld in Mönchhofstraße (near the institute, in Heidelberg-Neuenheim, today a bank is located there). There, over a coffee or two, we discussed our respective scientific projects and often broader political issues as well. A special topic was always Werner Morvay’s dissertation. He was highly intelligent, very well-read, and knowledgeable but very critical of himself and moody. On multiple occasions, when asked about his work, he replied that he had torn everything up as it did not meet his standards yet. His topic was the decolonisation of the Commonwealth.[4] We then asked him to give us a copy of what he had recently put down on paper so that we could get an idea. Finally, we were in possession of the complete manuscript, despite him having torn things up again. In the end, he submitted it under our supervision and was awarded his doctorate from the Heidelberg faculty of law; if I remember correctly: summa cum laude. This shows, beyond mere collegiality, the special camaraderie that prevailed, not between all, but nevertheless between some.

The Referentenbesprechung and Beyond

Every Monday from 4 to 6 p.m., it was time for the Referentenbesprechung, which was renamed Monday Meeting (Montagsrunde) in 2022. Attendance was an unwritten requirement. It was used for newsworthy announcements from the speakers’ specialist and country departments. Topics from their own projects or guest lectures were the rare exception. This meant that everyone was informed about developments in the other departments. The duration of each presentation was limited to 15 minutes so that as many people as possible could have their turn. Those who clearly exceeded their time were inconspicuously handed a drawing of a “fiercely ringing alarm clock”, which in the vast majority of cases led to short closing remarks. After Professor Frowein joined the institute as a director in 1981, the “alarm clock” became superfluous. If someone took too long, he would tap his signet ring silently but unmistakably.

For a long time, smoking was allowed during the Referentenbesprechung. The pipe smokers were at the forefront: Michael Bothe, Karl Doehring, Helmut Steinberger and also myself. When this was abolished, the air was different, but not necessarily better.

After the meeting, many, but not all, attendees went to a restaurant in Handschuhsheim, sometimes the “Alt Hendesse“, sometimes the “Lamm“, and intensively discussed one or the other of the afternoon’s contributions or other current international law issues over beer or wine and something to eat. Professor Mosler was never there, Professor Doehring always, Professor Bernhardt often and Professor Frowein from time to time. These “after-sessions” contributed significantly to the sense of cohesion. Unfortunately, they increasingly fell out of fashion in the late 1980s.

What was different back then? Due to its smaller size and the commitment of its members, the Institute was much like a scientific family.

Translation from the German original: Sarah Gebel

[1] Photo: Max Planck Society (ed.), Berichte und Mitteilungen. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Heidelberg 2 (1975), p. 9.

[2] Photo: MPIL.

[3] Photo: MPIL.

[4] Published in 1974 in the “Schwarze Reihe“: Werner Morvay, Souveränitätsübergang und Rechtskontinuität im Britischen Commonwealth. Ein Beitrag zur Lehre von der Staatensukzession, Heidelberg: Springer 1974.

Suggested Citation:

Torsten Stein, Pipe Smoke and “Ringing Alarm Clocks”. The Institute in the Seventies and Eighties, MPIL100.de, DOI: 10.17176/20240404-211042-0

Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 DEED

 

Aus dem Leben des Instituts im Jahre 1987

Unter besonderer Berücksichtigung einer Anfrage von Amnesty International zu Strafverpflichtungen im Völkerrecht

Das Institut stellte seine Expertise im Rahmen seiner Möglichkeiten in den Dienst der Allgemeinheit. In diesem Sinne beantwortete es Gutachtenanfragen von Gerichten und Behörden und auch einmal von Amnesty International. Amnesty International hatte im Sommer 1987 eine damals progressive Frage an das Institut gerichtet: Verstößt das argentinische Gesetz über die Gehorsamspflicht gegen das Völkerrecht? Dieses Gesetz sicherte insbesondere Militärs bis zum Range eines Brigadegenerals Straffreiheit zu. Umstritten war das Gesetz vor allem deshalb, weil es Straffreiheit auch für während der Diktatur begangene flagrante Menschenrechtsverletzungen gewährte, wie grausame Folterungen und das Verschwindenlassen Hunderter von Personen. Die Anfrage war an das Institut gerichtet. Warum ich sie schließlich bearbeitete, hängt mit der damaligen Organisation und Arbeitsweise des Instituts zusammen, die ich im Folgenden skizziere.

Organisation und Arbeitsweise des Instituts: Fachreferate

Das Institut war damals nach Rechtsgebieten und Rechtssystemen aufgeteilt, mit Sachgebiets-Referaten und Länder-Referaten. Es gab Länderreferenten für eine Vielzahl von Staaten, darunter Spezialisten für Russland, China, den arabischen Raum etc., die die jeweiligen Sprachen fließend beherrschten. (Das bleibt auch zu Zeiten des Internets wichtig. Ohne Sprachkenntnisse bzw. nur aufgrund von DeepL Übersetzungen kann man fremde Rechtsordnungen nicht wirklich verstehen und findet schwerer Zugang zur Fachdiskussionen in anderen Rechtskreisen.) Von den für ein Gebiet zuständigen Referenten und Mitarbeitern des Instituts wurde erwartet, dass sie Bescheid wussten über das Rechtssystem, die Sprache und die politischen Entwicklungen in „ihren“ Ländern. Über die politische Entwicklung informierte man sich anhand der fremdsprachigen Zeitungen und Zeitschriften im Lesesaal. Parallel zu den Länder-Referaten bestanden Sachgebiets-Referate, wie z.B. Seerecht und Menschenrechtsschutz.

Die Fachreferate waren auch wichtig zur Vorbereitung der großen rechtsvergleichende Kolloquien, die regelmäßig am Institut stattfanden und der Feststellung von Völkergewohnheitsrecht dienten. Völkergewohnheitsrecht beruht auf der Praxis der Staaten und der Rechtsüberzeugung. Die Praxis der Staaten wurde anhand von Länderberichten ermittelt. Diese Länderberichte erarbeiteten eigens eingeladene ausländische Wissenschaftler, unterstützt von Fachreferenten des Instituts, die auch die sog. Querberichte, das heißt vergleichende Sachberichte und Zusammenfassungen der Diskussion erstellten.[1]

Nur an einer Einrichtung wie dem Institut, mit Fachreferenten, einer guten Bibliothek und gutem Zugang zu Dokumenten, die für die Feststellung der Staatenpraxis von Bedeutung sind, war es so möglich, die wesentlichen Rechtskreise abzudecken. Die dafür notwendige, auf gegenseitige Ergänzung angelegte Kooperation rechtfertigte nach Institutsdirektor Karl Doehring überhaupt erst die Existenz des Instituts. Denn die Rechtswissenschaften sind nicht auf teure Laborplätze angewiesen. Originelle Ideen entwickeln können die Professoren und Nachwuchsforscher auch an der Universität, an der zudem die Interdisziplinarität besser gewährleistet ist. Für die Entwicklung der Ideen braucht man keine Vielzahl an Mitarbeitern, für die Kärrnerarbeit der Feststellung der Staatenpraxis hingegen schon.

Die Autorin 1985 auf der Tunis Akademie de droit constitutionnel (Foto: privat)

Zum Zeitpunkt der Anfrage von Amnesty International war mir u.a. Lateinamerika und Menschenrechtsschutz zugeteilt. Daher wurde die Anfrage an mich weiter gereicht. Zwar hätte ich zur Abwechslung auch gerne einmal das internationale Wirtschaftsrecht betreut. Jedoch knüpfte die Zuteilung an meine Dissertation zum interamerikanischen System zum Schutz der Menschrechte an. Zudem war ich über den damaligen Präsidenten des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und späteren Richter am Internationalen Gerichtshof Thomas Buergenthal an das Institut gekommen.

Die Referentenbesprechungen

Die zuständigen Referenten stellten die aktuellen Entwicklungen und kontroversen Rechtsfragen in den verschiedenen Rechtsgebieten und Rechtssystemen im Rahmen der Referentenbesprechungen vor. Größtenteils identifizierten die Referenten berichtenswerte Vorgänge in ihren Sachbereichen selbst und meldeten ihre geplanten Beiträge bei den Direktoren an. Es kam auch vor, dass ein Direktor einen Referenten auf eine berichtenswerte Entwicklung hinwies.

Die Referentenbesprechungen fanden immer montags von 16 bis 18 Uhr unter der Leitung eines Institutsdirektors statt. Die Kurzbeiträge, überwiegend zu Urteilen nationaler und internationaler Gerichte, wurden im Kontext und im Hinblick auf die Entwicklung der Völkerrechtspraxis analysiert und in der Runde mit den anderen Institutsdirektoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern diskutiert. Dies konnte die Grundlage für Veröffentlichungen sein. Die am Institut beschäftigen Referendare und Referendarinnen mussten den Inhalt der Referentenbesprechungen in prägnanten Protokollen zusammenfassen. Deren Lektüre dürfte noch heute von Interesse sein.

Was in der Referentenbesprechung nur angerissen worden war oder unklar blieb, konnte anschließend im „Alt Hendesse“ bei Bier oder Wein wieder aufgegriffen und vertieft werden. Wer nicht hinreichend zu Wort gekommen war, konnte offen gebliebene Fragen in die Runde werfen, und zwar jenseits der leicht hierarchischen Struktur der vorangegangenen Referentenbesprechung. Anfangs gab es keinen festen Endpunkt für die Abende im „Alt Hendesse“.

Integration von Praxis, Wissenschaft und Lehre

Im Institut gingen damals internationale und nationale Richterpersönlichkeiten ebenso wie sonstige weltbekannte Koryphäen des Völkerrechts ein und aus. Thomas Buergenthal war ein Freund von Institutsdirektor Rudolf Bernhardt und oft am Institut. Jeder Mitarbeiter lernte am Institut en passant internationale Richter wie ihn, Richter des Bundesverfassungsgerichts einschließlich seiner Präsidenten, ausländische Verfassungsrichter sowie Richter und Generalanwälte des EuGH und Richter des EGMR kennen. Die Verzahnung des Instituts mit Völkerrechtspraxis und Lehre war sehr eng. Hermann Mosler war bekanntlich Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag; Rudolf Bernhardt war Richter (1981-1998), zeitweise Vize-Präsident (ab 1992) und Präsident (1998) des EGMR; Jochen Abr. Frowein war Mitglied der Europäischen Menschenrechtskommission. Hiervon erzählte er ausgiebig. Herrn Professor Bernhardt durfte ich im Öztürk-Fall zuarbeiten, wonach Verwaltungssanktionen Strafen im Sinne der EMRK sein können. Herr Bernhardt gratulierte mir, als der EGMR meiner, aber nicht seiner eigenen Auffassung entsprechend entschied.[2]

Auch die Beziehungen mit den Universitäten waren eng. Institutsdirektor Karl Doehring hatte einen vollen Lehrstuhl an der Juristenfakultät der Universität Heidelberg. Morgens war er an der Fakultät, nachmittags in seinem Büro im Institut. Dort stand jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin jederzeit die Tür offen. Auch einer ausländischen Putzfrau, die Sorgen hatte, hat er geholfen. Wiederholt war Doehring Dekan der Juristenfakultät, so im Jahr der Feierlichkeiten zum 600-jährigen Jubiläum der Universität Heidelberg. Diese boten wiederum den Rahmen für Begegnungen auch des Institutsnachwuchses mit internationalen Koryphäen des Völker- und Europarechts.

MitarbeiterInnen des Instituts lehrten an der Universität. Karin Oellers-Frahm lehrte z.B. Einführung in das französische Recht an der Universität Heidelberg. Ich durfte schon vor meinem zweiten Staatsexamen die Vorlesung Einführung in das angloamerikanische Recht an der Universität Heidelberg halten, ebenso Vorlesungen zu Europarecht und Internationalen Organisationen für Nebenfachstudenten.

Weiter lud die Heidelberger Gesellschaft regelmäßig bekannte Rechtswissenschaftler zu Vorträgen in das Max-Planck-Haus ein. Anschließend gab es einen Empfang mit Wein (gestiftet von der BASF) und ein Abendessen in kleinerem Kreis. Ich habe es als großes Privileg empfunden, auf diese Weise so viele namhafte Rechtswissenschaftler kennen zu lernen und mit ihnen schon als junge Referendarin zu diskutieren.

Dabei zeigten sich auch kulturelle Unterschiede. Mit US-amerikanischen Wissenschaftlern und Richtern, die oft deutsch konnten, duzte man sich, mit den Institutsdirektoren, die man viel häufiger sah, war das damals natürlich ausgeschlossen.

Unkonventionelle Bearbeitung der Anfrage von Amnesty International

Die Hilfestellung für Amnesty International war aus zweierlei Gründen unkonventionell, inhaltlich und was die Präsentation anging. Wie anfangs schon erwähnt, war 1987 noch nicht anerkannt, dass sich aus dem allgemeinen Völkerrecht Verpflichtungen der Staaten ergeben können, bestimmte Taten zu bestrafen, die die eigenen Staatsangehörigen auf dem Staatsterritorium begehen. Dies betrachtete man vielmehr als innere Angelegenheit. Ich argumentierte damals aber in Richtung einer Verpflichtung aus allgemeinem Völkerrecht, Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu bestrafen. Angesichts der Praxis im Interamerikanischen System zum Schutz der Menschrechte würde eine solche Verpflichtung unter Umständen auch Amnestiegesetzen entgegenstehen.[3]

Ein Institutsdirektor bedeutete mir, dass eine so progressive These nicht als Institutsgutachten verbreitet werden solle. Wenn ich so ausschließlich unter meinem Namen argumentiere, sei aber nichts einzuwenden. Meine Thesen hatte ich in regem Austausch mit Karl Doehring erarbeitet. Er war gerade auch an kontroversen und unkonventionellen Thesen interessiert, egal ob er sie teilte oder nicht. Man musste nur, wie er so oft betonte, „schlüssig“ argumentieren. Irrelevant war auch, dass ich nicht seine, sondern Assistentin von Rudolf Bernhardt war. Intensiv mit Karl Doehring hatte ich damals diskutiert, inwiefern Völkergewohnheitsrecht aus Verträgen abgeleitet werden kann.

Präsentation durch Institutsdirektor Karl Doehring

Das Gutachten sollte ich am 21. August 1987 bei einer Pressekonferenz von Amnesty International in Stuttgart präsentieren. Hier gab es aber Bedenken seitens meines Mannes. Denn am 22. August 1987, also am darauffolgenden Tag, war der errechnete Geburtstermin für unser erstes Kind. Auch die Institutsdirektoren Doehring und Frowein hatten Bedenken gegen meine Fahrt nach Stuttgart bei einer solchen Terminkonstellation. Was tun? Karl Doehring fand eine Lösung. Er bot an, nach Stuttgart zu fahren und das Gutachten für mich zu präsentieren. So haben wir es gemacht und alle waren zufrieden, auch Amnesty International. Hiermit kommen wir zur Situation der Frauen am damaligen Institut.

Zur Situation der Frau am Institut

Frauen in der Forschung waren am MPIL lange unterrepräsentiert: José Puente, Rudolf Halberstadt, Karin Oellers-Frahm, Pierre Pescatore auf der Tagung „Völkerrecht als Rechtsordnung“ 1975 (Foto:MPIL)

Frau Dr. Karin Oellers-Frahm war lange die einzige Referentin, die halbtags am Institut tätig war. Dies galt bei vielen als ideale und vorbildhafte Lösung für eine Frau. Die Habilitation einer Frau sei kaum mit Kind und Familie vereinbar. Das musste sich später eine Institutskollegin, die extern habilitierte, von ihrem Habilitationsvater anhören.

Bei den zahlreichen Begegnungen mit den Koryphäen aus Völkerrechts- und Verfassungsrechtswissenschaft und -praxis am Institut waren Wissenschaftlerinnen kaum anzutreffende Ausnahmen. Ein angesehener deutscher Kollege sagte mir im Rahmen einer der damals häufigen akademischen Feierlichkeiten am Institut, ich sei doch viel zu schade für die Wissenschaft, ich solle lieber Kinder kriegen. Das entmutigte mich aber keineswegs. Zudem handelte es sich um einen gutwilligen Kollegen, der mich später bei Bewerbungen an Universitäten unterstützte.

Ein anderer Kollege allerdings riet mir dringend ab, mich auf einen bestimmten Lehrstuhl zu bewerben. Wenn ich das täte, müsste er mich extra schlecht reden, um sich vor der Frauenbeauftragten zu schützen, wie er sagte. Beim Fakultätsausflug wurde Institutsdirektor Doehring von Kollegen Othmar Jauernig verspottet: Man brauche an der Juristenfakultät Heidelberg keine Frauenbeauftragte, diese Funktion fülle ja der Kollege Karl Doehring aus (da er mich habilitierte). Meine Habilitationsschrift wurde nicht nur, wie üblich, von meinem Habilitationsvater Karl Doehring und einem zweiten Fakultätskollegen, Eberhard Schmidt-Assmann gelesen, sondern von allen Institutsdirektoren, also auch von den Herren Helmut Steinberger, Rudolf Bernhardt und Jochen Abr. Frowein. Denn, so einer von ihnen: Wenn man der Fakultät schon eine Frau präsentiere, müsse sie extra gut sein.

Trotzdem war es schön am Institut und es gab auch in Bezug auf die Frauenfrage hoch Erfreuliches. Sehr gefreut hatte ich mich, dass mir zum 1. August 1987 eine Referentenstelle am Institut angeboten wurde, obwohl ich am 22. August meinen ersten Sohn gebar. Alle, einschließlich aller Direktoren, waren sehr nett und verständnisvoll. Die Rede war auch vom „Institutsbaby“, da mein Sohn zum Stillen gebracht wurde. Als unser Sohn drei oder vier Jahre alt war, besuchten wir am Wochenende mindestens einmal Institutsdirektor Karl Doehring. Er arbeitete samstags regelmäßig am Institut. Karl Doehring hatte eine Zielscheibe und Pistolen für uns mitgebracht. Der kleine Sohn und wir hatten Spaß beim Schießen im Büro.

Familiäre Atmosphäre

Die Atmosphäre war damals familiär am Institut. Alle MitarbeiterInnen sollten dazu gehören, auch gerade die nicht-wissenschaftlichen. Insbesondere die Weihnachtsfeier verstand Institutsdirektor Doehring als Dank der wissenschaftlichen Mitarbeiter an die nicht-wissenschaftlichen MitarbeiterInnen, die die Arbeit der Wissenschaftler erst ermöglichten.

„Die Verwaltung“: Hilde Vaupel und Gerda Wallenwein 1970er (Foto:MPIL)

Frau Wallenwein und Frau Vaupel bildeten „Die Verwaltung“ des Instituts. „Die Verwaltung“ hatte mich hilfreich angerufen und auf ein zur Vermietung stehendes Zimmer in Handschuhsheim hingewiesen, als ich neu nach Heidelberg kam. „Die Verwaltung“ hatte mich im Krankenhaus besucht, als ich kurz dort lag. „Die Verwaltung“ wusste auch, mit wem ich in Urlaub fuhr. Die elegante Frau Weinmann aus dem Vorzimmer Frowein beriet mich in Sachen Kleidung bei meinem Kuratoriumsvortrag und wies mich auf Modefehler (zu kurzes Kleid) hin.

Die Zeit am Institut als Privileg

Es war ein großes Privileg, am Institut arbeiten zu dürfen. Rudolf Bernhard, dem ich zugeordnet war, ließ mir ausreichend Zeit, meine Dissertation zu erstellen. Die Aufträge, die ich zu bearbeiteten hatte, waren stets interessant und ich konnte dabei lernen: Gutachten und wissenschaftlich interessante Zuarbeit, Mitarbeit an den von Bernhardt herausgegebenen Fontes Iuris Gentium, Artikel für das weltbekannte Lebenswerk von Institutsdirektor Bernhardt, die Encyclopedia of Public International Law (EPIL). Hinzu kommen die schon erwähnten vielfältigen Begegnungen mit der Verfassungs- und Völkerrechtsprominenz. Und wenn ich heute zu einem Kolloquium der Höchstgerichte gehe, dann treffe ich im Zweifel mindestens eine Kollegin aus der gemeinsamen Zeit am Max-Planck-Institut, so zum Beispiel die Professorinnen Anja Seibert-Fohr und Angelika Nussberger (beide EGMR) und Christine Langenfeld (BVerfG).

[1] Vgl. zB Frowein/Stein (Hrsg.), Die Rechtsstellung von Ausländern nach staatlichem Recht und Völkerrecht, Beiträge zum ausl. öff. Recht und Völkerrecht, Bd. 94 (1987).

[2] EGMR, appl. no. 8544/79, Urt. 21.2.1984 – Öztürk/Deutschland.

[3] J. Kokott, Völkerrechtliche Beurteilung des argentinischen Gesetzes Nr. 23.521 über die Gehorsamspflicht (obediencia debida), ZaöRV 1987, 506 et seq.