Stefan Georges langer Schatten. Die Stauffenberg-Büste am Institut

Frank Mehnert, Büste Berthold von Stauffenberg, 1927 bzw. 1931 (Foto: Maurice Weiss)

Im Eingangsbereich des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg (MPIL) befindet sich eine Büste Berthold Schenk Graf von Stauffenbergs (1905-1944). Stauffenberg war von 1929 bis zu seiner Ermordung durch die Nationalsozialisten aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Widerstandsbewegung des 20. Juli 1944 Angehöriger des Instituts. Zusammen mit dem großformatigen Triptychon von H. D. Tylle „Der 9. November 1989 in Deuna, am Morgen danach“ und der Büste Max Plancks gehört das Stauffenberg-Bildnis zu den prägenden Kunstgegenständen am Institut. Wenngleich der Dargestellte von den wenigsten auf Anhieb erkannt und zumeist mit seinem weitaus populäreren Bruder Claus verwechselt wird, der das gescheiterte Bombenattentat auf Adolf Hitler ausgeführt hatte, scheint die Präsenz der Büste folgerichtig: Man liest sie als das Bekenntnis des Instituts zu seinem früheren Mitarbeiter wie auch zum Kampf gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime. Das war jedoch nicht immer so. Wenngleich sich die Büste bereits seit 1974 im Besitz des MPIL befindet, erfuhr sie ihre zentrale Aufstellung erst 1996 mit dem Bezug des aktuellen Gebäudes im Neuenheimer Feld, als das damalige Direktorium (Jochen Frowein und Rüdiger Wolfrum) entschied, sie im Atrium zu positionieren. Ihren heutigen Platz am Haupteingang hat die Büste seit der Fertigstellung des Verwaltungsanbaus im Jahr 2019. Vor 1996 jedoch fristete sie ein regelrechtes Schattendasein. Im früheren Gebäude in der Berliner Straße stand sie mehr als 20 Jahre weit abgeschlagen im zweiten Stock, wo ihr kaum jemand begegnete. Der Grund hierfür war die Abneigung des langjährigen Institutsdirektors Hermann Mosler gegenüber der Büste, die ihm schon 1966 von seinem Bonner Kollegen Karl Josef Partsch als Geschenk angeboten worden war. Über Jahre hinweg hatte Mosler versucht, die Aufstellung zu verhindern – und das, obgleich er dem „Dritten Reich“ distanziert gegenübergestanden und sich auch zum Widerstand des 20. Juli 1944 bekannt hatte. Somit drängt sich die Frage auf, welches Problem Hermann Mosler in der Büste sah und welche Geschichte das Objekt umgibt. Dem möchte dieser Blogbeitrag auf den Grund gehen.

Ein unwillkommenes Geschenk. Karl Josef Partsch und die Büste

Fotografie des Abgusses von Karl Josef Partsch, patiniert und in ästhetisierender Beleuchtung[1]

Am 18. Januar 1966 schrieb der Bonner Völkerrechtler Karl Josef Partsch einen Brief an Hermann Mosler, in welchem er ihm von einem Gespräch mit seinem Freund Helmut Strebel, seines Zeichens Schriftleiter der ZaöRV, berichtet. Bei Strebel und Partsch, der als passionierter Kunstsammler über eine umfangreiche Skulpturensammlung verfügte, war die Idee aufgekommen, „in den neuen Bauten des Institutes einen Portraitkopf von Berthold von Stauffenberg aufzustellen“.[2] Partsch bot Mosler an, einen Nachguss des Originals aus seiner Sammlung für das Institut anfertigen zu lassen. Moslers Antwort folgte knapp zwei Wochen später. Sie fiel zurückhaltend und widersprüchlich aus:

„Die Aufstellung einer Büste ist etwas Unwiederholbares, das für andere nicht in Anspruch genommen werden kann. Sie bedeutet, dass eine Person zum Mittelpunkt, sei es gemeinsamer Erinnerungen oder gemeinsamer Anschauungen der im Institut Arbeitenden erhoben, möglicherweise sogar zum Symbol für den Geist des Hauses gemacht wird. Das Alter, in dem die Büste entstanden ist, und der als Opfer angenommene Tod machen es wahrscheinlich, dass die Aufstellung der Büste an hervorragender Stelle als Symbol empfunden wird. Selbst diejenigen, die Berthold Stauffenberg als Institutskollegen gekannt haben, werden sich beim Anblick der Büste wahrscheinlich nicht an den Menschen erinnern, den sie täglich gesehen haben.“[3]

Ferner führt Mosler aus:

„Ein solches Symbol darf nicht aufgenötigt, sondern muss angenommen werden. Ich glaube nicht, dass es sich um eine Frage der politischen Einstellung zu den Geschehnissen von 1944 handelt. Meine eigene Position kennen Sie. Sie wissen wohl auch, dass Berthold Stauffenberg drei Tage vor dem Attentat mit mir verabredet hat, das Institut der zu erwartenden neuen Regierung zur Verfügung zu stellen.“

Obgleich Mosler sich zu seinem früheren Kollegen und dessen Widerstand bekannte, zeigt er ein deutliches Unbehagen gegenüber Partschs und Strebels Vorschlag. Mosler fürchtete, dass mit der Büste eine Art „Gedenkkult“ ins Institut einziehen könnte. Überdies äußert er Bedenken, dass die Büste von den Institutsmitarbeitern als „aufgenötigt“ empfunden werden könnte und weist darauf hin, dass es inzwischen „eine neue Generation“ im Institut gebe, die „anderes erlebt“ habe, ohne genauer auszuführen, was er damit meint.[4]

Mosler wollte die Sache mit seinem verklausulierten Absage-Schreiben auf sich beruhen lassen, doch Partsch und Strebel ließen nicht locker. Über Jahre hinweg hakten sie bei Mosler nach, stets blieben Moslers Antworten im Ungefähren, stets spielte er auf Zeit. Als Partsch 1967 einen neuen Anlauf nahm, antwortete Mosler, er sei mit Strebel „alle Möglichkeiten einer gleichzeitig würdigen und nicht aufdringlichen Aufstellung“ durchgegangen, wobei er zu dem Schluss kam, die Büste lieber nicht im Institut selbst, sondern außerhalb, im noch im Bau befindlichen Max-Planck-Haus, aufzustellen. Alternativ käme sein, ebenfalls noch nicht fertiggestelltes, neues Büro infrage, „allerdings nicht vor Ende 1969“.[5] Partsch und Strebel war jedoch an einer möglichst wirkungsvollen Aufstellung des Porträtkopfes im Institut selbst gelegen. 1972 wurde die Büste erstmals probeweise im MPIL aufgestellt, wobei Strebel darauf drang, sie auf einem Marmorsockel mit einer Scheitelhöhe von 1,85m zu positionieren, was augenscheinlich Stauffenbergs Körpergröße entsprochen hätte.[6] Anschließend verschwand die Büste wieder aus dem Institut, ehe sie Ende 1974, bald neun Jahre nach Partschs Vorschlag und gerade noch rechtzeitig zum 50-jährigen Institutsjubiläum, doch aufgestellt wurde – auf einem schlichten und niedrigen Sockel aus Muschelkalk, dezentral im zweiten Stock.[7] Eine Einweihung oder Ansprache gab es nicht.

„Du bist als heiland dieser welt gesandt“. Berthold von Stauffenberg und Stefan George

Heiland mit Jüngern. Stefan George, Claus und Berthold von Stauffenberg, 1924[8]

Du hast mich feste in Deinen bann geschlagen / Du herrscher meines seins nun ganz und gar / Ich will all diese lasten gerne tragen / Denn Deine hand – so leise – streicht mein Haar

– Berthold von Stauffenberg über Stefan George [9]

Einen wesentlichen Grund für Moslers Ablehnung der Stauffenberg-Büste muss man in ihrem Entstehungskontext sehen, ging die Büste doch aus dem Kreis um den Dichter Stefan George (1868–1933) hervor, dessen politische Einstellung und ästhetizistisches Programm der MPIL-Direktor ablehnte. Aber nicht nur Berthold von Stauffenberg und der Erschaffer der Büste, der Bildhauer Frank Mehnert (1909–1943)[10], gehörten zum engsten Zirkel um George, Karl Josef Partsch (1914–1996) tat es ebenso.[11] Auch Helmut Strebel (1911–1992), dessen Onkel Max Kommerell Georges womöglich größte Liebe gewesen war, befand sich im Georgeschen Geisteskosmos, wenngleich seine eigene Aufnahme in den Kreis gescheitert war.[12]

Stefan George gehörte um die Jahrhundertwende zu den bekanntesten, aber auch umstrittensten deutschen Dichtern. Stark beeinflusst vom französischen Symbolismus entwickelte er eine ästhetizistische Lyrik mit Anleihen an die antike Kultur und die mittelalterliche deutsche Mystik, die sich als Gegenbewegung zur „Vermassung“ und „Amerikanisierung“ von Kultur und Gesellschaft im spätindustriellen Zeitalter verstand.[13] Aufgrund ihrer Voraussetzungshaftigkeit wirkte Georges Dichtung auf die seinerzeitige intellektuelle und akademische Avantgarde besonders anziehend. Große Wirkung übte George aber auch durch seine kunstvolle Selbstinszenierung als seherischer Dichterkönig aus, der als charismatischer „Meister“ eine handverlesene Gruppe begabter junger „Schüler“, seinen männerbündisch organisierten „Kreis“, um sich scharte. Das Binnenleben des Kreises war charakterisiert durch die kultische Verehrung Georges, der das Ziel verfolgte, eine neue Geistesaristokratie in Kunst, Gesellschaft und Wissenschaft als Vertreter eines „Neuen Reiches“, des sogenannten „Geheimen Deutschlands“ heranzuziehen. Hierunter verstand George ein „anderes“, in mystischer Überhöhung liegendes Deutschland, das gleichsam die Verwirklichung seiner intellektuell-ästhetischen Ansprüche anstrebte.[14] Der Zugang zum Kreis war nur zu „echtem Führertum“ Berufenen und aus „heldisch gehobenem Menschtum“ Hervorgehenden vorbehalten.[15] Der Initiationsprozess war kompliziert und langwierig. Ältere Kreismitglieder hielten hierbei systematisch Ausschau nach potentiellen Neuzugängen, die – vielfach minderjährig – nach optischen und geistigen Kriterien (gerne auch am Strand[16]) ausgewählt und sorgsam auf eine Begegnung mit dem „Meister“ vorbereitetet wurden.[17] Aufgrund Georges homoerotischer und pädophiler Orientierung, die unter dem Deckmantel des „pädagogischen Eros“, einer stark ästhetisierten und Übergriffe legitimierenden Meister-Schüler-Beziehung, verklärt wurde, war der Zugang nur gutaussehenden jungen Männern und Knaben gestattet.[18]

Die dritte Generation des George-Kreises, Foto nach 1925. Claus (zweite Reihe, 2. v. r.) und Berthold von Stauffenberg (erste Reihe, 2. v. r.) mit Frank Mehnert (erste Reihe, 3. v. r.).[19]

Zu den „Jüngern“ Georges gehörten auch Berthold von Stauffenberg, sein Zwillingsbruder Alexander und der jüngere Bruder Claus, die 1923 im Alter von 18 beziehungsweise 15 Jahren von einem Bekannten der Familie in den Kreis eingeführt worden waren.[20] George war von den Stauffenberg-Brüdern begeistert, entsprachen sie ihrem Aussehen nach wie durch ihre adelige Herkunft ganz seinem Geschmack. Auf die drei Jugendlichen übte der knapp 40 Jahre ältere „Dichterfürst“ eine kaum zu unterschätzende Wirkung aus, wie Berthold von Stauffenbergs in der Stefan Georges minimalistischer Ästhetik folgenden Kleinschreibung gehaltenen Worte über die erste Begegnung mit George zeigen: „Du hast mich bezwungen und gebannt (…) / Du bist als heiland dieser welt gesandt“.[21] Mit den Stauffenbergs ging George jedoch nie ein sexuelles Verhältnis ein.[22] Dennoch gehörten Berthold und sein Bruder Claus zum engsten Zirkel um den Dichter.

George stellte hohe Erwartungen an seine Jünger. So verlangte er, dass sie sich nicht nur an seinen eigenen Werken und denjenigen, die aus dem Kreis heraus entstanden, schulten und bildeten, sie sollten auch in ihrem zivilen Beruf im Georgeschen Sinne tätig sein und auf diese Weise einen Beitrag zur Verwirklichung des „Geheimen Deutschlands“ leisten. Im Fall des Juristen Berthold von Stauffenberg stellt sich die berufliche Umsetzung des Georgeschen Denkens jedoch als schwierig dar. Anders als bei der Rechtswissenschaft hatte George beispielsweise im Bereich der Geschichtswissenschaft einen weitaus größeren Einfluss, indem er Forschungsarbeiten seiner Jünger aktiv inhaltlich und literarisch mitbegleitete.[23] Mit Stauffenbergs juristischer Karriere konnte George indes nicht sonderlich viel anfangen, im Gegenteil sah er dessen Tätigkeit als Gerichtsschreiber am Ständigen Internationalen Gerichtshof mehr als kritisch. Da er die internationale Gerichtsbarkeit ablehnte, war er der Ansicht, Stauffenberg habe „keine Leistungen“ vorgewiesen, was den Juristen tief verletzte.[24] Jedoch hatte auch Stauffenberg selbst ein schwieriges Verhältnis zur Rechtswissenschaft, die er nur mit innerer Distanz betrieb und die für ihn in Ermangelung der Verwirklichung seines eigentlichen Berufswunsches des Diplomaten eine zweite Wahl darstellte. Seine eigentliche Erfüllung fand Stauffenberg in der Dichtung seines „Meisters“, dem er in fast allen Lebensfragen folgte. Dies ging so weit, dass er selbst seine große Liebe Mika Classen den Besitzansprüchen Georges opferte und sich 1932 dessen Eheverbot unterwarf. [25] Erst 1936, drei Jahre nach dem Tod seines „Meisters“, der Berthold zu seinem testamentarischen Nacherben und zum treuhänderischen Verwalter seines Werkes ernannt hatte, ging Stauffenberg die Ehe schließlich dennoch ein.[26]

Erbe und Erben. Widerstand in Georges Namen?

Hatte George genau geregelt, wer seinen dichterischen Nachlass verwalten sollte, war und ist unter seinen Jüngern wie auch in der George-Forschung bis heute umstritten, worin das geistige Erbe des Dichters eigentlich bestand. Der Großteil seines Werkes lebte von der beständigen Auslegung durch den „Meister“, der als einzig legitime Instanz das letzte Deutungsrecht hatte.[27] Eine der großen Fragen war Georges Verhältnis zum Nationalsozialismus. Eine eindeutige Positionierung, wie sie nicht zuletzt von seinen jüdischen Anhängern gefordert wurde, blieb der „Meister“, der im Dezember 1933 verstarb, schuldig. Zwar musste George den Nationalsozialismus wie jedes Phänomen der Massenkultur schon aus Prinzip kritisch sehen, andererseits waren Teile seiner Dichtung über das „Neue Reich“ für die Nationalsozialisten durchaus anknüpfungsfähig, sodass Reichspropagandaminister Joseph Goebbels darum bemüht war, ihn für die seine Zwecke einzunehmen.[28] George fühlte sich hiervon zwar geschmeichelt und zeigte sich auch offen gegenüber dem Nationalsozialismus, sah sich aber doch zu sehr über den Dingen stehen, um sich von der Politik vereinnahmen zu lassen. Zugleich gab es auch Züge in Georges Werk und Person, die ihn als schwerlich kompatibel mit der NS-Kulturpolitik erscheinen ließen. So wurde Georges als offenes Geheimnis bekanntes Liebesleben und die hohe Zahl jüdischer Intellektueller in seinem Umfeld mehrfach zum Gegenstand homophober und antisemitischer Hetzartikel.[29]

Der Kreis begann im Streit um die Deutungshoheit über Georges Erbe bereits an dessen Totenbett zu zerfallen.[30] Für die jüngsten Jünger um die Stauffenberg-Brüder und Frank Mehnert, die den Nationalsozialismus begrüßten, war klar, dass sie dies im Einklang mit dem „Meister“ taten.[31] Ältere und aufgrund ihrer jüdischen Herkunft bereits der beginnenden Verfolgung ausgesetzte Weggefährten wie Karl Wolfskehl und Ernst Kantorowicz versuchten, die Idee des „Geheimen Deutschlands“ als Gegenentwurf zum „Dritten Reich“ zu mobilisieren.[32] Georges Erbe war vielfältig anknüpfungsfähig – ob für, oder am Ende gar gegen das NS-Regime oder, wie im Falle der Stauffenbergs, die sich unter Berufung auf ihren „Meister“ für den Widerstand entschieden, für beides.[33]

Ein Stück Unsterblichkeit. Der Bildhauer Frank Mehnert

Frank Mehnert neben seinem gipsernen Ebenbild von Ludwig Thormaehlen, 1920er [34]

„Mit jedem was Du vollbringst eroberst du uns ein stück unsterblichkeit, machst Du dies land schöner, bestärkst du unsern glauben an unsre sache und ihre endliche unfehlbarkeit“.

– Claus von Stauffenberg an Frank Mehnert [35]

Geschaffen wurde die Büste Bertholds von Stauffenberg durch Frank Mehnert. Mehnert war ein Mitschüler der Stauffenbergs, die wie er das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart besuchten. 1922, im Alter von 13 Jahren, freundete sich Mehnert mit dem vier Jahre älteren Berthold an. Frank Mehnert, der als fragiler Jugendlicher galt, ging zu Berthold von Stauffenberg ein Verhältnis einer „fast sklavischen Abhängigkeit“ ein, das Mehnerts Bruder Klaus als „eine Art von Ritter-Knappe-Beziehung“ bezeichnete und das in der Familie große Besorgnis auslöste.[36] Über die Stauffenberg-Brüder fand Frank Mehnert 1924 im Alter von 15 Jahren Eingang in den George-Kreis. George fand schnell großen Gefallen an dem Jungen, der selbst in den Bann des Dichters geriet. Für das Verhältnis zwischen Frank Mehnert und dem 41 Jahre älteren George haben Zeitgenossen und die George-Forschung viele Begriffe gefunden. So gilt Mehnert wahlweise als „treuer Begleiter“[37], „Lieblingsjünger“[38], „eine Art Gesellschaftsdame der besonderen Art“[39] oder als „Mädchen für alles“.[40] Belegt ist, dass Frank Mehnert spätestens seit 1928 zum engsten Umfeld des Dichters gehörte. Als „Partnerschaft“ bezeichnen kann die Beziehung Georges zu Mehnert jedoch nur, wer großzügig über das ausgeprägte Machtgefälle zwischen „Meister“ und „Jünger“, wie auch über die offenkundige Labilität Mehnerts hinwegsieht.

Zur Bildhauerei fand Mehnert durch den George-Kreis. Zunächst hatte er wie Berthold von Stauffenberg 1927 in Tübingen ein Studium der Rechtswissenschaft begonnen. Als Berthold von Stauffenberg 1929 seine Stelle am KWI antrat, folgte er ihm nach Berlin. Das Studium brach Mehnert schließlich ab und wandte sich als Autodidakt unter Begleitung des Kreis-Mitglieds Ludwig Thormaehlen der Bildplastik zu.[41] Mehnerts frühe Werke umfassen ausschließlich Büsten von Stefan George, Claus und Berthold von Stauffenberg und weiteren George-Jüngern. Erst ab 1933 verbreiterte der überzeugte Nationalsozialist Mehnert seine Palette, als er die Gelegenheit sah, „mit den neuen Machthabern ins Monumentengeschäft großen Stils zu kommen.“[42] Unter seinem Künstlernamen Viktor Frank entwarf Mehnert bis 1936 circa 40 Hitler-Büsten, die er erfolgreich vermarktete.[43] Darüber hinaus schuf er ein Hitler-Relief und eine Hitler-Plakette, 1934 entwarf er eine überlebensgroße Statue als SA-Denkmal, für die Claus von Stauffenberg Modell stand.[44] Obgleich Mehnerts künstlerisches Werk aufgrund dessen frühen Soldatentods an der Ostfront 1943 letztlich schmal und dilettantisch blieb, erfüllte es in den Augen der George-Jünger eine essentielle Funktion, da er den ästhetischen Anspruch des „Meisters“ über dessen Tod hinaus bewahrte.[45]

Die Spur des Meißels. Bildhauerei im George-Kreis

Der schwedische Bildhauer Adh Hedblom (links) fertigt eine Büste Berthold von Stauffenbergs an (1928)[46]

Die bildende Kunst hatte innerhalb des George-Kreises eine herausgehobene Bedeutung – mehr als 200 Büsten sind im Umfeld Georges entstanden. In merkwürdigem Gegensatz hierzu hatte keiner der drei Bildhauer im Kreis, Ludwig Thormaehlen, Alexander Zschokke und Frank Mehnert, eine künstlerische Ausbildung genossen.[47] Der Kontrast zwischen der amateurhaften Bildhauerei und dem hohen ästhetischen Anspruch, den George an seine eigene Dichtung und das Schaffen seiner Jünger stellte, ist beträchtlich. Begreiflich wird die Bedeutung der Bildplastik als Kunstform im Kreis durch Georges Verständnis seiner Dichtung. Diese verstand er als „Wort-Plastik“, sich selbst sah er als „Bildner“, oder wie Ulrich Raulff es fasst: „Die Worte erschienen wie massive Blöcke, die noch die Spur des Meißels trugen.“[48] Das Bildhauen als Kunst-Praxis stellte für George somit die logische Weiterführung seines sprach-plastischen Schaffens dar. Er verstand die Bildhauerei als didaktischen Prozess, der auf das dichterische Wirken der Jünger zurückwirken sollte.

Das Atelier Thormaehlens und Mehnerts war ein wichtiger sozialer Raum für die Kreis-Mitglieder. „Gemeinsame Arbeit und Gespräch, Übersetzung und Bildhauerei bestimmen das Leben der kleinen Gruppe. Der Raum ist angefüllt mit Gipsfiguren, Köpfen und ganzen Figuren nackter Männer“, umschreibt Ulrich Raulff die Atmosphäre.[49] Das gemeinschaftliche Studium des Georgeschen Werkes stand im Vordergrund. Durch fotographische und bildkünstlerische Abbildung des anderen, versuchte man sich in die Ästhetik des Meisters einzuschreiben. Als letzter Schritt der Integration in den Kreis galt die plastische Nachbildung des eigenen Kopfes.[50] Orientiert am Vorbild der griechischen Antike sollten die Köpfe den Typus eines heroisierten, zu ästhetischem Führertum berufenen „Georgeschen Menschen“, ausdrücken, vor dem „der Bürger sich bekreuzigte“.[51] Die Bildplastiken zeichnen sich somit durch eine gewisse Entindividualisierung sowie eine idealisierte Redundanz aus.[52] Da die Bildhauerei der George-Jünger als kreisinterner Akt der gemeinschaftlichen Kunstschaffung zu verstehen ist, waren die Büsten nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Vielmehr hatten sie eine normative, ästhetische Vorbildfunktion für ihre Betrachter, die sich aus dem Wissen des Georgeschen Werkes heraus speiste.[53]

 

Dies gilt auch für Frank Mehnerts Büste von Berthold von Stauffenberg. Entstanden ist sie, aller Wahrscheinlichkeit nach, im Jahr 1930 als kreisinternes „Freundschaftsprodukt“.[55] Auch sie steht ganz im Sinne der Georgeschen Ästhetik, ist antikisierend idealisiert, ebenso wie die von Mehnert angefertigte Büste Claus von Stauffenbergs, von der ein Abguss in Deutschen Bundestag aufgestellt wurde und ein anderer sich heute in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin befindet. Beide Stauffenberg-Büsten, die lange vor dem Attentat des 20. Juli 1944 geschaffen wurden, sind heute kaum ohne diese Aufstellungsorte zu denken. Sie bilden gleichsam eine Art Ikonographie des deutschen Widerstandes, die bildsprachlich nicht unwesentliche Überschneidungen mit den ästhetischen Präferenzen nationalsozialistischer Kunst aufweist.[56] Für die Öffentlichkeit waren die beiden Büsten anders als Mehnerts Hitler-Köpfe und das SA-Standbild, nie gedacht. Dennoch eignen sich beide in besonderem Maße als Helden-Büsten, deren Entstehungskontext im George-Kosmos weitgehend in Vergessenheit geraten ist.

„Aristokratisch-esoterisches Gehabe“. Hermann Mosler und die Büste

„Und ich begriff, daß Kunst nur den Sinn hat, Kunst zu sein“[57]

– Carlo Schmid über Stefan George

Hermann Mosler trat 1937 im Alter von 25 Jahren als Referent in das Institut, damals noch als Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin (KWI), ein. Der sieben Jahre ältere Berthold von Stauffenberg war damals bereits Wissenschaftliches Mitglied und Mitherausgeber der Institutszeitschrift Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV). Über das seinerzeitige Verhältnis beider ist praktisch nichts bekannt, Mosler äußerte sich hierzu öffentlich nie. Zu den wenigen publizierten Erinnerungen an Stauffenberg aus dem Institutskontext gehören die Memoiren von Joachim von Elbe (1902-2000), späterer US-Diplomat und in den frühen 1930ern Referent am Institut. Er beschreibt Stauffenberg als „verschlossen“ und jemanden, der gegenüber seinen Kollegen stets „auf Distanz“ geblieben sei. Mit gewissem Befremden erinnert sich Elbe an Stauffenbergs Mitgliedschaft im George-Kreis, „von dessen ‚aristokratisch-esoterischem Gehabe‘ wohl auch Bertholds Verhalten nicht unberührt blieb.“[58] Es gab aber auch Institutsangehörige, denen George keineswegs fremd war. So war Carlo Schmid bereits als Schüler mit der Dichtkunst Georges in Berührung gekommen; sie erschien ihm wie „das Licht, das man vom Himmel geholt hat“.[59] Auch pflegte Carlo Schmid mit zahlreichen Angehörigen des George-Kreises enge Freundschaften, wobei er betont: „Ein ‚Georgianer‘ jedoch bin ich nie geworden.“[60] Neben Schmid ist nur von Helmut Strebel eine lebenslange enge geistige Verbindung zum Werk Georges aus dem Institut überliefert.[61]

Konnte man für das Berliner KWI ein gewisses Interesse am Geistes-Kosmos Georges erkennen, so war dies am Heidelberger MPIL anders. Der Grund hierfür dürfte insbesondere in der geänderten sozialen Zusammensetzung der Mitarbeiter gelegen haben. Rekrutierten sich die Angehörigen des KWI überwiegend aus dem Adel und Großbürgertum, die mit einer elitären, auch anti-demokratischen Ästhetik eines Stefan George durchaus etwas anfangen konnten, war das Personal des Heidelberger Instituts weitaus „bürgerlicher“. Georges symbolistische, auf „hinter den Dingen Liegendes“ und auf eine charismatische Führerpersönlichkeit ausgerichtete, elitäre l‘art pour l‘art Dichtung, die anti-westliche und nationalistische Elemente vereinte, muss Mosler nicht nur fremd geblieben, sondern gleichermaßen Ausdruck einer Geisteshaltung gewesen sein, die ihm schon früh, in den Jahren seines aktiven Engagements in der katholischen Jugendbewegung, wiederstrebt hatte und die er als nüchterner bundesrepublikanischer Katholik unbedingt aus seinem Institut heraushalten wollte.

Als Karl Josef Partsch ab 1966 über Jahre hinweg Hermann Mosler die Büste Bertholds von Stauffenberg anbot, kam dies Mosler aus vielerlei Gründen ungelegen. Ihre Aufstellung an einem zentralen Ort innerhalb des Instituts hätte Debatten ausgelöst, an denen der Direktor keinerlei Interesse hatte. Zunächst hätte sie die Frage der Positionierung des Instituts zum „Dritten Reich“ aufgeworfen.[62] Obgleich Mosler sich zu Stauffenbergs Widerstand bekannte, wollte er ihn nicht wider besseres Wissen „zum Geist des Hauses“ erheben. Überdies war die allgemeine gesellschaftliche Haltung zu den „Verschwörern“ des 20. Juli 1944 in den 1960ern noch keineswegs als durchweg positiv zu bezeichnen, galten die Stauffenbergs seinerzeit noch vielen als „Vaterlandsverräter“ und „Eidbrecher“.[63] Die Aufstellung der Büste wäre somit einem politischen Statement gleichgekommen, das bei einigen Gästen und Mitarbeitern für Irritationen hätte sorgen können.

Jenseits der Frage der Bewertung des deutschen Widerstandes war und ist bis heute umstritten, ob und in welchem Ausmaß Stefan George mit seiner Dichtung dem Nationalsozialismus intellektuellen Vorschub leistete. Anlässlich des hundertsten Geburtstages Georges 1968 wurde in den Feuilletons intensiv über sein Verhältnis zum „Dritten Reich“ gestritten.[64] Während Karl Josef Partsch und Helmut Strebel durchaus ein Interesse daran hatten, George über den Widerstand der Stauffenbergs rückwirkend zu rehabilitieren, wollte Mosler solche Debatten aus seinem Institut heraushalten. Moslers Fokus lag auf der juristischen Begleitung der Integration der Bundesrepublik in die Europäische Union und in den Westen sowie auf der Einbindung des Instituts in die internationale Wissenschaftswelt. In diesen Dienst konnte man die Stauffenberg-Büste schwerlich stellen. Geht man dann noch davon aus, dass Mosler als langjähriger Kollege Stauffenbergs auch über Georges sexuelle Orientierung im Bilde war und den Problemzusammenhang der Entstehungsgeschichte der Büste erahnen konnte, scheint offensichtlich, warum er die Büste nicht im Institut haben wollte.

Im Verlauf der Jahre verlor sich jedoch am Institut das Wissen um den Entstehungskontext der Büste. Man kann sagen, dass die Büste, je weiter ihre Geschichte vergessen wurde, umso mehr von der Peripherie ins Zentrum des Instituts wanderte. Mit dem drastischen Bedeutungswandel, den die gesellschaftliche Bewertung des „20. Juli 1944“ erlebte, wurde auch die Stauffenberg-Büste neu gelesen. Das Institut bekannte und bekennt sich nunmehr stolz zu seinem früheren Mitglied, dessen Wirken weitgehend auf das Attentat gegen Hitler reduziert wurde. Der weitere geistige und historische Zusammenhang der Entstehung der Büste, der bei Hermann Mosler für Ablehnung gesorgt hatte, trat in den Hintergrund. Inzwischen ist nur wenigen Gästen und Forschenden am Institut bekannt, wer Berthold von Stauffenberg war. Dennoch spricht die Büste für sich, atmet und verkörpert das „Heldische“ durch die antikisierende Ästhetik des „Georgeschen Menschen“. Doch wer weiß noch, was damit gemeint war?

***

Der Verfasser dankt Sarah Gebel, Alexandra Kemmerer, Johannes Mikuteit, Moritz Vinken und Joachim Schwietzke für ihre hilfreichen Anmerkungen zu diesem Text.

[1] Büste im Besitz von Karl Josef  Partsch; Foto: MPIL.

[2] Schreiben von Karl Josef Partsch an Hermann Mosler, datiert 18. 1. 1966, Mappe „Stefan George Stiftung“, MPIL.

[3] Schreiben von Hermann Mosler an Karl Josef Partsch, datiert 4. 2. 1966, Mappe „Stefan George Stiftung“, MPIL.

[4] Falls er der den sich anbahnenden „68er“-Generationenkonflikt meint, so kann auch dies nicht wirklich überzeugen, da dieser am Institut weitgehend ausfiel, vgl: Ingrid Gilcher-Holtey, Burg in der Brandung? Das MPIL im Mobilisierungsprozess der 68er Bewegung, MPIL100.de.

[5] Schreiben von Hermann Mosler an Karl Josef Partsch, datiert 4. 9. 1967, Mappe „Stefan George Stiftung“, MPIL.

[6] Schreiben von Helmut Strebel an Hermann Mosler, datiert 11. 4. 1972, Mappe „Stefan George Stiftung“, MPIL.

[7] Nur wenige der von mir befragten Zeitzeugen konnten sich an die Stauffenberg-Büste im Institut erinnern. Ich danke Michael Bothe, Stefan Oeter und Georg Nolte für ihre klärende Mithilfe in dieser Sache.

[8] Foto: Stefan-George-Archiv.

[9] Zitiert nach: Wolfgang Graf Vitzthum, Der stille Stauffenberg. Der Verschwörer, Georgeaner und Völkerrechtler Berthold Schenk Graf von Stauffenberg, Berlin: Duncker & Humblot 2024, 27. Die Zitate Stauffenbergs sind allesamt in der für Stefan Georges minimalistischer Ästhetik folgenden Kleinschreibung gehalten.

[10] Daniela Gretz, Mehnert, Frank, in: Achim Aurnhammer et al. (Hrsg.), Stefan George und sein Kreis: Ein Handbuch, Berlin: De Gruyter 2016, 1546–1549.

[11] Wolfgang Graf Vitzthum, Partsch, Karl Josef, in: Achim Aurnhammer et al. (Fn. 10), 1569–1572.

[12] Florian Hofmann, Helmut Strebel (1911–1992). Georgeaner und Völkerrechtler, Baden-Baden: Nomos 2010, 255.

[13] Friedrich Gundolf/Friedrich Wolters, Einleitung der Herausgeber, in: Friedrich Gundolf/Friedrich Wolters (Hrsg.), Jahrbuch für die geistige Bewegung 3 (1912), III–VIII, VIII; Hans-Christof Kraus, Das Geheime Deutschland. Zur Geschichte und Bedeutung einer Idee, Historische Zeitschrift 291 (2010), 385–417, 389; 393; Thomas Karlauf, Stefan George. Die Entdeckung des Charisma, München: Karl Blessing Verlag 2007, 555–556.

[14] Kraus, (Fn. 13), 392–393; Vitzthum, Der stille Staufenberg (Fn. 9), 33.

[15] Rainer Kolk, Literarische Gruppenbildung. Am Beispiel des George Kreises 1890–1945, Berlin: Max Niemeyer Verlag 1998, 242; Vitzthum, Der stille Staufenberg (Fn. 9), 32.

[16] So der 14-jährige Karl Josef Partsch: Ulrich Raulff, Kreis ohne Meister. Stefan Georges Nachleben, München: C. H. Beck 2012, 84.

[17] Vitzthum, Der stille Staufenberg (Fn. 9), 32; Karlauf Charisma (Fn. 13), 378–382.

[18] Das Problemfeld von Georges Pädophilie wird seit einigen Jahren kontrovers diskutiert (Julia Encke, Das Ende des Geheimen Deutschlands, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 13. Mai 2018, 45–46; Julia Encke, Päderastie aus dem Geist Georges? Ein Gespräch mit Thomas Karlauf über den Männerbund im Stefan-George-Kreis, die Verbindungen in zur Reformpädagogik und über die Odenwaldschule, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 5. April 2010, 23–24). Die etablierte und sich vielfach in Georgescher Tradition stehend sehende George-Forschung bestreitet, dass es Übergriffe durch George gegeben habe. So schreibt Carola Groppe: „Auch wenn die Auswahl der Jungen homoerotisch und pädophil motiviert war, gibt es in den Briefwechseln aus dem George-Kreis bislang keine Hinweise auf eine sexuelle Praxis; auch kann man Georges Lyrik nicht für eine Beweisführung in Anspruch nehmen. Es muss offenblieben, ob die Zuneigung zu schönen männlichen Kindern und Jugendlichen im Kreis zu sexualisierter Gewalt diesen gegenüber führte oder nicht“, Carola Groppe, Freundschaften mit Auftrag und Gefährdung: Im George-Kreis, in: Kai Kauffmann/Cornalia Ortlieb (Hrsg.), George-Jahrbuch 13 (2020/21), Berlin: De Gruyter 2020, 1–26, 16. Thomas Karlauf gibt jedoch zu bedenken, dass fast alle Quellen zum George-Kreis von Personen stammten, „die Teil des Systems waren oder, im Falle ihrer Trennung, unter erheblichem Rechtfertigungsdruck standen“, weswegen eine offene Thematisierung eines Missbrauchs kaum zu erwarten sei: Karlauf, Charisma (Fn. 13), 370. Unzweifelhaft ist für Karlauf indes, dass George in seinem Gedichtband „Der Stern des Bundes“ den „ungeheuerliche(n) Versuch“ unternommen habe, „die Päderastie mit pädagogischem Eifer zur höchsten geistigen Daseinsform zu erklären“: Karlauf, Charisma (Fn. 13), 394. Wenngleich Georges Dichtung keineswegs als Beleg für etwaige Handlungen zu sehen ist, wenn man zwischen Kunstform und Tat trennen muss, fehlt zumindest dem Verfasser dieses Beitrags die Fantasie, keine Missbräuchlichkeit in den Rekrutierungsprozessen vielfach minderjähriger Kreismitglieder bzw. in den ausgesprochen asymmetrischen Beziehungen Georges zu oftmals bedeutend jüngeren bzw. emotional abhängigen „Freunden“ zu sehen.

[19] Mit (von links im Uhrzeigersinn): Albrecht von Blumenthal, Ernst Morwitz, Silvio Markees, Max Kommerell, Johann Anton, Alexander von Stauffenberg; Foto: Stefan-George-Archiv.

[20] Vitzthum, Der stille Staufenberg (Fn. 9), 24.

[21] Zitiert nach: Vitzthum Der stille Staufenberg (Fn. 9), 28.

[22] Dass dies womöglich an einem klärenden Gespräch der besorgten Mutter der drei Brüder mit dem Dichter lag, ist zumindest nicht ausgeschlossen: Peter Hoffmann, Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Brüder, Stuttgart: Deutsche Verlags Anstalt 1992, 53.

[23] Bertram Schefold/Wolfgang Graf Vitzthum, Staatswissenschaften (Nationalökonomie, Staats- und Völkerrecht), in: Achim Aurnhammer et al. (Fn. 10), 1147–1158, 1154; Wolfgang Graf Vitzthum, Rechts- und Staatswissenschaften aus dem Geiste Stefan Georges? Über Johann Anton, Berthold Schenk Graf von Stauffenberg und Karl Josef Partsch, in: Bernhard Böschenstein et al.(Hrsg.), Wissenschaftler im George-Kreis. Die Welt des Dichters und der Beruf der Wissenschaft, Berlin: De Gruyter 2005, 83–113, 110–111.

[24] Hoffmann (Fn. 22), 75; 73.

[25] Hoffmann, (Fn. 22), 78; Thomas Karlauf, Stauffenberg. Porträt eines Attentäters, München: Pantheon 2019, 124.

[26] Wolfgang Graf Vitzthum, Stauffenberg, Berthold Alfred Maria Schenk Graf von, in: Achim Aurnhammer et al. (Fn. 10), 1666–1671, 1669. Die Erbfolge sah zunächst Robert Boehringer, dann Berthold von Stauffenberg und schließlich Frank Mehnert vor. Nach Mehnerts Tod 1943 machte Berthold von Stauffenberg seinen Bruder Claus zu seinem Nacherben.

[27] Karlauf, Charisma (Fn. 13), 635.

[28] Karlauf, Charisma (Fn. 13), 611.

[29] Raulff, Kreis (Fn. 16), 87.

[30] Raulff, Kreis (Fn. 16), 33.

[31] Karlauf, Charisma (Fn. 13), 615.

[32] Karlauf, Charisma (Fn. 13), 614–615; 626–627.

[33] Vitzthum, Der stille Staufenberg (Fn. 9), 118.

[34] Foto: Stefan-George-Archiv.

[35] Schreiben von Claus von Stauffenberg an Frank Mehnert, datiert 26.11.1939, zitiert nach: Raulff, Kreis (Fn. 16), 110.

[36] Diese Abhängigkeit blieb zeitlebens bestehen. Als Berthold von Stauffenberg 1932 seine große Liebe Mika Classen heiraten wollte, reiste Mehnert, der eine „fast krankhafte Abneigung gegen Frauen“ hegte, im Auftrag Georges nach Den Haag, um ihm das Verbot des Meisters mitzuteilen und ihn zu diesem für eine persönliche Unterredung in die Schweiz zu holen. Stauffenbergs Heirat 1936 sah Mehnert als Verrat an George an und brach den Kontakt für drei Jahre nahezu ab: Vitzthum, Berthold von Stauffenberg (Fn. 26), 1548; Karlauf, Stauffenberg (Fn. 25), 124; Hoffmann (Fn. 22), 157.

[37] Michael Stettler, Vorwort, in: Michael Stettler (Hrsg.), Erinnerung an Frank, Düsseldorf: Verlag Helmut Küpper 1968, 7. Der Band gibt ferner einen guten Eindruck von der Bedeutung Mehnerts in der Erinnerungskultur des George-(Nach-)Kreises sowie von Mehnerts eigener Wahrnehmung Georges und seines Kreises.

[38] Karlauf, Charisma (Fn. 13), 617.

[39] Raulff, Kreis (Fn. 16), 83.

[40] Vitzthum, Berthold von Stauffenberg (Fn. 26), 1548.

[41] Raulff, Kreis (Fn. 16), 202.

[42] Raulff, Kreis (Fn. 16), 202.

[43] Gretz (Fn. 10), 1547.

[44] Hoffmann (Fn. 22), 130–131.

[45] Karlauf, Charisma (Fn. 13), 618; Karlauf, Stauffenberg (Fn. 25), 238.

[46] Foto: Stefan George-Archiv.

[47] Ulrich Raulff, Steinerne Gäste. Im Lapidarium des George-Kreises, in: Ulrich Raulff/Lutz Näfelt (Hrsg.), Das geheime Deutschland. Eine Ausgrabung. Köpfe aus dem George-Kreis, Marbach: Deutsche Schillergesellschaft 2008, 4–33, 6; 7.

[48] Raulff, Steinerne Gäste (Fn. 47), 9.

[49] Raulff, Kreis (Fn. 16), 203–204.

[50] Raulff, Steinerne Gäste (Fn. 47), 16.

[51] Friedrich Wolters, zitiert nach: Raulff, Steinerne Gäste (Fn. 47), 17.

[52] Raulff, Steinerne Gäste (Fn. 47), 28; 29.

[53] Raulff, Steinerne Gäste (Fn. 47), 29.

[54] Foto (links): Maurice Weiss; Foto (rechts): Stefan-George-Archiv. Die Muschelkalk-Sockel, der vom Heidelberger Bildhauer Edzard Hobbing angefertigt wurde, trägt die deutliche Handschrift der Georgeschen Ästhetik. Die Inschrift ist deutlich an Stefan Georges „Stilschrift“ angelehnt.

[55] Die Angaben zur Entstehung der Büste Bertholds von Stauffenberg variieren, zumal es ab Mitte der 1930er eine Reihe von Abgüssen gab. Karl Josef Partsch mutmaßt, dass die Büste entweder 1927 oder 1931 entstanden sei: Schreiben von Karl Josef Partsch (Fn. 2)

[56] Diese bestehen u.a. in der heroisierenden Idealisierung des Dargestellten und in der Anlehnung an das antike griechische Körperbild, wie dies z.B. bei Arno Breker der Fall ist: Karoline Schröder, Ein Bild von Skulptur. Der Einfluss der Fotografie auf die Wahrnehmung von Bildhauerei, Bielefeld: Transkript 2018, 116.

[57] Carlo Schmid, Erinnerungen, Stuttgart: S. Hirzel Verlag 2008, 34.

[58] Joachim von Elbe, Unter Preußenadler und Sternenbanner. Ein Leben für Deutschland und Amerika, München: C. Bertelsmann 1983, 123. Ein gewisses Unverständnis gegenüber Stauffenbergs Verbindung zu George herrschte auch bei anderen Institutsmitgliedern vor: Alexander N. Makarov, Vorkämpfer der Völkerverständigung und Völkerrechtsgelehrte als Opfer des Nationalsozialismus. Berthold Schenk Graf von Stauffenberg (1905-1944), Die Friedenswarte. Blätter für internationale Verständigung und zwischenstaatliche Organisation 6 (1947), 360–365, 364.

[59] Schmid (Fn. 57), 34.

[60] Schmid (Fn. 57), 35.

[61] Dass es aber durchaus auch eine grundsätzliche Affinität zu den Themen und zur Ästhetik des George-Kreises im Institut gab, belegt der Umstand, dass sich zwei der wichtigsten und populärsten Werke aus dem George-Kreis in der Institutsbibliothek befinden, nämlich das Platon-Buch von Kurt Hildebrandt und die Biographie Kaiser Friedrichs II. von Ernst Kantorowicz, letztere sogar aus Privatbesitz Viktor Bruns‘: Kurt Hildebrandt, Platon. Der Kampf des Geistes um die Macht, Berlin: Georg Bondi 1933; Ernst Kantorowicz, Kaiser Friedrich der Zweite, Berlin: Georg Bondi 1927.

[62] Philipp Glahé, History as a Problem? On the Historical Self-Perception of the Max Planck Institute for Comparative Public Law and International Law, ZaöRV 83 (2023), 565–578.

[63] Ruth Hoffmann, Das deutsche Alibi. Mythos „Stauffenberg-Attentat“ – wie der 20. Juli 1944 verklärt und politisch instrumentalisiert wird, Goldmann: München 2024, 42.

[64] Raulff, Kreis (Fn. 16), 420–426.

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