Von Bücherregalen, Schubladen und anderen Narrativen

On Bookshelves, Boxes, and Other Narratives

Former (2002-2014) head of the library department Harald Müller in the former Separata-room, ca. 2010. The books have since been relocated to the library stack (Photo: MPIL).
Deutsch

Die völkerrechtsgeschichtlichen Altbestände des MPIL

„Der Westfälische Frieden ist eine der Geburtsstunden des modernen Völkerrechts, grundlegende Konzepte, wie die Gleichheit und Souveränität der Staaten, wurden hier das erste Mal in einem großen Friedensabkommen verhandelt. Dieses Erbe müssen wir bewahren.“[1]

Mit diesem engagierten Appell führte Annalena Baerbock in einem Interview im Vorfeld des Treffens der G-7-Außenministerinnen und -Außenminister in Münster 2022 explizit den genius loci der vormaligen ‚Friedensstadt‘ ins Feld, um ein Signal des Friedenswillens auszusenden. Angesichts der Konflikthäufung im frühen 21. Jahrhundert sind vergleichbare Allusionen, rhetorische Beschwörungen und – aus geschichtswissenschaftlicher Sicht – anachronistische Aufladungen des Westfälischen Friedens omnipräsent. Sie mindern jedoch nicht die rezeptive Bedeutungskraft des Friedensschlusses, mit dem am 24. Oktober 1648 die Gesandten Frankreichs und Schwedens, des Kaisers und der Stände des Heiligen Römischen Reiches den Dreißigjährigen Krieg (1618‑1648) beendeten. Mitte September 2023 fanden sich in Münster erneut Diplomat*innen und Sicherheitspolitiker*innen aus aller Welt ein, um sich in der Westfälischen Friedenskonferenz gemeinsamer Standpunkte zu versichern. Weder Ort noch Name sind Zufall, schrieb sich die Veranstaltung damit doch in ein Narrativ ein, welches eine vermeintlich seit 1648 bestehende völkerrechtliche Ordnung beschwört, zu deren Erhaltung man sich verpflichtet sieht.

Die völkerrechtliche Ordnung bedarf dieser Versicherungen aktuell ohne Zweifel – und die Verbindung zum Westfälischen Frieden und seiner Chiffre „1648“ ist alles andere als eine Modeerscheinung. Sie ist auch Institutionen wie dem Heidelberger MPIL eingebrannt. Biegt man nämlich im weit verzweigten Magazin des Instituts an der richtigen Stelle ab, steht man bald vor einer eindrucksvollen Sammlung von Separata, Büchern also, die vor 1800 gedruckt und seit 2002 in einer eigenen Abteilung des Magazins gebündelt wurden. Fata habent sua libelli – der oft bemühte Spruch gilt auch für diesen Altbestand „Völkerrecht“ der MPIL-Bibliothek. Denn das Bücherregal ist für sich genommen eine Schublade, in der sich – so man sie öffnet – eine geradezu typische, im 20. Jahrhundert geprägte geschichtswissenschaftliche und rechtswissenschaftliche Narrativbildung über die historische Entwicklung des Völkerrechts findet. Die kritische Auseinandersetzung mit dieser Narrativbildung ist Aufgabe, aber – wie zu zeigen sein wird – auch Begegnungsfläche beider Disziplinen.

Westfälischer Frieden(skongress) als Völkerrecht?

Gerard ter Borch: Allegorie auf Hugo Grotius und den Westfälischen Frieden, um 1648[2]

Nach den Wurzeln des modernen Völkerrechts zu fragen, führt meist ins 17. Jahrhundert. Zwei Meilensteine – eine Person und ein Ereignis – stechen hierbei heraus: der Niederländer Hugo Grotius (1583‑1645) und der Westfälische Friedenskongress (1643‑1649), auf dem besagter Friede in einem bis dato nicht gewesenen multilateralen Miteinander verhandelt wurde. Beide Linien sind verwoben in einem Gemälde aus der Schule Gerard ter Borchs, auf dem in die berühmte Szene der Beschwörung des Friedens von Münster zwischen Spanien und den Niederlanden das Epitaph des verstorbenen Rechtsgelehrten Grotius eingesetzt ist.[3] Völkerrechtsliteratur und Völkerrechtspraxis rücken hier bildlich zusammen. Ist erstere durch Grotius repräsentiert, findet die zweite Ausdruck in der symbolischen Darstellung des Westfälischen Friedenskongresses, der den Frieden von Münster (Januar 1648) und den Westfälischen Frieden (Oktober 1648) zum Ergebnis hatte. Der Dreißigjährige Krieg mit seiner Vielzahl von Parteien und Konflikten ließ in vielen gescheiterten beziehungsweise ungehaltenen Friedensfindungsversuchen die Erkenntnis zur multilateralen Verhandlung („Universalfrieden“) wachsen: Kongresse waren fortan das Organ völkerrechtlicher Verständigung im Sinne des ius inter gentes. Der Westfälische Frieden war damit epochenbildend, weil sich europäische Kriege nach 1648 de facto nur noch auf multilateralen Kongressen lösen ließen. Beispielhaft genannt seien die Kongresse bzw. Friedensschlüsse von Aachen 1668, Nijmegen 1678/79, Rijswijk 1697, Utrecht 1713/14, Aachen 1748 und Teschen 1779. Diese Reihe ist klassischer Ausdruck eines zeitgenössisch noch in statu nascendi befindlichen „Staatensystems“, in dem sich gegenseitig anerkennende Fürstenstaaten und Republiken als Völkerrechtssubjekte gleichberechtigt gegenübertreten. Das Gemälde der friedensschaffenden Gesandten um das Epitaph Grotius‘ zeigt, was heute in Vergessenheit zu geraten droht: Die vorrangige Bedeutung des Westfälischen Friedens liegt in seinem Zustandekommen und weniger in seinen Rechtsinhalten, die heute vielfach mit Toleranzbegriffen, Souveränitätsideen oder Globalisierungsgedanken missverständlich angefüllt werden.

Von Bücherregalen: Der Altbestand „Völkerrecht“ im MPIL

Die Separata-Sammlung heute[4]

Dieser duale, die Völkerrechtspraxis bei Kongressen wie auch die Völkerrechtsliteratur einbeziehende, Blick auf die frühneuzeitliche Völkerrechtsgeschichte spiegelt sich im Altbestand „Völkerrecht“ der MPIL-Bibliothek. Mit geschichtswissenschaftlicher Perspektive darauf geblickt wird deutlich, dass der Westfälische Friedenskongress chronologischer Ausgangspunkt der Sammlung ist: Im Regal finden sich vor allem die lange maßgebenden Akteneditionen des 18. Jahrhunderts, darunter Johann Gottfried von Meierns sechsbändige Acta Pacis Westphalicae publica, die französischen Négociations de Munster et d’Osnabruck oder die von Nicolas Clément 1710 herausgegebenen Briefeditionen zwischen Kardinal Mazarin und den französischen Gesandten in Münster, Mémoires et négociations secrètes de la cour de France, touchant la paix de Munster, um nur einige Beispiele zu nennen. Neben den klassischen Akteneditionen finden sich vormoderne Überblickswerke zum Westfälischen Frieden, wie die Histoire des traités de Westphalie und Drucke von Aufzeichnungen beteiligter Akteure, wie die anekdotenreichen Geschichtensammlung des reichsständischen Gesandten Adam Adami, die mehrbändigen Négociations de M. d’Avaux zum französischen Gesandten Claude de Mesmes, Comte d’Avaux, oder das Gesandtschaftsdiarium des kaiserlichen Gesandten Isaak Volmar im Corpus iuris publici sacri Romani imperii Germanici von 1710.

Neben den stark repräsentierten wichtigen älteren Quellenwerken zum Westfälischen Frieden und Friedenskongress setzt sich die Reihe der gedruckten Aktenwerke anhand der oben skizzierten Kongresskette fort: Die Verhandlungen zum Frieden von Nijmegen 1678/79 finden darin ebenso ihre Aktenpublikation wie der Frieden von Rijswijk 1697 (oder die Actes de la Paix d’Utrecht für den Kongress von 1711 bis 1713). Die Liste an vormodernen Akteneditionen zur Friedens- und Vertragsgeschichte der Vormoderne im Altbestand ließe sich problemlos erweitern.

Neben den völkerrechtlichen Beständen erscheinen hier auch stattliche Bestände von „Diplomatenspiegeln“ – Best‑practice‑Veröffentlichungen von Praktikern der internationalen Beziehungen, den „Diplomaten“ avant la lettre. Neben den in der Diplomatiegeschichte gängigen Klassikern von François de CallièresL’art de négocier” von 1716, Vera y Zúñigas Le parfait Ambassadeur” von 1642 oder einer Ausgabe von Abraham de Wicqueforts Botschafterspiegel von 1677 fallen zudem die Buchrücken diplomatischer Selbstzeugnisse und Memoiren entscheidender Akteure auf dem Verhandlungsparkett des Ancien Régime in den Blick: Hierzu gehören die posthum veröffentlichten Memoiren des „Außenministers“ Ludwigs XIV., Jean Baptiste Colbert de Torcy, oder die Briefe des französischen Verhandlungsführers vom Friedenskongress in Nijmegen, dem Maréchal d‘Éstrades.

Kurzum: Das reichhaltige Material zeigt, dass im Heidelberger Max‑Planck‑Institut nicht allein frühneuzeitliche Völkerrechtsliteratur gesammelt wurde, sondern neben den theoretischen Klassikern die praktische Seite der Kongresse, der Verhandler (Memoiren und Briefe) und der diplomatischen Praktiken, der art de négocier“, Berücksichtigung fanden.

Von Schubladen: Der Westfälische Frieden als Völkerrechtsgrundlage?

Die in diesem Bücherregal abgebildete Bedeutung des Westfälischen Friedens und der folgenden europäischen Friedenskongresse ließe sich leichthin in eine in der medialen Berichterstattung und in Politiker*innenreden beliebte Schublade stecken: Sie wird als Westphalian System bezeichnet und beschreibt die Vorstellung, dass mit dem Friedensschluss vom Oktober 1648 ein Souveränitäts-, Territorialitäts- und Egalitätsprinzip zwischen Staaten etabliert worden sei, das nachfolgend die „internationale Ordnung“ gleichberechtigter Staaten reguliert hätte. Dieses Denkmodell wurde in der älteren Völkerrechts- und Politikgeschichtswissenschaft teilweise langfristig mythologisiert[5]und – sei es in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen oder in medialen Berichterstattungen zum Friedensjubiläum – auch heute noch gepflegt.[6]

Doch nichts davon steht in den Westfälischen Friedensinstrumenten oder beschriebe zutreffend die internationale Ordnung bis ins 19. Jahrhundert. Die beständigen Dekonstruktionen des „Westfälischen Systems“ aus der Frühneuzeit-Geschichtswissenschaft oder der Völkerrechtsgeschichte vermögen dieses Bild auch nicht zu korrigieren. Dabei steht nicht die völkerrechtsgeschichtliche Bedeutung des Westfälischen Friedens grundsätzlich zur Disposition, vielmehr aber die Wirkmacht dieser Bedeutung: Diese gilt nämlich nicht, weil seit 1648 ein Ist-Zustand unmittelbar festgeschrieben gewesen wäre, sondern weil der Westfälische Frieden noch bis in die Revolutionszeit um 1800 als Referenzfriede Grundlage jeder weiteren internationalen Ordnung in einem „Droit des gens contracté“ wurde.[7] Wiederum – so könnte man dies thesenartig zuspitzen – ist es nicht der geschriebene Vertrag, sondern seine Wirkmacht in der longue durée, die seinen Zäsurcharakter für die Völkerrechtsentwicklung ausmacht.

In der Forschung wurde bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass die Idee vom Westfälischen Frieden als einer „Grundverfassung des Staatensystems“ durchaus schon im 18. Jahrhundert ihren Ursprung nahm. 1648 wurde durch Völkerrechtstheoretiker und -praktiker zu einer völkerrechtsgeschichtlichen Zäsur, und erst nach 1806 verlor der Friedensschluss von 1648 „in der deutschsprachigen Welt“, so der Marburger Historiker Christoph Kampmann, „angesichts des wachsenden Einflusses nationalstaatlichen Denkens seinen Nimbus“,[8] nicht aber im französisch- und englischsprachigen Raum. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die neuere Völkerrechtsgeschichte und das in den Politikwissenschaften/International Relations prädominante Narrativ vom „Westfälischen System“ eine neue Schublade aufmachen. Seitdem verfestigte sich der Aufstieg des Narrativs vom „Westfälischen System“, der internationalen Staatenordnung auf den Prinzipien von entkonfessionalisierter Souveränität und Gleichberechtigung. Stilbildend war der Aufsatz des Völkerrechtlers und Völkerbund-Diplomaten Leo Gross im American Journal of International Law von 1948,[9] dessen Verständnis vom Gegenwartsbezug des Westfälischen Friedens sich bis heute in verschiedenen Disziplinen, medialen und politischen Äußerungen hält.[10]

Von anderen Narrativen: Ernst Reibsteins ‚Heidelberger‘ Rezeption des Westfälischen Friedens

Ernst Reibstein und Ulrich Scheuner auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht im Institut, 25.-27. April 1965[11]

Allzu leicht wäre es nun festzustellen, dass auch die Völkerrechtsgeschichte am Heidelberger MPIL diesem Zug folgte, um dann schulmeisterlich die Frühe Neuzeit, „wie sie eigentlich gewesen“, korrektiv einzubringen. Doch bezeichnenderweise blieb diese Schublade vom „Westfälischen System“ im Heidelberger MPIL verschlossen.

Zumindest bietet sich dieser Befund, wenn man auf die Forschungen des Heidelberger Völkerrechtshistorikers Ernst Reibstein (1901‑1966) blickt, der nicht nur vielfach in der Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV) publiziert hat, sondern – als Privatgelehrter ohne Beschäftigungsverhältnis am Institut[12]– ein häufiger Nutzer[13] und womöglich auch Kompilator[14] des besagten Altbestands war. Ernst Reibstein, der mit seinen zahlreichen Studien zur Geschichte des Völkerrechts am Heidelberger Institut akademisch herausstach, widmete sich in seinen Schaffensjahren in den Jahrzehnten vor und nach 1960 häufig der vormodernen Völkerrechtsentwicklung und insbesondere auch dem Westfälischen Frieden. Seine Beschäftigung mit der Materie ragt dabei in besonderer Weise heraus: Denn Reibsteins Einordnung des Westfälischen Friedens, der Friedenskongresse und Verträge in die Geschichte des Völkerrechts – kurz gesagt: sein Blick auf die im Heidelberger Altbestand abgebildeten Werke – war geprägt von Gabriel Bonnot de Mably (1709‑1785) und seinem Hauptwerk Droit public de l‘Europe fondé sur les traités depuis la paix de Westphalie jusqu’à nos jours (erstmals 1748). Mably sah im Westfälischen Frieden 1648 einen Wendepunkt im völkerrechtlichen Vertragsrecht und gehörte damit zu den völkerrechtlichen Denkern, bei denen Kampmann jüngst die Ursprungserzählung vom „Westfälischen System“ verortet hat.

Eine der am MPIL vorhandenen Ausgaben von Gabriel Bonnot de Mablys Droit public de l‘Europe fondé sur les traités depuis la paix de Westphalie jusqu’à nos jours von 1776

Reibstein beschäftigte sich ausführlich mit Mably.[15] Mittlerweile sind die Mably-Forschung und deren Wiederentdeckung reiflich fortgeschritten, doch entscheidend scheint an dieser Stelle vielmehr Reibsteins Rezeption in den 1950er Jahren, die dieser jüngeren Mably-Rezeption[16] vorausging. Denn, indem Reibstein nach 1945 auf Mably aufbaute, gelangte er zwar zu einem ähnlichen Urteil über die Bedeutung des Westfälischen Friedens wie das „Westfälische-System“-Narrativ, wobei er dieses jedoch an eine völkerrechtsgeschichtliche Tradition anschloss, die zwischen 1806 und 1945 im deutschen Wissenschaftsbereich als verloren galt. Reibstein stellte sich allein auf die Füße der Tradition, die im 18. Jahrhundert den Westfälischen Frieden zur Zäsur eines völkerrechtsbasierten Staatensystems erhoben hatte.

„Indem der Westfälische Frieden das Verfassungsrecht des Deutschen Reiches in den Zusammenhang der allgemein europäischen Staatenbeziehungen stellte, schuf er den Begriff des droit public de l’Europe.“[17]

Die Ergebnisse mögen ähnlich klingen, doch entscheidend ist der jeweilige Argumentationsweg: Wie schon Mably, der im Dienste des französischen Außenministers als Sekretär manchen Vertrag selbst verhandelt hatte, rückt Reibstein nämlich neben der theoretischen Literatur die völkerrechtliche Praxis in den Mittelpunkt seiner völkerrechtsgeschichtlichen Überblicke, also genau jene Kongresse, Diplomaten und diplomatischen Praktiken, die der Altbestand des Instituts so mustergültig abbildet. In seinem Überblick reproduziert Reibstein das Mably’sche Bild der völkerrechtlichen Ordnung vor 1806, in der „die großen Friedenskongresse der folgenden Jahrzehnte Europa nach Art des Corpus Germanicum in ein mit Garantien umgebenes Gleichgewicht der Kräfte zu bringen suchten und gewisse territoriale, dynastische oder konstitutionelle Interessen als politische und zugleich völkerrechtliche Doktrinen unter den Schutz des droit public stellten“.[18] Für dieses droit public seien, so Reibstein, „die Briefsammlungen oder Memoiren der beteiligten Monarchen, Staatsmänner und Diplomaten von größerem Interesse als die zahlreichen, zu den Einzelproblemen erschienenen juristischen Untersuchungen […]“[19]Das Völkerrecht bleibt damit kein Produkt philosophischer Naturrechtsetzung, sondern ist wie schon bei Mably kasuistisch und zugleich mit den Brillen der geschichtswissenschaftlichen wie auch der rechtswissenschaftlichen Disziplin zu lesen.[20]

Doch nicht nur die historisierende Lesart der Völkerrechtsgeschichte und der Bezug auf Mably heben Reibsteins Darstellung von seinen Zeitgenossen ab. Auch seine Urteilsfindung differenziert: Denn wo Mably die auch vom „Westfälischen-System“-Narrativ stark gemachte Gleichheit souveräner Staaten nach 1648, die bis in die Epoche der Mitlebenden andauere und zu der die Frühneuzeitforschung heute nur die Augen verdreht, betont, hält Reibstein fest: „Die ‚gekrönten Häupter der Christenheit‘ oder ,Potentaten in Europa‘ verstanden ihr gegenseitiges Verhältnis auch nach dem Westfälischen Frieden als eine Hierarchie, über deren Stufen freilich weder Klarheit noch Einigkeit herrschte“.[21]

Fata habent sua libelli – Interdisziplinarität durch „Regalstudien“

Foto: Volker Lannert/Universität Bonn.

Die Quellendichte des Heidelberger Altbestands und Reibsteins Rezeption der Kasuistik Mablys grenzen seine Darstellung der Völkerrechtsgeschichte ab von Beschreibungsversuchen, die ein „Westfälisches System“ aus der Taufe hoben. Reibstein nahm eine Völkerrechtstradition auf, die neben Literatur mit frühneuzeitlicher diplomatischer Praxis argumentierte und die gerade in der deutschsprachigen Forschung weitgehend unbeachtet geblieben ist – aber eben nicht in Heidelberg.

In diesem Lichte steht der völkerrechtsgeschichtliche Altbestand des MPIL für eine gleichsam geschichts- und rechtswissenschaftliche Herangehensweise an das Völkerrecht, die in Quellen und methodisch erschlossener diplomatischer Praxis fundiert. Zeitgenössisch zu Reibsteins Darstellungen ergänzt sich diese Sicht auf die Geschichte des Völkerrechts durch eine weitere Absetzungsbewegung vom „Westfälischen System“ in den 1950er Jahren: Noch zur Mitte dieses Jahrzehnts entstand unter der Ägide des Bonner Historikers Max Braubach und in enger Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium die Idee, die großen Friedensprozesse und -kongresse der Neuzeit in kritischen Quelleneditionen besser zu ergründen. Geboren war damit eine Historikerkommission unter dem breit angelegten Namen der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte, in deren Erbe noch heute am Bonner Zentrum für Historische Friedensforschung Grundlagenforschung zum Westfälischen Frieden betrieben wird. Völkerrechtshistoriker*innen können 2024 auf mittlerweile 48 Bände kritischer Aktenedition zurückgreifen – ein moderner Editionsbestand, der sich glücklicherweise ebenfalls in der Bibliothek des MPIL findet und zum Großteil auch digital verfügbar ist.

Die Buchdeckelreihen im Altbestand des MPIL präsentieren die Kongresse und die diplomatische Praxis der Vormoderne als Gestaltungsräume völkerrechtlicher Ordnung, in denen geregeltes Miteinander sich verdichtender Staatswesen entstand. So wie Geschichtswissenschaft hier aus der Völkerrechtsgeschichte Rückschlüsse ziehen kann, so macht dieser Befund auch – im Sinne Reibsteins – deutlich, dass die diplomatische Praxis, das Zustandekommen und Funktionieren der Kongresse, wie es die Historische Friedensforschung untersucht, ihre gleichwertige Relevanz für die Völkerrechtsgeschichte haben.

Dieses fatum der Bücher im Altbestand am MPIL ist auch noch im vierten Jahrhundert des Westfälischen Friedens ernst zu nehmen und verweist auf die Notwendigkeit, Narrative quellenkritisch auf den Prüfstand zu stellen. Nur mit diesen Fundierungen lässt sich den heutigen Bedeutungen der Vertragswerke gerecht werden, und nur so werden Bemühungen der Politik um Anknüpfungsversuche, wie zum Beispiel im Zuge der Debatte über ein Westphalia for the Middle East, des Treffens der G7-Außenminister*innen im Münsteraner Friedenssaal 2022 oder auch der dortigen „Westfälischen Friedenskonferenz“ 2023, zu wirklich nachhaltigen und eindrücklichen Symbolakten.

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Ergänzende Auswahlbibliographie

Randall Lesaffer, War, Peace, Interstate Friendship and the Emergence of the ius publicum Europaeum, in: Ronald G. Asch/Wulf Eckart Voß/Martin Wrede (Hrsg.): Der Frieden. Rekonstruktion einer europäischen Vision, 2. Bd.: Frieden und Krieg in der Frühen Neuzeit. Die europäische Staatenordnung und die außereuropäische Welt, München: Wilhelm Fink Verlag 2001, 87–113.

Andreas Osiander, „This Solemn, And Ever Memorable and Sacred Treaty“: Perceptions of the Peace of Westphalia in the later Ancien Régime, Manuskript o.O., 2009.

Heinhard Steiger, Der Westfälische Frieden – Grundgesetz für Europa, in: Duchhardt, Heinz (Hrsg.): Der Westfälische Friede: Diplomatie – Politische Zäsur – Kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte, Historische Zeitschrift, Beiheft 26, München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag,  33–80.

[1] Claudia Kramer-Santel/Andreas Fier, Symbolischer Ort in schwieriger Zeit. Außenministerin Annalena Baerbock im Interview mit den Westfälischen Nachrichten zum Treffen der G7-Außenministerinnen und Außenminister in Münster, Auswärtiges Amt Newsroom, von Claudia Kramer-Santel und Andreas Fier, 2. November 2022.

[2] Bild: gemeinfrei.

[3] Heinz Schilling, Konfessionalisierung und Staatinteresse. Internationale Beziehungen 1559- 1660, Handbuch der Geschichte der internationalen Beziehungen Bd. 2, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2007.

[4] Foto: MPIL.

[5] Siehe: Paolo Amorosa, Rewriting the History of the law of Nations. How James Brown Scott made Francisco de Vitoria the Founder of International Law, Oxford: Oxford University Press 2019.

[6] Vgl. bspw.: Tom Ginsburg, Eastphalia as the Perfection of Westphalia, Indiana Journal of Global Legal Studies 17 (2010), 27–45; Reinhard Meyers, From Westphalia to Westfailure? Internationale Akteure und die Fallstricke Humanitäter Intervention, in: Joachim Gardemann/ Franz-Josef Jakobi/ Bernadette Spinnen (Hrsg.): Humanitäre Hilfe und staatliche Souveränität, Münster: Aschendorff 2012, 83–102; siehe: Jonas Bechtold, A Web of Peaces: Twitter Narratives on the Peace of Westphalia, in: Florian Helfer et al., Overcoming Conflict. History Teaching – Peacebuilding – Reconciliation, Wiesbaden: Springer 2023, 235–258; Michael Rohrschneider, Zum 375. Jubiläum des Westfälischen Friedens. Lernen aus der Geschichte?, Forschung und Lehre 30 (2023), 862–863.

[7] Benjamin Durst, Archive des Völkerrechts. Gedruckte Sammlungen europäischer Mächteverträge in der Frühen Neuzeit, Colloquia Augustana Bd. 34, München: De Gruyter 2016.

[8] Christoph Kampmann, Der Westfälische Friede als Fundament von Völkerrecht und Staatenpolitik. Präfigurationen des „Westfälischen Systems“ im 18. Jahrhundert, in: Friedrich Kießling/Caroline Rothauge (Hrsg.), Außenbeziehungen und Erinnerung. Funktionen, Dynamiken, Reflexionen, München: De Gruyter 2021, 21–36, 35.

[9] Leo Gross, The peace of Westphalia 1648–1948, American Journal of International Law 42 (1948), 20–41.

[10] Peter M.R. Stirk, The Westphalian model and sovereign equality, in: Review of International Studies 38 (2012), 641–660; Benjamin de Carvalho/Jorg Kustermans, The modern Westphalian Peace Impasse in International Relations and what to do about it, in: Dorothée Goetze/Lena Oetzel (Hrsg.), Warum Friedenschließen so schwer ist. Frühneuzeitliche Friedensfindung am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses, Schriftenreihe zur Neueren Geschichte Bd. 39, Neue Folge 2, Münster: Aschendorff 2019, 93–106.

[11] Foto: MPIL.

[12] Hermann Mosler, Nachruf auf Ernst Reibstein, ZaöRV 26 (1966), 493–494.

[13] Zumindest kann für den Überblicksaufsatz Reibsteins zum Völkerrecht vor 1806 festgehalten werden, dass ein Großteil der angeführten Werke im Altbestand des MPIL vorhanden ist. Der wissenschaftliche Nachlass Reibsteins befindet sich noch heute im MPIL.

[14] Die einzelnen Provenienzen und Ankäufe der Separata sind nicht systematisch erfasst. Die Möglichkeit, dass Reibstein an der Zusammenstellung beteiligt war, ist jedoch nicht auszuschließen. Wir danken dem freundlichen Hinweis von Joachim Schwietzke und Philipp Glahé.

[15] Ernst Reibstein, Völkerrecht. Eine Geschichte seiner Ideen in Lehre und Praxis, Bd. I: Von der Antike bis zur Aufklärung, Freiburg/München: Karl Alber 1957, 534-553; Ernst Reibstein, Die Völkerrechtskasuistik des Abbé de Mably, ZaöRV 18 (1957/58), 229–260.

[16] Hans Erich Bödeker/ Peter Friedemann (Hrsg.): Gabriel Bonnot de Mably: Politische Texte 1751–1783, Baden-Baden: Nomos 2000; Kampmann (Fn. 8).

[17] Ernst Reibstein, Das „Europäische Öffentliche Recht“ 1648–1815. Ein institutionengeschichtlicher Überblick, Archiv des Völkerrechts 8 (1960), 385–420, 386.

[18] Reibstein, Das Europäische Öffentliche Recht (Fn. 17), 386.

[19] Reibstein, Das Europäische Öffentliche Recht (Fn. 17), 386.

[20] Vgl. Reibstein, Völkerrechtskasuistik (Fn. 15), 259.

[21] Reibstein, Das Europäische Öffentliche Recht (Fn. 17), 390.

English

The MPIL’s Historical Collection in the 375th Year of the Peace of Westphalia

“The Peace of Westphalia is a cradle of modern international law; it is where fundamental concepts such as the equality and sovereignty of states were negotiated for the very first time in a major peace agreement. We must preserve this heritage.” [1]

With this fierce plea, German Foreign Minister Annalena Baerbock, in an interview in the run-up to the meeting of G7 foreign ministers in Münster in 2022, explicitly invoked the genius loci of the former ‘City of Peace’ to signal commitment to peace. In the face of the multitude of conflicts in the early 21st century, similar allusions, rhetorical invocations and – from a historiographical perspective – anachronistic charges of the Peace of Westphalia are omnipresent. However, they do not diminish the receptive significance of the peace treaty, with which the envoys of France and Sweden, the Emperor and the Imperial Estates of the Holy Roman Empire ended the Thirty Years’ War (1618‑1648) on 24 October 1648. In mid‑September 2023, diplomats and security policy experts from all over the world gathered again in Münster to agree on common positions at the Westphalian Peace Conference. Neither the location nor the name are a coincidence, as with them, the event positioned itself as part of a narrative, conjuring up an international legal order, supposedly existing since 1648 which one feels obliged to preserve.

There is no doubt that the international legal order is currently in need of this reassurance – and the invocation of the Peace of Westphalia and its cipher “1648” is anything but a fad. Not least, it is ingrained in institutions, including the Heidelberg MPIL. If one finds the way through the extensive library of the institute, an impressive collection of separata, i.e. books  printed before 1800, which have been compiled in a separate section since 2002, can be discovered. Fata habent sua libelli – the oft-quoted saying also applies to this historical collection under the signature “International Law” in the MPIL library. Here, the development of public international law has been shelved – figuratively as well as literally – in a way that is representative of a historical and legal narrative construed in the 20th century. The critical examination of this narrative formation is a task, but – as will be shown – also a common ground of both disciplines.

The Westphalian Peace (Congress) as International Law?

Gerard ter Borch: Allegory of Hugo Grotius and the Peace of Westphalia, circa 1648 [2]

The search for the roots of modern international law usually leads back to the 17th century. Here, two milestones – one person and one event – stand out: the Dutchman Hugo Grotius (1583‑1645) and the Peace Congress of Westphalia (1643‑1649), where the aforementioned peace treaty was negotiated in unprecedented multilateral co-operation. Both threads are interwoven in a painting from the school of Gerard ter Borch, in which the epitaph of the deceased legal scholar Grotius is inserted into the famous scene of the confirmation of the Peace of Münster between Spain and the Netherlands by oath.[3] Here, scholarly literature on international law and its practice are metaphorically connected. The former is represented by Grotius, the latter by a symbolic depiction of the Peace Congress of Westphalia, which resulted in the Peace of Münster (January 1648) and the Peace of Westphalia (October 1648). The Thirty Years’ War, with its multitude of parties and conflicts, as well as many unsuccessful and unrealized attempts at peace-making, led to a growing awareness of the need for multilateral negotiations (“universal peace”): from then on, congresses became the means of finding consensus on international law, in the sense of a ius inter gentes. The Peace of Westphalia was thus epoch-making; after 1648 European wars could de facto only be resolved at multilateral congresses. The congresses and peace treaties of Aachen in 1668, Nijmegen in 1678/79, Rijswijk in 1697, Utrecht in 1713/14, Aachen in 1748 and Teschen in 1779 are examples of this. This series is a classic expression of a “state system”, still in statu nascendi at the time, in which monarchies and republics recognized each other as subjects of international law on equal footing. The painting of the peace-making envoys gathered around Grotius‘ epitaph points to a fact that tends to be forgotten today: the primary significance of the Peace of Westphalia lies in its genesis, while its legal content, which today is often misleadingly associated with concepts of tolerance, sovereignty, or globalisation, is secondary.

On Bookshelves: The MPIL’s Historical “International Law” Collection

The collection of Separata today [4]

This dual view of the history of international law in the early modern period, which takes into account the practice of international law at congresses as well as the scholarly literature on international law, is reflected in the MPIL historical “International Law” collection. When examining these holdings from a historiographical perspective, the Peace Congress of Westphalia emerges as its chronological starting point: The shelf contains primarily the long authoritative 18th century editions of legal acts, including Johann Gottfried von Meiern‘s six-volume Acta Pacis Westphalicae publica, the French Négociations de Munster et d’Osnabruck or the editions of letters between Cardinal Mazarin and the French envoys in Münster published by Nicolas Clément in 1710, Mémoires et négociations secrètes de la cour de France, touchant la paix de Munster, to name just a few examples. In addition to the classic editions of documents, there are also pre-modern overviews of the Peace of Westphalia, such as the Histoire des traités de Westphalie and printed records of those involved, such as the anecdote-rich collection of stories by the imperial envoy Adam Adami, the multi-volume Négociations de M. d’Avaux on the French envoy Claude de Mesmes, Comte d’Avaux, or the legation diary of the imperial envoy Isaak Volmar in the Corpus iuris publici sacri Romani imperii Germanici of 1710.

In addition to the well-represented major editions of primary sources on the Peace of Westphalia and the Peace Congress, the series of compiled records continues along the series of congresses outlined above: the publication of records of the negotiations for the Peace of Nijmegen 1678/79 can be found, as can be the Peace of Rijswijk 1697 (or the Actes de la Paix d’Utrecht for the congress from 1711 to 1713); the list of pre-modern editions of documents on the history of peace treaties of the pre-modern period in the historical collection goes on.

In addition to these scholarly publications on international law, there is also an impressive collection of Manuals of Diplomacy (so-called Diplomatenspiegel), best-practice-manuals published by practitioners of international relations, the “diplomats” avant la lettre. In addition to the classics of diplomatic history such as François de CallièresL’art de négocier from 1716, Vera y Zúñiga‘s Le parfait Ambassadeur from 1642 or an edition of Abraham de Wicquefort‘s Mirror for Ambassadors from 1677, editions of diplomatic self-testimonies and memoirs of key players on the negotiating floor of the Ancien Régime can be found: These include the posthumously published memoirs of Louis XIV’s ‘foreign minister’, Jean Baptiste Colbert de Torcy, or the letters of the French chief negotiator at the peace congress in Nijmegen, the Maréchal d’Éstrades.

In short, the rich collection of material shows that the Max Planck Institute in Heidelberg not only collected scholarly literature on international law from the early modern era, but also considered its practical side, congresses, negotiators (memoirs and letters) and diplomatic practices, the “art de négocier”, in addition to the theoretical classics.

Of Boxes: The Peace of Westphalia as the Foundation of International Law?

The significance of the Peace of Westphalia and the subsequent European peace congresses reflected in this bookshelf could easily be put in a box commonly opened up for media coverage and political speeches: it is referred to as the Westphalian system and describes the idea that the peace treaty of October 1648 established the principles of sovereignty, territoriality and equality between states that would subsequently regulate the “international order” of states on equal footing. This interpretation was long mythologised[5] in large parts of traditional international law and political history scholarship and – in various academic disciplines as well as media reports on the peace anniversary – is still cultivated today.[6]

Yet, it is not conducive with the actual Westphalian peace instruments or accurately describes the international order up to the 19th century. The constant deconstructions of the “Westphalian system” in the historiography of the early modern era and the history of international law are not helping to correct this narrative either. It is not the significance of the Peace of Westphalia in the history of international law that is at issue, but rather the power of this significance: that power is not due to the actual and direct establishment of a new status quo in 1648, but came about as the Peace of Westphalia became the reference of every new international order in a “Droit des gens contracté” up until the revolutionary period around 1800.[7] Again – condensed to a thesis- it is not the treaty as a piece of writing but its effects in the longue durée that constitute a caesura for the development of international law.

Research has repeatedly pointed out that the idea of the Peace of Westphalia as a “constitution of the state system” has its origins as early as the 18th century. 1648 was made into a caesura in the history of international by its theorists and practitioners, and it was only after 1806 that the peace treaty of 1648 “lost its nimbus in the German-speaking world”, according to Marburg historian Christoph Kampmann, “due to the growing influence of a nation‑state‑centric approach”;[8] but it did not in French- and English-speaking countries. After the Second World War, the modern history of international law dusted off the box labelled “Westphalian system”, widely used in political science and international relations. The rise of the narrative of the “Westphalian system”, an international order based on the principles of secularised sovereignty and equality of states, has been consolidated, not least influenced by an essay by international law expert and League of Nations diplomat Leo Gross in the American Journal of International Law in 1948,[9] whose understanding of the contemporary relevance of the Peace of Westphalia influences various disciplines, the media and political declarations to this day.[10]

On Other Narratives: Ernst Reibstein’s ‘Heidelberg’ Reception of the Peace of Westphalia

Ernst Reibenstein and Ulrich Scheuner at the Annual Conference of the German Society of International Law at the MPIL, 25.-27. April 1965 [11]

It would be all too easy to conclude that the approach taken at the Heidelberg MPIL to the history of international law simply followed this trend, only to then deconstruct it by schoolmasterly introducing the early modern period “as it actually was”. Interestingly, however, the “Westphalian-system”-box remained closed at the Heidelberg MPIL.

At least this is to be concluded from the writings of Heidelberg historian of international law Ernst Reibstein (1901‑ 1966), who not only published several articles in the in-house journal Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (ZaöRV; English title: Heidelberg Journal of International Law, HJIL), but – as a private scholar without a paid position at the institute[12] – was a also a frequent user[13] and possibly even a compiler[14] of the historical collection in question.

Ernst Reibstein, whose numerous studies on the history of international law were unique at the Heidelberg Institute, devoted his academic career in the decades before and after 1960 to the study of the pre-modern development of international law and the Peace of Westphalia in particular. His thinking on the subject matter is remarkable as Reibenstein’s historical classification of the Peace of Westphalia and the subsequent peace congresses and treaties – in short: his view of the works depicted in the Heidelberg historical collection- was influenced by Gabriel Bonnot de Mably (1709‑ 1785) and his principal work Droit public de l’Europe fondé sur les traités depuis la paix de Westphalie jusqu’à nos jours (first published in 1748). Mably saw the Peace of Westphalia of 1648 as a turning point in international treaty law and was therefore one of the international law scholars Kampmann recently attributed the original narrative of the “Westphalian system” to.

One of the MPIL’s editions of Gabriel Bonnot de Mably’s Droit public de l’Europe fondé sur les traités depuis la paix de Westphalie jusqu’à nos jours from 1776

Reibstein studied Mably extensively.[15] Recently, research on and rediscovery of Mably have made considerable progress, but Reibstein’s work in the 1950s, which preceded this more recent Mably reception[16], is more significant here, as he, by building on Mably after 1945, arrived at a similar conception of the significance of the Peace of Westphalia as the “Westphalian system” narrative, yet connected it to a tradition of international law history that had been considered lost in German scholarship between 1806 and 1945. Reibstein placed himself solely in the tradition that had in the 18th century elevated the Peace of Westphalia to a caesura of a state system based on international law.

“By placing the constitutional law of the German Empire in the context of general European state relations, the Peace of Westphalia created the concept of a droit public de l’Europe.”[17]

The conclusions arrived at may sound similar, but the decisive difference lies in  the respective line of argument: like Mably, who had himself taken part in a number of treaty negotiations as secretary in the service of the French foreign minister, Reibstein not only considers scholarly literature, but also the practice of international law in his historical overviews, i.e. precisely the congresses, diplomats, and diplomatic practices that the Institute’s historical collection depicts so exemplarily. In his overview, Reibstein reproduces Mably’s view of the international legal order before 1806, in which “the great peace congresses of the following decades sought to bring about a balance of powers in Europe, supported by mutual guarantees, modelled after the Corpus Germanicum and placed certain territorial, dynastic, or constitutional interests as political and international law doctrines under the protection of the droit public“.[18] According to Reibstein, for this droit public “the collections of letters or memoirs of the monarchs, statesmen, and diplomats involved are of greater interest than the numerous legal treatises on its individual problems […]”.[19] International law is thus, for Reibenstein, not to be understood as the product of the philosophical search for the norms of natural law, but rather, as for Mably, must be viewed casuistically and through the eyes of both, historical and legal scholarship. [20]

But it is not only the historicised reading of the history of international law and the reference to Mably that set Reibstein’s account apart from his contemporaries. Beyond that, his judgement is nuanced: where Mably emphasises the equality of sovereign states after 1648, which supposedly lasted well into his era, as also cited in the “Westphalian system” narrative, but considered refuted by modern scholarship on the early modern period, Reibstein states: “The ‘crowned heads of Christendom’ or ‘potentates in Europe’, even after the Peace of Westphalia, saw their relationships as a system of hierarchies, the nature of which was, of course, disputed an unclear.” [21]

Fata habent sua libelli – Interdisciplinarity through “Shelf Studies”

Photo: Volker Lannert/ Bonn University

The multiplicity of sources in Heidelberg’s historical collection and Reibstein’s reception of Mably’s casuistry set his account of the history of international law apart from approaches seeking to contrive a “Westphalian system”. Reibstein referenced a tradition that took into account not only scholarly literature, but also early modern diplomatic practice and which, particularly in German-language research, has remained largely unnoticed – but not in Heidelberg.

In this light, the MPIL’s historic collection represents an approach to international law that is both historical and jurisprudential, based on sources and the methodological analysis of diplomatic practice. This view of the history of international law is complemented by another conceptional alternative to the narrative of the “Westphalian system”, contemporary to Reibstein’s accounts: In the mid-1950s, under the aegis of the Bonn historian Max Braubach and in close coordination with the Federal Ministry of the Interior, the idea emerged to foster a better understanding of the major peace-making processes and congresses of the early modern period via critical editions of sources. This gave birth to a commission of historians under the broad name of the Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte (“Association for the Study of Modern History”), in whose tradition today’s Zentrum für Historische Friedensforschung (“Centre for Historical Peace Studies”) in Bonn conducts basic research on the Peace of Westphalia. Today, historians of international law can draw on 48 volumes of critical editions of sources – which fortunately can be found in the MPIL library and, for the most part, are even available online.

The MPIL’s historical collection present the congresses and diplomatic practice of the pre-modern era as windows opportunity for the development of an international legal order, fostering the emergence of a regulated coexistence of modernizing national states. Just as historians can draw conclusions from the history of international law, this finding also makes it clear – in the sense of Reibstein – that diplomatic practice, the establishment and functioning of congresses, as analysed by historical peace research, are equally relevant to the history of international law.

This fatum of the books in the MPIL’ historic collection is to be taken seriously, even in the fourth century of the Peace of Westphalia, and points to the need to question predominant narratives from a perspective of critical source analysis. Only based on this foundation, justice can be done to the relevance of historical treaties in today’s day and age, and only in this way can their invocation in the field of politics, such as in the course of the debate on a Westphalia for the Middle East, the meeting of the G7 foreign ministers in 2022, or the “Westphalian Peace Conference” in the Münster Peace Hall in 2023, be truly sustained and convincing.

Translation from the German original: Sarah Gebel

Selected bibliography

Randall Lesaffer, War, Peace, Interstate Friendship and the Emergence of the ius publicum Europaeum, in: Ronald G. Asch/Wulf Eckart Voß/Martin Wrede (eds): Der Frieden. Rekonstruktion einer europäischen Vision, Vol. 2: Frieden und Krieg in der Frühen Neuzeit. Die europäische Staatenordnung und die außereuropäische Welt, Munich: Wilhelm Fink Verlag 2001, 87–113.

Andreas Osiander, „This Solemn, And Ever Memorable and Sacred Treaty“: Perceptions of the Peace of Westphalia in the later Ancien Régime, unpublished manuscript, 2009.

Heinhard Steiger, Der Westfälische Frieden – Grundgesetz für Europa, in: Heinz Duchhardt, (ed.): Der Westfälische Friede: Diplomatie – Politische Zäsur – Kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte, Historische Zeitschrift, Beiheft 26, Munich: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 33–80.

[1] Claudia Kramer-Santel/Andreas Fier, A symbolic location for our meeting in difficult times. Foreign Minister Annalena Baerbock in an interview with the newspaper Westfälische Nachrichten, Auswärtiges Amt [Federal Foreign Office] Newsroom, 2 November 2022.

[2] Image: public domain.

[3] Heinz Schilling, Konfessionalisierung und Staatinteresse. Internationale Beziehungen 1559- 1660, Handbuch der Geschichte der internationalen Beziehungen Vol. 2, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2007.

[4] Photo: MPIL.

[5] See: Paolo Amorosa, Rewriting the History of the law of Nations. How James Brown Scott made Francisco de Vitoria the Founder of International Law, Oxford: Oxford University Press 2019.

[6] Cf. e.g.: Tom Ginsburg, Eastphalia as the Perfection of Westphalia, Indiana Journal of Global Legal Studies 17 (2010), 27-45; Reinhard Meyers, From Westphalia to Westfailure? Internationale Akteure und die Fallstricke Humanitäter Intervention, in: Joachim Gardemann/ Franz-Josef Jakobi/ Bernadette Spinnen (eds.): Humanitäre Hilfe und staatliche Souveränität, Münster: Aschendorff 2012, 83-102; see: Jonas Bechtold, A Web of Peaces: Twitter Narratives on the Peace of Westphalia, in: Florian Helfer et al, Overcoming Conflict. History Teaching – Peacebuilding – Reconciliation, Wiesbaden: Springer 2023, 235-258; Michael Rohrschneider, Zum 375. Jubiläum des Westfälischen Friedens. Lernen aus der Geschichte?, Forschung und Lehre 30 (2023), 862-863.

[7] Benjamin Durst, Archive des Völkerrechts. Gedruckte Sammlungen europäischer Mächteverträge in der Frühen Neuzeit, Colloquia Augustana Vol. 34, Munich: De Gruyter 2016.

[8] Christoph Kampmann, Der Westfälische Friede als Fundament von Völkerrecht und Staatenpolitik. Präfigurationen des „Westfälischen Systems“ im 18. Jahrhundert, in: Friedrich Kießling/Caroline Rothauge (eds.), Außenbeziehungen und Erinnerung. Funktionen, Dynamiken, Reflexionen, Munich: De Gruyter 2021, 21–36, 35; translated by the editor.

[9] Leo Gross, The peace of Westphalia 1648-1948, American Journal of International Law 42 (1948), 20-41.

[10] Peter M.R. Stirk, The Westphalian model and sovereign equality, in: Review of International Studies 38 (2012), 641-660; Benjamin de Carvalho/Jorg Kustermans, The modern Westphalian Peace Impasse in International Relations and what to do about it, in: Dorothée Goetze/Lena Oetzel (eds.), Warum Friedenschließen so schwer ist. Frühneuzeitliche Friedensfindung am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses, Schriftenreihe zur Neueren Geschichte Vol. 39, Neue Folge [New Series] 2, Münster: Aschendorff 2019, 93-106.

[11] Photo: MPIL.

[12] Hermann Mosler, Nachruf auf Ernst Reibstein, HJIL 26 (1966), 493-494.

[13] At least for Reibstein’s overview essay on international law from before 1806, it can be stated that most of the works cited are available in the old holdings of the MPIL. Reibstein’s academic estate can still be found at the MPIL today.

[14] The individual provenances and purchases of the seperata are not systematically recorded. An involvement of Reibstein in the compilation cannot be ruled out, however. We would like to thank Joachim Schwietzke and Philipp Glahé for kindly providing information on this.

[15] Ernst Reibstein, Völkerrecht. Eine Geschichte seiner Ideen in Lehre und Praxis, Vol. I: Von der Antike bis zur Aufklärung, Freiburg/Munich: Karl Alber 1957, 534-553; Ernst Reibstein, Die Völkerrechtskasuistik des Abbé de Mably, HJIL 18 (1957/58), 229-260.

[16] Hans Erich Bödeker/Peter Friedemann (eds.): Gabriel Bonnot de Mably: Politische Texte 1751-1783, Baden-Baden: Nomos 2000; Kampmann (fn. 7).

[17] Ernst Reibstein, Das „Europäische Öffentliche Recht“ 1648–1815. Ein institutionengeschichtlicher Überblick, Archiv des Völkerrechts 8 (1960), 385–420, 386, translated by the editor.

[18] Reibenstein, Das Europäische Öffentliche Recht (Fn. 15), 386, translated by the editor.

[19] Reibenstein, Das Europäische Öffentliche Recht (fn. 15), 386, translated by the editor.

[20] Cf. Reibenstein, Völkerrechtskasuistik (fn. 13), 259.

[21] Reibenstein, Das Europäische Öffentliche Recht (fn. 15), 390, translated by the editor.

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Jonas Bechtold ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Geschichtswissenschaft, Abteilung für Geschichte der Frühen Neuzeit und Rheinische Landesgeschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.   Rohrschneider.jpgMichael Rohrschneider ist seit 2016 Lehrstuhlinhaber für Geschichte der Frühen Neuzeit und Rheinische Landesgeschichte sowie Leiter des Zentrums für Historische Friedensforschung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

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