Kerstin von Lingen ist Professorin für Zeitgeschichte (Vergleichende Diktatur-, Gewalt- und Genozidforschung) an der Universität Wien.

Alle Artikel von Kerstin von Lingen

„Crimes against Humanity“ und die Völkermordkonvention. Kein Thema für das Institut?

Einer der zentralen Straftatbestände des internationalen Strafrechts stammt aus den Jahren des Zweiten Weltkriegs: Exiljuristen aus besetzten europäischen Ländern, darunter bemerkenswert viele aus mittel- und osteuropäischen Ländern, prägten in think tanks in London den Begriff der crimes against humanity.[1]  Der Gedanke knüpfte an frühere Versuche an, die Kriegsführung zu zivilisieren,[2] insbesondere an die beiden Friedenskonferenzen von Den Haag 1899 und 1907. Das Konzept der Verbrechen gegen die Menschlichkeit besagt, dass „Bürger unter dem Schutz des Völkerrechts stehen, auch wenn sie von ihren eigenen Landsleuten viktimisiert werden“. [3] Es stellt ein wichtiges juristisches Instrument in der Nürnberger Ära dar, insbesondere im Hinblick auf die Verbrechen im Zusammenhang mit dem Holocaust in Europa.

Das Konzept von crimes against humanity geht auf Debatten einer epistemic community von Juristen zurück[4], die sich, durch die nationalsozialistische Verfolgung ins Exil gezwungen, Anfang der 1940er Jahre in London zu sammeln begonnen hatten, um zu diskutieren, wie Verbrechen, die im laufenden Krieg begangen wurden, zu behandeln seien.[5] Diese Experten verstanden sich als Vertreter einer neuen, supranationalen Forschungsgemeinschaft; die meisten von ihnen waren bereits vor ihrem Exil  prominente Juristen gewesen.

Es ist auffällig, dass sich in den historischen Beständen des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (MPIL) kaum ein Niederschlag ihrer Debatten findet. Zum einen lässt sich dies mit der relativen Isoliertheit der deutschen Wissenschaft während der Kriegs- und Nachkriegsjahre erklären,[6] jedoch nicht nur. Im Archiv der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin hat sich ein kurzer Briefwechsel zwischen Raphael Lemkin und Hermann Mosler, dem damaligen MPIL-Direktor, von 1957 erhalten, der die ausbleibende Rezeption dieser juristischen Debatten noch in der Völkerrechtswissenschaft der frühen Bundesrepublik zeigt. Im MPIL selbst waren die crimes against humanity vor den 1990ern kein Forschungsthema.[7]

Biographiegeschichte als Erklärungsansatz

Ein biographischer Ansatz kann helfen zu verstehen, warum gerade Exiljuristen ihr Engagement in der United Nations War Crimes Commission (UNWCC) als Chance gesehen hatten, neue Rechtskonzepte umzusetzen – ohne sich über die Ohnmacht ihrer politischen Situation im Exil Illusionen zu machen.[8] Eine politisch besonders aktive Gruppe von Exiljuristen stammte aus den Grenzgebieten des untergegangenen Habsburger Reiches. Ihre Angehörigen  erlebten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die erzwungene Migration aufgrund antisemitischer Pogrome in Osteuropa, insbesondere Galizien.  Sie alle einte das Bestreben, Rechtsnormen und -doktrinen für die Nachkriegszeit zu entwickeln und eine kosmopolitische Rechtsordnung zu fördern.[9] Diese um 1900 geborenen Rechtsgelehrten vom Rande europäischer Imperien waren tief geprägt von ihrer persönlichen Erfahrung der Verfolgung als Juden[10] und der Unfähigkeit des Völkerbundes, Minderheiten in Osteuropa zu schützen. Es war ihnen ein lebenslanges Anliegen, das Konzept der staatlichen Souveränität einzuhegen, um Einzelne für staatliches Handeln, zum Beispiel rassistische Verfolgung, zur Verantwortung zu ziehen.

Hauptpunkte der Debatten jener Exiljuristen waren die Definition des „Kriegsverbrechens“, das Konzept von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die Forderung nach Einrichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs. Angesichts der unterschiedlichen Pogrom- oder Besatzungserfahrungen, die die Exiljuristen aus Europa nach London mitbrachten, war gerade die Definition des „Kriegsverbrechens“ von entscheidender Bedeutung. Die zentralen Fragen waren, ob das, was bisher als „Kriegsverbrechen“ bezeichnet wurde, bereits dann verfolgt werden konnte, wenn es vor einer offiziellen Kriegserklärung oder hinter der Frontlinie geschah, ob auch Verbrechen gegen nationale Minderheiten oder religiöse Gruppen durch diese Auslegung geschützt waren und ob eine internationale juristische Instanz Gerechtigkeit üben konnte. Die Debatte zwischen den Hauptakteuren in London spiegelt zum einen die Machlosigkeit der Exilregierungen, aber auch die politische Agenda der Alliierten in Bezug auf Strafverfolgung wider.

Der Rechtsgelehrte Hersch Lauterpacht wurde zum Motor dieser Gruppe. Der im habsburgischen Ostgalizien geborene Lauterpacht war 1918 von der Universität Lemberg (L’viv/Lwow) aus Protest gegen den wachsenden Antisemitismus und den polnischen numerus clausus für jüdische Studierende an die Universität Wien gewechselt[11], wo er unter anderen bei Hans Kelsen studierte und in Rechts- und Politikwissenschaft doppelt promoviert wurde. Im Jahr 1923 ging er nach London, wo er an der LSE bei Arnold McNair nochmals promovierte. 1937 war er auf den angesehenen Whewell-Lehrstuhl für Völkerrecht in Cambridge gewechselt, von 1955  bis zu seinem Tod 1960 war er Richter am Internationalen Gerichtshof.

Genozid als Dachbegriff?

Israel ratifiziert die Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und unterzeichnet das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen. Egon Schwelb, als stellvertretender Direktor der UN-Menschenrechtsabteilung (zweiter von links) mit Constantin Stavropoulos, Direktor der Rechtsabteilung der Vereinten Nationen, und Arthur C. Liveran, Berater der israelischen Delegation, 1. Oktober 1954 in New York[12]

Raphael Lemkin war einer der Juristen aus Ostmitteleuropa, die bereits in der Zwischenkriegszeit Nachbesserungen im Völkerrecht anmahnten.[13] Zusammen mit seinem Kollegen aus Polen, Andrej N. Mandelstam,[14] machte Lemkin einen Vorschlag, wie Minderheiten zukünftig besser geschützt werden könnten oder wie „Akte der Barbarei“ (gemeint waren Massaker) rechtlich als internationale Verbrechen definiert werden könnten, um eine Strafverfolgung zu ermöglichen.[15] Doch ihre Vorschläge fanden im Völkerbund der 1920er Jahre nur wenig Echo.

Das Konzept der crimes against humanity wurde parallel zum Genozid-Konzept Raphael Lemkins entwickelt und steht in gewisser Konkurrenz dazu.[16] Egon Schwelb (1899-1976) stieß erst 1944 zur tschechischen Delegation der UNWCC hinzu, wurde dann aber sehr einflussreich. Schwelb ist mit dem Konzept der Verbrechen gegen die Menschlichkeit verbunden, das erstmals 1944 in der UN-Kriegsverbrechenskommission diskutiert wurde und mit der Ahndung der Holocaust-Verbrechen in Verbindung gebracht wird; ursprünglich sollte es jedoch für alle Verbrechen gegen Zivilisten außerhalb militärischer Aktionen gelten. Schwelb betonte, dass für ihn Genozid als Dachbegriff zu verstehen sei, beziehungsweise als „two rivers flowing under two different names“, und es Ziel völkerrechtlicher Reformen sein müsse, die beiden zu vereinen.[17]

Dies war wiederum nicht die Intention Raphael Lemkins, der den legalistischen Ansatz der etablierten Völkerrechtswissenschaft, deren professionellen Apparat und die üblichen Methoden der Expertengremien eher verachtete.[18] Lemkin ist in den Londoner Exiljuristen-Debatten seltsam abwesend, obgleich sich spätestens nach Publikation seines Werkes Axis Rule in Occupied Europe Überschneidungen hätten ergeben müssen.[19] Lemkins Schrift von 1944 gilt heute zweifellos als Schlüsselwerk in der Debatte zur Zivilisierung von Kriegsgewalt, zum einen wegen des neuen Begriffes „Genozid“, den er in die Debatte einführte, aber auch aufgrund des umfangreichen Dokumentenapparats deutscher Verordnungen und Besatzungsrichtlinien, der die Herausbildung juristischer Gegenkonzepte und Ahndungsmechanismen erheblich erleichtert haben dürfte. Insbesondere die Darstellung der Besatzungspraktiken als Verschränkung aus politischer Unterdrückung, wirtschaftlicher Ausbeutung und kultureller Zerstörung nimmt in Lemkins Analyse breiten Raum ein, wohingegen der Holocaust zumindest umfangmäßig in dem 700-Seiten-Werk auffällig unterbelichtet bleibt, und dies ist umso bemerkenswerter, als ein Großteil von Lemkins Familie dem Holocaust zum Opfer fiel.[20] Lemkin betonte jedoch, auch wenn er den Rechtsbegriff des Genozids abstrakt formulierte, die Besonderheit des organisierten Judenmords als völkerrechtlichen Präzedenzfall[21], indem er formulierte:

„The treatment of the Jews in the occupied countries is one of the most flagrant violations of international law, not only of specific regulations of the Hague regulations, but also of the principles of the law of nations, as they have emerged from established usage among civilized nations, from the laws of humanity, and from the dictates of the public conscience – principles which the occupant is bound to respect.”[22]

Lemkins Schrift war zudem globaler ausgerichtet als die zeitgenössische alliierte Kriegsverbrecherpolitik: Während die Moskauer Erklärung dezidiert von „German atrocities“ sprach, lenkte Lemkin den Blick auf „Axis rule“, und damit auf Deutschlands willige Verbündete.[23] Eine weitere Besonderheit, so Annette Weinkes Analyse, ist Lemkins Betonung der NS-Besatzungspraxis, die in der Wortwahl stark an Beschreibungen des imperialer Herrschaft erinnerte.[24] Einen Unterschied zur Kolonialpraxis der Alliierten sah Lemkin indes vor allem darin, dass es den Nationalsozialisten nicht um utilitaristische Ziele wie Eroberung, Ausbeutung und Rekrutierung gegangen sei, sondern tatsächlich um Vernichtung und Neuordnung des Raumes nach völkisch-rassistischen Kriterien, sozusagen um eine „koloniale Ordnung neuen Typs“ (Weinke).[25] Weinke urteilt, Lemkins „Axis rule“ sei neben Henry Morgenthaus Plan zum Umgang mit dem nationalsozialistischen Deutschland „der vielleicht konsequenteste und radikalste Versuch, aus einer Analyse der nationalsozialistischen Herrschaftspraxis Schlussfolgerungen für eine strafrechtliche Behandlung staatlicher Massengewalt zu ziehen.“[26] Folge der Debatten des Zweiten Weltkriegs führten jedoch auf eine Konzentration auf Individualisierung des Völkerrechts.[27]

“Die Entwicklung nicht mehr verfolgt“. Raphael Lemkin und Hermann Mosler

Es war eine der Schwächen der juristischen Debatte, dass sich die von Raphael Lemkin geprägten Begriffe „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ und „Genozid“ zu zwei parallel genutzten Instrumenten entwickelten, obwohl Schwelb davor gewarnt hatte, sie als unterschiedliche Begriffe zu verwenden.  Crimes against humanity hat sich zu einem „präzisen, jedoch nicht immer eindeutigen juristischen Begriff im nationalen und internationalen Strafrecht entwickelt”.[28]

Die Zuständigkeit des Internationalen Militärgerichtshofs in Nürnberg umfasste Verbrechen gegen die Menschlichkeit, insbesondere Verfolgungen aus politischen, rassischen und religiösen Gründen. In der Praxis der alliierten und deutschen Nachkriegsprozesse wurde ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit jedoch meist nur als Nebenanklage zu konventionellen Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen den Frieden behandelt.  Mit diesem juristischen Kunstgriff sollte vermieden werden, in Konflikt mit der Doktrin der staatlichen Souveränität zu geraten. Dies war der Grund für Schwelbs Konflikt mit Raphael Lemkin und dessen Initiative für die Völkermordkonvention (1948), die Schwelb „als einen Rückschritt gegenüber dem Recht, wie es durch die Nürnberger Charta geschaffen wurde“, ansah.[29] Um eine flexible Völkerrechtslehre zu entwickeln, die bestehende Gewohnheiten und innerstaatliche Praktiken berücksichtigt, betonte er die Notwendigkeit, die beiden Säulen der UN-Charta – die souveräne Gleichheit und die Achtung der Menschenrechte – in ein Gleichgewicht zu bringen, eine Strategie, die anti-utopische Tendenzen im Liberalismus des Kalten Krieges widerspiegelt.[30]  Dies bedeutete jedoch, dass frühere juristische Zielvorstellungen  aufgegeben werden mussten, zum Beispiel die von Lauterpacht forcierte Idee eines internationalen Gerichtshofs, der über Menschenrechtsverletzungen urteilen sollte.

In einem Aufsatz stellte Schwelb fest, es sei unerheblich, ob ein Verbrechen vom Typ „Mord“ vor oder während des Krieges begangen worden sei.[31] Schwelb betonte, Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien ein Konzept, „eine Art Nebenprodukt des Krieges, das nur in Kriegszeiten gilt“.[32] Schwelb setzte damit eine Agenda für spätere UN-Resolutionen im Bereich der Menschenrechte und machte auch deutlich, dass es mit völkerrechtlicher Normsetzung nicht getan sei, wenn der Wille zur politischen Umsetzung fehle. 1946 kam er zu der weitsichtigen Prognose: “The task of making the protection of human rights general, permanent and effective still lies ahead.” Schwelb sah im System der UN (das die Souveränität der Staaten betonte) ein großes Problem bei der Umsetzung der Menschenrechte, welches nur durch supranationale Durchsetzungsmaßnahmen und eine rasche Anpassung an das nationale Recht umgangen werden könne. Er zeigte sich besorgt, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte dazu beigetragen habe, die Grenzen zwischen „verbindlichen Konventionen“ und „unverbindlichen Verlautbarungen“ zu verwischen.

Lemkin wiederum intervenierte nach 1954 auf verschiedenen Wegen für seine Position, da er befürchtete, es gebe „Schwierigkeiten“, wenn sich die Anwendung der Genozid-Konvention mit den Nürnberger Prinzipien vermische. In dieser Sache schrieb er am 25.2.1957 an Hermann Mosler, Direktor des Heidelberger Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, und forderte ihn auf, bei der Bundesregierung „für den Schutz der Konvention“ zu lobbyieren.[33] Er wisse sich in diesem Vorstoß mit seiner Kollegin Ellinor von Puttkamer einig, die 1936-1945 Referentin am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin gewesen war und dem Institut auch nach der Wiedergründung in Heidelberg eng verbunden blieb. Lemkin legte seinem Schreiben ein Memorandum in deutscher Sprache, betitelt „UNO Pläne zur Ersetzung der Völkermordkonvention durch eine Formulierung der Nürnberger Rechtsprechung“, bei.[34] Darin zeigte er sich besorgt über eine „verstümmelte Definition des Völkermordes“ durch die Nürnberger Definition der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. An die deutsche Bundesregierung gerichtet, formulierte Lemkin mit Blick auf die Verbrechen gegen sogenannte Volksdeutsche nach 1945:

„Sollte aber der Nürnberger Begriff ‚Ausrottung‘ die Überhand nehmen, dann könnte Deutschland diesen Vertrag kaum in Bezug auf die Taten gegen die Deutschen in den Nachbarländern anwenden. Die Deutschen wurden in diesen Ländern als nationale ethnische Gruppe zerstört, nicht aber ausgerottet.“

Lemkins Hinweis ist bemerkenswert, zeigt er doch seinen universalistischen Anspruch und ein Bemühen, das Konzept völlig losgelöst vom Holocaust zu behandeln, was wiederum zu Konflikten mit der vorherrschenden Lesart und der Betonung der Nürnberger Prinzipien führte. Das Konzept der Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde erstmals im Rahmen des Eichmann-Prozesses 1961 in Jerusalem in vollem Umfang angewandt (und wurde somit untrennbar mit den Verbrechen des Holocaust verbunden).

Mosler schrieb erst verspätet und sehr abwartend zurück: „Ich bin vor einigen Jahren zur Zeit der Vorbereitung der Ratifikation der Konvention über das Genozidium im Auswärtigen Amt tätig gewesen und über den damaligen Stand der Fragen unterrichtet. Seitdem habe ich die Entwicklung nicht mehr verfolgt.“[35] Er versprach, sich in Bonn zu erkundigen, doch der Briefwechsel bricht an dieser Stelle ab. Mosler scheint in der Sache nichts weiter unternommen zu haben, auch gibt es bis in die 1990er Jahre weder Publikationen zum Thema, noch ein Völkerrechtsgutachten des Instituts. Dies entsprach durchaus dem Zeitgeist und den auch politisch gewünschten Bestrebungen, einen Schlussstrich zu ziehen – der „Heidelberger Juristenkreis“ oder das Tübinger Institut für Besatzungsfragen sind weitere Beispiel hierfür.[36]

Felix Lange betont, dass die Sozialisation im KWI sowie die Erfahrungen während des Krieges Mosler in seiner Haltung bestärkten, dass sich das MPIL an der Rechtspraxis orientieren und von „politisierend-theoretisierenden Strömungen fernhalten“ müsse, da er solche Strömungen für die Anlehnung an nationalsozialistische Rechtsvorstellungen verantwortlich machte.[37] Dies erklärt seine Zurückhaltung, sich auch jetzt nach dem Krieg, an der von Lemkin an ihn herangetragenen Debatte zu beteiligen. Erst nachdem die Diskussionen in anderen Fachgesellschaften bereits breit geführt worden waren, ausgehend von den Exiljuristen und dann, nach 1945, vor allem in den USA, beteiligten sich auch Forschende des MPIL an den Debatten.[38]

***

[1] Kerstin von Lingen, „Crimes against Humanity“. Eine Ideengeschichte der Zivilisierung von Kriegsgewalt, 1864–1945, Paderborn: Schoeningh 2018, 21; Sabina Ferhadbegovic/Kerstin von Lingen/Julia Eichenberg, The United Nations War Crimes Commission (UNWCC), 1943-1948, and the Codification of International Criminal Law: An Introduction to the Special Issue, JHIL 24 (2022), 305–314; vgl. insbes.: Julia Eichenberg, Crossroads in London on the Road to Nuremberg. The London International Assembly and its Sub-Commission on the Trial of War Criminals as a UNWCC predecessor, JHIL 24 (2022), 334–353, sowie die angekündigte Publikation: Julia Eichenberg, The London Moment. European Governments-in-exile during the Second World War, Habilitation HU Berlin.

[2] Vgl.: Raphael Schäfer, Humanität als Nicht-Prinzip. Anmerkungen zur Kriegsrechtsvorlesung von Ernst Martin Schmitz aus dem Jahre 1938, MPIL100.de.

[3] Beth van Schaack, The Definition of Crimes against Humanity: Resolving the Incoherence, Columbia Journal of Transnational Law 37 (1998/99), 787–850, 791.

[4] Kerstin von Lingen, Epistemic Communities of Exile Lawyers at the UNWCC, JHIL 24 (2022), 315-333.

[5] Van Schaack (Fn. 3), 789; Cherif M. Bassiouni beschreibt “crimes against humanity” als “product of exigent historical circumstances”: Cherif M. Bassiouni, “Crimes against Humanity”. The Need for a Specialized Convention, Columbia Journal of Transnational Law 31 (1993/94), 457–494, 472.

[6] Hierzu ausführlich: Felix Lange, Praxisorientierung und Gemeinschaftskonzeption. Hermann Mosler als Wegbereiter der westdeutschen Völkerrechtswissenschaft nach 1945, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht Bd. 262, Heidelberg: Springer 2017, 41–48.

[7] Zu den ersten substanziellen Publikationen zum Thema in der ZaöRV zählen: Stefan Oeter, Kriegsverbrechen in den Konflikten um das Erbe Jugoslawiens. Ein Beitrag zu den Fragen der kollektiven und individuellen Verantwortlichkeit für Verletzungen des Humanitären Völkerrechts, ZaöRV 53 (1993), 1–48, und: Karin Oellers-Frahm, Anmerkungen zur einstweiligen Anordnung des Internationalen Gerichtshofs im Fall Bosnien-Herzegowina gegen Jugoslawien (Serbien und Montenegro) vom 8. April 1993, ZaöRV 53 (1993), 638–656.

[8] Kerstin von Lingen, Coining Postwar Justice from the Margins: Exile Lawyers in London, 1941–45, in: Ornella Rovetta/ Pieter Lagrou (Hrsg.), Defeating Impunity. Attempts at International Justice in Europe since 1914, War and Genocide Bd. 33, New York: Berghahn 2021, 64–90, 66; Mira Siegelberg, Unofficial Men, Efficient Civil Servants. Raphael Lemkin in the History of International Law, Journal of Genocide Research 15 (2013), 297–316, 304.

[9] Mira Siegelberg, The Via Media. Egon Schwelb’s Mid-Century Stoic Legalism and the Birth of Human Rights Law, in: James Loeffler/Moria Paz (Hrsg,), The Law of Strangers, Jewish Lawyers and International Law in the Twentieth Century, Cambridge: Cambridge University Press 2019, 143–166.

[10] Von Lingen (Fn. 4).

[11] Martti Koskenniemi, Lauterpacht: The Victorian Tradition in International Law, EJIL 2 (1997), 215–263, 228.

[12] Foto: © UN Photo/Marvin Bolotsky.

[13] Daniel Segesser/ Myriam Gessler, Raphael Lemkin and the International Debate on the Punishment of War Crimes (1919–1948), Journal of Genocide Research 7 (2005), 453–468.

[14] Helmut Aust, From Diplomat to Academic Activist. Andre Mandelstam and the History of Human Rights, EJIL 25 (2015), 1105–1121.

[15] Siegelberg, Unofficial Men (Fn.8); Daniel Segesser, Die historischen Wurzeln des Begriffs “Verbrechen gegen die Menschlichkeit”, in: Thomas Vormbaum (Hrsg.), Jahrbuch der Juristischen Zeitgeschichte 8 (2006/2007), 75–101, 93; Daniel Segesser, Der Tatbestand Verbrechen gegen die Menschlichkeit (NMT), in: Kim Christian Priemel/Alexa Stiller (Hrsg.), NMT. Die Nürnberger Militärtribunale zwischen Geschichte, Gerechtigkeit und Rechtschöpfung, Hamburg: Hamburger Edition 2013, 586–604, 589; hierzu ausführlich: Daniel Segesser, Recht statt Rache oder Rache durch Recht? Die Ahndung von Kriegsverbrechen in der internationalen fachwissenschaftlichen Debatte 1872–1945, Krieg in der Geschichte Bd. 38, Der Weg zum Internationalen Strafgerichtshof – Eine Sackgasse? Die Debatte in Der Zwischenkriegszeit, 233–302.

[16] Eingehend hierzu in teilweise fiktionalisierter Form: Philippe Sands, East West Street: On the Origins of “Genocide” and “Crimes Against Humanity”, New York: Alfred A. Knopf, Penguin Random House 2016.

[17] Brief von Egon Schwelb an Sir Humphrey Waldock, datiert 7.06.1947, zitiert nach: Siegelberg, Unofficial Men (Fn. 8), 304.

[18] Siegelberg, Unofficial Men (Fn. 8), 307.

[19] Raphael Lemkin, Axis Rule in Occupied Europe. Laws of Occupation, Analysis of Government, Proposals for Redress, Clark, NJ: Publications of the Carnegie Endowment for International Peace, Division of International Law 1944.

[20] Annette Weinke, Gewalt, Geschichte, Gerechtigkeit. Transnationale Debatten über deutsche Staatsverbrechen im 20. Jahrhundert, Göttingen: Wallstein 2016, 119.

[21] Seyla Benhabib, From “the Dialectic of Enlightenment” to “the Origins of Totalitarianism” and the Genocide Convention: Adorno and Horkheimer in the Company of Arendt and Lemkin, in: Warren Breckman et al. (eds.), The Modernist Imagination: Intellectual History and Critical Theory, New York: Berghahn 2009, 299.

[22] Lemkin (Fn. 19), 77; ebenso bei Weinke (Fn. 20), 119.

[23] Weinke (Fn. 20), 121.

[24] Auch im Folgenden hierzu: Weinke (Fn. 20), 121–122.

[25] Weinke (Fn. 20), 122.

[26] Weinke (Fn. 20), 124.

[27] Anne Peters, Before Human Rights. The Formation of the International Legal Status of the Individual, 1914– 45, in: Tom Sparks/Anne Peters (eds.), The Individual in International Law, Oxford: Oxford University Press 2024, 119–163.

[28] Michael Geyer, Crimes against Humanity, in: Gordon Martel, The Encyclopedia of War, Hoboken NJ: Blackwell 2012, DOI: 10.1002/9781444338232.

[29] Brief von Egon Schwelb an George Brand (UNWCC), datiert 18.11.1948, SOA 17/03, United Nationals Office at Geneva; siehe auch: Siegelberg, Via Media (Fn. 9), 153.

[30] Siegelberg, Via Media (Fn. 9), 145.

[31] Egon Schwelb, Material for the Preparation of a Definition of “Crimes Against Humantiy”, 22.03.1946, 14.

[32] Egon Schwelb, Crimes against Humanity, Oxford: Oxford University Press 1946, 206.

[33] Brief von Raphael Lemkin an Hermann Mosler, datiert 25.2.1957, II Rep 44, Nr. 1-10, AMPG.

[34] Raphael Lemkin, Memorandum „UNO Pläne zur Ersetzung der Völkermordkonvention durch eine Formulierung der Nürnberger Rechtsprechung“, II Rep 44, Nr. 1-10, AMPG.

[35] Brief von Hermann Mosler an Raphael Lemkin, datiert 9.4.1957, II Rep 44, Nr. 1-10, AMPG.

[36] Vgl.: Philipp Glahé, Amnestielobbyismus für NS-Verbrecher. Der Heidelberger Juristenkreis und die alliierte Justiz 1949-1955, Göttingen: Wallstein 2024; Philipp Glahé, The Heidelberg Circle of Jurists and Its Struggle against Allied Jurisdiction: Amnesty-Lobbyism and Impunity-Demands for National Socialist War Criminals (1949–1955), JHIL 21 (2019), 1–44.

[37] Lange (Fn. 6), 95.

[38] Vgl. Analyse bei: Ronen Steinke, The Politics of International Criminal Justice, Oxford: Hart Publishing 2012.